Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 01. Dez. 2014 - W 1 S 14.30275

bei uns veröffentlicht am01.12.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowie für das Verfahren in der Hauptsache abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde nach eigenen Angaben am ... in Kabul geboren und ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit. Er verließ nach eigenen Angaben etwa im August 2012 seinen langjährigen Aufenthaltsort im Iran und reiste über die Türkei und Griechenland auf dem Landweg nach Ungarn. Von dort aus reiste er am 21. Juli 2013 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein, wo er am 5. August 2013 ebenfalls Asyl beantragte.

Aufgrund eines EURODAC-Treffers wurde festgestellt, dass der Antragsteller am 5. Oktober 2012 in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatte. Daraufhin ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die ungarischen Behörden am 27. November 2013 um die Wiederaufnahme des Antragstellers.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 erklärten die ungarischen Behörden die Wiederaufnahme des Antragstellers.

In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens vor dem Bundesamt am 5. Februar 2014 gab der Antragsteller an, dass seine Krankheit nur in Deutschland behandelt werden könne und dass er nur in Deutschland als Mensch behandelt werde. In Ungarn habe man sich nicht um ihn gekümmert, er sei in einen Raum gesperrt worden unter ständiger Polizeikontrolle. Die Bevölkerung in Ungarn sei gegenüber Asylbewerbern feindselig gesinnt. Er habe sich in Ungarn in der Asylbewerberunterkunft in Debrecen aufgehalten.

Vom Antragsteller vorgelegt wurden verschiedene Atteste, u. a. eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie aus Bad Kissingen vom 25. September 2013, wonach beim Antragsteller ein Zustand nach Schädelhirntrauma vorliege sowie Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung. Als Differenzialdiagnosen wurden gestellt paranoide Schizophrenie, fokale Epilepsie. Der Antragsteller habe angegeben, im Iran von einer Gruppe von Personen verfolgt und mit einem Metallgegenstand auf den Kopf geschlagen worden zu sein. Nach dem Attest eines Facharztes für Nervenheilkunde aus München vom 8. August 2013 besteht beim Antragsteller ein Verdacht auf Psychose vor Traumahintergrund nach ICD-10 F 20/F 43.1. Der Antragsteller habe angegeben, aus Afghanistan zu stammen, aber wegen der Kriegswirren schon lange mit seiner Familie im Iran als Flüchtling gelebt zu haben. Vor etwas mehr als einem Jahr sei er zufälliges Opfer einer Hetzjagd von Iranern auf Flüchtlinge geworden und dabei mit einem eisernen Gegenstand auf den Kopf geschlagen worden.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2014 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig ist (Ziffer 1), und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Ziffer 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO erklärt hätten. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Dem Attest vom 6. August 2013 sei zu entnehmen, dass der Antragsteller in Ungarn behandelt worden sei. Er habe Medikamente erhalten sowie ein einzelnes Zimmer, wodurch seine Krankheitssymptome gelindert worden seien. Nach dem Attest vom 25. September 2013 seien dem Antragsteller, ebenso wie in Ungarn, Medikamente verschrieben worden. Er sei ermutigt worden, Spaziergänge zu machen. Da der Antragsteller nicht nachweislich unter einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung leide, die die Ereignisse in Ungarn ausgelöst haben könnten, könne er ebenso in Ungarn weiterhin behandelt werden. In Ungarn lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor. Es seien im ungarischen Asylgesetz Regelungen enthalten, wonach die Asylhaft unverzüglich zu beenden sei, u. a. wenn aufgrund des Gesundheitszustands des inhaftierten Antragstellers eine längere Krankenhausbehandlung erforderlich sei. Falls der Einzelentscheider in Ungarn während der Anhörung erkenne, dass der Asylsuchende an irgendeiner Art von psychischer Erkrankung leide, bediene er bzw. sie sich nach den einschlägigen ungarischen Vorschriften der Unterstützung eines medizinischen oder psychologischen Experten. Die Flüchtlingsbehörde untersuche, ob die Regeln für Personen mit besonderem Behandlungsbedarf anzuwenden seien. Dazu könne sie sich der Unterstützung eines medizinischen oder psychologischen Experten bedienen. Einige Psychiater seien auf die Behandlung psychischer Probleme, wie beispielsweise einer posttraumatischen Belastungsstörung von Asylsuchenden spezialisiert. Darüber hinaus gebe es Gesundheitseinrichtungen in Ungarn, in denen psychische Krankheiten mit der Unterstützung durch hochqualifizierte Ärzte behandelt würden. Ein Asylsuchender erhalte die gleiche medizinische Behandlung wie ein ungarischer Staatsangehöriger. Das umfasse sowohl die pharmakologische als auch die psychotherapeutische Behandlung, sowie dies notwendig sei. Sowohl in Aufnahmeeinrichtungen als auch in Haftanstalten befänden sich Gesundheitszentren, die mit allen notwendigen Medikamenten, auch für psychische Erkrankungen, ausgestattet seien. Bei ernsteren Fällen gebe es die Möglichkeit zur Behandlung in einer der psychiatrischen Kliniken. Falls die posttraumatische Belastungsstörung einhergehe mit anderen psychischen Krankheiten, wie z. B. einer bipolaren Störung, Schizophrenie oder Panikattacken, gebe es die Möglichkeit zur Behandlung durch einen medizinischen Spezialisten. Sollte die psychische Krankheit die Handlungsfähigkeit des Asylbewerbers beeinträchtigen, beziehe die Flüchtlingsbehörde den gesetzlichen Vertreter mit in das Flüchtlingsverfahren ein bzw. bestelle einen Vormund.

Gegen diesen ihm im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung am 1. März 2014 zugestellten Bescheid ließ der Antragsteller mit am 10. März 2014 eingegangenem Schriftsatz Klage erheben (W 1 K 14.30274), über die noch nicht entschieden ist.

Gleichzeitig beantragte er im vorliegenden Verfahren,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Bereits aufgrund der langen Verfahrensdauer bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Bereits im Rahmen der Befragung zur Registrierung der persönlichen Daten am 21. Juli 2013 als auch bei der Befragung durch die Regierung von Oberbayern am 8. August 2013 habe der Antragsteller angegeben, dass er über Ungarn eingereist sei und dort einen Asylantrag gestellt habe. Er habe auch Unterlagen aus Ungarn vorgelegt. Der EURODAC-Treffer bezüglich Ungarn sei der Antragsgegnerin spätestens seit Anfang August 2013 bekannt gewesen. Aus welchen Gründen aber erst am 27. November 2013, mehr als drei Monate nach Kenntnis von dem EURODAC-Treffer, ein Übernahmeersuchen an Ungarn gerichtet worden sei, sei nicht erkennbar. Der Antragsteller habe die verzögerte Bearbeitung nicht mitverursacht. Demzufolge hätte das Bundesamt zumindest diese lange Zeitdauer bis zum Übernahmeersuchen in seine Ermessensausübung einstellen müssen. Des Weiteren bestünden erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufwiesen und für den Antragsteller die europaweiten Mindeststandards nicht gewährleistet seien. Entsprechende Erkenntnismaterialien wurden zur Glaubhaftmachung vorgelegt. Der angefochtene Bescheid berücksichtige auch nicht die vom Antragsteller bereits vorgebrachten Anhaltspunkte für systemische Mängel in Ungarn.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Mit Schriftsatz vom 6. August 2014 ließ der Antragsteller weitere aktuelle Erkenntnismittel zum Asylverfahren und zu den Aufnahmebedingungen in Ungarn vorlegen.

Die Antragsgegnerin nahm mit Schriftsatz vom 12. August 2014 Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3. April (richtig wohl: Juli) 2014, wonach keine systemischen Mängel in Ungarn vorlägen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag, die gemäß § 75 AsylVfG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist in der Sache nicht begründet. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das private Interesse des Antragstellers, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 24. Februar 2014 bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.

1.

Der Bescheid ist nicht wegen verzögerter Stellung des Wiederaufnahmegesuchs rechtswidrig. Da bereits keine rechtserhebliche Verzögerung vorliegt, kann offen bleiben, ob dem Antragsteller ein subjektives Recht darauf zusteht, dass die Antragsgegnerin eine solche Verzögerung im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts zu berücksichtigen hätte.

Da der Asylantrag und auch das Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO (Verordnung [EU] Nr. 604/2013 vom 26.6.2013, ABl Nr. L 180, S. 31) nach den Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 vom 18.2.2003, ABl Nr. L 50, S. 1). Da die mit dem Wiederaufnahmegesuch zusammenhängenden Rechtsfragen, insbesondere die gegebenenfalls zu beachtenden Fristen, systematisch den Bestimmungen über die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten zuzuordnen sind (Zuständigkeitsregelungen im weiteren Sinne), sind damit auf das Wiederaufnahmegesuch im vorliegenden Fall die Vorschriften des Art. 20 Dublin II-VO anzuwenden. Im Unterschied zu Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO enthält aber Art. 20 Dublin II-VO keine Frist zur Stellung eines entsprechenden Wiederaufnahmegesuchs. Dies bedeutet zwar nicht, dass es im Belieben des Bundesamtes stand, wann es ein solches Wiederaufnahmegesuch nach der Dublin II-VO an den für zuständig erachteten Mitgliedstaat zu richten hatte. Dies folgt bereits aus dem vierten und dem 15. Erwägungsgrund der Dublin II-VO sowie aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 - juris Rn. 85 ff.). Danach ist Ziel der in Kapitel III der Dublin II-VO genannten Zuständigkeitskriterien, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen im Geltungsgebiet der Dublin-Verordnungen gestellten Asylantrag zuständig ist. Ist die Überstellung eines Antragstellers in den nach diesen Kriterien als zuständiger Mitgliedstaat bestimmten Staat nicht möglich, so hat der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, vorbehaltlich der Befugnis, den Antrag nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst zu prüfen, die Prüfung der Kriterien des genannten Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob anhand eines der nachrangigen Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann (EuGH, U. v. 14.11.2013 - Puit, C-4/11 - juris Rn. 33; U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - juris Rn. 96). Der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, hat jedoch darauf zu achten, dass eine Situation, in der dessen Grundrechte verletzt werden, nicht durch unangemessen langes Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst prüfen (EuGH, U. v. 14.11.2013 - Puit, C-4/11 - juris Rn. 35; U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - juris Rn. 98). Die seit 1. Januar 2014 anwendbare Dublin III-VO sieht dementsprechend nunmehr ausdrücklich in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO auch für Wiederaufnahmegesuche eine Frist vor, und zwar bei Vorliegen einer EURODAC-Treffermeldung eine solche von nur zwei Monaten, im Übrigen eine Frist von drei Monaten ab Asylantragstellung.

Aus diesem Grund haben mehrere Kammern des erkennenden Gerichts Ermessensfehler aufgrund einer überlangen Verfahrensdauer von mehr als sechs Monaten (VG Würzburg, B. v. 7.5.2014 - W 1 S 14.50049) bzw. von beinahe einem Jahr (VG Würzburg, B. v. 7.2.2014 - W 7 S 14.30097) bis zur Stellung des Wiederaufnahmegesuchs festgestellt, weil in diesen Fällen das Bundesamt die überlange Verfahrensdauer nicht in seine Ermessenserwägungen im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO bzw. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO eingestellt hatte.

Anders liegen die Dinge jedoch im vorliegenden Fall.

Ausweislich des Aktenvermerks vom 22. August 2013 (Bl. 53 der Bundesamtsakte) hatte das Bundesamt spätestens an diesem Tag Kenntnis vom Vorliegen eines EURODAC-Treffers der Kategorie 1 hinsichtlich Ungarn. Am 27. November 2013 hat es das Wiederaufnahmegesuch an die ungarischen Behörden gestellt. Damit ist zwischen der nachweisbaren Kenntnis vom Vorliegen eines EURODAC-Treffers und der Stellung des Wiederaufnahmegesuchs ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten vergangen. In einem solchen Fall kann unter der Geltung der Dublin II-VO, die eine Frist für das Wiederaufnahmeersuchen nicht vorsieht, nicht von einer überlangen Verfahrensdauer ausgegangen werden (für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensverzögerung erst ab einem Untätigbleiben von deutlich über einem Jahr VG Würzburg, U. v. 27.8.2014 - W 7 K 14.30286 - UA Seite 12; VG Stuttgart, U. v. 28.2.2014 - A 12 K 383/14 - juris Rn. 23). Die Frage eines Ermessensfehlers stellt sich daher im vorliegenden Fall insoweit nicht.

2.

Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO (Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht.

Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - Asylmagazin 10/2013, 342 ff.) nicht davon auszugehen, dass das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) bzw. des bei der Auslegung des Art. 4 GR-Charta nach Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta heranzuziehenden Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Überstellung eines Asylbewerbers an einen anderen Mitgliedstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der (rück-)überstellten Asylsuchenden i. S. v. Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419 f.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Verstoß eines zuständigen Mitgliedstaates gegen einzelne unionsrechtliche Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein (weiterer) Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Asylsuchenden an den zuständigen Staat zu überstellen (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419). Denn eine solche Sichtweise würde den Kern und die Verwirklichung des Ziels der Dublin-Verordnungen gefährden, rasch denjenigen Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist (EuGH a. a. O.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass derartige systemische Mängel bezüglich der Asylpraxis in Ungarn (derzeit) vorliegen. Das Gericht teilt vielmehr insoweit aufgrund im Folgenden noch darzulegender eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - Asylmagazin 10/2013, 342 ff.) sowie einiger anderer deutscher Verwaltungsgerichte (VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris; OVG LSA, B. v. 31.5.2013 - 4 L 169/12; VG Würzburg, U. v. 23.9.2014 - W 1 K 14.50050 - UA S. 8 ff.; VG Würzburg, B. v. 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris Rn. 17 ff.; B. v. 19.5.2014 - W 3 S 14.50045 - UA S. 5 ff.; VG Augsburg, B. v. 11.6.2014 - Au 7 S 14.50134 - juris Rn. 25 ff.; VG Düsseldorf, B. v. 8.9.2014 - 9 L 1506/14.A - juris Rn. 8 ff.; VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris Rn. 7 ff.; VG Hannover, B. v. 27.5.2014 - 5 B 634/14 - juris Rn. 8 ff.), die systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn verneinen (entgegen SächsOVG, B. v. 24.7.2014 - A 1 B 131/14 - juris Rn. 4 m. w. N.; VG München, B. v. 26.6.2014 - M 24 S 14.50325 - juris Rn. 31 ff.; VG Stuttgart, U. v. 26.6.2014 - A 11 K 387/14 - juris Rn. 16 ff.; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris Rn. 24 ff.; B. v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - juris Rn. 24 ff.; VG Oldenburg, B. v. 18.6.2014 - 12 B 1238/14 - juris Rn. 18 ff.).

Weder das Vorbringen des Antragstellers unter Bezugnahme auf neuere Erkenntnismittel, insbesondere auf den Bericht des Hungarian Helsinki Committee vom Mai 2014, die Auskunft von UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014 und den Bericht von PRO ASYL vom 11. Juli 2014 sowie auf die neuere Rechtsprechung führt nicht zu einer anderen Beurteilung.

Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden und auch von der Antragstellerseite zitierten Berichten dargestellten Missstände insbesondere der Inhaftierungspraxis in Ungarn. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Denn weiterhin ist festzuhalten, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - Halaf, C-528/11 - NVwZ-RR 2013, 660).

Auch unter Einbeziehung der neuesten Berichte zur tatsächlichen Situation in Ungarn, insbesondere im Hinblick auf die regelmäßige Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern, ist festzustellen, dass die dort genannten Missstände nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Das Gericht folgt nicht der Rechtsprechung, die das Vorliegen systemischer Mängel im Hinblick auf die Inhaftierungspraxis nunmehr für gegeben bzw. für überprüfungsbedürftig hält (so VG München, B. v. 26.6.2014 - M 24 S 14.50325 - juris; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris; B. v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - juris), sondern schließt sich vielmehr der gegensätzlichen Auffassung an (VG Würzburg, U. v. 23.9.2014 - W 1 K 14.50050 - UA S. 12; VG Düsseldorf, B. v. 8.9.2014 - 9 L 1506/14.A - juris Rn. 8 ff.; VG Würzburg, B. v. 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris Rn. 17 ff.; VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris; VG Würzburg, B. v. 19.5.2014 - W 3 S 14.50045). Nach den Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Sache Mohamadi versus Österreich (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.) ist nicht von systematischen Inhaftierungen von Asylsuchenden in Ungarn auszugehen. Auch nach der die Lage in Ungarn - ohne Auseinandersetzung mit der oben genannten Entscheidung des EGMR - anders bewertenden Rechtsprechung belegen die Inhaftierungsvorschriften in Ungarn und die Anwendung dieser Vorschriften für sich noch keinen Anhaltspunkt für systemische Mängel. Denn die ungarischen Inhaftierungsvorschriften entsprechen bei summarischer Betrachtung den Vorgaben des Europäischen Rechts, insbesondere den in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2013/33/EU - Aufnahmerichtlinie - genannten Haftgründen. Danach darf ein Antragsteller nur in Haft genommen werden, um u. a. Beweise zu sichern, auf die sich sein Antrag auf internationalen Schutz stützt, und die ohne Haft unter Umständen nicht zu erhalten wären, insbesondere, wenn Fluchtgefahr besteht, was naheliegend ist, wenn ein Asylbewerber bereits einmal illegal Ungarn verlassen hat, um in einem anderen Mitgliedstaat einen weiteren Asylantrag zu stellen. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, dass die ungarische Asylhaftpraxis die Grenzen des europäischen Rechts systematisch überschreitet, selbst wenn entsprechend der Auskunft des UNHCR vom 9. Mai 2014 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, weil und soweit die ungarischen Behörden einen Haftgrund im Einklang mit dem europäischen Unionsrecht annehmen. Aus den vorliegenden Erkenntnissen ergibt sich, dass im Einzelfall auch von einer Asylhaft abgesehen werden kann und auch abgesehen wird, mithin die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles bei einer Haftanordnung berücksichtigt werden. Auch die Dauer der Asylhaft ist nach dem ungarischen System an das Fortbestehen eines Haftgrundes gekoppelt.

Des Weiteren ist in Ungarn im Rahmen der Haft ein Rechtsschutzsystem gesetzlich installiert. Aus der geringen Erfolgsquote der Rechtsbehelfe kann nicht ohne weiteres gefolgt werden, dass das ungarische Verfahren insoweit die europäischen Asylstandards generell nicht erfülle. Dass derartige Haftprüfungsanträge durch die Gerichte angeblich mit schematisierten Entscheidungen abgelehnt werden, muss nicht bedeuten, dass diese Rechtsbehelfe nicht individuell geprüft würden. Vielmehr kann in Haftsachen, die Massenverfahren darstellen, aus Gründen der Vereinfachung auch eine individuelle richterliche Überprüfung zu einer schematisierten Begründung führen. Dies dürfte grundlegende rechtsstaatliche Garantien - jedenfalls bei Nichtvorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles - nicht verletzen.

