Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 29. Apr. 2015 - W 1 K 14.30139
Gericht
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
1. Die Kläger sind nach eigenen Angaben kosovarische Staatsangehörige vom Volk der Roma. Die Klägerin zu 1) gibt an, am ... 1992 in G. im Kosovo geboren worden zu sein. Die am ... 2008 und ... 2012 in G. geborenen Kläger zu 2) und 3) sind ihre Söhne. Der Lebensgefährte bzw. Vater der Kläger betreibt ein eigenes Asylverfahren mit dazugehörigen Gerichtsverfahren (Az. W 1 K 14.30137, W 1 S 14.30138). Im Bundesgebiet wurde am ... 2014 ein weiterer Sohn bzw. Bruder der Kläger geboren, für den ebenfalls ein Asylverfahren und dazugehörige Gerichtsverfahren betrieben werden (Az: W 1 K 14.50042, W 1 S 14.50043). Ein weiteres Kind wurde am ... 2015 im Bundesgebiet geboren, dieses ist jedoch bislang nicht Beteiligter eines asylgerichtlichen Verfahrens.
2. Die Kläger reisten gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten bzw. Vater zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt Mitte Juli 2013 über unbekannte Länder in das Bundesgebiet ein und beantragten hier am
In der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 1. August 2013 gab die Klägerin zu 1) an, sie wisse nicht genau, über welche Länder sie gereist seien und ob sie auch in Ungarn gewesen seien. Sie sei gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und ihren Eltern gereist. Wenn diese in Ungarn gewesen seien, sei auch sie dort gewesen. Sie wisse es aber nicht genau, da es ihr aufgrund ihrer Schwangerschaft damals nicht sehr gut gegangen sei.
3. Aufgrund eines Eurodac-Treffers richtete das Bundesamt am
4. Mit Bescheid vom 29. Januar 2014, der Klägerin zu 1) ausweislich der Postzustellungsurkunde (Bl. 91/92 der BA-Akte) am 6. Februar 2014 zugestellt, stellte das Bundesamt fest, dass die Asylanträge unzulässig sind (Ziffer 1 des Bescheides), und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Ziffer 2). Gemäß Art. 16 Abs. 1c Dublin II-VO sei Ungarn für die Behandlung der Asylanträge zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. In Ungarn lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor. Wegen der Begründung im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Bescheid Bezug genommen.
5. Die Kläger ließen am
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom
6. Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
7. Mit Beschluss des Gerichts vom
8. Auf das Anhörungsschreiben des Gerichts vom 26. Januar 2015 trägt das Bundesamt für die Beklagte unter dem 26. Februar 2015 vor, dass sich die sog. Tarakhel-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) explizit auf Italien beziehe. Im Hinblick auf die Gründe des Beschlusses des Gerichtes im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowie auf den Umstand, dass der UNHCR auch bezüglich Familien keine Empfehlung abgegeben habe, von Überstellungen nach Ungarn abzusehen, könne eine Übertragung der genannten Entscheidung des EGMR nicht nachvollzogen werden. Die Entscheidung stehe vor dem Hintergrund der in Italien offensichtlich bestehenden Kapazitätsengpässe. Auf Ungarn bezogen sei festzustellen, dass der aufnehmende Staat eigenverantwortlich dafür Sorge tragen müsse und werde, dass die Kläger familien- und kindgerecht untergebracht würden. Den vorliegenden Auskünften und Berichten, u. a. auch dem aida-Bericht (gemeint wohl: Bericht vom 30. April 2014) sei zu entnehmen, dass Familien mit Kindern auch keine Trennung und keine „nicht-kindgerechte Unterbringung“ aufgrund einer Inhaftierung nach Rückkehr drohe, wie das Gericht in seinem Beschluss (im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes) ausgeführt habe. Das Bundesamt gehe weiter davon aus, dass in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens bzw. der Aufnahmebedingungen bestünden. Eine Zusicherung, dass die Familieneinheit der Kläger gewahrt bleibe und dass die minderjährigen Kinder ihrem Alter entsprechend untergebracht würden, könne nicht gegeben werden und würde ohne konkreten Hinweis auf eine in Ungarn zu erwartende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung letztendlich das Dublin-System untergraben.
