Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 29. März 2005 - A 18 K 10372/05

bei uns veröffentlicht am29.03.2005

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die im Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 05.11.2004 enthaltene Anordnung der Abschiebung nach Finnland ist gem. Art. 16 a Abs. 2 S. 3 GG, § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht statthaft.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat der Antragsgegner zu Recht eine Abschiebungsordnung gem. § 34 a Abs. 1 AsylVfG erlassen, so dass § 34 a Abs. 2 AsylVfG Anwendung findet. Unstreitig ist, dass der Asylantrag der Antragsteller in Deutschland gem. § 29 Abs. 3 S. 1 AsylVfG unbeachtlich ist, da Finnland als Mitgliedsstaat des Dubliner Übereinkommens und sicherer Drittstaat im Sinne von § 26 a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AsylVfG die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens übernommen hat. § 35 S. 2 AsylVfG sieht zwar in den Fällen des § 29 Abs. 3 S. 1 AsylVfG den Erlass einer Abschiebungsandrohung mit dem übernehmenden anderen Vertragsstaat als Zielstaat vor, diese Regelung hindert jedoch nicht den Erlass einer Abschiebungsanordnung gem. § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG, wenn der Ausländer aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist, der zugleich nach dem Zuständigkeitsabkommen zuständiger Vertragsstaat ist. Dies folgt aus § 29 Abs. 3 S. 2 AsylVfG, der ausdrücklich bestimmt, dass § 26 a Abs. 1 AsylVfG auch bei nach § 29 Abs. 3 S. 1 AsylVfG unbeachtlichen Asylanträgen unberührt bleibt. Nach dem Willen des Gesetzgebers stellt § 29 Abs. 3 S. 2 AsylVfG klar, „dass die Regelungen der §§ 26 a, 34 a AsylVfG Anwendung finden, wenn der Ausländer aus dem zuständigen Vertragsstaat eingereist ist“ (vgl. BT-Drs.12/4984 S. 48). Der Auffassung der Antragsteller, die Vorbehaltsklausel des § 29 Abs. 3 S. 2 AsylVfG sei nicht anzuwenden, wenn ein anderer Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens zuständig sei, ist danach nicht zu folgen (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 07.04.2000 - 4 V 711/00.A -, Juris; VG Aachen, Beschluss vom 28.06.2004 - 6 L 493/04.A -; a. A.: GK-AsylVfG, § 29 Rdnr. 48 und § 35 Rdnr. 19; Marx, AsylVfG, 4. Aufl., § 29 Rdnr. 43).
Übergeordnete Rechtsvorschriften stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Art. 19 Abs. 2 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 schreibt vor, dass dem Asylsuchenden im Falle eines unbeachtlichen Asylantrags die Frist für die Durchführung der Überstellung in den anderen Vertragsstaat anzugeben ist und ihm „gegebenenfalls“ der Zeitpunkt und der Ort zu nennen sind, zu dem bzw. an dem er sich zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedsstaat begibt. Die Frist für die Durchführung der Überstellung ist im angefochtenen Bescheid vom 05.11.2004 auf S. 2 anzugeben. Dort heißt es, dass die finnischen Behörden mit Schreiben vom 03.11.2004 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge erklärt haben und dass Deutschland verpflichtet ist, die Antragsteller innerhalb von sechs Monaten nach der Zustimmung nach Finnland zu überstellen. Eine Pflicht zur Erteilung einer Abschiebungsandrohung mit dem Ziel, den Betroffenen eine freiwillige Ausreise zur Abwendung der Abschiebung zu ermöglichen, ist Art. 19 Abs. 2 S. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 nicht zu entnehmen. Die Formulierung „gegebenenfalls“ verdeutlicht, dass die freiwillige Übersiedlung des Asylbewerbers in den anderen Vertragsstaat nur eine Verfahrensalternative ist. Ergänzende Vorschriften zur Durchführung von Überstellungen im Sinne von Art. 19 Abs. 5 der Verordnung enthält Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02.09.2003 (ABl. Nr. L 222 S. 3), die mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union unmittelbare Rechtswirksamkeit in der Bundesrepublik Deutschland erlangt hat (vgl. den Hinweis in BGBl. I 2003, S. 1900). Nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1560/2003 kann die Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist oder in Form einer behördlich kontrollierten Ausreise bzw. in Form einer behördlichen Überstellung erfolgen. Die Wahl des Vorgehens im Einzelfall erfolgt danach nach den innerstaatlichen Vorschriften. Wie ausgeführt, sieht § 34 a Abs. 1 AsylVfG hierfür den Erlass einer Abschiebungsanordnung vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 S. 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 b AsylVfG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.