Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 13. Okt. 2016 - W 5 K 15.967

bei uns veröffentlicht am13.10.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 1. September 2015 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Gebührenbescheid des Marktes Kreuzwertheim für Kosten der Inanspruchnahme der gemeindlichen Feuer-wehr.

1. Die Klägerin bewohnt eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in …, …straße ...0. Am späten Nachmittag des 28. März 2015 hatte die Klägerin einen Topf mit Wasser auf die Herdplatte in ihrer Küche gestellt, um das Wasser zum Kochen zu bringen, als ihre Nachbarin an der Wohnungstür klingelte. Nachdem die Klägerin die Tür geöffnet hatte, ergab sich eine Diskussion darüber, ob die Nachbarin für den nächsten Wochendienst zuständig sei. Dabei war die Klägerin aus ihrer Wohnung in das Treppenhaus hinausgetreten, als durch einen Luftzug ihre Wohnungstür zufiel. Nachdem verschiedene Versuche gescheitert waren, über den Balkon bzw. mit Hilfe eines herbeigeholten Ersatzschlüssels wieder in die Wohnung zu kommen (der Schlüssel steckte von innen), wandte sich die Klägerin telefonisch an die Polizeibehörden.

Daraufhin wurde um 18:20 Uhr die Freiwillige Feuerwehr (FFW) des Marktes Kreuzwertheim wie auch die FFW Hasloch von der Integrierten Leitstelle Würzburg wegen der Meldung „Rauchentwicklung aus Gebäude“ zu dem og. Anwesen gerufen. Die FFW Hasloch war mit zwei Feuerwehrfahrzeugen und neun Feuerwehrleuten, die FFW Kreuzwertheim mit vier Fahrzeugen und 17 Feuerwehrleuten angerückt. Nachdem die Klägerin erklärt hatte, was vorgefallen war, stiegen zwei Feuerwehrleute über die Drehleiter auf den Balkon der klägerischen Wohnung, öffneten ein Fenster, schalteten den Herd ab, verbrachten den Topf auf den Balkon und öffneten die Wohnungstür.

Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 18. Juni 2015 zunächst einen Aufwendungs- und Kostenersatz für den Einsatz der FFW Kreuzwertheim in Höhe von 441,14 EUR geltend gemacht und die Klägerin angehört hatte, legte diese mit Schreiben vom 12. Juli 2015 die Abläufe dar und machte Einwendungen gegen ihre Inanspruchnahme geltend.

2. Mit Bescheid vom 1. September 2015 setzte der Beklagte der Klägerin ge-genüber die Kosten für den Einsatz der FFW Kreuzwertheim vom 28. März 2015 auf 242,10 EUR fest. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausge-führt, dass nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayFwG die Gemeinden Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangen könnten, die ihnen durch Ausrücken, Einsätze und Sicherheitswachen gemeindlicher Feuerwehren entstanden seien. Nach Art. 28 Abs. 3 Satz 1 BayFwG sei zum Ersatz der Kosten verpflichtet, wer in den Fällen des Abs. 2 Nr. 4 eine grob fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr, die zu dem Einsatz der Feuerwehr geführt habe, verursacht habe. Wer einen Topf auf dem eingeschalteten Herd stehen lasse und vor die Tür gehe, handele grob fahrlässig. Entweder hätte der Herd abgeschaltet oder der Topf vom Herd genommen werden müssen. Dass es zu keinem Brand gekommen sei, spiele dabei keine Rolle. Es reiche die Brandgefahr, die durch die starke Rauchentwicklung dokumentiert sei. Die Heranziehung der Klägerin entspreche pflichtgemäßem Ermessen. Der Markt Kreuzwertheim habe aufgrund haushaltsrechtlicher Vorgaben die grundsätzliche Verpflichtung, Begünstigte von Feuerwehreinsätzen, die nicht dem abwehrenden Brandschutz unterfielen oder in Art. 28 BayFwG ausdrücklich ausgenommen seien, zur Kostenerstattung heranzuziehen. Es werde von der Ermessensausübung Gebrauch gemacht und nur zwei Feuerwehrfahrzeuge, die Drehleiter und das LF 16/12, sowie acht Feuerwehrleute in Rechnung gestellt. Die Höhe des Aufwendungs- und Kostenersatzes richte sich nach den Pauschalsätzen gemäß der Anlage zu der von der Gemeinde erlassenen Satzung.

3. Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 2. Oktober 2015 Klage erheben mit dem A n t r a g, den Bescheid des Marktes Kreuzwertheim vom 1. September 2015 aufzuheben Zur Begründung wurde vorgetragen: Nachdem die Klägerin trotz mehrerer Versuche nicht mehr habe in ihre Wohnung gelangen können, habe sie sich telefonisch an die Polizei gewandt, um zu erfahren, wie sie die Tür öffnen könne. Der Beamte habe erläutert, die Feuerwehr anzurufen und auf ihre Nachfrage telefonisch versichert, dass keine Kosten anfielen. Das vom Beklagten unterstellte grob fahrlässige Handeln sei hier nicht gegeben. Die Beweislast für grobe Fahrlässigkeit liege auf Seiten des Beklagten, dieser habe nachzuweisen, dass die Klägerin eine Gefahr grob fahrlässig i.S.d. Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 BayFwG herbeigeführt habe. Hier fehle es bereits am Vorliegen einer Gefahrenlage in diesem Sinne, da das im Topf befindliche Wasser allenfalls rückstandslos habe verdampfen können und nach vernünftiger Lebenserfahrung nicht mit einem weiteren Schadenseintritt habe gerechnet werden müssen. Jedenfalls sei das Handeln der Klägerin nicht grob fahrlässig gewesen. Der Klägerin, die nach dem Klingeln an ihrer Wohnungstür nur kurz vor die Tür getreten sei, um mit der Nachbarin zu sprechen und zwar ohne die Absicht, das Haus, geschweige denn die Wohnung zu verlassen - wobei dann die geöffnete Wohnungstür durch einen Luftzug zugefallen sei - könne sicherlich nicht vorgeworfen werden, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer Acht gelassen zu haben, was aber für die grobe Fahrlässigkeit in objektiver Hinsicht erforderlich sei. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin - was vorliegend nicht der Fall sei - beabsichtigt hätte, die Wohnung zu verlassen und absichtlich die Wohnungstür hinter sich geschlossen hätte. Demgegenüber sei die Klägerin nur deshalb kurz aus der Wohnung herausgetreten, um nochmals deutlich auf das an der Wohnungstür der Nachbarin hängende Benachrichtigungsschild zu zeigen. Es sei auch in subjektiver Hinsicht ein unentschuldbares Fehlverhalten, das sein gewöhnliches Maß erheblich überschreite, nicht zu erkennen. Es werde in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 1. Februar 2011 (1 K 1391/09.WI) verwiesen. Zu berücksichtigen sei hier auch, dass in dem Topf der Klägerin, den diese auf dem Herd gelassen habe, keine brennbaren Stoffe gewesen seien, sondern nur Wasser. Die Gesamtumstände des Falles seien allenfalls als Augenblicksversagen einzustufen. Es handele sich allenfalls um einfache Fahrlässigkeit.

Es habe auch keine starke Verrauchung der Klägerwohnung gegeben, viel-mehr habe sich lediglich Wasserdampf entwickelt. Selbst wenn von einer grob fahrlässigen Handlungsweise auszugehen sei, sei es hier aus besonderen Umständen angezeigt, auf einen Kostenersatz zu verzichten. Denn nicht die Klägerin, sondern der angerufene Polizeibeamte habe die Entscheidung gefällt, die Feuerwehr zu rufen, wobei die Klägerin von keiner Brandgefahr und von der Aussage, dass für sie keine Kostenlast bestehe, ausgegangen sei. Überdies sei einzuwenden, dass auch die mit dem streitgegenständlichen Bescheid geltend gemachten Kosten nicht erforderlich gewesen seien. Die Klägerin habe bei der Verständigung der Polizei bereits angegeben, dass sie einen Topf mit Wasser auf der Herdplatte stehen gelassen habe. Es sei daher sicherlich nicht erforderlich, mit vier Fahrzeugen und 17 Feuerwehrleuten (Markt Kreuzwertheim) sowie zwei Fahrzeugen und neun Feuerwehrleuten (Gemeinde Hasloch) anzurücken.

4. Der Bevollmächtigte des Beklagten stellte den A n t r a g,

die Klage abzuweisen.

Der angefochtene Bescheid sei nicht zu beanstanden. Im vorliegenden Fall sei das Handeln der Klägerin, die einen Kochtopf auf dem eingeschalteten Herd in der Küche habe stehen lassen und vor die Wohnungstüre gegangen sei, als grob fahrlässig zu beurteilen, da seitens der Klägerin von vornherein nicht habe ausgeschlossen werden können, dass es nicht nur zu einer Brandgefahr, sondern darüber hinaus zu einem offenen Brandgeschehen kommen könne. Glücklicherweise sei es vorliegend bei einer starken Verrauchung der Klägerwohnung geblieben. Jedenfalls wäre es der Klägerin zuzumuten gewesen, den Herd abzuschalten und/oder den Topf vom Herd zu nehmen, bevor sie die Wohnung verlassen habe. Die Heranziehung der Klägerin entspreche auch pflichtgemäßem Ermessen. Vorliegend habe der Beklagte auf die sich aus Art. 61 und 62 GO ergebenden haushaltsrechtlichen Vorgaben hingewiesen. Bei der Abwägung der für und gegen die Heranziehung der Klägerin zum Kostenersatz sprechenden Gründe überwiege das gemeindliche Interesse am Ersatz der durch den Feuerwehreinsatz entstandenen Aufwendungen gegenüber den hiermit für die Klägerin verbundenen finanziellen Aufwendungen. Die Inanspruchnahme der Klägerin widerspreche insbesondere nicht der Billigkeit i.S.v. Art. 28 Abs. 1 Satz 3 BayFwG. Auch bei der Höhe des Kostenersatzes sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden. Auch habe der Beklagte lediglich den Ersatz der notwendigen Aufwendungen gefordert, wobei auf die ex-ante-Sicht abzustellen sei. Hier sei die Einsatzleitung der Freiwilligen Feuerwehr im Zeitpunkt der Alarmierung außerstande gewesen, das Ausmaß der Gefahrenlage objektiv einzuschätzen, da nicht habe ausgeschlossen werden können, dass sich diese zwischen Alarmierung und Eintreffen am Einsatzort zuspitzen werde. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass bei der Berechnung der Kostenerstattung nicht alle eingesetzten Kräfte und Fahrzeuge in Ansatz gebracht worden seien.