Ebenso wenig kann das Gericht den aktuellen Auskünften entnehmen, dass die Haftbedingungen in Ungarn systemisch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer bewirken. Anhaltspunkte für systematische Misshandlungen ergeben sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht, es wird lediglich über Einzelfälle berichtet. Beachtliche systemische Mängel des Asylverfahrens wären dagegen nur feststellbar, wenn diese Misshandlungen regelhaft von staatlicher Seite vorgenommen, geduldet oder gefördert würden. Denn nur dann wäre nach dem auch insoweit anzuwendenden Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit die Schwelle zur Widerlegung der Vermutung eines grundrechtskonformen Asylverfahrens im konkreten Einzelfall überschritten (BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - juris Rn. 5; U. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 9). Davon ist jedoch auch nach den Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.) nicht auszugehen. Des Weiteren ist anzumerken, dass sich die ungarische Regierung auftretenden Problemen in der Vergangenheit nicht verschlossen hat, sondern durchaus konstruktiv an Verbesserungen gearbeitet hat und arbeitet. So weist auch der Bericht des UNHCR vom 9. Mai 2014 ausdrücklich darauf hin, dass in der ungarischen Asylgesetzgebung zum 1. Januar 2014 auf Druck der Europäischen Kommission erneut eine Rechtsänderung zugunsten der Asylsuchenden eingetreten ist (UNHCR, Auskunft vom 9.5.2014 an das VG Düsseldorf, S. 7).

Zum Einwand einer unverhältnismäßig langen Inhaftierung Asylsuchender in Ungarn ist ergänzend konkret in Bezug auf den Antragsteller anzumerken, dass dieser selbst angegeben hat, sich lediglich acht Monate lang in Ungarn aufgehalten zu haben. Er sei nach seiner Ankunft in Ungarn vor die Wahl gestellt worden, entweder in Haft genommen zu werden oder einen Asylantrag zu stellen. Da er nicht habe in Haft genommen werden wollen, habe er einen Asylantrag gestellt. Dies auch aus dem Grunde, weil er sehr krank gewesen sei. Eine Bestätigung für die Asylantragstellung habe er nicht mitgenommen. Hätte er noch einige Tage gewartet, so hätte die Polizei ihn inhaftiert (vgl. Seite 6 der Niederschrift über die Befragung zur Identitätsklärung am 8.8.2013, Blatt 42 der Bundesamtsakte). Diese Aussagen stehen zwar in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der Aussage des Antragstellers nach der Niederschrift über das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates am 5. Februar 2014 vor dem Bundesamt (Blatt 79 der Bundesamtsakte), wonach man sich in Ungarn nicht um ihn gekümmert, sondern ihn in einen Raum unter ständiger Polizeikontrolle gesperrt habe. Dennoch geht das Gericht aufgrund der vorherigen Angaben des Antragstellers davon aus, dass dieser sich nicht in Gefängnishaft befunden hat.

3.

Schließlich kann der Antragsteller eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt bzw. zur ermessensfehlerfreien Entscheidung hierüber auch nicht im Hinblick auf die geltend gemachten psychischen Erkrankungen beanspruchen. Das Bundesverwaltungsgericht sowie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof folgern aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Dublin II-VO, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin II-VO für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen nur mit dem Einwand systemischer Mängel es Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten könne und es nicht darauf ankomme, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war (vgl. BVerwG, U. v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - juris Rn. 6; U. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 7; BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris Rn. 40). Ob angesichts dessen unterhalb der Schwelle der systemischen Mängel im Rahmen des Selbsteintrittsrechtes nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO überhaupt noch Raum für eine individuelle Prüfung einer Grundrechtsverletzung verbleibt, die nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta ausschließlich am Maßstab der europäischen Grundrechte - etwa anhand des Rechts auf Leben und Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GR-Charta - erfolgen könnte, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm für den Fall seiner Überstellung nach Ungarn aufgrund der geltend gemachten Erkrankungen eine Grundrechtsverletzung droht, weil die erforderliche medizinische Versorgung nicht gewährleistet wäre. Dem gegenüber hat das Bundesamt auf Seite 3/4 des streitgegenständlichen Bescheides ausgeführt, dass der Antragsteller als behandlungsbedürftiger Asylsuchender wie ein ungarischer Staatsangehöriger behandelt werde, der ärztlicher Betreuung bzw. Überwachung bedürfe. Es hat des Weiteren das Verfahren und den Zugang behandlungsbedürftiger Asylsuchender zur medizinischen Versorgung in Ungarn ausführlich dargestellt. Den diesbezüglichen Feststellungen des Bundesamtes, auf die das Gericht Bezug nimmt, ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Es liegen auch keine gesicherten gegenteiligen Erkenntnisse vor. Soweit im Bericht von UNHCR vom April 2012 (UNHCR, Ungarn als Asylland, April 2012, Seite 28) festgestellt wird, viele Flüchtlinge könnten sich in Ungarn mangels finanzieller Mittel keine medizinische Versorgung leisten, ist dies in Anbetracht des oben genannten Umstandes, dass Flüchtlinge wie subsidiär Schutzberechtigte durchaus Anspruch auf Sozialleistungen haben, nicht nachvollziehbar. In der Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014 wird zwar verschiedentlich auf Aussagen Bezug genommen, wonach die medizinische Versorgung mangelhaft sei (Seite 3, Seite 5/6, Seite 9). Diese Angaben sind jedoch allein auf Berichte von Asylsuchenden aus Ungarn gestützt, ohne tatsächliche Anhaltspunkte für die Glaubhaftigkeit dieser Berichte zu benennen. Auch nach dem Bericht von bordermonitoring.eu (Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Oktober 2013, Seite 20) sind Flüchtlinge in Ungarn nicht von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen, wenngleich sie auf bürokratische Schwierigkeiten bei der Registrierung stoßen können (vgl. auch VG Würzburg, B. v. 28.3.2014 - W 1 S 14.30143 - juris Rn. 26). Sofern vor der Überstellung des Antragstellers Kontakt mit den ungarischen Behörden aufgenommen wird und diese über seine individuellen Bedürfnisse informiert werden, ist eine ausreichende medizinische Versorgung in Ungarn sichergestellt. Soweit dieser Informationsaustausch erfolgt, genügt der überstellende Staat auch grundsätzlich den Grundrechten, so dass selbst bei Überstellung von besonders schutzbedürftigen Personen - etwa psychisch Kranken - nach Ungarn keine grundlegenden Einwände bestehen (vgl. VG Würzburg, GB. v. 30.4.2014 - W 6 K 13.30525 - juris Rn. 23 m. w. N.).

4.

Ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis in der Form einer Reiseunfähigkeit aufgrund der geltend gemachten Erkrankungen lässt sich den vom Antragsteller vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen nicht entnehmen.

5.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

6.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung war abzulehnen, weil die Klage und demzufolge auch das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine hinreichenden Erfolgsaussichten bieten (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO).

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Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 01. Dez. 2014 - W 1 S 14.30275 zitiert 3 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

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Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 01. Dez. 2014 - W 1 S 14.30275 zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2014 - 13a B 13.30295

bei uns veröffentlicht am 28.02.2014

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Siche

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 11. Juni 2015 - W 1 K 14.30274

bei uns veröffentlicht am 11.06.2015

Tenor I. Die Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. Februar 2014 (Unzulässigkeit des Asylantrags) wird aufgehoben. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskost

Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 08. Sept. 2014 - 9 L 1506/14.A

bei uns veröffentlicht am 08.09.2014

Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1Gründe: 2Der Antrag au

Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 27. Aug. 2014 - 14 L 1786/14.A

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Tenor Die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 5088/14.A gegen die in Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25.07.2014 enthaltene Abschiebungsanordnung wird angeordnet. Die Kosten des Verfahrens, für das keine Ger

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 26. Juni 2014 - A 11 K 387/14

bei uns veröffentlicht am 26.06.2014

Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.01.2014 wird aufgehoben.Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Tatbestand  1 Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten über die Unzu

Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 16. Juni 2014 - 13 L 141/14.A

bei uns veröffentlicht am 16.06.2014

Tenor Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage (13 K 445/14.A) gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Januar 2014 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahren

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 28. Feb. 2014 - A 12 K 383/14

bei uns veröffentlicht am 28.02.2014

Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Tatbestand   1 Der am … 1988 geborene Kläger ist gambischer Staatsangehöriger. Er reiste am 20.05.2013 - u.a. von Italien kommend - in das Bund

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 31. Mai 2013 - 4 L 169/12

bei uns veröffentlicht am 31.05.2013

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Gerichtskosten (Gebühr
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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 29. Apr. 2015 - W 1 K 14.30139

bei uns veröffentlicht am 29.04.2015

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand 1. Die Kläger sind nach eigenen Angaben kosovarische Staats

Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 07. Mai 2015 - Au 2 S 15.50230

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Tenor I. Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Antragsgegnerin vor der Überstellung der Antragsteller nach B. Kontakt mit den zuständigen belgischen Behörden aufnimmt und diese über den Gesundheitszustand der Antragstelle

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 11. Dez. 2014 - W 1 S 14.30152

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Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von

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Tenor

I.

Die Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. Februar 2014 (Unzulässigkeit des Asylantrags) wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklage kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1. Der Kläger wurde nach eigenen Angaben am ... in K. geboren und ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit. Er verließ nach eigenen Angaben etwa im August 2012 seinen langjährigen Aufenthaltsort im Iran und reiste über die Türkei und Griechenland auf dem Landweg nach Ungarn. Von dort aus reiste er am 21. Juli 2013 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein, wo er am 5. August 2013 Asyl beantragte.

2. Aufgrund eines EURODAC-Treffers wurde festgestellt, dass der Kläger am 5. Oktober 2012 in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatte. Daraufhin ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die ungarischen Behörden am 27. November 2013 um die Wiederaufnahme des Klägers.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 erklärten die ungarischen Behörden die Wiederaufnahme des Klägers unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1c) der Dublin II-VO.

In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens vor dem Bundesamt am 5. Februar 2014 gab der Kläger u. a. an, dass seine Krankheit nur in Deutschland behandelt werden könne und dass er nur in Deutschland als Mensch behandelt werde. In Ungarn habe man sich nicht um ihn gekümmert, er sei in einen Raum gesperrt worden unter ständiger Polizeikontrolle. Zur Glaubhaftmachung der geltend gemachten Erkrankungen wurden verschiedene fachärztliche Stellungnahmen vorgelegt.

3. Mit Bescheid vom 24. Februar 2014 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig ist (Ziffer 1), und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Ziffer 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO erklärt hätten. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich.

4. Gegen diesen ihm am 1. März 2014 zugestellten Bescheid ließ der Kläger mit am 10. März 2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Klage erheben. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, es bestünden bereits aufgrund der langen Verfahrensdauer Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Der Kläger habe bereits im Rahmen der Befragung zur Registrierung der persönlichen Daten am 21. Juli 2013 und auch bei der Befragung durch die Regierung von Oberbayern am 8. August 2013 angegeben, dass er über Ungarn eingereist sei und dort einen Asylantrag gestellt habe. Er habe auch Unterlagen aus Ungarn vorgelegt. Der EURODAC-Treffer bezüglich Ungarn sei der Beklagten spätestens seit Anfang August 2013 bekannt gewesen. Aus welchen Gründen aber erst am 27. November 2013, mehr als drei Monate nach Kenntnis von dem EURODAC-Treffer, ein Übernahmeersuchen an Ungarn gerichtet worden sei, sei nicht erkennbar. Der Kläger habe die verzögerte Bearbeitung nicht mitverursacht.

Der Kläger beantragt zuletzt,

den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Februar 2014 aufzuheben.

5.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6. Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sowie auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung hat das Gericht mit Beschluss vom 1. Dezember 2014 (Az.: W 1 S 14.30275) abgelehnt.

7. Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2014 wurde ein Attest einer die Muttersprache des Klägers sprechenden Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie vom 1. Dezember 2014 vorgelegt, wonach der Kläger unter einer schweren depressiven Symptomatik mit Antriebsstörung, Vitalstörung und sozialer Rückzugstendenz leide. Die begonnene medikamentöse Behandlung habe bis jetzt keine anhaltende Besserung erzielen können. Der Patient benötige weiterhin dringend engmaschige psychiatrische Betreuung und Behandlung in seiner Muttersprache. Im Falle einer Abschiebung müsse mit einer wesentlichen Verschlechterung der Symptomatik gerechnet werden. Dies bedeute sehr wahrscheinlich eine Gefahr für Leib und Leben.

8. Mit Beschluss vom 19. Januar 2015 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

9. In der mündlichen Verhandlung am 24. März 2015 hat der Kläger eine weitere fachärztliche Bescheinigung derselben Ärztin vom 23. März 2015 vorgelegt, wonach er weiterhin in regelmäßiger nervenärztlicher Behandlung sei, sein Zustand unverändert sei und sowohl die medikamentöse Therapie als auch die begleitende Psychotherapie fortgeführt werden sollten.

10. Auf Anfrage des Gerichts nahm die behandelnde Ärztin unter dem 17. April 2015 u. a. zur Frage der Reisefähigkeit des Klägers Stellung.

11. Mit Schriftsatz vom 23. April 2015 hob die Beklagte die Ziffer 2 des Bescheides vom 24. Februar 2014 auf. Insoweit wurde der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und das Verfahren nach Abtrennung mit Beschluss vom 13. Mai 2015 eingestellt (Az.: W 1 K 15.30365).

Im Übrigen haben die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Gegenstand der Klage ist nur noch die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides des Bundesamtes vom 24. Februar 2014 (sinngemäß) ausgesprochene Ablehnung des Asylantrags als unzulässig.

Insoweit ist die zulässige Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), begründet.

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage mit dem Ziel, die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides aufzuheben, statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beklagte ist nach Aufhebung der Ziffer 1 kraft Gesetzes verpflichtet, das Asylverfahren des Klägers in eigener Zuständigkeit fortzuführen. Einer auf ein weitergehendes Ziel gerichteten Verpflichtungsklage würde deshalb das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen.

Gegen die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bzw. die Feststellung der Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG, die einen eigenständigen Verwaltungsakt darstellt, ist eine isolierte Anfechtungsklage statthaft. Denn im Falle der Aufhebung der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist die Beklagte bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (st. Rspr., z. B. BayVGH, B.v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026 Rn. 4; B.v. 6.3.2015 - 13a ZB 15.50000 - juris Rn. 7; B.v. 5.3.2015 - 11 ZB 14.50046 - juris Rn. 11; B.v. 23.1.2015 - 13a ZB 14.50071 - juris; U.v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris Rn. 22; VGH BW, B.v. 19.1.2015 - A 11 S 2508/14 - UA S. 5/6; jeweils m. w. N. zur obergerichtlichen Rspr.; VG Würzburg, U.v. 31.3.2015 - W 1 K 14.30151 - juris Rn. 23). Denn nach Sinn und Zweck des § 27a AsylVfG und des dahinter stehenden Gebotes, im Interesse der Verfahrensbeschleunigung schnellstmöglich Klarheit über den zuständigen Mitgliedstaat für die Prüfung eines im Geltungsbereich der Dublin-Verordnungen gestellten Asylantrags zu gewinnen (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S., C-411/10 - juris Rn. 84, 98), ist die Zuständigkeitsprüfung durch das Bundesamt der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur (inhaltlichen) Prüfung des Asylantrags zu unterscheiden (BayVGH, B.v. 23.1.2015 - 13a ZB 14.50071 - juris Rn. 6).

Eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, die Sache insoweit spruchreif zu machen, besteht nicht (BayVGH, B.v. 23.1.2015 a. a. O.). Statthaft ist daher die Anfechtungsklage mit dem Ziel, die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig aufzuheben, damit die Beklagte in eigener Zuständigkeit über den Asylantrag (inhaltlich) entscheiden muss. Einer auf ein weitergehendes Ziel gerichteten Verpflichtungsklage würde deshalb das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen.

2. Die Klage ist auch begründet, weil die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides rechtswidrig ist (2.1) und den Kläger in seinen Rechten verletzt (2.2).

2.1 Die auf § 27a AsylVfG gestützte Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bzw. Feststellung der Unzulässigkeit desselben ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) objektiv rechtswidrig.

Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr: der Europäischen Union) oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der von der Beklagten um Wiederaufnahme des Klägers ersuchte Staat, Ungarn, ist jedoch infolge Fristablaufs nicht mehr für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und hat sich auch nicht mit einer Fristverlängerung bzw. Wiederaufnahme des Klägers ungeachtet des Fristablaufs einverstanden erklärt. Die internationale Zuständigkeit ist damit auf die Beklagte übergegangen. Der Ablauf der Überstellungsfrist bewirkte gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 v. 18.2.2003, ABl Nr. L 50, S. 1) einen Zuständigkeitsübergang kraft Gesetzes (st. Rspr., z. B. BayVGH, B.v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026 - Rn. 3; B.v. 6.3.2015 - 13a ZB 15.50000 - juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 19.1.2015 - A 11 S 2508/14 - UA S. 5; U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1285/14 - juris Rn. 36; U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris Rn. 33; B.v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 12), so dass eine individuelle Entscheidung der Beklagten, die Zuständigkeit zu übernehmen, nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO weder notwendig noch zuständigkeitsbegründend (konstitutiv) ist.

Wie sich aus dem EURODAC-Treffer zweifelsfrei ergibt, hat der Kläger bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Aus der Bezugnahme der ungarischen Behörden auf die Regelung des Art. 16 Abs. 1 c) Dublin II-VO folgt des Weiteren, dass er vor der Entscheidung über seinen Asylantrag durch die ungarischen Behörden illegal ins Bundesgebiet weitergereist ist. Nach der zuletzt genannten Vorschrift ist der nach der Dublin II-VO zuständige Mitgliedstaat gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Asylantrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen. Die Maßgeblichkeit der Dublin II-VO insoweit ergibt sich aus Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO (Verordnung [EU] Nr. 604/2013 v. 26.6.2013, ABl Nr. L 180, S. 31). Da das Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurde, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO nach den Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO. Die Dublin III-VO ist dem gegenüber - jedenfalls für die Zuständigkeit und das zu beachtende Verfahren - anzuwenden auf (Wieder-) Aufnahmegesuche, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (BVerwG, U.v. 17.6.2014 - 10 C 7.13 - juris Rn. 27). Da die mit dem Wiederaufnahmegesuch zusammenhängenden Rechtsfragen, insbesondere die gegebenenfalls zu beachtenden Fristen, systematisch den Bestimmungen über die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten zuzuordnen sind (Zuständigkeitsregelungen im weiteren Sinne), sind damit im vorliegenden Fall die Vorschriften des Art. 20 Dublin II-VO anzuwenden.

Die in Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO vorgesehene Überstellungsfrist von sechs Monaten ab der Zustimmung Ungarns zur Wiederaufnahme des Klägers ist - was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - im vorliegenden Falle im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) abgelaufen.

Die Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs ist nach der Überzeugung des Gerichts die Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit der Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides (VG Würzburg, U.v. 31.3.2015 - W 1 K 14.30151 - juris). Das Gericht folgt dem gegenüber nicht der Rechtsprechung, wonach die Ziffer 1 durch den Ablauf der Überstellungsfrist nach § 43 Abs. 2 VwVfG gegenstandslos geworden sei (BayVGH, B.v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026). Denn eine Erledigung i. S. des § 43 Abs. 2 VwVfG liegt vor, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene tatsächliche oder rechtliche Beschwer nachträglich weggefallen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rn. 102). Dies ist jedoch im Falle des Ablaufs der Überstellungsfrist nicht ohne Weiteres der Fall. Zwar wurde der Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte, wie bereits dargelegt, kraft Gesetzes durch die Regelung des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO bewirkt. Die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides enthält dem gegenüber die verbindliche Feststellung, dass die Beklagte für die Prüfung des materiellen Asylbegehrens nicht zuständig ist. Diese Feststellung bleibt bis zu ihrer Aufhebung wirksam und beschwert den Kläger, weil sie der Prüfung des materiellen Asylbegehrens durch die Beklagte als Verfahrenshindernis entgegen gehalten werden könnte. Zudem besteht aufgrund der Feststellung, dass die Beklagte nicht zuständig sei, für den Kläger eine erhebliche Unsicherheit über die Zuständigkeit, die in Anbetracht des für das Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung geltenden Beschleunigungsgrundsatzes nicht hingenommen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2015 - 11 ZB 15.50033 - juris Rn. 15 f.). Denn der Kläger hat ein Grundrecht auf materielle Prüfung seines Asylbegehrens durch einen Dublin-Mitgliedstaat aus Art. 18 GR-Charta (vgl. unten 2.2).

