Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 05. Dez. 2012 - 9 A 94/10
Gericht
Tenor
Der Vorauszahlungsbescheid vom 14.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2010 wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 4.030,- € übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt 7,6 % und der Kläger 92,4 % der Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem/der jeweiligen Vollstreckungsschuldner/in bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Geltendmachung einer Vorauszahlung für den Ausbau der Wallstraße in Rendsburg, soweit es um das in seinem Eigentum stehende Grundstück Schleifmühlenstraße ... (Flurstück ..., ... m² groß) geht. Das Grundstück ist dreigeschossig bebaut. Das Gebäude beherbergt im Erdgeschoss ein Bistro und im darüber liegenden 1. Obergeschoss einen Kinosaal und ist über eine Durchgangstür mit dem unmittelbar daneben liegenden Gebäude des Grundstücks Schleifmühlenstraße ... verbunden. Beide Gebäude sind zur Schleifmühlenstraße hin ausgerichtet und werden gemeinsam als Kino benutzt. Das ebenfalls im Eigentum des Klägers stehende Grundstück Schleifmühlenstraße ... verfügt rückwärtig über eine Zufahrt zur Wallstraße.
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Der Bauausschuss der Beklagten beschloss am 24.02.2009, die aus dem Jahre 1951 stammende und 1985 als Gemeindeverbindungsstraße gewidmete Wallstraße auszubauen. Entsprechend ließ die Beklagte die Wallstraße erneuern. Die Fahrbahn bestand vorher aus Granitgroßsteinpflaster, war teilweise mit Asphaltdecke überzogen und wies wegen des schlechten Unterbaus zahlreiche Schadstellen und Versackungen auf. Vom „Am Holstentor“ kommend wurde sie in einer Breite von zunächst 5,50 m und ab der Einfahrt des südlich anliegenden Parkdecks in einer Breite von 4,50 m mit Betonpflaster versehen. Hinter der Parkdeckeinfahrt verengt sie sich teilweise auf 3,50 m, so dass bei Begegnungsverkehr von Lkw auf den überfahrbar ausgebauten südlichen Gehweg ausgewichen werden muss. Im Übrigen befindet sich am Ende der Wallstraße eine Wendemöglichkeit, damit der Verkehr in der Wallstraße zurückfließen kann. Optisch abgegrenzt von der Fahrbahn wurden 2 m breite Parkstreifen aus Granitgroßsteinpflaster angelegt. Die beidseitigen Gehwegflächen wurden mit einem Neuaufbau mit Klinkerpflaster versehen. Die unzureichende und ungleichmäßige Beleuchtung vonseiten des Parkdecks wurde ersetzt durch neue Siteco „City-light plus“ Straßenleuchten. Die bisherige Oberflächenentwässerung über einen Mischkanal wurde auf ein Trennsystem umgestellt. Der Mischwasserkanal bestand bis dahin aus Steinzeug und wies gemäß dem Ergebnis einer Inspektion aus dem Jahre 1999 eine „hohe Sanierungsdringlichkeit“ auf (Scherbenbildung, Rohrbruch, Undichtigkeiten in Rohren und Schächten, bauliche Schäden).
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Die Straßenausbauarbeiten dauerten von Mai bis November 2009. Parallel dazu wurde das in der Wallstraße liegende und zuvor von der Beklagten privatisierte Parkdeck abgerissen und neu gebaut mit einer Ein- und Ausfahrt nur noch von bzw. in Richtung Am Holstentor.
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Auf Grundlage der Ausbaubeitragssatzung der Beklagten wurden die Anlieger der Wallstraße zu Vorauszahlungen in Höhe von 80 % auf die vorrausichtlichen Ausbaubeiträge nach § 8 KAG herangezogen. Mit Bescheid vom 14.10.2009 wurde für das klägerische Grundstück ein Betrag von abgerundet 4.360,- € bestimmt. Grundlage der Bestimmung war die Einstufung der Wallstraße als Anliegerstraße (Umlagesatz 75 %).