5. Mit Bescheid ebenfalls vom 1. September 2015 hat die Gemeinde Hasloch die Klägerin zum Ersatz der Kosten für den Feuerwehreinsatz vom 28. März 2015 i.H.v. 239,90 EUR verpflichtet. Die Klägerin hat hiergegen ebenfalls Klage erheben lassen (W 5 K 15.966), über die mit Urteil vom heutigen Tag entschieden wurde.

In der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2016 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten umfassend erörtert. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid des Marktes Kreuzwertheim vom 1. September 2015, mit dem von der Klägerin Kosten für den Einsatz der gemeindlichen Feuerwehr i.H.v. 242,10 EUR verlangt werden, ist aufzuheben, denn er ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 des Bayerischen Feuerwehrgesetzes (BayFwG) können die Gemeinden nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangen, die ihnen durch Ausrücken, Einsätze und Sicherheitswachen gemeindlicher Feuerwehren (Art. 4 Abs. 1 und 2) entstanden sind.

Der Beklagte hat sich allein auf die Rechtsgrundlage des Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 BayFwG gestützt. Nur diese kommt hier in Betracht. Danach kann Kostenersatz verlangt werden für Einsätze, die durch eine vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführte Gefahr veranlasst waren. Nach Art. 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayFwG ist zum Ersatz der Kosten verpflichtet, wer die Gefahr, die zu dem Einsatz der Feuerwehr geführt hat, verursacht hat oder sonst zur Beseitigung der von der Feuerwehr behobenen Gefahr verpflichtet war. Der Anspruch, dessen Erhebung im (pflichtgemäßen) Ermessen der Gemeinde steht, wird durch Leistungsbescheid geltend gemacht (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 BayFwG). Auf Aufwendungsersatz soll verzichtet werden, wenn eine Inanspruchnahme der Billigkeit widerspräche (Art. 28 Abs. 1 Satz 3 BayFwG). Die Gemeinden können für den Ersatz der Kosten Pauschalsätze durch Satzung festlegen (Art. 28 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 BayFwG). Im vorliegenden Fall erfolgt dies durch die Satzung für Aufwendungs- und Kostenersatz für Einsätze und andere Leistungen gemeindlicher Feuerwehren des Marktes Kreuzwertheim vom 26. März 1999, zuletzt geändert durch Satzung vom 23. Oktober 2012 (richtig statt: 20.2.2004).

Im vorliegenden Fall liegen jedoch die Voraussetzungen für die Erstattungspflicht der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts nicht vor.

1. Von Klägerseite wird schriftsätzlich schon in Abrede gestellt, dass hier eine Gefahr in diesem Sinne vorgelegen hat. Es fehle an einer Gefahrenlage, da das im Topf befindliche Wasser allenfalls rückstandslos habe verdampfen können und nach vernünftiger Lebenserfahrung nicht mit einem weiteren Schadenseintritt habe gerechnet werden müssen. Dem kann sich die Kammer nicht anschließen.

Eine konkrete Gefahr im Sinne des Sicherheitsrechts und damit auch des Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 BayFwG liegt vor, wenn in einem tatsächlich bestehenden konkreten Einzelfall bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehenes eine Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, also ein Schaden, eintreten wird (vgl. Schober, Kostenersatz nach Feuerwehreinsätzen in Bayern, 2. Aufl. 2008, Rn. 79; Schmidtbauer/Steiner, PAG, 3. Aufl. 2011, Art. 2 Rn. 11).

Hier musste der Einsatzleiter der Freiwilligen Feuerwehr des Beklagten im Einsatzzeitpunkt vom Vorliegen einer konkreten Gefahr für Eigentum bzw. Leib und Leben ausgehen. In der um 18:20 Uhr eingehenden Meldung der Integrierten Leitstelle war von einer „Rauchentwicklung aus Gebäude“ die Rede. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einsatz der Feuerwehr (vgl. hierzu Schmidtbauer/Steiner, PAG, Art. 2 Rn. 10) war der Eintritt eines Brandes zu befürchten. Es musste jedenfalls, wie der 1. Bürgermeister der Gemeinde Hasloch - selbst ein erfahrener Feuerwehrmann - in der mündlichen Verhandlung anschaulich dargelegt hat, damit gerechnet werden, dass nach dem Verdampfen des Wassers, sich der Metalltopf derart erhitzt, dass er zum Glühen gebracht wird, dann durch die Strahlungshitze die Fettablagerungen in der Dunstabzugshaube sich in Brand setzen und dieser auf die Wohnungseinrichtung übergreift. Im Moment des sicherheitsrechtlichen Handelns lag also eine Situation vor, in der objektiv gesehen ein Schaden eintreten kann.

2. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist das schadensursächliche Verhalten (noch) nicht als grob fahrlässig anzusehen, jedenfalls konnte eine derartige Sorgfaltspflichtverletzung von dem Beklagten nicht nachgewiesen werden. Im Einzelnen:

2.1. Ein grob fahrlässiges Verhalten liegt vor, wenn ein besonders schwerer Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt gegeben ist; es handelt sich also um eine Steigerung der leichten Fahrlässigkeit (vgl. Grundmann in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 276 Rn. 94). Dabei ist in der Rechtsprechung dann davon die Rede, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn elementarste Sorgfaltspflichten verletzt wurden, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden, die geringste Vorsicht oder Aufmerksamkeit gefehlt hat bzw. dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte (vgl. Grundmann in Münchener Kommentar zum BGB, § 276 Rn. 94 m.w. N. zur Rspr., insb. der des BGH und RG). Nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X muss die erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße missachtet worden sein. Während der Maßstab der einfachen Fahrlässigkeit ausschließlich objektiv ist, muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (vgl. BGH in st. Rspr., vgl. statt vieler: U.v. 11.5.1953 - IV ZR 170/52 - BGHZ 10, 14; U.v. 5.12.1983 - II ZR 252/82 - BGHZ 89, 153; U.v. 29.9.1992 - XI ZR 265/91 - NJW 1992, 3235; Unberath in BeckOK BGB, Stand 1.3.2011, § 277 Rn. 2). Zusammenfassend lässt sich unter den Begriff der groben Fahrlässigkeit ein objektiv schwerer und subjektiv unentschuldbarer Verstoß gegen die im konkreten Fall gebotene Sorgfalt verstehen (BGH, U.v. 4.12.1985 - IVa ZR 130/84 - NJW-RR 1986, 705; OLG Dresden, U.v. 24.4.2003 - 4 U 193/03 - juris).

Hier ist die Kammer nach dem gleichlautenden Vortrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren wie auch im gerichtlichen Verfahren von folgenden Abläufen ausgegangen, zumal dies von Beklagtenseite unstreitig gestellt wurde: Die Klägerin hat in ihrer Küche einen Topf mit Wasser auf einen Elektroherd gestellt und eine Herdplatte eingeschaltet, um das Wasser zu erhitzen. Als es dann an der Wohnungstür geklingelt hat, hat sie während des Erhitzens des Wassers die Küche verlassen, um an die Wohnungstür zu gehen. Es hat sich dann ein Gespräch mit der Nachbarin ergeben, wobei sie kurzzeitig die Wohnung verlassen hat und sie an die gegenüberliegende Wohnungstür ihrer Etage herangetreten ist, um auf das dort hängende Benachrichtigungsschild zu zeigen. Hierbei ist - aufgrund eines Luftzuges - ihre Wohnungstür zugefallen, die sich auch mit einem Zweitschlüssel nicht mehr hat öffnen lassen, weil ein Schlüssel von innen gesteckt hat.

Gemessen an den og. Grundsätzen wiegt der der Klägerin vorzuwerfende Sorgfaltsverstoß - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht so schwer, dass er die Kriterien der objektiven groben Fahrlässigkeit erfüllen würde. Im Übrigen kann aus den vg. Geschehensabläufen auch nicht auf einen subjektiv unentschuldbaren Verstoß geschlossen werden. Im Einzelnen:

2.2. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine erfahrene Hausfrau, die schon wiederholt Fett ausgelassen hat, einen Wohnungsbrand grob fahrlässig herbeiführt, wenn sie die Herdplatte unter dem mit gestocktem Fett gefüllten Kochtopf einschaltet und sodann ohne zwingenden Grund die Wohnung verlässt (OGH Wien, U.v. 10.12.1992 - 7 Ob 24/92 - VersR 1994, 248). Das Erhitzen von Fett in einem Topf auf einem Küchenherd ist wegen der damit verbundenen hohen Brandgefahr ein Vorgang, der besondere Aufmerksamkeit verlangt und nur unter Einhaltung strenger Sorgfaltsanforderungen durchgeführt werden darf (OLG Karlsruhe, U. v. 7.2.2008 - 12 U 126/07 - VersR 2008, 639; OLG Köln, U.v. 8.5.2001 - 9 U 147/00 - VersR 2002, 311; OLG Zweibrücken, U.v. 28.4.1999 - 1 U 30/98 - VersR 2001, 455; OLG Köln, U.v. 25.10.1995 - 13 U 42/95 - VersR 1996, 1491.