Der streitgegenständliche Verwaltungsakt ist auch nicht im Wege eines Austausches der Rechtsgrundlage oder der Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt nach § 47 VwVfG aufrecht zu erhalten. Zwar beinhaltet die vom Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorzunehmende Prüfung, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, auch die Befugnis, denselben, wenn er nach Lage der Dinge nicht auf die von der Behörde gewählte Rechtsgrundlage gestützt werden durfte, auf der Grundlage einer anderen Rechtsgrundlage aufrecht zu erhalten. Dies schließt auch die Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 47 VwVfG ein (st. Rspr., z. B. BVerwG, U.v. 19.8.1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96, juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 9.2.2014 - 20 B 13.30332 - juris Rn. 20). Ein Austausch der Rechtsgrundlage kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der anderen Rechtsgrundlage vorliegen, der Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen verändert würde und der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung nicht unzumutbar beeinträchtigt würde. Sind für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen weitere Ermittlungen erforderlich, so scheidet ein Austauschen durch das Gericht deshalb regelmäßig aus (BayVGH a. a. O.). Eine Umdeutung der streitgegenständlichen Entscheidung in eine solche nach § 71a AsylVfG kommt hier gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG nicht in Betracht. Denn zum einen fehlt es - ungeachtet der unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 27a AsylVfG und des § 71a AsylVfG - bereits an der Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt, in den der streitgegenständliche Verwaltungsakt umgedeutet werden soll, auf dasselbe Ziel gerichtet ist (BayVGH, B.v. 2.2.2015 - 13a ZB 14.50068 - juris Rn. 9; B.v. 23.1.2015 - 13a ZB 14.50071 - juris Rn. 9; VGH BW, B.v. 19.1.2015 - A 11 S 2508/14 - UA S. 6/7). Denn die vorliegende Entscheidung nach § 27a AsylVfG stellt allein - als der Sachprüfung vorgelagerte Zwischenentscheidung - die Unzuständigkeit der Beklagten für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens fest, während die Entscheidung nach § 71a AsylVfG letztendlich auf die materielle Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gerichtet ist. Die beiden Entscheidungen betreffen daher verschiedene Stadien eines gestuften Verwaltungsverfahrens. Des Weiteren scheitert die Umdeutung auch daran, dass sie - entgegen § 47 Abs. 2 VwVfG - der erkennbaren Absicht des Bundesamtes als erlassender Behörde widerspräche, weil dieses unter der Annahme seiner Unzuständigkeit gerade keine Entscheidung über den Zweitantrag treffen wollte (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2015 - 11 ZB 14.50046 - juris Rn. 16; B.v. 2.2.2015 - 13a ZB 14.50069 - juris Rn. 9; B.v. 23.1.2015 - 13a ZB 14.50071 - juris Rn. 9), und dass die Entscheidung über einen Zweitantrag - nach Ablauf der Überstellungsfrist - in ihren Rechtsfolgen für den Kläger ungünstiger wäre, weil dann in der Regel eine Abschiebungsandrohung in seinen Herkunftsstaat erginge und nicht eine Abschiebungsanordnung in den (primär) zuständigen Mitgliedstaat (VG Würzburg, U.v. 13.1.2015 - W 3 K 14.30092 - juris Rn. 20 ff.; U.v. 27.11.2014 - W 3 K 13.30553 - juris Rn. 27 f.; VG Augsburg, GB.v. 12.11.2014 - Au 7 K 14.50047 - juris Rn. 41; VG Regensburg, U.v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - UA S. 8). Nach dem oben (siehe 1.) Dargelegten besteht auch keine Pflicht des Gerichts, die Voraussetzungen der Umdeutung durch Herbeiführen der Spruchreife herzustellen (so auch VG Augsburg a. a. O.; VG Regensburg a. a. O.).

2.2 Der angefochtene Verwaltungsakt verletzt den Kläger auch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil ihm wegen des gesetzlichen Zuständigkeitsübergangs ein Rechtsanspruch darauf zusteht, dass die Beklagte über seinen Asylantrag entscheidet.

Zwar ist den Zuständigkeitsvorschriften der Dublin-Verordnungen (im engeren und weiteren Sinne) grundsätzlich kein individualschützender Gehalt zu entnehmen. Denn die einschlägigen Regelungen dienen der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und begründen daher staatengerichtete Rechte und Pflichten (VGH BW, B.v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13; VG Würzburg, B.v. 30.10.2014 - W 3 E 14.50144 - juris Rn. 13). Auch Art. 18 GR-Charta beinhaltet kein eigenständiges Asylgrundrecht (vgl. Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV Art. 18 GR-Charta Rn. 2 f.; Streinz in Streinz, EUV/AEUV, Art. 18 GR-Charta Rn. 5; differenzierend Jarass, GR-Charta Art. 18 Rn. 2), sondern nimmt auf die für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten verbindliche Genfer Flüchtlingskonvention und auf die entsprechenden Bestimmungen in den Gründungsverträgen (EUV und AEUV) Bezug. Auf europarechtlicher Ebene ist jedoch kein Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens in dem vom Asylbewerber bestimmten Mitgliedstaat garantiert (vgl. auch VG Würzburg, B.v. 2.1.2015 - W 1 S 14.50120 - juris Rn. 25, U.v. 26.9.2014 - W 7 K 13.30538 - UA S. 6). Aus Art. 18 GR-Charta folgt lediglich das Recht eines Asylbewerbers auf materielle Prüfung seines Asylantrags durch einen Mitgliedstaat des Dublin-Systems, weil aufgrund der gegenseitigen Vermutung, auf die sich das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein Asylantrag in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta der Europäischen Union behandelt wird (VGH BW, B.v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13).

Dennoch besteht in einer Situation, in der - wie im vorliegenden Falle - infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat zurückfällt, ein schutzwürdiges Interesse des Asylbewerbers daran, dass die inhaltliche Prüfung seines Asylantrags nicht durch weitere Zuständigkeitsprüfungen verzögert wird (VGH BW a. a. O.; VG Augsburg, GB.v. 12.11.2014 - Au 7 K 14.50047 - juris Rn. 45; VG Sigmaringen, U.v. 22.10.2014 - 8 K 4481/14.A - UA S. 5 ff.; VG Regensburg, U.v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - UA S. 6; VG Düsseldorf, U.v. 23.9.2014 - 8 K 4481/14.A - juris Rn. 30; tendenziell a.A. VG Würzburg, B.v. 30.10.2014 - W 3 E 14.50144 - juris Rn. 14). Insofern beinhaltet das Grundrecht aus Art. 18 GR-Charta i. V. m. Art. 41 und 47 GR-Charta eine zeitliche Komponente. Diese verlangt, dass die Prüfung des Asylantrags und die darauf ergehende Entscheidung zeitnah erfolgen. Somit würden die Grundrechte des Klägers verletzt, wenn in der vorliegenden Situation trotz des Zuständigkeitsübergangs noch über einen unter Umständen längeren Zeitraum hinweg Ungewissheit darüber bestünde, welcher Mitgliedstaat sein Asylbegehren inhaltlich zu prüfen hat (VG Würzburg, U.v. 31.3.2015 a. a. O.; U.v. 26.9.2014 a. a. O.).

