Verwaltungsgericht Trier Urteil, 29. Aug. 2017 - 3 K 3674/17.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2017:0829.3K3674.17.00
29.08.2017

Tenor

Der Beklagte wird aus dem Dienst entfernt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des behördlichen Disziplinarverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 v.H. des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.

2

Der am ... in ... geborene Beklagte steht als Kriminalhauptkommissar im Dienst des klagenden Landes. Nach dem Besuch von Volksschule und Gymnasium bis zum Jahr 1979 wurde der Beklagte am 1. Februar 1980 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Polizeiwachtmeister eingestellt. Am 1. Februar 1981 erfolgte die Beförderung zum Polizeioberwachtmeister unter gleichzeitiger Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe. Die Ernennungen zum Polizeihauptwachtmeister und zum Polizeimeister erfolgten am 18. Mai 1982 und am 1. Dezember 1985.

3

Nach seiner Ausbildung und dienstlichen Verwendung bei der Bereitschaftspolizei vom 1. Dezember 1980 bis 31. Juli 1982 wurde der Beklagte am 1. August 1982 zur Kreisverwaltung ... versetzt und bei der Schutzpolizeiinspektion ... eingesetzt. Am 1. Oktober 1986 wurde der Beamte zum Polizeipräsidium – PP – ... abgeordnet und schließlich am 1. April 1988 dorthin versetzt. Nach einer weiteren Versetzung am 1. April 1989 zur Polizeidirektion – PD – ... verrichtete er dort seinen Dienst bis er am 1. April 1991 wieder zur Kreisverwaltung ... versetzt wurde. Im Rahmen der Neuorganisation der Polizei wurde der Kläger am 1. September 1993 der Kriminalinspektion – KI - 13 des PP ... zugewiesen. Am 1. April 1996 wurde er zur Polizeiinspektion – PI – ... umgesetzt. Für den Zeitraum 1. August 2015 bis 15. Februar 2016 wurde der Beamte der Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der überregionalen Eigentumskriminalität zugewiesen. Danach wurde er wieder bei der PI ... verwendet, bis er am 1. Oktober 2016 zur PI ... umgesetzt wurde.

4

Befördert wurde der Beklagte am 1. Dezember 1985 zum Polizeiobermeister, am 18. Mai 1988 nach seinem Wechsel zur Kriminalpolizei zum Kriminalobermeister, am 26. Mai 1991 zum Kriminalhauptmeister, am 28. April 2003 zum Kriminalkommissar, am 18. Mai 2008 zum Kriminaloberkommissar und am 18. Mai 2013 zum Kriminalhauptkommissar.

5

Am 26. Mai 1988 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen.

6

Der Beklagte ist geschieden und hat zwei Kinder im Alter von 33 und 27 Jahren.

7

In der letzten Anlassbeurteilung zum 18. Mai 2013 wurde der Beklagte mit der Gesamtbewertung „B“ beurteilt.

8

Ausweislich einer Leistungseinschätzung anlässlich des vorliegenden Disziplinarverfahrens vom 23. Mai 2016 durch EPHK ... wurde dem Beklagten eine durchschnittliche Sachbearbeitung im Kriminaldienst bescheinigt. Zudem sei er einer Tätigkeit als Fachlehrer an der ... nachgegangen, die er am 16. August 2014 auf eigenen Wunsch hin beendet habe. In Gesprächen mit Vorgesetzten sei der Beklagte als kritischer Mitarbeiter erschienen, der zuweilen distanzlos sei. Eine weitere Leistungseinschätzung vom 12. Mai 2016 durch KHK ... bestätigte dem Beklagten zum Zeitpunkt seiner Verfehlung im Oktober 2015 eine ordnungsgemäße Erledigung seiner Sachbearbeiteraufgaben.

Strafrechtlich ist der Beklagte wie folgt vorbelastet:

9

Mit Urteil des Amtsgerichts ... vom 15. Februar 2016 (Az. ...), rechtskräftig seit dem 15. Februar 2016, wurde der Beklagte nach Einspruch gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 29. Dezember 2015 wegen des Vergehens der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr, der Gefährdung des Straßenverkehrs sowie des unerlaubten Entfernens vom Unfallort in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 90 € verurteilt. Weiterhin wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und die Einziehung der Führerscheine (Polizeiführerschein und ziviler Führerschein) sowie die Nichterteilung der Fahrerlaubnis vor Ablauf von weiteren elf Monaten wurden angeordnet.

10

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 13. September 2016 (Az. ...), auf Einspruch und Beschwerde beim Landgericht ... gegen den Rechtsfolgenausspruch abgeändert mit Beschluss vom 24. Januar 2017, wurde gegen den Beklagten wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt und Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe i.H.v. 120 Tagessätzen zu je 80 € festgesetzt. Daneben wurde die Verwaltung angewiesen, dem Beklagten vor Ablauf von weiteren 18 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

11

Die Vorwürfe der Strafverfahren sind Gegenstand des Disziplinarverfahrens.

12

Gegen den Beklagten wurde mit Verfügung vom 22. Januar 2015 ein Disziplinarverfahren eingeleitet und es wurde ein Ermittlungsführer bestellt. Ihm wurde zur Last gelegt, am 16. November 2014 gegen 18:05 Uhr in einen Verkehrsunfall in ... verwickelt gewesen zu sein und versucht zu haben, die eingesetzten Polizeibeamten in der Öffentlichkeit zu diskreditieren, um für ihn eine günstige Entscheidung hinsichtlich seines Verschuldens zu erreichen.

13

Der Beklagte wurde über seine Rechte belehrt und ihm wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Hiervon machte er über seinen Verfahrensbevollmächtigten am 31. August 2015 Gebrauch.

14

Das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen wurde unter dem 16. September 2015 erstellt und dem Beklagten zur Kenntnis gegeben. Dem Beamten wurde im Wesentlichen unabhängig von der Frage der Unfallverursachung ein achtungs- und vertrauensunwürdiges Verhalten vorgeworfen. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, weitere Ermittlungen zu beantragen und sich abschließend zu erklären.

15

Eine erste Ausdehnung des Disziplinarverfahrens erfolgte mit Verfügung vom 2. November 2015. Dem Beklagten wurde vorgeworfen, es bestehe der Verdacht, dass er am 23. Oktober 2015 im alkoholisierten Zustand ein Fahrzeug geführt, einen Verkehrsunfall verursacht und Verkehrsunfallflucht begangen habe. Da beim Beklagten bereits im Jahr 2004 eine Alkoholabhängigkeit festgestellt worden sei, bestehe zudem der Verdacht eines Rückfalls in die Alkoholabhängigkeit. Die Vorlage des Vorgangs bei der Staatsanwaltschaft ... wurde angekündigt, weshalb gleichzeitig angeordnet wurde, das Disziplinarverfahren werde für die Dauer des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft ... (Az. ...) ausgesetzt.

16

In der Zeit vom 23. Oktober 2015 bis zum 31. Mai 2016 war der Beklagte dienstunfähig erkrankt. Eine Wiedereingliederung erfolgte vom 1. Juni 2016 bis 14. Juni 2016.

17

Nachdem der Beklagte mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts ... vom 15. Februar 2016 (Az. ...) wegen des Vergehens der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr, der Gefährdung des Straßenverkehrs sowie des unerlaubten Entfernens vom Unfallort in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 90 € verurteilt worden war, wurde das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 18. Februar 2016 fortgesetzt und dem Beklagten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

18

Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 14. März 2016 stellte der Beklagte den Sachverhalt unstreitig und beantragte die Einstellung des Disziplinarverfahrens.

19

Eine weitere Ausdehnung des Disziplinarverfahrens erfolgte mit Verfügung vom 20. Juni 2016. Dem Beklagten wurde vorgeworfen, am 13. Juni 2016 um 12:55 Uhr das auf ihn zugelassene Fahrzeug unter Alkoholeinfluss gesteuert zu haben, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein. Das Disziplinarverfahren wurde gleichzeitig abermals im Hinblick auf die beabsichtigte Weiterleitung des Vorgangs an die Staatsanwaltschaft ... ausgesetzt.

20

Ab dem 15. Juni 2016 bis zum 2. Oktober 2016 war der Beklagte dienstunfähig erkrankt und ab dem 3. Oktober 2016 bis zum 21. November 2016 erfolgte die abermalige Wiedereingliederung bei der PI ...

21

Am 13. September 2016 wurde gegen den Beklagten mit Strafbefehl des Amtsgerichts ... (Az. ...) wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt und Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe i.H.v. 120 Tagessätzen zu je 90 € festgesetzt. Trotz eingelegten Einspruchs am 19. September 2016 gegen diese Entscheidung, wurde das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 28. Oktober 2016 fortgeführt.

22

Dem Beklagten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, woraufhin er mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 24. November 2016 den Sachverhalt unstreitig stellte.

23

Nach einem Fahrradunfall war der Beklagte abermals seit dem 16. November 2016 dienstunfähig erkrankt. Mit Gutachten der ZMU ... vom 8. Februar 2017 wurde dem Beklagten eine aktuelle Dienstunfähigkeit aufgrund orthopädischer Beschwerden diagnostiziert. Alkoholbeeinflussungszeichen wurden im Rahmen der Begutachtung nicht auffällig festgestellt. Es wurde jedoch empfohlen, auch zur weiteren Dokumentation stichprobenartig Alkoholatemtests durchzuführen. Seit dem Frühjahr 2017 leistet er wieder Dienst bei der PI ...

24

Das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen wurde am 3. Januar 2017 erstellt und dem Beklagten mit Schreiben vom 19. Januar 2017 zur Kenntnis gegeben. Mit Schreiben vom 21. März 207 stellte der Beklagte über seine Bevollmächtigten unstreitig, dass er am 13. Juni 2016 bereits während des Dienstes Alkohol konsumiert hat.

25

Über die Möglichkeit, die Mitbestimmung des Personalrates beantragen zu können, wurde der Beklagte unter dem 26. Januar 2017 in Kenntnis gesetzt. Nach entsprechendem Antrag des Beklagten stimmte der Gesamtpersonalrat des Polizeipräsidiums ... der Erhebung der Disziplinarklage zu.

26

Zum wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen nahm der Beklagte über seine Verfahrensbevollmächtigten am 23. Februar 2017 Stellung.

27

Am 14. März 2017 hat der Kläger die vorliegende Disziplinarklage erhoben mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Dienst. Dem Beklagten werden folgende Verfehlungen vorgehalten:

28

1. Am 23. Oktober 2015 durch zwei selbstständige Handlungen vorsätzlich im Verkehr ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug sicher zu führen und er in einem Fall dadurch fahrlässig fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet sowie sich als Unfallbeteiligter nach einem Unfall im Straßenverkehr unerlaubt vom Unfallort entfernt zu haben.

29

Dieser Sachverhalt ergebe sich aus den Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts ... vom 15. Februar 2016 (Az. ...).

30

Aufgrund des geschilderten Verhaltens habe der Beklagte sich achtungs- und vertrauensunwürdig verhalten und gegen die besonderen Pflichten eines Polizeibeamten verstoßen. Wenn es sich bei den Trunkenheitsfahrten auch um einen rein außerdienstlichen Vorgang handle, lasse die Art und Weise, wie ein Beamter am Straßenverkehr teilnehme, Rückschlüsse auf sein Verantwortungsbewusstsein, seine charakterliche Zuverlässigkeit und moralische Integrität zu. Erschwerend sei zu sehen, dass der Beklagte neben den Trunkenheitsfahrten auch eine Gefährdung des Straßenverkehrs und ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort begangen habe. Besonders eine Verkehrsunfallflucht sei regelmäßig ein Zeichen einer verantwortungslosen Haltung eines Kraftfahrers, der sich auf diese Weise der Feststellung seiner Person und einer möglichen Bestrafung entziehe. In der Öffentlichkeit verursache ein solches Verhalten einen äußerst ungünstigen Eindruck. Zugunsten des Beklagten sei zu berücksichtigen, dass seine Steuerungsfähigkeit bzw. sein Hemmungsvermögen im Zeitpunkt des Unfalls erheblich vermindert gewesen sei.

31

2. Am 13. Juni 2016 im Dienst Alkohol konsumiert und nach Dienstende im Verkehr ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug sicher zu führen und die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht gehabt habe.

32

Die dahingehenden Feststellungen ergäben sich aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 13. Juni 2016 (Az. ...).

33

Durch dieses Verhalten habe der Beklagte abermals gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten und insbesondere gegen die besonderen Dienstpflichten eines Polizeivollzugsbeamten verstoßen. Von einem Polizeivollzugsbeamten müsse erwartet werden, dass er im öffentlichen Straßenverkehr nur dann teilnimmt, wenn er im Besitz der entsprechenden Fahrerlaubnis sei. Diese unabwendbare straf- wie dienstrechtliche Voraussetzung zum Führen von Dienstkraftfahrzeugen im Dienst sowie seines Privatfahrzeuges sei dem Beamten auch bekannt und bewusst. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass der Beklagte auch noch erheblich alkoholisiert gewesen sei, sei ein solches Verhalten als besonders ansehensschädigend zu werten und sei generell geeignet für eine schwere Vertrauensbeeinträchtigung hinsichtlich der Dienstausübung des Beamten.

34

Zudem habe der Beklagte gegen seine Dienstpflicht nach § 35 S. 2 BeamtStG i.V.m. der Polizeidienstvorschrift 986 RP bezüglich des Umgangs mit Dienstwaffen und Munition in der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz vom 10. April 2006 verstoßen. Danach sei es verboten, eine Dienstwaffe zu führen, wenn eine sichere Handhabung der Schusswaffe und Munition nicht gewährleistet sei. Dies sei insbesondere nach dem Genuss alkoholischer Getränke der Fall. Dies werde zudem noch durch die Dienstvereinbarung „Suchtprävention, Suchtmittelmissbrauch, Suchtkrankenhilfe“ des PP ... vom 8. Juli 2014 konkretisiert, wonach gemäß § 3 der Konsum von Alkohol und die Einnahmen sonstiger bewusstseinsbeeinträchtigender Substanzen während des Dienstes verboten sei und die 0,0-Promille-Grenze gelte.

35

3. Nach durchgeführter Alkoholtherapie schuldhaft einen Rückfall in die Alkoholabhängigkeit herbeigeführt und trotz der Durchführung einer weiteren Alkoholentziehungstherapie weiterhin dem Alkohol zugesprochen zu haben.

36

Im Jahr 2003 sei es bereits zu mehreren alkoholbedingten Auffälligkeiten beim Beklagten gekommen, weshalb dieser in der Zeit vom 13. Januar 2004 bis 8. März 2004 eine Alkoholentziehungskur in der Fachklinik ... durchgeführt habe. Damals sei er darauf hingewiesen worden, dass er lebenslang absolut alkoholabstinent bleiben müsse. Mit Erklärung vom 2. Juli 2004 habe der Beklagte bestätigt, die erfolgte Belehrung verstanden zu haben. Für die Folgejahre sei von einer Alkoholabstinenz auszugehen. Erstmalig im Oktober 2015 habe sich aufgrund der Trunkenheitsfahrt/Unfallflucht 23. Oktober 2015 und des hohen Alkoholgehalts von über drei Promille der Verdacht ergeben, dass der Beklagte rückfällig geworden sei. Das Gesundheitsamt bei der Kreisverwaltung ... habe mit Gutachten vom 14. Dezember 2015 mitgeteilt, dass beim Beklagten wieder ein Alkoholmissbrauch vorliege und bei bekanntem Abhängigkeitssyndrom wohl von einem Rückfall auszugehen sei. Auf Empfehlung des Gesundheitsamtes habe der Beklagte in der Zeit vom 12. Januar 2016 bis März 2016 in der Privatklinik ... eine Therapie durchgeführt. Am 12. Februar 2016 sei dem Beklagten durch fachärztliches Attest bescheinigt worden, „dass es bis heute keinerlei Rückfälle von Alkoholmissbrauch gegeben habe. Daher sei von einer dauerhaften Abstinenz auszugehen.“

37

Nachdem es bei dem Beklagten zu dem erneuten Vorfall am 13. Juni 2016 gekommen sei, sei der Beklagte ab dem 15. Juni 2016 erneut dienstunfähig erkrankt gewesen. Am 17. Juni 2016 habe er abermals eine stationäre Therapie in der Privatklinik ... angetreten, die bis zum 30. September 2016 angedauert habe.

38

Indem der Beklagte nach erfolgreicher Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2004 im Oktober 2015 erneut massiv Alkohol konsumiert habe, habe er seine Gesunderhaltungspflicht verletzt. Für einen Alkoholkranken, dem die Entstehung seiner Krankheit disziplinarrechtlich nicht vorgeworfen werden könne, bedeute diese Pflicht, dass er alle ihm angebotenen, zumutbaren Möglichkeiten nutzen müsse, um jedenfalls zu versuchen, sich von seiner Trunksucht zu lösen bzw. nach erfolgreicher Entziehungstherapie nicht wieder rückfällig zu werden. Hierzu gehöre, den Griff zum sogenannten „ersten Glas Alkohol“ zu unterlassen. Hiergegen habe der Beklagte im Jahr 2015 verstoßen, indem er schuldhaft in die nasse Phase der Alkoholkrankheit zurückgefallen sei. Dem Beklagten sei aufgrund nachhaltiger Belehrungen bewusst gewesen, dass die Fortsetzung seines Verhaltens in der Regel zur Höchstmaßnahme führe. Aufgrund des erneuten Alkoholkonsums sei der Beklagte über einen nicht unerheblichen Zeitraum erkrankt gewesen und habe eine eingeschränkte Verwendbarkeit nach sich gezogen. Infolgedessen hätten Kollegen dessen polizeiliche Aufgaben übernehmen müssen. Hierdurch habe der Beklagte nachhaltig die Erfüllung der seiner Dienststelle obliegenden Aufgaben erschwert.

39

Mit einem hohen Maß an Fahrlässigkeit, das die Schwelle zum Vorsatz fast erreiche, habe der Beklagte zum sogenannten „ersten Glas“ gegriffen, was ihn erneut in die Abhängigkeit habe abgleiten lassen. Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit des Beklagten lägen nicht vor.

40

Gegen seine Gesunderhaltungspflicht habe er auch deswegen verstoßen, weil er bereits während seines ersten Aufenthalts in der ... (ab dem 12. Januar 2016) erheblich dem Alkohol zugesprochen habe. Dies habe durch den PR ..., der sich ebenfalls ab März 2016 in der Klinik ... befunden habe, bestätigt werden können. Hieraus ergebe sich, dass der Beklagte, nachdem ihm mit fachärztlichem Attest vom 12. Februar 2016 durch ..., Chefarzt Privatklinik ..., Fachklinik für Psychosomatik und klinische Psychotherapie, bestätigt worden sei, dass es keinerlei Rückfälle von Alkoholmissbrauch gegeben habe und von daher von einer dauerhaften Abstinenz auszugehen sei, dass der Beklagte abermals nach Alkoholabstinenz dem Alkohol zugesprochen habe. Diesem Rückschluss stehe nicht entgegen, dass der Beklagte in dieser Klinik aufgrund einer schweren depressiven Episode, bedingt durch die Trennung von seiner Ehefrau, behandelt worden sei. Auch dem einweisenden Arzt sei die Problematik des Beklagten bekannt gewesen, sodass unterstellt werden könne, dass diesem die Beschwerden des Beklagten bekannt gewesen seien.

41

Zu sehen sei auch, dass der Vorgesetzte, Herr Polizeidirektor ..., Leiter der Polizeidirektion ..., am 3. November 2016 mit dem Beklagten ein Gespräch geführt habe. Auf Anregung der Sozialberaterin des PP ... sei dem Beklagten verbindlich aufgegeben worden, sich innerhalb von drei Wochen zu melden, und mitzuteilen, welche Selbsthilfegruppe oder spezifischen Angebote eher zum Zwecke des Erhalts der Alkoholabstinenz wahrnehmen werde. Eine Rückmeldung des Beklagten sei nicht erfolgt.

42

4. Bei einem von ihm verursachten Verkehrsunfall ein achtungs- und vertrauensunwürdiges Verhalten gezeigt zu haben.

43

Am 16. November 2014, gegen 16:05 Uhr, habe der Beklagte in der ... einen Verkehrsunfall verursacht. Durch das Tragen einer Regenjacke mit dem Aufdruck „Polizei“ und unangebrachten Äußerungen sowie Mimik und Gestik gegenüber den den Unfall aufnehmenden Beamten habe er versucht, zu seinen Gunsten Einfluss auf die Verursacherfeststellung zu nehmen und diese zudem zu diskreditieren.

44

Mit diesem Verhalten habe der Beklagte abermals gegen seine allgemeinen und besonderen Dienstpflichten eines Polizeibeamten verstoßen. Aufgrund des Tragens der Polizeijacke habe er sich eindeutig in der Öffentlichkeit als Mitarbeiter der Polizei zu erkennen gegeben. Er habe nicht nur versucht, die Arbeit der aufnehmenden Polizeibeamten zu stören, sondern auch durch unsachliche Äußerungen sie zu diskreditieren und ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Gerade von einem lebensälteren Polizeibeamten müsse gegenüber lebensjüngeren Kollegen ein vorbildliches amtsangemessene Verhalten erwartet werden. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz – GG – komme ihm nicht zugute. Durch das Tragen der Polizeijacke habe er versucht, auf die Verschuldensfrage bei dem Verkehrsunfall Einfluss zu nehmen. Im Übrigen sei der Beklagte unstrittig der Unfallverursacher gewesen.