So hat auch das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden (U.v. 10.12.2009 - 10 U 88/09 - NJW-RR 2010, 695), dass die dortige Beklagte, dadurch dass sie die Küche verlassen hat, um ihrem Ehemann im Garten zu helfen, ohne sicherzustellen, dass der Vorgang des Schmalzschmelzens abgeschlossen und die vordere linke Herdplatte abgeschaltet war, einen objektiv schweren Verstoß gegen die von jedermann zu beachtende und jedermann einleuchtende Sorgfaltspflicht begangen und hierdurch den objektiven Tatbestand der groben Fahrlässigkeit erfüllt hat. In diesem Sinn hat auch der Bundesgerichtshof im Urteil vom 5. April 1989 (IV a ZR 39/88 - NJW-RR 1989, 1187) einen objektiv schweren Verstoß gegen die die von jedermann zu beachtende und jedermann einleuchtende Sorgfaltspflicht bejaht, wenn die Hausfrau das Haus verlassen hat, um ihren Hund auszuführen, und dabei vergessen hat, vor dem Verlassen des Hauses die Herdplatte abzuschalten. In diesem Sinn hat auch das Oberlandesgericht Köln geurteilt (U.v. 25.10.1995 - 13 U 42/95 - juris), wonach ein Wohnungsinhaber grob fahrlässig handelt, wenn er Fritierfett in einem offenen Topf auf einer elektrischen Herdplatte erhitzt und während des Erhitzens die Küche verlässt, um die kurze Zeitspanne bis zur Erreichung des erforderlichen Hitzegrades wartend auf der Wohnzimmercouch zu verbringen, wo er sodann einschläft. Ungeachtet einer etwaigen Übermüdung sei der Vorwurf grober Fahrlässigkeit schon deshalb gerechtfertigt, weil der Wohnungsinhaber das sich erhitzende Fritierfett unbeaufsichtigt gelassen hat. Wegen der hohen Brandgefahr beim Erhitzen von Fett sind - so das Oberlandesgericht Köln - an die Sorgfaltspflichten des Handelnden, auch hinsichtlich der subjektiven Vorwerfbarkeit, strenge Anforderungen zu stellen.

Wenn der Beklagte zur Begründung der groben Fahrlässigkeit ausschließlich darauf abstellt, dass jemand vor die Tür geht, der einen Topf auf dem eingeschalteten Herd stehen lässt, vermag dies - insbesondere in dieser Pauschalität - nicht zu überzeugen. Vielmehr kommt es auf die konkreten Umstände an. Dabei stellt sich das Verhalten der Klägerin, das darin liegt, die Küche verlassen zu haben, um an die Wohnungseingangstür zu gehen, ohne den Herd abzuschalten bzw. den Topf vom Herd zu ziehen, schon nicht als ein Verstoß gegen die Pflichten einer Hausfrau dar. Insoweit wurde von Beklagtenseite auch schon nicht vorgebracht, worin denn ein Verstoß gegen eine Sorgfaltspflicht liegen soll. Allerdings liegt aus Sicht der Kammer sehr wohl darin ein Sorgfaltspflichtverstoß, wenn die Klägerin während des Gesprächs mit der Nachbarin an die gegenüberliegende Wohnungstür ihrer Etage herangetreten ist, ohne zuvor nochmals in die Küche zu gehen und den Herd abzuschalten bzw. den Topf von der Herdplatte zu ziehen bzw. den Wohnungsschlüssel abzuziehen.

Ein grober Sorgfaltsverstoß kann aber hierin nicht gesehen werden. So stellt das Erhitzen von Wasser keinen Vorgang dar, der besondere Aufmerksamkeit verlangt und nur unter Einhaltung strenger Sorgfaltsanforderungen durchgeführt werden darf. Denn anders als bei den og. Fallkonstellationen, bei denen sich in dem (offenen) Topf Fett, Schmalz oder ähnliche Stoffe befinden, von denen eine hohe Brandgefahr ausgeht, handelte es sich im vorliegenden Fall lediglich um Wasser, das erhitzt werden soll. Maßgeblich ist aber, dass von kochendem Wasser nicht dieselbe akute Brandgefahr ausgeht wie von siedendem Fett, das sofort selbst Feuer fangen und auf andere Gegenstände übergehen kann. Demgegenüber muss das kochende Wasser erst vollständig verdampfen und erst dann muss der Kochtopf zum Glühen gebracht werden und dann aufgrund der so entstehenden Strahlungshitze die Fettablagerungen in der Dunstabzugshaube bzw. den dort eingesetzten Filtern zum Brennen gebracht werden. Während also beim Erhitzen von Fett oder ähnlichen brennbaren Materialien höchste Aufmerksamkeit notwendig ist, die dazu zwingt, den Herd auch nicht vorübergehend aus dem Auge zu lassen, ist das bloße Zum-Kochen-Bringen von Wasser kein derart problematischer Arbeitsvorgang, der es als groben Pflichtverstoß darstellen würde, wenn jemand - hier die Klägerin - in der Absicht, umgehend wieder in die Wohnung zurückzukehren, kurz vor die Tür tritt. Darüber hinaus hat die Klägerin hier auch nicht das Wohnhaus verlassen und hatte auch nicht die Absicht, für einen längeren Zeitraum die Wohnung zu verlassen. Sie ist vielmehr lediglich in der Absicht herausgetreten, die wenigen Meter zur gegenüberliegenden Wohnungstür zu gehen und die Wohnung für einen minimalen Zeitraum zu verlassen.

Dies hat auch das Oberlandesgericht Dresden in einem vergleichbaren Fall (U.v. 24.4.2003 - 4 U 193/03 - ZfSch 2004, 127) entschieden: Grobe Fahrlässigkeit liegt nicht vor, wenn ein Versicherter einen Topf mit kochendem Wasser längere Zeit unbeaufsichtigt auf einem angeschalteten Gasherd belässt. Maßgeblich ist eben, dass von kochendem Wasser nicht dieselbe akute Brandgefahr ausgeht wie von siedendem Fett, das sofort selbst Feuer fangen und auf andere Gegenstände übergehen kann.

Nach allem ist davon auszugehen, dass der Sorgfaltsverstoß, den hier die Klägerin begangen hat, als sie die Wohnung kurz verlassen hat, um wenige Meter an die gegenüberliegende Wohnungstür zu gehen, ohne den Schlüssel abzuziehen und mitzunehmen und dabei den Topf mit Wasser in der Küche unbeaufsichtigt gelassen hat, nicht objektiv als gröblicher Sorgfaltsverstoß einzustufen ist.

2.3. Jedenfalls lässt sich auf der subjektive Seite ein unentschuldbares Fehlverhalten der Klägerin nicht feststellen:

Grobe Fahrlässigkeit kann hinsichtlich ihrer subjektiven Voraussetzungen nicht im Wege des Anscheinsbeweises nachgewiesen werden (BGH, U. v. 15.6.1983 - VIII ZR 78/82 - juris; Heinrichs in Palandt, BGB, § 277 Rn. 7). Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (U.v. 8.7.1992 - IV ZR 223/91 - BGHZ 119, 147) vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit geschlossen werden. Dieser Schluss ist jedoch dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn weitere, in der Person des Handelnden liegende besondere Umstände hinzukommen, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht erscheinen lassen. Welche hinzutretenden Gründe geeignet sein können, den Schuldvorwurf zu mindern, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei wird auch die Gefährlichkeit der Handlung eine Rolle spielen, denn mit der Größe der möglichen Gefahr wächst auch das Maß der zu erwartenden Sorgfalt (vgl. BGH, U.v. 21.4.1977 - III ZR 200/74 - NJW 1977, 1965).

Solche Umstände, die den Schuldvorwurf in einem milderen Licht erscheinen lassen, liegen auch hier vor. So hat die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung schon vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids Angaben gemacht, die es gerechtfertigt erscheinen lassen lediglich eine einfache Fahrlässigkeit anzunehmen. Der Umstand, dass die Klägerin einen Topf mit Wasser unbeaufsichtigt auf einer eingeschalteten Herdplatte zurückgelassen hat, rechtfertigt den Vorwurf schlechthin unentschuldbaren Fehlverhaltens nicht. So haben auch das Verwaltungsgericht Wiesbaden (U.v. 1.2.2011 - 1 K 1391/09.WI - juris) und das Oberlandesgericht Dresden (U.v. 24.4.2003 - 4 U 193/03 - juris) eine grobe Fahrlässigkeit in subjektiver Hinsicht in Vergleichsfällen verneint und maßgeblich darauf abgestellt, dass insoweit von einem Topf mit Wasser eine deutlich geringere Brandgefahr ausgeht als von siedendem Fett.

2.4. Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Tatbestandsvoraussetzung der grob fahrlässigen Herbeiführung der Gefahr von der Gemeinde, die mittels belastendem Verwaltungsakt Kosten einfordern will, zu beweisen ist. Zweifel daran, dass grobe Fahrlässigkeit vorlag, gehen also zu Lasten des Beklagten (so bereits VG Würzburg, GB vom 30.10.2008 - W 5 K 07.1004 zu der vergleichbaren Konstellation des Vorsatzes bzw. der groben Fahrlässigkeit i.R.d. Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayFwG; Forster/Pemler, Bayerisches Feuerwehrgesetz, Stand 2010, Art. 28 Rn. 49; so auch VG Wiesbaden, U.v. 1.2.2011 - 1 K 1391/09.WI - juris).

2.5. Nach allem kam es hier auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob es sich bei den geltend gemachten Kosten um notwendige Aufwendungen i.S.d. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayFwG handelt, nicht mehr entscheidungserheblich an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

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III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Gebührenbescheid der Gemeinde Hasloch für Kosten der Inanspruchnahme der gemeindlichen Feuerwehr.