Etwas anderes folgt für den vorliegenden Fall nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts auch nicht aus der Rechtsprechung des 11. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach sich eine möglicherweise infolge überlanger Verfahrensdauer bewirkte Verschlimmerung einer Grundrechtsverletzung durch die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates erledige (BayVGH, U.v. 13.4.2015 - 11 B 15.50031 - juris Rn. 29). Denn diese Entscheidung bezieht sich auf die Fallgestaltung der (vom erstinstanzlichen Gericht angenommenen) überlangen Verfahrensdauer im Zeitraum zwischen der Kenntniserlangung von der Möglichkeit der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates (EURODAC-Treffer) und dem Wiederaufnahmeersuchen an diesen Staat bzw. dessen Beantwortung. Davon zu unterscheiden ist aber die vorliegende Fallgestaltung, in der - nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vertretenen Rechtsauffassung, an der das Gericht weiterhin festhält - keine überlange Verfahrensdauer und demzufolge auch keine Verpflichtung der Beklagten zum Selbsteintritt bzw. zu ermessensfehlerfreier Entscheidung angenommen wurde. Es bestanden also an der (ursprünglichen) Zuständigkeit des - mit der Wiederaufnahme des Klägers einverstandenen - ersuchten Mitgliedstaates (Ungarn) zunächst keine Zweifel. Davon ausgehend ist erst mit dem Ablauf der Überstellungsfrist und dem damit verbundenen Zuständigkeitsübergang, dem die streitgegenständliche Ziffer 1 des Bescheides vom 24. Februar 2014 widerspricht, eine Situation der Unsicherheit über die Zuständigkeit eingetreten. Diese verletzt den Kläger in seinen Rechten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der am … 1988 geborene Kläger ist gambischer Staatsangehöriger. Er reiste am 20.05.2013 - u.a. von Italien kommend - in das Bundesgebiet ein und beantragte am 11.06.2013 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Dabei teilte er mit, dass er bereits in Italien erfolglos ein Asylverfahren betrieben habe, weshalb er nunmehr nach Deutschland weitergereist sei („I was already in Italy, after my asyl application, my case was rejected by the Italian government, that’s wyh I came in Germany to try my chance“).
Nach entsprechendem EURODAC-Treffer (registrierter Asylantrag in Italien am 27.08.2011) ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 14.11.2013 bei der italienischen Dublin-Koordinierungsstelle um die Wiederaufnahme des Klägers. Die Anfrage wurde am 16.12.2013 wiederholt. Nachdem die italienische Dublin-Koordinierungsstelle keine Antwort erteilte, lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 15.01.2014 den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Der Bescheid wurde dem Kläger am 18.01.2014 zugestellt.
Am 28.01.2014 hat er diesbezüglich beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und sich zur Begründung im Wesentlichen auf systemische Mängel im italienischen Asylverfahren berufen.
Der Kläger beantragt sachdienlich,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15.01.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ein Asylverfahren durchzuführen sowie ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen;
hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, ihm den (subsidiären) Schutzstatus nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen;
höchst hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein (komplementäres) Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheids.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter erklärt.
10 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die dem Gericht vorliegenden Akten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
11 
Soweit sich der Klageantrag auf ein Verpflichtungsbegehren bezieht, ist die Klage schon unzulässig. Denn der Kläger hat keine überlange Verfahrensdauer im Sinne des Art. 47 GRCh gerügt, die auch nicht ersichtlich ist, weswegen ihm von vorneherein kein Anspruch auf „Durchentscheiden“ zustehen kann (hierzu III.), es also insoweit an der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO fehlt. Bezüglich des Anfechtungsbegehrens hingegen ist die Klage zulässig, weil sich der Kläger auf ihn betreffende systemische Mängel im italienischen Asylverfahren beruft, sodass insoweit die Verletzung eigener Rechte aus Art. 4 GRCh möglich erscheint.
12 
Selbst wenn aber nicht nur das Anfechtungs-, sondern auch das Verpflichtungsbegehren als zulässig angesehen würde, ist die Klage in jedem Fall insgesamt unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens im Bundesgebiet sowie auf die geltend gemachten Rechtspositionen (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Ob im konkreten Fall das italienische Asylverfahren tatsächlich durch ablehnenden Bescheid bestandskräftig negativ abgeschlossen wurde, ist nicht hinreichend ersichtlich (nur: „my case was rejected by the Italian government“). Es kann im Ergebnis aber offen bleiben, ob ein Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylVfG vorliegt oder der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig ist. In beiden Fällen ist Italien für die Fortführung des Asylverfahrens zuständig im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (- GEAS -; hierzu: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., Vorb-AsylVfG Rn. 20 ff., sowie Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 34 ff., m.w.N.). Die angefochtene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG in der Fassung von Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (- Qualifikationsrichtlinie n.F. / QRL -) vom 28.08.2013 (BGBl I Nr. 54 v. 05.09.2013, 3474) ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
I.
13 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin III-Verordnung 604/2013/EU (- Dublin III-VO -) ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin II-VO -) anwendbar. Für (Neu-)Anträge ab 01.01.2014 gilt hingegen ausschließlich die Dublin III-VO. Für Anträge im Übergangszeitraum 19.07.2013 bis 31.12.2013 gilt grundsätzlich bereits die Dublin III-VO, nicht jedoch hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, die weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-VO erfolgt. Sämtliche Regelungen, die die Zuständigkeit eines bestimmten Mitgliedstaats für den Antrag normieren, sind für diese Übergangsfälle - nach Sinn und Zweck des Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO (Verwaltungsvereinfachung auch bezüglich der verwendeten Formulare etc. im Übergangszeitraum ab Inkrafttreten der erst am 29.06.2013 veröffentlichten Dublin III-VO) - weiterhin der Dublin II-VO zu entnehmen. In deren Kapitel III ist die „Rangfolge“ der Kriterien geregelt; zu dieser Rangfolge gehören untrennbar die sonstigen Dublin II-Regelungen (insbesondere Kapitel V, in dem die Dublin II-VO etwa bei Fristablauf ebenfalls Zuständigkeitskriterien normiert). Dass Kapitel III der Dublin III-VO nunmehr die „Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats“ begrifflich enger fasst, spielt keine Rolle. Denn Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO verweist ausdrücklich und pauschal auf die Kriterien der (eigentlich gemäß Art. 48 Dublin III-VO aufgehobenen) Dublin II-VO.
14 
Die Dublin II-VO ist im Übrigen (derzeit) weiterhin anwendbar bezüglich der Länder Norwegen, Island, Schweiz, Liechtenstein und Dänemark, die sich (bislang) nicht am Dublin III-System beteiligen.
15 
Die Dublin-Verordnungen dürften im Übrigen nicht nur bei bloßer Feststellung von subsidiärem Schutz, sondern selbst bei Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Dublin-Staat - jedenfalls analog - anwendbar sein (a.A. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 27a Rn. 34). Denn in diesen Fällen behält der andere Dublin-Staat nach Sinn und Zweck der Verordnungen grundsätzlich weiterhin die Flüchtlingsverantwortung, wie dies auch Art. 4 des Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16.10.1980 (BGBl 1994 II 2645) dokumentiert (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 2 AsylVfG Rn. 6). Verstärkt wird dieser Ansatz durch die Regelung des Art. 24 Abs. 1 QRL, wonach anerkannte Flüchtlinge Anspruch auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels haben. Analog Art. 9 (i.V.m. Art. 2 lit. j) Dublin II-VO bzw. Art. 12 (i.V.m. Art. 2 lit. l) Dublin III-VO muss der Aussteller-Mitgliedstaat im Dublin-System für die Prüfung des erneuten Antrags auf internationalen Schutz (dem das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte) auch in der Zwischenzeit nach Flüchtlingsanerkennung und Titelausstellung zuständig sein. Alles andere wäre mit dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse im Sinne einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates unvereinbar. Denn es kann nicht richtig sein, dass das Bundesamt oder die Asylgerichte - gegebenenfalls unter Beiziehung, Übersetzung und Auswertung der ausländischen Verwaltungsakten sowie nach Studium des jeweiligen nationalen Asylverwaltungsverfahrensrechtes - zur Aufklärung verpflichtet wären, ob der Antragsteller nun tatsächlich eigentlich bereits bestandskräftig anerkannt oder (teil-)abgelehnt wurde bzw. ob ihm die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer oder komplementärer Schutz zuerkannt worden ist. Jedenfalls dann, wenn der ersuchte Dublin-Staat im Dublin-Verfahren der (Wieder-)Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat, was er völker- bzw. unionsrechtlich auch ohne entsprechende Rechtspflicht darf, steht grundsätzlich im Sinne des § 34a Abs. 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung in diesen Staat durchgeführt werden kann. Der Einwand des Antragstellers, er sei dort aber schon anerkannt worden, kann den „effet utile“ der Dublin-Verordnungen nicht außer Kraft setzen.
16 
Im Falle des Klägers, der seinen (Alt-)Asylantrag in Deutschland am 11.06.2013 gestellt hat und bei dem unklar ist, ob sein italienisches Asylverfahren bestandskräftig beendet wurde, ist nach diesen Grundsätzen (weiterhin) die Dublin II-VO anwendbar. Da er vor Einreise in das Bundesgebiet nach dem EURODAC-Treffer sowie seinen eigenen Angaben in Italien bereits ein Asylverfahren durchlaufen hatte, bleibt Italien nach Art. 13 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO für ihn zuständig und muss ihn nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufnehmen. Demgemäß hat Italien die Möglichkeit, der Wiederaufnahme ausdrücklich zuzustimmen oder die Wiederaufnahme durch Stillschweigen zu akzeptieren. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO wird davon ausgegangen, dass Italien die Wiederaufnahme akzeptiert, wenn es nach einem EURODAC-Treffer nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab dem deutschen Ersuchen eine Antwort erteilt. Im Falle des Klägers hat das Bundesamt (erstmals) am 14.11.2013 die italienische Dublin-Koordinierungsstelle um die Wiederaufnahme des Klägers ersucht. Gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin II-VO steht mithin seit 29.11.2013 fest, dass Italien der Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt hat. Damit steht zugleich auch bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung im Rechtssinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seit 29.11.2013 insoweit fest, dass die Abschiebung des Klägers nach Italien durchgeführt werden kann.
II.
17 
Hiergegen kann der Kläger - unionsrechtlich - ausschließlich einwenden, im Zielstaat der Abschiebung bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU ausgesetzt zu werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Sache nach in seinem Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12 ) entschieden und damit das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie seine eigene Rechtsprechung in den Urteilen und fortgeschrieben.
18 
1. Im Urteil der Großen Kammer vom 21.01.2011 (Beschw.-Nr. 30696/09) entschied der EGMR, dass eine Dublin-Überstellung von Belgien nach Griechenland aufgrund der dort herrschenden Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber insbesondere gegen Art. 3 EMRK verstoßen hat.
19 
2. Der EuGH übertrug dies entsprechend Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh im Urteil vom 21.12.2011 (Rs. C-411/10 und 493/10) unter Anwendung von Art. 4 GRCh (= Art. 3 EMRK) in das Unionsrecht und entwickelte hierbei den Begriff der „systemischen Mängel“ bzw. „Schwachstellen“ (vgl. heute: Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO). Herrschen in einem Dublin-Staat solche systemischen Mängel im Asylsystem, was Asylbehörde und gegebenenfalls Asylgericht selbst prüfen müssen und wobei die Darlegungsanforderungen an den Antragsteller nicht überspannt werden dürfen (vgl. UK Supreme Court, Urteil vom 19.02.2014 - EM (Eritrea) v SSHD 2014] UKSC 12 - http://supremecourt.uk/decided-cases/docs/UKSC_2012_0272_Judgment.pdf), darf der Asylbewerber dorthin nicht rücküberstellt werden (Rn. 112 f.). Eine unwiderlegbare Vermutung, dass in keinem Dublin-Staat systemische Mängel existieren, widerspricht - trotz des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ und dem politischen Ziel, „forum shopping“ zu vermeiden - Unionsrecht (Rn. 79, 104). Abstrakt definiert setzt die Annahme eines systemischen Mangels allerdings keine „flächendeckende Fehlfunktion im Asylsystem“ im Sinne von „griechischen Verhältnissen“ voraus, sondern eine Schwachstelle, Fehlstruktur oder strukturelle Lücke, die im Sinne einer ceteris paribus notwendigen, aber nicht notwendig hinreichenden Bedingung für Fälle, die diese Asylsystemstelle durchlaufen, zu Rechtsverletzungen führt - dies in Abgrenzung und Gegenüberstellung zu Rechtsverletzungen, die (nur) aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände entstehen (überzeugend: Lübbe, „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 3/2014, i.E.). Solche Rechtsverletzungen müssen jedoch hinreichend gravierend sein, denn nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den Dublin-Zielstaat führt zur Unbeachtlichkeit der Dublin-Zuständigkeitsbestimmungen (Rn. 82).
20 
Vorliegen muss vielmehr eine Verletzung von Art. 4 GRCh, die in Betracht kommen kann etwa hinsichtlich willkürlicher Haft oder katastrophaler Lebensbedingungen für Asylbewerber () oder wenn etwa aufgrund erheblicher Erkrankung und Nichtbehandelbarkeit im Dublin-Zielstaat dort der in Art. 15 der Aufnahme-RL 2003/9/EG garantierte medizinische Mindeststandard („Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten“) gefährlich unterschritten wäre (im Ergebnis ebenso: UK Supreme Court, a.a.O. Rn. 58 ff). Ausschließlich in solchen Fällen darf das Dublin-System außer Kraft gesetzt werden, auch um einen Wertungswiderspruch hinsichtlich der Art. 3 EMRK-Rechtsprechung des EGMR zu vermeiden (vgl. Urteil vom 27.05.2008 , Beschwerde Nr. 26565/05, NVwZ 2008, 1334). Denn wegen der Unteilbarkeit der Menschenwürde, die hinter Art. 4 GRCh = Art. 3 EMRK steht, kann es schlechterdings nicht richtig sein, dass die Abschiebung in den Heimatstaat - hier Gambia - hiernach zulässig wäre, obwohl dort etwa keinerlei Unterbringung gesichert ist, die Abschiebung in den Dublin-Staat - hier Italien - hingegen nach dem Maßstab desselben Menschenrechtes etwa bei gesicherter, aber schlechter Unterbringung unzulässig sein soll. Dies wäre auch mit der effet utile-Rechtsprechung des EuGH unvereinbar, der im Urteil „N.S.“ bekräftigt, dass hinsichtlich des effektiven Funktionierens des Dublin-Systems „der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet“, auf dem Spiel stehen (Rn. 83).
21 
3. In Fortschreibung dieser Entscheidung entschied der EuGH sodann im Urteil am 14.11.2013 (Rs. C-4/11), dass bei Vorliegen systemischer Mängel, die beim konkreten Asylbewerber zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh führen, der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat zunächst weiter prüfen darf, ob anhand der Dublin-Regelungen ein anderer Dublin-Staat für eine Überstellung in Frage kommt (Rn. 33). Dabei hat der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat darauf zu achten, dass kein unangemessen langes Verfahren entsteht. Erforderlichenfalls sollte er den Asylantrag unter Inanspruchnahme des mitgliedstaatlichen Selbsteintrittsrechts (vgl. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO; Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) selbst prüfen (Rn. 35). Der EuGH stellte allerdings ausdrücklich klar, dass der Asylbewerber hierauf keinen Rechtsanspruch besitzt (Rn. 26, 37). Damit hat er zugleich der Sache nach klargestellt, dass ein Asylbewerber nur Anspruch darauf hat, dass sein Antrag auf internationalen Schutz auf dem Gebiet des „unvollendeten Bundesstaates EU“ geprüft wird, nicht aber darauf, dass er gerade in einem bestimmten Dublin-Staat eigener Wahl geprüft wird (kein „forum shopping“), genauso wenig, wie etwa ein Anspruch besteht, dass dies in Baden-Württemberg und nicht beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern geschieht. Indem der EuGH dem Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO die drittschützende Wirkung absprach, hat er zugleich angelegt, dass auch den anderen Dublin-Verfahrensvorschriften, insbesondere den Fristenregelungen, grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zukommt.
22 
4. Dies wurde nunmehr im Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12) klargestellt, in dem ausdrücklich nach dem Drittschutz von Dublin-Zuständigkeitsverfahrensvorschriften gefragt worden war. Der EuGH antwortete wiederum verneinend und in aller Klarheit, dass in dem Moment, in dem ein Dublin-Zielstaat der (Wieder-)Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, dieser hiergegen ausschließlich dortige systemische Mängel einwenden kann, die in seinem konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden (Rn. 60). Denn die Dublin-Zuständigkeitsregelungen seien im Sinne von „organisatorischen Vorschriften“ der Mitgliedstaaten (Rn. 56) und nach dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ normiert worden, um - auch wegen des öffentlichen Beschleunigungsinteresses hinsichtlich einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates - einem „forum shopping“ entgegenzuwirken (Rn. 53).
III.
23 
Damit steht nunmehr im Sinne eines „acte clair“ (genauer: „acte éclairé“) fest, dass sämtliche nicht grundrechtlich (wie Art. 6-8 Dublin II-VO bzw. Art. 8-11 Dublin III-VO) aufgeladenen Dublin-Zuständigkeitsregelungen vom Asylbewerber gerichtlich grundsätzlich nicht durchgesetzt werden können. Denn der EuGH hat in allen drei Leitentscheidungen zum Dublin-System der Sache nach pauschal insbesondere mit der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems argumentiert („Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, „öffentliches Beschleunigungsinteresse“), sodass eindeutig ist, dass sich dies nicht nur auf die jeweilig spezifischen Normen der Dublin II-VO bezieht. Auch im Rahmen der nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar verbindlichen Dublin III-VO kann deshalb nichts anderes gelten. Ein Drittschutz für Dublin-Zuständigkeitsregelungen könnte allenfalls noch bei überlanger Verfahrensdauer gemäß dem über Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GRCh hier direkt anwendbaren Art. 47 Satz 2 GRCh (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl., Vorb-GRCh Rn. 1) anerkannt werden, um einen dauerhaft untätigen Mitgliedstaat zum Handeln zu zwingen, damit keine „refugee in orbit“-Situation entsteht. Nur in einer solchen Ausnahmekonstellation, die aufgrund der hintereinander geschalteten verschiedenen Wochen- und Monatsfristen der Dublin-Verordnungen sicherlich ein Untätigbleiben von weit über einem Jahr voraussetzt, könnte sich das private Beschleunigungsinteresse des Asylbewerbers an der inhaltlichen Bearbeitung seines Antrags gegenüber dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse bezüglich der zeitnahen Klärung des für die Antragsbearbeitung nach den Dublin-Verordnungen zuständigen Staates durchsetzen.
24 
Ist diese Ausnahmekonstellation aber, wie im vorliegenden Fall, nicht gegeben, kann eine Klage allein mit dem Argument, etwa die Drei- bzw. Zwei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO oder Art. 21 Abs. 1 bzw. 23 Abs. 2 Dublin III-VO sei verletzt worden, keinen Erfolg haben. Gleiches muss gelten, wenn die Sechs-Monatsfrist des Art. 19 Abs. 4 bzw. 20 Abs. 2 Dublin II-VO oder Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO abgelaufen ist (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.08.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13). Auch in diesem Fall kann eine Anfechtungsklage des Asylbewerbers unionsrechtlich allein dann Erfolg haben, wenn im Dublin-Zielstaat systemische Mängel vorliegen, die im konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden. Dann müsste der angefochtene Bescheid des Bundesamts aufgehoben werden, damit dem Bundesamt die im Urteil (Rn. 33) beschriebene (und nun in Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO normierte) Möglichkeit eingeräumt wird, auf den dann weiter anhängigen Asylantrag einen anderen Dublin-Zielstaat für die Rücküberstellung zu finden bzw. vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
25 
Ein „Durchentscheiden“ zum (vom Bundesamt, anders als bei Folgeanträgen, nicht einmal angeprüften) Asyl- und Flüchtlingsrecht bzw. subsidiären oder komplementären Schutz im Sinne der Folgeantragsrechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.12.2000 - 9 B 426.00 - juris) scheidet hingegen aus, weil ansonsten entgegen dem Urteil unionsrechtswidrig dem Asylbewerber doch ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf Selbsteintritt eingeräumt (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - juris Rn. 27/30) und dem Bundesamt die Möglichkeit, einen anderen (auch „freiwillig“) aufnehmenden Dublin-Staat zu finden, abgeschnitten würde. Zudem würde hierdurch das Gericht unter Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz zur „Erstbehörde“ gemacht. Solange also die Zustimmung eines Dublin-Zielstaates (faktisch fort-)besteht, den Asylbewerber wieder aufzunehmen (und diese Zustimmung nicht etwa befristet war oder wegen Fristablaufs vom Dublin-Zielstaat inzwischen widerrufen worden ist) sowie in diesem Zielstaat keine systemischen Mängel mit der Folge der Art. 4 GRCh-Verletzung bestehen, solange kann die Klage - unionsrechtlich - keinen Erfolg haben. Diese Zustimmung kann vom Zielstaat nach dem Dublin-System verwaltungstechnisch ausdrücklich oder stillschweigend im Sinne einer Fiktion erteilt worden sein (vgl. Art. 20 Abs. 1 Dublin II-VO bzw. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO).
26 
Im Falle des Klägers ist es hier deshalb ohne entscheidungserhebliche Relevanz, dass das Bundesamt die Drei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO verletzt hat (Asylantrag am 11.06.2013; Überstellungsersuchen erst am 14.11.2013). Denn Italien hat seiner Rücküberstellung (mittels Fiktion) gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO seit 29.11.2013 (stillschweigend) zugestimmt.
IV.
27 
Die Klage des Asylbewerbers könnte in dieser Konstellation allenfalls dann - nach nationalem Recht - Erfolg haben, wenn die Rücküberstellung aufgrund inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse unmöglich ist, etwa weil aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung keine Transportfähigkeit, d.h. Reisefähigkeit im engeren Sinne (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 8), besteht. Denn dann steht im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, d.h. die Abschiebungsanordnung ist rechtswidrig. Das Bundesamt hat im Falle der Abschiebungsanordnung also nicht nur - unionsrechtlich - (Dublin-)zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne von systemischen Mängeln i.V.m. Art. 4 GRCh zu prüfen, sondern (ausnahmsweise) auch - nationalrechtlich - inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (ausführlich: Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 34a Rn. 22). Diese Grundregel ist trotz der prozessualen Neuerungen des Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-VO bzw. § 34a Abs. 2 AsylVfG auch unter dem Rechtsregime der Dublin III-VO beizubehalten, um das öffentliche Beschleunigungsinteresse hinsichtlich der zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates nicht durch gegebenenfalls unkoordinierte Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich der Abschiebungsanordnung gegenüber dem Bundesamt einerseits und nach § 123 VwGO bezüglich Vollstreckungshindernissen gegenüber der Ausländerbehörde andererseits zu konterkarieren.
28 
Im Falle des verhältnismäßig jungen und offenbar gesunden Klägers gibt es allerdings keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme von inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen.
V.
29 
Bezüglich des Dublin-Zielstaates Italien liegen nach Überzeugung des erkennenden Gerichts (jedenfalls derzeit) auch keine systemischen Mängel im Sinne der dargestellten EuGH-Rechtsprechung (mehr) vor. Durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür, dass der junge und gesunde Kläger im italienischen Asylverfahren voraussichtlich im Sinne von Art. 4 GRCh „der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wird“, lassen sich nicht erkennen. Der Kläger selbst hat solche Gründe aufgrund eigener Erfahrungen in Italien zwischen seinem dortigen Asylerstantrag wohl am 27.08.2011 und der Ausreise aus Italien im Frühjahr 2013 im Übrigen auch nicht ansatzweise vorgetragen. Seine Begründung für die Weiterreise nach Deutschland war vielmehr, „to try my chance“.
30 
Zur aktuellen Situation in Italien hat insbesondere das Verwaltungsgericht Würzburg in seinem Beschluss vom 03.02.2014 - W 6 S 14.30087 - (juris) Folgendes dargelegt:
31 
„Nach der Erkenntnislage ist nicht anzunehmen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen. (…) Dabei ist festzuhalten, dass nicht schon jeder Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder jede Verletzung eines Grundrechts zur Bejahung systemischer Mängel führt. Auch der Umstand, dass in Italien die wirtschaftliche Situation oder die medizinische Versorgung für Asylsuchende schlechter sein mag als in der Bundesrepublik Deutschland, führt für sich nicht zur Annahme systemischen Mängel oder einer allgemeinen unmenschlichen Behandlung (vgl. VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 – juris mit Bezug auf OVG LSA, B.v. 14.11.2013 – 4 L 44/13).
32 
Das Auswärtige Amt kommt etwa in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt zu der Einschätzung, dass für Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichende staatliche bzw. öffentliche und karitative Unterkunftsmöglichkeiten – bei teilweiser lokaler Überbelegung – zur Verfügung stehen, und insbesondere, dass alle Personen, die im Rahmen der Dublin-II-VO nach Italien zurückgeführt werden, in eine Unterkunft verteilt werden. Sie werden bei ihrer Ankunft am Flughafen empfangen, erkennungsdienstlich behandelt, einer Questura zugeteilt, von einer zuständigen Hilfsorganisation betreut und über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (vgl. auch Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 11.09.2013).
33 
Soweit der vom Antragstellerbevollmächtigten zitierte Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013 erhebliche Missstände in Italien beschreibt, ebenso der UNHCR in einer Stellungnahme an das VG Freiburg vom Dezember 2013 (der daneben auch positive Aspekte honoriert), rechtfertigt dies nicht das Vorliegen von systemischen Mängeln, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, eine unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. allgemein EuGH, U.v. 10.12.2013 – C 394/12 – juris). Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände, auf die auch der Antragstellerbevollmächtigte hingewiesen hat. Aber weder dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe noch der Stellungnahme des UNHCR noch sonstigen Unterlagen ist es zurzeit im ausreichenden Maß zu entnehmen, dass ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt bzw. dass das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der UNHCR weiterhin gerade keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, Asylsuchende nicht nach Italien zu überstellen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedsstaat, der nach den Kriterien der Dublin-II-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EUGH, U.v. 30.5.2013 – C-528/11 – ABl EU 2013, Nr. C 225 S. 12 – juris). Soweit in Italien Missstände und Notstände aufgrund der stark gestiegenen Asylbewerberzahl festgestellt worden sind, sind sie dieser geschuldet und stellen als solche für sich keine systemischen Mängel dar. Allein aus dem Umstand, dass andere Verwaltungsgerichte jedenfalls im Sofortverfahren zu anderen Ergebnissen kommen, mag auf den zugrundeliegenden Prüfungsmaßstab zurückzuführen sein, belegt aber nicht das tatsächliche Vorhandensein von Mängeln im italienischen System.
34 
Die vorliegende Einschätzung deckt sich mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 2. April 2013 (27725/10 – ZAR 2013, 336). Der Hinweis des Antragstellerbevollmächtigten auf eine divergierende Rechtsauffassung der 5. Sektion des EGMR und die Befassung der Großen Kammer des EGMR rechtfertigt zurzeit keine andere Beurteilung. Die 3. Sektion des EGMR hat ihre Rechtsauffassung über die Einschätzung hinsichtlich der Situation von Asylsuchenden in Italien mit einer Entscheidung vom 10. September 2013 ausdrücklich bestätigt (2314/10 – http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-127054). Zudem ist auch in dem Zusammenhang zu betonen, dass tatsächlich bestehende Defizite im italienischen Asylsystem auch mit der Folge, dass die wirtschaftliche, die medizinische und die soziale Versorgung in Italien schlechter als in der Bundesrepublik Deutschland ist, nicht die Annahme systemischer Mängel oder einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention rechtfertigen. Denn an einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. auch Thym, ZAR 2013, 331). Zudem ist nicht allein auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bzw. auf die Rechtsauffassung einer einzelnen Sektion abzustellen, sondern die gesamten Umstände des Einzelfalls sind zu würdigen.
35 
Das Gericht schließt sich nach alledem dem Teil der Rechtsprechung an, der systemische Mängel in Italien verneint und nimmt darauf ergänzend Bezug (vgl. zuletzt VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, B.v. 18.12.2013 – RN 6 S 13.30720 – juris; VG Saarland, B.v. 6.12.2013 – 3 L 1989/13 – juris; VG Ansbach, B.v. 26.11.2013 – AN 1 S 13.31045 – juris; VG Trier, B.v. 6.11.2013 – 5 L 1539/13.TR – juris; OVG Berlin-Bbg, B.v. 17.6.2013 – OVG 7 S 33.13 – juris; a. A. etwa VG Gießen, U.v. 25.11.2013 – 1 K 844/11.GI.A – AuAS 2014, 12, jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und den dort zitierten Erkenntnisquellen).“
36 
Auch das erkennende Gericht schließt sich dieser Bewertung des derzeitigen Asylsystems in Italien an. Besonderes Gewicht wird dabei dem Umstand beigemessen, dass UNHCR im Bericht vom Dezember 2013 (anders als im Falle Bulgariens, vgl. Bericht vom 02.01.2014 - http://www.refworld.org/docid/52c598354.html) und bis heute bezüglich Italien aufgrund auch der eigenen Überprüfungen vor Ort keinen Überstellungsstopp fordert.
37 
Nach alledem begegnet die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG keinen Bedenken, denn Italien ist, wie ausgeführt, der für die Fortführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Staat.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Gründe