45

Der Beklagte habe sich durch die angeschuldigten Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem Konsum von erheblichen Mengen an Alkohol eines derart schwerwiegenden Dienstvergehens schuldig gemacht, dass er unter Einbeziehung seines Persönlichkeitsbildes das Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren habe. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass bei einem Beamten, der nach einer erfolgreichen Entziehungstherapie leichtfertig einen Rückfall in die Alkoholabhängigkeit herbeigeführt habe, die Entfernung aus dem Dienst zu betreiben sei. Belastend seien die drei Trunkenheitsfahrten mit der Unfallflucht und dem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu sehen. Es habe nicht nur eine bloße einmalige Entgleisung vorgelegen. Vielmehr liege eine mangelnde Bereitschaft zu pflichtgemäßem und verantwortungsbewusstem Handeln vor. Der Beklagte habe sich durch die strafrechtliche Verurteilung und die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht beeindrucken lassen. Dabei komme dem Beklagten nicht die verminderte Schuldfähigkeit mildernd zugute, da es sich um die Verletzung einer leicht einsehbaren Verhaltenspflicht handele. Da der Beklagte zudem nach seinem Rückfall im Jahr 2015 zwei stationäre Therapien durchgeführt habe, er jedoch nachweislich bereits während der ersten Therapie Alkohol konsumiert habe und diese als mehr oder weniger erfolglos angesehen werden müsse, sei die Prognose insgesamt als negativ zu bewerten, was für die Höchstmaßnahme spreche. Auch das Verhalten unter dem Anschuldigungspunkt 4. bestätige die Überheblichkeit des Beamten und die mangelnde Einsicht in eigenes Fehlverhalten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

48

Der Beklagte beantragt,

49

auf eine mildere Maßnahme zu erkennen.

50

Er trägt vor, er räume die Vorfälle vom 16. November 2014, 23. Oktober 2015 und vom 13. Juni 2016, so wie sie in der Klageschrift dargestellt seien, ein. Er bedauere dies sehr. Im Rahmen der daraus gezogenen Schlussfolgerungen sei jedoch nicht berücksichtigt worden, dass das Zerwürfnis und die Auseinandersetzungen mit seiner Ehefrau, die letztlich zur Trennung und im Mai 2015 zur Scheidung geführt hätten, bei ihm eine schwere seelische Lebenskrise ausgelöst hätten. Ihm sei dabei klargeworden, dass er diese aus eigener Kraft nicht werde überwinden können. Diese Einsicht und nicht die Empfehlung des Gesundheitsamtes vom 4. Dezember 2015 habe ihn dazu bewogen, im Januar bis März 2016 eine stationäre Therapie in der Privatklinik ... zu durchlaufen. Dort sei keine Entziehungstherapie durchgeführt worden.

51

Es habe seit dem Jahr 2004 keinerlei dienstlichen Beanstandungen gegeben. In seiner letzten Beurteilung vom April 2015, die die Gesamtbewertung „B“ aufweise, sei besonders seine Funktion als Dozent im Bereich Psychologie/Soziologie, Kriminalistik und Kriminologie hervorgehoben worden. Nach der Beurteilung der ... in ... hätten seine Eignung, Befähigung und fachliche Leistung während des gesamten Verwendungszeitraums von 2010 bis 2014 die Anforderungen erheblich übertroffen. Nach dem Unfall habe er sich wegen einer depressiven Episode und nicht zum Zwecke der Durchführung einer Entziehungstherapie zur Behandlung in die Privatklinik begeben. Die Aussage des PR ..., dass er gegen Ende der Therapie alkoholisiert gewesen sei, sei schlicht falsch. Infolgedessen treffe auch die Schlussfolgerung des Klägers hieraus nicht zu. Der Aussage des Zeugen stehe auch eklatant das fachärztliche Attest der Privatklinik vom 12. Februar 2016 entgegen. Von einem Rückfall könne von daher keine Rede sein.

52

Weder die Fachklinik ... noch die Privatklinik ... hätten bei ihm eine Alkoholabhängigkeit festgestellt oder bestätigt. Eine solche sei auch im Rahmen der Untersuchung durch die ZMU in ... am 27. Januar 2017 nicht festgestellt worden. Auch bei der weiteren Therapie nach dem Vorfall vom 13. Juni 2016 in der Privatklinik ... vom 17. Juni bis 13. September 2016 habe es keine Feststellungen über eine Alkoholabhängigkeit gegeben.

53

Es treffe nicht zu, dass er anlässlich des Gesprächs am 3. November 2016 keine entsprechenden Maßnahmen in die Wege geleitet habe. Er habe die Sozialberater des PP ... über die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe der Diakonie ... informiert. Außerdem sei dem Dienstherrn bekannt, dass er an der Patientenbegleitung „Gesunde Seele“ der ... GmbH teilnehme und dass ihm aufgrund eines Psychotherapie–Gutachtens 45 psychotherapeutische Sitzungen genehmigt worden seien, die er in der Praxis ... in ... wahrnehme. Er sei aus eigenem Interesse und Antrieb stark bemüht, sein seelisches Gleichgewicht wiederzugewinnen und seine volle Dienstfähigkeit wieder zu erlangen.

54

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Personal- und Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

55

Der Beklagte hat sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht, welches unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Umfangs, in dem er seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat sowie unter angemessener Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes die Entfernung aus dem Dienst erforderlich macht (§§ 3 Abs. 1 Nr. 5, 8, 11 des Landesdisziplinargesetzes – LDG –). Eine mildere Maßnahme kommt nicht in Betracht.

56

Das der Klageerhebung vorangegangene Disziplinarverfahren ist ordnungsgemäß durchgeführt worden. Insbesondere wurden innerhalb der Frist des § 64 LDG keine wesentlichen Mängel des behördlichen Verfahrens oder der Klageschrift geltend gemacht. Solche sind auch nicht erkennbar.

57

In der Sache steht fest, dass der Beklagte sich eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht hat. Nach § 47 Beamtenstatusgesetz vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I. S. 160) – BeamtStG – begeht der Beamte ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Zu den elementaren und im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes unabdingbaren Verhaltensgeboten gehört die sich aus § 34 BeamtStG ergebende Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz dem Beruf zu widmen (S. 1) sowie die Pflicht, sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (S. 2). Zudem sind Polizeibeamte nach § 115 Landesbeamtengesetz vom 20. Oktober 2010 (GVBl. S 319), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Juni 2015 (GVBl. S. 90) – LBG – im Besonderen verpflichtet, das Ansehen der Polizei zu wahren und sich rückhaltlos für den Schutz der öffentlichen Sicherheit einzusetzen. Nach § 35 S. 2 BeamtStG sind Beamte darüber hinaus verpflichtet, dienstliche Anordnungen der Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Gegen diese Dienstpflichten hat der Beklagte in einem solchen Maß verstoßen (I.), dass seine Entfernung aus dem Dienst unausweichlich ist (II.).

I.

58

Seiner Würdigung legt das Gericht folgenden Sachverhalt zugrunde:

1. Rückfall in die nasse Phase

59

Im Jahr 2003 kam es zu mehreren alkoholbedingten Auffälligkeiten beim Beklagten, weshalb dieser in der Zeit vom 13. Januar 2004 bis 8. März 2004 eine Alkoholentziehungskur in der Fachklinik ... durchführte. Das Gesundheitsamt ... teilte mit Gutachten vom 1. Juni 2004 mit, dass das Therapieziel der Behandlung der Alkoholsuchterkrankung nicht optimal erreicht sei, dennoch von einer uneingeschränkten Polizeidienstfähigkeit auszugehen sei. Der Beamte sei glaubhaft alkoholabstinent. Zur Erhaltung der Polizeidienstfähigkeit würden jedoch die regelmäßige Teilnahme an einer Alkoholselbsthilfegruppe sowie regelmäßige Gespräche in der Sozialbetreuung des Polizeipräsidiums empfohlen. Ebenso werde für den Fall einer weiteren Alkoholabstinenz eine ambulante psychotherapeutische Behandlung empfohlen. Mit Schreiben vom 18. Juni 2004 wurde der Beklagte auf das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung hingewiesen und aufgefordert, die empfohlenen Maßnahmen durchzuführen und regelmäßig zu bescheinigen. Darüber hinaus wurde der Beklagte auf seine Dienstpflichten hingewiesen und über die Konsequenzen eines Rückfalls in die Alkoholabhängigkeit belehrt. Er müsse lebenslang absolut alkoholabstinent bleiben. Mit Erklärung vom 2. Juli 2004 bestätigte der Beklagte, die erfolgte Belehrung zur Kenntnis genommen und verstanden zu haben. Im Rahmen einer Nachuntersuchung teilte das Gesundheitsamt des ... mit Gutachten vom 21. März 2005 mit, dass sich der Verlauf beim Beklagten weiterhin günstig gestalte und er aufgrund dessen weiterhin uneingeschränkt dienstfähig sei. In den Jahren 2011 bis 2014 traten keine alkoholbedingten Auffälligkeiten auf. Es erfolgten weitere amtsärztliche Untersuchungen, die jedoch Erkrankungen aus dem orthopädischen Formenkreis betrafen.

60

Nach einer Trunkenheitsfahrt in Verbindung mit einer Unfallflucht am 23. Oktober 2015 mit einem Alkoholgehalt von über drei Promille wurde der Beklagte am 28. Oktober 2015 amtsärztlich untersucht. Das Gesundheitsamt bei der Kreisverwaltung ... stellte mit Gutachten vom 14. Dezember 2015 fest:

61

1. Es besteht ein Alkoholmissbrauch ICD 10.11.2010.01 bei bekanntem Abhängigkeitssyndrom in der Vorgeschichte, aktuell wohl Rückfall.

62

2. Seiner bisherigen Tätigkeit kann der Untersuchte weiterhin nachgehen ohne Führen einer Dienstwaffe und ohne Schichtdienst.

63

3. Zumindest bis zur erfolgreich durchgeführten erneuten alkoholsuchtspezifischen Therapie.

64

4. Zur Erhaltung/Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit ist aus amtsärztliche Sicht eine erneute alkoholsuchtspezifische Therapie möglichst stationär erforderlich sowie die regelmäßige Betreuung durch Ihre ... Regelmäßige Kontrolle der alkoholspezifischen Leberwerte alle 2-3 Monate wird empfohlen...

65

5. Nachuntersuchung nach erfolgter Alkoholsuchttherapie spätestens nach Ablauf von einem Jahr.

66

Bereits am 10. November 2015 hatte der Beklagte sich zur stationären Behandlung in das ... Klinikum ... begeben. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 wurde der Beklagte durch den Kläger aufgefordert, die vom Gesundheitsamt geforderten Maßnahmen durchzuführen und entsprechende Anträge bei der Beihilfestelle und der privaten Krankenversicherung bis zum 10. Januar 2016 vorzulegen. In der Zeit vom 12. Januar 2016 bis März 2016 führte der Beklagte in der Privatklinik ... eine weitere Therapie durch. Am 12. Februar 2016 wurde dem Beklagten von dort durch fachärztliches Attest bescheinigt, dass es „bis heute keinerlei Rückfälle von Alkoholmissbrauch gegeben habe. Daher sei von einer dauerhaften Abstinenz auszugehen.“

67

Mit Schreiben vom 2. Juni 2016 wurde der Beklagte aufgefordert, sich nach Durchführung der stationären Behandlung in der Privatklinik ..., ..., entsprechend dem letzten amtsärztlichen Gutachten vom 14. Dezember 2015 einer erneuten amtsärztlichen Nachuntersuchung bei der Kreisverwaltung ... in ... zu stellen.

68

Am 13. Juni 2016 kam es in ... erneut zu einer Trunkenheitsfahrt mit 1,52 Promille und zum Fahren ohne Fahrerlaubnis. Das Gesundheitsamt wurde mit Schreiben vom 1. August 2016 über diesen Umstand sowie darüber, dass die Lebensgefährtin des Beklagten gegenüber der Dienststelle angegeben habe, dass der Beklagte weiterhin trinke und mit seinem Pkw unterwegs sei, informiert. Unmittelbar nach diesem Vorfall unterzog der Beklagte sich ab dem 17. Juni 2016 einer abermaligen stationären Behandlung in der Privatklinik ..., ... Anberaumte Untersuchungstermine beim Gesundheitsamt verschob der Beklagte jeweils unter Hinweis auf seine stationäre Behandlung.

69

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der dem Gericht vorliegenden Personal- und Disziplinarakten und wird vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.

70

Durch dieses Verhalten hat der Beklagte gegen seine sich aus § 34 S. 1 BeamtStG ergebende Dienstpflicht verstoßen. Danach hat sich der Beamte mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen. Hieraus folgt die Verpflichtung, seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. In Erfüllung dieser Pflicht obliegt es dem Beamten, die Arbeitskraft nicht nur im Interesse des Dienstherrn bestmöglich zu erhalten, sondern auch, sofern sie beschränkt oder gar verloren gegangen sein sollte, schnellstmöglich wiederherzustellen (Gesunderhaltungs- und Gesundheitswiederherstellungspflicht). Was der Beamte in Ansehung seiner allgemeinen dienstrechtlichen Gesunderhaltungspflicht zu tun oder zu unterlassen hat, bestimmt sich danach, in welchem gesundheitlichen Zustand er sich befindet und – sofern das Amt besondere weitergehende Gesunderhaltungspflichten auferlegt – was die an den Beamten gestellten (auch speziellen) dienstlichen Anforderungen von ihm abverlangen. Mangelnde Gesunderhaltung bedeutet die Herabsetzung bzw. Zerstörung und/oder mangelndes Bemühen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit. Für einen alkoholkranken Beamten, dem die Entstehung seiner Krankheit disziplinarrechtlich nicht vorgeworfen werden kann, bedeutet dies, dass er alle ihm angebotenen, zumutbaren Möglichkeiten nutzen muss, um jedenfalls zu versuchen, sich von seiner Sucht zu lösen bzw. nach erfolgter Entziehungstherapie nicht wieder rückfällig zu werden. Im Zusammenhang mit einer Alkoholerkrankung gehört es deswegen zu den konkreten Pflichten des Beamten, nach einer Alkoholentziehungstherapie den Griff zum sogenannten „ersten Glas Alkohol“ zu unterlassen, da jeglicher Genuss von Alkohol nach einer Entziehungstherapie das Verlangen nach weiterem Alkohol wieder aufleben lässt und erfahrungsgemäß in die nasse Phase der Alkoholabhängigkeit zurückführen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2001 – 1 D 64/00 –; OVG Lüneburg, Urteil vom 18. Mai 2010 – 20 LD 13/08 –).

71

Hat ein Beamter erfolgreich eine Therapie absolviert, was mangels Heilbarkeit einer solchen Erkrankung nur die Fähigkeit bedeutet, ohne Alkohol leben zu können, hat er die weitere Pflicht, einen Rückfall in die Alkoholsucht nach besten Kräften zu vermeiden. Dies bedeutet, dass er absolut abstinent bleiben muss. Nimmt er ungeachtet dessen wieder Alkohol zu sich, kann hierin wiederum ein Dienstvergehen liegen. Die Rechtsprechung stellt angesichts der tatsächlichen Unwägbarkeiten einer derartigen Situation relativ strenge Anforderungen. Von einem disziplinarrechtlich relevanten Rückfall in die nasse Phase kann daher erst dann ausgegangen werden, wenn eine Entziehungskur den Beamten in die Lage versetzt hat, der Gefahr eines Rückfalls in die Alkoholabhängigkeit mit Erfolg zu begegnen, die erneute Alkoholabhängigkeit negative Auswirkungen auf den dienstlichen Betrieb hat und der Beamte nach dem Abschluss der Entwöhnungsbehandlung über die disziplinarrechtlichen Folgen eines Rückfalls belehrt worden ist (BVerwG Urteil vom 9. Januar 1980, 1 D 40.79 in NJW 1980, 1347).

72

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die vom Beklagten im Jahr 2004 absolvierte Entziehungskur sowie die nachfolgend durchgeführten therapeutischen Maßnahmen und die Teilnahme an Selbsthilfegruppen haben ihn in die Lage versetzt, der Gefahr eines Rückfalls in die Alkoholabhängigkeit mit Erfolg zu begegnen. Ob sich ein Therapieerfolg tatsächlich eingestellt hatte, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles und lässt sich nur rückblickend aufgrund aufschlussgebender Anhaltspunkte (Indizien) feststellen, da selbst eine ärztlich–therapeutische Abschlussbegutachtung für die Zeit nach der Entziehungskur nur immer eine (Zukunfts-) Prognose sein kann, die sich bewahrheitet oder nicht. Demgemäß gelten als wichtige Indizien für den Erfolg einer Entziehungskur, wie sich der Verlauf und das Ergebnis der Therapie darstellen sowie die Dauer der anschließenden Abstinenzphase. Zwar kann sich der Erfolg einer Therapie nicht aus einer bestimmten, zeitlich festgelegten Dauer alkoholischer Enthaltsamkeit erschließen (BVerwG, Urteil vom 10. Januar 1984 – 1 D 13.83 –, vom 16. Juni 1992 – 1 D 76.90 –, Urteil vom 11. März 1997 – 1 D 68.95 –, Urteil vom 5. Mai 1998 – 1 D 40.96 –, juris). Dennoch kann eine Abstinenzzeit von etwa drei Monaten bereits als Indiz für einen Therapieerfolg gelten, wenn keine Umstände vorliegen, die gegen einen Erfolg der Kur sprechen (BVerwG, Urteil vom 21. Juli 1986 – 1D 137.84 –, Urteil vom 15. März 1994 – 1D 42.93 –, juris).

73

Dem Beklagten ist vorliegend zwar darin beizupflichten, dass ihm mit Gutachten des Gesundheitsamtes ... vom 1. Juni 2004 lediglich bescheinigt wurde, dass das Therapieziel der Behandlung der Alkoholsuchterkrankung nicht optimal habe erreicht werden können. Dennoch wurde dem Beklagten eine uneingeschränkte Polizeidienstfähigkeit attestiert und im Rahmen der Nachuntersuchung teilte das Gesundheitsamt mit Gutachten vom 21. März 2005 mit, dass sich der Verlauf bei dem Beklagten weiterhin günstig gestalte und er aufgrund dessen uneingeschränkt dienstfähig sei. Diese positive Zukunftsprognose hat sich im Fall des Beklagten nachfolgend in der Dauer der anschließenden Abstinenzphase indiziell manifestiert. Nach Lage der Akten ist davon auszugehen, dass der Beklagte nach der durchgeführten Therapie fast zehn Jahre lang abstinent war. In dieser Zeit war er durchgehend in der Lage, seinen Dienst ordnungsgemäß zu verrichten und alkoholbedingte Auffälligkeiten waren nicht zu verzeichnen, sodass unschwer von einem Therapieerfolg auszugehen ist. Sofern der Beklagte im Klageverfahren andeutungsweise anklingen lässt, dass bei ihm zu keinem Zeitpunkt eine Alkoholabhängigkeit vorgelegen habe, alternativ ein Erfolg der Therapie nicht eingetreten sei, so ist diese Behauptung vor dem Hintergrund der geschilderten Sachlage völlig lebensfremd und daher nicht belastbar.

74

Der Beklagte wurde zudem über die disziplinarrechtlichen Folgen eines Rückfalls mit Schreiben vom 18. Juni 2004 belehrt, wobei er unterschriftlich am 2. Juli 2004 erklärte, die Belehrung über die ihm unter Umständen drohende Entfernung aus dem Dienst im Falle eines Rückfalls in die Alkoholabhängigkeit und dadurch bedingte Beeinträchtigungen der Dienstleistung, verstanden zu haben.

75

Schließlich hatte im Fall des Beklagten der Rückfall auch Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Dieser bestand vorliegend nicht nur darin, dass der auch dienstlich mit dem Führen von Kraftfahrzeugen betraute Beklagte sich infolge des Rückfalls mehrerer Straßenverkehrsdelikte – wie noch auszuführen sein wird – schuldig gemacht hat mit der Folge, dass ihm die Fahrerlaubnisse (privat und dienstlich) entzogen wurden, sondern auch darin, dass der Beklagte sich ausweislich des Gutachtens des Gesundheitsamtes beim ... vom 14. Dezember 2015 zur Erhaltung/Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit einer erneuten alkoholsuchtspezifischen Therapie sowie der regelmäßigen Kontrolle der alkoholspezifischen Leberwerte unterziehen sollte und er nachfolgend über Monate auch dienstunfähig war. Schließlich wurde ausweislich des Gutachtens das Führen einer Dienstwaffe aufgrund des bestehenden Alkoholmissbrauchs ausgeschlossen.

76

Liegt mithin ein disziplinarrechtlich relevanter „Rückfall“ in die nasse Phase und damit ein Verstoß gegen § 34 S. 3 BeamtStG vor, geht damit gleichzeitig eine Verletzung der Gehorsamspflicht nach § 35 S. 2 BeamtStG einher, da der Beklagte gegen die ihm am 18. Juni 2004 aufgegebene besondere Pflichtenstellung verstoßen hat.

77

Die Kammer vermag darüber hinaus jedoch in dem mutmaßlich feststehenden Alkoholgenuss des Beklagten während der Behandlung in der Privatklinik ... im Frühjahr 2016 keinen weitergehenden „Rückfall in die nasse Phase“ festzustellen, da die genannten Voraussetzungen zur Annahme eines solchen nach Maßgabe der oben genannten Kriterien offensichtlich nicht als erfüllt anzusehen sind. Dies gilt insbesondere da im Hinblick auf diesen Zeitraum unschwer nicht von einer erfolgreichen Therapie ausgegangen werden kann. Der angeregten Beweisaufnahme musste von daher auch nach Amtsermittlungsgrundsätzen nicht nachgegangen werden, denn selbst bei Richtigkeit des dahingehenden Vortrages wäre der Tatbestand des Rückfalls nicht erfüllt.

78

Der Beklagte hat seine Dienstpflichten vorsätzlich verletzt. Bei der Frage der Schuld geht es um die dienstrechtliche Schuld und nicht um die persönliche Lebensführungsschuld, die als solche disziplinarrechtlich irrelevant ist. Nicht entscheidend ist das Maß an Verschulden gegen sich selbst, sondern allein das Maß an Verschulden gegenüber dem Dienstherrn, mit dem der Beamte aus dem Beamtenverhältnis als ein Dienst- und Treueverhältnis verbunden ist. Ein derart objektivierbares Verschulden wird gemessen an den infolge des pflichtwidrigen Verhaltens eingetretenen dienstlichen Auswirkungen. Erst diese disziplinarrechtliche Relevanz macht eine Verletzung der Gesunderhaltungspflicht dann auch vorwerfbar (vgl. Weiss, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, Stand Februar 2017, Rn. 27 zu J 665 m.w.N aus der Rspr.).