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Der Kläger legte dagegen am 12.11.2009 Widerspruch ein. Seine beiden Grundstücke seien nur durch die Schleifmühlenstraße erschlossen und auf eine Nutzung der Wallstraße nicht angewiesen. Die Zufahrt zur Wallstraße vom Grundstück Schleifmühlenstraße ... aus stelle eine nur mittelbare und nicht notwendige Erschließung dar. Ferner äußerte er Zweifel an der Einstufung der Wallstraße als Anliegerstraße und an der Notwendigkeit der Erneuerung des Mischwasserkanals. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Das klägerische Grundstück sei beitragspflichtig, auch wenn es nicht unmittelbar an die Wallstraße grenze, weil es in gleichem Eigentum stehe wie das angrenzende Grundstück Schleifmühlenstraße ... und beide Grundstücke mit-einander verbunden und einheitlich genutzt würden. Die Wallstraße sei in Anbetracht der ihr planerisch zugedachten Funktion, ihres darauf basierenden Ausbauzustandes und ihrer tatsächlichen Verkehrsbedeutung nur als Anliegerstraße einzustufen, auch wenn sie zugleich als Zufahrt zum Gerbergang und zur Neuen Straße diene und in diesem Bereich auch Anlieferverkehr aufnehme. Eine Einfahrt vom Schiffbrückenplatz sei seit dem Jahre 2005 nicht mehr möglich. Eine Verbindung von Ortsteilen oder eine Sammlung des innerörtlichen Durchgangsverkehrs erfolge durch die Wallstraße nicht. Für die gleichzeitig neu verlegten Versorgungsleitungen werde im Übrigen kein beitragsfähiger Aufwand entstehen. Soweit der Träger der Abwasserentsorgung von der Ausbaumaßnahme profitiere, weil die Kanalisation erneuert werde, bleibe dies beitragsrechtlich irrelevant. Maßgeblich seien die tatsächlich entstandenen Kosten zu berücksichtigen, nicht aber eine fiktive Kostenersparnis.
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Dagegen hat der Kläger am 19.04.2010 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und bleibt bei der Auffassung, dass es sich bei der Wallstraße um eine Straße handele, die im Wesentlichen dem innerörtlichen Verkehr diene, also solchem, der weder Ziel noch Quelle in der Wallstraße habe. Dies gelte entgegen der Annahme der Beklagten gerade auch für die Nutzung des Parkdecks. Selbst wenn man annähme, dass auch der von in der Straße liegenden Gewerbebetrieben ausgelöste Verkehr noch Anliegerverkehr sei, könne das nur dann gelten, wenn die jeweilige gewerbliche Nutzung den anderen Anliegern im weitesten Sinne diene und keine Massierung dieser Nutzungsart auftrete. Dies sei hier aber insbesondere wegen des Parkdecks und des Kino-Centers, aber auch wegen weiterer, im Einzelnen aufgezählter gewerblicher Nutzungen der Fall. Hinzu kämen die in der Gerberstraße, der Neuen Straße und in der Schiffbrückengalerie liegenden Gewerbebetriebe, die dafür sorgten, dass der Wallstraße auch ohne ihre eigenen Anlieger noch eine wesentliche Verkehrsfunktion zukäme. Vom Ausbauzustand her betrachtet sei eine 5,50 m breite Fahrbahn für die Aufnahme innerörtlichen Verkehrs auch durchaus geeignet. Der Kläger rügt des Weiteren, dass die Baustelleneinrichtung nicht auf die verschiedenen am Bau beteiligten Träger umgelegt und dass der Verteilungsschlüssel „Regenwasser“ nicht nachvollziehbar sei. Zudem sei eine Preisgestaltung mit Einheitspreisen bzw. „runden“ Preisen ungewöhnlich und erklärungsbedürftig.
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Der Kläger beantragt,
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den Vorauszahlungsbescheid vom 14.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2010 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bleibt bei der Auffassung, dass die Wallstraße eine Anliegerstraße sei. Diese sei entsprechend ausgebaut und solle zur Ortsstraße umgewidmet werden. Da sich auch das Parkdeck auf einem Anliegergrundstück befinde, sei auch der davon ausgelöste Verkehr als Ziel- bzw. Quellverkehr der Wallstraße und damit als Anliegerverkehr anzusehen. Der vom Parkdeck ausgelösten erhöhten Verkehrsfrequenz sei durch eine entsprechende Beitragsbemessung anhand von Art und Maß der Nutzung dieses Anliegergrundstücks Rechnung getragen. Die Kosten des Titels Baustelleneinrichtung und Verkehrssicherung seien prozentual aus den Bausummenanteilen ermittelt worden. Der Aufwand für den Regenwasserkanal sei entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hälftig auf die Grundstücks- und die Straßenentwässerung aufgeteilt worden. Die Berechnung des beitragsfähigen Aufwands sei schließlich nicht anhand von Einheitspreisen, sondern anhand des Submissionsergebnisses centgenau erfolgt.