 
11 
Soweit sich der Klageantrag auf ein Verpflichtungsbegehren bezieht, ist die Klage schon unzulässig. Denn der Kläger hat keine überlange Verfahrensdauer im Sinne des Art. 47 GRCh gerügt, die auch nicht ersichtlich ist, weswegen ihm von vorneherein kein Anspruch auf „Durchentscheiden“ zustehen kann (hierzu III.), es also insoweit an der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO fehlt. Bezüglich des Anfechtungsbegehrens hingegen ist die Klage zulässig, weil sich der Kläger auf ihn betreffende systemische Mängel im italienischen Asylverfahren beruft, sodass insoweit die Verletzung eigener Rechte aus Art. 4 GRCh möglich erscheint.
12 
Selbst wenn aber nicht nur das Anfechtungs-, sondern auch das Verpflichtungsbegehren als zulässig angesehen würde, ist die Klage in jedem Fall insgesamt unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens im Bundesgebiet sowie auf die geltend gemachten Rechtspositionen (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Ob im konkreten Fall das italienische Asylverfahren tatsächlich durch ablehnenden Bescheid bestandskräftig negativ abgeschlossen wurde, ist nicht hinreichend ersichtlich (nur: „my case was rejected by the Italian government“). Es kann im Ergebnis aber offen bleiben, ob ein Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylVfG vorliegt oder der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig ist. In beiden Fällen ist Italien für die Fortführung des Asylverfahrens zuständig im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (- GEAS -; hierzu: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., Vorb-AsylVfG Rn. 20 ff., sowie Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 34 ff., m.w.N.). Die angefochtene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG in der Fassung von Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (- Qualifikationsrichtlinie n.F. / QRL -) vom 28.08.2013 (BGBl I Nr. 54 v. 05.09.2013, 3474) ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
I.
13 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin III-Verordnung 604/2013/EU (- Dublin III-VO -) ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin II-VO -) anwendbar. Für (Neu-)Anträge ab 01.01.2014 gilt hingegen ausschließlich die Dublin III-VO. Für Anträge im Übergangszeitraum 19.07.2013 bis 31.12.2013 gilt grundsätzlich bereits die Dublin III-VO, nicht jedoch hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, die weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-VO erfolgt. Sämtliche Regelungen, die die Zuständigkeit eines bestimmten Mitgliedstaats für den Antrag normieren, sind für diese Übergangsfälle - nach Sinn und Zweck des Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO (Verwaltungsvereinfachung auch bezüglich der verwendeten Formulare etc. im Übergangszeitraum ab Inkrafttreten der erst am 29.06.2013 veröffentlichten Dublin III-VO) - weiterhin der Dublin II-VO zu entnehmen. In deren Kapitel III ist die „Rangfolge“ der Kriterien geregelt; zu dieser Rangfolge gehören untrennbar die sonstigen Dublin II-Regelungen (insbesondere Kapitel V, in dem die Dublin II-VO etwa bei Fristablauf ebenfalls Zuständigkeitskriterien normiert). Dass Kapitel III der Dublin III-VO nunmehr die „Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats“ begrifflich enger fasst, spielt keine Rolle. Denn Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO verweist ausdrücklich und pauschal auf die Kriterien der (eigentlich gemäß Art. 48 Dublin III-VO aufgehobenen) Dublin II-VO.
14 
Die Dublin II-VO ist im Übrigen (derzeit) weiterhin anwendbar bezüglich der Länder Norwegen, Island, Schweiz, Liechtenstein und Dänemark, die sich (bislang) nicht am Dublin III-System beteiligen.
15 
Die Dublin-Verordnungen dürften im Übrigen nicht nur bei bloßer Feststellung von subsidiärem Schutz, sondern selbst bei Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Dublin-Staat - jedenfalls analog - anwendbar sein (a.A. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 27a Rn. 34). Denn in diesen Fällen behält der andere Dublin-Staat nach Sinn und Zweck der Verordnungen grundsätzlich weiterhin die Flüchtlingsverantwortung, wie dies auch Art. 4 des Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16.10.1980 (BGBl 1994 II 2645) dokumentiert (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 2 AsylVfG Rn. 6). Verstärkt wird dieser Ansatz durch die Regelung des Art. 24 Abs. 1 QRL, wonach anerkannte Flüchtlinge Anspruch auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels haben. Analog Art. 9 (i.V.m. Art. 2 lit. j) Dublin II-VO bzw. Art. 12 (i.V.m. Art. 2 lit. l) Dublin III-VO muss der Aussteller-Mitgliedstaat im Dublin-System für die Prüfung des erneuten Antrags auf internationalen Schutz (dem das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte) auch in der Zwischenzeit nach Flüchtlingsanerkennung und Titelausstellung zuständig sein. Alles andere wäre mit dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse im Sinne einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates unvereinbar. Denn es kann nicht richtig sein, dass das Bundesamt oder die Asylgerichte - gegebenenfalls unter Beiziehung, Übersetzung und Auswertung der ausländischen Verwaltungsakten sowie nach Studium des jeweiligen nationalen Asylverwaltungsverfahrensrechtes - zur Aufklärung verpflichtet wären, ob der Antragsteller nun tatsächlich eigentlich bereits bestandskräftig anerkannt oder (teil-)abgelehnt wurde bzw. ob ihm die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer oder komplementärer Schutz zuerkannt worden ist. Jedenfalls dann, wenn der ersuchte Dublin-Staat im Dublin-Verfahren der (Wieder-)Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat, was er völker- bzw. unionsrechtlich auch ohne entsprechende Rechtspflicht darf, steht grundsätzlich im Sinne des § 34a Abs. 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung in diesen Staat durchgeführt werden kann. Der Einwand des Antragstellers, er sei dort aber schon anerkannt worden, kann den „effet utile“ der Dublin-Verordnungen nicht außer Kraft setzen.
16 
Im Falle des Klägers, der seinen (Alt-)Asylantrag in Deutschland am 11.06.2013 gestellt hat und bei dem unklar ist, ob sein italienisches Asylverfahren bestandskräftig beendet wurde, ist nach diesen Grundsätzen (weiterhin) die Dublin II-VO anwendbar. Da er vor Einreise in das Bundesgebiet nach dem EURODAC-Treffer sowie seinen eigenen Angaben in Italien bereits ein Asylverfahren durchlaufen hatte, bleibt Italien nach Art. 13 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO für ihn zuständig und muss ihn nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufnehmen. Demgemäß hat Italien die Möglichkeit, der Wiederaufnahme ausdrücklich zuzustimmen oder die Wiederaufnahme durch Stillschweigen zu akzeptieren. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO wird davon ausgegangen, dass Italien die Wiederaufnahme akzeptiert, wenn es nach einem EURODAC-Treffer nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab dem deutschen Ersuchen eine Antwort erteilt. Im Falle des Klägers hat das Bundesamt (erstmals) am 14.11.2013 die italienische Dublin-Koordinierungsstelle um die Wiederaufnahme des Klägers ersucht. Gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin II-VO steht mithin seit 29.11.2013 fest, dass Italien der Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt hat. Damit steht zugleich auch bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung im Rechtssinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seit 29.11.2013 insoweit fest, dass die Abschiebung des Klägers nach Italien durchgeführt werden kann.
II.
17 
Hiergegen kann der Kläger - unionsrechtlich - ausschließlich einwenden, im Zielstaat der Abschiebung bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU ausgesetzt zu werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Sache nach in seinem Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12 ) entschieden und damit das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie seine eigene Rechtsprechung in den Urteilen und fortgeschrieben.
18 
1. Im Urteil der Großen Kammer vom 21.01.2011 (Beschw.-Nr. 30696/09) entschied der EGMR, dass eine Dublin-Überstellung von Belgien nach Griechenland aufgrund der dort herrschenden Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber insbesondere gegen Art. 3 EMRK verstoßen hat.
19 
2. Der EuGH übertrug dies entsprechend Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh im Urteil vom 21.12.2011 (Rs. C-411/10 und 493/10) unter Anwendung von Art. 4 GRCh (= Art. 3 EMRK) in das Unionsrecht und entwickelte hierbei den Begriff der „systemischen Mängel“ bzw. „Schwachstellen“ (vgl. heute: Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO). Herrschen in einem Dublin-Staat solche systemischen Mängel im Asylsystem, was Asylbehörde und gegebenenfalls Asylgericht selbst prüfen müssen und wobei die Darlegungsanforderungen an den Antragsteller nicht überspannt werden dürfen (vgl. UK Supreme Court, Urteil vom 19.02.2014 - EM (Eritrea) v SSHD 2014] UKSC 12 - http://supremecourt.uk/decided-cases/docs/UKSC_2012_0272_Judgment.pdf), darf der Asylbewerber dorthin nicht rücküberstellt werden (Rn. 112 f.). Eine unwiderlegbare Vermutung, dass in keinem Dublin-Staat systemische Mängel existieren, widerspricht - trotz des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ und dem politischen Ziel, „forum shopping“ zu vermeiden - Unionsrecht (Rn. 79, 104). Abstrakt definiert setzt die Annahme eines systemischen Mangels allerdings keine „flächendeckende Fehlfunktion im Asylsystem“ im Sinne von „griechischen Verhältnissen“ voraus, sondern eine Schwachstelle, Fehlstruktur oder strukturelle Lücke, die im Sinne einer ceteris paribus notwendigen, aber nicht notwendig hinreichenden Bedingung für Fälle, die diese Asylsystemstelle durchlaufen, zu Rechtsverletzungen führt - dies in Abgrenzung und Gegenüberstellung zu Rechtsverletzungen, die (nur) aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände entstehen (überzeugend: Lübbe, „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 3/2014, i.E.). Solche Rechtsverletzungen müssen jedoch hinreichend gravierend sein, denn nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den Dublin-Zielstaat führt zur Unbeachtlichkeit der Dublin-Zuständigkeitsbestimmungen (Rn. 82).
20 
Vorliegen muss vielmehr eine Verletzung von Art. 4 GRCh, die in Betracht kommen kann etwa hinsichtlich willkürlicher Haft oder katastrophaler Lebensbedingungen für Asylbewerber () oder wenn etwa aufgrund erheblicher Erkrankung und Nichtbehandelbarkeit im Dublin-Zielstaat dort der in Art. 15 der Aufnahme-RL 2003/9/EG garantierte medizinische Mindeststandard („Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten“) gefährlich unterschritten wäre (im Ergebnis ebenso: UK Supreme Court, a.a.O. Rn. 58 ff). Ausschließlich in solchen Fällen darf das Dublin-System außer Kraft gesetzt werden, auch um einen Wertungswiderspruch hinsichtlich der Art. 3 EMRK-Rechtsprechung des EGMR zu vermeiden (vgl. Urteil vom 27.05.2008 , Beschwerde Nr. 26565/05, NVwZ 2008, 1334). Denn wegen der Unteilbarkeit der Menschenwürde, die hinter Art. 4 GRCh = Art. 3 EMRK steht, kann es schlechterdings nicht richtig sein, dass die Abschiebung in den Heimatstaat - hier Gambia - hiernach zulässig wäre, obwohl dort etwa keinerlei Unterbringung gesichert ist, die Abschiebung in den Dublin-Staat - hier Italien - hingegen nach dem Maßstab desselben Menschenrechtes etwa bei gesicherter, aber schlechter Unterbringung unzulässig sein soll. Dies wäre auch mit der effet utile-Rechtsprechung des EuGH unvereinbar, der im Urteil „N.S.“ bekräftigt, dass hinsichtlich des effektiven Funktionierens des Dublin-Systems „der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet“, auf dem Spiel stehen (Rn. 83).
21 
3. In Fortschreibung dieser Entscheidung entschied der EuGH sodann im Urteil am 14.11.2013 (Rs. C-4/11), dass bei Vorliegen systemischer Mängel, die beim konkreten Asylbewerber zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh führen, der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat zunächst weiter prüfen darf, ob anhand der Dublin-Regelungen ein anderer Dublin-Staat für eine Überstellung in Frage kommt (Rn. 33). Dabei hat der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat darauf zu achten, dass kein unangemessen langes Verfahren entsteht. Erforderlichenfalls sollte er den Asylantrag unter Inanspruchnahme des mitgliedstaatlichen Selbsteintrittsrechts (vgl. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO; Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) selbst prüfen (Rn. 35). Der EuGH stellte allerdings ausdrücklich klar, dass der Asylbewerber hierauf keinen Rechtsanspruch besitzt (Rn. 26, 37). Damit hat er zugleich der Sache nach klargestellt, dass ein Asylbewerber nur Anspruch darauf hat, dass sein Antrag auf internationalen Schutz auf dem Gebiet des „unvollendeten Bundesstaates EU“ geprüft wird, nicht aber darauf, dass er gerade in einem bestimmten Dublin-Staat eigener Wahl geprüft wird (kein „forum shopping“), genauso wenig, wie etwa ein Anspruch besteht, dass dies in Baden-Württemberg und nicht beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern geschieht. Indem der EuGH dem Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO die drittschützende Wirkung absprach, hat er zugleich angelegt, dass auch den anderen Dublin-Verfahrensvorschriften, insbesondere den Fristenregelungen, grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zukommt.
22 
4. Dies wurde nunmehr im Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12) klargestellt, in dem ausdrücklich nach dem Drittschutz von Dublin-Zuständigkeitsverfahrensvorschriften gefragt worden war. Der EuGH antwortete wiederum verneinend und in aller Klarheit, dass in dem Moment, in dem ein Dublin-Zielstaat der (Wieder-)Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, dieser hiergegen ausschließlich dortige systemische Mängel einwenden kann, die in seinem konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden (Rn. 60). Denn die Dublin-Zuständigkeitsregelungen seien im Sinne von „organisatorischen Vorschriften“ der Mitgliedstaaten (Rn. 56) und nach dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ normiert worden, um - auch wegen des öffentlichen Beschleunigungsinteresses hinsichtlich einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates - einem „forum shopping“ entgegenzuwirken (Rn. 53).
III.
23 
Damit steht nunmehr im Sinne eines „acte clair“ (genauer: „acte éclairé“) fest, dass sämtliche nicht grundrechtlich (wie Art. 6-8 Dublin II-VO bzw. Art. 8-11 Dublin III-VO) aufgeladenen Dublin-Zuständigkeitsregelungen vom Asylbewerber gerichtlich grundsätzlich nicht durchgesetzt werden können. Denn der EuGH hat in allen drei Leitentscheidungen zum Dublin-System der Sache nach pauschal insbesondere mit der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems argumentiert („Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, „öffentliches Beschleunigungsinteresse“), sodass eindeutig ist, dass sich dies nicht nur auf die jeweilig spezifischen Normen der Dublin II-VO bezieht. Auch im Rahmen der nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar verbindlichen Dublin III-VO kann deshalb nichts anderes gelten. Ein Drittschutz für Dublin-Zuständigkeitsregelungen könnte allenfalls noch bei überlanger Verfahrensdauer gemäß dem über Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GRCh hier direkt anwendbaren Art. 47 Satz 2 GRCh (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl., Vorb-GRCh Rn. 1) anerkannt werden, um einen dauerhaft untätigen Mitgliedstaat zum Handeln zu zwingen, damit keine „refugee in orbit“-Situation entsteht. Nur in einer solchen Ausnahmekonstellation, die aufgrund der hintereinander geschalteten verschiedenen Wochen- und Monatsfristen der Dublin-Verordnungen sicherlich ein Untätigbleiben von weit über einem Jahr voraussetzt, könnte sich das private Beschleunigungsinteresse des Asylbewerbers an der inhaltlichen Bearbeitung seines Antrags gegenüber dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse bezüglich der zeitnahen Klärung des für die Antragsbearbeitung nach den Dublin-Verordnungen zuständigen Staates durchsetzen.
24 
Ist diese Ausnahmekonstellation aber, wie im vorliegenden Fall, nicht gegeben, kann eine Klage allein mit dem Argument, etwa die Drei- bzw. Zwei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO oder Art. 21 Abs. 1 bzw. 23 Abs. 2 Dublin III-VO sei verletzt worden, keinen Erfolg haben. Gleiches muss gelten, wenn die Sechs-Monatsfrist des Art. 19 Abs. 4 bzw. 20 Abs. 2 Dublin II-VO oder Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO abgelaufen ist (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.08.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13). Auch in diesem Fall kann eine Anfechtungsklage des Asylbewerbers unionsrechtlich allein dann Erfolg haben, wenn im Dublin-Zielstaat systemische Mängel vorliegen, die im konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden. Dann müsste der angefochtene Bescheid des Bundesamts aufgehoben werden, damit dem Bundesamt die im Urteil (Rn. 33) beschriebene (und nun in Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO normierte) Möglichkeit eingeräumt wird, auf den dann weiter anhängigen Asylantrag einen anderen Dublin-Zielstaat für die Rücküberstellung zu finden bzw. vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
25 
Ein „Durchentscheiden“ zum (vom Bundesamt, anders als bei Folgeanträgen, nicht einmal angeprüften) Asyl- und Flüchtlingsrecht bzw. subsidiären oder komplementären Schutz im Sinne der Folgeantragsrechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.12.2000 - 9 B 426.00 - juris) scheidet hingegen aus, weil ansonsten entgegen dem Urteil unionsrechtswidrig dem Asylbewerber doch ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf Selbsteintritt eingeräumt (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - juris Rn. 27/30) und dem Bundesamt die Möglichkeit, einen anderen (auch „freiwillig“) aufnehmenden Dublin-Staat zu finden, abgeschnitten würde. Zudem würde hierdurch das Gericht unter Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz zur „Erstbehörde“ gemacht. Solange also die Zustimmung eines Dublin-Zielstaates (faktisch fort-)besteht, den Asylbewerber wieder aufzunehmen (und diese Zustimmung nicht etwa befristet war oder wegen Fristablaufs vom Dublin-Zielstaat inzwischen widerrufen worden ist) sowie in diesem Zielstaat keine systemischen Mängel mit der Folge der Art. 4 GRCh-Verletzung bestehen, solange kann die Klage - unionsrechtlich - keinen Erfolg haben. Diese Zustimmung kann vom Zielstaat nach dem Dublin-System verwaltungstechnisch ausdrücklich oder stillschweigend im Sinne einer Fiktion erteilt worden sein (vgl. Art. 20 Abs. 1 Dublin II-VO bzw. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO).
26 
Im Falle des Klägers ist es hier deshalb ohne entscheidungserhebliche Relevanz, dass das Bundesamt die Drei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO verletzt hat (Asylantrag am 11.06.2013; Überstellungsersuchen erst am 14.11.2013). Denn Italien hat seiner Rücküberstellung (mittels Fiktion) gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO seit 29.11.2013 (stillschweigend) zugestimmt.
IV.
27 
Die Klage des Asylbewerbers könnte in dieser Konstellation allenfalls dann - nach nationalem Recht - Erfolg haben, wenn die Rücküberstellung aufgrund inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse unmöglich ist, etwa weil aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung keine Transportfähigkeit, d.h. Reisefähigkeit im engeren Sinne (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 8), besteht. Denn dann steht im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, d.h. die Abschiebungsanordnung ist rechtswidrig. Das Bundesamt hat im Falle der Abschiebungsanordnung also nicht nur - unionsrechtlich - (Dublin-)zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne von systemischen Mängeln i.V.m. Art. 4 GRCh zu prüfen, sondern (ausnahmsweise) auch - nationalrechtlich - inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (ausführlich: Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 34a Rn. 22). Diese Grundregel ist trotz der prozessualen Neuerungen des Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-VO bzw. § 34a Abs. 2 AsylVfG auch unter dem Rechtsregime der Dublin III-VO beizubehalten, um das öffentliche Beschleunigungsinteresse hinsichtlich der zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates nicht durch gegebenenfalls unkoordinierte Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich der Abschiebungsanordnung gegenüber dem Bundesamt einerseits und nach § 123 VwGO bezüglich Vollstreckungshindernissen gegenüber der Ausländerbehörde andererseits zu konterkarieren.
28 
Im Falle des verhältnismäßig jungen und offenbar gesunden Klägers gibt es allerdings keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme von inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen.
V.
29 
Bezüglich des Dublin-Zielstaates Italien liegen nach Überzeugung des erkennenden Gerichts (jedenfalls derzeit) auch keine systemischen Mängel im Sinne der dargestellten EuGH-Rechtsprechung (mehr) vor. Durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür, dass der junge und gesunde Kläger im italienischen Asylverfahren voraussichtlich im Sinne von Art. 4 GRCh „der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wird“, lassen sich nicht erkennen. Der Kläger selbst hat solche Gründe aufgrund eigener Erfahrungen in Italien zwischen seinem dortigen Asylerstantrag wohl am 27.08.2011 und der Ausreise aus Italien im Frühjahr 2013 im Übrigen auch nicht ansatzweise vorgetragen. Seine Begründung für die Weiterreise nach Deutschland war vielmehr, „to try my chance“.
30 
Zur aktuellen Situation in Italien hat insbesondere das Verwaltungsgericht Würzburg in seinem Beschluss vom 03.02.2014 - W 6 S 14.30087 - (juris) Folgendes dargelegt:
31 
„Nach der Erkenntnislage ist nicht anzunehmen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen. (…) Dabei ist festzuhalten, dass nicht schon jeder Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder jede Verletzung eines Grundrechts zur Bejahung systemischer Mängel führt. Auch der Umstand, dass in Italien die wirtschaftliche Situation oder die medizinische Versorgung für Asylsuchende schlechter sein mag als in der Bundesrepublik Deutschland, führt für sich nicht zur Annahme systemischen Mängel oder einer allgemeinen unmenschlichen Behandlung (vgl. VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 – juris mit Bezug auf OVG LSA, B.v. 14.11.2013 – 4 L 44/13).
32 
Das Auswärtige Amt kommt etwa in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt zu der Einschätzung, dass für Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichende staatliche bzw. öffentliche und karitative Unterkunftsmöglichkeiten – bei teilweiser lokaler Überbelegung – zur Verfügung stehen, und insbesondere, dass alle Personen, die im Rahmen der Dublin-II-VO nach Italien zurückgeführt werden, in eine Unterkunft verteilt werden. Sie werden bei ihrer Ankunft am Flughafen empfangen, erkennungsdienstlich behandelt, einer Questura zugeteilt, von einer zuständigen Hilfsorganisation betreut und über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (vgl. auch Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 11.09.2013).
33 
Soweit der vom Antragstellerbevollmächtigten zitierte Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013 erhebliche Missstände in Italien beschreibt, ebenso der UNHCR in einer Stellungnahme an das VG Freiburg vom Dezember 2013 (der daneben auch positive Aspekte honoriert), rechtfertigt dies nicht das Vorliegen von systemischen Mängeln, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, eine unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. allgemein EuGH, U.v. 10.12.2013 – C 394/12 – juris). Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände, auf die auch der Antragstellerbevollmächtigte hingewiesen hat. Aber weder dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe noch der Stellungnahme des UNHCR noch sonstigen Unterlagen ist es zurzeit im ausreichenden Maß zu entnehmen, dass ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt bzw. dass das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der UNHCR weiterhin gerade keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, Asylsuchende nicht nach Italien zu überstellen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedsstaat, der nach den Kriterien der Dublin-II-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EUGH, U.v. 30.5.2013 – C-528/11 – ABl EU 2013, Nr. C 225 S. 12 – juris). Soweit in Italien Missstände und Notstände aufgrund der stark gestiegenen Asylbewerberzahl festgestellt worden sind, sind sie dieser geschuldet und stellen als solche für sich keine systemischen Mängel dar. Allein aus dem Umstand, dass andere Verwaltungsgerichte jedenfalls im Sofortverfahren zu anderen Ergebnissen kommen, mag auf den zugrundeliegenden Prüfungsmaßstab zurückzuführen sein, belegt aber nicht das tatsächliche Vorhandensein von Mängeln im italienischen System.
34 
Die vorliegende Einschätzung deckt sich mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 2. April 2013 (27725/10 – ZAR 2013, 336). Der Hinweis des Antragstellerbevollmächtigten auf eine divergierende Rechtsauffassung der 5. Sektion des EGMR und die Befassung der Großen Kammer des EGMR rechtfertigt zurzeit keine andere Beurteilung. Die 3. Sektion des EGMR hat ihre Rechtsauffassung über die Einschätzung hinsichtlich der Situation von Asylsuchenden in Italien mit einer Entscheidung vom 10. September 2013 ausdrücklich bestätigt (2314/10 – http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-127054). Zudem ist auch in dem Zusammenhang zu betonen, dass tatsächlich bestehende Defizite im italienischen Asylsystem auch mit der Folge, dass die wirtschaftliche, die medizinische und die soziale Versorgung in Italien schlechter als in der Bundesrepublik Deutschland ist, nicht die Annahme systemischer Mängel oder einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention rechtfertigen. Denn an einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. auch Thym, ZAR 2013, 331). Zudem ist nicht allein auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bzw. auf die Rechtsauffassung einer einzelnen Sektion abzustellen, sondern die gesamten Umstände des Einzelfalls sind zu würdigen.
35 
Das Gericht schließt sich nach alledem dem Teil der Rechtsprechung an, der systemische Mängel in Italien verneint und nimmt darauf ergänzend Bezug (vgl. zuletzt VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, B.v. 18.12.2013 – RN 6 S 13.30720 – juris; VG Saarland, B.v. 6.12.2013 – 3 L 1989/13 – juris; VG Ansbach, B.v. 26.11.2013 – AN 1 S 13.31045 – juris; VG Trier, B.v. 6.11.2013 – 5 L 1539/13.TR – juris; OVG Berlin-Bbg, B.v. 17.6.2013 – OVG 7 S 33.13 – juris; a. A. etwa VG Gießen, U.v. 25.11.2013 – 1 K 844/11.GI.A – AuAS 2014, 12, jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und den dort zitierten Erkenntnisquellen).“
36 
Auch das erkennende Gericht schließt sich dieser Bewertung des derzeitigen Asylsystems in Italien an. Besonderes Gewicht wird dabei dem Umstand beigemessen, dass UNHCR im Bericht vom Dezember 2013 (anders als im Falle Bulgariens, vgl. Bericht vom 02.01.2014 - http://www.refworld.org/docid/52c598354.html) und bis heute bezüglich Italien aufgrund auch der eigenen Überprüfungen vor Ort keinen Überstellungsstopp fordert.
37 
Nach alledem begegnet die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG keinen Bedenken, denn Italien ist, wie ausgeführt, der für die Fortführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Staat.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste von Serbien nach Ungarn ein und stellte dort am 17. November 2011 einen Asylfolgeantrag. Nachdem er zunächst in Abschiebehaft genommen worden war, wurde er ab Dezember 2011 in einer offenen Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Der Asylantrag wurde nach Durchführung einer persönlichen Anhörung des Klägers am 16. Dezember 2011 abgelehnt, da er über einen sicheren Drittstaat eingereist sei. Der Kläger verließ daraufhin die Aufnahmeeinrichtung und reiste am 2. Januar 2012 über Österreich nach Deutschland. Nachdem die Beklagte am 9. Januar 2012 ein entsprechendes Übernahmeersuchen gestellt hatte, erklärte die zuständige ungarische Behörde mit Schreiben vom 16. Januar 2012 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages des Klägers. Dieser stellte dann am 30. Januar 2012 in Deutschland einen Asylantrag.