1. Die Klägerin bewohnt eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in …, …straße ...0. Am späten Nachmittag des 28. März 2015 hatte die Klägerin einen Topf mit Wasser auf die Herdplatte in ihrer Küche gestellt, um das Wasser zum Kochen zu bringen, als ihre Nachbarin an der Wohnungstür klingelte. Nachdem die Klägerin die Tür geöffnet hatte, ergab sich eine Diskussion darüber, ob die Nachbarin für den nächsten Wochendienst zuständig sei. Dabei war die Klägerin aus ihrer Wohnung in das Treppenhaus hinausgetreten, als durch einen Luftzug ihre Wohnungstür zufiel. Nachdem verschiedene Versuche gescheitert waren, über den Balkon bzw. mit Hilfe eines herbeigeholten Ersatzschlüssels wieder in die Wohnung zu kommen (der Schlüssel steckte von innen), wandte sich die Klägerin telefonisch an die Polizeibehörden.

Daraufhin wurde um 18:20 Uhr die Freiwillige Feuerwehr (FFW) der Gemeinde Hasloch wie auch die FFW des Marktes Kreuzwertheim von der Integrierten Leitstelle Würzburg wegen der Meldung „Rauchentwicklung aus Gebäude“ zu dem og. Anwesen gerufen. Die FFW Hasloch war mit zwei Feuerwehrfahrzeugen und neun Feuerwehrleuten, die FFW Kreuzwertheim mit vier Fahrzeugen und 17 Feuerwehrleuten angerückt. Nachdem die Klägerin erklärt hatte, was vorgefallen war, stiegen zwei Feuerwehrleute über die Drehleiter auf den Balkon der klägerischen Wohnung, öffneten ein Fenster, schalteten den Herd ab, verbrachten den Topf auf den Balkon und öffneten die Wohnungstür.

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 18. Juni 2015 zunächst einen Aufwendungs- und Kostenersatz für den Einsatz der FFW Hasloch in Höhe von 402,50 EUR geltend gemacht und die Klägerin angehört hatte, legte diese mit Schreiben vom 12. Juli 2015 die Abläufe dar und machte Einwendungen gegen ihre Inanspruchnahme geltend.

2. Mit Bescheid vom 1. September 2015 setzte die Beklagte der Klägerin gegenüber die Kosten für den Einsatz der FFW Hasloch vom 28. März 2015 auf 239,90 EUR fest. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayFwG die Gemeinden Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangen könnten, die ihnen durch Ausrücken, Einsätze und Sicherheitswachen gemeindlicher Feuerwehren entstanden seien. Nach Art. 28 Abs. 3 Satz 1 BayFwG sei zum Ersatz der Kosten verpflichtet, wer in den Fällen des Abs. 2 Nr. 4 eine grob fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr, die zu dem Einsatz der Feuerwehr geführt habe, verursacht habe. Wer einen Topf auf dem eingeschalteten Herd stehen lasse und vor die Tür gehe, handele grob fahrlässig. Entweder hätte der Herd abgeschaltet oder der Topf vom Herd genommen werden müssen. Dass es zu keinem Brand gekommen sei, spiele dabei keine Rolle. Es reiche die Brandgefahr, die durch die starke Rauchentwicklung dokumentiert sei. Die Heranziehung der Klägerin entspreche pflichtgemäßem Ermessen. Die Gemeinde Hasloch habe aufgrund haushaltsrechtlicher Vorgaben die grundsätzliche Verpflichtung, Begünstigte von Feuerwehreinsätzen, die nicht dem abwehrenden Brandschutz unterfielen oder in Art. 28 BayFwG ausdrücklich ausgenommen seien, zur Kostenerstattung heranzuziehen. Es werde von der Ermessensausübung Gebrauch gemacht und nur ein Feuerwehrfahrzeug, das LF 10/6, sowie fünf Feuerwehrleute in Rechnung gestellt. Die Höhe des Aufwendungs- und Kostenersatzes richte sich nach den Pauschalsätzen gemäß der Anlage zu der von der Gemeinde erlassenen Satzung.

3. Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 2. Oktober 2015 Klage erheben mit dem A n t r a g, den Bescheid der Gemeinde Hasloch vom 1. September 2015 aufzuheben Zur Begründung wurde vorgetragen: Nachdem die Klägerin trotz mehrerer Versuche nicht mehr habe in ihre Wohnung gelangen können, habe sie sich telefonisch an die Polizei gewandt, um zu erfahren, wie sie die Tür öffnen könne. Der Beamte habe erläutert, die Feuerwehr anzurufen und auf ihre Nachfrage telefonisch versichert, dass keine Kosten anfielen. Das von der Beklagten unterstellte grob fahrlässige Handeln sei hier nicht gegeben. Die Beweislast für grobe Fahrlässigkeit liege auf Seiten der Beklagten, diese habe nachzuweisen, dass die Klägerin eine Gefahr grob fahrlässig i.S.d. Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 BayFwG herbeigeführt habe. Hier fehle es bereits am Vorliegen einer Gefahrenlage in diesem Sinne, da das im Topf befindliche Wasser allenfalls rückstandslos habe verdampfen können und nach vernünftiger Lebenserfahrung nicht mit einem weiteren Schadenseintritt habe gerechnet werden müssen. Jedenfalls sei das Handeln der Klägerin nicht grob fahrlässig gewesen. Der Klägerin, die nach dem Klingeln an ihrer Wohnungstür nur kurz vor die Tür getreten sei, um mit der Nachbarin zu sprechen und zwar ohne die Absicht, das Haus, geschweige denn die Wohnung zu verlassen - wobei dann die geöffnete Wohnungstür durch einen Luftzug zugefallen sei - könne sicherlich nicht vorgeworfen werden, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer Acht gelassen zu haben, was aber für die grobe Fahrlässigkeit in objektiver Hinsicht erforderlich sei. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin - was vorliegend nicht der Fall sei - beabsichtigt hätte, die Wohnung zu verlassen und absichtlich die Wohnungstür hinter sich geschlossen hätte. Demgegenüber sei die Klägerin nur deshalb kurz aus der Wohnung herausgetreten, um nochmals deutlich auf das an der Wohnungstür der Nachbarin hängende Benachrichtigungsschild zu zeigen. Es sei auch in subjektiver Hinsicht ein unentschuldbares Fehlverhalten, das sein gewöhnliches Maß erheblich überschreite, nicht zu erkennen. Es werde in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 1. Februar 2011 (1 K 1391/09.WI) verwiesen. Zu berücksichtigen sei hier auch, dass in dem Topf der Klägerin, den diese auf dem Herd gelassen habe, keine brennbaren Stoffe gewesen seien, sondern nur Wasser. Die Gesamtumstände des Falles seien allenfalls als Augenblicksversagen einzustufen. Es handele sich allenfalls um einfache Fahrlässigkeit.

Es habe auch keine starke Verrauchung der Klägerwohnung gegeben, viel-mehr habe sich lediglich Wasserdampf entwickelt. Selbst wenn von einer grob fahrlässigen Handlungsweise auszugehen sei, sei es hier aus besonderen Umständen angezeigt, auf einen Kostenersatz zu verzichten. Denn nicht die Klägerin, sondern der angerufene Polizeibeamte habe die Entscheidung gefällt, die Feuerwehr zu rufen, wobei die Klägerin von keiner Brandgefahr und von der Aussage, dass für sie keine Kostenlast bestehe, ausgegangen sei. Überdies sei einzuwenden, dass auch die mit dem streitgegenständlichen Bescheid geltend gemachten Kosten nicht erforderlich gewesen seien. Die Klägerin habe bei der Verständigung der Polizei bereits angegeben, dass sie einen Topf mit Wasser auf der Herdplatte stehen gelassen habe. Es sei daher sicherlich nicht erforderlich, mit zwei Fahrzeugen und neun Feuerwehrleuten (Gemeinde Hasloch) sowie vier Fahrzeugen und 17 Feuerwehrleuten (Markt Kreuzwertheim) anzurücken.

4. Der Bevollmächtigte der Beklagten stellte den A n t r a g,

die Klage abzuweisen.

Der angefochtene Bescheid sei nicht zu beanstanden. Im vorliegenden Fall sei das Handeln der Klägerin, die einen Kochtopf auf dem eingeschalteten Herd in der Küche habe stehen lassen und vor die Wohnungstüre gegangen sei, als grob fahrlässig zu beurteilen, da seitens der Klägerin von vornherein nicht habe ausgeschlossen werden können, dass es nicht nur zu einer Brandgefahr, sondern darüber hinaus zu einem offenen Brandgeschehen kommen könne. Glücklicherweise sei es vorliegend bei einer starken Verrauchung der Klägerwohnung geblieben. Jedenfalls wäre es der Klägerin zuzumuten gewesen, den Herd abzuschalten und/oder den Topf vom Herd zu nehmen, bevor sie die Wohnung verlassen habe. Die Heranziehung der Klägerin entspreche auch pflichtgemäßem Ermessen. Vorliegend habe die Beklagte auf die sich aus Art. 61 und 62 GO ergebenden haushaltsrechtlichen Vorgaben hingewiesen. Bei der Abwägung der für und gegen die Heranziehung der Klägerin zum Kostenersatz sprechenden Gründe überwiege das gemeindliche Interesse am Ersatz der durch den Feuerwehreinsatz entstandenen Aufwendungen gegenüber den hiermit für die Klägerin verbundenen finanziellen Aufwendungen. Die Inanspruchnahme der Klägerin widerspreche insbesondere nicht der Billigkeit i.S.v. Art. 28 Abs. 1 Satz 3 BayFwG. Auch bei der Höhe des Kostenersatzes sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden. Auch habe die Beklagte lediglich den Ersatz der notwendigen Aufwendungen gefordert, wobei auf die ex-ante-Sicht abzustellen sei. Hier sei die Einsatzleitung der Freiwilligen Feuerwehr im Zeitpunkt der Alarmierung außerstande gewesen, das Ausmaß der Gefahrenlage objektiv einzuschätzen, da nicht habe ausgeschlossen werden können, dass sich diese zwischen Alarmierung und Eintreffen am Einsatzort zuspitzen werde. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass bei der Berechnung der Kostenerstattung nicht alle eingesetzten Kräfte und Fahrzeuge in Ansatz gebracht worden seien.