9. Die Kläger ließen unter dem
10. Mit Beschluss vom 18. Februar 2015
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG (Ziffer 2 des Bescheides), die einen belastenden Verwaltungsakt darstellt, bedarf dies keiner weiteren Erläuterung. Auch die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig gemäß § 27a AsylVfG (Ziffer 1 des Bescheides) kann „isoliert“, d. h. ohne damit verbundenen Verpflichtungsantrag angefochten werden, weil das Bundesamt im Fall der Aufhebung dieser Entscheidung bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet wäre (BayVGH, B. v. 23.1.2015 - 13a ZB 14.50071 - juris;
Auf welcher Grundlage sich die Ablehnung des Asylantrags wegen internationaler Zuständigkeit eines anderen Staates möglicher Weise als rechtsfehlerhaft erweist - etwa nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO aufgrund der Annahme systemischer Mängel des Asylverfahrens und /oder der Aufnahmebedingungen im ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat (hier Belgien) bzw. aufgrund einer etwaigen Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes der Beklagten oder zur ermessensfehlerfreien Entscheidung hierüber - ist hingegen als Kriterium der gerichtlichen Nachprüfung des Bescheides eine Frage der Begründetheit der Klage.
2. Die Klage ist nicht begründet, denn die angegriffenen Behördenentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1 Da der Asylantrag und auch das Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO (Verordnung [EU] Nr. 604/2013 vom 26.6.2013, ABl Nr. L 180, S. 31) nach den Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 vom 18.2.2003, ABl Nr. L 50, S. 1). Da die mit dem Wiederaufnahmegesuch zusammenhängenden Rechtsfragen, insbesondere die gegebenenfalls zu beachtenden Fristen, systematisch den Bestimmungen über die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten zuzuordnen sind (Zuständigkeitsregelungen im weiteren Sinne), sind damit auf das Wiederaufnahmegesuch im vorliegenden Fall die Vorschriften des Art. 20 Dublin II-VO anzuwenden. Im Unterschied zu Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO enthält aber Art. 20 Dublin II-VO keine Frist zur Stellung eines entsprechenden Wiederaufnahmegesuchs. Dies bedeutet zwar nicht, dass es im Belieben des Bundesamtes stand, wann es ein solches Wiederaufnahmegesuch nach der Dublin II-VO an den für zuständig erachteten Mitgliedstaat zu richten hatte. Dies folgt bereits aus dem vierten und dem 15. Erwägungsgrund der Dublin II-VO sowie aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 - juris Rn. 85 ff.). Danach ist Ziel der in Kapitel III der Dublin II-VO genannten Zuständigkeitskriterien, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen im Geltungsgebiet der Dublin-Verordnungen gestellten Asylantrag zuständig ist. Ist die Überstellung eines Antragstellers in den nach diesen Kriterien als zuständiger Mitgliedstaat bestimmten Staat nicht möglich, so hat der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, vorbehaltlich der Befugnis, den Antrag nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst zu prüfen, die Prüfung der Kriterien des genannten Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob anhand eines der nachrangigen Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann (EuGH, U. v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11 - juris Rn. 33; U. v. 21.12.2011 - C-411/10
2.2 Das Bundesamt hat den Asylantrag der Kläger zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt, weil Ungarn sich zur Rückübernahme der Kläger bereit erklärt hat. In diesem Falle ist vom Gericht nicht nachzuprüfen, ob der die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme erklärende Staat sich rechtsfehlerfrei für zuständig erklärt hat. Denn im System des Dublin-Verfahrens besteht kein Rechtsanspruch des Asylbewerbers auf Prüfung seines Asylantrags durch den zuständigen Mitgliedstaat; vielmehr hat er lediglich einen Anspruch auf inhaltliche Prüfung seines Asylantrags durch einen Mitgliedstaat (vgl. z. B. EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12
