Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 20. Sept. 2018 - W 3 K 17.634

bei uns veröffentlicht am20.09.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die für … … … seit dem 4. Februar 2013 bis zum 31. Oktober 2015 angefallenen Jugendhilfekosten in noch genau zu beziffernder Höhe zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2017 zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens hat der Beklagte 14/15 und die Klägerin 1/15 zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten nach § 89d des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) die Erstattung von Kosten, die sie als örtlicher Träger der Jugendhilfe für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen weiblichen Flüchtling aufgewendet hat.

Die somalische Staatsangehörige H. S., geboren am … … 1996, reiste angeblich am 4. Dezember 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldete sich als asylsuchend. Sie wurde ab dem 5. Dezember 2012 durch die Klägerin in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in München als Minderjährige gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut genommen. Sie wurde ab dem 7. Dezember 2012 in eine Jugendwohngruppe nach Weiden verlegt, am 11. Dezember 2012 erfolgte ein Umzug in eine Wohngruppe in Amberg.

Laut Zuweisungsentscheidung der Regierung der Oberpfalz - Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber - vom 18. Dezember 2012 wurde H. S. ab dem 18. Dezember als zukünftiger Wohnsitz die Heilpädagogische Jugendwohngruppe …, … … … … in Amberg zugewiesen.

H. S. verließ die Wohngruppe in Amberg und meldete sich am 2. Januar 2013 erneut in München in der Erstaufnahmeeinrichtung. Sie gab an, nicht wieder in die Wohngruppe in Amberg zurückkehren zu wollen, woraufhin sie von der Klägerin am 3. Januar 2013 in einer Jugendpension in München untergebracht wurde. Die Kosten hierfür hat die Klägerin mit Bescheid vom 29. Januar 2013 gemäß § 42 SGB VIII übernommen. Mit Schreiben vom 4. Februar 2013 beantragte die Klägerin beim Familiengericht München, das Ruhen der elterlichen Sorge festzustellen und die Vormundschaft für H. S. anzuordnen.

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - München vom 7. Februar 2013 wurde durch einstweilige Anordnung Vormundschaft für H. S. angeordnet und das Stadtjugendamt München als Vormund bestimmt. Der Vormund teilte am 6. März 2013 (Eingang beim Sozialreferat) mit, dass er zum Vormund bestellt worden sei und beantragte Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 i.V.m. § 34 SGB VIII.

Das Bundesverwaltungsamt bestimmte mit Schreiben vom 21. März 2013 gemäß § 89d Abs. 3 SGB VIII den Beklagten als überörtlichen Träger der Jugendhilfe. Am 3. Juni 2013 unterrichtete die Klägerin den Beklagten davon, dass Kostenerstattung gemäß § 89d SGB VIII geltend gemacht werde.

Mit Bescheid vom 7. Oktober 2013 gewährte das Stadtjugendamt München für H. S. für die Zeit vom 20. September 2013 bis zunächst 8. Januar 2014 Hilfe nach § 19 SGB VIII in Form von stationärer Unterbringung in einer Mutter-Kind-Einrichtung in München. In Ziffer 2 dieses Bescheides wurde der Bescheid vom 29. Januar 2013 aufgehoben.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2014 übernahm das Stadtjugendamt der Klägerin ab 9. Januar 2014 bis auf weiteres die Kosten in der Mutter-Kind-Einrichtung gemäß § 19 SGB VIII. Am 17. Februar 2014 hat Frau H. S. ein Kind geboren. Mit Bescheid vom 8. Mai 2014 wurde für Frau H. S. und das Kind für die Zeit vom 17. Februar 2014 bis auf weiteres Hilfe in Form von Unterbringung von Mutter und Kind gewährt. In Ziffer 3 des Bescheides wurde der Bescheid vom 11. Februar 2014 aufgehoben. Nach Geburt eines weiteren Kindes (* …2016) wurde mit Bescheid vom 16. Januar 2017 ab 19. April 2016 bis längstens 2. März 2018 Hilfe zur Pflege und Erziehung durch Unterbringung in Einrichtungen gewährt. In Ziffer 5 dieses Bescheides wurde der Bescheid vom 8. Mai 2014 mit Wirkung vom 19. April 2016 aufgehoben.

Mit Schreiben vom 17. September 2014 hatte der Beklagte Kostenerstattung im Rahmen des § 89f SGB VIII ab dem 11. Dezember 2012 zugesichert, soweit und solange die Voraussetzungen nach dem SGB VIII vorliegen, vorerst längstens jedoch bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Die Klägerin wurde um weitere Mitteilungen gebeten, insbesondere ab wann der Vorgang aufgrund der Zuweisungsentscheidung von der Stadt Amberg übernommen werde.

Nach Geltendmachung von Kosten durch die Klägerin und nach längerem Schriftwechsel lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 5. Februar 2016 eine Erstattung des Aufwandes über den 18. Dezember 2012 hinaus ab. Bei Prüfung der Abrechnung habe sich herausgestellt, dass die Klägerin für die Gewährung der Jugendhilfe an H. S. nur für die Zeit vom 11. Dezember 2012 bis einschließlich 18. Dezember 2012 örtlich zuständig gewesen sei. Mit der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde sei die Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 7 Satz 2 SGB VIII auf die Stadt Amberg übergegangen.

II.

Am 29. Juni 2017 erhob die Klägerin Klage und beantragte:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 188.173,45 EUR nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Bei dem vorgenannten Betrag handelt es sich um Kosten für die Zeit vom 11. Dezember 2012 bis zum 31. Oktober 2015.

Zur Begründung der Klage führte die Klägerin aus:

Der Beklagte habe die Erstattung der Kosten für den Zeitraum ab dem 19. Dezember 2012 mit der Begründung abgelehnt, ab diesem Zeitpunkt sei die örtliche Zuständigkeit auf die Stadt Amberg übergegangen. Dies sei aber nicht zutreffend, weil ein Zuständigkeitswechsel aufgrund der Zuweisungsentscheidung nicht eingetreten sei. Zum Zeitpunkt der Zuweisung sei H. S. noch gemäß § 42 SGB VIII in Obhut genommen gewesen, das Clearing sei noch nicht abgeschlossen gewesen. Ein Wechsel der Zuständigkeit sei zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten, da § 86 Abs. 7 SGB VIII seine Wirkung nur für „Leistungen“ im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII entfalte. Bei der Inobhutnahme handele es sich aber um „andere Aufgaben“ der Jugendhilfe gemäß § 2 Abs. 3 SGB VIII. Deshalb sei die Zuständigkeit nicht auf die Stadt Amberg übergegangen. Die Zuständigkeit für die Inobhutnahme nach der Rückkehr des Mädchens nach München ergebe sich aus dem tatsächlichen Aufenthalt (§ 87 SGB VIII). Ab dem 20. September 2013 sei aufgrund der bestehenden Schwangerschaft bei H. S. Hilfe in Form stationärer Unterbringung in einer Mutter-Kind-Einrichtung gemäß § 19 SGB VIII gewährt worden. Die Zuständigkeit für diese Leistung ergebe sich aus § 86b Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. H. S. habe einen gewöhnlichen Aufenthalt in München begründet, weil sie ihre Wohngruppe in Amberg bewusst und aus eigenem Willen verlassen habe, um nach München zurückzukehren. Somit sei die Zuständigkeit der Klägerin sowohl für die Inobhutnahme in Amberg als auch für die Zeit der Hilfegewährung nach der Rückkehr nach München gegeben gewesen.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Im Rahmen der am 5. Dezember 2012 durchgeführten Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII in München sei das örtlich unzuständige Familiengericht in Weiden in der Oberpfalz verständigt worden. Dieses sei für die Inobhutnahme der Klägerin nicht zuständig gewesen. Zuständig sei das Familiengericht am Aufgriffsort. Unabhängig davon habe die Klägerin mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 den Antrag auf Entscheidung gegenüber dem Familiengericht Weiden wieder zurückgenommen. Im direkten Anschluss sei kein Familiengericht verständigt worden.

Mit Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 18. Dezember 2012 sei H. S. der Stadt Amberg zugewiesen worden. Obwohl der Beklagte bereits mit Schreiben vom 20. November 2013 auf die Problematik der Zuweisungsentscheidung hingewiesen habe, sei seitens der Klägerin kein Versuch unternommen worden, hier eine Änderung über die Regierung der Oberpfalz herbeizuführen. Damit habe sich die Klägerin wissentlich über die Entscheidung der Regierung hinweggesetzt. Aufgrund der Zuweisungsentscheidung habe sich die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 7 Satz 2 SGB VIII gerichtet. Der Auffassung der Klägerin, dass sich die Vorschrift nur auf die Gewährung von „Leistungen“ erstrecke, schließe sich der Beklagten nicht an. Ab dem Tag der Zuweisungsentscheidung sei der Jugendhilfeträger örtlich zuständig, in dessen Bereich die Person zugewiesen sei. Zu diesem Zeitpunkt ende die auf dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes beruhende Zuständigkeit. Es sei davon auszugehen, dass die Zuweisungsentscheidung auch Zäsur für eine etwa noch bestehende Inobhutnahme sei solle. Im Regelfall müsse eine Inobhutnahme bis dahin beendet sein. Dies sei aus Sicht des Beklagten ein Indiz dafür, dass es auf eine Trennung zwischen Leistung und Maßnahme nicht ankomme. § 86 Abs. 7 Satz 2 SGB VIII regele die örtliche Zuständigkeit nach einer ergangenen Zuweisungsentscheidung auch für den Fall, dass eine Inobhutnahme noch nicht abgeschlossen sei. Damit habe die örtliche Zuständigkeit ab dem 18. Dezember 2012 bei der Stadt Amberg gelegen.