5. Mit Bescheid ebenfalls vom 1. September 2015 hat der Markt Kreuzwertheim die Klägerin zum Ersatz der Kosten für den Feuerwehreinsatz vom 28. März 2015 i.H.v. 242,10 EUR verpflichtet. Die Klägerin hat hiergegen ebenfalls Klage erheben lassen (W 5 K 15.967), über die mit Urteil vom heutigen Tag entschieden wurde.

In der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2016 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten umfassend erörtert. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid der Gemeinde Hasloch vom 1. September 2015, mit dem von der Klägerin Kosten für den Einsatz der gemeindlichen Feuerwehr i.H.v. 239,90 EUR verlangt werden, ist aufzuheben, denn er ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 des Bayerischen Feuerwehrgesetzes (BayFwG) können die Gemeinden nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangen, die ihnen durch Ausrücken, Einsätze und Sicherheitswachen gemeindlicher Feuerwehren (Art. 4 Abs. 1 und 2) entstanden sind.

Die Beklagte hat sich allein auf die Rechtsgrundlage des Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 BayFwG gestützt. Nur diese kommt hier in Betracht. Danach kann Kostenersatz verlangt werden für Einsätze, die durch eine vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführte Gefahr veranlasst waren. Nach Art. 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayFwG ist zum Ersatz der Kosten verpflichtet, wer die Gefahr, die zu dem Einsatz der Feuerwehr geführt hat, verursacht hat oder sonst zur Beseitigung der von der Feuerwehr behobenen Gefahr verpflichtet war. Der Anspruch, dessen Erhebung im (pflichtgemäßen) Ermessen der Gemeinde steht, wird durch Leistungsbescheid geltend gemacht (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 BayFwG). Auf Aufwendungsersatz soll verzichtet werden, wenn eine Inanspruchnahme der Billigkeit widerspräche (Art. 28 Abs. 1 Satz 3 BayFwG). Die Gemeinden können für den Ersatz der Kosten Pauschalsätze durch Satzung festlegen (Art. 28 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 BayFwG). Im vorliegenden Fall erfolgt dies durch die Satzung für Aufwendungs- und Kostenersatz für Einsätze und andere Leistungen gemeindlicher Feuerwehren der Gemeinde Hasloch vom 22. März 1999, zuletzt geändert durch Satzung vom 27. September 2012 (richtig statt: 5.1.2001).

Im vorliegenden Fall liegen jedoch die Voraussetzungen für die Erstattungspflicht der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts nicht vor.

1. Von Klägerseite wird schriftsätzlich schon in Abrede gestellt, dass hier eine Gefahr in diesem Sinne vorgelegen hat. Es fehle an einer Gefahrenlage, da das im Topf befindliche Wasser allenfalls rückstandslos habe verdampfen können und nach vernünftiger Lebenserfahrung nicht mit einem weiteren Schadenseintritt habe gerechnet werden müssen. Dem kann sich die Kammer nicht anschließen.

Eine konkrete Gefahr im Sinne des Sicherheitsrechts und damit auch des Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 BayFwG liegt vor, wenn in einem tatsächlich bestehenden konkreten Einzelfall bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehenes eine Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, also ein Schaden, eintreten wird (vgl. Schober, Kostenersatz nach Feuerwehreinsätzen in Bayern, 2. Aufl. 2008, Rn. 79; Schmidtbauer/Steiner, PAG, 3. Aufl. 2011, Art. 2 Rn. 11).

Hier musste der Einsatzleiter der Freiwilligen Feuerwehr der Beklagten im Einsatzzeitpunkt vom Vorliegen einer konkreten Gefahr für Eigentum bzw. Leib und Leben ausgehen. In der um 18:20 Uhr eingehenden Meldung der Integrierten Leitstelle war von einer „Rauchentwicklung aus Gebäude“ die Rede. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einsatz der Feuerwehr (vgl. hierzu Schmidtbauer/Steiner, PAG, Art. 2 Rn. 10) war der Eintritt eines Brandes zu befürchten. Es musste jedenfalls, wie der 1. Bürgermeister der Beklagten - selbst ein erfahrener Feuerwehrmann - in der mündlichen Verhandlung anschaulich dargelegt hat, damit gerechnet werden, dass nach dem Verdampfen des Wassers, sich der Metalltopf derart erhitzt, dass er zum Glühen gebracht wird, dann durch die Strahlungshitze die Fettablagerungen in der Dunstabzugshaube sich in Brand setzen und dieser auf die Wohnungseinrichtung übergreift. Im Moment des sicherheitsrechtlichen Handelns lag also eine Situation vor, in der objektiv gesehen ein Schaden eintreten kann.

2. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das schadensursächliche Verhalten (noch) nicht als grob fahrlässig anzusehen, jedenfalls konnte eine derartige Sorgfaltspflichtverletzung von der Beklagten nicht nachgewiesen werden. Im Einzelnen:

2.1. Ein grob fahrlässiges Verhalten liegt vor, wenn ein besonders schwerer Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt gegeben ist; es handelt sich also um eine Steigerung der leichten Fahrlässigkeit (vgl. Grundmann in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 276 Rn. 94). Dabei ist in der Rechtsprechung dann davon die Rede, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn elementarste Sorgfaltspflichten verletzt wurden, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden, die geringste Vorsicht oder Aufmerksamkeit gefehlt hat bzw. dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte (vgl. Grundmann in Münchener Kommentar zum BGB, § 276 Rn. 94 m.w. N. zur Rspr., insb. der des BGH und RG). Nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X muss die erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße missachtet worden sein. Während der Maßstab der einfachen Fahrlässigkeit ausschließlich objektiv ist, muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (vgl. BGH in st. Rspr., vgl. statt vieler: U.v. 11.5.1953 - IV ZR 170/52 - BGHZ 10, 14; U.v. 5.12.1983 - II ZR 252/82 - BGHZ 89, 153; U.v. 29.9.1992 - XI ZR 265/91 - NJW 1992, 3235; Unberath in BeckOK BGB, Stand 1.3.2011, § 277 Rn. 2). Zusammenfassend lässt sich unter den Begriff der groben Fahrlässigkeit ein objektiv schwerer und subjektiv unentschuldbarer Verstoß gegen die im konkreten Fall gebotene Sorgfalt verstehen (BGH, U.v. 4.12.1985 - IVa ZR 130/84 - NJW-RR 1986, 705; OLG Dresden, U.v. 24.4.2003 - 4 U 193/03 - juris).

Hier ist die Kammer nach dem gleichlautenden Vortrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren wie auch im gerichtlichen Verfahren von folgenden Abläufen ausgegangen, zumal dies von Beklagtenseite unstreitig gestellt wurde: Die Klägerin hat in ihrer Küche einen Topf mit Wasser auf einen Elektroherd gestellt und eine Herdplatte eingeschaltet, um das Wasser zu erhitzen. Als es dann an der Wohnungstür geklingelt hat, hat sie während des Erhitzens des Wassers die Küche verlassen, um an die Wohnungstür zu gehen. Es hat sich dann ein Gespräch mit der Nachbarin ergeben, wobei sie kurzzeitig die Wohnung verlassen hat und sie an die gegenüberliegende Wohnungstür ihrer Etage herangetreten ist, um auf das dort hängende Benachrichtigungsschild zu zeigen. Hierbei ist - aufgrund eines Luftzuges - ihre Wohnungstür zugefallen, die sich auch mit einem Zweitschlüssel nicht mehr hat öffnen lassen, weil ein Schlüssel von innen gesteckt hat.

Gemessen an den og. Grundsätzen wiegt der der Klägerin vorzuwerfende Sorgfaltsverstoß - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht so schwer, dass er die Kriterien der objektiven groben Fahrlässigkeit erfüllen würde. Im Übrigen kann aus den vg. Geschehensabläufen auch nicht auf einen subjektiv unentschuldbaren Verstoß geschlossen werden. Im Einzelnen:

2.2. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine erfahrene Hausfrau, die schon wiederholt Fett ausgelassen hat, einen Wohnungsbrand grob fahrlässig herbeiführt, wenn sie die Herdplatte unter dem mit gestocktem Fett gefüllten Kochtopf einschaltet und sodann ohne zwingenden Grund die Wohnung verlässt (OGH Wien, U.v. 10.12.1992 - 7 Ob 24/92 - VersR 1994, 248). Das Erhitzen von Fett in einem Topf auf einem Küchenherd ist wegen der damit verbundenen hohen Brandgefahr ein Vorgang, der besondere Aufmerksamkeit verlangt und nur unter Einhaltung strenger Sorgfaltsanforderungen durchgeführt werden darf (OLG Karlsruhe, U. v. 7.2.2008 - 12 U 126/07 - VersR 2008, 639; OLG Köln, U.v. 8.5.2001 - 9 U 147/00 - VersR 2002, 311; OLG Zweibrücken, U.v. 28.4.1999 - 1 U 30/98 - VersR 2001, 455; OLG Köln, U.v. 25.10.1995 - 13 U 42/95 - VersR 1996, 1491).