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Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Ermittlung des prognostizierten Aufwands nochmals genauer erläutert und zudem festgestellt, dass das klägerische Grundstück bereits bei Abschluss der Baumaßnahme nicht mehr vier-, sondern nur dreigeschossig bebaut war. Gleichzeitig hat sie diese Feststellung zum Anlass genommen, eine korrigierte Vergleichsberechnung zu erstellen. Die Vorauszahlung für das hier in Rede stehende Grundstück reduziert sich danach um 330,- €.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.08.2012 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung schriftsätzlich verzichtet. Hinsichtlich ihres weiteren Vorbringens sowie der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Verwaltungsakten, die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug genommen. Hierzu zählen auch die beigezogenen Akten aus den Parallelverfahren 9 A 93/10 und 9 A 95/10.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber im Wesentlichen unbegründet.
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Der Vorauszahlungsbescheid vom 14.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2010 ist nur insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger nur insoweit in seinen Rechten, als er einen Betrag von 4.030,- € übersteigt (§ 113 Abs. 1 VwGO); im Übrigen ist er rechtmäßig.
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Rechtsgrundlage ist die Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von vorhandenen Straßen, Wegen und Plätzen vom 29.06.1998 in der Fassung der 1. Nachtragssatzung vom 28.12.2000, der 2. Nachtragssatzung vom 28.06.2004 und der 3. Nachtragssatzung vom 30.09.2005 (im Folgenden: ABS 2005) in Verbindung mit § 8 KAG. Gegen die Rechtmäßigkeit der für den vorliegenden Veranlagungsfall relevanten Bestimmungen der Ausbaubeitragssatzung sind Bedenken seitens des Klägers nicht erhoben worden und auch nicht ersichtlich. Die ABS 2005 bietet eine taugliche Rechtsgrundlage für die erhobene Vorauszahlung auf den Ausbaubeitrag.
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Nach § 1 ABS 2005 erhebt die Beklagte zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung sowie den Ausbau und Umbau und die Erneuerung von vorhandenen Ortsstraßen gemäß § 242 Baugesetzbuch (BauGB), für die nach den §§ 127 ff BauGB erstmalig hergestellten sowie von nicht zum Anbau bestimmten Straßen, Wegen und Plätzen Beiträge von den Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern, denen die Maßnahme Vorteile bringt. Gemäß § 10 ABS 2005 kann die Beklagte ab Beginn der Baumaßnahme auch angemessene Vorauszahlungen erheben.
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Die genannten gesetzlichen Voraussetzungen liegen vor und rechtfertigen die strittige Vorauszahlung dem Grunde wie der Höhe nach im tenorierten Umfang. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese gerichtliche Beurteilung ist der Erlass der letzten Behördenentscheidung (vgl. BayVGH, Urt. v. 01.06.2011 - 6 BV 10.2536 - juris Rn. 27; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.11.2010 - 9 S 29.10 - juris Rn. 7), hier also der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 18.03.2010.
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Die Vorauszahlung wurde entsprechend § 10 Satz 1 ABS 2005, § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG erst nach Beginn der Baumaßnahme am 04.05.2009 und vor deren Abschluss durch Bescheid vom 14.10.2009 erhoben.
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Bei der ausgebauten Wallstraße handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung i.S.d. § 8 KAG, die sich von der Einmündung in die Straße Am Holstentor bis zum Schiffbrückenplatz erstreckt. Sie wurde 1985 dem öffentlichen Verkehr gewidmet.