79

Vorliegend wusste der Beamte aufgrund seiner Alkoholerkrankung, dass er zur Erhaltung der Dienstfähigkeit unbedingt alkoholabstinent leben musste und er hat in Kenntnis der drohenden dienstrechtlichen Folgen bewusst hiergegen verstoßen. Dabei ist es unerheblich, ob der Beklagte zu der Zeit des Griffes zum ersten Glas die Scheidungsabsicht seiner Ehefrau eröffnet bekommen hat. Denn wenn er daraufhin das Bedürfnis verspürte, Alkohol zu sich zu nehmen, hätte er sich dem primär widersetzen müssen, zumindest hätte er darauf bedacht sein müssen, dies im zeitlichen Abstand zu seinem Dienst zu tun. Auf gar keinen Fall hätte er ein Fahrzeug im Straßenverkehr führen dürfen und dies erst Recht nicht, nachdem ihm bereits die Fahrerlaubnis entzogen war. Dem Beklagten ist infolgedessen ein vorsätzliches Verhalten vorzuhalten, da er in Kenntnis der dienstrechtlichen Auswirkungen gehandelt hat.

80

Anhaltspunkte für eine etwaige Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) liegen nicht vor. Alkohol allein hat keine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit oder gar eine Schuldunfähigkeit zur Folge. Erst wenn die Erkrankung zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat, könnten diese Folgen in Betracht kommen (BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1993 – 1D 31. 92 –, juris). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, was sich unschwer auch aus der Erklärung des Verteidigers des Beklagten im Strafverfahren vor dem Amtsgericht ... (...) ergibt, mit der dieser ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Steuerungsfähigkeit des Mandanten zum Tatzeitpunkt der Trunkenheitsfahrt und der Verkehrsunfallflucht nicht aufgehoben gewesen sei (Bl. 127 Strafakte). Ob dem Beklagten eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB im Zeitpunkt des Rückfalls zugutegehalten werden kann, kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben, da eine solche die Schuldhaftigkeit des Handelns des Beklagten nicht ausschließt, sondern allenfalls im Rahmen der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden kann, wie noch auszuführen sein wird.

2.

81

Am 23. Oktober 2015 hat der Beklagte durch zwei selbstständige Handlungen vorsätzlich im Verkehr ein Fahrzeug geführt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Darüber hinaus hat er in einem Fall dadurch fahrlässig fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet und sich als Unfallbeteiligter nach einem Unfall im Straßenverkehr unerlaubt vom Unfallort entfernt.

82

Die dahingehenden Feststellungen ergeben sich aus den Gründen des Urteils des Amtsgerichts ... vom 15. Februar 2016 (Az. ...):

„Fall 1:

83

Am 23.10.2015 gegen 13 Uhr fuhren Sie mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen ..., zur ... Tankstelle in der ..., obwohl Sie aufgrund vorangegangenen Alkoholgenusses absolut fahruntüchtig waren. Dabei war Ihre alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit für sie unübersehbar.

Fall 2:

84

Nachdem Sie ihren Pkw betankt und an der Kasse der Tankstelle bezahlt hatten, stiegen Sie gegen 13:10 Uhr erneut in ihr Fahrzeug ein mit dem Wissen, aufgrund des vorangegangenen Alkoholkonsums absolut fahruntüchtig zu sein. Als Sie losfuhren und die Tankstelle verließen, mussten Sie an dem Pkw des Zeugen ... vorbeifahren. Infolge Ihrer alkoholbedingten verminderten Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit streiften Sie den Pkw des Zeugen im hinteren Bereich der Fahrerseite. Obwohl Sie den Unfall wahrnahmen, verließen Sie die Unfallstelle, ohne sich um den Schaden zu kümmern und die erforderlichen Feststellungen durch die Geschädigten zu ermöglichen. An dem Fahrzeug des Zeugen ... entstand ein Sachschaden i.H.v. 2381,07 Euro.

85

Die bei Ihnen festgestellte Blutalkoholkonzentration betrug um 17 Uhr 3,12 Promille.

86

Sie haben sich durch Ihr Verhalten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.

87

Vergehen, strafbar gemäß §§ 316 Abs. 1 (vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr), 315c Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. Abs. 3 Nr. 1, 142 Abs. 1 Nr. 1, 21, 69, 69a (Entziehung der Fahrerlaubnis), 52, 53, 54 StGB.“

88

Diese tatsächlichen Feststellungen sind im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalte zum Gegenstand hat, bindend (§ 16 Abs. 1 Satz 1 LDG). Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Aufklärung eines sowohl strafrechtlich als auch disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalts sowie die Sachverhalts– und Beweiswürdigung primär den Strafgerichten zu überlassen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass tatsächliche Feststellungen, die ein Gericht auf der Grundlage eines Strafprozesses mit seinen besonderen rechtsstaatlichen Sicherungen trifft, eine erhöhte Gewähr der Richtigkeit bieten. Daher haben die Verwaltungsgerichte die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils ihrer Entscheidung ungeprüft zugrunde zu legen, soweit die Bindungswirkung reicht. Die Bindungswirkung entfällt nur, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen offenkundig unrichtig sind (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 3.12 -, juris). Für eine dahingehende Annahme bestehen keine Anhaltspunkte, zumal der Beklagte den Vorwurf uneingeschränkt einräumt.

89

Durch die Trunkenheitsfahrt, die Unfallverursachung und die nachfolgende Verkehrsunfallflucht hat der Beklagte außerhalb des Dienstes in disziplinarrechtlich beachtlicher Art und Weise gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 S. 3 BeamtStG) verstoßen. Danach ist der Beamte grundsätzlich verpflichtet, ein Leben im Einklang mit den Gesetzen zu führen und insbesondere nicht strafrechtlich in Erscheinung zu treten. Außerdienstliches Verhalten kann den Pflichtenkreis des Beamten jedoch nur berühren, wenn es die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit betrifft und dadurch mittelbar dienstrechtliche Relevanz erlangt. Das Vertrauen der Bürger, dass der Beamte dem Auftrag gerecht wird, als Repräsentant des demokratischen Rechtsstaates eine unabhängige, unparteiliche und gesetzestreue Verwaltung zu sichern, darf der Beamte auch durch sein außerdienstliches Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, Urteil vom 30. August 2000 – 1 D 37.99 –, juris). Als Dienstvergehen ist das außerdienstliche Verhalten von Beamten gemäß § 47 Abs. 1 S. 2 BeamtStG dabei nur zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 20. Juli 1967 (BGBl. I S. 725) reicht bei außerdienstlichen Verfehlungen nicht bereits die Pflichtverletzung selbst zur Annahme eines Dienstvergehens aus; und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch eine Straftat begangen worden ist (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 – 2 C 83.08 –, juris). Hinzutreten müssen weitere, auf die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung bezogene Umstände. Nur soweit es um die Wahrung des Vertrauens der Bürger in die Integrität der Amtsführung und damit in die künftige Aufgabenwahrnehmung geht, vermag das durch Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz – GG – geschützte Interesse an der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums die im privaten Bereich des Beamten wirkenden Grundrechte einzuschränken (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2004 – 2 BvR 52.02 –, juris). Unterhalb dieser Schwelle erwartet der Gesetzgeber von Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten mehr als von jedem anderen Bürger (BT-Drs. 16/7076 S. 117 zum BBG sowie BT-Drs. 16/4027 S. 34 zum BeamtStG).

90

Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (BVerfG, Beschluss vom 19. Februar 2003 – 2 BvR 1413.01 –, juris). Dabei kommt vorsätzlichen Straftaten eine besondere Bedeutung zu (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 –, juris). Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt im statusrechtlichen Sinne aufweist (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 – 2 C 25/14 –, juris).

91

Die vorliegend in Rede stehenden Straftaten weisen einen engen Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit – insbesondere auch für schutzbedürftige Personen – eine besondere Vertrauens– und Garantenstellung (BVerwG, Urteile vom 8. Mai 2001 – 1 D 20.00 – und vom 25. Juli 2013 – 2 C 63.11 –, juris). Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn der Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstrafen – insbesondere auch zulasten von Unfallbeteiligten – begeht. Der Allgemeinheit wäre es nicht vermittelbar, dass ein Polizeibeamter alkoholisiert am Straßenverkehr teilnimmt, in dieser Situation fremdes Eigentum beschädigt und sodann durch sein Entfernen vom Unfallort die Feststellung seiner Unfallbeteiligung verhindert. Ein derart strafbares Verhalten beeinträchtigt das Vertrauen in die pflichtgemäße Amtserfüllung eines Polizeibeamten, insbesondere dann, wenn ihm – wie vorliegend – das Führen eines Kraftfahrzeuges auch als Dienstaufgabe obliegt.

92

Dem Beklagten ist ein vorsätzliches Verhalten in Bezug auf die Trunkenheitsfahrt und die Unfallflucht sowie fährlässiges in Bezug auf die Gefährdung des Straßenverkehrs vorzuwerfen. Die dahingehenden Feststellungen ergeben sich ebenso aus den Gründen des Amtsgerichts ... vom 15. Februar 2016 (Az. ...). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Schuldausschlussgrundes sind insbesondere wegen der Einlassung des Beklagten im Strafverfahren – wie bereits oben ausgeführt – nicht ersichtlich.

3.

93

Am 13. Juni 2016 hat der Beklagte im Dienst bereits Alkohol konsumiert und nach Dienstende im Verkehr ein Fahrzeug geführt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen und die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte. Die dahingehenden Feststellungen ergeben sich aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 13. Juni 2016 (...).

94

„Ihnen wird nach dem von der Staatsanwaltschaft ermittelten Sachverhalt zur Last gelegt,

95

am 13.06.2016 gegen 12:55 Uhr

96

in ...

97

durch dieselbe Handlung

98

im Verkehr ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl Sie infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage waren, das Fahrzeug sicher zu führen und

99

ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, obwohl sie die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatten.

100

Nach einem reichlichen Alkoholgenuss nahmen Sie, ohne die erforderliche Fahrerlaubnis zu haben, mit dem Pkw BMW, amtliches Kennzeichen ..., am öffentlichen Straßenverkehr teil. Dabei war ihre alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit für sie unübersehbar. Zuletzt befuhren Sie die ... und ...

101

Die bei Ihnen festgestellte Blutalkoholkonzentration betrug um 14:30 Uhr 1,52 Promille. Sie haben sich durch Ihr Verhalten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.

102

Vergehen strafbar gemäß §§ 316 Abs. 1 (vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr), 69, 69a (Entziehung der Fahrerlaubnis), 52 StGB, 21 Abs. 1 StVG.“

103

Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafbefehl kommt zwar keine Bindungswirkung im Sinne von § 16 Abs. 1 LDG zu (BVerwG, Urteil vom 21. April 2016 – 2 C 4/15 –, Urteil vom 29. März 2012 – 2 A 11.10 – juris), denn nur solche tatsächlichen Feststellungen liefern eine sichere Entscheidungsgrundlage für ein Disziplinarverfahren, die aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen in einer Hauptverhandlung vor Gericht und nach richterlicher Beweiswürdigung getroffen worden sind, was bei einem Strafbefehl nicht der Fall ist. Solche können jedoch, insbesondere wenn der Beamte – wie hier - den Feststellungen im Strafbefehl nicht entgegengetreten ist, nach Maßgabe des § 16 Abs. 2 LDG als solche aus „einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren“ dem Disziplinarverfahren zugrunde gelegt werden. Davon macht das Gericht Gebrauch.

104

Danach steht abermals fest, dass der Beklagte durch ein weiteres außerdienstliches und disziplinarrechtlich relevantes Fehlverhalten gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen hat. Insbesondere das Fahren ohne Fahrerlaubnis beeinträchtigt das Vertrauen in die pflichtgemäße Amtserfüllung eines Polizeibeamten.

105

Zudem hat der Beklagte gegen seine Dienstpflicht nach § 35 S. 2 BeamtStG i.V.m. der Polizeidienstvorschrift 986 RP bezüglich des Umgangs mit Dienstwaffen und Munition in der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz vom 10. April 2006 und die Dienstvereinbarung „Suchtprävention, Suchtmittelmissbrauch, Suchtkrankenhilfe“ des PP ... vom 8. Juli 2014, wonach gemäß § 3 der Konsum von Alkohol und die Einnahmen sonstiger bewusstseinsbeeinträchtigender Substanzen während des Dienstes verboten sind und die 0,0-Promille-Grenze gilt, verstoßen.

106

Dem Beamten ist auch hinsichtlich dieser Pflichtverletzung - wie auch bereits das Amtsgericht ... festgestellt hat – ein vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen.

4.

107

Am 16. November 2014, gegen 16:05 Uhr, war der Beklagte in der ... in ... in einen Verkehrsunfall verwickelt. Er zog eine bis zur Hüfte gehende, neongelbe Regenjacke ohne Landeswappen, mit einem reflektierenden Aufdruck „Polizei“ im Brustbereich über die Zivilkleidung an. Bei Eintreffen der aufnehmenden Polizeibeamten äußerte der andere Unfallbeteiligte, der gehemmt und unsicher wirkte, unmittelbar, dass er den Unfall verursacht habe. Nach den Schilderungen beider Unfallbeteiligten und der Inaugenscheinnahme der Unfallspuren stand jedoch für die aufnehmenden Polizeibeamten fest, dass der Beklagte der Unfallverursacher sei. Die Polizeibeamten versuchten, den Beklagten zu belehren, woraufhin dieser den Beamten direkt ins Wort fiel und wörtlich äußerte: „Nein, das werden Sie nicht tun.“ Die PK` in ... wiederholte daraufhin den Vorwurf und die Belehrung. Der Beklagte versuchte abermals, sie zu unterbrechen und äußerte: „Das werden Sie garantiert nicht tun, ich war Verkehrsrechtsdozent.“ Durch den anwesenden PK ... wurde der Beklagte abermals auf die Situation hingewiesen, woraufhin der Beklagte fragte, wen er in Verkehrsrecht gehabt habe. Nachdem dieser ihm geantwortet hat, dass dies nichts zur Sache tue, entgegnete der Beklagte wörtlich und in einem herablassenden Ton: „Bestimmt den ..., Sie hätten mal lieber bei mir den Unterricht besucht.“ Die weiteren Ausführungen zur rechtlichen Einschätzung und Bewertung des Verkehrsunfalls durch PK` in ... bedachte er mit süffisanter Miene, spöttischem Grinsen, für jeden sichtbares Augenverdrehen und mit einem verächtlichen Schnauben. Das Gespräch fand unmittelbar vor dem anderen Verkehrsunfallbeteiligten sowie der Zeugen statt. Auf dem Parkplatz herrschte reger Publikumsverkehr. Nachdem der Beklagte den Unfallort verlassen hatte, erklärte der andere Unfallbeteiligte, dass der Beklagte in ihn hineingefahren sei, er sich jedoch unsicher gewesen sei.

108

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der dem Gericht vorliegenden Ermittlungsakten und wird vom Beklagten bis auf die Verschuldensfrage eingeräumt.

109

Hierdurch hat der Beklagte abermals gegen seine Dienstpflicht als § 34 S. 3 BeamtStG und § 115 LBG verstoßen. Er hat sich durch das Tragen einer Polizeijacke bewusst als Mitarbeiter der Polizei zu erkennen gegeben und die damit verbundene Wirkung im Verhältnis zu einem Unfallbeteiligten zu seinen Gunsten genutzt. Dies manifestierte der Beklagten nachfolgend in dem Versuch, die Arbeit der aufnehmenden dienstjüngeren Polizeibeamten zu stören und diese durch unsachliche Äußerungen zu verunsichern und deren Glaubwürdigkeit öffentlichkeitswirksam in Zweifel zu ziehen. Dies geschah in der Absicht, von einem eigenen Verschulden abzulenken. Ein derartiges Verhalten ist in höchstem Maße unkollegial und entspricht mithin weder dem Achtungsanspruch im Kollegenkreis noch dem eines Polizeibeamten in der Öffentlichkeit.

110

Hinsichtlich dieses Fehlverhaltens ist dem Beklagten Vorsatz vorzuhalten. Der Beklagte hat bewusst die Polizeijacke getragen und trotz mehrfacher Belehrungen wiederholt und beständig versucht, die Arbeit der aufnehmenden Polizeibeamten zu boykottieren.

II.

111

Nach den Grundsätzen der Einheit des Dienstvergehens hat der Beklagte sich durch das geschilderte Fehlverhalten eines Dienstvergehens schuldig gemacht, welches die Verhängung der Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst (§ 8 LDG) erforderlich macht.

112

Welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung (§ 11 Abs. 1 S. 2 LDG). Eine Entfernung aus dem Dienst setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 11 Abs. 2 S. 1 LDG).

113

Maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der disziplinaren Maßnahme ist demnach die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale). Zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens.

114

Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild“ des Beamten umfasst dessen persönlichen Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor und nach der Tat. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht. Einen Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt auch tätige Reue dar, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder der Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt.

115

Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.

116

Aus den gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 LDG folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu befinden, ob der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird, oder ob die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Beeinträchtigung des Ansehens des Berufsbeamtentums bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen ist. Ergibt die prognostische Gesamtwürdigung, dass ein endgültiger Vertrauensverlust noch nicht eingetreten ist, haben die Verwaltungsgerichte diejenige Disziplinarmaßnahme zu verhängen, die erforderlich ist, um den Beamten zur Beachtung der Dienstpflichten anzuhalten und der Ansehensbeeinträchtigung entgegenzuwirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007, Az.: 2 C 9/06 – juris -).

117

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze ist das festgestellte Dienstvergehen mit der Entfernung des Beamten aus dem Dienst zu ahnden.

118

Dabei hat der Beklagte die Grenze zur Tragbarkeit im Dienst bereits dadurch erreicht, dass ihm ein vorsätzlicher Rückfall in die Alkoholsucht vorzuhalten ist. Dieser ist bereits Ausdruck einer Haltlosigkeit bzw. einer Willens– und Charakterschwäche, die der Pflichtentreue des Beamten diametral entgegensteht. Die Erhaltung der Dienstfähigkeit ist Voraussetzung für die Erfüllung der einem Beamten obliegenden Pflichten und deshalb für das Beamtenverhältnis von grundlegender Bedeutung. Ohne körperlich und geistig jederzeit einsetzbare Mitarbeiter ist die Verwaltung außerstande, die ihr im Interesse der Allgemeinheit auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen. Die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes ist durch körperlich, geistig und seelisch nicht oder nur beschränkt einsetzbare Beamte gefährdet. Dieser Interessenlage hat der Beklagte sich nachhaltig und bewusst widersetzt.

119

Dem Beklagten war nach entsprechender Belehrung bereits im Jahr 2004 im Rahmen durchgeführter Therapien und deutlich seitens des Dienstherrn vor Augen geführt worden, dass von ihm zu erwarten ist, bei einem wieder auftretenden Verlangen nach Alkohol, sich diesem bis zur Grenze des persönlichen Leistungsvermögens zu widersetzen. Ein solches Bemühen ist jedem Beamten zuzumuten, auch demjenigen, der seiner charakterlichen Struktur nach labil ist. Auch von einem solchen Beamten ist zu erwarten, dass er das Verlangen nach Alkohol abbaut, eines Tages womöglich sogar ganz überwindet. Dies ergibt sich aus den dienstlichen Notwendigkeiten ebenso wie aus der dem Beamtenverhältnis eigenen Treuepflicht (BVerwG Urteil vom 10. Oktober 1990 – 1 D 71.89 –). Vor dem Hintergrund dieser Pflichtenlage kann der Beamte kein Gehör damit finden, dass ihn die Trennung von seiner Ehefrau aus dem Gleichgewicht gebracht habe und hierin möglicherweise das Schlüsselereignis zu sehen sei, dass ihn - den Beklagten - zum ersten Glas Alkohol verleitet habe. Vielmehr wäre von ihm in der gegebenen Situation zu erwarten gewesen, Vorkehrungen zu treffen, um ein erneutes Abgleiten in die Alkoholsucht zu vermeiden. Er hätte sich in jedem Fall hilfesuchend an die entsprechenden dienstrechtlichen Stellen und Ansprechpartner wenden müssen. Dies hat er jedoch vorwerfbar und in Kenntnis des Risikos der dienstrechtlichen Folgen, die sich infolge des Rückfalls in mehrfacher Hinsicht realisiert haben, unterlassen. Ein dermaßen handelnder Beamter hat sich von seinem dienstlichen Pflichtenkreis endgültig distanziert und damit das Vertrauen seines Dienstherrn und auch der Allgemeinheit endgültig verloren.

120

Dies gilt umso mehr, da der Beamte zudem im alkoholisierten Zustand Verkehrsstraftaten begangen hat, die seine Vertrauenswürdigkeit als Polizeibeamter zerstört haben. Die dahingehende Würdigung ergibt sich bereits aus dem Bezug der verletzten Dienstpflichten zu den dem Beklagten übertragenen Dienstpflichten und dem daraus resultierenden mangelnden Verantwortungsbewusstsein. Wer in dienstlicher Eigenschaft eine besondere Verantwortung für Leib und Leben anderer Personen trägt, muss sich durch Zuverlässigkeit auszeichnen und darf diese nicht dadurch infrage stellen, dass er, wenn er Alkohol getrunken hat, im weiteren auch gar keine Fahrerlaubnis mehr besitzt, trotzdem am Verkehr teilnimmt.

121

Die auch aus diesen Erwägungen gebotene Entfernung des Beklagten aus dem Dienst ergibt sich zudem aus dem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtsgrundsatz, dass zur Beurteilung des Ausmaßes des durch eine außerdienstlich begangene Straftat hervorgerufenen Vertrauensschadens auf den Strafrahmen zurückgegriffen werden soll, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat (BVerwG Urteile vom 19. August 2010 – 2 C 5.10 –, 2 C 13.10 –, juris). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften aus dem seit 2004 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist. Weist ein Dienstvergehen indes hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für derart mittelschwere Straftaten bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG Urteil vom 19. August 2010, a.a.O). Reicht der Strafrahmen hingegen bis zu drei Jahre, reicht der Orientierungsrahmen schon aus diesem Grund bis zur Dienstentfernung (BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2012 – 2 B 28.12 –, juris).