Nachdem H. S. am 3. Januar 2013 von der Polizei in München aufgegriffen und in Absprache mit dem Stadtjugendamt der Klägerin in einer Jugendpension in München untergebracht worden sei, sei eine Entscheidung eines Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen seit der Einreise (4.12.2012) noch nicht getroffen gewesen. Soweit die Klägerin vortrage, dass die Zuweisungsentscheidung der Regierung der Oberpfalz keine Wirkung entfalte, hätte spätestens zum 3. Januar 2013 eine Änderung der bestandskräftigen Zuweisungsentscheidung herbeigeführt werden müssen. Dies sei unterblieben. Auch sei das Familiengericht nicht rechtzeitig innerhalb von drei Tagen ab der erneuten Inobhutnahme am 3. Januar 2013 verständigt worden. Somit entspreche die Inobhutnahme nicht den Bestimmungen des SGB VIII, so dass bis zum Tag der Benachrichtigung des Familiengerichts der Erstattungsanspruch entfalle. Außerdem habe die Inobhutnahme viel zu lange angedauert. Bei der Inobhutnahme handele es sich um eine vorläufige Maßnahme. Auch bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sei die Inobhutnahme im Sinne einer Krisenintervention darauf gerichtet, die Krisensituation zu beseitigen. Sie sei aber nicht bereits die vom Gesetz intendierte dauerhafte Lösung erzieherischer Probleme. Eine rechtmäßig begründete Inobhutnahme werde in kostenerstattungsrechtlicher Hinsicht regelmäßig nach Ablauf von drei Monaten rechtswidrig. Wenn der Fall Besonderheiten aufweise, die es rechtfertigen würden, die Inobhutnahme des unbegleitet eingereisten ausländischen Jugendlichen über den Zeitraum von drei Monaten hinaus aufrecht zu erhalten, wären sie vom Jugendamt detailliert darzulegen. Das Stadtjugendamt habe zwar in einer Stellungnahme vom 14. Dezember 2013 versucht, die lange Dauer der Inobhutnahme zu erklären, doch erscheine diese nicht plausibel. Es habe eine fachlich geeignete Einrichtung zur Verfügung gestanden. Auch die Hinweise zur Schwangerschaft hätten sich erst aufgrund des Aufenthalts von H. S. im Klinikum in Harlaching ab 3. September 2013 ergeben.

Erst mit Bescheid vom 7. Oktober 2013 sei eine Umstellung der Hilfe auf Hilfe zur Erziehung zum 20. September 2013 erfolgt. Der Beginn der Inobhutnahme sei der 5. Dezember 2012 gewesen. Mit dem Bescheid vom 7. Oktober 2013 sei der Bescheid vom 29. Januar 2013 (Inobhutnahme) ab 20. September 2013 aufgehoben worden. Wenn man der Auffassung der Klägerin folgen wolle, dass ein Wechsel der Zuständigkeit seine Wirkung nur für Leistungen entfalte, wäre ab dem 20. September 2013 die örtliche Zuständigkeit der Stadt Amberg und nicht die Zuständigkeit der Klägerin gegeben.

Die Klägerin erwiderte hierauf: Die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Familiengerichts sei für die Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme nicht kausal und schließe den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gemäß § 89d SGB VIII nicht aus. Ferner führe auch die Rücknahme der Unterrichtung des Familiengerichts Weiden nicht zur Rechtswidrigkeit der erfolgten Inobhutnahme, da das Familiengericht von Amts wegen tätig werde und es sich bei der Unterrichtung lediglich um eine Anregung handele, die rechtstechnisch gesehen gerade nicht zurückgenommen werden könne. Daher bleibe der Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89d SGB VIII unberührt.

Die Klägerin sei auch für die erneute Inobhutnahme örtlich zuständig gewesen. Insbesondere habe sich die Klägerin nicht über eine Zuweisungsentscheidung der Regierung der Oberpfalz hinweggesetzt. Vielmehr sei die Zuweisungsentscheidung durch die neu begründete Zuständigkeit der Klägerin aufgrund des tatsächlichen Aufenthalts von H. S. im Zuständigkeitsbereich der Klägerin überholt worden. Im vorliegenden Fall hätten Umstände, die im Rahmen des ausländerrechtlichen Verteilungsverfahrens nicht berücksichtigt hätten werden können, zu einer Rück-Verschiebung der örtlichen Zuständigkeit geführt. Diese Umstände seien von der zuständigen Stelle aufgrund des gesetzlichen Auftrages zum Kinderschutz nach der Rückkehr von H. S. nach München überprüft worden. Die Interessen des Kindes gingen dem hoheitlichen Interesse an einem ordnungsgemäßen Vollzug des ausländerrechtlichen Verteilungsverfahrens vor. Es habe sich um eine konkrete Gefährdungssituation für das betroffene Mädchen gehandelt, welche durch die Klägerin in Übereinstimmung mit den übrigen Beteiligten (Jugendamt Amberg, Polizei und bisherige Einrichtung) durch einen Verbleib von H. S. in München abgewendet hätte werden können. Daher richte sich auch die Folgezuständigkeit für die sich an die erneute Inobhutnahme anschließende Maßnahme gemäß § 19 SGB VIII nach § 86b Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.V.m. § 86a Abs. 2 SGB VIII und somit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des betroffenen jungen Menschen vor der Aufnahme in eine Einrichtung. Sofern man vorliegend einen gewöhnlichen Aufenthalt vor der Inobhutnahme verneine, ergebe sich die örtliche Zuständigkeit aus § 86b Abs. 2 SGB VIII, da H. S. ihren tatsächlichen Aufenthalt vor der erneuten Inobhutnahme in München gehabt habe. Im Ergebnis komme es dann auf die Auslegung des Leistungsbegriffes in § 86 Abs. 7 SGB VIII nicht mehr an. Falls das Gericht dies anders beurteilen sollte, verweise die Klägerin auf ihren bisherigen Vortrag gegen die Anwendbarkeit der Zuständigkeitsregelung des § 86 Abs. 7 SGB VIII im Rahmen einer Inobhutnahme.

Die verzögerte Unterrichtung des Familiengerichts nach erneuter Inobhutnahme durch die Klägerin führe nicht zum Ausschluss des Kostenerstattungsanspruches. Die Bestellung eines Vormundes oder Pflegers sei gemäß § 42a Abs. 1 Satz 3 SGB VIII i.V.m. § 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII unverzüglich durch das Jugendamt zu veranlassen. Unverzüglich sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der bedeute, dass ohne schuldhaftes Zögern gehandelt werden müsse. Bei der Feststellung der unverzüglichen Unterrichtung seien die berechtigten Belange der Beteiligten angemessen zu berücksichtigen, sowie je nach den Umständen des Einzelfalles der Zeitraum zu bemessen. Die Tatsache der sehr hohen Anzahl an Inobhutnahmen, die die Klägerin als grenznahes Jugendamt im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise von 2013 bis 2016 durchgeführt habe, müsse bei der Bestimmung des angemessenen Zeitraums für eine unverzügliche Veranlassung der Vormundschaftsbestellung Beachtung befinden. Der von der Rechtsprechung herangezogene Zeitrahmen von drei Tagen sei für die aufgezeigte Ausnahmesituation viel zu kurz gegriffen und könne nicht zur Anwendung gelangen, so dass eine Verzögerung von vier Wochen zu vertreten sei und nicht zur Rechtswidrigkeit der Inobhutnahme bzw. zum Ausschluss der Kostenerstattung führe.

Das Gesetz normiere auch keine ausdrückliche Höchstgrenze für die Dauer der Inobhutnahme. Die Ausführungen des Beklagten seien zwar dem Grunde nach nicht zu beanstanden, jedoch sei im vorliegenden Fall eine schnellere Beendigung der Inobhutnahme gerade nicht möglich gewesen. Auf die fachliche Eignung der Einrichtung in Amberg komme es nicht an, da H. S. sich geweigert habe, in dieser Einrichtung zu bleiben bzw. dorthin zurückzukehren und somit keine geeignete Einrichtung verfügbar gewesen sei.

Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zum überwiegenden Teil begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der für H.S. aufgewendeten Kosten der Jugendhilfe für die Zeit vom 4. Februar 2013 bis zum 31. Oktober 2015. Im Übrigen ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen.

Der Anspruch auf Kostenerstattung ergibt sich aus §§ 42, 89d Abs. 1 und 3 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) in der bis zum 31.10.2015 geltenden Fassung (in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2002 [BGBl. I S. 2022], zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 17. Juli 2015 [BGBl. I S. 1368], nachfolgend: SGB VIII a.F., soweit Norm geändert). Das Achte Buch Sozialgesetzbuch wurde mit Wirkung vom 1. November 2015 durch das Gesetz zur Verbesserung und Unterbringung, Versorgung und Betreuung von ausländischen Kindern und Jugendlichen vom 28. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1802) geändert und insbesondere die §§ 42a ff., § 88a in das Gesetz neu eingefügt und § 89d Abs. 3 aufgehoben (mit Wirkung zum 1.7.2017). Das Gesetz enthält in § 42d Abs. 4 und 5 Übergangsregelungen für bis dahin (nach § 42 SGB VIII) erfolgten Inobhutnahmen von unbegleitet eingereisten ausländischen Jugendlichen. Nach § 42d Abs. 5 SGB VIII ist die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Abs. 3 SGB VIII erstattungspflichtigem Land auf Erstattung der Kosten, die nach dem 1. November 2015 entstanden sind, ausgeschlossen.

Gemäß § 89d Abs. 1 SGB VIII sind die Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, vom Land zu erstatten, wenn innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII Jugendhilfe gewährt wird und sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet. Nach Art. 52 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) vom 8. Dezember 2006 sind für die Kostenerstattung nach § 89d SGB VIII a.F. die Bezirke zuständig; sie handeln hierbei im eigenen Wirkungskreis.