2.3 Ein Ermessensfehler der Entscheidung über das Selbsteintrittsrecht wegen überlanger Verfahrensdauer liegt - wie das Gericht bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeführt hat (VG Würzburg, B. v. 11.12.2014 - W 1 S 14.30139 - BA S. 6) - nicht vor. Das Bundesamt hatte am 30. Juli 2013 Kenntnis vom Vorliegen eines Eurodac-Treffers hinsichtlich Ungarn (Bl. 43 der Bundesamtsakte). Am 27. Dezember 2013 hat es das Wiederaufnahmegesuch an die ungarischen Behörden gestellt. Damit ist zwischen der nachweisbaren Kenntnis vom Vorliegen eines Eurodac-Treffers und der Stellung des Wiederaufnahmegesuchs ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten vergangen. In einem solchen Fall kann unter der Geltung der Dublin II-VO, die eine Frist für das Wiederaufnahmeersuchen nicht vorsieht, nicht von einer überlangen Verfahrensdauer ausgegangen werden (für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensverzögerung erst ab einem Untätigbleiben von deutlich über einem Jahr VG Würzburg, U. v. 27.8.2014 - W 7 K 14.30286 - UA Seite 12; VG Stuttgart, U. v. 28.2.2014 - A 12 K 383/14 - juris Rn. 23). Die Frage eines Ermessensfehlers stellt sich daher im vorliegenden Fall insoweit nicht (vgl. VG Würzburg, B. v. 1.12.2014 - W 1 S 14.30275, UA S. 9). Offen bleiben kann daher, ob der Beklagten überhaupt im Rahmen der Entscheidung über die Ausübung oder Nichtausübung des Selbsteintrittsrechtes ein Ermessen i. S. d. § 40 VwVfG, § 114 VwGO eingeräumt ist, woran im Hinblick auf das von der deutschen Rechtsterminologie abweichende Begriffsverständnis im europäischen Unionsrecht (vgl. Zuleeg/Kadelbach in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010 § 8 Rn. 41; grundlegend Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 1988, Band I, S. 280 ff.) durchaus Zweifel bestehen, und welche Konsequenzen dies für den Umfang der gerichtlichen Nachprüfbarkeit (Kontrolldichte) sowie ggf. für eine subjektiv-öffentliche Berechtigung der betroffenen Asylbewerber hätte.
2.4 Die Überstellung der Kläger nach Ungarn ist auch nicht wegen systemischer Mängel des ungarischen Asylverfahrens und /oder der Aufnahmebedingungen rechtlich unmöglich. Dies gilt auch im Hinblick auf die vom Kläger zu 2) geltend gemachte Erkrankung.
Im Falle der (angenommenen) Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat - hier Ungarn - aufgrund von systemischen Mängeln ist der eigentlich nicht zuständige Mitgliedstaat nicht verpflichtet, den Asylantrag auf der Grundlage des Selbsteintritts nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-VO selbst inhaltlich zu prüfen (EuGH, U. v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11 - NVwZ 2014, 129/130 Rn. 32 ff.; BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris Rn. 33). Vielmehr hat er zunächst weiter zu prüfen, ob anhand der Dublin-Regelungen ein anderer Mitgliedstaat für eine Überstellung in Frage kommt. Kommt - auch nach weiteren Ermittlungen - keine Zuständigkeit eines anderen Dublin-Staates in Betracht, muss die Beklagte das Asylverfahren nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst durchführen, ansonsten kann sie bei festgestellter Zuständigkeit eines anderen Dublin-Staates erneut einen Bescheid im Dublin-Verfahren erlassen, muss dann allerdings dem Recht des Betroffenen auf Durchführung des Verfahrens mit angemessener Dauer Rechnung tragen (EuGH, U. v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11 - NVwZ 2014, 129/130 Rn. 35; vgl. nun auch Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dürfen, soweit und solange sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben, die Mitgliedstaaten des Dublin-Systems sich das Vertrauen entgegenbringen, dass in jedem von ihnen Asylsuchende im Einklang mit den Vorgaben der Grundrechtecharta der EU, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) behandelt werden (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12