122

Vorliegend wurde der Beklagte des Vergehens nach § 316 (Trunkenheit im Verkehr), § 315c (Gefährdung des Straßenverkehrs) und § 142 Abs. 1 Nr. 1 (Unfallflucht) StGB verurteilt. Der Strafrahmen reicht von einer Strafandrohung bis zu einem Jahr für die Trunkenheit im Verkehr, über zwei Jahre für die fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs bis zu drei Jahre für das unerlaubte Entfernen vom Unfallort. Mithin bewegt der Beklagte sich unabhängig vom vorwerfbaren Rückfall in die Alkoholsucht auch mit den begangenen Verkehrsstraftaten ebenso in dem Orientierungsrahmen der Entfernung aus dem Dienst.

123

Erschwerend wirkt sich zudem aus, dass der Beklagte sich bereits am 16. November 2014 achtungs- und vertrauensunwürdig verhalten und bereits zu diesem Zeitpunkt – wenn auch weniger gravierend – so dennoch offensichtlich ein persönlichkeitsimmanentes Defizit an Pflichtentreue gezeigt hat, indem er sich im Rahmen der Unfallaufnahme nicht mehr von objektiven, sondern allein eigennützigen Motiven hat leiten lassen.

124

Wesentlich belastend wirkt die wiederholte Begehungsweise von alkoholbeeinflussten Straßenverkehrsdelikten, dies in einem laufenden Disziplinarverfahren, nach ausdrücklicher Pflichtenmahnung durch strafrechtliche Verurteilung und der Erweiterung des Disziplinarverfahrens auf die abgeurteilte Straftat aus. Die vom Beklagten vor dem Amtsgericht ... bekundeten Beteuerungen, sich nichts mehr zuschulden kommen zu lassen, hat er wenige Monate später wieder verworfen und sich sogar dazu hinreißen lassen, bereits im Dienst Alkohol zu konsumieren und nachfolgend abermals straffällig in Erscheinung zu treten. Hierdurch hat der Beklagte ein derart uneinsichtiges und pflichtvergessenes Verhalten an den Tag gelegt, das den Beamten für den öffentlichen Dienst untragbar macht.

125

Wesentlich mildernde Gesichtspunkte, die zugunsten des Beklagten ein Absehen von der Verhängung der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, sind vorliegend nicht ersichtlich. Seine gezeigten Leistungen vermögen die Schwere der Verfehlung nicht aufzuwiegen, da diese zum Selbstverständnis eines jeden Beamtenverhältnisses gehören. Eine Nachbewährung des Beklagten nach den vorgehaltenen Verfehlungen ist nach den Bekundungen des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht eingetreten, da dem Beamten nur durchschnittliche Leistungen bescheinigt werden konnten. Dies entspricht auch den vorangegangenen Leistungsbeurteilungen anlässlich des vorliegenden Disziplinarverfahrens, so dass die unsubstantiiert gebliebenen gegenteiligen Bekundungen des Beklagten im Termin vor Gericht eher sein subjektives Empfinden widerspiegeln. Ebenso ist auch seine derzeitige psychische Erkrankung – wie im Termin zur mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt - nicht geeignet, eine mildere Maßnahme zu verhängen.

126

Insbesondere vermag der Beklagte sich nicht wesentlich entlastend auf eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB im Tatzeitpunkt zu berufen. Dies setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte. Die Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung erheblich war, ist eine Rechtsfrage, welche die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat unter Berücksichtigung der Tatumstände und insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle, die sich generell an schwerwiegenden Gesichtspunkten wie Psychopathie, Neurosen, Betriebsstörungen, Folgeerscheinungen von Alkohol, Drogen oder Medikamenten messen lassen muss, liegt umso höher, je schwerer das begangene Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab (BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2008 – 2 B 48/08 –, OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 2009 - 3d A 415/09.O – juris).

127

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich das Vorliegen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten nicht bereits aus den dahingehenden Feststellungen der Strafgerichte. Diese sind von der Bindungswirkung des § 16 LDG nicht erfasst, da von ihnen eine strafrechtliche Verurteilung nicht abhängt, und sie lediglich für die Strafzumessung von Relevanz sind (vgl. Gansen, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, Stand April 2017, Rdn. 9 zu dem inhaltsgleichen § 23 BDG). Aus diesem Grund muss im Disziplinarverfahren selbständig bewertet werden, ob eine verminderte Schuldfähigkeit erheblich ist.

128

Nach Lage der Akten und den sich daraus ergebenden Feststellungen ist das Gericht der Überzeugung, dass der Beklagte nicht den Rückfall in die Alkoholsucht, wohl aber die Verkehrsdelikte im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen hat. Bei dem Alkoholverbot handelte es sich für den Beklagten angesichts seiner Vorgeschichte um eine ohne weiteres einsichtige Pflicht, deren Bedeutung er sich bewusst war. Die Verkehrsverstöße hingegen hat der Beklagte unter erheblicher Alkoholisierung begangen, sodass ein Merkmal des § 21 StGB erfüllt ist. Angesichts der leichten Einsehbarkeit der vom Beklagten als Polizeibeamten geforderten Pflicht, nicht alkoholisiert und erst recht nicht ohne Fahrerlaubnis am Straßenverkehr teilzunehmen, und in diesem Zustand weitere Straftaten zu begehen, ist die vorliegende verminderte Schuldfähigkeit des Beamten nicht als erheblich im Sinne der vorgenannten Rechtsgrundsätze einzustufen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der besonderen Pflichtenstellung des Beklagten als Polizeibeamter.

129

Lediglich ergänzend bleibt darauf hinzuweisen, dass jedoch auch für den Fall der Bejahung der Erheblichkeit der verminderten Schuldfähigkeit, dieser Milderungsgrund nicht geeignet wäre, in der Gesamtschau der vom Beklagten begangenen Pflichtverletzungen und der Gewichtung der einzelnen Verfehlungen, von der Verhängung der Höchstmaßnahme abzusehen. Selbst wenn die Verkehrsverstöße im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen worden wären, wären dennoch diese Pflichtenverstöße in Verbindung mit dem schwerwiegenden Rückfall in die Alkoholsucht geeignet, die Höchstmaßnahme zu stützen.

130

Sonstige entlastende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich, so dass die Verhängung der Höchstmaßnahme gegen den Beklagten unausweichlich ist. Dem Beklagten ist keine positive Prognose mehr zu stellen. Er hätte sich in der Vergangenheit dem Drang nach Alkohol unbedingt widersetzen müssen. Erst recht hätte er sich nicht alkoholisiert im Straßenverkehr bewegen dürfen und sich nach begangener Sachbeschädigung vom Unfallort entfernen dürfen. Den Höhepunkt bildete sodann nach rechtskräftiger Verurteilung infolge der vorangegangenen strafrechtlichen Vergehen der Konsum von Alkohol im Dienst und die anschließende Fahrt mit seinem Pkw ohne Fahrerlaubnis. Diese Fahrt zeigt am deutlichsten, dass der Beamte nicht willens oder aber nicht in der Lage ist, sich selbst und seinen Zustand nach Alkoholgenuss zutreffend einzuschätzen. Hieran ändert auch die im Termin vor Gericht bekundete Bereitschaft, täglich eine Atemalkoholkontrolle durchzuführen, nichts, da diese angesichts der Feststellungen zu den vorgehaltenen Verfehlungen wohl eher dem Druck des Disziplinarverfahrens und der drohenden Sanktion geschuldet ist. Bereits der Vortrag des Beklagten im Laufe des Disziplinarverfahrens zeigte deutlich, dass er sich mit der eigentlichen Problematik seines Alkoholkonsums, der dadurch bewirkten Beeinträchtigung des Dienstbetriebes und des Unrechtsgehalts seines Fehlverhaltens nicht wirklich auseinandergesetzt hat. Die Leugnung einer Alkoholabhängigkeit, die zudem nach Aussage des Beklagten weder in der Fachklinik ... noch in der Privatklinik ... bestätigt oder gar behandelt worden sei, belegt, dass dem Beklagten die Einsicht in das begangene Unrecht und auch die nötige Reue fehlt. Hätte er tatsächlich die geforderten Therapien nicht durchlaufen, hätte der Beklagte sich in jedem Fall zudem der dezidiert geforderten Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit widersetzt und ein weiteres Fehlverhalten an den Tag gelegt. Schließlich belegt der Umstand, dass der Beklagte erst im Termin zur mündlichen Verhandlung die von ihm im Gespräch vom 3. November 2016 geforderten Unterlagen über erforderliche Behandlungsmaßnahmen nach der zweiten Straftat vorgelegt hat, dass er gegen jegliche Pflichtenmahnung resistent und nicht mehr willens ist, sich dem Gefüge des beamtenrechtlichen Treueverhältnisses zu stellen.

131

Der Verhängung der Höchstmaßnahme steht auch nicht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen. Danach muss die im Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zu den von dem Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung den Zweck der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels Milderungsgründen das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als erforderliche und geeignete Maßnahme, dem aufgezeigten Zweck der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis – wie hier – zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem daher als für alle öffentlich – rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG, Urteil vom 14. November 2011, -1 D 60.00 –, juris).

132

Anhaltspunkte für eine abweichende Entscheidung von der gesetzlich vorgesehenen Bewilligung des Unterhaltsbeitrages sind nicht ersichtlich (§§ 8, 70 LDG).

133

Die Kostenentscheidung beruht auf § 99 Abs. 1 LDG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Trier Urteil, 29. Aug. 2017 - 3 K 3674/17.TR

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Trier Urteil, 29. Aug. 2017 - 3 K 3674/17.TR

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 29. Aug. 2017 - 3 K 3674/17.TR zitiert 14 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 34 Wahrnehmung der Aufgaben, Verhalten und Erscheinungsbild


(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und d

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 47 Nichterfüllung von Pflichten


(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße g

Strafgesetzbuch - StGB | § 184b Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte


(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 35 Folgepflicht


(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach b

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 23 Bindung an tatsächliche Feststellungen aus Strafverfahren oder anderen Verfahren


(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, durch das nach § 9 des Bundesbesoldungsgesetzes über den Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 29. Aug. 2017 - 3 K 3674/17.TR zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 29. Aug. 2017 - 3 K 3674/17.TR zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 21. Apr. 2016 - 2 C 4/15

bei uns veröffentlicht am 21.04.2016

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. 2

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 18. Juni 2015 - 2 C 25/14

bei uns veröffentlicht am 18.06.2015

Tatbestand 1 Der Rechtsstreit betrifft die disziplinarrechtliche Behandlung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Bilder durch einen Polizeibeamten.

Referenzen

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die disziplinarrechtliche Behandlung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Bilder durch einen Polizeibeamten.

2

Der 1961 geborene Beklagte trat 1980 in den Dienst der Polizei der ehemaligen DDR. 1997 wurde er zum Lebenszeitbeamten des klagenden Landes ernannt, seit 2003 hat er das Amt eines Polizeihauptkommissars (Besoldungsgruppe A 12 LBesO) inne. Er wurde zuletzt bei einer Kriminalpolizeiinspektion verwendet. Seit Juni 2011 ist er bei Einbehalt von 50 % seiner Dienstbezüge vorläufig des Dienstes enthoben.

3

Hintergrund des Disziplinarverfahrens sind zwei staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren, die verbunden und nach Zahlung einer Auflage von 3 000 € gemäß § 153a StPO eingestellt worden sind. Der erste Vorwurf betraf den Verdacht des Besitzes kinderpornographischer Schriften. Ihm lag zugrunde, dass auf dem privaten Mobiltelefon des Beklagten, welches im Rahmen einer Durchsuchung seiner privaten Wohnräume und seines Dienstzimmers im September 2010 sichergestellt worden war, 49 kinder- und 12 jugendpornographische Bilddateien gespeichert waren. Das zweite Ermittlungsverfahren wurde wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Thüringer Datenschutzgesetz geführt. Der Beklagte hat im Zeitraum von November 2009 bis November 2010 in elf Fällen personenbezogene Anfragen in polizeiinternen Datensystemen durchgeführt, die keinen Bezug zu seiner Polizeidirektion aufwiesen. Die Recherchen betrafen vier Mädchen im Alter von 14 bis 16 Jahren, deren Daten (insbesondere auch Telefonnummern) der Beklagte auf zwei handschriftlichen Zetteln notiert hatte, die in einem mit „Vertrauliche Personalsache“ beschrifteten Paket in seinem Dienstzimmer aufbewahrt waren.

4

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten auf die Disziplinarklage hin um zwei Ämter zum Polizeioberkommissar (Besoldungsgruppe A 10 LBesO) zurückgestuft. Dabei hat es ihn vom Vorwurf der unberechtigten Datenabfrage freigestellt. Ein privater Hintergrund der Recherchen sei zwar durchaus wahrscheinlich; ein Zusammenhang mit seiner dienstlichen Aufgabe, die polizeiliche Lage zu erarbeiten, aber nicht ausgeschlossen. Ein Amtsbezug des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Bilder bestehe auch in Ansehung der Stellung als Polizeibeamter nicht. Zwar habe dieser auch Straftaten zum Nachteil von Kindern zu verfolgen, spezifische Dienstpflichten zu Schutz und Förderung von Kindern kämen Polizeibeamten indes nicht zu.

5

Auf die Berufung des Landes hin hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Dabei hat es ihm auch die unberechtigte Datenabfrage als innerdienstliches Vergehen zur Last gelegt. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte für einen Zusammenhang mit den dienstlichen Aufgaben des Beklagten; weder sei ein räumlicher Bezug zu seiner Polizeidirektion noch ein sachlicher Zusammenhang mit den vom Beklagten vorgetragenen Vermisstenfällen ersichtlich. Im Übrigen spreche auch die gesonderte und vor fremder Einsichtnahme geschützte Verwahrung der Aufschriebe gegen eine dienstliche Nutzung der abgefragten Daten. Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung müsse überdies der außerdienstlich verwirklichte Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften als in besonderem Maße zur Vertrauensbeeinträchtigung geeignet bewertet werden. Unabhängig davon, ob ein Polizeibeamter zum Zeitpunkt der Tatbegehung und/oder der mündlichen Gerichtsverhandlung konkret mit Aufgaben aus dem Bereich der Kinderpornographie betraut gewesen sei, trete durch die Begehung einer derartig gesellschaftlich besonders missachteten Straftat ein endgültiger Ansehens- und Autoritätsverlust ein. Ein Polizeibeamter, der mit dem Besitz kinderpornographischer Bilddateien Straftaten begangen habe, begründe durchgreifende Zweifel an seiner Eignung zur weiteren ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm obliegenden Dienstpflichten.

6

Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte gegen den vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Amtsbezug. Er beantragt,

das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 17. September 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 28. Februar 2013 zurückzuweisen.

7

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts und trägt vor, dass ein Polizeibeamter, der eine gesellschaftlich besonders verpönte Straftat wie ein Vergehen aus dem Bereich der Kinderpornographie begehe, durchgreifende Zweifel an seiner persönlichen Eignung als Polizeibeamter begründe. Er beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt weder Bundes- (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, § 66 Abs. 1 ThürDG i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Die Annahme, der Beklagte habe mit dem außerdienstlichen Besitz kinderpornographischer Bilder ein Dienstvergehen begangen (1.), das in Zusammenschau mit der unberechtigten Datenabfrage die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt (2.), ist nicht zu beanstanden. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 66 Abs. 4 Satz 2 ThürDG i.V.m. § 144 Abs. 2 VwGO).

9

1. Mit dem Besitz kinderpornographischer Bilddateien hat der Beklagte eine außerdienstliche Pflichtverletzung begangen, die in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, und daher als Dienstvergehen zu bewerten ist .

10

a) Nach den gemäß § 66 Abs. 1 ThürDG i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, die vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt worden sind, hat er kinderpornographische Schriften besessen und sich damit eines Vergehens nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007 <3009>) schuldig gemacht.

11

Dieses Fehlverhalten lag außerhalb des Dienstes, weil es weder formell in das Amt des Beklagten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2001 - 1 D 55.99 - BVerwGE 114, 37 <48> und vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9).

12

b) Außerhalb seines Dienstes ist der Beamte grundsätzlich nur verpflichtet, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG sowie § 57 Satz 3 ThürBG a.F.; hierzu BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 21). Außerdienstliches Verhalten kann den Pflichtenkreis des Beamten nur berühren, wenn es die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit betrifft und dadurch mittelbar dienstrechtliche Relevanz erlangt. Das Vertrauen der Bürger, dass der Beamte dem Auftrag gerecht wird, als Repräsentant des demokratischen Rechtsstaates eine unabhängige, unparteiliche und gesetzestreue Verwaltung zu sichern, darf der Beamte auch durch sein außerdienstliches Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, Urteil vom 30. August 2000 - 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <26>).

13

Als Dienstvergehen ist das außerdienstliche Verhalten von Beamten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dabei nur zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Unbeschadet des teilweise veränderten Wortlauts ist mit dieser Vorschrift eine inhaltliche Änderung gegenüber früheren Bestimmungen zur Qualifizierung außerdienstlichen Verhaltens - wie etwa § 81 Abs. 1 Satz 2 ThürBG a.F. - nicht verbunden (BVerwG, Urteile vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 50 ff. und vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 16 f.).

14

Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 20. Juli 1967 (BGBl. I S. 725) reicht bei außerdienstlichen Verfehlungen nicht bereits die Pflichtverletzung selbst zur Annahme eines Dienstvergehens aus; und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch eine Straftat begangen worden ist (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 14). Hinzutreten müssen weitere, auf die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung bezogene Umstände. Nur soweit es um die Wahrung des Vertrauens der Bürger in die Integrität der Amtsführung und damit in die künftige Aufgabenwahrnehmung geht, vermag das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Interesse an der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums die im privaten Bereich des Beamten wirkenden Grundrechte einzuschränken (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <254>).

15

Unterhalb dieser Schwelle erwartet der Gesetzgeber von Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten mehr als von jedem anderen Bürger (BT-Drs. 16/7076 S. 117 zum BBG sowie BT-Drs. 16/4027 S. 34 zum BeamtStG; hierzu auch BVerwG, Urteile vom 30. August 2000 - 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <26 f.> und vom 27. Juni 2013 - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 24). Private Straßenverkehrsdelikte etwa begründen daher in der Regel kein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2000 - 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <23> zur einmaligen Trunkenheitsfahrt).

16

Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2003 - 2 BvR 1413/01 - NVwZ 2003, 1504 Rn. 30). Dabei kommt vorsätzlichen (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) Straftaten eine besondere Bedeutung zu (BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 24). Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist.

17

c) Bezugspunkt hierfür ist das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne; soweit in der bisherigen Rechtsprechung auf das Amt im konkret-funktionellen Sinne (den Dienstposten) abgestellt worden ist, hält der Senat hieran nicht mehr fest.

18

Die Rechtsstellung des Beamten wird durch sein Statusamt geprägt (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 2 C 51.13 - ZBR 2015, 155 Rn. 28). Dieses - und nicht die mit einem gegenwärtig innegehabten Dienstposten verbundene Tätigkeit - bestimmt, mit welchem Aufgabenbereich der Beamte amtsangemessen beschäftigt und damit künftig verwendet werden kann. Folgerichtig sind auch andere statusrechtliche Entscheidungen, wie etwa zu Eignung oder Dienstfähigkeit des Beamten, nicht auf die sich aus einem bestimmten Dienstposten ergebenden Anforderungen bezogen. Auch die spiegelbildliche Frage, ob der Beamte trotz begangener Pflichtverletzungen noch im Beamtenverhältnis verbleiben kann, muss daher auf sein Amt als Ganzes und nicht auf die Besonderheiten eines begrenzten Tätigkeitsbereichs bezogen werden (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 19). Andernfalls hinge die Möglichkeit der Vertrauensbeeinträchtigung von den Zufälligkeiten des jeweiligen Aufgabenzuschnitts und der Abgrenzung der Dienstposten zum Zeitpunkt der Tatbegehung ab. Der Beamte kann aber jederzeit umgesetzt oder versetzt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 2014 - 2 B 102.13 - juris Rn. 9).

19

Die Bezugnahme auf das Statusamt folgt überdies aus der materiellen Pflichtenstellung in § 34 Satz 3 BeamtStG. Während Satz 2 dieser Vorschrift an die dem Beamten übertragenen Aufgaben anknüpft, nehmen Satz 1 und 3 jeweils auf den Beruf Bezug. Die Verpflichtung, sich mit vollem persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen, ist aber nicht nur auf den Dienstposten bezogen. Berufspflichten gehen vielmehr über die konkret übertragenen Dienstaufgaben hinaus und werden auch in anderen Rechtsgebieten umfassend verstanden (vgl. etwa § 43 Satz 2 BRAO). Entsprechendes gilt für die Pflicht, dem berufserforderlichen Vertrauen gerecht zu werden. Entstehungsgeschichtlich geht die Bezugnahme auf den Beruf und die hierfür erforderliche Vertrauensstellung bereits auf § 10 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 (RGBl. S. 61) zurück und war stets umfassend und nicht nur auf konkrete Dienstpflichten bezogen (vgl. Günther, DÖD 2007, 13 <23>).

20

Auch in funktionaler Hinsicht ist das außerdienstliche Verhalten des Beamten gerade nicht durch die ihm konkret übertragenen Aufgaben seines Dienstpostens bestimmt. Bezüge zu seinem Dienstverhältnis entfaltet das private Verhalten des Beamten vielmehr nur mittelbar, wenn es die Vertrauenswürdigkeit seiner Person berührt und damit auch seine künftige Amtsführung beeinträchtigen kann. Bezugspunkt für die Vertrauensbeeinträchtigung ist damit das dem Beamten als Lebensberuf übertragene Statusamt.

21

Aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich kann sich aber eine Indizwirkung ergeben. Der Beamte wird mit dem ihm übertragenen konkreten Amt identifiziert; dieses hat er uneigennützig, nach bestem Gewissen und in voller persönlicher Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen wahrzunehmen (§ 34 Satz 1 und 2, § 36 Abs. 1 BeamtStG). Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens des Beamten zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, das sein Beruf erfordert (BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2001 - 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <218 f.>; ähnlich bereits Urteil vom 30. August 2000 - 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <27>).