Nach § 89f Abs. 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dies bedeutet, dass Aufwendungen, die ohne Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen erbracht wurden, nicht zu erstatten sind.

Nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten. Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen. Nach § 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII ist im Fall des Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Für die Inobhutnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen nach § 42 ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält, (§ 87 SGB VIII a.F.).

Bei der ersten Inobhutnahme am 5. Dezember 2012 war die Klägerin gemäß § 87 SGB VIII a.F. für die Inobhutnahme von H. S. örtlich zuständig.

Auch für die am 3. Januar 2013 in München erneut erfolgte Inobhutnahme lag die Zuständigkeit der Klägerin nach § 87 SGB VIII a.F. vor. Insbesondere ist kein Zuständigkeitsübergang nach § 86 Abs. 7 Satz 2 SGB VIII wegen der Zuweisungsentscheidung der Regierung der Oberpfalz vom 18. Dezember 2012 eingetreten. Denn § 86 SGB VIII gilt nur für „Leistungen“ der Jugendhilfe. Was Leistungen der Jugendhilfe sind, ist in § 2 Abs. 2 SGB VIII legal definiert. Die Inobhutnahme fällt nicht unter den Leistungskatalog, sondern ist eine „sonstige Aufgabe“ der Jugendhilfe im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB VIII (vgl. Kunkel/Kepert in LPK - SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 86 Rn. 66; BVerwG, U.v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 - juris Rn. 34). Allerdings wurde bei beiden Inobhutnahmen die Vorschrift des § 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII nicht beachtet und es erfolgte keine unverzügliche Verständigung des Vormundschaftsgerichtes. Zwar wurde bei der ersten Inobhutnahme am 5. Dezember 2012 zunächst das Vormundschaftsgericht Weiden von der Inobhutnahme verständigt, dabei wurde aber das Geschlecht von H. S. mit männlich angegeben und am 10. Dezember 2012 dem Familiengericht mitgeteilt, der Antrag auf Ruhen der elterlichen Sorge vom 5. Dezember 2012 werde zurückgenommen. In der Folgezeit erfolgte im Rahmen der ersten Inobhutnahme kein neuer Antrag an das Familiengericht, eine Vormundschaft für H. S. einzurichten. Auch nach der zweiten Inobhutnahme am 3. Januar 2013 erfolgte erst am 4. Februar 2013 eine Benachrichtigung des Familiengerichts. Ein Kostenerstattungsanspruch des örtlichen Trägers der Jugendhilfe gegen den vom Bundesverwaltungsamt bestimmten überörtlichen Träger setzt im Falle der Inobhutnahme eine unverzügliche Benachrichtigung des Vormundschaftsgerichtes voraus; die Frist hierfür beträgt auch bei unbegleitet einreisenden Kindern und Jugendlichen regelmäßig nur wenige Tage. Mit dem Gebot, „unverzüglich“ eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts über die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen erforderlichen Maßnahmen herbeizuführen, bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es sich bei den Entscheidungen und Maßnahmen des Jugendamtes zunächst nur um vorläufige Maßnahmen handelt, während die erforderlichen sorgerechtlichen Maßnahmen vom Vormundschaftsgericht zu treffen sind. Dem widerspräche es, wenn das Jugendamt die Befugnis hätte, ein Kind oder einen Jugendlichen wochen- oder monatelang in eigener Zuständigkeit unter Obhut zu halten, ohne eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts herbeizuführen. Bei der Auslegung des Begriffs „unverzüglich“ ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass dieser - wie in § 121 BGB - „ohne schuldhaftes Zögern“ bedeutet. Zwar ist „unverzüglich“ nicht gleichbedeutend mit „sofort“, vielmehr muss dem Jugendamt eine angemessene Zeit zur Prüfung und Entscheidung bleiben, welche sich durch die Sorge um das Wohl des Minderjährigen bestimmt. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass bei unbegleitet einreisenden ausländischen Kindern und Jugendlichen das Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ im Ergebnis zu einer im Gesetz nicht vorgesehenen Monatsfrist wird (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.1999, a.a.O. Rn. 41). Auch wenn die Klägerin sich darauf beruft, dass von ihr „im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise“ eine sehr hohe Anzahl von Inobhutnahmen vorzunehmen waren, ist zu konstatieren, dass die Zahlen im Jahr 2013 noch nicht so hoch waren. So wurden nach eigenen Angaben der Klägerin (Quelle: www.münchen.de/Stadtverwaltung/Sozialreferat/Flüchtlinge in München /Aktuelles/Aktuelles aus 2016, Mitteilung 19.1.2016) im Jahr 2013 rund 550 unbegleitete Minderjährige in Obhut genommen, 2014 steigerte sich die Zahl auf 2.610 und 2015 auf über 5.100). Zudem waren die Personalien von H. S. bereits von der ersten Inobhutnahme bekannt und die Mitteilung an das Vormundschaftsgericht vom 4. Februar 2013 enthielt außer den Namen der Eltern und dass deren Anschrift unbekannt sei, keinerlei weiteren Angaben, für deren Ermittlung längere Zeit erforderlich gewesen wäre. Die verspätete Meldung an das Vormundschaftsgericht führt aber nicht dazu, dass die gesamte Inobhutnahme rechtswidrig wird, sondern dass nur bis zur Nachholung der erforderlichen Handlung von einer Rechtswidrigkeit der Inobhutnahme auszugehen ist. Somit besteht ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Inobhutnahme ab dem 4. Februar 2013.

Von der Beklagtenseite wird eingewendet, die Inobhutnahme bis zum 20. September 2013 sei wegen der langen Dauer rechtswidrig gewesen. Nach § 89d Abs. 4 SGB VIII entfällt die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war. „Nicht zu gewähren war“ die Hilfe aber auch dann, wenn sie zu Unrecht gewährt wurde (Kunkel/Pattar in LPK - SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 89d Rn. 12; OVG NRW, U.v. 17.4.2002 - 12 A 4007/00 - juris).

Die Dauer der Inobhutnahme ist gesetzlich nicht geregelt. Nach § 42 Abs. 4 Nr. 2 SGB VIII endet die Inobhutnahme mit der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch. Eine solche Entscheidung ist hier erst mit Unterbringung von H. S. in einer Mutter-Kind-Einrichtung ab dem 20. September 2013 erfolgt. Grundsätzlich ist nicht davon auszugehen, dass eine Inobhutnahme automatisch nach drei Monaten beendet sein muss mit der Folge, dass nach Ablauf dieser Frist die Inobhutnahme von einer rechtmäßigen erstattungsfähigen in eine rechtswidrige nicht erstattungsfähige Maßnahme umschlägt. Das Bundesverwaltungsgericht führt hierzu (U.v. 12.8.2004 - 5 C 51/03 - juris Rn 16, 17) aus: „Nach § 89f Abs. 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht… Die gerichtliche Kontrolle der Gesetzeskonformität aufgewendeter Jugendhilfekosten im Rahmen der Prüfung des Umfangs der Kostenerstattung gemäß § 89f SGB VIII ist in den Fällen in Obhut genommener unbegleitet eingereister ausländischer Jugendlicher (§ 89d SGB VIII) in einer Einrichtung, welche bei materieller Betrachtungsweise bereits eine grundsätzlich bedarfsgeeignete Hilfe erbringt, im Hinblick auf den kostenerstattungsrechtlichen Interessenswahrungsgrundsatz darauf beschränkt, ob die in der Erstversorgungseinrichtung gewährte Hilfe - wegen Ungeeignetheit oder wegen weggefallenen Hilfebedarfs - nicht geboten war, oder ob die Klägerin Anlass hatte, diese Hilfe bereits früher in eine weniger kostenintensive Hilfeform zu überführen… Dabei ist die Entscheidung über die individuell erforderlichen Hilfemaßnahmen von dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger in eigener Verantwortung zu treffen und daher dessen Einschätzung für den erstattungspflichtigen Träger maßgeblich“.

In einer Stellungnahme der Klägerin zu der Dauer der Inobhutnahme vom 14. Oktober 2013 wird ausgeführt, das Verfahren zur Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge und der Vormundbestimmung dauere durchschnittlich zwei bis drei Monate. Die Dauer lasse sich mit der Pflicht zur Ermittlung nicht nur der Daten des Jugendlichen, sondern auch mit der Ermittlung der Daten seiner Eltern begründen. Dem Jugendlichen seien hierzu dolmetschergestützt die Verfahren zu erklären und es sei Vertrauen aufzubauen, bis sich der Jugendliche schließlich dazu bereit erkläre, die geforderten Daten mitzuteilen. Der bestellte Vormund erbitte sich ca. 14 Tage Zeit, um den Jugendlichen kennenzulernen, das Clearing zum Jugendhilfebedarf auszuwerten und den Antrag auf Hilfe zur Erziehung zu stellen. Die Unterbringung im Rahmen der Hilfe zur Erziehung gemäß Hilfeplanverfahren benötige ebenfalls einige Wochen Zeit, da zunächst die geeignete Hilfe festgestellt werden müsse und ein geeigneter Platz unter Berücksichtigung von Wartezeiten in den Jugendhilfeeinrichtungen gefunden werden müsse. Während der schwierigen Zeit der geeigneten Platzsuche habe sich herausgestellt, dass H. S. sich bereits im dritten Schwangerschaftsmonat befunden habe. So hätten erneute Platzanfragen für eine Mutter-Kind-Einrichtung gestellt werden müssen und letztendlich habe nach diversen Anfragen und längeren Wartezeiten H. S. letztlich am 20. September 2013 in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden können.