Dem gegenüber kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) die Vermutung, wonach der Aufnahmestaat seinen Pflichten aus Art. 3 EMRK nachkommt, wirksam widerlegt werden, wenn schwerwiegende Gründe für die Annahme vorgebracht werden, dass die Person, deren Rückführung angeordnet wird, einer tatsächlichen Gefahr („real risk“) entgegensehen würde, im Zielstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U. v. 4.11.2014 - Tarakhel, 29217/12
Die o. g. Entscheidungen des EuGH und des EGMR sind miteinander dadurch in Einklang zu bringen, dass der überstellende Mitgliedstaat auch dann, wenn keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im an sich zuständigen Mitgliedstaat angenommen werden, im Einzelfall prüfen muss, ob dennoch die tatsächliche Gefahr besteht, dass die betroffene Person dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. des Art. 4 GR-Charta i. V. mit Art. 3 EMRK ausgesetzt wird. Dies kann nach der o. g. Rechtsprechung des EGMR dann der Fall sein, wenn die betroffene Person zu einer „besonders verletzlichen Personengruppe“ unter den Asylbewerbern zu rechnen ist. In einem solchen Fall besonderer Schutzbedürftigkeit besteht trotz der Verneinung systemischer Mängel bzw. Schwachstellen für alle Asylbewerber im übernehmenden Staat noch Raum für die Annahme der tatsächlichen Gefahr einer individuellen Verletzung des Art. 3 EMRK. Dies steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH zu systemischen Mängeln, weil solche Mängel auch innerhalb des unionsrechtlichen Dublin-Systems nicht notwendig alle Asylbewerber oder eine besonders große Zahl von ihnen tatsächlich betreffen müssen; ein systemischer Mangel kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von Asylbewerbern tatsächlich betrifft, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisiert und nicht gewissermaßen dem Zufall, der Verkettung unglücklicher Umstände oder dem Versagen beteiligter Akteure geschuldet ist (VGH BW, U. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - juris Rn. 33 mit Verweis auf Lübbe, ZAR 2014, 97 ff.). Im gerichtlichen Verfahren gegen eine Entscheidung zur Überstellung von Asylsuchenden in einen anderen Mitgliedstaat ist damit zu prüfen, ob der konkret betroffenen Person durch die Überstellung eine Verletzung von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK droht und damit die Vermutung der Beachtung der Grundrechte durch den jeweils anderen Mitgliedstaat widerlegt ist. Gehört die betroffene Person keiner besonders verletzlichen Gruppe an, kann dies jedoch nur angenommen werden, wenn generelle systemische Mängel festzustellen sind.
Gemessen an diesen Grundsätzen steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht zur Überzeugung des erkennenden Gerichtes fest, dass den Klägern als Familie mit minderjährigen (Klein-)Kindern und damit als Angehörigen einer besonders verletzlichen Personengruppe (vgl. EGMR, U. v. 4.11.2014 - Tarakhel, 29217/12
Es ist zum einen nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Kläger im Falle ihrer Rückkehr nach Ungarn inhaftiert werden. Zwar können nach ungarischem Recht auch Familien mit minderjährigen Kindern in Asylhaft genommen werden; die maximale Haftdauer ist auf 30 Tage begrenzt (Auswärtiges Amt, Auskunft v. 19.11.2014 an VG Düsseldorf, S. 4; UNHCR, Auskunft an VG Düsseldorf