22

d) Der außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Bild- oder Videodateien weist einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf.

23

Anders als Erziehern oder Lehrern (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 15 ff.; Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 17 und vom 19. März 2013 - 2 B 17.12 - juris Rn. 7) ist Polizeibeamten zwar keine spezifische Dienstpflicht zu Schutz und Obhut gerade von Kindern auferlegt. Polizeibeamte haben indes Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit - insbesondere auch für schutzbedürftige Personen - eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Mai 2001 - 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <219> und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 20 sowie BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Januar 2008 - 2 BvR 313/07 - BVerfGK 13, 205 <209> für Staatsanwälte).

24

Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten - gerade zu Lasten Schutzbedürftiger - begehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten gerade mit der Verfolgung solcher Delikte betraut war oder Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen hatte. Erhebliche Straftaten eines Polizeibeamten begründen auch in Ansehung ihres außerdienstlichen Charakters ein disziplinarwürdiges Dienstvergehen.

25

2. Die vom Oberverwaltungsgericht als Disziplinarmaßnahme ausgesprochene Entfernung aus dem Beamtenverhältnis verstößt nicht gegen § 11 ThürDG.

26

a) Nach § 11 Abs. 1 ThürDG und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze des Bundes und der anderen Länder ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257>). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.02 - BVerwGE 124, 252 <258 f.>).

27

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 11 Abs. 2 Satz 1 ThürDG). Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1973 - 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 <66 f.>, vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21 und vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 16 f.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

28

b) Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.

29

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Intensität der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen (vgl. zur Berücksichtigung der Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe auch BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 10). Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208 Rn. 11 und vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257 f.>).

30

Schwerwiegende Straftaten können auch deliktsbezogen identifiziert werden (vgl. zur Zuordnung bestimmter Straftaten zu einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 40 m.w.N.). Bestimmte Straftaten bewirken bereits aus der Art ihres Unrechtsgehalts einen Vertrauensschaden, der eine weitere Tätigkeit als Beamter untragbar erscheinen lässt. Lässt sich ein Beamter bestechen, ist er als Sachwalter einer gesetzestreuen und unabhängigen Verwaltung nicht mehr denkbar (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2003 - 2 BvR 1413/01 - NVwZ 2003, 1504 Rn. 30; BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 29). Unabhängig vom konkret verhängten Strafmaß und vom Amt des Beamten ist in der Rechtsprechung insbesondere der sexuelle Missbrauch von Kindern oder Schutzbefohlenen als außerdienstliche Verfehlung bewertet worden, die eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als Regeleinstufung gebietet (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 8; Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 B 44.09 - juris Rn. 12).

31

c) Entsprechendes kann für den Besitz von kinderpornographischen Schriften nicht gelten. Zwar trägt die Nachfrage nach derartigen Bild- oder Videodateien zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und damit zum Verstoß gegen ihre körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde bei (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 19). Da es beim bloßen Besitz entsprechender Darstellungen aber an einem unmittelbaren Eingriff des Beamten in die sexuelle Selbstbestimmung der betroffenen Kinder fehlt, ist die Variationsbreite möglicher Verfehlungen zu groß, um generell von einer hinreichenden Schwere der außerdienstlichen Pflichtverletzung ausgehen zu können. Die außerdienstlich begangene Straftat kann daher nicht bereits deliktstypisch als derart gravierend erachtet werden, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als Regeleinstufung gerechtfertigt erscheint (BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25).

32

Das Ausmaß des durch die außerdienstlich begangene Straftat hervorgerufenen Vertrauensschadens muss daher im konkreten Einzelfall bestimmt werden. Hierzu kann auf den Strafrahmen zurückgegriffen werden, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22 und - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.

33

Für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften hat der Senat aus dem seit 2004 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist. Die Anhebung der Strafandrohung für den (bloßen) Besitz kinderpornographischer Schriften auf bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe durch § 184b Abs. 3 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10) ist erst nach der hier vorliegenden Tatbegehung in Kraft getreten und kann daher nicht berücksichtigt werden.

34

Weist ein Dienstvergehen indes - wie hier - hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 24; Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 ff. und vom 23. Januar 2014 - 2 B 52.13 - juris Rn. 8).

35

d) Die vom Oberverwaltungsgericht in Ausfüllung dieses Rahmens getroffene Bemessungsentscheidung begegnet keinen Bedenken.

36

Gemäß § 11 Abs. 1 ThürDG ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt etwa vom 27. Juni 2013 - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 32 und vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39).

37

Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt deshalb nur in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 24). Delikte, die angesichts ihrer möglichen Variationsbreite der Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme nicht zugänglich sind, bedürfen einer sorgsamen Würdigung der Einzelfallumstände. Die Disziplinargerichte müssen für eine solche Betrachtung und Ausschöpfung des Orientierungsrahmens - nach oben wie nach unten - unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände offen sein (BVerwG, Urteil vom 23. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 32, Beschluss vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 21). Ein wie auch immer gearteter Schematismus verbietet sich hier in besonderer Weise (BVerwG, Beschluss vom 5. März 2014 - 2 B 111.13 - juris Rn. 13). Der Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften setzt deshalb voraus, dass das Verhalten aufgrund der Tatumstände, insbesondere also Anzahl, Art und Inhalt der Darstellungen, als besonders verwerflich einzustufen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 11, vom 19. März 2013 - 2 B 17.12 - juris Rn. 5 und vom 5. April 2013 - 2 B 79.11 - juris Rn. 7).

38

Zur Bestimmung der Schwere des im Einzelfall begangenen Dienstvergehens kann im Falle einer außerdienstlich begangenen Straftat indiziell auf die von Strafgerichten ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (vgl. zur Bezugnahme auf eine verhängte Freiheitsstrafe und den "Gleichklang zum Strafrecht" auch BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 21 und 26). Dies folgt zunächst aus § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, der direkt und ausschließlich an den Strafausspruch der Strafgerichte anknüpft. Unterhalb der in dieser Vorschrift genannten Schwelle kommt der strafgerichtlichen Aburteilung zwar keine unmittelbare Verbindlichkeit für die disziplinarrechtliche Beurteilung zu (vgl. zur Bezugnahme der disziplinarrechtlichen Maßnahmebemessung auf die strafrechtliche Sanktion aber § 13 ThürDG). Auch bei weniger gravierenden Verurteilungen kann der Ausspruch der Strafverfolgungsorgane aber als Indiz für die Schwere einer außerdienstlich begangenen Straftat und für Abstufungen innerhalb des Orientierungsrahmens herangezogen werden (BVerwG, Beschlüsse vom 14. Mai 2012 - 2 B 146.11 - NVwZ-RR 2012, 658 Rn. 10 und vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 10). Unbeschadet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kommt in dem Strafausspruch die Schwere und Vorwerfbarkeit der begangenen Handlung zum Ausdruck, die auch für die disziplinarrechtliche Beurteilung von maßgeblicher Bedeutung ist.

39

Ist von den Strafgerichten nur auf eine Geldstrafe erkannt oder das Strafverfahren eingestellt worden und sind die Strafverfolgungsorgane damit nicht von einer besonderen Schwere der individuellen Schuld ausgegangen (vgl. § 153a Abs. 1 StPO), bedarf der Ausspruch einer statusberührenden Disziplinarmaßnahme daher einer besonderen Begründung der Disziplinargerichte zur Schwere der Verfehlung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kommt hier nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht.

40

Bei der Entscheidung über die angemessene Disziplinarmaßnahme ist auch die besondere Stellung von Polizeibeamten zu berücksichtigen. Außerdienstlich begangene Vorsatzstraftaten führen hier angesichts der mit dem Amt verbundenen Aufgaben- und Vertrauensstellung regelmäßig zu einem mittelbaren Amtsbezug und damit auch zur Disziplinarwürdigkeit entsprechender Verfehlungen. Die mit § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG beabsichtigte Begrenzungswirkung für die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlicher Pflichtenverstöße kommt bei von Polizeibeamten begangenen Straftaten daher nur eingeschränkt zum Tragen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Bedeutung außerdienstlichen Verhaltens für das Disziplinarrecht einzuschränken, gilt indes auch für die Beamten dieser Ämter. Der außerdienstliche Charakter des Dienstvergehens muss daher auch bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 33). Jedenfalls statusberührende Disziplinarmaßnahmen kommen deshalb nur bei schwerwiegenden Verfehlungen in Betracht.

41

Diesen Vorgaben entspricht die Bemessungsentscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Allerdings reicht der außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Bilder angesichts der konkreten Einzelfallumstände hier nicht aus, um die Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme zu rechtfertigen. Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ist aber - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - angesichts der weiteren innerdienstlichen Pflichtenverstöße und dem damit offenbar gewordenen Persönlichkeitsbild des Beklagten erforderlich.

42

Der vom Beklagten eingeräumte Besitz von kinder- und jugendpornographischen Bildern auf seinem Mobiltelefon weist zwar einen Bezug zu seinem Statusamt als Kriminalhauptkommissar auf und macht wegen der Bedeutung der begangenen Straftat auch eine disziplinarrechtliche Maßnahme erforderlich. Die konkreten Tatumstände beinhalten indes kein derartiges Gewicht der Pflichtverletzung, dass allein deshalb auf eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden könnte. Die im Berufungsurteil im Einzelnen aufgeführten Tatumstände liegen hinsichtlich Art, Inhalt und Anzahl der Bilddateien im deutlich unteren Bereich der möglichen Begehungsformen einer Straftat nach § 184b Abs. 4 StGB a.F. und weisen für sich genommen noch nicht den für die Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme erforderlichen Schweregehalt auf (vgl. zu anderen Fallgestaltungen BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - Rn. 40). Dementsprechend ist das Strafverfahren eingestellt worden, was nur möglich ist, wenn dem die Schwere der Schuld nicht entgegensteht (§ 153a Abs. 1 Satz 1 StPO). Weitere besondere oder disziplinarrechtlich bedeutsame Umstände hierzu hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung für das gleichwohl schwere Dienstvergehen des Beklagten, von dem aus die weiteren Pflichtenverstöße und die Erkenntnisse zu seinem Persönlichkeitsbild zu betrachten sind (BVerwG, Urteile 8. September 2004 - 1 D 18.03 - Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 7 Rn. 47 und vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 45; Beschluss vom 11. Februar 2014 - 2 B 37.12 - juris Rn. 33), ist hier deshalb die Zurückstufung.

43

Der Beklagte hat aber weitere Pflichtenverstöße begangen, die bei der Bemessungsentscheidung zu berücksichtigen sind. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 66 Abs. 1 ThürDG i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO) hat der Beklagte in elf Fällen personenbezogene Abfragen in polizeiinternen Datenbanken durchgeführt, für die eine dienstliche Veranlassung nicht bestand. Die damit unbefugte Recherche zu personenbezogenen Daten stellt sowohl einen Verstoß gegen die einschlägigen Datenschutzbestimmungen (§ 6 Satz 1 ThürDSG a.F.) als auch eine innerdienstliche Verletzung der aus § 35 Satz 2 BeamtStG folgenden beamtenrechtlichen Pflichten dar.

44

Der Datenabfrage und deren Speicherung - in Gestalt eines mit dem Vermerk "Vertrauliche Personalsache" vor Einsichtnahme durch Dritte gesicherten Aufschriebs - kommt hier angesichts der konkreten Einzelfallumstände auch erhebliches Gewicht zu (vgl. zur disziplinarrechtlichen Einordnung von unbefugten Abfragen zum persönlichen Lebensbereich BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 42 f.). Der Beklagte hat sich Hintergrundwissen und Kontaktdaten von Mädchen verschafft, die bereits in Berührung mit der Polizei geraten waren. Ein Zusammenhang mit den ihm obliegenden Dienstpflichten oder auch nur seiner Polizeidienststelle lag dabei nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht vor; ebenso wenig hat der Beklagte hierzu Aktenvermerke angefertigt oder sonstige Vorgänge angelegt. Die im Berufungsurteil getroffene Einschätzung, die unbefugte Datenabfrage sei "offensichtlich persönlich motiviert", ist daher nicht zu beanstanden. Auch der Beklagte ist ihr im Revisionsverfahren nicht mehr entgegengetreten; entsprechendes gilt für die Annahme, mildernde Umstände von relevanter Bedeutung lägen nicht vor.

45

Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht schließlich darauf verwiesen, dass der Beklagte auch in anderen Fällen unbefugt private Abfragen in polizeiinternen Datensystemen durchgeführt hat und hierfür von seinem Dienstherrn bereits schriftlich gerügt worden ist. Diese, auch in Ansehung einer Mahnung fortgesetzten innerdienstlichen Pflichtverletzungen lassen Rückschlüsse auf das Persönlichkeitsbild des Beklagten zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21).

46

Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht daher festgestellt, dass die Gesamtwürdigung der vom Beklagten begangenen Pflichtverletzungen einen Verbleib im Beamtenverhältnis nicht zulässt. Die in der Schwere und der Häufigkeit der Verfehlungen zu Tage tretenden Persönlichkeitsdefizite des Beklagten stehen einer positiven Prognose über sein künftiges Verhalten entgegen. Die in der Summe eingetretene Vertrauensbeeinträchtigung erfordert eine Beendigung des Beamtenverhältnisses. Anders kann die Integrität des Berufsbeamtentums und das für die Ausübung von Hoheitsgewalt unabdingbare Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten nicht aufrechterhalten werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1973 - 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 <66 f.> und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21; Beschluss vom 11. Februar 2014 - 2 B 37.12 - juris Rn. 17).

47

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 Satz 1 ThürDG.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

2

Dem Kläger, der seit 1987 im Polizeidienst des beklagten Landes steht, wurde 1995 die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. 1996 folgte seine Ernennung zum Polizeiobermeister. Er war zuletzt antragsgemäß teilzeitbeschäftigt und im Streifendienst tätig. Der disziplinarrechtlich nicht vorbelastete Kläger betrieb nebenberuflich zwei Bauunternehmen, die ab 2006 zunehmend in finanzielle Schieflage gerieten.

3

Mit rechtskräftig gewordenem Urteil wurde der Kläger 2007 - nachdem er gegen den zuvor gegen ihn ergangenen Strafbefehl einen auf die Rechtsfolgen beschränkten Einspruch eingelegt hatte - u.a. wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt. Mit weiterem Urteil wurde er 2010 rechtskräftig wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Schließlich verurteilte das Amtsgericht den Kläger 2011 rechtskräftig wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt unter Einbeziehung der Strafe aus dem früheren Strafurteil zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten.

4

Im sachgleichen Disziplinarverfahren entfernte ihn sein Dienstvorgesetzter mit Zustimmung der höheren Disziplinarbehörde durch Disziplinarverfügung aus dem Beamtenverhältnis. Die dagegen gerichtete Klage blieb in den beiden Vorinstanzen erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

5

Die Frage, wie es sich auswirke, dass die Disziplinarverfügung auch darauf gestützt sei, dass der Kläger durch das ohne tatsächliche Feststellungen ergangene Urteil des Amtsgerichts von 2007 rechtskräftig verurteilt worden sei, könne offen gelassen werden. Ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften des Disziplinarrechts, der zur Gesamtnichtigkeit der Verfügung führe, liege nicht vor. Die angefochtene Disziplinarverfügung sei bereits wegen der von dem Kläger zwischen 2009 und 2011 begangenen und abgeurteilten Straftaten rechtmäßig. Schon die diesen Urteilen zugrunde liegenden einzelnen Dienstpflichtverletzungen rechtfertigten seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Aufgrund der umfassenden Überprüfungsbefugnis in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht seien die Disziplinargerichte selbst in der Lage und befugt festzustellen, ob die vorgeworfenen Verstöße die höchste Disziplinarmaßnahme erforderten. In der Sache lägen die Voraussetzungen für eine Dienstentfernung vor. Der Kläger habe durch die erhebliche Zahl von Straftaten, die Gegenstand seiner strafgerichtlichen Verurteilungen seien, ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen. Unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände handele es sich auch - insbesondere mit Blick auf den hohen Gesamtschaden von über 32 000 € - um ein schweres Dienstvergehen. Anerkannte oder sonst durchgreifende Milderungsgründe seien nicht ersichtlich.

6

Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision macht der Kläger vor allem geltend, die Übertragung der gesamten Disziplinargewalt auf die Exekutive sei wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt und das Lebenszeitprinzip verfassungswidrig. Der Richtervorbehalt präge die Disziplinargerichtsbarkeit als hergebrachter Grundsatz und beruhe auf dem frühen Inamovibilitätsgedanken.

7

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. September 2013 und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Juni 2012 sowie die Verfügung des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 2. Dezember 2011 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichthofs verletzt weder Bundes- (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG, § 38 Landesdisziplinargesetz Baden-Württemberg vom 14. Oktober 2008, GBl. S. 343 - LDG BW -). Das Bundesverwaltungsgericht ist von der mit der Revision gerügten Verfassungswidrigkeit von § 38 Abs. 1 LDG BW als der vorliegend entscheidungserheblichen Norm nicht überzeugt. Der Kläger kann ohne Verstoß gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums durch Disziplinarverfügung aus dem Beamtenverhältnis rechtmäßig entfernt werden (1.). Umfassender Rechtsschutz gegen Disziplinarverfügungen nach § 38 Abs. 1 LDG BW ist gewährleistet (2.). Darüber hinaus ist im Hinblick auf den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den festgestellten disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalt beschränkt hat (3.). Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO).

10

1. Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 LDG BW werden Disziplinarmaßnahmen durch Disziplinarverfügung ausgesprochen. Dabei darf eine Disziplinarmaßnahme, die auf eine Kürzung der Dienst- oder Ruhestandsbezüge, Zurückstufung, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder Aberkennung des Ruhegehalts gerichtet ist, nach § 38 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LDG BW nur ausgesprochen werden, wenn - wie hier - die höhere Disziplinarbehörde der Disziplinarverfügung zugestimmt hat.

11

§ 38 Abs. 1 LDG BW verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten aus hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG. Das Beamtenrecht bis zum Ende der Weimarer Zeit kannte keine in den deutschen Ländern oder im Gesamtstaat allgemein oder auch nur überwiegend anerkannte Regel des Inhalts, der eine disziplinare Entfernung aus dem auf Lebenszeit begründeten Beamtenverhältnis durch behördliche Disziplinarverfügung mit anschließendem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren widerspräche. Angesichts der Vielgestaltigkeit der zur Entscheidung berufenen Disziplinarinstanzen lässt sich ein hergebrachter Grundsatz des Inhalts, dass die Entlassung im Rahmen eines Disziplinarverfahrens nicht durch eine Verfügung ausgesprochen werden darf, wenn die Möglichkeit der umfassenden gerichtlichen Kontrolle gewährleistet ist, nicht feststellen.

12

Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG enthalten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Kernbestand von Strukturprinzipien, die allgemein oder doch ganz überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2. Dezember 1958 - 1 BvL 27/55 - BVerfGE 8, 332 <342 f.> und vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 <232>; Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 <281 f.>; Beschluss vom 28. Mai 2008 - 2 BvL 11/07 - BVerfGE 121, 205 <219>; zuletzt Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - NVwZ 2016, 682 Rn. 33). Nicht jede Regelung des Beamtenrechts, die sich als hergebracht erweist, wird von der institutionellen Garantie erfasst. Bezugspunkt des Art. 33 Abs. 5 GG ist nicht das gewachsene Berufsbeamtenrecht, sondern das Berufsbeamtentum. Geschützt sind daher nur diejenigen Regelungen, die das Bild des Berufsbeamtentums in seiner überkommenen Gestalt maßgeblich prägen, sodass ihre Beseitigung auch das Wesen des Berufsbeamtentums antasten würde. Dies ergibt sich bereits aus dem Wesen einer Einrichtungsgarantie, deren Sinn gerade darin liegt, den Kernbestand der Strukturprinzipien - mithin die Grundsätze, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass damit zugleich die Einrichtung selbst in ihrem Charakter grundlegend verändert würde - dem gestaltenden Gesetzgeber verbindlich als Rahmen vorzugeben (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - NVwZ 2016, 682 Rn. 34).

13

Der Nachweis eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums erfordert danach zumindest zwei Begründungsschritte: Der Grundsatz muss zum Kernbestand der Strukturprinzipien gehören, die allgemein oder doch ganz überwiegend (- Raummoment -) während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, also bis zum 30. Januar 1933, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (- Zeitmoment -). Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LDG BW ist zusätzlich die landesgesetzliche Vorgabe zu berücksichtigen, dass eine Verfügung, mit der gegenüber einem Beamten disziplinare Höchstmaßnahmen verhängt werden, nicht allein vom jeweiligen Dienstvorgesetzten ausgesprochen werden darf, sondern der Zustimmung der höheren Disziplinarbehörde bedarf.

14

a) Der Revision ist einzuräumen, dass es durchaus Gründe gibt, die Zweifel an der Verfassungskonformität von § 38 Abs. 1 LDG BW begründen können.

15

Ob man solchen Zweifeln näher tritt, hängt davon ab, welchen Rechtsstandpunkt man bei verschiedenen Fragestellungen im Prüfungsgang, ob ein hergebrachter Grundsatz i.S.v. Art. 33 Abs. 5 GG vorliegt, jeweils einnimmt. Dies beginnt bereits bei der Identifizierung und Definition der Rechtsregel, deren Herausbildung und Geltung als "verbindlich anerkannter und gewahrter" Grundsatz im traditionsbildenden Zeitraum es zu untersuchen gilt. Dies setzt sich fort in der Bewertung des rechtshistorischen Befundes zur Rechtslage im traditionsbildenden Zeitraum sowie im Verständnis einzelner Merkmale der oben dargestellten Maßstabsformel des Bundesverfassungsgerichts. Der Senat zollt dem Rechnung, indem er diesen Aspekten, die auch im Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung eingehend thematisiert und in verschiedener Richtung hinterfragt wurden, an dieser Stelle Raum gibt. Jedoch veranlassen sie ihn aus den später (unter b) darzustellenden Gründen nicht im Sinne der gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG erforderlichen Überzeugungsgewissheit zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht.