2

Mit Bescheid vom 19. April 2012 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers für unzulässig und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an. Außergewöhnliche humanitäre Gründe zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts seien nicht ersichtlich. Mit Beschluss vom 30. Mai 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht Magdeburg die Beklagte bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Wege der einstweiligen Anordnung, Maßnahmen zu unterlassen, welche eine Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn ermöglichen sollten (- 5 B 136/12 MD -).

3

Der Kläger hat am 6. Juli 2012 beim Verwaltungsgericht Magdeburg zunächst im Wege einer Untätigkeitsklage eine Verpflichtungsklage erhoben und mit Schriftsatz vom 16. Juli 2012 die Klage auf eine Anfechtungsklage umgestellt.

4

Mit Urteil vom 6. August 2012 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-Verordnung auszuüben, auch wenn der Kläger nicht zu den besonders schutzbedürftigen Personen zähle. Das Gericht erkenne im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erhebliche systemische Mängel von Asylverfahren in Ungarn, speziell in Bezug auf die Behandlung von "Dublin-Rückkehrern". Zwar stünde das ungarische Asylrecht im Allgemeinen mit den internationalen und europäischen Standards in Einklang und enthalte die wichtigsten Garantien. Jedoch gäbe es in der Anwendungspraxis schwerwiegende Mängel. Dies ergebe sich aus einem Bericht des UNHCR zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn ("Ungarn als Asylland") von April 2012 sowie einer Veröffentlichung von Pro Asyl mit dem Titel "Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012". Der Kläger stünde danach in Gefahr, bei einer Abschiebung nach Ungarn einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

5

Auf den Antrag der Beklagten hat der beschließende Senat die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.

6

Die Beklagte hat fristgerecht Berufung eingelegt und trägt vor, das ungarische Ausländergesetz und das ungarische Asylgesetz seien mit Wirkung vom 1. Januar 2013 novelliert worden, entsprechende Änderungen des Verfahrens habe es schon seit Juni 2012 gegeben. Die Gefahr, dass Dublin-Rückkehrern auf Grund unzureichender Aufnahmebedingungen und nicht ausreichendem Schutzzugang für Asylsuchende im Falle einer Rücküberstellung nach Ungarn eine erniedrigende Behandlung drohe, könne damit nicht (mehr) festgestellt werden. Insoweit verweise er auf Berichte eines Mitarbeiters des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der seit Januar 2012 als Liasonmitarbeiter in der Asyldirektion des Ungarischen Amtes für Staatsbürgerschaft und Einwanderung eingesetzt sei. Nach Auskünften der zuständigen Mitarbeiter in der Ungarischen Asyldirektion würde der Kläger automatisch als Asylfolgeantragsteller behandelt, ohne dass es einer förmlichen zweiten Antragstellung bedürfe. In dem durchzuführenden Asylfolgeverfahren würden sämtliche individuellen Fluchtgründe berücksichtigt, ohne dass auf die Einreise aus Serbien abgestellt werde. Ein Ausweisungsverfahren würde nicht eingeleitet werden und der Kläger zunächst ein auf ein Jahr beschränktes temporäres Aufenthaltsrecht erhalten. Während des Verfahrens würde er einer offenen Aufnahmeeinrichtung zugewiesen werden.

7

Die Beklagte beantragt,

8

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Er macht geltend, es bestünde die Gefahr seiner Inhaftierung und verweist auf eine auf ihn zugeschnittene Stellungnahme des ungarischen Helsinki-Kommitees vom 8. April 2013, eine Stellungnahme des UNHCR zu einem aktuellen ungarischen Gesetzgebungsverfahren im Bereich des Migrationsrechts vom 12. April 2013 sowie auf die Ausführungen in dem Bericht von Pro Asyl zu dem Haftregime in Ungarn. Am 1. Juli 2013 solle eine neue Gesetzgebung in Ungarn in Kraft treten, welche die Inhaftierung von Asylbewerbern für maximal sechs Monate vorsehe und auch auf laufende Fälle Anwendung finden solle. Möglicherweise werde ihm nach geplanten Regelungen dieser Gesetzgebung vorgehalten, dass er sich im Dezember 2011 nach Ablehnung seines Asylantrages aus der Aufnahmeeinrichtung abgesetzt habe. Der UNHCR führe in seinem Bericht aus, dass er mit Besorgnis registriert habe, dass die Novellierung der EU-Richtlinie zu den Aufnahmebedingungen zuerst im Hinblick auf die Bestimmungen zur Inhaftierung von Asylbewerbern umgesetzt würden. Nach dem Bericht seien die Inhaftierungsgründe auch viel zu unbestimmt und es bestünde der Verdacht, dass das vorrangige Ziel der Gesetzesänderung die Verringerung der Zahl der Asylanträge sei. Ein weiterer Grund für Besorgnis sei, dass Asylbewerber nach den neuen Bestimmungen bezüglich ihrer Inhaftierung schärferen gesetzlichen Bedingungen als Personen in Migrationshaft ausgesetzt seien, die kein Asyl beantragt hätten. Schließlich werde große Besorgnis im Hinblick auf die Effizienz der gerichtlichen Kontrolle in Ungarn bezüglich der Verhängung und Verlängerung von Abschiebungshaft zum Ausdruck gebracht. Weiterhin sei auch zu beachten, dass ihm nach dem Bericht von Pro Asyl bei Erlangung eines Schutzstatus längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit und das Ausscheiden aus dem Sozialleistungssystem drohe. Die entsprechenden Ausführungen stünden in Einklang mit denjenigen des UNHCR in seinem Bericht von April 2012.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

13

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

14

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund des Schriftsatzes des Klägers vom 10. Mai 2013 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 -, jeweils zit. nach JURIS). Eine solche erhebliche Änderung der Sachvortrags lag nicht vor.

15

Die Anfechtungsklage des Klägers ist nicht begründet. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Klägern nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

16

Der Asylantrag des Klägers ist gem. § 27a AsylVfG unzulässig. Ungarn ist nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Abl Nr. L 50 S. 1) Dublin-II-VO - in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 (ABl Nr. L 222 S. 3) der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat.

17

Die Verpflichtung Ungarns ist unstreitig weder nach den einschlägigen Regelungen der Dublin-II-VO erloschen noch hat nach diesen Regelungen ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte oder einen anderen Staat stattgefunden.

18

Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO zuständig.

19

Danach kann abweichend von Absatz 1 jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Satz 1). Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen (Satz 2). Der Europäische Gerichtshof - EuGH - hat zu der Reduzierung des in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO enthaltenen Ermessensspielraums entschieden, dass zwar die Vermutung gelte, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention stehe. Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass eine ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar sei. Nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat oder jeder Verstoß gegen einzelne Bestimmungen der einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien berühre die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten. Wenn dagegen dem Mitgliedstaat einschließlich der nationalen Gerichte nicht unbekannt sein könne, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden, obliege es ihnen, keine Überstellung vorzunehmen. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, sei in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden könne (so EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 -, zit. nach JURIS, Rdnr. 80 ff.).

20

Es ist aber nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asyl(folge)verfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren (vgl. auch VG Augsburg, Beschl. v. 22. April 2013 - Au 6 S 13.30099 -; VG Regensburg, Urt. v. 8. Februar 2013 - RO 4 K 11.30204 -; VG Potsdam, Beschl. v. 26. Februar 2013 - 6 L 50/13.A -; VG Trier, Beschl. v. 15. Januar 2013 - 5 L 51/13.Tr -, jeweils zit. nach JURIS).

21

Die vom Verwaltungsgericht angenommenen Mängel in der Anwendung des einschlägigen ungarischen Asyl- und Ausländerrechts, insbesondere hinsichtlich der Behandlung sog. Dublin-Rückkehrer, sind durch die im November 2012 erfolgte Verabschiedung umfangreicher Gesetzesänderungen in hinreichender Weise abgestellt worden. Der Senat folgt insoweit den detaillierten Angaben des Mitarbeiters des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, der als Liaisonmitarbeiter beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung eingesetzt ist, und denen der Kläger nicht widersprochen hat. Auch in einem Bericht vom Dezember 2012 führt der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen - UNHCR - aus, dass Dublin-Rückkehrer nicht inhaftiert werden und die Möglichkeit erhielten, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Soweit das VG Hannover in einem Beschluss vom 18. März 2013 (- 1 B 2448/13 -) eine abweichende Einschätzung vorgenommen hat, verwies das Gericht unter Bezugnahme auf eine ältere Entscheidung des VG Ansbach vom 7. Januar 2013 (- AN 11 E 13.30006 -) lediglich darauf, es handele sich bei den Gesetzesänderungen nach einem Bericht des UNHCR von April 2012 um einen Regelungsentwurf und damit sei erst recht noch keine Änderung in der Praxis eingetreten. Diese Einschätzung, der auch das Verwaltungsgericht (Beschl. v. 11. April 2013 - 9 B 140/13 -, zit. nach JURIS) folgt, ist inzwischen überholt.

22

Die Einwendungen des Klägers im Berufungsverfahren führen zu keiner anderen Beurteilung.

23

Ohne Erfolg macht er geltend, ab 1. Juli 2013 in Ungarn geltende Bestimmungen führten möglicherweise zu seiner Inhaftierung für bis zu sechs Monaten. Abgesehen davon, dass diese Bestimmungen noch nicht in Kraft getreten sind und nicht hinreichend feststeht ist, ob sie auf den Kläger überhaupt anwendbar sind, ist schon nach den insoweit maßgebenden Kriterien zum Ausmaß der Beeinträchtigungen von Grundrechten der Asylbewerber (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 81, 87 89; Schlussanträge in dem Verfahren C-411/10, zit. nach JURIS, Rdnr. 113 sowie in dem Verfahren C-4/11, zit. nach CURIA, Rdnr. 61; Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408) und dem dazu zu fordernden Umfang der Erkennbarkeit (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 89, 106; Schlussanträge in dem Verfahren C4/11, zit. nach EU-CURIA, Rdnr. 61) weder dargelegt noch sonst hinreichend ersichtlich, dass die geplanten Regelungen zu systemischen Mängeln i.S.d. Rechtsprechung des EuGH führen. Weder in der vom Kläger übermittelten Stellungnahme des Helsinki-Komitees noch in dem von ihm angeführten Bericht des UNHCR von April 2013 wird geltend gemacht, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern nach den geplanten Regelungen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass Ungarn damit gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK verstoßen würde. Auch wurde nicht behauptet, dass es sich dabei um eine Verletzung des Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft handelt, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Asylbewerber ist. Vielmehr wird in dem Bericht des UNHCR gerade darauf verwiesen, dass Ungarn mit den Gesetzesänderungen teilweise Vorgaben einer (geplanten) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern umsetzen wolle. Hinreichende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht daraus, dass der UNHCR hinsichtlich der Unbestimmtheit der Regelungen, der Effizienz der gerichtlichen Kontrolle und der Vergleichbarkeit mit Personen in Migrationshaft, die kein Asyl beantragt hätten, (große) Besorgnis zum Ausdruck bringt. Dass Haftbedingungen bestehen, welche die auf Grund der geplanten Regelungen inhaftierte Asylbewerber einer erniedrigenden Behandlung aussetzen (vgl. auch EGMR, Urt. v. 21. Januar 2011 30696/0 -, NVwZ 2011, 413, 414), ist ebenfalls weder dargelegt noch sonst ersichtlich, insbesondere nicht in den vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen. Berichte zu Haftbedingungen aus der Vergangenheit bezogen sich auf Fälle der automatischen Inhaftierung von Asylbewerbern und Dublin-Rückkehrern. Eine solche automatische Inhaftierung findet gerade nicht mehr statt.

24

Soweit der Kläger darauf verweist, es drohten "bei Erlangung eines Schutzstatus in Ungarn längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit und das Ausscheiden aus dem Sozialleistungssystem", ergibt sich schon aus den von ihm angeführten Stellungnahmen des UNHCR und von Pro Asyl nicht, dass derart eklatante Missstände vorliegen, die derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass Asylbewerber in Ungarn insoweit der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (vgl. auch EGMR, Entscheidung v. 2. April 2013 - 27725/10 -, zit. nach HUDOC zu Italien) ausgesetzt sind.

25

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit seinen Einwendungen geltend machen will, ihm selbst drohe bei einer Überstellung nach Ungarn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, und eine solche Einzelfallbetrachtung im Rahmen der Prüfung eines Selbsteintritts gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-VO für notwendig erachtet (vgl. dazu Schlussanträge in dem Verfahren C-411/10, a.a.O., Rdnr. 112; Marx, NVwZ 2011, 409, 411 ff.; vgl. auch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Angesichts der vom EuGH dargelegten Bedeutung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und des diesem zugrunde liegenden Vertrauensgrundsatzes (vgl. Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 75, 83 ff.) müsste eine solche Einzelfallbetrachtung denselben Prüfungsmaßstäben genügen wie der Nachweis systemischer Mängel. Nach den oben getroffenen Feststellungen ist aber die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auch im (Einzel)Fall des Klägers weder hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich.

26

Offen bleiben kann danach, welche subjektiven Ansprüche der Kläger überhaupt aus Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO herleiten kann (vgl. dazu Schlussanträge in dem Verfahren C-4/11, a.a.O.. Rdnr. 72 ff.).