Aufgrund dieser Stellungnahme und aus den vorgelegten Leistungsakten der Klägerin ist ersichtlich, dass bei H. S. ein jugendhilferechtlicher Betreuungsbedarf vorhanden war. Neben der Rundumbetreuung in der Jugendpension wurden für H. S. weitere Leistungen erbracht (z.B. Kosten für eine Traumatherapie). Die Kosten in der Jugendpension dürften auch nicht wesentlich über dem Tagessatz sonstiger stationärer Jugendhilfeeinrichtungen in München liegen. Auch gegenüber der später gewährten Hilfe im Mutter-Kind-Heim ist kein großer kostenmäßiger Unterschied festzustellen. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der jugendhilferechtliche Bedarf entfallen war bzw. eine Überführung in eine kostengünstigere Maßnahme angezeigt gewesen wäre.

Auch die Leistungen nach § 19 SGB VIII (Übernahme der Kosten der Mutter-Kind-Einrichtung) durch die Klägerin waren rechtmäßig. Insbesondere war die Klägerin örtlich für die Leistungsgewährung zuständig. Nach § 86b Abs. 1 SGB VIII ist für Leistungen in gemeinsamen Wohnformen für Mutter und Kind der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der nach § 19 SGB VIII Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. § 86a Abs. 2 SGB VIII gilt entsprechend. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 - juris, Leitsatz 2) ist davon auszugehen, dass minderjährige Asylbegehrende jedenfalls nach Ablauf von sechs Monaten einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von Art. 1 des Haager Minderjährigenschutzabkommens begründen. Nach § 86a Abs. 2 SGB VIII richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in diese Wohnform, wenn sich jemand vor Beginn der Leistung in einer Einrichtung zur Erziehung aufgehalten hat. Wenn man die Zeit der Inobhutnahme als Unterbringung in einer Einrichtung zur Erziehung ansieht, hatte H. S. vor Aufnahme in die Mutter-Kind-Einrichtung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, sodass sich die örtliche Zuständigkeit nach § 86b Abs. 2 SGB VIII und damit nach dem tatsächlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in die Einrichtung richtet. Dies wäre ebenfalls wieder München, so dass die Klägerin örtlich zuständig für die Kostenübernahme in der Mutter-Kind-Einrichtung war. Es besteht auch keine von § 86b SGB VIII abweichende Sonderzuständigkeit nach § 86 Abs. 7 Satz 2 SGB VIII. Im Falle der Verpflichtung des Jugendamtes, unbegleitete Minderjährige nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen und diese in einer Einrichtung der Jugendhilfe unterzubringen, entfällt die zuvor mit der Asylantragstellung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung. Die Bestimmungen über die Wohnpflicht nach dem Asylverfahrensgesetz treten im Fall einer auf der Grundlage des Achten Buches Sozialgesetzbuch verfügten Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kraft gesetzlicher Anordnung zurück. Ist ein vor Vollendung des 18. Lebensjahres unbegleitet nach Deutschland eingereister asylsuchender (minderjähriger) Ausländer, der weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland hat, in Obhut zu nehmen und unterzubringen, so unterfällt er auch nicht dem gemäß § 45f AsylVfG (jetzt: AsylG) vorgesehenen Verteilungsverfahren. Eine gleichwohl ihm gegenüber ergangene Weiterleitungsanordnung ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 - juris Rn. 16).

Somit besteht eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten für die Kosten, die in der Zeit vom 4. Februar 2013 bis zum 31. Oktober 2015 angefallen sind. Die Kosten der Inobhutnahme für die Zeit vor dem 4. Februar 2013 sind jedoch wegen der fehlenden Anrufung des Vormundschaftsgerichts nicht zu erstatten.

Dem Gericht war es aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht möglich, den genauen Betrag der vor dem 4. Februar 2013 angefallenen Kosten zu ermitteln; sie belaufen sich überschlägig auf ca. 13.000,00 EUR. Aus diesem Grund wurde die Formulierung in Ziffer I des Tenors gewählt. Der Anspruch der Klägerin ist in analoger Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nicht gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 121 Anfechtungsfrist


(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rech

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 86 Örtliche Zuständigkeit für Leistungen an Kinder, Jugendliche und ihre Eltern


(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt ode

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42 Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen


(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn 1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhut

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 34 Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform


Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwi

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 2 Aufgaben der Jugendhilfe


(1) Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien. (2) Leistungen der Jugendhilfe sind:1.Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und J

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 19 Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder


(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dies

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42a Vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise


(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Ein ausländisches Kind oder ein ausl

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 89f Umfang der Kostenerstattung


(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 86a Örtliche Zuständigkeit für Leistungen an junge Volljährige


(1) Für Leistungen an junge Volljährige ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der junge Volljährige vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. (2) Hält sich der junge Volljährige in einer Einrichtung oder sonstigen

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 89d Kostenerstattung bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise


(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn 1. innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und2. sich die örtliche Zuständigke

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 86b Örtliche Zuständigkeit für Leistungen in gemeinsamen Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder


(1) Für Leistungen in gemeinsamen Wohnformen für Mütter oder Väter und Kinder ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der nach § 19 Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. § 86a Absatz 2 gilt ents

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 87 Örtliche Zuständigkeit für vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen


Für die Inobhutnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen (§ 42) ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält. Die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme eine

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42d Übergangsregelung


(1) Kann ein Land die Anzahl von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die seiner Aufnahmequote nach § 42c entspricht, nicht aufnehmen, so kann es dies gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigen. (2) In diesem Fall reduziert sic

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 20. Sept. 2018 - W 3 K 17.634 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 23. Sept. 2014 - 12 C 14.1865

bei uns veröffentlicht am 23.09.2014

Tenor I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben. II. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen

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(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie

1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen. Die Betreuung schließt auch ältere Geschwister ein, sofern die Mutter oder der Vater für sie allein zu sorgen hat. Die Betreuung umfasst Leistungen, die die Bedürfnisse der Mutter oder des Vaters sowie des Kindes und seiner Geschwister gleichermaßen berücksichtigen. Eine schwangere Frau kann auch vor der Geburt des Kindes in der Wohnform betreut werden.

(2) Mit Zustimmung des betreuten Elternteils soll auch der andere Elternteil oder eine Person, die für das Kind tatsächlich sorgt, in die Leistung einbezogen werden, wenn und soweit dies dem Leistungszweck dient. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 kann diese Einbeziehung die gemeinsame Betreuung der in Satz 1 genannten Personen mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform umfassen, wenn und solange dies zur Erreichung des Leistungszwecks erforderlich ist.

(3) Während dieser Zeit soll darauf hingewirkt werden, dass die Mutter oder der Vater eine schulische oder berufliche Ausbildung beginnt oder fortführt oder eine Berufstätigkeit aufnimmt.

(4) Die Leistung soll auch den notwendigen Unterhalt der betreuten Personen sowie die Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 umfassen.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.

(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.

(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.

(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.

(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.

(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.

(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.

(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.

(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.

(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.

(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.

(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.

(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.

(1) Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien.

(2) Leistungen der Jugendhilfe sind:

1.
Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§§ 11 bis 14),
2.
Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 21),
3.
Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (§§ 22 bis 25),
4.
Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen (§§ 27 bis 35, 36, 37, 39, 40),
5.
Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen (§§ 35a bis 37, 39, 40),
6.
Hilfe für junge Volljährige und Nachbetreuung (den §§ 41 und 41a).

(3) Andere Aufgaben der Jugendhilfe sind

1.
die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42),
2.
die vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise (§ 42a),
3.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Pflegeerlaubnis (§§ 43, 44),
4.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung sowie die Erteilung nachträglicher Auflagen und die damit verbundenen Aufgaben (§§ 45 bis 47, 48a),
5.
die Tätigkeitsuntersagung (§§ 48, 48a),
6.
die Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50),
7.
die Beratung und Belehrung in Verfahren zur Annahme als Kind (§ 51),
8.
die Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (§ 52),
9.
die Beratung und Unterstützung von Müttern bei Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sowie von Pflegern und Vormündern (§§ 52a, 53a),
10.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Anerkennung als Vormundschaftsverein (§ 54),
11.
Beistandschaft, Pflegschaft und Vormundschaft des Jugendamts (§§ 55 bis 57),
12.
Beurkundung (§ 59),
13.
die Aufnahme von vollstreckbaren Urkunden (§ 60).

Für die Inobhutnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen (§ 42) ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält. Die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme eines unbegleiteten ausländischen Kindes oder Jugendlichen richtet sich nach § 88a Absatz 2.

(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen. Die Betreuung schließt auch ältere Geschwister ein, sofern die Mutter oder der Vater für sie allein zu sorgen hat. Die Betreuung umfasst Leistungen, die die Bedürfnisse der Mutter oder des Vaters sowie des Kindes und seiner Geschwister gleichermaßen berücksichtigen. Eine schwangere Frau kann auch vor der Geburt des Kindes in der Wohnform betreut werden.

(2) Mit Zustimmung des betreuten Elternteils soll auch der andere Elternteil oder eine Person, die für das Kind tatsächlich sorgt, in die Leistung einbezogen werden, wenn und soweit dies dem Leistungszweck dient. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 kann diese Einbeziehung die gemeinsame Betreuung der in Satz 1 genannten Personen mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform umfassen, wenn und solange dies zur Erreichung des Leistungszwecks erforderlich ist.

(3) Während dieser Zeit soll darauf hingewirkt werden, dass die Mutter oder der Vater eine schulische oder berufliche Ausbildung beginnt oder fortführt oder eine Berufstätigkeit aufnimmt.

(4) Die Leistung soll auch den notwendigen Unterhalt der betreuten Personen sowie die Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 umfassen.

(1) Für Leistungen in gemeinsamen Wohnformen für Mütter oder Väter und Kinder ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der nach § 19 Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. § 86a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Hat der Leistungsberechtigte keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach seinem tatsächlichen Aufenthalt zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt.