16

Für einen Verstoß gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG spricht, dass sich im traditionsbildenden Zeitraum die Rechtsregel entwickelt hat, dass eine disziplinarrechtliche Dienstentfernung von Beamten nicht allein durch den Dienstvorgesetzten verfügt werden konnte, sondern durch ein Kollegium erfolgte.

17

aa) Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 LDG BW kann die disziplinarrechtliche Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch den Dienstvorgesetzten (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 4 Satz 1 Nr. 3 LDG BW) - zum Teil allein und zum Teil nach Zustimmung der höheren Disziplinarbehörde (§ 38 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LDG BW) bzw. nach Vorlage bei der Rechtsaufsichtsbehörde (§ 38 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LDG BW) - verfügt werden. Diese Anordnung einer eigenständigen und unmittelbaren Disziplinarbefugnis auch für statusberührende Maßnahmen steht teilweise im Spannungsverhältnis zu der erwähnten Rechtsregel.

18

In der geschichtlichen Entwicklung des Berufsbeamtentums hat sich, ausgehend von der sog. Hofratsliteratur und der hierauf gründenden Rechtsprechung des Reichskammergerichts (vgl. hierzu Behnke, ZBR 1963, 257 <264 ff.>; Krause, Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, 2008, S. 281 ff.; Summer, Dokumente zur Geschichte des Beamtenrechts, 1986, S. 19 f.), schrittweise die Rechtsregel herausgebildet, dass eine Dienstentfernung von Beamten aus disziplinarrechtlichen Gründen zum Schutz vor Dienstherrnwillkür und im Interesse der unabhängigen Amtsführung erstens nicht allein und unmittelbar vom Dienstvorgesetzten selbst und zweitens nur aus hinreichenden, gesetzlich geregelten Gründen verfügt werden kann. Maßstabsbildender Grundsatz war dabei von Anfang an, dem Dienstvorgesetzten die Disziplinarbefugnis von vornherein zu entziehen (vgl. Weiß, in: GKÖD, Stand: Januar 2016, M § 45 Rn. 41). Aus diesem besonderen Entlassungsschutz für die Berufsbeamten ist das Lebenszeitprinzip abgeleitet und begründet worden. Diese Entwicklung hat ihren Schlussstein später dadurch erfahren, dass die zur Entscheidung über eine disziplinarrechtliche Entfernung aus dem Beamtenverhältnis berufenen Kollegialorgane als echte Gerichtsspruchkörper ausgestaltet worden sind.

19

Der Grundsatz, dass die Entlassung nicht allein durch den Entlassenden selbst verfügt werden darf, ist in der Praxis zunächst durch das Reichskammergericht etabliert worden. Bereits dieses hatte eine gefestigte Rechtsprechung zum Entlassungsschutz entwickelt, nach der die Entlassung nicht durch den Entlassenden selbst verfügt und durch eine rechtliche Untersuchung nachgewiesen worden sein musste (vgl. Krause, Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, 2008, S. 289 ff.).

20

Die Beschränkung der unmittelbaren Disziplinargewalt des Dienstherrn für statusberührende Maßnahmen hat nachfolgend auch Eingang in die normative Beamtengesetzgebung gefunden. Nachdem dem Kaiser im Jahr 1790 durch Art. 24 § 10 der Kaiserlichen Wahlkapitulationen bereits verboten worden war, Reichshofräte ohne vorheriges Gerichtsverfahren und eine gerichtliche Entscheidung ihres Dienstes zu entsetzen (vgl. Krause, Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, 2008, S. 297), findet sich die allgemeine Anordnung des Ausschlusses einer "administrativen Entlassung" durch den Entlassenden selbst erstmals in § 98 des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794. Dort heißt es: "Kein Vorgesetzter oder Departements-Chef kann einen Civilbedienten, wider seinen Willen, einseitig entsetzen oder verabschieden".

21

Die weitergehende Beschränkung des von Suarez verfassten Entwurfs auf förmliche Verfahren mit abschließendem Urteil ist damals zwar noch am Widerspruch des Königs gescheitert (vgl. Behnke, ZBR 1963, 257 <269>). Das Erfordernis des "Urtheilsspruches eines JustizKollegiums" findet sich normativ daher erstmals in Art. VIII der Bayerischen Hauptlandespragmatik von 1805 (RBl. Sp. 225; vgl. hierzu Wunder, ZBR 2005, 2 ff.). Der Entzug der unmittelbaren und eigenständigen Disziplinargewalt für die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch den entlassenden Dienstherrn selbst ist aber bereits im Preußischen Allgemeinen Landrecht angelegt.

22

Der erwähnte Grundsatz hat sich nachfolgend in allen Staaten etabliert. Dies gilt generell, gerade aber auch für Preußen, das für die Entwicklung des Berufsbeamtentums nicht nur im Hinblick auf seine Größe und Bedeutung im Reich eine herausragende Stellung einnimmt, sondern auch materiell als Leitbild der Staatsorganisation die Entwicklung aller deutschen Staaten prägte (vgl. zum Vorbildcharakter Preußens für die Entwicklung des Berufsbeamtentums etwa Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, 2. Aufl. 1993, S. 229; zur Prägung der Beamtengesetzgebung im Reich: Günther, DÖV 2007, 357 <359>).

23

Bereits durch §§ 99 f. des Preußischen Allgemeinen Landrechts war die "Verabschiedung" eines Beamten der mehrheitlichen Entscheidung des Staatsrathes überantwortet worden. Mit § 28 des Preußischen Disziplinargesetzes vom 29. März 1844 (GS S. 77) ist die Entscheidung über die Entfernung aus dem Amt dem "kollegialischen Beschluss" der Provinzialbehörden unterstellt worden, die hierbei unabhängig und "ohne an positive Beweisregeln gebunden zu seyn, nach ihrer aus dem ganzen Inbegriff der Verhandlungen und Beweise geschöpften Überzeugung zu beurtheilen [hatten], in wie weit die Beschuldigungen für gegründet zu achten sind". Der zuständige Verwaltungs-Chef war dabei grundsätzlich nur zur Milderung des getroffenen Beschlusses befugt (§ 30). An dieser Konzeption der Überantwortung der Disziplinarbefugnis für statusberührende Maßnahmen auf eigenständige Kollegialorgane hielten nachfolgend auch die Preußische Verordnung betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten vom 11. Juli 1849 (GS S. 271) und das Preußische Disziplinargesetz vom 21. Juli 1852 (GS S. 465) fest. Während die Befugnis zu Warnungen und Verweisen dem Dienstvorgesetzten zugesprochen war (§ 18 des Preußischen Disziplinargesetzes 1852), konnte die Entfernung aus dem Amt nur aufgrund eines förmlichen Disziplinarverfahrens und einer mündlichen Verhandlung durch hierzu berufene Disziplinarspruchkörper ausgesprochen werden (§ 24 des Preußischen Disziplinargesetzes 1852). Seit der (als Gesetz erlassenen) Preußischen Beamtendienststrafordnung vom 27. Januar 1932 (GS S. 59) ist die Verhängung statusberührender Disziplinarmaßnahmen sogar echten Dienststrafgerichten vorbehalten, die ihre Tätigkeit nach § 32 ausdrücklich in richterlicher Unabhängigkeit ausüben.

24

Ein derartiger Richtervorbehalt ist im traditionsbildenden Zeitraum auch in der ganz überwiegenden Zahl der anderen Staaten des Reichs für einzelne Beamtengruppen etabliert worden (vgl. neben der bereits benannten Regelung in Art. VIII der Bayerischen Hauptlandespragmatik vom 1. Januar 1805 etwa § 43 des Zivil-Staatsdiener-Gesetzes für die Herzogthümer Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen vom 10. April 1850 , § 60 des Braunschweigischen Gesetzes über den Civil-Staats-Dienst vom 12. Oktober 1832 , Art. 11 des Hessisch-Homburgischen Staatsdienergesetzes vom 26. Oktober 1849 , § 53 des Kurhessischen Staatsdienstgesetzes vom 8. März 1831 , § 55 des Lippischen Gesetzes über den Staatsdienst vom 15. Januar 1850 , Art. 78 des Oldenburgischen Civilstaatsdienergesetzes vom 26. März 1855 , § 50 des Civil-Staatsdienst-Gesetzes Sachsen-Coburg-Gotha vom 3. Mai 1852 , § 33 des Gesetzes über den Staatsdienst von Sachsen-Gotha vom 25. März 1849 , § 46 des Gesetzes über den Civil-Staatsdienst von Sachsen-Weimar-Eisenach vom 8. März 1850 , § 64 Schaumburg-Lippisches Civilstaatsdienstgesetz vom 8. März 1872 , § 46 des Gesetzes über den Civil-Staatsdienst von Schwarzburg-Rudolstadt vom 1. Mai 1850 , § 54 Waldeckisches Gesetz über den Staatsdienst vom 27. April 1850 ). Auch in den anderen Territorien des Reichs war flächendeckend und ausnahmslos jedenfalls anerkannt, dass nicht der entlassende Dienstvorgesetzte selbst und unmittelbar eine statusberührende Disziplinarmaßnahme verfügen kann.

25

Dies gilt in besonderer Weise für das Reich, in dem bereits mit dem Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873 (RGBl. S. 61) Disziplinarspruchkörper eingerichtet worden sind (§ 86). Dass damit eine bewusste Abkehr von der unmittelbar administrativen Entlassbarkeit der Beamten bezweckt war, folgt nicht nur aus der Entstehungsgeschichte. Es ergibt sich vielmehr aus dem im Gesetz selbst angeordneten System der Zuständigkeitsbestimmungen. Während Warnungen und Verweise vom Dienstvorgesetzten ausgesprochen werden dürfen (§ 80) und Geldstrafen in der Anordnungsgewalt der obersten Reichsbehörde stehen (§ 81), liegt die Entscheidung über die Entfernung in der Hand unabhängiger Disziplinarbehörden (§ 84). Die Intention, mit diesen Spruchkörpern eine neutrale Instanz und nicht den entlassenden Dienstvorgesetzten selbst mit der Entscheidungsgewalt zu betrauen, wird an der in § 90 RBG ausdrücklich (und nur für diese Fälle) vorgesehenen Befangenheitsrüge deutlich sichtbar. Ist die Unbefangenheit nicht sichergestellt, darf die Disziplinarkammer nicht entscheiden. Damit ist eine eigenständige Entscheidungsbefugnis des Dienstvorgesetzten "als Partei" im Ansatz nicht vereinbar.

26

An dieser Begrenzung der unmittelbaren Disziplinargewalt des Dienstvorgesetzten für statusberührende Maßnahmen ist selbst unter der Geltung des Gesetzes über die Pflichten der Beamten zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922 (sog. Republikschutzgesetzgebung) festgehalten worden, das angesichts seiner besonderen Zweckgebundenheit schwerwiegende Einschnitte in die Rechtsstellung der Beamten enthielt und für die Entwicklung des Berufsbeamtentums keine dauerhafte Prägekraft entfaltet hat (dies zeigt sich etwa an der Einschränkung des Grundsatzes auf amtsangemessene Beschäftigung durch einstweilige Versetzung in den Ruhestand in Art. III des Gesetzes). Auch hier ist die Disziplinarbefugnis für statusberührende Maßnahmen nicht der unmittelbaren Anordnungsgewalt des entlassenden Dienstvorgesetzten unterstellt, sondern an der Konzeption der Entscheidung durch unabhängige Disziplinarkammern und -höfe festgehalten worden (Art. I § 10b des Gesetzes). Einen "Rückschritt" stellt die Republikschutzgesetzgebung lediglich insoweit dar, als die Spruchkörper nicht mehr mehrheitlich aus berufsrichterlichen Mitgliedern bestanden, was für die hier beschriebene Rechtsregel indes irrelevant ist.

27

Die Regel, dass die Befugnis zur disziplinarrechtlichen Dienstentfernung dem alleinigen "administrativen" Anordnungsrecht des Dienstvorgesetzten von vornherein entzogen ist, war bis zur Ablösung der Weimarer Reichsverfassung daher in deren gesamten räumlichen Anwendungsbereich allgemein anerkannt.

28

bb) Durch den Entzug der unmittelbaren Disziplinargewalt für die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist die lebenslängliche Anstellung wirksam gesichert und die unabhängige Amtsführung gegen willkürliche Anordnungen Vorgesetzter geschützt. Gerade dieser besondere Entlassungsschutz unterscheidet das öffentlich-rechtliche Beamtenverhältnis von einer zivilrechtlichen Beschäftigung in ihrem Kern (vgl. Zängl, in: FS Fürst, 2002, S. 447 <461>).

29

Auch wenn die Ausgestaltung der zur Entscheidung im förmlichen Disziplinarverfahren berufenen Kollegialorgane in den Gesetzen der einzelnen Reichsterritorien im traditionsbildenden Zeitraum teilweise unterschiedlich geprägt war, liegt ihnen angesichts der historischen Entwicklung erkennbar das einheitliche Prinzip zugrunde, dem entlassenden Dienstvorgesetzten die Befugnis zum unmittelbaren Ausspruch einer Dienstentfernung im administrativen Wege von vornherein zu entziehen. Diese Intention ist in der Begründung des Entwurfs des Reichskanzlers von Bismarck vom 8. April 1872 zum Erlass des Reichsbeamtengesetzes (Deutscher Reichstag, 1. Legislatur-Periode, III. Sektion 1872 No. 9, S. 43) auch ausdrücklich und mustergültig formuliert: "Die Entscheidung über die gegen den Beamten erhobenen Anschuldigungen wird somit nicht in die Hand der Dienstvorgesetzten gelegt, sondern besonderen, völlig unbefangenen Kollegien überlassen."

30

Die Unentziehbarkeit des Beamtenverhältnisses ist von Beginn an als "eine der wichtigsten von Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Regeln des Beamtenrechts" qualifiziert worden (BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1958 - 1 BvL 27/55 - BVerfGE 8, 332 <352 f.>). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht Gefährdungen der unabhängigen Amtsführung insbesondere in der Entscheidungsbefugnis "politischer Gremien" über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis verortet (BVerfG, Beschluss vom 17. Oktober 1957 - 1 BvL 1/57 - BVerfGE 7, 155 <163>; ähnlich auch Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <260>). An dieser unmittelbaren Rückkopplung von Amtsführung und Unabhängigkeit hat das Bundesverfassungsgericht stets festgehalten, zuletzt etwa im Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - (NVwZ 2016, 682 Rn. 39): "Der mit dem Lebenszeitverhältnis gewährten Unentziehbarkeit des statusrechtlichen Amts kommt grundlegende Bedeutung zu, weil sie dem Beamten gerade bei der Ausübung des übertragenen Amts die im Interesse seiner Bindung an Gesetz und Recht erforderliche Unabhängigkeit sichert."

31

cc) Die Begrenzung der unmittelbaren Disziplinargewalt des Dienstvorgesetzten für statusberührende Maßnahmen ist eine Ausprägung des Lebenszeitgrundsatzes für das Beamtendisziplinarrecht. Sie stellt den Beamten von vornherein von der Befürchtung frei, dass ein Beharren auf gesetzmäßiger und nicht im Partikularinteresse einflussreicher Kreise liegender Amtsführung zu Willkürmaßnahmen seiner Vorgesetzten führt.

32

b) All diese Aspekte geben dem Senat indes nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit, die er gewinnen müsste, um das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Der Senat ist aufgrund der Variationsbreite der im traditionsbildenden Zeitraum bestehenden Regelungen aus den nachfolgend dargestellten Gründen der Ansicht, dass keine dem § 38 Abs. 1 LDG BW entgegenstehende Rechtsregel im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG besteht. Dabei geht der Senat bereits von einer anderen zu überprüfenden Rechtsregel aus als der obige Ansatz. Darüber hinaus gelangt er auch bei der Bewertung des rechtshistorischen Befundes und weiteren Fragestellungen zu einer anderen Beurteilung als die Revision. Im Einzelnen:

33

Im traditionsbildenden Zeitraum lässt sich weder ein Richtervorbehalt für die disziplinare Entfernung eines Beamten aus dem Dienstverhältnis nachweisen noch widerspricht eine Entlassung im Disziplinarverfahren aufgrund einer Verfügung bei umfassendem gerichtlichen Rechtsschutz dem Lebenszeitprinzip. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat das Lebenszeitprinzip als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG die Funktion, die Unabhängigkeit der Beamten im Interesse einer rechtsstaatlichen Verwaltung zu gewährleisten (BVerfG, Beschluss vom 28. Mai 2008 - 2 BvL 11/07 - BVerfGE 121, 205 <221> m.w.N.). Dazu gehört, dass der Beamte nicht willkürlich oder nach freiem Ermessen politischer Gremien aus seinem Amt entfernt werden darf, denn damit entfiele seine persönliche Unabhängigkeit (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - NVwZ 2016, 682 Rn. 38). Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass disziplinare Höchstmaßnahmen nur aufgrund und im Rahmen von gesetzlich geordneten Verfahren verfügt werden dürfen und den betroffenen Beamten gegen diese Disziplinarverfügungen effektiver Rechtsschutz zur Seite steht. Ein disziplinarrechtlich weitergehender Inhalt lässt sich auch dem Lebenszeitprinzip nicht entnehmen.

34

Die Entscheidung über die Entfernung eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis wegen eines Dienstvergehens war während des traditionsbildenden Zeitraums ganz verschiedenen Organen übertragen. Diese Funktion nahmen teils Gerichte war, teils besondere Verwaltungsgerichte, aber auch Verwaltungsbehörden, gegen deren Entscheidung mitunter die Beschreitung des Rechtswegs nachgelassen war, und schließlich auch besondere Disziplinarbehörden, die sich meist aus richterlichen Mitgliedern und Verwaltungsbeamten zusammensetzten, aber auch aus anderen Mitgliedern, etwa Bevollmächtigten des Reichsrats, deren Entscheidungen keiner gerichtlichen Kontrolle unterworfen waren.

35

Die oftmals kollegiale Organisation der besonderen Disziplinarbehörden ändert im Ergebnis nichts daran, dass es sich bei ihnen um Stellen öffentlicher Verwaltung handelte, deren Entscheidungen im Ergebnis exekutiven Charakter hatten. Sie agierten weder unabhängig noch kam ihren Entscheidungen allgemein oder doch ganz überwiegend letztverbindlicher Charakter zu.

36

aa) Die historische Entwicklung in den Ländern nahm ihren kodifizierten Anfang mit dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (PrALR) von 1794 (zitiert nach Hattenhauer , Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, 2. Aufl. 1994). Für das Disziplinarrecht bedeutsam waren die Regelungen im Zweiten Teil, Zehnter Titel des PrALR: "Von den Rechten und Pflichten der Diener des Staats". Dort bestimmte § 98, dass "kein Vorgesetzter oder Departements-Chef einen Civilbedienten, wider seinen Willen, einseitig entsetzen oder verabschieden" kann. Der Beamte war vor seiner Entsetzung zu hören und "die Sache zum Vortrage im versammelten Staatsrathe [zu] befördern" (§ 99), bei dessen mehrheitlicher Beschlussfassung es sein Bewenden hatte (§ 100). Der Staatsrat bestand aus den Prinzen des regierenden Hauses, dem Staatskanzler, den Ministern und anderen vom Monarchen ernannten Mitgliedern (vgl. Meyer/Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 7. Aufl. 1919, S. 404 f. m.w.N.). Bei "Bedienungen", die der Landesherr selbst "bestallte", war "ein auf Entsetzung oder Entlassung ausgefallener Beschluss des Staatsraths jedesmal dem Landesherrn zur unmittelbaren Prüfung und Bestätigung" vorzulegen (§ 101). Andere Gremien waren nicht zu befassen, einen Rechtszug auch im weiteren Sinne gab es nicht.

37

Die Bayerische Hauptlandespragmatik vom 1. Januar 1805 (RBl. Sp. 225), die allerdings nur für "pragmatische Staatsdiener", vergleichbar den Beamten des heutigen höheren Dienstes, galt, sah den "Verlust des dienerschaftlichen Standes (Kassation) nur nach vorhergegangener richterlicher Untersuchung" vor (Art. VIII, vgl. näher Wunder, ZBR 2005, 2 <12>). Außer im Falle eines richterlichen Spruches, hatten der einmal verliehene "Dienerstand und das Standesgehalt die unverletzliche Natur der Perpetuität" (Art. X).

38

Demgegenüber entschied nach § 14 Abs. 1 Badisches Civilstaatsdieneredikt vom 30. Januar 1819 (StRBl. S. 11) über die "Dienstentlassung und Versetzung" unwiderruflich angestellter Diener "in deterius" das Großherzogliche Staatsministerium auf administrativem Weg. Die Württembergische Verfassungsurkunde vom 15. September 1819 (StRBl. S. 634) gab in ihren §§ 46 und 47 vor, dass Staatsdiener, die ein Richteramt bekleideten, nur durch Richterspruch aus dem Dienst entfernt werden dürften, während bei den anderen Staatsdienern ein Richtervorbehalt nur dann zum Tragen kam, "wenn die Entfernung wegen Verbrechen oder gemeiner Vergehen geschehen soll". Andere Länder regelten die disziplinare Entfernung von Beamten entweder judikativ (z.B. § 60 Braunschweigisches Gesetz über den Civil-Staats-Dienst vom 12. Oktober 1832, GVS S. 331, § 43 Zivil-Staatsdienergesetz für die Herzogtümer Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen vom 10. April 1850, GS. S. 1747), administrativ (z.B. § 25 Sächsisches Civilstaatsdienergesetz vom 7. März 1835, GVBl. S. 169, § 58 Hannoverisches Staatsdienergesetz vom 8. Mai 1852, GS I S. 97) oder gemischt administrativ und judikativ (z.B. Art. 11 und 12 des Hessisch-Homburgischen Staatsdienergesetzes vom 26. Oktober 1849, RBl. S. 85 für höhere Staatsdiener nur durch gerichtliches Urteil und für Staatsbedienstete niederen Ranges im Verwaltungswege).