27

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

28

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

29

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.01.2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten über die Unzulässigkeit des von ihm gestellten Asylantrags.
Der am ... 1991 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 27.05.2013 in das Bundesgebiet ein. Am 12.06.2013 beantragte er die Gewährung von Asyl.
Auf ein entsprechendes Übernahmeersuchen der Beklagten stimmte Ungarn mit Schreiben vom 17.12.2013 einer Überstellung des Klägers nach Ungarn zu.
Mit Bescheid vom 22.01.2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei unzulässig, da Ungarn auf Grund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 c Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Vom Selbsteintrittsrecht werde kein Gebrauch gemacht. Systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn bestünden nicht.
Am 29.01.2014 hat der Kläger Klage erhoben und auf systemische Mängel im Asylverfahren in Ungarn hingewiesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.01.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Sie verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.
11 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
12 
Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
13 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 22.01.2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 16.04.2014 - A 11 K 1721/13 - juris; OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
14 
Die im Übrigen zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
15 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
16 
Zwar ist Ungarn aufgrund der Zustimmung gemäß Art. 16 Abs. 1c Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Ungarn indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
17 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris -). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
18 
Der Kläger hat im Hinblick auf Ungarn systemische Mängel geltend gemacht. Auch nach der Auskunftslage erfüllt Ungarn die eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht.
19 
In der Vergangenheit erfüllte Ungarn die unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich des Asylverfahrens nicht. Aus dem UNHCR Positionspapier vom 24.04.2012 und dem Bericht von Pro Asyl vom 15.03.2012 ergab sich, dass Misshandlungen in der Haft und eine Ruhigstellung von Flüchtlingen mittels Medikamente an der Tagesordnung waren. Die nach der Dublin II-VO nach Ungarn überstellten Asylbewerber mussten mit ihrer Inhaftierung und Abschiebung rechnen.
20 
Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinigten Nationen (UNHCR) führte allerdings in einem Bericht vom Dezember 2012 aus, das ungarische Parlament habe im November 2012 Gesetzesänderungen verabschiedet, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine abgeschoben und nicht inhaftiert würden, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichten; Dublin-Rückkehrer würden nicht inhaftiert und erhielten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen.
21 
Diese Entwicklung ist aber mittlerweile überholt durch die Änderung des ungarischen Asylrechts zum 01. Juli 2013. Seit dem 01. Juli 2013 ist nach dem ungarischen Asylgesetz die Verhängung von Asylhaft möglich. Als Haftgründe gelten u.a., dass der Antragsteller untergetaucht ist oder die Durchführung des Asylverfahrens auf andere Art und Weise behindert oder um Informationen zu erhalten, die zur Durchführung des Asylverfahrens notwendig sind, wenn gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller die Durchführung des Asylverfahrens verzögern oder behindern oder untertauchen würde oder der Antragsteller wiederholt seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen und damit die Durchführung des Dublin-Verfahrens behindert. Aufgrund dieser geänderten Rechtslage ist erneut mit steigenden Inhaftierungszahlen zu rechnen. Dies wird bestätigt durch den Bericht der Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierungen des "United Nations Human Rights Office of the High Commissioner“ über einen Besuch in Ungarn vom 23.09. bis zum 02.10.2013. In diesem Bericht stellt die Arbeitsgruppe eine signifikante Konzentration auf die Inhaftierung von Asylbewerbern fest, die Besorgnis erregend sei. Weiter wird berichtet von einem System der Verlängerung der Haft ohne angemessene Berücksichtigung der Eingaben des Rechtsanwalts und der individuellen Verhältnisse des Häftlings. Die Arbeitsgruppe kritisiert weiter fehlende effektive Rechtsschutzmöglichkeiten.
22 
Der Kläger ist nach der Stellungnahme der ungarischen Behörden vom 17.12.2013 während des laufenden Asylverfahrens aus Ungarn nach Deutschland weitergereist. Es ist deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die ungarischen Behörden dies als Verzögerung oder Vereitelung des Asylverfahrens in Ungarn ansehen und den Kläger aufgrund der neuen Gesetzeslage im Falle der Überstellung in Haft nehmen. Hinzukommt, dass der Kläger keine Ausreisedokumente vorlegen kann, so dass auch eine Inhaftierung zur Feststellung der Identität beachtlich wahrscheinlich ist.
23 
Die neue Gesetzeslage in Ungarn begründet hinreichend deutlich die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn weiterhin systemische Mängel aufweisen mit der daraus resultierenden Gefahr für den Kläger, dort im Falle der Überstellung einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein.
24 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Ungarns aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
25 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Gründe

 
12 
Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
13 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 22.01.2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 16.04.2014 - A 11 K 1721/13 - juris; OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
14 
Die im Übrigen zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
15 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
16 
Zwar ist Ungarn aufgrund der Zustimmung gemäß Art. 16 Abs. 1c Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Ungarn indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
17 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris -). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
18 
Der Kläger hat im Hinblick auf Ungarn systemische Mängel geltend gemacht. Auch nach der Auskunftslage erfüllt Ungarn die eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht.
19 
In der Vergangenheit erfüllte Ungarn die unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich des Asylverfahrens nicht. Aus dem UNHCR Positionspapier vom 24.04.2012 und dem Bericht von Pro Asyl vom 15.03.2012 ergab sich, dass Misshandlungen in der Haft und eine Ruhigstellung von Flüchtlingen mittels Medikamente an der Tagesordnung waren. Die nach der Dublin II-VO nach Ungarn überstellten Asylbewerber mussten mit ihrer Inhaftierung und Abschiebung rechnen.
20 
Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinigten Nationen (UNHCR) führte allerdings in einem Bericht vom Dezember 2012 aus, das ungarische Parlament habe im November 2012 Gesetzesänderungen verabschiedet, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine abgeschoben und nicht inhaftiert würden, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichten; Dublin-Rückkehrer würden nicht inhaftiert und erhielten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen.
21 
Diese Entwicklung ist aber mittlerweile überholt durch die Änderung des ungarischen Asylrechts zum 01. Juli 2013. Seit dem 01. Juli 2013 ist nach dem ungarischen Asylgesetz die Verhängung von Asylhaft möglich. Als Haftgründe gelten u.a., dass der Antragsteller untergetaucht ist oder die Durchführung des Asylverfahrens auf andere Art und Weise behindert oder um Informationen zu erhalten, die zur Durchführung des Asylverfahrens notwendig sind, wenn gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller die Durchführung des Asylverfahrens verzögern oder behindern oder untertauchen würde oder der Antragsteller wiederholt seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen und damit die Durchführung des Dublin-Verfahrens behindert. Aufgrund dieser geänderten Rechtslage ist erneut mit steigenden Inhaftierungszahlen zu rechnen. Dies wird bestätigt durch den Bericht der Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierungen des "United Nations Human Rights Office of the High Commissioner“ über einen Besuch in Ungarn vom 23.09. bis zum 02.10.2013. In diesem Bericht stellt die Arbeitsgruppe eine signifikante Konzentration auf die Inhaftierung von Asylbewerbern fest, die Besorgnis erregend sei. Weiter wird berichtet von einem System der Verlängerung der Haft ohne angemessene Berücksichtigung der Eingaben des Rechtsanwalts und der individuellen Verhältnisse des Häftlings. Die Arbeitsgruppe kritisiert weiter fehlende effektive Rechtsschutzmöglichkeiten.
22 
Der Kläger ist nach der Stellungnahme der ungarischen Behörden vom 17.12.2013 während des laufenden Asylverfahrens aus Ungarn nach Deutschland weitergereist. Es ist deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die ungarischen Behörden dies als Verzögerung oder Vereitelung des Asylverfahrens in Ungarn ansehen und den Kläger aufgrund der neuen Gesetzeslage im Falle der Überstellung in Haft nehmen. Hinzukommt, dass der Kläger keine Ausreisedokumente vorlegen kann, so dass auch eine Inhaftierung zur Feststellung der Identität beachtlich wahrscheinlich ist.
23 
Die neue Gesetzeslage in Ungarn begründet hinreichend deutlich die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn weiterhin systemische Mängel aufweisen mit der daraus resultierenden Gefahr für den Kläger, dort im Falle der Überstellung einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein.
24 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Ungarns aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
25 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 5088/14.A gegen die in Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25.07.2014 enthaltene Abschiebungsanordnung wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens, für das keine Gerichtskosten erhoben werden, trägt die Antragsgegnerin.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage (13 K 445/14.A) gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Januar 2014 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 5088/14.A gegen die in Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25.07.2014 enthaltene Abschiebungsanordnung wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens, für das keine Gerichtskosten erhoben werden, trägt die Antragsgegnerin.


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Tenor

Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage (13 K 445/14.A) gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Januar 2014 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, der nach eigenen Angaben am 1. Januar 1989 im Dorf Baba, Bezirk Jaghuri, Provinz Ghazni, geboren wurde, ist afghanischer Staatsangehöriger und hazarischer Volkszugehöriger. Er reiste am 25. April 2011 ins Bundesgebiet ein. Am 12. Mai 2011 stellte er Asylantrag. Bei der Vorprüfung stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF - Bundesamt) anhand von Eurodac-Daten (Nr. IT1BZ017F6) fest, dass der Kläger am 7. November 2008 bereits in Bozen (Italien) einen Asylantrag gestellt hatte.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 14. Juni 2011 gab der Kläger Folgendes an: Er sei Ende 2007 aus Afghanistan ausgereist und dann über Iran, Türkei und Griechenland nach Italien gelangt. Dort sei er Ende 2008 angekommen. Anfang 2011 sei er nach Griechenland abgeschoben worden. Im April 2011 sei er dann von Athen aus nach München geflogen. Während seines Aufenthalts in Griechenland habe er keinen Asylantrag gestellt. In Italien habe er zwar Asylantrag gestellt, es sei aber nicht zu einer Anhörung gekommen. Die italienischen Behörden hätten festgestellt, dass er bereits in Griechenland seine Fingerabdrücke abgegeben habe, weswegen er dann von Italien aus nach Griechenland abgeschoben worden sei. Er sei aus Angst vor Bedrohung aus Afghanistan geflüchtet. Ein Soldat der afghanischen Streitkräfte habe seine Schwester vergewaltigt. Diese habe später aufgrund der dadurch erlittenen Schande Selbstmord begangen. Danach sei er selbst in den Verdacht geraten, seine Schwester wegen der Familienehre umgebracht zu haben. Er sei dann von dem betreffenden Soldaten geschlagen und verletzt worden. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen sei er zunächst nach Kandahar ausgewichen. Dort habe er erfahren, dass ein Bruder von ihm den Vergewaltiger getötet habe. Da dieser ein Soldat gewesen sei, habe er Angst davor bekommen, staatlich verfolgt zu werden. Außerdem habe er auch Angst vor dessen Angehörigen gehabt.

Das Bundesamt erließ am 26. Juli 2011 folgenden Bescheid:

1. Der Asylantrag ist unzulässig.

2. Die Abschiebung nach Italien wird angeordnet.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass Italien gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-Verordnung zuständig sei. Es sei am 29. April 2011 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-II-VO an Italien gerichtet worden; dieses sei von den italienischen Behörden aber nicht fristgerecht beantwortet worden. Infolge dessen sei Italien am 14. Mai 2011 durch Zustimmungsfiktion zuständig geworden. Deshalb sei der Asylantrag nach § 27a AsylVfG unzulässig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Dieser Bescheid wurde der Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 12. August 2011 übersandt.

Das Landratsamt F.-G. als Ausländerbehörde terminierte die zwangsweise Überstellung des Klägers nach Rom (Italien) auf den 8. September 2011.

Auf Antrag des Klägers erließ das Verwaltungsgericht Regensburg (RN 9 E 11.30436) am 7. September 2011 nach § 123 VwGO folgenden Beschluss:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Klägers nach Italien vorläufig auszusetzen und die zuständige Ausländerbehörde entsprechend zu unterrichten.

Durch Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die auf die Aufhebung des Bundesamtsbescheids und die Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klage ab (RN 9 K 11.30445). In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass das hier als reine Anfechtungsklage auszulegende Rechtsschutzbegehren zwar zulässig, aber unbegründet sei. Nach Art. 10 VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) sei zwar eigentlich Griechenland für die Prüfung des Asylantrags zuständig, aber eine Überstellung dorthin scheide angesichts der nach wie vor unzumutbaren Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aus. Somit sei nach Art. 13 Dublin-II-VO Italien als erster Mitgliedstaat zuständig, in dem der (bisher nicht geprüfte) Asylantrag gestellt worden sei. Nach Art. 20 Dublin-II-VO sei Italien zur Wiederaufnahme verpflichtet. Es bestehe auch kein Anspruch darauf, dass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch mache. Nach der heutigen Auskunftslage sei nicht zu befürchten, dass dem Kläger im Fall seiner Rücküberstellung nach Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder die Verelendung drohen würde. Außerdem sei es unwahrscheinlich, dass die italienischen Behörden erneut eine Weiterverschiebung des Klägers nach Griechenland betreiben würden. Zuständig für den Kläger sei die Quästur in Bozen gewesen. Gerade in Norditalien seien aber die Aufnahmekapazitäten für Asylbewerber nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts nicht ausgeschöpft.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers durch Beschluss vom 30. September 2013, dem Kläger zugestellt am 8. Oktober 2013, gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (13a ZB 13.30079).

In der am 8. November 2013 eingereichten Berufungsbegründung macht der Kläger folgendes geltend: Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig. Der Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin-II-VO sei hier nicht einschlägig, da Griechenland als zuständiger Mitgliedstaat feststehe, wenngleich eine Rückführung dorthin unzumutbar und derzeit undurchführbar sei. Außerdem sei das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 29. April 2011 nicht ordnungsgemäß ergangen. Nach Art. 18 und Art. 20 Dublin-II-VO sowie nach Art. 21 und Art. 23 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) hätten neben den dort genannten Beweismitteln auch die Erklärungen des Klägers dem Ersuchen beigefügt werden müssen. Das vom Bundesamt verwendete kurze Standardformular sei für den vorliegenden Fall unzulänglich gewesen. Außerdem habe das Bundesamt die in Art. 21 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO normierten kurzen Fristen für ein Aufnahmeersuchen überschritten. Das hier bewusst fehlerhaft gestellte Ersuchen sei eine Täuschungshandlung und folglich unwirksam. Aus Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO und Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergebe sich ein subjektives Recht auf sachgerechte Zuständigkeitsprüfung. Im Übrigen müsse die Beklagte im vorliegenden Fall aufgrund der systemischen Mängel im italienischen Asylsystem von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass in Italien ein effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sei. Darüber hinaus seien in Italien die materiellen Grundbedürfnisse und Versorgungsleistungen von Asylsuchenden nicht sichergestellt. Das Asylsystem Italiens sei völlig überlastet. Nach den Erkenntnissen von UNHCR liege die Kapazitätsgrenze für die Unterbringung von Asylsuchenden im Durchschnitt bei ca. 5.000 Personen. Es sei davon auszugehen, dass die Unterkunft, Ernährung und medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Italien nur sichergestellt sei, wenn ein formaler Antrag gestellt worden sei, solange der Zeitraum von sechs Monaten Verfahrensdauer nicht überschritten werde und die aktuellen Zahlen der Asylbewerber die Kapazitäten der Einrichtungen nicht überstiegen. Derzeit sei allerdings davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Verfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden könne. Außerdem gebe es Berichte darüber, dass von den im Dublin-System rückgeführten Personen nur etwa 12% im staatlichen Aufnahmesystem unterkämen, die Übrigen aber obdachlos seien. Die vielfach vorzufindenden Lebensbedingungen der Asylsuchenden und Flüchtlinge in besetzten Häusern, Slums und auf der Straße seien unwürdig. Die Wartezeit, um überhaupt einen Platz in einem kommunalen Unterbringungszentrum zu erhalten, betrage etwa drei bis sechs Monate. Während dieser Zeit seien die Betroffenen faktisch obdachlos. Aufgrund dieser Umstände wäre bei einer Abschiebung eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta zu befürchten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2011 unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. Februar 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 14.11.2013 - Rs. C-4/11) verleihe die Dublin-II-VO dem Asylbewerber keinen Anspruch darauf, dass er von einem Mitgliedstaat die Prüfung seines Antrags verlangen kann, wenn dieser Staat ihn aufgrund der Gefahr einer Verletzung seiner Grundrechte nicht an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat überstellen könne. Die Situation der Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers führe nicht zur Verpflichtung des Selbsteintritts auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Falls der eigentlich zuständige Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel ausscheide, stehe zunächst lediglich fest, dass die Beklagte dorthin nicht überstellen dürfe. Daher sei die Prüfung auf der Basis der Dublin-Kriterien in der vorgesehenen Reihenfolge fortzusetzen, d. h. auch Art. 13 Dublin-II-VO als Auffangtatbestand heranzuziehen. Das italienische Asylverfahren weise entgegen der Auffassung des Klägers keine systemischen Mängel auf. Im Übrigen sei nochmals klarzustellen, dass bei dem Kläger ein Kategorie 1-Treffer für Italien vorliege (Asylantrag am 7.11.2008) und die italienischen Behörden hinsichtlich des Klägers somit vom Bundesamt nicht getäuscht worden seien. Das Bundesamt sei nicht verpflichtet, den italienischen Behörden mitzuteilen, was in deren eigenen Akten stehe, wie z. B. hier die bereits erfolgte frühere Überstellung des Klägers nach Griechenland.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung hat keinen Erfolg (§ 125 Abs. 1, § 128 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist zulässig.

Die ausdrücklich erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt.1 VwGO) gegen den Bescheid des Bundesamts vom 26. Juli 2011 ist statthaft.

Die Feststellung des Bundesamts, dass der Asylantrag unzulässig ist, und die Anordnung der Abschiebung sind Verwaltungsakte i. S. v. § 35 Satz 1 VwVfG (zum Begriff der regelnden Feststellung vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 35 Rn. 51). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Asylrechtsklagen in aller Regel davon auszugehen, dass der jeweilige Kläger das für ihn typischerweise weitestgehende Rechtsschutzziel mit den für ihn jeweils günstigsten Rechtsschutzformen anstrebt. Dies bedeutet, dass eine sog. isolierte Anfechtungsklage regelmäßig so auszulegen ist (§ 88 VwGO), dass ein solcher Antrag nur zusammen mit den Hilfsanträgen auf Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und/oder als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG (a. F.) sowie auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG (a. F.) und auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz als gestellt anzusehen ist. Eine andere Auslegung ist bei einem Bescheid, welcher eine negative Feststellung enthält, möglich, wenn der Kläger bewusst nur einen isolierten Anfechtungsantrag gestellt hat und dies auch in Ansehung der materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen ein sinnvolles Klageziel ist (BVerwG, U. v. 21.11.2006 - 1 C 10.06 - BVerwGE 127, 161). Im vorliegenden Fall wäre die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte sinnvoll, weil das Bundesamt im Fall der Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet wäre (OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 UA S. 5). Außerdem ginge dem Kläger ansonsten eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist (BVerwG, U. v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = NVwZ 1996, 80). Eine Verpflichtungsklage im Sinn eines Bescheidungsurteils nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO kommt hier somit nicht in Betracht.

Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben.

Der Kläger kann geltend machen, durch die vom Bundesamt getroffene Feststellung möglicherweise in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Normen der Dublin-II-VO eigentlich organisatorische Vorschriften, welche die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln und u. a. den Zweck haben, eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu schaffen; gleichwohl kann ein Asylbewerber im Rahmen des nach Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin-II-VO garantierten Rechtsschutzes geltend machen, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestehen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu sein (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 56 ff.).

Die Klage ist aber unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig. Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit ergibt sich aus der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO), auf die sich das Bundesamt im Bescheid gestützt hat. Auch wenn mittlerweile die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO) gemäß Art. 49 Abs. 1 dieser Verordnung am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist, ist für sog. „Altanträge“ wie den vorliegenden nach wie vor die Dublin-II-VO anzuwenden (BVerwG, U. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 13). Für einen Antrag auf internationalen Schutz i. S. v. Art. 2 Buchst. d Dublin-II-VO, der vor dem ersten Tag des sechsten Monats nach Inkrafttreten der Dublin-III-VO, also vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO nach den Kriterien der Dublin-II-Verordnung.

Das Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung dient zuerst allein dazu, den zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind übereingekommen, dass auf kurze Sicht eine klare und praktikable Form für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden sollte. Ziel der Dublin-II-Verordnung ist die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (Erwägungsgründe Nr. 1, 2, 3, 4 und 16). Im Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung steht deshalb allein die Zuständigkeitsfrage im Raum. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO wird der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft.

Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Dublin-II-VO). Nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Gemessen hieran ist der beim Bundesamt gestellte Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil der Mitgliedstaat Italien nach Art. 13 Dublin-II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies hat zur Folge, dass Italien nach Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c Dublin-II-VO verpflichtet ist, den Kläger nach Maßgabe des Art. 20 Dublin-II-VO wieder aufzunehmen. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-VO wird davon ausgegangen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, wenn - wie im vorliegenden Fall - innerhalb einer Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt worden ist. Entsprechend der Konzeption der Dublin-II-Verordnung hat das Bundesamt zu Recht den Asylantrag nicht inhaltlich geprüft, sondern die Unzulässigkeit festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet.

Für die Beklagte ergibt sich aus Kapitel III der Dublin-II-Verordnung keine Zuständigkeit. Die am 12. Mai 2011 erteilte Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG begründet die Zuständigkeit nach Art. 9 Abs. 1 Dublin-II-VO nicht (Asylbewerber mit gültigem Aufenthaltstitel), weil diese Vorschrift nach Art. 2 Buchst. j Dublin-II-VO nicht für Aufenthaltstitel gilt, die während der zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates entsprechend dieser Verordnung erforderlichen Frist erteilt wurden. Auch Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist nicht einschlägig. Zwar hatte der Kläger die Luftgrenze der Bundesrepublik Deutschland illegal überschritten, er kam hierbei aber nicht aus einem Drittstaat, sondern aus einem Mitgliedstaat (Griechenland).

Aus der Feststellung, dass der Kläger ursprünglich (2008) aus einem Drittstaat (Türkei) kommend die Grenze Griechenlands illegal überschritten hatte, ergibt sich gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO die Erstzuständigkeit der Hellenischen Republik. Eine Abschiebung dorthin käme allerdings nicht in Betracht, weil die Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens nicht gewährleistet wäre und Obdachlosigkeit drohen würde. Infolge dessen wäre eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK gegeben (EGMR, E. v. 21.1.2011 - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Da sich aus den übrigen Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-Verordnung nicht bestimmen lässt, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, ist nach der Generalklausel des Art. 13 Dublin-II-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Dies ist hier die Italienische Republik (Italien). Ausweislich der Bundesamtsakte (Bl. 50) hat der Kläger dort im November 2008 den Asylantrag gestellt. Trotz der Erkenntnis, dass nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO eigentlich von der vorrangigen Zuständigkeit Griechenlands auszugehen wäre, scheidet der Ersteintritt als Anknüpfungskriterium hier aus, weil eine Abschiebung dorthin unzumutbar wäre, da das Asylwesen in Griechenland derzeit an sog. systemischen Mängeln leidet (vgl. EGMR, E. v. 21.1.2011 a. a. O.). Art. 13 Dublin-II-VO greift auch dann, wenn sich aus den Kriterien des Kapitels III zwar eine anderweitige Zuständigkeit ergibt, eine Überstellung des Antragstellers dorthin aber nicht möglich ist (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat hat als solche nicht zur Folge, dass der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat verpflichtet ist, den Asylantrag auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen (EuGH, U. v. 14.11.2013 - C- 4/11 - NVwZ 2014, 129 Rn. 37).

Das vom Bundesamt an die italienische Dublin-Einheit (Unità Dublino) gerichtete Wiederaufnahmegesuch entspricht den Anforderungen des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 vom 2. September 2003 (Durchführungsbestimmungen zur Dublin-II-VO). Im vorliegenden Fall liegt entgegen der Auffassung des Klägers kein Übernahmegesuch i. S. v. Art. 17 Dublin-II-VO, sondern ein Wiederaufnahmegesuch i. S. v. Art. 20 Dublin-II-VO vor, da die Zuständigkeit nicht erst noch geklärt werden musste, sondern schon feststand (Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 16 K4 und K5). Da der Kläger bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hatte, geht es hier nicht um eine Aufnahme nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. a Dublin-II-VO, sondern um eine Wiederaufnahme nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und d Dublin-II-VO (OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 UA S. 9). Das Bundesamt hat entsprechend Art. 2 der Durchführungsbestimmungen das vorgeschriebene Formblatt verwendet. Dieses umfasst auch das Ergebnis des Vergleichs der Fingerabdrücke (Hinweis auf die Eurodac-Nummer mit italienischer Kennung). Außerdem hat das Bundesamt unter der Rubrik „Frühere Asylverfahren“ darauf hingewiesen, dass am 7.11.2008 in „Bolzano/Italy“ schon einmal Asyl beantragt worden sei (s. Bl. 5 der Bundesamtsakte). Die Rüge des Klägers, das Bundesamt habe die italienische Dublin-Behörde absichtlich getäuscht, geht fehl. Die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten könnten, falls der ersuchende Mitgliedstaat dem ersuchten Mitgliedstaat wichtige Informationen vorenthält (vgl. hierzu Filzwieser/Sprung, a. a. O. Art. 19 K11), hat sich hier nicht gestellt.

Im Übrigen ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens nicht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nach Italien nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Alt. 2 Dublin-II-VO erst nach der (rechtskräftigen) Entscheidung über den Rechtsbehelf zu laufen, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat (vgl. Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n. F.). Im vorliegenden Fall ist ausschlaggebend, dass das Verwaltungsgericht Regensburg den Vollzug der Abschiebung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss vom 7. September 2011 vorläufig ausgesetzt hat. Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann die Sechs-Monats-Frist erst zu laufen beginnen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass die Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen. Daraus ergibt sich, dass zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin-II-VO diese Frist nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird (EuGH, U. v. 21.9.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639). Die Regelung über das Entfallen der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kommt hier folglich nicht zum Tragen (so auch OVG LSA, U. v. 2.10.2013 a. a. O.; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris).

Schließlich ergibt sich die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO (sog. Selbsteintrittsrecht).

Wenn ein Mitgliedstaat der Aufnahme des betreffenden Asylbewerbers - wie im vorliegenden Fall - zugestimmt (bzw. nicht geantwortet hat), so kann der Asylbewerber der Bestimmung dieses Mitgliedstaats nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GR-Charta - ausgesetzt zu werden (EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394.12 - NVwZ 2014, 208).

Ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) stützt sich das gemeinsame europäische Asylsystem nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend: U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417 Rn. 75 ff.) auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Das gemeinsame europäische Asylsystem wurde dem Gerichtshof zufolge in einem Kontext entworfen, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, das die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) steht. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. Wenn aber jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Dublin-II-Verordnung genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nach dem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. Damit die Union und ihre Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Grundrechte der Asylbewerber nachkommen können, obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihm nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK (s. neuerdings BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 Rn. 9 - darauf abstellend, dass sich solche Mängel wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren lassen).

Gemäß diesen Grundsätzen besteht für die Beklagte keine Verpflichtung zum Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Im Hinblick auf den Charakter dieser Vorschrift als Ermessensnorm (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 65) kann der Kläger allenfalls ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 40 VwVfG haben (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Januar 2014, § 27a Rn. 52). Das Ermessen verdichtet sich nur dann zu einer Verpflichtung zum Selbsteintritt, wenn der eigentlich zuständige Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel außer Betracht bleiben muss und keine anderweitige Zuständigkeit eines Mitgliedstaats besteht (ders., a. a. O. Rn. 68). Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat verpflichtet, den Asylantrag auf der Grundlage des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen, wenn ansonsten Grundrechte - hier: Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach Art. 4 und Recht auf Asyl nach Art. 18 GR-Charta - des Asylbewerbers verletzt wären (EuGH, U. v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11- NVwZ 2014, 129).

Der Senat ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-II-Rückkehrern in Italien zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Fall der Überstellung/Abschiebung nicht ernsthaft zu befürchten ist.

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts für Menschenrechte (EGMR) ist in Italien nicht von systemischen Mängeln auszugehen. Dieser hat bei seinen aktuellen Entscheidungen unter Heranziehung der UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (Juli 2012), des Berichts des Kommissars für Menschenrechte des Europarates (September 2012) sowie der Berichte von Nichtregierungsorganisationen und unter Würdigung des gesamten Asylsystems in Italien (Verfahrensmodalitäten, Organisation der Unterbringung, Anzahl der Einrichtungen und Unterkunftsplätze, medizinische Versorgung, Bereitstellung von Mahlzeiten, Kleidung etc.) folgende Erkenntnisse zugrunde gelegt: Es gebe in Italien ein System von Aufnahmeeinrichtungen: Neun staatliche CARA-Zentren für die Erstaufnahme während fünf Wochen, ca. 150 SPRAR-Einrichtungen von Gemeinden, Provinzen und wohltätigen Organisationen für die Zeit des Asylverfahrens während sechs Monaten; außerdem die in Großstädten angesiedelten Metropolitan- Aufnahmezentren und eine große Anzahl von Notunterkünften auf regionallokaler Basis. Landesweit könnten je nach Bedarf bis zu 50.000 Plätze bereitgestellt werden, tatsächlich sei die gegenwärtige Anzahl aber erheblich niedriger. Schwierigkeiten bereiteten speziell die prompte Erkennung von Personen mit besonderem Schutzbedürfnis und die Wahrung der Familieneinheit im Rahmen der Verteilung. In einigen Einrichtungen, namentlich in Kalabrien und in der Lombardei, gebe es ganz gravierende Probleme. In den letzten Jahren seien mit Unterstützung des Europäischen Flüchtlingsfonds Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer geschaffen worden. Diese würden im Allgemeinen wieder in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt werden. Hierfür würde die Grenzpolizei das jeweils zuständige Amt für Einwanderung ausfindig machen und den Rückkehrer auffordern, sich dorthin zu begeben. Wenngleich die allgemeine Lage und die Lebensbedingungen der Asylbewerber in Italien einige Unzulänglichkeiten aufzeigten, seien aber keine systemischen Mängel bei der Bereitstellung von Hilfe und Einrichtungen für Asylbewerber zutage getreten. Vor diesem Hintergrund sei nicht anzunehmen, dass ein nach Italien zurückkehrender Asylbewerber, sei es in materieller, physischer oder psychischer Hinsicht, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr einer menschenunwürdigen Notlage ausgesetzt wäre - „ … has not shown that … future prospects if returned to Italy whether taken from a material, physical or psychological perspective, disclose a sufficiently real and imminent risk of hardship severe enough to fall within the scope of Article 3“ - (EGMR, E. v. 2.4.2013 - Nr. 27725/10 - ZAR 2013, 336 Rn. 43 ff., 78; B. v. 18.6.2013 - Nr. 53852/11 - ZAR 2013, 338; E. v. 10.9.2013 - Nr. 2314/10 - www.hudoc.echr.coe.int Rn. 139; s. auch BVerwG, U. v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 Rn. 22, wonach der Begriff „real risk“ dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht).

Dieser Einschätzung entspricht die Auskunftslage gemäß den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts. Nach der Auskunft vom 11. Juli 2012 an das Verwaltungsgericht Freiburg könnten „derzeit“ alle Asylbewerber in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Es gebe lokale/regionale Überbelegungen (z. B. Rom/Latium). Landesweit seien aber genügend Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen und öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen. Sofern sich Dublin-Rückkehrer noch im Asylverfahren befänden, werde ihnen eine Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung zugeteilt (ebenso: Auskunft vom 11.9.2013 an das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen). Auch die UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien vom Juli 2013 (S. 10 ff.) stellen die Erkenntnis, dass das Asylsystem keine systemischen Mängel aufweist, nicht in Frage. Die italienische Regierung habe ab 2011 erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der teilweise unzulänglichen Aufnahmeverhältnisse unternommen. Die als Asylbewerber registrierten Dublin-Rückkehrer hätten im Allgemeinen Zugang zu den Transitaufnahmezentren. Da deren Kapazitäten aber sehr begrenzt seien, könne es vorkommen, dass diese Personen u.U. einige Tage am Flughafen ausharren müssten, bis ein Platz in einem solchen Zentrum frei wird. Nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe erhalten Personen, deren Asylverfahren in Italien noch nicht abgeschlossen war, am Flughafen ein Bahnticket zur Weiterreise in die zuständige Region (Italien: Aufnahmebedingungen - aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Oktober 2013, S. 13).

Demgegenüber berichten die Schweizerische Flüchtlingshilfe (a. a. O.) und borderlineeurope e.V. (Judith Gleitze, Gutachten vom Dezember 2012 für das Verwaltungsgericht Braunschweig) von vielfältigen Unzulänglichkeiten bei der Unterbringung von Asylsuchenden in Italien. Aus den geschilderten zahlreichen Einzelfällen lässt sich nach Auffassung des Senats aber nicht der Schluss ziehen, dass hier systemische Schwächen vorliegen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten. Aus den Berichten von UNHCR (a. a. O. S. 14 f.), der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 69) und borderlineeurope (a. a. O. S. 50 f.) geht zudem auch übereinstimmend hervor, dass die größten Probleme nicht während des Asylverfahrens auftreten, sondern bei denjenigen Personen, deren Asylverfahren mit oder ohne Zuerkennung eines Schutzstatus geschlossen worden sind. Für diese Personen endet der Anspruch auf Gewährleistung der Grundbedürfnisse im Allgemeinen mit dem Abschluss des Asylverfahrens. Nur unter bestimmten Umständen dürfen Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, danach noch bis zu sechs Monaten in einer SPRAR-Einrichtung bleiben (EGMR, E. v. 2.4.2013, a. a. O. Rn. 43). Da es in Italien kein staatliches Sozialhilfesystem gibt (Auswärtiges Amt vom 11.7.2012, a. a. O. Nr. I 1 b), seien diese Personen - ebenso wie italienische Staatsangehörige - im Fall der Mittellosigkeit auf sich allein gestellt, wodurch in italienischen Großstädten vielfach Armutsviertel mit arbeits- und mittellosen Flüchtlingen entstanden seien. Berichte über diese allgemeine soziale Problematik sind somit kein hinreichendes Indiz für systemische Mängel im Asylverfahren.

Die genaue Zahl der Unterkunftsplätze lässt sich aus verschiedenen Gründen nur schwer bestimmen. UNHCR (24.4.2012, S. 3) ist für das Jahr 2012 davon ausgegangen, dass in zentralen Einrichtungen wie CARA und SPRAR insgesamt 8.000 Plätze vorhanden seien. Im Jahr 2011 sei zwischen den regionalen Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden eine Vereinbarung getroffen worden, dergemäß Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgelegt wurden. Bis Anfang 2012 seien im Rahmen dieses Verteilungsplans tatsächlich 20.000 Personen untergebracht worden. Die Verantwortung hierfür obliege dem Leiter des Zivilschutzes. Bezüglich der Kapazität allein der SPRAR-Einrichtungen sei mittlerweile aber eine Aufstockung auf 8.000 Plätze vorgesehen (UNHCR, Juli 2013, S. 12). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hat für das Jahr 2013 die Zahl der CARA-Plätze und die Zahl der SPRAR-Plätze mit jeweils ca. 5.000 beziffert und darüber hinaus auf ein Dekret des italienischen Innenministeriums vom September 2013 hingewiesen, demgemäß die SPRAR-Kapazität von 2014 bis 2016 auf 16.000 Plätze erhöht werden soll (a. a. O. S. 18, 22). Unter Berücksichtigung der Fluktuation (Wechsel in der Belegung) dürfte die tatsächliche Kapazität höher als die Zahl der Unterkunftsplätze sein. Im Hinblick auf die Zahl der in Italien im Jahr 2013 registrierten Asylanträge (28.000 - s. eurostatpressemitteilung Nr. 46/2014) und die für das Jahr 2012 verfügbare Zahl der Dublin-Überstellungen nach Italien (3.551 - s. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 8) besteht zwischen dem Bedarf und der Kapazität an Unterkunftsplätzen jedenfalls keine solche Diskrepanz, dass die Möglichkeit der Unterbringung von Dublin-Rückkehren als unrealistisch zu erachten wäre.

Die Annahme von borderlineeurope (a. a. O. S. 23 ff., S. 59), dass die Unterbringungsquote für Dublin-Rückkehrer von 2010 bis 2012 maximal nur 12% pro Jahr betragen habe, begegnet erheblichen Bedenken. Das Auswärtige Amt hat darauf hingewiesen, dass diesbezüglich belastbares statistisches Zahlenmaterial nicht vorhanden sei. Die (von borderlineeurope zitierte) Aussage einer Mitarbeiterin der am Flughafen Roma Fiumicino tätigen Arciconfraternita sei eine auf Erfahrungswerten basierende subjektive Feststellung (11.9.2013, S. 3). Der angegebene Prozentsatz bezieht sich auf die besondere Situation in Rom, welche nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wegen der lokalen und regionalen Überbelegung in Rom und Latium (11.7.2012, S. 6) allerdings nicht repräsentativ erscheint. Hinzu kommt, dass die von borderlineeurope beschriebene Gruppe etwa zur Hälfte aus Personen besteht, die sich nicht im Asyl- bzw. Klageverfahren befinden, also keinen Anspruch auf Versorgung haben. Im Übrigen wäre noch zu berücksichtigen, dass nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts viele Dublin-Rückkehrer keinen Asyl- oder Schutzantrag stellen, da sie häufig nicht in Italien bleiben wollen. Somit stünden ihnen die Aufnahmeeinrichtungen nicht mehr offen (11.7.2012, S. 5). Diese Personen können folglich ebenfalls nicht zum Kreis der nicht untergebrachten Anspruchsberechtigten gezählt werden.

Außerdem sprechen die besonderen Umstände des vorliegenden Falls gegen die Annahme, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr der Obdachlosigkeit und des Hungerns ausgesetzt wäre. Da ursprünglich die Quästur Bozen für seinen Asylantrag zuständig war, ist anzunehmen, dass er im Fall der Rückkehr nach Italien dorthin weitergeleitet werden würde. Gemäß den bisherigen, vom Kläger nicht in Frage gestellten Erkenntnissen des Auswärtigen Amts sind in Norditalien die Unterbringungskapazitäten noch nicht ausgeschöpft, so dass dort ohnehin nicht mit einer Mangelsituation zu rechnen wäre.

Auch der Hinweis des Klägers auf die Stellungnahme von UNHCR an das Verwaltungsgericht Braunschweig (24.4.2012) führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Die darin geäußerten Bedenken, dass die Versorgung besonders schutzbedürftiger Personen häufig unzureichend sei (Buchstabe vii) und dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass Asylsuchende, die im Rahmen des Dublin-Systems nach Italien überstellt werden und dort zuvor keinen formalen Asylantrag gestellt hatten, keinen sofortigen Zugang zur Aufnahmebedingungen erhielten (ix), treffen auf die Umstände des vorliegenden Falls nicht zu.

Für die Befürchtung des Klägers, er würde im Fall der Abschiebung nach Italien ohne Durchführung eines Asylverfahrens sogleich nach Griechenland weitergeschoben werden, gibt es keinen konkreten Anhaltspunkt (vgl. UNHCR v. 24.4.2012, a. a. O. zu 4.). Der Vortrag des Klägers, er sei etwa im Jahr 2010 von der Polizei in Bozen bei einer Vorsprache zwecks Erteilung eines Monatsausweises festgenommen und anschließend in einem versperrten Schiffsraum nach Griechenland verbracht worden, vermag die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht zu begründen.

Die hier vertretene Einschätzung, dass das italienische Asylwesen nicht an systemischen Mängeln leidet, wird von anderen Oberverwaltungsgerichten geteilt (OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Rh-Pf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13. OVG - juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 - juris; OVG Berlin-Bbg, B. v. 17.6.2013 - OVG 7 S 33.13 - juris).

Die Befugnis zur Anordnung der Abschiebung ergibt sich aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.