So hat auch das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden (U.v. 10.12.2009 - 10 U 88/09 - NJW-RR 2010, 695), dass die dortige Beklagte, dadurch dass sie die Küche verlassen hat, um ihrem Ehemann im Garten zu helfen, ohne sicherzustellen, dass der Vorgang des Schmalzschmelzens abgeschlossen und die vordere linke Herdplatte abgeschaltet war, einen objektiv schweren Verstoß gegen die von jedermann zu beachtende und jedermann einleuchtende Sorgfaltspflicht begangen und hierdurch den objektiven Tatbestand der groben Fahrlässigkeit erfüllt hat. In diesem Sinn hat auch der Bundesgerichtshof im Urteil vom 5. April 1989 (IV a ZR 39/88 - NJW-RR 1989, 1187) einen objektiv schweren Verstoß gegen die die von jedermann zu beachtende und jedermann einleuchtende Sorgfaltspflicht bejaht, wenn die Hausfrau das Haus verlassen hat, um ihren Hund auszuführen, und dabei vergessen hat, vor dem Verlassen des Hauses die Herdplatte abzuschalten. In diesem Sinn hat auch das Oberlandesgericht Köln geurteilt (U.v. 25.10.1995 - 13 U 42/95 - juris), wonach ein Wohnungsinhaber grob fahrlässig handelt, wenn er Fritierfett in einem offenen Topf auf einer elektrischen Herdplatte erhitzt und während des Erhitzens die Küche verlässt, um die kurze Zeitspanne bis zur Erreichung des erforderlichen Hitzegrades wartend auf der Wohnzimmercouch zu verbringen, wo er sodann einschläft. Ungeachtet einer etwaigen Übermüdung sei der Vorwurf grober Fahrlässigkeit schon deshalb gerechtfertigt, weil der Wohnungsinhaber das sich erhitzende Fritierfett unbeaufsichtigt gelassen hat. Wegen der hohen Brandgefahr beim Erhitzen von Fett sind - so das Oberlandesgericht Köln - an die Sorgfaltspflichten des Handelnden, auch hinsichtlich der subjektiven Vorwerfbarkeit, strenge Anforderungen zu stellen.

Wenn die Beklagte zur Begründung der groben Fahrlässigkeit ausschließlich darauf abstellt, dass jemand vor die Tür geht, der einen Topf auf dem eingeschalteten Herd stehen lässt, vermag dies - insbesondere in dieser Pauschalität - nicht zu überzeugen. Vielmehr kommt es auf die konkreten Umstände an. Dabei stellt sich das Verhalten der Klägerin, das darin liegt, die Küche verlassen zu haben, um an die Wohnungseingangstür zu gehen, ohne den Herd abzuschalten bzw. den Topf vom Herd zu ziehen, schon nicht als ein Verstoß gegen die Pflichten einer Hausfrau dar. Insoweit wurde von Beklagtenseite auch schon nicht vorgebracht, worin denn ein Verstoß gegen eine Sorgfaltspflicht liegen soll. Allerdings liegt aus Sicht der Kammer sehr wohl darin ein Sorgfaltspflichtverstoß, wenn die Klägerin während des Gesprächs mit der Nachbarin an die gegenüberliegende Wohnungstür ihrer Etage herangetreten ist, ohne zuvor nochmals in die Küche zu gehen und den Herd abzuschalten bzw. den Topf von der Herdplatte zu ziehen bzw. den Wohnungsschlüssel abzuziehen.

Ein grober Sorgfaltsverstoß kann aber hierin nicht gesehen werden. So stellt das Erhitzen von Wasser keinen Vorgang dar, der besondere Aufmerksamkeit verlangt und nur unter Einhaltung strenger Sorgfaltsanforderungen durchgeführt werden darf. Denn anders als bei den og. Fallkonstellationen, bei denen sich in dem (offenen) Topf Fett, Schmalz oder ähnliche Stoffe befinden, von denen eine hohe Brandgefahr ausgeht, handelte es sich im vorliegenden Fall lediglich um Wasser, das erhitzt werden soll. Maßgeblich ist aber, dass von kochendem Wasser nicht dieselbe akute Brandgefahr ausgeht wie von siedendem Fett, das sofort selbst Feuer fangen und auf andere Gegenstände übergehen kann. Demgegenüber muss das kochende Wasser erst vollständig verdampfen und erst dann muss der Kochtopf zum Glühen gebracht werden und dann aufgrund der so entstehenden Strahlungshitze die Fettablagerungen in der Dunstabzugshaube bzw. den dort eingesetzten Filtern zum Brennen gebracht werden. Während also beim Erhitzen von Fett oder ähnlichen brennbaren Materialien höchste Aufmerksamkeit notwendig ist, die dazu zwingt, den Herd auch nicht vorübergehend aus dem Auge zu lassen, ist das bloße Zum-Kochen-Bringen von Wasser kein derart problematischer Arbeitsvorgang, der es als groben Pflichtverstoß darstellen würde, wenn jemand - hier die Klägerin - in der Absicht, umgehend wieder in die Wohnung zurückzukehren, kurz vor die Tür tritt. Darüber hinaus hat die Klägerin hier auch nicht das Wohnhaus verlassen und hatte auch nicht die Absicht, für einen längeren Zeitraum die Wohnung zu verlassen. Sie ist vielmehr lediglich in der Absicht herausgetreten, die wenigen Meter zur gegenüberliegenden Wohnungstür zu gehen und die Wohnung für einen minimalen Zeitraum zu verlassen.

Dies hat auch das Oberlandesgericht Dresden in einem vergleichbaren Fall (U.v. 24.4.2003 - 4 U 193/03 - ZfSch 2004, 127) entschieden: Grobe Fahrlässigkeit liegt nicht vor, wenn ein Versicherter einen Topf mit kochendem Wasser längere Zeit unbeaufsichtigt auf einem angeschalteten Gasherd belässt. Maßgeblich ist eben, dass von kochendem Wasser nicht dieselbe akute Brandgefahr ausgeht wie von siedendem Fett, das sofort selbst Feuer fangen und auf andere Gegenstände übergehen kann.

Nach allem ist davon auszugehen, dass der Sorgfaltsverstoß, den hier die Klägerin begangen hat, als sie die Wohnung kurz verlassen hat, um wenige Meter an die gegenüberliegende Wohnungstür zu gehen, ohne den Schlüssel abzuziehen und mitzunehmen und dabei den Topf mit Wasser in der Küche unbeaufsichtigt gelassen hat, nicht objektiv als gröblicher Sorgfaltsverstoß einzustufen ist.

2.3. Jedenfalls lässt sich auf der subjektive Seite ein unentschuldbares Fehlverhalten der Klägerin nicht feststellen:

Grobe Fahrlässigkeit kann hinsichtlich ihrer subjektiven Voraussetzungen nicht im Wege des Anscheinsbeweises nachgewiesen werden (BGH, U. v. 15.6.1983 - VIII ZR 78/82 - juris; Heinrichs in Palandt, BGB, § 277 Rn. 7). Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (U.v. 8.7.1992 - IV ZR 223/91 - BGHZ 119, 147) vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit geschlossen werden. Dieser Schluss ist jedoch dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn weitere, in der Person des Handelnden liegende besondere Umstände hinzukommen, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht erscheinen lassen. Welche hinzutretenden Gründe geeignet sein können, den Schuldvorwurf zu mindern, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei wird auch die Gefährlichkeit der Handlung eine Rolle spielen, denn mit der Größe der möglichen Gefahr wächst auch das Maß der zu erwartenden Sorgfalt (vgl. BGH, U.v. 21.4.1977 - III ZR 200/74 - NJW 1977, 1965).

Solche Umstände, die den Schuldvorwurf in einem milderen Licht erscheinen lassen, liegen auch hier vor. So hat die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung schon vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids Angaben gemacht, die es gerechtfertigt erscheinen lassen lediglich eine einfache Fahrlässigkeit anzunehmen. Der Umstand, dass die Klägerin einen Topf mit Wasser unbeaufsichtigt auf einer eingeschalteten Herdplatte zurückgelassen hat, rechtfertigt den Vorwurf schlechthin unentschuldbaren Fehlverhaltens nicht. So haben auch das Verwaltungsgericht Wiesbaden (U.v. 1.2.2011 - 1 K 1391/09.WI - juris) und das Oberlandesgericht Dresden (U.v. 24.4.2003 - 4 U 193/03 - juris) eine grobe Fahrlässigkeit in subjektiver Hinsicht in Vergleichsfällen verneint und maßgeblich darauf abgestellt, dass insoweit von einem Topf mit Wasser eine deutlich geringere Brandgefahr ausgeht als von siedendem Fett.

2.4. Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Tatbestandsvoraussetzung der grob fahrlässigen Herbeiführung der Gefahr von der Gemeinde, die mittels belastendem Verwaltungsakt Kosten einfordern will, zu beweisen ist. Zweifel daran, dass grobe Fahrlässigkeit vorlag, gehen also zu Lasten der Beklagten (so bereits VG Würzburg, GB vom 30.10.2008 - W 5 K 07.1004 zu der vergleichbaren Konstellation des Vorsatzes bzw. der groben Fahrlässigkeit i.R.d. Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayFwG; Forster/Pemler, Bayerisches Feuerwehrgesetz, Stand 2010, Art. 28 Rn. 49; so auch VG Wiesbaden, U.v. 1.2.2011 - 1 K 1391/09.WI - juris).