39

Zu ersten speziellen Disziplinargesetzen kam es ab dem Jahr 1844 in Preußen. Generell kennzeichnend war hier, dass diese Gesetze die Zuständigkeit zur Führung förmlicher Disziplinarverfahren der jeweiligen Anstellungskörperschaft übertrugen. So entschieden nach § 28 des Preußischen Disziplinargesetzes vom 29. März 1844 (PrGS S. 77) "Provinzial-Behörden" und deren "Verwaltungs-Chefs" über die Entfernung eines der bei ihnen angestellten nicht richterlichen Beamten aus dem Amt.

40

Mit der "Verordnung, betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten, die Versetzung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand" vom 11. Juli 1849 (PrGS S. 271) errichtete Preußen den "Disziplinarhof zu Berlin" und die Provinzialbehörden als besondere Disziplinarbehörden. Die Zuständigkeit bestimmte sich allein nach der durch die Anstellung begründeten Amtsstellung. Für vom König oder von den Ministern ernannte oder bestätigte Beamte war der Disziplinarhof zuständig, während die Provinzialbehörden - die eine Vielzahl von Einrichtungen umfassten (Regierungen, Provinzial-Schulkollegien, Provinzial-Steuerdirektionen, Ober-Bergämter) - für die jeweils von ihnen angestellten Beamten besondere Disziplinarbehörden erster Instanz waren (§ 26). War die personelle Zusammensetzung der Provinzialbehörden als Disziplinarbehörden zunächst gesetzlich nicht näher geregelt, bestimmte § 31 dieser Verordnung, dass der Disziplinarhof aus einem Präsidenten und zehn anderen Mitgliedern bestand, von denen wenigstens vier zu den Mitgliedern der beiden obersten Gerichtshöfe gehören mussten. Ihm kam allerdings keine letztverbindliche Entscheidungskompetenz zu. Denn gegen die Entscheidung des Disziplinarhofs konnten die Beteiligten Berufung zum Staatsministerium erheben (§ 45). Über Entscheidungen des Disziplinarhofs befand mit dem Preußischen Staatsministerium eine Behörde, so dass die letztverbindliche Entscheidungskompetenz allein exekutiven Charakter hatte. Für den Fall, dass das Staatsministerium die Entfernung aus dem Amt aussprach, bedurfte dieser Ausspruch zudem der Bestätigung des Königs, wenn der Beamte vom König ernannt oder bestätigt worden war (§ 51). Das Staatsministerium stand an der Spitze der Staatsverwaltung und setzte sich aus den jeweils bestehenden Ministerien - in Preußen bis 1848: Staatskanzler/Präsident des Staatsministeriums als Ministerpräsident, Krieg, Inneres, Finanzen, Justiz, Äußeres und ab 1848 zusätzlich: Geistliche-, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten, Landwirtschaft, Domänen und Forsten sowie Handel und Gewerbe - zusammen (siehe näher Meyer/Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 7. Aufl. 1919, S. 402 f.).

41

Das Preußische Disziplinargesetz vom 21. Juli 1852 (PrGS S. 465, vgl. dort die §§ 24, 29, 41 und 47) löste die für die einschlägigen Bestimmungen inhaltsgleiche Preußische Beamten-Disziplinar-Verordnung vom 11. Juli 1849 (vgl. dort die §§ 26, 31, 45 und 51) ab. Der Disziplinarhof zu Berlin und die Provinzialbehörden blieben als Disziplinarbehörden erhalten. In den Disziplinarverfahren wurde zwar mündlich verhandelt, die Verhandlungen fanden aber gemäß § 35 Abs. 1 PrDiszG 1852 in nicht öffentlicher Sitzung - also geheim - statt. An der abschließenden Zuständigkeit des Preußischen Staatsministeriums änderte sich nichts (§ 41).

42

Besondere Zuständigkeiten bestanden in Preußen für die Durchführung von Disziplinarverfahren gegen Beamte des mittleren und unteren Dienstes bei den Gerichten und für Beamte der Selbstverwaltungskörperschaften. Für die "Büreau- und Unterbeamten bei den Gerichten" war "die entscheidende Disziplinarbehörde erster Instanz [...] das Appellationsgericht, und zwar in derjenigen Abtheilung, in welcher der Erste Präsident gewöhnlich den Vorsitz führt" (§ 64 Nr. 2 PrDiszG 1852). Dagegen sah § 78 PrDiszG 1852 für Gemeindebeamte, die weder vom König noch von der Bezirksregierung oder deren Präsidenten ernannt oder bestätigt wurden, zunächst vor, dass die Akten nach geschlossener Voruntersuchung dem Präsident der Bezirksregierung übersandt werden. Für gegen gewählte Mitglieder der Kreis- und Stadtausschüsse zu führende förmliche Disziplinarverfahren bestimmte hingegen § 39 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (PrGS S. 195) den Bezirksausschuss als entscheidende Behörde erster Instanz und das Plenum des Oberverwaltungsgerichts als entscheidende Behörde zweiter Instanz. Wieder anders gestaltete sich das förmliche Disziplinarverfahren, wenn es um Dienstvergehen der Beamten der Landes-Versicherungsanstalten ging. Nach § 3 des Gesetzes betreffend die Dienstvergehen der Beamten der Landes-Versicherungsanstalten vom 17. Juni 1900 (PrGS S. 251) trat in dem auf die Entfernung aus dem Amt gerichteten Disziplinarverfahren als Entscheider an die Stelle des Regierungspräsidenten der Vorsitzende des Vorstands der Versicherungsanstalt, an die Stelle der Bezirksregierung und des Disziplinarhofs der Bezirksausschuss und an die Stelle des Staatsministeriums das Oberverwaltungsgericht. Die sich daraus ergebende Vielfältigkeit der Zuständigkeiten war Gegenstand kritischer fachwissenschaftlicher Erörterung (vgl. Sendel, Gesetz vom 21. Juli 1852 betreffend die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten, die Versetzung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand und seine Ergänzungen, 2. Aufl. 1894, S. 19 ff.; Brand, Das Beamtenrecht, 3. Aufl. 1928, S. 776 ff.).

43

Erst Art. 6 des Kriegsgesetzes zur Vereinfachung der Verwaltung vom 13. Mai 1918 (PrGS S. 53) reformierte das Preußische Disziplinargesetz aus dem Jahr 1852 partiell. Die Regierungskollegien bei den Provinzialbehörden führten bis dahin Disziplinarverfahren in Plenarversammlungen unter Vorsitz des Regierungspräsidenten durch. Bei großen Regierungen erwies sich dies zunehmend als übergroßes Kollegium, das zur ordnungsgemäßen Verhandlung, Beratung und Entscheidung ungeeignet war (vgl. anschaulich Brand, in: Der Schulverband, 1929, S. 203 <205>). Deshalb bestimmte der 1918 neu eingefügte Satz 2 des § 24 Abs. 2 PrDiszG, dass, soweit die Regierung als entscheidende Disziplinarbehörde erster Instanz in Betracht kam, das Disziplinargericht aus sieben Mitgliedern bestand. Diese Mitglieder setzten sich wie folgt zusammen: der Regierungspräsident als Vorsitzender, der Oberregierungsrat oder sonstige Leiter des Geschäftsbereichs, zu dem der Angeschuldigte gehörte, und fünf weitere Mitglieder. Die weiteren Mitglieder bestimmte der Regierungspräsident für die verschiedenen Beamtenklassen besonders aus der Zahl der Regierungsmitglieder. Dies belegt den exekutiven Charakter dieser besonderen Disziplinarbehörde. Den Vorsitz im Gremium führte der Regierungspräsident als Dienstvorgesetzter, hinzu kamen mit dem Leiter des Geschäftsbereichs der Fachvorgesetzte sowie fünf weitere Beamte, die alle dem Vorsitzenden unterstanden. Dies macht die bereits früher vertretene wissenschaftliche Äußerung verständlich, wonach über Dienstvergehen eines Beamten regelmäßig der Vorgesetzte entscheiden sollte (vgl. von Rheinbaben, Die preußischen Disziplinargesetze, Berlin 1904, § 24 DiszG S. 169).

44

Die Verordnung vom 18. Februar 1919 (PrGS S. 19) brachte in Bezug auf das Rechtsmittel der Berufung gegen disziplinarische Entscheidungen nur eine geringfügige Verbesserung. In denjenigen Fällen, in denen der Disziplinarhof nicht bereits in erster Instanz geurteilt hatte, war er für das Rechtsmittel der Berufung zuständig. Dies betraf jedoch nicht die höheren unmittelbaren Staatsbeamten. Für sie blieb das Preußische Staatsministerium, d.h. die Gesamtheit der preußischen Minister, letzte Disziplinarinstanz, wobei vor dem Staatsministerium nicht einmal eine mündliche Verhandlung vorgesehen war (Brand, Der Schulverband, 1929, S. 203 <206>).

45

bb) Im deutschen Gesamtstaat des Kaiserreichs enthielt das Gesetz betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten von 31. März 1873 (RGBl. S. 61, RBG) die ersten disziplinarrechtlichen Regelungen. Im förmlichen Disziplinarverfahren waren zwei Disziplinarbehörden als Reichsbehörden zur Entscheidung über die Entfernung eines Beamten aus dem Amt berufen (vgl. Kanngiesser, Das Recht der Deutschen Reichs-Beamten, Reichs-Gesetze mit Erläuterungen, Band 3, 1874, § 86 RBG II. 2. ). Es handelte sich gemäß den §§ 84 und 86 RBG um die Disziplinarkammer in erster Instanz und den Disziplinarhof in zweiter Instanz. Die Disziplinarkammern bestanden aus sieben Mitgliedern, von denen der Präsident und wenigstens drei andere Mitglieder in richterlicher Stellung in einem Bundesstaate sein mussten (§ 89 Abs. 1 RBG). In dem aus elf Mitgliedern zusammengesetzten Disziplinarhof fanden sich wenigstens vier Bevollmächtigte des "Bundesrathes", während der Präsident und wenigstens fünf weitere Mitglieder zu den Mitgliedern des Reichs-Oberhandelsgerichts gehören mussten (§ 91 Abs. 1 RBG). Bei der gemäß § 103 RBG öffentlich geführten mündlichen Verhandlung und Entscheidung befanden sich die richterlichen Mitglieder der Disziplinarbehörden jeweils in der Mehrheit (§ 89 Abs. 2 und § 91 Abs. 2 RBG).

46

Die Motive zum Gesetzentwurf (Deutscher Reichstag Drucksache 1. Legislatur-Periode, III. Sektion 1872, No. 9 S. 40) nannten zwei Gesichtspunkte, die für die disziplinare Entfernung eines Beamten aus dem Amt maßgeblich sein sollten: der Schutz des Beamten gegen Willkür und die Möglichkeit der Entfernung wegen Unwürdigkeit. Während in einigen Territorien die Entsetzung eines Beamten nur von Gerichten ausgesprochen werden durfte (Bayern, Braunschweig und Hessen), wurde in anderen Staaten (Preußen, Sachsen und Österreich) über die Entsetzung im Wege der Verwaltungsjustiz entschieden. Zur Begründung des Gesetzentwurfes zum Reichsbeamtengesetz hieß es etwas widersprüchlich einerseits, dass sich der Entwurf "dem Beispiele des Preußischen Rechts" anschließt (a.a.O. S. 40), während andererseits zugleich darauf hingewiesen wurde, "die Entscheidung über die gegen den Beamten erhobene Anschuldigung nicht in die Hand des Dienstvorgesetzten zu legen, sondern besonderen, völlig unbefangenen Kollegien zu überlassen" (a.a.O. S. 43).

47

Bei den angesprochenen Kollegien - den Disziplinarkammern und dem Disziplinarhof - handelte es sich in der heutigen Terminologie um "gemischte Gremien" (BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2001 - 2 BvF 1/00 - BVerfGE 103, 111 <139>) oder "gerichtsähnliche Spruchkörper der Exekutive" (Weiß, in: Fürst u.a. GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, M § 45 Rn. 46). Auch wenn diese Kollegien vereinzelte gerichtsähnliche Verfahrensbestimmungen - etwa die Befangenheitsrüge nach § 90 RBG - kannten, wäre es indes verfehlt, ihnen Unabhängigkeit zu bescheinigen. Denn bei diesen nicht ständigen Kollegien handelte es sich um Reichsbehörden. Ihre Mitglieder wurden aus den Landesbeamten gewählt und bekleideten "das Reichsamt des Kaiserlichen Disziplinar-Richters" als "Nebenamt" (Kanngiesser, Das Recht der Deutschen Reichs-Beamten, Reichs-Gesetze mit Erläuterungen, Band 3, 1874, § 86 RBG II. 2. S. 178 f.; Kanngiesser beschrieb "diese wandernden Gerichte" denn auch als einen "Uebelstand", der zur Zeit nicht zu vermeiden sei, a.a.O. S. 179).

48

cc) Für die Weimarer Zeit ist für die Frage, ob es eine allgemeine Regel des Inhalts gab, dass die Ahndung eines Dienstvergehens eines Beamten stets einem Gremium vorbehalten war, das gegenüber der exekutiven Gewalt des Dienstherrn durch die gesetzlich bestimmte Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit geprägt war, zwischen den Ebenen der Verfassung und des einfachen Gesetzesrechts zu unterscheiden.

49

aaa) Die Reichsverfassung von Weimar vom 11. August 1919 (RGBl. S. 1383 - WRV -) bestimmte in ihrem Artikel 128 Abs. 3 nur, dass die Grundlagen des Beamtenverhältnisses - was auch diejenigen für die Beamten der Länder einschloss - durch Reichsgesetz zu regeln waren. Weiter sah Art. 129 Abs. 1 Satz 1 WRV vor, dass die Anstellung der Beamten auf Lebenszeit erfolgte, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt war. Die Bedeutung der lebzeitigen Anstellung unterstrich Art. 129 Abs. 2 WRV, der vorgab, dass die Beamten nur unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen und Formen vorläufig ihres Amtes enthoben, einstweilen oder endgültig in den Ruhestand oder in ein anderes Amt mit geringerem Gehalt versetzt werden konnten.

50

Dagegen schrieb die Reichsverfassung für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis wegen eines Dienstvergehens die Entscheidung durch Gerichte oder andere Gremien nicht vor. Dies ergibt sich aus der Vorschrift des Art. 129 Abs. 3 WRV und der Bedeutung, die dieser Norm beigemessen wurde. Die Vorschrift lautete: "Gegen jedes dienstliche Straferkenntnis muß ein Beschwerdeweg und die Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens eröffnet sein." Diese Norm nahm die im gesamten Reichsgebiet bestehende breite Palette der Verfahrensarten bei der Entlassung eines Beamten wegen eines Dienstvergehens hin, ohne ihrerseits hinsichtlich des Verfahrens Vorgaben zu machen. Die Verfassung akzeptierte damit die bestehende Vielfalt der Verfahrensgestaltung und beschränkte sich darauf, gegen "jedes dienstliche Straferkenntnis" den Beschwerdeweg sowie die Möglichkeit des Wiederaufnahmeverfahrens zu eröffnen (Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 7. Aufl. 1919, § 153, S. 628 f.). Die damalige Rechtsprechung verstand Art. 129 Abs. 3 Satz 1 WRV allerdings als "lediglich programmatische Bestimmung" (RG, Urteil vom 24. Februar 1928 - III 297/27 - JW 1928, 1289). Auch die damalige Literatur (vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 3. Bearbeitung, 12. Aufl., 1930, Art. 129 Anm. 9; Gebhard, Handkommentar zur Verfassung des Deutschen Reichs, 1932, Art. 129 Anm. 8) beurteilte die Norm lediglich als Richtlinie für die Gesetzgebung, nicht aber als bindendes Recht.

51

Darüber hinaus lässt sich im Umkehrschluss aus Art. 104 Abs. 1 WRV, der für Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit - nicht aber für Richter der Verwaltungsgerichte oder für Beamte - einen Richtervorbehalt formulierte, herleiten, dass ein solcher für Beamte gerade nicht anerkannt war.

52

Auch die Preußische Verfassung von 1920 (PrGS 1920, Nr. 55, S. 543) enthielt keine näheren Vorgaben für die disziplinare Entfernung von Beamten aus dem Amt. Art. 79 Preußische Verfassung 1920 bestimmte nur, dass die Staatsbeamten wider ihren Willen nur unter den gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen und Formen entlassen, einstweilig oder endgültig in den Ruhestand oder in ein anderes Amt mit geringerem Gehalt versetzt werden konnten. Im Übrigen sah Art. 80 Preußische Verfassung 1920 vor, dass das Beamtenrecht im Rahmen des Reichsrechts durch Gesetz geregelt wird. Das staatspraktische Verständnis, wem letztverbindlich die Disziplinargewalt zustand, belegt folgende dem preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun im Jahre 1930 im Landtag zugeschriebene Äußerung: "Wenn die preußische Staatsregierung es für zweckmäßig gehalten haben würde, auch gegen Beamte, die lediglich unterzeichnet haben, vorzugehen und die Entscheidung der Disziplinargerichte anzurufen, dann hätte sie sich durch das Urteil des Staatsgerichtshofs keineswegs hindern lassen, denn die Disziplinargewalt steht dem preußischen Staatsministerium und nicht dem Staatsgerichtshof zu" (zitiert nach Sachse, Die Rechtskraft der Entscheidungen des Staatsgerichtshofs gegenüber Disziplinarbehörden und Disziplinargerichten, in Abraham , Zeitschrift für Beamtenrecht, Bd. 3, 1931, S. 153 und 166. Sitzung des preußischen Landtags vom 22. Mai 1930, Sitzungsbericht Sp. 14149, 14150).

53

bbb) Im einfachen Gesetzesrecht änderte das mit der nach Art. 76 WRV für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit zustande gekommene Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutz der Republik vom 21. Juli 1922 (RGBI. I 1922 S. 590) u.a. das im Reichsbeamtengesetz kodifizierte beamtenrechtliche Disziplinarverfahrensrecht für die Reichsbeamten. Ziel des Gesetzes war es, die republikanischen Verfassungstreuepflichten der Beamten zu konkretisieren. Der Schutz der Reichsbeamten (sowie derjenige der Soldaten) gegen unsachliche Disziplinarerkenntnisse verschlechterte sich durch die neugefassten §§ 89, 91 und 93 RBG gleich dreifach: Weder in den Disziplinarkammern noch im Disziplinarhof mussten die berufsrichterlichen Mitglieder mehr überwiegen, die Mitglieder der Disziplinarkammern und des Disziplinarhofs wurden nur noch auf drei Jahre ernannt und die Amtsdauer der im Amt befindlichen Mitglieder, also auch der auf Lebenszeit ernannten, endete kraft Gesetzes mit dem 31. August 1922 (Jellinek, in: VVDStRL 1925, S. 8 <35>). Diese Neuorganisation veranlasste namhafte Stimmen der damaligen Staatsrechtslehre zu der zusammenfassenden Beurteilung, dass man dem um seinen Bestand ringenden Staat gewiss das Recht zu außerordentlichen Maßnahmen zubillige, dass aber auf die Dauer sich eine solche ausgesprochene oder unausgesprochene Politisierung der Disziplinargerichtsbarkeit nicht aufrechterhalten lassen werde (Jellinek, in VVDStRL 1925, S. 8 <35 f.>; Lassar, in: VVDStRL 1925, S. 81 <103>; Köttgen, Das deutsche Berufsbeamtentum und die parlamentarische Demokratie, 1928, S. 132 <133 f.>).

54

Im Folgenden legte die Reichsregierung dem damaligen Reichstag am 7. August 1925 den ersten Entwurf einer Reichsdienststrafordnung vor, die an die Stelle der §§ 72 bis 133 RBG treten sollte (RT-Drs. III/1474). Institutionell sah der Entwurf vor, die Reichsdienststrafkammern in erster Instanz und den Reichsdienststrafhof als Berufungsgericht als jeweils unabhängige und nur dem Gesetz unterworfene Dienststrafgerichte in Disziplinarsachen entscheiden zu lassen (§ 20 des Entwurfs). Der beim Reichsgericht ansässige Reichsdienststrafhof (§ 32 Abs. 1 des Entwurfs) sollte aufgrund öffentlicher Hauptverhandlung (§ 73 Abs. 1 des Entwurfs) jeweils mit drei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden und mit zwei Beamtenbeisitzern entscheiden (§ 32 Abs. 3 Satz 2 des Entwurfs). Des Weiteren forderte der Entwurf für alle dem Beschuldigten nachteiligen Entscheidungen analog § 263 Abs. 1 StPO eine Zweidrittelmehrheit der Zahl der gesetzlichen Stimmen (§ 78 Abs. 1 des Entwurfs). Zur Begründung des Gesetzentwurfes führte die Reichsregierung aus, gerade dieser Teil des Beamtenrechts bedürfe besonders dringlich der Erneuerung. Der Reichstag überwies den Entwurf an den Ausschuss für Beamtenangelegenheiten (14. Ausschuss), der einen Bericht dazu verfasste. Das Plenum des Reichstags kam indes nicht mehr dazu, das Gesetz zu verabschieden. Der Reichstag wurde aufgelöst und der Gesetzentwurf zu einer Reichsdienststrafordnung von dem Reichsminister des Innern (Az. I C 6610/26.3) erst wieder am 26. März 1931 dem Reichsrat erneut vorgelegt (RRat-Drs. Nr. 43, Tagung 1931). Der Reichsrat stimmte dem neuen Gesetzentwurf am 12. November 1931 zu. Der Entwurf blieb indes Entwurf, denn er wurde abermals nicht vom Reichstag beschlossen. Daran änderte sich bis zum faktischen Ende der Weimarer Republik am 30. Januar 1933 nichts. Für die Begründung eines hergebrachten Grundsatzes im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG sind diese Gesetzesinitiativen auf der Ebene des Reichs im Ergebnis unergiebig, weil es dafür allein auf die maßgebliche Gesetzeslage ankommt.