(3) Geht der Leistung Hilfe nach den §§ 27 bis 35a oder eine Leistung nach § 13 Absatz 3, § 21 oder § 41 voraus, so bleibt der örtliche Träger zuständig, der bisher zuständig war. Eine Unterbrechung der Hilfeleistung von bis zu drei Monaten bleibt dabei außer Betracht.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.

(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.

(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.

(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.

(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.

(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.

(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen. Die Betreuung schließt auch ältere Geschwister ein, sofern die Mutter oder der Vater für sie allein zu sorgen hat. Die Betreuung umfasst Leistungen, die die Bedürfnisse der Mutter oder des Vaters sowie des Kindes und seiner Geschwister gleichermaßen berücksichtigen. Eine schwangere Frau kann auch vor der Geburt des Kindes in der Wohnform betreut werden.

(2) Mit Zustimmung des betreuten Elternteils soll auch der andere Elternteil oder eine Person, die für das Kind tatsächlich sorgt, in die Leistung einbezogen werden, wenn und soweit dies dem Leistungszweck dient. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 kann diese Einbeziehung die gemeinsame Betreuung der in Satz 1 genannten Personen mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform umfassen, wenn und solange dies zur Erreichung des Leistungszwecks erforderlich ist.

(3) Während dieser Zeit soll darauf hingewirkt werden, dass die Mutter oder der Vater eine schulische oder berufliche Ausbildung beginnt oder fortführt oder eine Berufstätigkeit aufnimmt.

(4) Die Leistung soll auch den notwendigen Unterhalt der betreuten Personen sowie die Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 umfassen.

(1) Für Leistungen in gemeinsamen Wohnformen für Mütter oder Väter und Kinder ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der nach § 19 Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. § 86a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Hat der Leistungsberechtigte keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach seinem tatsächlichen Aufenthalt zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt.

(3) Geht der Leistung Hilfe nach den §§ 27 bis 35a oder eine Leistung nach § 13 Absatz 3, § 21 oder § 41 voraus, so bleibt der örtliche Träger zuständig, der bisher zuständig war. Eine Unterbrechung der Hilfeleistung von bis zu drei Monaten bleibt dabei außer Betracht.

(1) Für Leistungen an junge Volljährige ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der junge Volljährige vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(2) Hält sich der junge Volljährige in einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform auf, die der Erziehung, Pflege, Betreuung, Behandlung oder dem Strafvollzug dient, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in eine Einrichtung oder sonstige Wohnform.

(3) Hat der junge Volljährige keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach seinem tatsächlichen Aufenthalt zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt; Absatz 2 bleibt unberührt.

(4) Wird eine Leistung nach § 13 Absatz 3 oder nach § 21 über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus weitergeführt oder geht der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 eine dieser Leistungen, eine Leistung nach § 19 oder eine Hilfe nach den §§ 27 bis 35a voraus, so bleibt der örtliche Träger zuständig, der bis zu diesem Zeitpunkt zuständig war. Eine Unterbrechung der Hilfeleistung von bis zu drei Monaten bleibt dabei außer Betracht. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn eine Hilfe für junge Volljährige nach § 41 beendet war und innerhalb von drei Monaten erneut Hilfe für junge Volljährige nach § 41 erforderlich wird.

(1) Für Leistungen in gemeinsamen Wohnformen für Mütter oder Väter und Kinder ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der nach § 19 Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. § 86a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Hat der Leistungsberechtigte keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach seinem tatsächlichen Aufenthalt zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt.

(3) Geht der Leistung Hilfe nach den §§ 27 bis 35a oder eine Leistung nach § 13 Absatz 3, § 21 oder § 41 voraus, so bleibt der örtliche Träger zuständig, der bisher zuständig war. Eine Unterbrechung der Hilfeleistung von bis zu drei Monaten bleibt dabei außer Betracht.

(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.

(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.

(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.

(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.

(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.

(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.

(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher ist grundsätzlich dann als unbegleitet zu betrachten, wenn die Einreise nicht in Begleitung eines Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten erfolgt; dies gilt auch, wenn das Kind oder der Jugendliche verheiratet ist. § 42 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 2 und 3, Absatz 5 sowie 6 gilt entsprechend.

(2) Das Jugendamt hat während der vorläufigen Inobhutnahme zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen einzuschätzen,

1.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet würde,
2.
ob sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland aufhält,
3.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen erfordert und
4.
ob der Gesundheitszustand des Kindes oder des Jugendlichen die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt; hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden.
Auf der Grundlage des Ergebnisses der Einschätzung nach Satz 1 entscheidet das Jugendamt über die Anmeldung des Kindes oder des Jugendlichen zur Verteilung oder den Ausschluss der Verteilung.

(3) Das Jugendamt ist während der vorläufigen Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen notwendig sind. Dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen und der mutmaßliche Wille der Personen- oder der Erziehungsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

(3a) Das Jugendamt hat dafür Sorge zu tragen, dass für die in Absatz 1 genannten Kinder oder Jugendlichen unverzüglich erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 49 Absatz 8 und 9 des Aufenthaltsgesetzes durchgeführt werden, wenn Zweifel über die Identität bestehen.

(4) Das Jugendamt hat der nach Landesrecht für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen zuständigen Stelle die vorläufige Inobhutnahme des Kindes oder des Jugendlichen innerhalb von sieben Werktagen nach Beginn der Maßnahme zur Erfüllung der in § 42b genannten Aufgaben mitzuteilen. Zu diesem Zweck sind auch die Ergebnisse der Einschätzung nach Absatz 2 Satz 1 mitzuteilen. Die nach Landesrecht zuständige Stelle hat gegenüber dem Bundesverwaltungsamt innerhalb von drei Werktagen das Kind oder den Jugendlichen zur Verteilung anzumelden oder den Ausschluss der Verteilung anzuzeigen.

(5) Soll das Kind oder der Jugendliche im Rahmen eines Verteilungsverfahrens untergebracht werden, so umfasst die vorläufige Inobhutnahme auch die Pflicht,

1.
die Begleitung des Kindes oder des Jugendlichen und dessen Übergabe durch eine insofern geeignete Person an das für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständige Jugendamt sicherzustellen sowie
2.
dem für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständigen Jugendamt unverzüglich die personenbezogenen Daten zu übermitteln, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 42 erforderlich sind.
Hält sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland auf, hat das Jugendamt auf eine Zusammenführung des Kindes oder des Jugendlichen mit dieser Person hinzuwirken, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Das Kind oder der Jugendliche ist an der Übergabe und an der Entscheidung über die Familienzusammenführung angemessen zu beteiligen.

(6) Die vorläufige Inobhutnahme endet mit der Übergabe des Kindes oder des Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten oder an das aufgrund der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde nach § 88a Absatz 2 Satz 1 zuständige Jugendamt oder mit der Anzeige nach Absatz 4 Satz 3 über den Ausschluss des Verteilungsverfahrens nach § 42b Absatz 4.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Kann ein Land die Anzahl von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die seiner Aufnahmequote nach § 42c entspricht, nicht aufnehmen, so kann es dies gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigen.

(2) In diesem Fall reduziert sich für das Land die Aufnahmequote

1.
bis zum 1. Dezember 2015 um zwei Drittel sowie
2.
bis zum 1. Januar 2016 um ein Drittel.

(3) Bis zum 31. Dezember 2016 kann die Ausschlussfrist nach § 42b Absatz 4 Nummer 4 um einen Monat verlängert werden, wenn die zuständige Landesstelle gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigt, dass die Durchführung des Verteilungsverfahrens in Bezug auf einen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen nicht innerhalb dieser Frist erfolgen kann. In diesem Fall hat das Jugendamt nach Ablauf eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen.

(4) Ab dem 1. August 2016 ist die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die vor dem 1. November 2015 entstanden sind, ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land verjährt in einem Jahr; im Übrigen gilt § 113 des Zehnten Buches entsprechend.

(5) Die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die nach dem 1. November 2015 entstanden sind, ist ausgeschlossen. Die Erstattung dieser Kosten richtet sich nach § 89d Absatz 1.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen. Die Betreuung schließt auch ältere Geschwister ein, sofern die Mutter oder der Vater für sie allein zu sorgen hat. Die Betreuung umfasst Leistungen, die die Bedürfnisse der Mutter oder des Vaters sowie des Kindes und seiner Geschwister gleichermaßen berücksichtigen. Eine schwangere Frau kann auch vor der Geburt des Kindes in der Wohnform betreut werden.

(2) Mit Zustimmung des betreuten Elternteils soll auch der andere Elternteil oder eine Person, die für das Kind tatsächlich sorgt, in die Leistung einbezogen werden, wenn und soweit dies dem Leistungszweck dient. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 kann diese Einbeziehung die gemeinsame Betreuung der in Satz 1 genannten Personen mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform umfassen, wenn und solange dies zur Erreichung des Leistungszwecks erforderlich ist.

(3) Während dieser Zeit soll darauf hingewirkt werden, dass die Mutter oder der Vater eine schulische oder berufliche Ausbildung beginnt oder fortführt oder eine Berufstätigkeit aufnimmt.

(4) Die Leistung soll auch den notwendigen Unterhalt der betreuten Personen sowie die Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 umfassen.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

Für die Inobhutnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen (§ 42) ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält. Die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme eines unbegleiteten ausländischen Kindes oder Jugendlichen richtet sich nach § 88a Absatz 2.

(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.

(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.

(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.

(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.

(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.

(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.

(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.

(1) Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien.

(2) Leistungen der Jugendhilfe sind:

1.
Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§§ 11 bis 14),
2.
Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 21),
3.
Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (§§ 22 bis 25),
4.
Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen (§§ 27 bis 35, 36, 37, 39, 40),
5.
Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen (§§ 35a bis 37, 39, 40),
6.
Hilfe für junge Volljährige und Nachbetreuung (den §§ 41 und 41a).