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In der Erneuerung der abgängigen Fahrbahn, der Erneuerung der Gehwege und der Beleuchtung sowie dem Umbau der Oberflächenentwässerung in Form der Umstellung von Mischsystem auf Trennsystem liegt eine beitragsfähige Ausbaumaßnahme im Sinne des § 1 ABS 2005 i.V.m. § 8 Abs. 1 KAG. Mit der Erneuerung wird die Straße in einen Zustand versetzt, der auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus wieder den voraussichtlichen Anforderungen des Verkehrs genügt. Die erneuerten Teileinrichtungen konnten schon deshalb als nicht mehr funktionsfähig und damit abgängig angesehen werden, weil ihre übliche Nutzungsdauer, die je nach Teileinrichtung zwischen 25 und 50 Jahren liegt (vgl. Habermann in: Habermann/ Arndt, Praxis der Kommunalverwaltung, KAG, Stand November 2010, § 8 Rn. 147, 147a), nach Herstellung der Straße im Jahre 1951 abgelaufen war. Soweit ein neuer Parkstreifen und ein Wendehammer angelegt werden, handelt es sich zudem um einen vervollständigenden Ausbau der Einrichtung bzw. der Teileinrichtung Fahrbahn (vgl. dazu Habermann a.a.O. Rn. 152 m.w.N.). Der Kläger zieht die grundsätzliche Beitragsfähigkeit dieser Maßnahmen gemäß § 8 Abs. 1 KAG auch nicht mehr in Zweifel.
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Die in Rede stehende Straßenbaumaßnahme vermittelt dem Kläger als Eigentümer auch grundstücksbezogene Vorteile. Die hierfür erforderliche qualifizierte objektive Inanspruchnahmemöglichkeit ist gegeben, wenn das veranlagte Grundstück eine solche räumliche Nähe zur erneuerten Straße aufweist, dass diese vom Grundstück aus zugänglich ist. Auf die subjektive Sicht des einzelnen Grundstückseigentümers und die tatsächlich stattfindende Nutzung oder deren Wahrscheinlichkeit kommt es nicht an. Die Vorteilslage ergibt sich allein aus der räumlich engen Beziehung zu der ausgebauten Einrichtung, wenn der Eigentümer die ausgebaute Einrichtung von seinem Grundstück aus nutzen kann und dadurch im Vergleich zu den sonstigen Nutzern der Straße einen (Sonder-) Vorteil hat (OVG Schleswig, Urt. v. 28.10.1997 - 2 L 281/95 - Die Gemeinde 1998, 98, 99; Habermann a.a.O., Rn. 142, 176 m.w.N.).
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Die Feststellung einer im Einzelfall ausreichenden Zugänglichkeit der Ausbaustraße hängt von der zulässigen Nutzung des jeweiligen Grundstücks ab (OVG Schleswig, Beschl. v. 19.11.2001 - 2 L 112/01 -, Habermann a.a.O. Rn. 180). Ausreichend ist insofern, dass die bestimmungsgemäße Grundstücksnutzung in einer nicht nur untergeordneten Weise über die ausgebaute Straße realisiert werden kann. Ist die bestimmungsgemäße Grundstücksnutzung eine gewerbliche, kann es ausnahmsweise erforderlich sein, dass das Grundstück von der ausgebauten Straße her nicht nur betreten werden kann, sondern dass man mit einem Fahrzeug auf das Grundstück herauffahren kann (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 35 Rn. 12, 26 m.w.N.).
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Eine ausreichende Zugänglichkeit besteht zunächst für alle unmittelbar an die Einrichtung anliegenden Grundstücke. Dazu zählt das klägerische Grundstück Schleifmühlenstraße ..., welches durch die Zufahrt über eine unmittelbare Verbindung zur Wallstraße verfügt. An das Grundstück kann man von der Ausbaustraße nicht nur heranfahren und es von hier aus betreten, sondern man kann auch mit einem Fahrzeug auf das Grundstück herauffahren (sofern man dies wegen der gewerblichen Nutzung des Gebäudes als Kino im innerstädtischen Bereich überhaupt fordern wollte).
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Eine ausreichende Zugänglichkeit besteht aber auch bei dem aus Sicht der Wallstraße dahinter liegenden Grundstück Schleifmühlenstraße ... Bei bestehender Identität des Eigentümers von Anlieger- und Hinterliegergrundstück kann der Gedanke eines angemessenen Vorteilsausgleichs es gebieten, auch das Hinterliegergrundstück bei der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen (OVG Schleswig, Urt. v. 24.10.1996 - 2 L 108/96 - Die Gemeinde 1997, 217; Beschl. v. 4.10.2005 - 2 MB 35/05 -). So liegt es auch hier, da das Anlieger- und das Hinterliegergrundstück einheitlich genutzt werden. Eine vorteilsbegründende einheitliche Nutzung ist gegeben, wenn sich beide Grundstücke dadurch als ein Grundstück darstellen, dass die Grundstücksgrenze überbaut ist oder dass eine grenzübergreifende gewerbliche Nutzung erfolgt (OVG Schleswig, Beschl. v. 18.12.2007 - 2 LA 33/07 -, v. 04.10.2005 - 2 MB 35/05 -, v. 19.11.2001 - 2 L 112/01 -; Habermann a.a.O. Rn. 186, 187). Beides ist hier gegeben. Es liegt eine Überbauung vor, da die unmittelbar nebeneinander liegenden Gebäude der beiden klägerischen Grundstücke baulich miteinander verbunden sind. Diese Verbindung realisiert zugleich eine einheitliche gewerbliche Nutzung, weil die Räume beider Gebäude mittels einer Verbindungstür gemeinsam als ein einheitliches, über mehrere Säle verfügendes Kino benutzt werden.