55

ccc) Die Rechtslage in Preußen entwickelte sich während der Weimarer Zeit zunächst zu der im Reich teilweise parallel. Die Republikschutzgesetzgebung mit Gesetzen über die besonderen Pflichten der Beamten zum Schutz der Weimarer Republik wurde auch in Preußen (Art. 5 und 6 des Gesetzes zur Änderung des "Gesetzes betreffend die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten, die Versetzung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand, vom 21. Juli 1852 - PrGS S. 465 -" vom 4. August 1922 PrGS 1922 S. 208 f.) und in mehreren anderen Ländern - etwa Hamburg, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen und Thüringen - implementiert. Diese Gesetze entsprachen inhaltlich dem gesamtstaatlichen Gesetz, mit der Besonderheit, dass das Ende der Amtszeit der aktuellen Mitglieder des Preußischen Disziplinarhofs rückwirkend auf den 15. Juli 1922 bestimmt wurde. Indes wurden die beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren in Preußen - anders als im Reich - weiter auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 PrDiszG 1852 unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Für einen Teil der Beamten war Berufungsinstanz unverändert das Preußische Staatsministerium, d.h. die Gesamtheit der Preußischen Minister.

56

Der Preußische Landtag rang sich nur betreffend der Dienstvergehen der Richter zu einer Beendigung des Öffentlichkeitsausschlusses durch, und auch dies erst durch Gesetz vom 23. Dezember 1927 (PrGS 1927, S. 294 f.). Stimmen im Schrifttum beklagten das "fast mittelalterlich erscheinende Geheimverfahren" in Preußen bereits damals, wenn sie bedauernd feststellten, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit nur für Richter, nicht aber auch für Disziplinarverfahren gegen die nichtrichterlichen Beamten eingeführt wurde (so Brand, in: Abraham , Zeitschrift für Beamtenrecht, Bd. 1, 1929, S. 1 <10>; ders., in: Der Schulverband, 1929, S. 203 <206 f.>).

57

Neue Maßstäbe setzte Preußen indes mit seiner zum 1. April 1932 in Kraft getretenen Beamtendienststrafordnung vom 27. Januar 1932 (PrGS S. 59 - BDStO 1932). Mit diesem Gesetz schuf Preußen gemäß den § 27 Abs. 2 und § 32 BDStO 1932 erstmals eine unabhängige und nur dem Gesetz unterworfene Disziplinargerichtsbarkeit für die im preußischen Dienst stehenden Landes- und Kommunalbeamten. Die mündlichen Verhandlungen wurden nunmehr auch öffentlich geführt (§ 43 BDStO 1932). In erster Instanz entschieden besondere Dienststrafkammern, Berufungsinstanz war einheitlich nicht mehr das Staatsministerium, sondern der Dienststrafhof (§ 39 Abs. 1 und § 49 BDStO 1932).

58

Dem ging eine intensive parlamentarische Vorarbeit im Preußischen Landtag voraus, deren Beginn der Urantrag Nr. 386 der Deutschnationalen Volkspartei vom 8. November 1928 für ein neues Disziplinargesetz betreffend die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten markierte (Preußischer Landtag, 3. WP., 1. Tagung 1928 Drs. Nr. 386, S. 443). Es folgte unter der Nr. 2219 ein weiterer Urantrag der Wirtschaftspartei vom 15. April 1929 (Preußischer Landtag, 3 WP., 1. Tagung 1928/1929, Drs. Nr. 2219, S. 1553), zu dessen Begründung es hieß, das Preußische Disziplinargesetz von 1852 entbehre nicht nur jeglicher Rechtsgarantie, sondern sei "bewußt als einseitiges Machtinstrument der Regierung gedacht zur Durchsetzung des Willens gegenüber den beamteten Personen". Beide Uranträge und den Entschließungsantrag des Abgeordneten Stendel (Drs. Nr. 4195) überwies der Landtag durch Beschluss vom 12. März 1930 an den Ausschuss für Beamtenfragen, der über die Anträge am 2. Dezember 1930 und 23. November 1931 beriet (vgl. LTag Drs. Nr. 7980). Ergebnis war letztlich die neue preußische Beamtendienststrafordnung, weil auf Reichsebene eine Beamtendienststrafordnung ausblieb, die der Preußische Landtag zunächst als Vorbild abwarten wollte.

59

dd) Danach ist hier für einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums zusammenfassend festzustellen: Eine allgemeine oder auch nur überwiegende Rechtsregel des Inhalts, dass im Vorfeld einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle die disziplinare Entfernung eines nichtrichterlichen Beamten aus dem Amt in den deutschen Ländern und im Gesamtstaat durch exekutive Entscheidung ausgeschlossen gewesen wäre, lässt sich im traditionsbildenden Zeitraum nicht nachweisen.

60

Belegen lässt sich hingegen, dass im größten Land, in Preußen, mit der am 1. April 1932 in Kraft getretenen Beamtendienststrafordnung ein Parlamentsgesetz geschaffen worden ist, das die administrative Entfernung eines nichtrichterlichen Beamten aus dem Amt ausschloss. Preußische Landes- und Kommunalbeamte konnten forthin nur noch im Wege der Disziplinarklage in einem förmlichen Gerichtsverfahren aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Indes ist es für das Zeitmoment am Maßstab der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientiert für den Nachweis eines hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums erforderlich, dass dieser Grundsatz in der Weimarer Zeit nicht nur anerkannt gewesen sein muss. Es muss während dieser Zeit zusätzlich auch "gewahrt" worden sein (BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1958 - 1 BvL 27/55 - BVerfGE 8, 332 <342 f.>; Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 <281 f.>; Beschlüsse vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <379 f.>, vom 28. Mai 2008 - 2 BvL 11/07 - BVerfGE 121, 205 <219> und zuletzt vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - NVwZ 2016, 682 Rn. 33). Das setzt voraus, dass der Grundsatz selbst auch über eine längere Zeit bestanden und praktiziert worden sein muss. Damit scheiden Strukturprinzipien als hergebrachte Grundsätze aus, die in der Weimarer Zeit nicht mehr oder noch nicht anerkannt waren oder die erst gegen Ende der Weimarer Zeit anerkannt worden sind.

61

Danach fehlt es hier auch für die Preußische Beamtendienststrafordnung von 1932, die die disziplinare Entfernung auch der nichtrichterlichen Beamten von der Exekutive auf die Judikative verlagerte, an dem erforderlichen Zeitmoment. Zwar ist es richtig, dass schon die Entwicklung der Disziplinargerichtsbarkeit als solche der Ausdruck einer Abwendung von der - bis dahin stark exekutiv geprägten - Disziplinargewalt des Dienstherrn war. Allerdings wurden in Preußen erst im April 1932 unabhängige Dienststrafgerichte eingerichtet. Die kurze Zeitspanne bis zum 30. Januar 1933 als dem Ende der Weimarer Zeit von weniger als zehn Monaten ist kein "längerer traditionsbildender Zeitraum".

62

Feststellen lässt sich hingegen - wie oben bereits ausgeführt (Rn. 16 ff.) - eine weitgehende Übereinstimmung im Reich und den Ländern im traditionsbildenden Zeitraum, wonach die disziplinarische Entfernung eines Beamten nicht durch den Dienstvorgesetzten allein verfügt werden durfte, sondern hierbei jeweils andere Stellen - zum Teil maßgeblich - beteiligt waren.

63

Hierbei handelt es sich indes nicht um einen Grundsatz, der zum Kernbestand der Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums gehört. Denn - wie gezeigt - diente die Beteiligung anderer Stellen dazu, zum Schutz des Lebenszeitprinzips zu verhindern, dass der Beamte willkürlich außerhalb eines förmlichen Verfahrens entlassen werden kann. Dass der Weg hierzu im traditionsbildenden Zeitraum die Beteiligung anderer Stellen als dem unmittelbaren Dienstvorgesetzten war, ist letztlich eine Detailregelung, die vor allem deswegen sinnvoll war, weil damals eine umfassende gerichtliche Kontrolle, wie sie nunmehr Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vorgibt, nicht gewährleistet war. Gerade der Umstand, dass die nachgelagerte gerichtliche Kontrolle einen noch viel effektiveren Schutz vor willkürlicher Entlassung bietet, zeigt, dass die Beteiligung sonstiger Stellen im traditionsbildenden Zeitraum nur ein Mittel zum Zweck, nicht aber das Strukturprinzip selbst war. Im Kern geht es allein um die Absicherung des Lebenszeitprinzips, welche durch ein förmliches, gesetzlich geregeltes Verfahren mit nachgelagertem Rechtsschutz hinreichend gewährleistet ist.

64

Im Übrigen sieht auch das neue baden-württembergische Landesdisziplinargesetz die Beteiligung anderer Stellen vor und genügt damit dem zuvor beschriebenen Grundsatz. Es folgt in seiner Struktur zwar derjenigen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts, berücksichtigt aber, dass über disziplinare Höchstmaßnahmen nach § 38 LDG BW der Dienstvorgesetzte eines Beamten nicht allein entscheiden darf. Die gesetzlichen Vorgaben in § 38 Abs. 1 Satz 2 LDG BW - der Zustimmungsvorbehalt der höheren Disziplinarbehörde oder bei kleinen Gemeinden die Vorlagepflicht an die Rechtsaufsichtsbehörde - schützen den Beamten vor willkürlichen Disziplinarmaßnahmen durch seinen nach § 4 LDG BW unmittelbaren Dienstvorgesetzten. Der Zustimmungsvorbehalt nach § 38 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LDG BW umfasst die volle Recht- und Zweckmäßigkeitsprüfung der beabsichtigten Disziplinarmaßnahme (vgl. LT-Drs. 14/2996 S. 116 f.). Damit dient der Zustimmungsvorbehalt auch dem Schutz des Beamten, weil die Zustimmung aus Ermessenserwägungen wie aus Zweck- und Rechtmäßigkeitserwägungen zugunsten des Beamten verweigert werden kann (Düsselberg, in: von Alberti u.a., Hrsg., Landesdisziplinarrecht in Baden-Württemberg, Kommentar, 2. Aufl. 2012, § 38 Rn. 8). Dagegen gewährleistet die Pflicht zur Vorlage des Entwurfs der Disziplinarverfügung von Gemeinden bis zu 10 000 Einwohnern an die Rechtsaufsichtsbehörde nach § 38 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LDG BW allein die Rechtskontrolle bei gleichzeitiger Wahrung der Personalhoheit im Rahmen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. LT-Drs. 14/2996 S. 117).

65

2. Schließlich gewährleistet die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG umfassenden nachträglichen Rechtsschutz gegen jede Art von behördlichen Disziplinarverfügungen nach § 38 Abs. 1 LDG BW. Der Beamte kann die Rechtmäßigkeit einer ihn betreffenden Disziplinarverfügung gerichtlich überprüfen lassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 21 Satz 1 AGVwGO BW vom 14. Oktober 2008, GBl. S. 343). Darüber hinaus sieht § 21 Satz 2 AGVwGO BW vor, dass, ist ein Dienstvergehen erwiesen, das Gericht die Verfügung aufrechterhalten oder zugunsten des Beamten ändern kann, wenn mit der gerichtlichen Entscheidung die Rechtsverletzung beseitigt ist. Dazu wendet das Gericht die Vorschriften des Landesdisziplinargesetzes über die Bemessung von Disziplinarmaßnahmen an (§ 21 Satz 3 AGVwGO BW). Die Regelung stellt klar, dass das Gericht in diesem Fall - anstelle der Disziplinarbehörde - eigenes Ermessen auf der Grundlage aller Zumessungsregelungen der §§ 26 ff. LDG BW ausübt (LT-Drs. 14/2996 S. 149). Darin ist ein weiterer Schutzmechanismus zugunsten des Beamten angelegt. Diese gesetzliche Verfahrensgestaltung genügt den Anforderungen, die sich aus den Verfassungsprinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dem Gesetzesvorbehalt und den Geboten des effektiven Rechtsschutzes und des fairen Verfahrens ergeben. Zugleich wird damit deutlich, dass die Regelung des § 38 Abs. 1 LDG BW das Wesen des Berufsbeamtentums nicht antastet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - NVwZ 2016, 682 Rn. 34).

66

3. Weiter ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den festgestellten disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalt beschränkt hat.

67

Gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 LDG BW ist die Disziplinarverfügung mit Begründung, Kostenentscheidung und Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und dem Beamten zuzustellen. In der Begründung sind der persönliche und berufliche Werdegang des Beamten, der Gang des Disziplinarverfahrens, die Tatsachen, die ein Dienstvergehen begründen, und die anderen Tatsachen und Beweismittel darzustellen, die für die Entscheidung bedeutsam sind (§ 38 Abs. 2 Satz 2 LDG BW). Nach § 38 Abs. 2 Satz 3 LDG BW kann auf die bindenden Feststellungen eines Urteils oder einer Entscheidung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 LDG BW verwiesen werden.

68

a) Die Begründungsvoraussetzungen des § 38 Abs. 2 Satz 2 LDG BW - konkret: die Darstellung der das Dienstvergehen begründenden Tatsachen - erfüllen die angefochtene Disziplinarverfügung - teilweise - nicht. Eine Verweisung nach § 38 Abs. 2 Satz 3 LDG BW war hier teilweise, nämlich im Hinblick auf das gegen den Kläger 2007 ergangene Urteil des Amtsgerichts nicht zulässig, da es insoweit an bindenden tatsächlichen Feststellungen eines Urteils oder einer Entscheidung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 LDG BW fehlt. Gegenstand des 2007 ergangenen Urteils ist allein das Strafmaß, nachdem der Kläger seinen Einspruch gegen den dem Urteil vorausgegangenen Strafbefehl nach § 410 Abs. 2 StPO auf das Strafmaß beschränkt hatte. Die Feststellungen zum Tatgeschehen beruhen daher lediglich auf dem im Schuldspruch rechtskräftigen Strafbefehl.

69

Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafbefehl kommt keine Bindungswirkung i.S.v. § 23 Abs. 1 und § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - juris Rn. 37). Nur solche tatsächlichen Feststellungen liefern eine sichere Entscheidungsgrundlage für ein Disziplinarverfahren, die aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen in einer Hauptverhandlung vor Gericht und nach richterlicher Beweiswürdigung getroffen worden sind. Einem Strafbefehl liegt aber nur eine in einem besonders geregelten summarischen Verfahren getroffene richterliche Entscheidung zugrunde. Er ergeht ohne Hauptverhandlung und gerichtliche Beweisaufnahme und bietet damit nicht das Maß an Ergebnissicherheit, das Voraussetzung für eine Bindungswirkung ist. Die in § 410 Abs. 3 StPO ausgesprochene Gleichstellung bestimmt lediglich den Umfang der Rechtskraft eines Strafbefehls (BT-Drs. 10/1313, S. 38) und dient insoweit der prozessrechtlichen Klarstellung (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juni 2000 - 2 C 20.99 - Buchholz 237.7 § 51 NWLBG Nr. 1 S. 2 und vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - juris Rn. 37).

70

b) Die Sachverhalte, die den weiteren gegen den Kläger ergangenen Strafurteilen zugrunde liegen, rechtfertigen indes seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Denn die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Disziplinarverfügung bereits unter Zugrundelegung der Straftaten aus den gegen den Kläger 2010 und 2011 ergangenen Strafurteilen rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, ist revisionsrechtlich fehlerfrei.

71

Eine Disziplinarverfügung, die auf mehrere Dienstpflichtverletzungen des Beamten gestützt ist und die Entfernung des Beamten aus dem Dienst oder die Aberkennung des Ruhegehalts ausspricht, unterliegt mangels Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung des Beamten nicht der Aufhebung nach § 2 LDG BW i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wenn bereits einzelne Dienstpflichtverletzungen die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme begründen und durch die Nichtberücksichtigung anderer Dienstpflichtverletzungen Verteidigungsrechte des Beamten im Verfahren nicht verletzt werden.

72

Der Sache nach geht es darum, ob es zulässig ist, das gerichtliche Disziplinarverfahren zu beschränken. Bundesgesetzlich ist dies ausdrücklich in § 56 Satz 1 BDG normiert, der bestimmt, dass das Gericht das Disziplinarverfahren beschränken kann, indem es solche Handlungen ausscheidet, die für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht oder voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen.

73

Der damalige Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat bereits zur früheren Rechtslage nach der Bundesdisziplinarordnung mit Urteil vom 27. November 1996 - 1 D 28.95 - (BVerwGE 113, 32 <35 f.>) die Beschränkung des festzustellenden Sachverhalts als prozessökonomisch geboten und rechtlich unbedenklich angesehen, wenn bereits aufgrund einzelner festgestellter Pflichtverletzungen die Höchstmaßnahme zu verhängen ist. Der Betroffene hat keinen rechtlich geschützten Anspruch darauf, dass auch die nicht mehr entscheidungserheblichen Anschuldigungspunkte überprüft werden.

74

Diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat (BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2013 - 2 B 50.12 - ZBR 2013, 351 Rn. 16) fortgeführt und zu § 56 Satz 1 BDG ausgeführt, die darin normierte Beschränkungsmöglichkeit bezwecke in Anknüpfung an die hierzu ergangene Rechtsprechung die Beschleunigung der Disziplinarverfahren durch die instanzenübergreifende Möglichkeit, einzelne Handlungen auszuscheiden, die für die zu erwartende Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen (BT-Drs. 14/4659 S. 40 und S. 49). Das Disziplinarverfahren soll von überflüssigem Ballast befreit werden können, muss aber weiterhin die gebotene Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Beamten (vgl. § 13 BDG) ohne Abstriche ermöglichen (ebenso BVerwG, Beschluss vom 20. August 2013 - 2 B 8.13 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 22 Rn. 6). Daran hält der Senat fest.

75

Das baden-württembergische Landesdisziplinargesetz enthält zwar keine der Vorschrift des § 56 BDG entsprechende Bestimmung. Die in § 10 Abs. 2 LDG BW für das behördliche Disziplinarverfahren vorgesehene Beschränkung des Disziplinarverfahrens kann nicht ohne Weiteres auf das gerichtliche Disziplinarverfahren übertragen werden, weil die Disziplinargerichte in Baden-Württemberg - ungeachtet der in § 21 AGVwGO BW normierten Ersetzungsbefugnis - kein eigenes Ermessen ausüben (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand: Oktober 2010, § 56 BDG Rn. 6; Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 2011, § 56 Rn. 17). Auch den Gesetzesmaterialien kann nicht entnommen werden, dass die Norm im gerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar sein sollte (vgl. LT-Drs. 14/2996 S. 67 ff., 147 ff.).

76

Dies ändert indes nichts daran, dass die Beschränkung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens auf einzelne Handlungen ausnahmsweise dann zulässig ist, wenn die Entscheidung zu keinem anderen Rechtsfolgeausspruch führen kann. Dies ist der Fall, wenn feststeht, dass bereits einzelne Handlungen die verhängte Maßnahme unzweifelhaft tragen (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand: Oktober 2010, § 56 BDG Rn. 6; Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 2011, § 56 Rn. 17).

77

Die Befugnis, das gerichtliche Disziplinarverfahren auf einzelne tragende Handlungen zu beschränken, folgt aus allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen. Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei braucht es von den in seinen Gesichtskreis gelangten Tatsachen allerdings nur diejenigen aufzuklären, von denen das mit dem Prozess erstrebte Recht abhängt. Zur Ermittlung unerheblicher Tatsachen ist das Gericht nicht verpflichtet; ein rechtlich achtenswertes Interesse, eine unerhebliche Tatsache aufzuklären, ist nicht gegeben (vgl. Dawin, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 2016, § 86 Rn. 49).

78

Tragen bereits einzelne Dienstpflichtverletzungen die Höchstmaßnahme, können weitere Handlungen keine andere Rechtsfolge rechtfertigen. Das schwere Dienstvergehen kann bei Hinzukommen zusätzlicher Verfehlungen denknotwendig nur noch schwerer ausfallen.

79

Etwas anderes, d.h. eine Verpflichtung zur Ermittlung und Feststellung auch der weiteren Handlungen, gilt allerdings ausnahmsweise dann, wenn Milderungsgründe lediglich im Zusammenhang mit der ausgesonderten Handlung im Raum stehen. Denn die Beschränkung des Disziplinarverfahrens muss weiterhin die nach § 26 Abs. 1 Satz 2 LDG BW gebotene Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Beamten ohne Abstriche ermöglichen. Dass im Streitfall ein Milderungsgrund lediglich oder besonders im Zusammenhang mit der strafgerichtlichen Verurteilung aus dem Jahr 2007 vorliegt, hat der Kläger nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.

80

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 22 AGVwGO BW, § 77 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

81

5. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtsgebühren aus den nachfolgenden analog anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen ergibt:

82

Das als Anlage zu § 22 Satz 1 AGVwGO BW erlassene Gebührenverzeichnis enthält keine Festsetzungen für das Revisionsverfahren. In Anbetracht des Umstands, dass der Landesgesetzgeber die Gebührenfreiheit für das gerichtliche Disziplinarverfahren ausdrücklich aufheben wollte (vgl. LT-Drs. 14/2996 S. 149), muss das Fehlen einer Gebührenregelung für das Revisionsverfahren als planwidrige Regelungslücke bewertet werden. Diese kann durch eine Analogie zu den entsprechenden Regelungen des Bundesdisziplinargesetzes geschlossen werden, weil der Landesgesetzgeber bei der Festsetzung der Gebührenbeträge im Übrigen die Sätze aus dem als Anlage zu § 78 BDG erlassenen Gebührenverzeichnis übernommen hat. Dementsprechend ist für das Verfahren über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in beiden Regelungswerken eine Gebühr in Höhe von 360 € für das Klageverfahren in erster Instanz vorgesehen. Es entspricht daher dem mutmaßlichen Normgeberwillen und dem vorzufindenden Normgefüge am ehesten, auch für den Gebührentatbestand des Revisionsverfahrens auf die Wertung des Bundesdisziplinargesetzes zurückzugreifen. In analoger Anwendung der Nr. 30 des BDG-Gebührenverzeichnisses ist daher der zweifache Satz anzusetzen, so dass für das vorliegende Revisionsverfahren Gerichtsgebühren in Höhe von 720 € anfallen.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
b)
die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
Gibt der kinderpornographische Inhalt in den Fällen von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.

(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:

1.
staatlichen Aufgaben,
2.
Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder
3.
dienstlichen oder beruflichen Pflichten.

(6) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn

1.
die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
2.
die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(7) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, durch das nach § 9 des Bundesbesoldungsgesetzes über den Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst entschieden worden ist, sind im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, bindend.

(2) Die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind nicht bindend, können aber der Entscheidung im Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.