(3) Andere Aufgaben der Jugendhilfe sind

1.
die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42),
2.
die vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise (§ 42a),
3.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Pflegeerlaubnis (§§ 43, 44),
4.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung sowie die Erteilung nachträglicher Auflagen und die damit verbundenen Aufgaben (§§ 45 bis 47, 48a),
5.
die Tätigkeitsuntersagung (§§ 48, 48a),
6.
die Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50),
7.
die Beratung und Belehrung in Verfahren zur Annahme als Kind (§ 51),
8.
die Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (§ 52),
9.
die Beratung und Unterstützung von Müttern bei Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sowie von Pflegern und Vormündern (§§ 52a, 53a),
10.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Anerkennung als Vormundschaftsverein (§ 54),
11.
Beistandschaft, Pflegschaft und Vormundschaft des Jugendamts (§§ 55 bis 57),
12.
Beurkundung (§ 59),
13.
die Aufnahme von vollstreckbaren Urkunden (§ 60).

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen. Die Betreuung schließt auch ältere Geschwister ein, sofern die Mutter oder der Vater für sie allein zu sorgen hat. Die Betreuung umfasst Leistungen, die die Bedürfnisse der Mutter oder des Vaters sowie des Kindes und seiner Geschwister gleichermaßen berücksichtigen. Eine schwangere Frau kann auch vor der Geburt des Kindes in der Wohnform betreut werden.

(2) Mit Zustimmung des betreuten Elternteils soll auch der andere Elternteil oder eine Person, die für das Kind tatsächlich sorgt, in die Leistung einbezogen werden, wenn und soweit dies dem Leistungszweck dient. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 kann diese Einbeziehung die gemeinsame Betreuung der in Satz 1 genannten Personen mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform umfassen, wenn und solange dies zur Erreichung des Leistungszwecks erforderlich ist.

(3) Während dieser Zeit soll darauf hingewirkt werden, dass die Mutter oder der Vater eine schulische oder berufliche Ausbildung beginnt oder fortführt oder eine Berufstätigkeit aufnimmt.

(4) Die Leistung soll auch den notwendigen Unterhalt der betreuten Personen sowie die Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 umfassen.

(1) Für Leistungen in gemeinsamen Wohnformen für Mütter oder Väter und Kinder ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der nach § 19 Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. § 86a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Hat der Leistungsberechtigte keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach seinem tatsächlichen Aufenthalt zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt.

(3) Geht der Leistung Hilfe nach den §§ 27 bis 35a oder eine Leistung nach § 13 Absatz 3, § 21 oder § 41 voraus, so bleibt der örtliche Träger zuständig, der bisher zuständig war. Eine Unterbrechung der Hilfeleistung von bis zu drei Monaten bleibt dabei außer Betracht.

(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen. Die Betreuung schließt auch ältere Geschwister ein, sofern die Mutter oder der Vater für sie allein zu sorgen hat. Die Betreuung umfasst Leistungen, die die Bedürfnisse der Mutter oder des Vaters sowie des Kindes und seiner Geschwister gleichermaßen berücksichtigen. Eine schwangere Frau kann auch vor der Geburt des Kindes in der Wohnform betreut werden.

(2) Mit Zustimmung des betreuten Elternteils soll auch der andere Elternteil oder eine Person, die für das Kind tatsächlich sorgt, in die Leistung einbezogen werden, wenn und soweit dies dem Leistungszweck dient. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 kann diese Einbeziehung die gemeinsame Betreuung der in Satz 1 genannten Personen mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform umfassen, wenn und solange dies zur Erreichung des Leistungszwecks erforderlich ist.

(3) Während dieser Zeit soll darauf hingewirkt werden, dass die Mutter oder der Vater eine schulische oder berufliche Ausbildung beginnt oder fortführt oder eine Berufstätigkeit aufnimmt.

(4) Die Leistung soll auch den notwendigen Unterhalt der betreuten Personen sowie die Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 umfassen.

(1) Für Leistungen an junge Volljährige ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der junge Volljährige vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(2) Hält sich der junge Volljährige in einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform auf, die der Erziehung, Pflege, Betreuung, Behandlung oder dem Strafvollzug dient, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in eine Einrichtung oder sonstige Wohnform.

(3) Hat der junge Volljährige keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach seinem tatsächlichen Aufenthalt zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt; Absatz 2 bleibt unberührt.

(4) Wird eine Leistung nach § 13 Absatz 3 oder nach § 21 über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus weitergeführt oder geht der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 eine dieser Leistungen, eine Leistung nach § 19 oder eine Hilfe nach den §§ 27 bis 35a voraus, so bleibt der örtliche Träger zuständig, der bis zu diesem Zeitpunkt zuständig war. Eine Unterbrechung der Hilfeleistung von bis zu drei Monaten bleibt dabei außer Betracht. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn eine Hilfe für junge Volljährige nach § 41 beendet war und innerhalb von drei Monaten erneut Hilfe für junge Volljährige nach § 41 erforderlich wird.

(1) Für Leistungen in gemeinsamen Wohnformen für Mütter oder Väter und Kinder ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der nach § 19 Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. § 86a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Hat der Leistungsberechtigte keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach seinem tatsächlichen Aufenthalt zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt.

(3) Geht der Leistung Hilfe nach den §§ 27 bis 35a oder eine Leistung nach § 13 Absatz 3, § 21 oder § 41 voraus, so bleibt der örtliche Träger zuständig, der bisher zuständig war. Eine Unterbrechung der Hilfeleistung von bis zu drei Monaten bleibt dabei außer Betracht.

(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.

(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.

(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.

(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.

(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.

(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.

(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters in dem vor dem Amtsgericht E. anhängigen familiengerichtlichen Verfahren - Az: 001F469/14 - bzw. im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

IV.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren erster Instanz bewilligt und Rechtsanwältin Dr. ... aus ... beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt seine In-Obhutnahme als unbegleitet eingereister Minderjähriger (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Seinen eigenen Angaben zufolge ist er afghanischer Staatsangehöriger und wurde am ... geboren. Nach seiner Einreise hat er Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

1. Anlässlich eines Gesprächs des Antragstellers mit Mitarbeitern des Jugendamts und der Ausländerbehörde der Stadt Dortmund am 6. Januar 2014 entstanden Zweifel hinsichtlich des von ihm angegebenen Alters. In einem Vermerk des Jugendamts Dortmund vom 7. Januar 2014 wurde festgehalten, für eine Minderjährigkeit des Antragstellers bestünden keine Anhaltspunkte; es sei davon auszugehen, dass er zumindest 18 Jahre alt sei. Das Geburtsdatum wurde fiktiv auf den 1. Januar 1996 festgelegt. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern (Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber) vom 10. März 2014 wurde der Antragsteller ab dem 12. März 2014 dem Landkreis E. zugewiesen.

2. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers, diesen nach § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung oder bei einer Pflegefamilie unterzubringen. Der Antragsteller sei minderjährig. Zur Begründung wurde auf einen weder einen Briefkopf tragenden noch eine Unterschrift enthaltenen Bericht der Ausländerhilfe E. e.V. zur Einschätzung des Alters des Antragstellers Bezug genommen.

3. Mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az: 001F469/14) stellte das Amtsgericht E. im Wege der einstweiligen Anordnung fest, dass das elterliche Sorgerecht bis zur Abklärung des Alters des Betroffenen vorläufig ruht. Gleichzeitig wurde das Kreisjugendamt E. als vorläufiger Vormund ausgewählt. Mit weiterem Beschluss vom 1. August 2014 verfügte das Amtsgericht, dass zur Feststellung des Alters des Antragstellers ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Mit dessen Erstellung wurde das Institut für Rechtsmedizin der Universität M. beauftragt.

4. Mit undatiertem Bescheid, vermutlich vom 6. August 2014, lehnte der Antragsgegner die beantragte In-Obhutnahme (§ 42 SGB VIII) sowie die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII) ab. Der Antragsteller sei aufgrund der Alterseinschätzung durch das Jugendamt Dortmund als volljährig einzustufen. Die Alterseinschätzung einer ehrenamtlichen Initiative, hier der Ausländerhilfe E. e. V., könne die amtlich festgestellte Alterseinschätzung nicht abändern. Darüber hinaus sei das Kreisjugendamt mit Beschluss vom 31. Juli 2014 zum Vormund bestellt worden, so dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII entfallen seien. Zweifel an der Volljährigkeit des Antragstellers bestünden auch aufgrund einer Inaugenscheinnahme des Antragsgegners im Kreisjugendamt und im Team Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes nicht; es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Minderjährigkeit des Antragstellers ergeben. Auch ein - vorsorglich geprüfter - Bedarf für eine Jugendhilfemaßnahme habe nicht festgestellt werden können. Der Antragsteller sei in seiner Unterkunft gut integriert. Diese werde von zwei Mitarbeitern des Landratsamts regelmäßig besucht und betreut.

5. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. August 2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2014 erheben und beantragen, das Kreisjugendamt E. - zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung - zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Er wohne als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in einer Asylunterkunft für Erwachsene. In dieser gebe es keine Betreuung für Minderjährige. Sein Wohl sei daher gefährdet. Bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens sei von seiner Minderjährigkeit auszugehen, so dass er gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen sei. Eine Verpflichtung zur In-Obhutnahme bestehe auch deshalb, weil er um diese gebeten habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

6. Mit Beschluss vom 18. August 2014 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, dass er Jugendlicher im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII sei und insoweit ein Anordnungsanspruch gemäß § 123 VwGO bestehe. Es hätten Gespräche sachkundiger Personen mit dem Antragsteller stattgefunden, die zu dessen Einschätzung als volljährig geführt hätten, so dass er für das Eilverfahren nicht gleichsam „unbesehen“ als Jugendlicher betrachtet werden könne. Dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht zur Einschätzung des Alters komme für das gerichtliche Verfahren kein eigener Erkenntniswert zu, weil dieser Bericht seinen Ersteller nicht erkennen lasse. Weitere Erkenntnismittel stünden nicht zur Verfügung. Auch dem computermäßig reproduzierten Schwarzweißbild des Antragstellers in der Behördenakte könne nicht entnommen werden, dass dieser noch minderjährig sei. Eine Beweiserhebung finde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statt. Infolgedessen komme es auch nicht darauf an, ob im Hauptsacheverfahren ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Aus den genannten Gründen könne auch der Antrag auf Gewähr von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben.

7. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Unter Zugrundelegung der amtlichen Stellungnahme des Jugendamts Dortmund sei der Antragsteller volljährig. Die Voraussetzungen für eine In-Obhutnahme lägen deshalb nicht vor.

8. Mit Verfügung vom 11. September 2014 wies das Amtsgericht E. die Beteiligten des familiengerichtlichen Verfahrens darauf hin, dass nach den eingeholten Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller volljährig sei mit der Folge, dass er als Minderjähriger zu behandeln sei.

Der zusammenfassenden Beurteilung des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der LMU M. vom 1. September 2014 ist zu entnehmen, dass die Befunde zur Alterseinschätzung des Antragstellers sehr widersprüchlich seien. Der subjektive Eindruck des Untersuchers spreche (zwar) für ein Lebensalter von 18 bis 20 Jahren, was aber nur Hinweischarakter haben könne. (Auch) der zahnärztliche Untersuchungsbefund mit kariösen Läsionen von zwei Weisheitszähnen, die bereits vollständig ausgewachsen in der Kauebene stehen, belege im Regelfall ein Lebensalter von zumindest 22 Jahren. Die Röntgenaufnahme der linken Hand zeige auf der Daumenseite der Speichenwachstumsfuge noch eine kleine Kerbung, entsprechend offenbar einem sehr frischen Verschluss, alternativ einer irregulären Ausformung ohne Hinweiswert für das Alter. Insoweit sei zu sehen, dass die entsprechende Wachstumsfuge im Alter von 17 Jahren regelmäßig vollständig fusioniert sei. Die Befunde an den Brustbein-/Schlüsselbeingelenken des Antragstellers entsprächen aus radiologischer Sicht einer Teilfusion der Wachstumsfugen, wie sie bei Männern frühestens mit 17 ½ Jahren, aber auch bis zu 26 Jahren beobachtet werde. Die mittleren 50% mit einem solchen Befund lägen zwischen 20,1 und 23,9 Jahren. Die Fusion der Schlüsselbein-Wachstumsfuge des Antragstellers sei allerdings nur sehr gering ausgeprägt. Darüber hinaus wirkten die Schlüsselbeinschaftenden des Antragstellers ausgesprochen gleichmäßig wellig, wie dies regelmäßig einer aktiven Wachstumsfuge entspreche. Aktive Wachstumsfugen ohne Teilfusion würden bei Männern zwischen 14 ½ und 20 Jahren beobachtet. Die mittleren 50% mit einem solchen Entwicklungsstadium lägen zwischen 17,1 und 18,5 Jahren. Unklar sei jedoch, inwieweit die üblichen Kriterien zur Alterseinstufung auf den Antragsteller (überhaupt) angelegt werden könnten. Bei der körperlichen Untersuchung seien die besonders langen, schmalen Hände des Antragstellers aufgefallen, die auf eine Wachstumsstörung hinweisen könnten. Eine solche müsse gegebenenfalls durch die Fachabteilung für Auxologie (Wachstumskunde) abgeklärt werden, da sie durchaus Krankheitswert haben und therapiebedürftig sein könne. Eine entsprechende Abteilung stehe im Haunerschen Kinderspital der LMU M., Prof. Dr. ..., zur Verfügung. Obwohl insbesondere der zahnärztliche Befund ein Lebensalter noch deutlich höher als das zugewiesene zu belegen scheine, sei bei Unterstellung einer Wachstumsstörung das vom Antragsteller angegebene Geburtsdatum (gleichwohl) nicht auszuschließen.

Demgegenüber kommt das dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin beiliegende fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 - allerdings ohne Berücksichtigung einer möglichen Wachstumsstörung - zu der Einschätzung, dass der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als 18 Jahre sowie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% älter als 21 Jahre sei. Auch nach dem zahnärztlichen Untersuchungsbefund vom 13. August 2014 handelt es sich beim Antragsteller nicht mehr um einen Minderjährigen, sondern um einen jugendlichen Erwachsenen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht können keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Dem Antrags- und Klagebegehren können ferner hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Der Gesetzgeber hat die (Erst-)Versorgung und Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII primär den Jugendämtern zugewiesen (vgl. BVerwG, U. v. 8.7.2004 - 5 C 63.03 -, ZfJ 2005, 23 [25]; s. auch Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17; Peter, JAmt 2006, 60 [61]). Er trägt damit der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung, die eindeutig verlangt, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden der gleiche staatliche Schutz zu gewähren ist wie deutschen Kindern (vgl. insbes. Art. 6 Abs. 2, Art. 20, 22 u. 32 ff.). Auch Art. 1 und 2 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Minderjährigenschutzabkommen - MSA) verlangen, dass der Staat die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen trifft und dies nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts tut (vgl. Trenczek, in Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 15 u. 17; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548] m. w. N.). Bei der Durchführung der In-Obhutnahme sind Unterschiede zwischen (unbegleiteten) ausländischen und deutschen Minderjährigen unzulässig (vgl. Trenczek, in: Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 17). Der Schutz von Minderjährigen darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob diese sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Ebenso wenig ist die In-Obhutnahme davon abhängig, ob der Minderjährige nach der Einreise ins Bundesgebiet um Asyl nachsucht (vgl. Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44). Dies gilt auch dann, wenn der Minderjährige das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat und nach § 12 AsylVfG handlungsfähig ist. § 42 SGB VIII wird durch Regelungen des Asylrechts nicht verdrängt (BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 [158 f.; 160]; siehe auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 16 f. m. w. N.). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die Verpflichtung des Jugendamts, unbegleitete Minderjährige nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen, gilt deshalb ausnahmslos, und damit unabhängig davon, ob die Betroffenen in Ausübung ihrer Handlungsfähigkeit bereits einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Löhr, ZAR 2010, 378 [381]; Peter, JAmt 2006, 60 [64; 66]). Nimmt das Jugendamt einen unbegleitet eingereisten, sechzehnjährigen Asylantragsteller in Obhut, so ist dieser verpflichtet, in einer Einrichtung der Jugendhilfe zu wohnen. Die zuvor mit der Asylantragstellung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 u. 2 Nr. 3 AsylVfG) entfällt (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG). Unbegleitet eingereiste Minderjährige unter 16 Jahren unterliegen aufgrund der Systematik des Asylverfahrensrechts von vorneherein keiner Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Eine „Kollision“ zwischen Asylverfahrensrecht einerseits und Achtem Buch Sozialgesetzbuch andererseits (vgl. hierzu Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17 f.) besteht daher in Wahrheit nicht. Vielmehr treten die Bestimmungen über die Wohnpflicht nach dem Asylverfahrensgesetz im Fall einer auf der Grundlage des Achten Buchs Sozialgesetzbuch verfügten Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kraft gesetzlicher Anordnung (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG) zurück (siehe auch Peter, JAmt 2006, 60 [64]). Ist ein vor Vollendung des 18. Lebensjahres unbegleitet nach Deutschland eingereister asylsuchender (minderjähriger) Ausländer, der weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland hat, in Obhut zu nehmen und unterzubringen, wie § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII dies ausnahmslos und unmissverständlich verlangt, so unterfällt er auch nicht dem gemäß §§ 45 f. AsylVfG vorgesehenen Verteilungsverfahren. Eine gleichwohl erfolgte, ihm gegenüber ergangene Weiterleitungsanordnung ist rechtswidrig (vgl. VG Berlin, B. v. 18.4.2011 - 20 L 331.10 - juris, Rn. 9; ebenso Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 18; Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Allein der Umstand, dass das zuständige Jugendamt seitens der Ausländerbehörden nicht oder nicht rechtzeitig von der Existenz des unbegleitet eingereisten asylsuchenden Minderjährigen Kenntnis erlangt, darf daher nicht dazu verleiten, eine nicht bestehende „Kollision“ oder gar einen Vorrang des Asylverfahrensrechts für die Unterbringung zu konstruieren. Vielmehr ist (auch) der unbegleitet eingereiste asylsuchende Minderjährige von der örtlichen Ausländerbehörde oder den Zentralen Aufnahmestellen für Asylbewerber unverzüglich an das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt weiterzuleiten (vgl. § 14 Satz 1 d. Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern - AGO: „Weiterleitung bei Unzuständigkeit“). Umgekehrt ist das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt gemäß § 81 SGB VIII gehalten, von der örtlichen Ausländerbehörde oder der Zentralen Aufnahmestelle Auskunft über den Aufenthalt unbegleitet eingereister Minderjähriger zu verlangen (vgl. Peters, JAmt 2006, 60 [63]: „Einmischungsauftrag“), um seiner Verpflichtung aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII genügen zu können.