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Die Annahme einer vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit hängt auch nicht davon ab, ob auch noch andere Straßen einen solchen – oder ähnlichen - Vorteil verschaffen. Grundstücke, die an zwei ausgebaute Straßen angrenzen und denen folglich je eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit geboten wird, nehmen im Ausbaubeitragsrecht an der Verteilung des umlagefähigen Aufwands für jede der entsprechenden Anlagen teil. Nichts anderes kann für Hinterliegergrundstücke gelten, die ihrerseits an eine andere Erschließungseinrichtung angrenzen. Eine zusätzliche Bewertung der objektiv gegebenen Inanspruchnahmemöglichkeit ist nicht geboten; insbesondere kommt es an dieser Stelle nicht darauf an, ob die ausgebaute Einrichtung tatsächlich in Anspruch genommen wird bzw., mit welcher Wahrscheinlichkeit oder in welchem Umfang. Systemgerecht und deshalb maßgeblich ist vielmehr auch bei „nicht-gefangenen“ Hinterliegern allein, dass Vorteile geboten werden, die in der Steigerung der Attraktivität der Wohn- und Geschäftslage zu sehen sind und nicht, ob der Grundstückseigentümer den gebotenen Vorteil im Hinblick auf die tatsächliche Nutzung des Grundstücks auch in Anspruch nimmt (vgl. schon r’kr. Einzelrichter-Urt. v. 24.10.2008 - 9 A 45/07 - m.w.N.).
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Nach Übersendung weiterer Unterlagen zur Ermittlung der voraussichtlichen Höhe des Beitrags und damit zur Höhe der geltend gemachten Vorauszahlung bestehen im tenorierten Umfang auch keine Bedenken mehr gegen den Vorauszahlungsbescheid der Höhe nach.
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Die Anforderungen des § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG i.V.m. § 10 Satz 1 ABS 2005 sind erfüllt. Danach darf eine Vorauszahlung auf den Ausbaubeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen Beitrags verlangt werden, muss aber stets angemessen sein. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist der der Gemeinde ggf. bereits entstandene und absehbar noch entstehende Aufwand. Die Forderung einer Vorauszahlung in voller Höhe des voraussichtlichen Beitrags wird allerdings nur ausnahmsweise angemessen sein (Habermann a.a.O. Rn. 370). Vorliegend kann die Angemessenheit bejaht werden, da die Beklagte nur 80 % des voraussichtlichen Beitrags fordert.
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Zur Ermittlung des voraussichtlichen Beitrags wiederum bedarf es einer prognostischen Schätzung. Diese Schätzung bezieht sich auf den als beitragsfähig anzuerkennenden Aufwand (Aufwandsermittlung) und auf die Umlage nach Maßgabe des in der einschlägigen Ortssatzung festgelegten Verteilungsmaßstabs auf alle bevorteilten Grundstücke (Aufwandsverteilung). Sie ist auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorliegenden Erkenntnisse vorzunehmen. Dabei steht der Gemeinde sowohl für den Weg der Schätzung als auch für das Ergebnis ein Schätzungsspielraum zu. Bis zu dem für die gerichtliche Kontrolle maßgeblichen Zeitpunkt ist sie allerdings gehalten, ihre Schätzung mit der fortschreitenden Realisierung zu aktualisieren und zu konkretisieren. Sowohl die Schätzung als auch ihr Ergebnis unterliegen der gerichtlichen Kontrolle. Maßgeblich sind dabei nicht die Deckungsgleichheit mit dem noch nicht abschließend feststellbaren beitragsfähigen Aufwand, sondern (nur) die Sachgerechtigkeit der Methode sowie die Folgerichtigkeit und die Nachvollziehbarkeit des Rechenwerkes. Ein Anspruch auf eine Kostenaufstellung, die alle Details der endgültigen Abrechnung bereits umfasst, besteht nicht, weil dies angesichts der regelmäßig noch offenen Kosten weder möglich wäre noch dem Charakter der Vorauszahlung als Instrument der Vorfinanzierung entspräche (vgl. OVG Saarland, Urt. v. 27.09.2005 - 1 R 9/05 - in juris Rn. 50-56 m.w.N.; BayVGH, Beschl. v. 10.09.2009 - 6 CS 09.1435 - juris Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 09.03.2010 - 9 S 3.09 - juris Rn. 7 und v. 22.10.2010 - 9 S 29/10 - in juris Rn. 8; Driehaus a.a.O., § 38 Rn. 10 i.V.m. § 21 Rn. 33 ff. m.w.N.).