2.5. Nach allem kam es hier auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob es sich bei den geltend gemachten Kosten um notwendige Aufwendungen i.S.d. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayFwG handelt, nicht mehr entscheidungserheblich an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2007 - 8 O 634/06 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.448,32 EUR nebst Zinsen p.a. hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4. Januar 2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 15% und die Beklagte 85% zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. geltend.
Zwischen der Klägerin und den Eigentümern des Anwesens .... in W besteht ein Gebäudeversicherungsvertrag zum gleitenden Neuwert. In diesem Anwesen verursachte ein Mieter, der bei der Beklagten haftpflichtversichert ist und im Rahmen des bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages Deckungsschutz auch für Mietsachschäden beanspruchen kann, am 25.12.2003 in der von ihm bewohnten Wohnung einen Brandschaden. Der Beklagten meldete er diesen Schaden wie folgt:
“Am o.g. Schadentag hatte ich Fett in einem Fondue-Topf auf dem Herd erhitzt. Währenddessen habe ich mit meinem Vater telefoniert, wobei ich das Fett ständig beobachtete. Als ich mich im Wohnzimmer befand, um den Hörer an meine Freundin weiter zu geben (dabei ließ ich den Topf für ca. 2 Minuten unbeobachtet), hörten wir einen Knall und sahen sofort Rauch in das Wohnzimmer dringen. Meine Freundin alarmierte die Feuerwehr, während ich versuchte, das entstandene Feuer in der Küche zu löschen. Dies gelang mir erst mit dem Pulverlöscher meines Vermieters.“
Die Klägerin hat den durch den Brand den Eigentümern am Gebäude entstandenen Schaden in Höhe von 17.219,72 EUR zum Neuwert reguliert. Darüber hinaus leistete die Klägerin an die Eigentümer einen weiteren Betrag von 820,00 EUR für Eigenleistungen, Reinigung und Wertminderung. Der von der Klägerin an die Eigentümer ausgekehrte Betrag beläuft sich somit auf 18.039,72 EUR.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, ihr stehe ein Ausgleichsanspruch nach § 59 Abs. 2 VVG analog zu. Der Zeitwertschaden belaufe sich - unter Zugrundelegung eines pauschalen Abschlags von 24% auf den Neuwert bei allen beschädigten Gegenständen, obwohl ein derartiger Abzug nicht für alle Positionen in Betracht komme und es sich weitgehend um langlebige Güter handele - auf mindestens 13.906,98 EUR. Anhand der anerkannten Berechnungsformel
Eigene Entschädigungspflicht im Außenverhältnis x Gesamtschaden
Summe der einzelnen Entschädigungspflichten im Außenverhältnis
belaufe sich der Ausgleichsanspruch auf
13.906,98 EUR x 18.039,72 EUR
 = 7.853,01 EUR.
31.946,70 EUR
10 
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
11 
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.853,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12 
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
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die Klage abzuweisen.
14 
Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, der geltend gemachte Anspruch bestehe nicht. Es sei bereits zu bezweifeln, ob die analoge Anwendung des § 59 Abs. 2 VVG a.F. hier korrekt sei. Außerdem sei der Brandschaden nicht schuldhaft vom Mieter verursacht worden, weil die Entzündung des Fetts in nur zwei Minuten nicht vorhersehbar und damit nicht vermeidbar gewesen sei. Damit bestehe keine Einstandspflicht der Beklagten, sodass ein Ausgleichsanspruch ausscheide. Darüber hinaus sei der Zeitwertschaden wesentlich geringer anzusetzen, als die Klägerin dies getan habe. Bei den Türen, dem Boden, den Fliesen und der Elektroeinrichtung müsse in Anbetracht ihres Alters von 18 Jahren zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ein Abzug von mindestens 60% bis 80% vorgenommen werden; die Tapeten seien praktisch wertlos gewesen. Schließlich sei der Anspruch bereits verjährt.
15 
Das Landgericht, dessen Urteil in r+s 2007, 379 ff. veröffentlicht ist, hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Der Klägerin stehe ein Ausgleichsanspruch nach § 59 Abs. 2 VVG a.F. zu. Der Mieter habe leicht fahrlässig gehandelt. Verjährung sei nicht eingetreten. Der nach § 287 ZPO geschätzte Zeitwertschaden belaufe sich unter Einschluss eines Betrages von 820,00 EUR für Reinigungsmaßnahmen auf 13.253,55 EUR. Hiervon stehe der Klägerin nicht nur die Hälfte (6.626,78 EUR), sondern nach der oben genannten Berechnungsformel 7.630,80 EUR zu. Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
16 
Die Beklagte verfolgt mit der Berufung ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie trägt vor, die Begründung, mit der das Landgericht einen Schadenseintritt durch leichte Fahrlässigkeit bejaht habe, überzeuge nicht. Der Mieter habe nicht schuldhaft gehandelt. Die Verjährungsfrage habe das Landgericht ebenfalls fehlerhaft zum Nachteil der Beklagten entschieden. Durchgreifende Bedenken bestünden des Weiteren gegen die Art und Weise, wie das erstinstanzliche Gericht den (vermeintlichen) Ausgleichsanspruch berechnet habe. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung seien in die Berechnung nur die deckungsgleichen Schäden einzustellen mit der Folge, dass nur der Zeitwert und diejenigen Positionen eingesetzt werden könnten, die auch der Haftpflichtversicherer zu ersetzen habe. Hiervon sei das Landgericht mit nicht überzeugender Begründung abgewichen. Fehlerhaft sei schließlich die Bewertung des Zeitwertschadens im Wege einer Schätzung nach § 287 ZPO, weil nicht einmal andeutungsweise ausgeführt worden sei, worauf das Gericht seine eigene Sachkunde stütze, um eine derartige Schätzung vornehmen zu können.
17 
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Es sei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Das gelte auch für die angewandte Berechnungsmethodik. Sie folge aus dem Wortlaut des § 59 Abs. 2 VVG a.F. und stehe im Einklang mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung und Literatur.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze in beiden Instanzen nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
19 
Die Berufung der Beklagten hat teilweisen Erfolg.
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1. Das Landgericht hat einen Ausgleichsanspruch der Klägerin analog § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. gegen die Beklagte zu Recht dem Grunde nach für gegeben erachtet.
21 
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 169, 86, 88 ff.) und der inzwischen ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Koblenz VersR 2007, 687, 688 f.; OLG Köln VersR 2007, 1411 f.; OLG Bamberg VersR 2007, 1651 f.) hat die Klägerin als Gebäudeversicherer der Eigentümer entsprechend den Grundsätzen der Mehrfachversicherung einen unmittelbaren Anspruch auf anteiligen Ausgleich des von ihr regulierten Schadens gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Mieters. Das beruht darauf, dass in der Gebäudeversicherung im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Regressverzicht gegenüber dem Mieter in den Fällen anzunehmen ist, in denen der Mieter einen vom Gebäudeversicherer zu regulierenden Schaden durch leichte Fahrlässigkeit verursacht hat.
22 
b) Entgegen der Ansicht der Berufung hat sich das Landgericht dieser Rechtsprechung mit Recht angeschlossen und die Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs im vorliegenden Fall zutreffend für gegeben erachtet. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Schadensverursachung durch leicht fahrlässiges Verhalten des Mieters.
23 
Das Erhitzen von Fett in einem Topf auf einem Küchenherd ist wegen der damit verbundenen hohen Brandgefahr ein Vorgang, der besondere Aufmerksamkeit verlangt und nur unter Einhaltung strenger Sorgfaltsanforderungen durchgeführt werden darf (vgl. OLG Zweibrücken VersR 2001, 455; OLG Köln VersR 1996, 1491, 1492). Mit dem Landgericht ist der Senat davon überzeugt, dass sich der Mieter dieser Gefahr bewusst war, weil er eigenen Angaben zufolge das Fett zunächst “ständig beobachtete“. Dadurch dass er anschließend gleichwohl die Küche verließ und den Fetttopf auf eingeschalteter Herdplatte etwa zwei Minuten sich selbst überließ, indem er ins Wohnzimmer ging und dort seiner Freundin einen Telefonhörer weiterreichte, verletzte er daher objektiv und subjektiv die allgemeine Sorgfaltspflicht (vgl. OLG Köln aaO). Dieses Verhalten des Mieters, der offensichtlich alsbald vom Wohnzimmer wieder in die Küche zurückkehren wollte, ist mit dem Landgericht als leicht fahrlässig zu bewerten.
24 
2. Das Landgericht hat des Weiteren, ausgehend von einem aus 75 Schadenspositionen bestehenden, unbestritten gebliebenen “Neuwertschaden“ in Höhe von 17.219,72 EUR und einem zu Recht als für Reinigungsmaßnahmen erforderlich und angemessen angesehenen weiteren Betrag von 820,00 EUR, den “Zeitwertschaden“ im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO mit 13.253,55 EUR weitgehend zutreffend bestimmt. Der Senat hat insoweit lediglich Bedenken, als das Landgericht bezüglich der Erneuerung der im Jahre 1985 eingebrachten Wandfliesen (Schadensposition Küche Nr. 3; LG-Urteil, Seite 6) und eines ebenfalls 1985 eingebauten Fensters (Schadenspositionen Küche Nrn. 10 u. 12; LG-Urteil, Seite 7) einen Abzug „neu für alt“ lediglich in Höhe von 25% vorgenommen hat. Er hält hier in Anbetracht einer üblichen “Lebensdauer“ von 30 - 40 Jahren jeweils einen Abschlag von 50% für erforderlich. Im Übrigen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung der vom Landgericht vorgenommenen Schadensschätzung an. Aufgrund seiner langjährigen, immer wiederkehrenden Befassung mit ähnlich gelagerten Fällen verfügt er über die notwendige Sachkunde, um die übliche “Lebensdauer“ der hier beschädigten bzw. zerstörten Gebäudeteile beurteilen zu können; Besonderheiten, die eine Begutachtung durch einen Sachverständigen angezeigt erscheinen ließen, weist der Fall nicht auf. Der Zeitwertschaden beläuft sich somit auf
25 
13.253,55 EUR
  Vom Landgericht ermittelter Zeitwertschaden
./. 497,41 EUR
  Vom Landgericht unter Vornahme eines Abschlags
        
  von 25% berücksichtigte Schadensposition
        
  Wandfliesen (Schadensposition Küche Nr. 3)
        
  [428,80 EUR zuzüglich 16% MWSt.]
./. 390,63 EUR
  Vom Landgericht unter Vornahme eines Abschlags
        
  von 25% berücksichtigte Schadensposition Fenster
        
  (Schadensposition Küche Nr. 10)
        