Das Gericht folgt der Einschätzung des UNHCR, wonach im Dublin-Verfahren nach Ungarn zurückkehrenden Familien mit Kindern in Ungarn derzeit keine Inhaftierung droht. Von maßgeblicher Bedeutung ist im vorliegenden Zusammenhang, dass der UNHCR nach wie vor keine Empfehlung abgegeben hat, von Überstellungen von Asylbewerbern nach Ungarn abzusehen (vgl. VG Würzburg, U. v. 30.9.2014 - W 1 K 14.50050 - juris). Dem Fehlen einer generellen Empfehlung des UNHCR, von einer Überstellung nach Ungarn abzusehen, kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, sind die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedstaat, der nach den Kriterien der Dublin-Verordnungen als zuständiger Staat bestimmt wird, besonders relevant (EuGH, U. v. 30.5.2013 - Halaf, C-528/11 - NVwZ-RR 2013, 660, juris). Die in der Stellungnahme des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Die von der Klägerbevollmächtigten angeführten Gerichtsentscheidungen (VG Berlin, B. v. 15.1.2015 - 23 L 899.14 A - juris; vgl. auch
Zum anderen droht den Klägern im Falle der Überstellung nach Ungarn aber auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit. Da die Kläger nach den Angaben der ungarischen Behörden während der Prüfung ihres Asylantrags Ungarn verlassen haben, muss im Falle ihrer Überstellung die Prüfung des Asylantrags fortgeführt werden (vgl. Art. 4 Abs. 5 Dublin II-VO). Dies wird in Ungarn auch so praktiziert (Auswärtiges Amt, Stellungnahme v. 19.11.2014, S. 6), was für die Kläger bedeutet, dass sie alle Leistungen in Anspruch nehmen können, die Asylbewerbern in Ungarn zustehen, d. h. insbesondere die Unterbringung in einer (offenen) Aufnahmeeinrichtung. Der Asylantrag hat auch aufschiebende Wirkung, so dass ihnen (zumindest) bis zur rechtskräftigen Ablehnung desselben keine Abschiebung in ihr Herkunftsland droht (vgl. Auswärtiges Amt a. a. O., S. 9). Im Falle der Zuerkennung eines Schutzstatus haben die Kläger Anspruch auf die im ungarischen Asylgesetz verankerten Integrationsleistungen einschließlich eines zeitlich begrenzten Mindesteinkommens (Auswärtiges Amt, Stellungnahme v. 19.11.2014, S. 8 zu Frage 13 und ausführlich Stellungnahme v. 2.3.2015 an das VG Magdeburg).
Für eine Überfüllung der Aufnahmeeinrichtungen in Ungarn mit der Folge der Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gibt es derzeit keine Anhaltspunkte. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Stellungnahme v. 19.11.2014, S. 3) bestanden im ersten Halbjahr 2013 infolge des damals sprunghaften Anstiegs der Asylbewerberzahlen in Ungarn Engpässe bei der Unterbringung, denen - wie in anderen europäischen Staaten auch - mit der vorübergehenden Nutzung von Turnhallen und Zelten abgeholfen worden sei. Seit Herbst 2013 habe sich die Situation wieder entspannt; jüngere Kritik der Belegung der Einrichtungen sei nicht bekannt geworden (Auswärtiges Amt a. a. O.). Der UNHCR berichtet zwar, dass die Asylbewerberzahlen in Ungarn seit Juli 2014 erneut deutlich angestiegen seien; die Ausführungen zu den Auswirkungen auf die Aufnahmebedingungen beziehen sich jedoch auf den Zeitraum im Sommer 2013, sind also überholt (vgl. Auswärtiges Amt a. a. O.). Nach Auskunft von Pro Asyl (Stellungnahme vom 30.10.2014, S. 4) wurden bei Monitoring-Besuchen des HHC in fünf Aufnahmeeinrichtungen - wobei es sich um Hafteinrichtungen handelte - im Zeitraum Juli 2013 bis Februar 2014 Auslastungsquoten zwischen 43% und 100% festgestellt, was nicht für Kapazitätsengpässe spricht. Auch aida (Report 2015 a. a. O., S. 43) berichtet, es sei bisher noch nicht vorgekommen, dass Asylbewerber infolge Knappheit von Aufnahmeplätzen auf der Straße gelassen wurden. Sollte es dennoch in Einzelfällen zu derartigen Situationen gekommen sein, wie die Klägerbevollmächtigte vorgetragen hat, belegt dies noch nicht hier allein beachtliche systemische, d. h. vorhersehbare und regelhafte Mängel.