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Sachgerecht ist es, sich bei der Schätzung des beitragsfähigen Aufwands am Angebot des im Vergabeverfahren günstigsten und deshalb auch beauftragten Unternehmens zu orientieren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.09.1993 - 2 S 462/92 - juris Rn. 24). Dies hat die Beklagte getan. Die mit Schreiben vom 18.09.2012 übersandte Aufstellung (Anlage B1 = BA E zu 9 A 95/10) führt die im Oktober 2009 angestellten Ermittlungen mit der Aufstellung vom 08.10.2009 (im allg. Verwaltungsvorgang ab Bl. 253 ff.) anhand von Kostengruppen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ABS 2005 fort. Entsprechend wurde ein beitragsfähiger Aufwand von 603.612,06 € zzgl. des Aufwands für Angleichungsarbeiten über 13.776,89 € = 617.388,95 € berechnet. Die eingesetzten Beträge setzen sich aus einzelnen Positionen aus dem Angebot des beauftragten Unternehmens ... vom 01.04.2009 zusammen, welches nunmehr auch vorliegt, die Schätzung damit nachvollziehbar macht und zugleich die Folgerichtigkeit des Rechenwerks belegt.
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Bei der Ermittlung der beitragsfähigen Kosten darf die Gemeinde im Übrigen nur solche Kosten einstellen, die für notwendige Maßnahmen entstehen. Bei der Bestimmung dessen, was notwendig ist, steht ihr wiederum ein weites Ermessen zu, begrenzt durch die Vorgabe, dass keine sachlich schlechthin unvertretbaren Kosten entstehen (Habermann a.a.O. Rn. 303 m.w.N.). Dass die Beklagte ihren diesbezüglichen Rahmen überschritten hätte, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.
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Die Kosten für den zugleich erneuerten Schmutzwasserkanal hat die Beklagte zutreffend nicht mit eingestellt, da sie ausschließlich zur Einrichtung „Grundstücksentwässerung“ und nicht zur Einrichtung „Straße“ zählen. Entsprechendes gilt für die zugleich neu verlegten Versorgungsleitungen. Die Höhe der maßgeblichen Kosten schmälert sich weiter nicht dadurch, dass diese Arbeiten „bei Gelegenheit“ des Straßenausbaus erfolgten, die jeweiligen Träger sich aber nicht an den Kosten des Straßenausbaus beteiligten. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KAG kommt es stets nur auf die tatsächlich entstandenen Kosten und die tatsächlich eingetretenen Ersparnisse an. Aufwandsmindernd berücksichtigt werden können deshalb nur die tatsächlich erfolgten Leistungen und Zuschüsse Dritter. Eine hypothetische Betrachtungsweise, nach der der Gesamtaufwand bei getrennten Maßnahmen höher wäre und deshalb Minderkosten aufzuteilen seien, bleibt nach schleswig-holsteinischem Landesrecht ebenso irrelevant wie die Frage nach einer möglichen, aber tatsächlich weder gebotenen noch realisierten Beteiligung eines andere Trägers (std. Rspr.: OVG Schleswig, Urt. v. 11.02.1998 - 2 L 136/96 - Die Gemeinde 1998, 220, 224, - 2 L 79/96 - NordÖR 1998, 268, 272, in juris Rn. 48 f. und Urt. v. 10.08.2012 - 4 LB 22/11 -; VG Schleswig, Einzelrichter-Urt. v. 27.06.2008 - 9 A 333/05 - und v. 19.04.2011 - 9 A 134/08 -; s.a. Habermann a.a.O. Rn. 304).