Durch die in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIII getroffene Regelung hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass unbegleitet eingereiste Minderjährige - gleichviel welchen Alters - nicht in asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtungen (§ 44 AsylVfG) oder Gemeinschaftsunterkünften (§ 53 AsylVfG) untergebracht werden (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 64]). Dies allein entspricht zugleich den Anforderungen des Art. 20 UN-Kinderrechtskonvention. Nach dieser Bestimmung haben Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention) und aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand (Abs. 1). Dieser ist durch eine kindgerechte Betreuung in einer Pflegefamilie oder in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung sicherzustellen (Absätze 2 u. 3). Eine solche ist in einer asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtung regelmäßig nicht gewährleistet (vgl. näher Peter, JAmt 2006, 60 [63 f.]; Löhr, ZAR 2010, 378 [381 f.]). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Anders als beim typischen Eltern-Kind-Konflikt bedarf es bei der In-Obhutnahme unbegleiteter Minderjähriger auch keiner Gefährdungsabschätzung (mehr), vielmehr wird eine (latente) Gefahr für das Wohl unbegleiteter Minderjähriger (alleine in einem fremden Land, mangelnde Sprachkenntnisse) - gleichviel welchen Alters - vom Gesetzgeber unterstellt (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 19; Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44; Peter, JAmt 2006, 60 [61; 62]). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf unbegleitete minderjährige Asylbewerber, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben, weil auch insoweit das Kindeswohl gefährdende körperliche oder gar sexuelle Übergriffe in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. hierzu auch Art. 34 UN-Kinderrechtskonvention - „Schutz vor sexuellem Missbrauch“). Der von Teilen der Literatur (vgl. etwa Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 18) hinsichtlich dieses Personenkreises zusätzlich für erforderlich gehaltene „jugendhilferechtliche Bedarf“ liegt bereits von Gesetzes wegen vor.

Das nach § 87 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt muss deshalb, ohne dass ihm ein Ermessen eingeräumt wäre (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 65]), nicht nur Obhut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gewähren, sondern darüber hinaus auch unverzüglich die Bestellung eines Vormunds veranlassen (§ 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Dessen Bestellung lässt die Erforderlichkeit einer In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII nicht entfallen. Ebenso wenig wie eine bereits angeordnete In-Obhutnahme durch eine Vormundbestellung endet (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 13 f.), wird eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII aufgrund der Anordnung einer Amtsvormundschaft entbehrlich. Die Aufgabe des Jugendamtes, gefährdeten Jugendlichen in einer Krisensituation Unterbringung und Betreuung zu gewährleisten, und der mit der In-Obhutnahme verbundene Schutzauftrag sind mit der Bestellung eines Amtsvormunds durch das Familiengericht noch nicht erfüllt; denn die bloße Existenz eines Personensorgeberechtigten, der anderweitige Hilfen beantragen könnte, lässt das Problem des akuten Unterkunfts- und Betreuungsbedarfs ungelöst (vgl. BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 14).

Da eine In-Obhutnahme Volljähriger rechtswidrig ist, hat das Jugendamt das Alter des Betroffenen festzustellen, ohne insoweit an die Feststellungen anderer Behörden gebunden zu sein (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 - juris, Rn. 9). Eine Altersschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 33.09 -, JAmt 2010, 46). Eine zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s. auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). Dabei ist außerhalb von Strafverfahren zu beachten, dass keine juristische Legitimation für die Durchführung von Röntgenuntersuchungen vorliegt und insofern nur ein eingeschränktes Methodenspektrum zur Verfügung steht. Allgemein wird deshalb eine körperliche Untersuchung mit Erfassung anthropometrischer Maße, der sexuellen Reifezeichen und möglicher altersrelevanter Entwicklungsstörungen sowie eine zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus empfohlen (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 22/09 -, JAmt 2010, 44).

Bestehen ernsthafte Zweifel hinsichtlich des Alters des Betroffenen, so haben sowohl das Jugendamt (§ 20 SGB X) als auch die Gerichte (§ 86 VwGO) von Amts wegen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Alter des Betroffenen festzustellen (so zutreffend OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 8 für das Kindschaftsrecht; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 u. a. -, juris, Rn. 9; siehe auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2010, § 33a Rn. 8). Erst wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft den um Obhutnahme bittenden Minderjährigen die materielle Beweislast für das von ihm behauptete Alter als anspruchsbegründende Tatsache (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6).

Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat das Jugendamt im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 21 a.E.; DIJuF- Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548 f.] m. w. N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auch das Familiengericht die Vormundschaft vorläufig - zur näheren Abklärung des Alters des Betroffenen - angeordnet und zugleich beschlossen hat, zur Feststellung des tatsächlichen Alters des Betroffenen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch die UNHCR-Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger vom Februar 1997 sieht ausdrücklich vor, dass im Zweifelsfall, also dann, wenn das genaue Alter ungewiss ist, zugunsten des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen entschieden werden soll (UNHCR 1997, 5.11 c).

2. Hiervon ausgehend kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht nicht aufrechterhalten werden. Weder der Vermerk des Jugendamts der Stadt Dortmund vom 7. Januar 2014 noch die Inaugenscheinnahme durch Vertreter des Kreisjugendamts E. und des Teams Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamts genügen den oben genannten Anforderungen. Vor allem lassen sie nicht erkennen, auf welche Merkmale und Kriterien die handelnden Personen ihre Annahme, der Antragsteller sei bereits volljährig, stützen. Der persönliche Eindruck allein kann insoweit nicht genügen. Gleiches hat hinsichtlich der Annahmen der Ausländerhilfe E. e.V. zu gelten. Auch das in den Akten enthaltene Lichtbild des Antragstellers lässt eine rechtlich und tatsächlich tragfähige Beurteilung nicht zu. Eine Minderjährigkeit des Antragstellers erscheint danach mindestens ebenso wahrscheinlich wie dessen Volljährigkeit. Die klärungsbedürftige Frage, ob der Antragsteller, wie er vorträgt, am 30. Oktober 1997 geboren wurde, infolgedessen noch minderjährig ist und damit dem Anwendungsbereich des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII unterfällt, muss derzeit vielmehr als offen angesehen werden. Dies deckt sich zugleich mit der Einschätzung des Amtsgerichts E. in den Beschlüssen vom 31. Juli und 1. August 2014 („möglicherweise noch minderjährig“) und der Verfügung des Amtsgerichts vom 11. September 2014, in der mitgeteilt wird, dass aufgrund der vorliegenden Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller bereits volljährig sei mit der Folge, dass er als noch Minderjähriger zu behandeln sei. In der Tat kann nach der (abschließenden) Altersdiagnose des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. vom 1. September 2014 aufgrund einer möglicherweise im Raum stehenden Wachstumsstörung Minderjährigkeit des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden. Das fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 und der zahnärztliche Befund ebenfalls vom 13. August 2014 stehen dem nicht entgegen, da sie die Möglichkeit einer Wachstumsstörung nicht berücksichtigen. Insoweit wird es, wie vom Institut für Rechtsmedizin angeregt, weiterer Aufklärung durch die Fachabteilung für Auxologie des Haunerschen Kinderspitals der LMU M. - entweder noch im familiengerichtlichen Verfahren oder aber spätestens im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht - bedürfen.

In einer solchen Fallkonstellation ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - im Lichte der den Verwaltungsprozess beherrschenden Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) im Wege einer (reinen) Folgenabwägung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden (vgl. BVerfG, B. v. 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 [481]; B. v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, NVwZ 2008, 880 [881]; B. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, 715 f.; BVerwG, B. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94 -, NVwZ1995, 379 [380]; siehe auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 100 f.), die die Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung asylbegehrender unbegleiteter Minderjähriger der Primärzuständigkeit des Jugendamts zu überantworten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), und den von Verfassungs wegen gebotenen Schutz Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) gleichermaßen entscheidungserheblich in den Blick nimmt.

Vorliegend überwiegen insoweit die persönlichen Interessen des Antragstellers gegenüber möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belangen. Sollte sich in dem vom Amtsgericht E. eingeleiteten Altersfeststellungsverfahren bzw. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht herausstellen, dass der Antragsteller - wie von ihm behauptet - tatsächlich minderjährig ist, so ginge er, würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, des durch § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII vermittelten Rechtsanspruchs auf In-Obhutnahme und Unterbringung in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlustig. Gleichzeitig bliebe er weiterhin den möglichen Gefahren einer unbegleiteten Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene ausgesetzt, denen der Gesetzgeber mit dem Erlass der in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII getroffenen Regelung gerade begegnen wollte. Darüber hinaus würde die Einleitung geeigneter Fördermaßnahmen verzögert. Demgegenüber wiegen die finanziellen Nachteile, die der Antragsgegner möglicherweise dadurch erleiden könnte, dass sich im Rahmen des laufenden Feststellungsverfahrens die Volljährigkeit des Antragstellers ergibt und die diesem bis zur Klärung des Alters zuteil gewordene In-Obhutnahme sich im Nachhinein als überflüssig erweist, deutlich geringer.

Damit hat der Antragsteller sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die begehrte einstweilige Anordnung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - bis zur endgültigen Feststellung des Alters des Antragstellers im anhängigen familiengerichtlichen Verfahren bzw. bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren - zu erlassen. Eine (unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache liegt insoweit nicht inmitten, da die einstweilige Anordnung zeitlich befristet - bis zur endgültigen Klärung des Alters - und damit lediglich vorläufig erfolgt, die Maßnahme der Existenzsicherung dient und dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung im familiengerichtlichen Verfahren bzw. im Hauptsacheverfahren aufgrund des damit (möglicherweise) verbundenen Rechtsverlustes nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.1999 - 11 VR 8/98 -, NVwZ 1999, 650; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 104 f.).

3. Zugleich ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO), da die weitere Klärung von einer (weiteren) Beweiserhebung abhängt und nach derzeitiger Sachlage hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2014 - 12 C 14.380 - juris, Rn.10 m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung im Eilverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht erforderlich, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 188 Satz 2 VwGO) und Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.