Im Hinblick auf die Ernährung der aufgenommenen Personen gibt es keine Hinweise für Missstände, wenngleich der Nährwert der ausgegebenen Lebensmittel in Aufnahmeeinrichtungen teilweise beanstandet wird (UNHCR, Auskunft v. 30.9.2014, S. 3 f.; Pro Asyl, Auskunft v. 30.10.2014, S. 5). In jedem Aufnahmezentrum gibt es drei kostenfreie Mahlzeiten am Tag (aida-Report 2015 a. a. O., S. 43). Des Weiteren können die Bewohner aller Einrichtungen für sich selbst kochen (aida a. a. O.), so dass auch Säuglingsnahrung oder spezielle Nahrung für Kleinkinder zubereitet werden kann. Die sanitären und hygienischen Bedingungen sind ausreichend (aida a. a. O.); diesbezüglich bekannt gewordene Beanstandungen beziehen sich auf einzelne Hafteinrichtungen (vgl. Pro Asyl, Auskunft v. 30.10.2014, S. 3), nicht aber auf die offenen Aufnahmezentren. Der freie Ausgang ist in den (offenen) Aufnahmeeinrichtungen nicht eingeschränkt (aida a. a. O.).
Den Klägern droht nach der Überzeugung des Gerichts auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Trennung von ihrem Ehemann bzw. Vater bzw. Bruder. Anhaltspunkte dafür, dass in Ungarn überhaupt Familien von Asylbewerbern getrennt werden, bestehen nicht; vielmehr werden diese gemeinsam und getrennt von alleinstehenden Männern untergebracht (Auswärtiges Amt, Stellungnahme v. 19.11.2014, S. 4 zu Frage 5; Pro Asyl, Stellungnahme v. 30.10.2014, S. 6). Zwar sind die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann (der Kläger im Verfahren W 1 K 14.30137) nicht standesamtlich miteinander verheiratet und tragen nicht den gleichen Familiennamen. Die Kläger zu 2) und 3) tragen den Familiennamen des Vaters, während die beiden im Bundesgebiet geborenen jüngeren Geschwisterkinder (der Kläger im Verfahren W 1 K 14.50042 sowie das jüngste, noch nicht im Asylverfahren befindliche Kind) den Familiennamen der Klägerin zu 1) tragen. Eine Trennung der Familie droht jedoch schon deshalb nicht, weil die Zustimmung der ungarischen Behörden zur Wiederaufnahme in einem einheitlichen Schreiben für die Kläger und ihren Vater erteilt wurde (Bl. 66 der Bundesamtsakte). Außerdem hat das Bundesamt im Wiederaufnahmeersuchen auf den Familienverband des Klägers mit seiner Ehefrau und den damals vorhandenen Kindern hingewiesen (Bl. 58 ff. der Bundesamtsakte).