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Anders ist der Fall einer Anlage mit Mehrfachfunktion zu beurteilen, wenn - wie hier - ein neuer Regenwasserkanal gelegt wird, der nicht nur der Straßenentwässerung, sondern zugleich auch der Grundstücksentwässerung dient. In diesem Falle ist die Anlage als eigenständige Teileinrichtung „Straßenentwässerung“ der öffentlichen Einrichtung „Straße“ zuzuordnen. Kommt die Erneuerung aber nicht nur der Straßen- sondern zugleich auch der Grundstücksentwässerung zu gute, ist der diesbezügliche, tatsächlich entstandene Aufwand kostenorientiert hälftig zu teilen (Habermann a.a.O. Rn. 304 a.E. und Rn. 313 m.w.N.). Das ist nach den Darlegungen der Beklagten allerdings auch erfolgt, vgl. Kostengruppe II, Pos. 1.2.6.a) in der aktualisierten Aufstellung vom 08.10.2009. Ebenso nachvollziehbar legt die Beklagte dar, dass die Kosten für die Baustelleneinrichtung und die Verkehrssicherung nach dem Anteil der Leistungen im Verhältnis zu der Gesamtauftragssumme zunächst zwischen den Stadtwerken und der Beklagten und sodann entsprechend den Anteilen bezogen auf die Wallstraße, den Gerbergang und An der Bleiche verteilt worden sind, vgl. Kostengruppe II, Pos. 1.5.3.3.
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Umlagefähig ist von diesen beitragsfähigen Kosten gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ABS 2005 ein Anteil von 75 % für die in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ABS 2005 genannten und hier ausgebauten Teileinrichtungen. Die Höhe der Anteile folgt aus dem Umstand, dass die Ausbaustraße in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als eine Straße eingestuft worden ist, die im Wesentlichen dem Anliegerverkehr dient.
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Es obliegt dem Satzungsermessen der Gemeinde, nach welchen Straßentypen zu unterscheiden und infolgedessen der Anliegeranteil zu staffeln ist. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sie sich dabei aus Gründen der Praktikabilität auf eine relativ grobe Unterscheidungen beschränken darf, wie hier etwa auf die Unterscheidung in § 4 ABS 2005 nach Anliegerstraße / Innerortsstraße / Durchgangsstraße und Fußgängerbereich (OVG Schleswig, Urt. v. 23.07.2008 - 2 LB 54/07 - NVwZ-RR 2009, 130; r’kr. Einzelrichter-Urt. v. 05.11.2010 - 9 A 72/07 - in juris Rn. 43). Auch wenn es eine zweckmäßigere Einteilung der Straßen geben mag (etwa nach Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen), ist diese Einteilung vom Satzungsermessen der Gemeinde gedeckt. Stellt der Satzungsgeber mithin in rechtlich annehmbarer Weise auf die überwiegenden Nutzungsarten ab, kommt es darauf an, ob die Straße überwiegend einer der genannten Verkehrsarten dient (vgl. schon OVG Schleswig, Urt. v. 11.02.1998 - 2 L 79/96 - NordÖR 1998, 268 in juris Rn. 34, 36; Beschl. der Kammer v. 08.08.2012 - 9 B 20/12 -; Hess. VGH, Beschl. v. 21.03.2012 - 5 A 1892/11.Z - in juris Rn. 5; vgl. auch Habermann a.a.O. Rn. 206).