  [336,75 EUR zuzüglich 16% MWSt.]
./. 182,70 EUR
  Vom Landgericht unter Vornahme eines Abschlags
        
  von 25% berücksichtigte Schadensposition
        
  Fensterrahmen (Schadensposition Küche Nr. 12)
        
  [157,50 EUR zuzüglich 16% MWSt.]c
+ 331,60 EUR
  Wandfliesen (Schadensposition Küche Nr. 3)
        
  [571,73 EUR x 0,5 = 285,87 EUR; zuzüglich 16% MWSt.]
+ 260,42 EUR
  Fenster (Schadensposition Küche Nr. 10)
        
  [449,00 EUR x 0,5 = 224,50 EUR; zuzüglich 16% MWSt.]
+ 121,80 EUR
  Fensterrahmen (Schadensposition Küche Nr. 12
                    
  [210,00 EUR x 0,5 = 105,00 EUR; zuzüglich 16% MWSt.]
12.896,63 EUR
        
26 
3. Bei der Frage, wie der Ausgleichsanspruch zu bestimmen ist, hat das Landgericht dafür gehalten, ihn nach der Formel
27 
Eigene Entschädigungspflicht im Außenverhältnis x Gesamtschaden
Summe der einzelnen Entschädigungspflichten im Außenverhältnis
28 
zu berechnen. Seiner Ansicht nach hat der Ausgleich zwischen den Versicherern entsprechend der Vorgabe des Bundesgerichtshofs (BGHZ 169, 86, 98) nach dem Maßstab des § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. zu erfolgen und damit in dem Verhältnis, in dem die Versicherer den Versicherungsnehmern leistungspflichtig waren. Das folge aus der Vorschrift selbst, die gerade nicht die grundsätzlich hälftige Haftungsaufteilung des § 426 BGB aufnehme, sondern die “relative“ Verteilung vorschreibe. Wenn eine von § 59 VVG a.F. abweichende Berechnung hätte gelten sollen, hätte der Bundesgerichtshof dies angemerkt. Da dies nicht geschehen sei, könne hier nicht einfach die Hälfte des doppelt versicherten Betrages (Zeitwertes) angesetzt werden.
29 
In ähnlicher Weise argumentieren Rechtsprechung und Literatur, soweit sie die im angefochtenen Urteil vertretene Rechtsauffassung teilen (vgl. LG Kassel VersR 2007, 986, 987; LG Köln VersR 1982, 1165, 1166; Günther VersR 2006, 1539, 1542; ders. VersR 2007, 1652; Wolter VersR 2007, 987 ff.; Wälder r+s 2007, 381 f.). Sie weisen zusätzlich darauf hin, dass die von ihnen für richtig gehaltene Berechnungsmethode im Ergebnis dazu führe, dass jeder Versicherer den gleichen Prozentsatz in Bezug auf die jeweilige Summe, für die er eintrittspflichtig sei, zu tragen habe und genau dies dem Wortlaut des § 59 Abs. 1 und 2 VVG a. F. entspreche (LG Kassel aaO). Absatz 1 dieser Vorschrift stelle auf das Übersteigen des Gesamtschadens ab, der nur der höhere Entschädigungsbetrag sein könne. Wenn sodann nach Absatz 2 dieser Vorschrift im Innenverhältnis die Versicherer nach Maßgabe der Beträge, deren Zahlung ihnen den Versicherungsnehmern gegenüber obliege, anteilig haften sollten, sei dies auf den Gesamtschaden nach Absatz 1 bezogen zu verstehen, d. h. Berechnungsmaßstab sei der Gesamtschaden im Sinne des höheren Betrages (LG Kassel aaO). Darüber hinaus wird als Argument angeführt, dass der Gesetzgeber die Ausgleichspflicht in § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. grundsätzlich anders gestaltet habe als bei gesamtschuldnerischer Haftung gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB. Statt eines Ausgleichs zu gleichen Teilen habe er sich insoweit zu einer Abkehr vom Bürgerlichen Gesetzbuch und zu einem Ausgleich nach den jeweiligen Beträgen der Außenhaftung bekannt (Wälder aaO S. 382 unter Hinweis auf die Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag … Reichstagsvorlage … Berlin 1906, §§ 59, 60, S. 67). Die Berechnungsweise beachte schließlich auch die Vorgaben des Bundesgerichtshofs, da auf Seiten des Haftpflichtversicherers lediglich eine Beteiligung entsprechend des von ihm zu tragenden Zeitwerts berücksichtigt sei, der Ausgleich zu Lasten des Haftpflichtversicherers demgemäß im Rahmen der bis zum Zeitwert bestehenden Deckungsgleichheit der Ersatzverpflichtungen verbleibe (LG Kassel aaO).
30 
Demgegenüber lehnen es die obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Koblenz aaO; OLG Köln VersR 2007, 1411, 1412) und ein anderer Teil der Literatur (Günther VersR 2004, 595, 598; Neugebauer VersR 2007, 623 f.; Schwickert VersR 2007, 773 f.; Grommelt r+s 2007, 230, 231) ab, beim Ausgleich zwischen Gebäude- und Haftpflichtversicherer nur bei letzterem den Zeitwertschaden, bei ersterem hingegen den Neuwertschaden in die Berechnung einzustellen. Sie vertreten vielmehr unter Berufung auf den Bundesgerichtshof (BGHZ 169, 86, 96 ff.) die Auffassung, dass auf beiden Seiten nur der Zeitwertschaden und die Positionen eingestellt werden könnten, die auch der Haftpflichtversicherer zu ersetzen habe, während außerhalb des deckungsgleichen Überschneidungsbereichs liegende Positionen, für die nur einer der beiden Versicherer eintrittspflichtig sei, außer Betracht zu bleiben hätten. Bei gleicher Höhe der Leistungspflicht bezogen auf den gemeinsam zu deckenden Bereich ergebe sich so ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 50%. Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage aus folgenden Gründen an:
31 
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 169, 86, 96 f.) hat der Ausgleich in analoger Anwendung von § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nach dem Verhältnis der jeweiligen Leistungspflicht zu erfolgen. Das gilt jedoch nur, soweit die Ersatzverpflichtungen deckungsgleich sind. In den Ausgleich können deshalb nur der Zeitwert und die Positionen eingesetzt werden, die der Haftpflichtversicherer auch zu ersetzen hat (BGHZ aaO). Für den Senat ergibt sich daraus, dass Positionen, die nur der Gebäudeversicherer zu ersetzen hat - insbesondere die sog. Neuwertspitze -, in die Berechnung nicht einbezogen werden dürfen. Das Gleiche gilt für Positionen, für die nur der Haftpflichtversicherer aufzukommen hat, wie etwa für aus geschuldeter Rechtsschutzgewährung (Anspruchsabwehr) resultierende Aufwendungen.
32 
- Bedenken gegen diese nicht streng am Wortlaut des § 59 Abs. 1 und 2 Satz 1 VVG a.F. orientierte Auslegung bestehen nicht. Sie berücksichtigt, dass diese Vorschrift in Fällen wie hier nicht unmittelbar, sondern lediglich analog angewendet wird (BGHZ 169, 86, 96) und ihre Anwendung den Zweck hat, die Schadensabwicklung erheblich zu vereinfachen (BGHZ aaO S. 97). Darüber hinaus könnte die Vorschrift zumeist ohnehin nicht wörtlich (“Zahlung“) genommen werden, weil ein Zahlungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Haftpflichtversicherer regelmäßig nicht besteht (vgl. Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 149 Rdn. 22).
33 
- Auch der Regressanspruch des Gebäudeversicherers gegen den Mieter beträfe nur den Haftpflichtschaden. Da der Ausgleichsanspruch nach § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. analog Folge des Regressverzichts ist, ist eine Beschränkung des Ausgleichs auf den deckungsgleichen Bereich der Versicherungen sachgerecht (so auch OLG Köln aaO).
34 
- Schließlich ist zu beachten, dass es für die Ausgleichspflicht auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles ankommt (BGHZ aaO S. 97 f.). Demgegenüber ist häufig erst sehr viel später festzustellen, ob der Gebäudeversicherer (auch) in Höhe der sog. Neuwertspitze zu entschädigen hat. Denn seinem Versicherungsnehmer stehen in der Regel mehrere Jahre zur Verfügung, um die hierfür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, d.h. sicherzustellen, dass er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an bisheriger Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen. Auch das spricht dafür, die Neuwertspitze bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs analog § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. außen vor zu lassen.
35 
Nach alledem beläuft sich der Ausgleichsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nicht, wie vom Landgericht ausgeurteilt, auf 58%, sondern auf exakt 50% des Zeitwertschadens und beträgt somit 6.448,32 EUR (12.896,63 EUR x 0,5).
36 
4. Dieser Anspruch ist entgegen der Ansicht der Berufung nicht verjährt. Wie bereits ausgeführt, entsteht ein solcher Ausgleichsanspruch im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls (BGHZ aaO). Er verjährt nach - soweit ersichtlich - einhelliger Ansicht gemäß § 195 BGB (OLG Köln r+s 2007, 377, 378 (insoweit in VersR 2007, 1411 f. nicht abgedruckt); LG Kassel aaO; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 59 Rdn. 19; Günther VersR 2007, 1539, 1541; Staudinger/Kassing VersR 2007, 10, 14). Da der Versicherungsfall am 25.12.2003 eingetreten ist, wäre Verjährung daher frühestens mit Ablauf des 31.12.2006 eingetreten. Diese ist jedoch durch die am 20.12.2006 anhängig gemachte und am 03.01.2007 zugestellte Klage rechtzeitig gehemmt worden (§§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, 167 ZPO).
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
38 
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, weil die Frage, auf welche Weise der Ausgleichsanspruch zu berechnen ist, grundsätzliche Bedeutung hat und einer abschließenden Klärung durch den Bundesgerichtshof bedarf. Darüber hinaus ist die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.