2.5 Die Beklagte trifft auch im Hinblick auf die vom Kläger zu 2) vorgetragene behandlungsbedürftige Augenerkrankung (Amblyopie, Schwachsichtigkeit) keine Verpflichtung, nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO die Zuständigkeit zu übernehmen und den Asylantrag des Klägers selbst zu prüfen bzw. über die Ausübung ihres Selbsteintrittsrechtes ermessensfehlerfrei zu entscheiden oder bestimmte Garantien der ungarischen Regierung einzuholen (vgl. EGMR, U. v. 4.11.2014 - Tarakhel, 29217/12
Nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) bestehen im Hinblick auf die geltend gemachte Erkrankung des Klägers zu 2) jedoch keine Anhaltspunkte für eine Grundrechtsverletzung im Falle seiner Überstellung nach Ungarn. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist ihm in Ungarn unter Beachtung gewisser Vorkehrungen die erforderliche medizinische Versorgung zugänglich. Das Auswärtige Amt führt zur Frage der Versorgung behandlungsbedürftiger Asylbewerber während und nach der Überstellung nach Ungarn aus (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme v. 19.11.2014, S. 5 zu Frage 7 u. 8), dass dann, wenn der überstellende Mitgliedstaat das BAH vorab unterrichte, dass der Zurückzuführende behandlungsbedürftig sei, die Dublin-Koordinationseinheit die übernehmenden ungarischen Behörden unterrichten werde, damit entsprechende Vorkehrungen getroffen würden, die zurückzuführende Person ärztlicherseits in Empfang genommen werde und auch in Folge die notwendige Behandlung und Aufsicht erfahre. Im Übrigen ergibt sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln, dass in den geschlossenen und offenen Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber in Ungarn kostenfreier Zugang zur medizinischen Grundversorgung entsprechend den Bedingungen für anerkannte Flüchtlinge bzw. Schutzbedürftige und damit letztlich in gleichem Maße wie für ungarische Staatsbürger gewährleistet ist (Auswärtiges Amt, Stellungnahme v. 19.11.2014, S. 5 zu Frage 7 u. 8; aida-Report v. 17.2.2015, S. 49 ff.). Die ungarischen Rechtsvorschriften sehen des Weiteren vor, dass in schwerwiegenden Fällen, in denen die Behandlung vor Ort nicht ausreichend ist, eine Zuweisung der betroffenen Person an eine Allgemein- oder Spezialeinrichtung durch den behandelnden Arzt erfolgen kann, soweit er dies aus medizinischen Gründen für notwendig erachtet. Dem oft kritisierten Mangel, dass es im ungarischen Asylverfahren an Standards fehle, um besonders verletzliche Personen zu identifizieren (vgl. z. B. aida-Report 2015 a. a. O., S. 50), kann durch eine entsprechende Information der ungarischen Behörden vor der Überstellung der Kläger Rechnung getragen werden (s. o.). Abschließend muss darauf hingewiesen werden, dass - bei allem Verständnis für die Anliegen der Kläger - kein Rechtsanspruch auf eine dem deutschen oder westeuropäischen Standard entsprechende medizinische Versorgung besteht. Unzureichende medizinische Behandlungsmöglichkeiten hinsichtlich einer geltend gemachten Erkrankung im Zielstaat der Abschiebung stellen keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK und Art. 4 GR-Charta dar (EGMR, U. v. 7.10.2004 - Dragan, 33743/03 - NVwZ 2005, 1043 ff.; BVerwG, U. v. 25.11.1997 - 9 C 58/96 - juris Rn. 7).
2.6 Auch die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (Ziffer II. des Bescheides) begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat nach § 27a AsylVfG an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. In diesem Rahmen hat das Bundesamt die tatsächliche und rechtliche Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum bleibt (BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris Rn. 4 m. w. N.). Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe. Bei nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretenden Abschiebungshindernissen hat das Bundesamt gegebenenfalls die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung abzusehen (BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn. 10 ff.; BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris Rn. 4;
Das Gericht weist darauf hin, dass die Beklagte bzw. die zuständige Ausländerbehörde - unabhängig von der Entscheidung des Gerichts im dafür maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) - gegenüber den Klägern die aus deren Grundrechten folgende Verpflichtung hat, bei der Überstellung die sich aus den vorstehenden Ausführungen ergebenden Schutzvorkehrungen zu treffen, um deren Familienverband zu wahren sowie eine kindgerechte Unterbringung und eine mit Blick auf die individuellen Bedürfnisse der Kläger ausreichende medizinische Versorgung zu gewährleisten (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/12 - juris Rn. 10 ff.). Die Beklagte hat die Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ständig unter Kontrolle zu halten. Gegebenenfalls hat sie bzw. die zuständige Ausländerbehörde daher vor der Überstellung der Kläger mit den ungarischen Behörden entsprechend Kontakt aufzunehmen und im Falle der Unmöglichkeit entsprechender Schutzvorkehrungen ggf. die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (BVerfG, B. v. 17.9.2014 a. a. O.; EGMR, U. v. 4.11.2014 - Tarakhel, 29217/12
3. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylVfG).
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Annotations
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.