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Dass die Wallstraße im Verzeichnis der Satzung von 1998 gemäß § 4 Abs. 4 ABS 2005 als eine im Wesentlichen dem innerörtlichen Verkehr dienende Straße eingeordnet ist, ist nicht konstitutiv und unerheblich, da die Zuordnung selbst der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Dabei sind die von der Satzung verwendeten Begriffe regelmäßig nicht straßenrechtlich, sondern beitragsrechtlich zu verstehen (OVG Schleswig, Beschl. v. 16.01.2009 - 2 MB 29/08 - mit Verweis auf Urt. v. 23.07.2008 a.a.O.). Dies bedeutet entgegen der Auffassung des Klägers und des OVG Lüneburg allerdings nicht, dass diesen Begriffen je nach den konkreten Verhältnissen vor Ort eine unterschiedliche Bedeutung zukäme. Insoweit hat das OVG Schleswig klargestellt, dass die in verschiedenen Ausbaubeitragssatzungen identisch verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe nicht einer unterschiedlichen Auslegung zugeführt werden können (Urt. v. 11.02.1998 a.a.O. Rn. 39, dem folgend Beschl. der Kammer v. 08.08.2012 - 9 B 20/12 -). Generell orientiert sich die beitragsrechtliche Zuordnung zu dem einen oder anderen Straßentyp „an ihren wesentlichen, für die Straße insgesamt bedeutsamen und sie überwiegend charakterisierenden Merkmalen, wobei von der Funktion der Straße im Gesamtverkehrsnetz der Gemeinde auszugehen ist, wie sie durch ihre Lage, die Art der Ausgestaltung und die Belastung ihre Ausprägung gefunden hat (OVG Schleswig, Urt. v. 23.07.2008 a.a.O.; Habermann a.a.O. Rn. 331 m.w.N.). Dabei richtet sich die Funktion vor allem nach der Verkehrsplanung der Gemeinde und dem darauf beruhenden Ausbauzustand (OVG Schleswig, Beschl. v. 03.07.2002 - 2 L 164/01 -). Stellt der Satzungsgeber - wie hier - auf die überwiegenden Nutzungsarten ab, kann es sein, dass erhebliche, aber die Straßenfunktion nicht prägende Nutzungen bei der Klassifizierung unbeachtlich bleiben (OVG Schleswig, Urt. v. 11.02.1998 a.a.O. Rn. 36 m.w.N.).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Zuordnung ist der der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (OVG Schleswig, Urt. v. 20.09.2007 - 2 LB 20/07 - Die Gemeinde 2008, 42), hier mithin das Jahr 2009. Danach ist die Wallstraße als Anliegerstraße einzustufen. Eine Bedeutung als Innerortsstraße, wie sie die Beklagte anderen Straßen im Stadtgebiet beimisst, ist für die Wallstraße gerade nicht gegeben. Entsprechend der Definition in § 4 Abs. 1 ABS 2005 dient sie (nicht nur, aber) überwiegend dem Anliegerverkehr. Beim Anliegerverkehr handelt es sich nicht nur um die verkehrliche Nutzung der Straße durch die Anlieger selbst, sondern allgemeiner um den Verkehr, der zu den in Anspruch genommenen Grundstücken hinführt und von ihnen ausgeht, um den sog. Ziel- und Quellverkehr. Ausreichend ist, dass der Verkehr entweder sein Ziel oder seinen Ausgangspunkt an der betreffenden Straße hat (OVG Schleswig, Beschl. v. 16.01.2009 - 2 MB 29/98 -). Die Innerortsstraße dient demgegenüber überwiegend dem innerörtlichen Verkehr. Im Rahmen der hier gewählten dreistufigen Klassifizierung gilt sie als Erschließungsstraße mit innerörtlicher Verkehrsbedeutung, die zur Aufnahme des innerörtlichen Durchgangsverkehrs bestimmt ist, Ortsteile verbindet und den Verkehr in Richtung eines anderen Ortsbereichs sammelt (OVG Schleswig, Urt. v. 20.09.2007 a.a.O.) oder sonst eine Verkehrsbedeutung hat, die die Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke stark zurücktreten lässt. Dabei liegen Ziel oder / und Quelle des Verkehrs innerhalb des Orts, aber außerhalb der Einrichtung (Beschl. der Kammer v. 08.08.2012 - 9 B 20/12 - Habermann a.a.O. Rn. 336 m.w.N.).
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Trotz der zentralen Lage im Altstadtbereich kommt der Wallstraße innerhalb des Gesamtstraßennetzes keine innerörtliche Verkehrsbedeutung im Sinne einer baugebiets- oder ortsteilübergreifenden Funktion zu. Allein die Tatsache, dass sie über den Gerbergang und den Schiffbrückenplatz eine Verbindung herstellt zur Neuen Straße, genügt insoweit nicht. Denn jede Straße im Gemeindegebiet besitzt – bis auf Sackgassen - neben der reinen Erschließungsfunktion eine mehr oder weniger bedeutsame Verbindungsfunktion für andere Straßen und Baugebiete. Das allein macht sie noch nicht zur Innerortsstraße (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 20.09.2007 a.a.O.). Belegt wird die Bedeutung als Anliegerstraße auch durch die Ausgestaltung als verkehrsberuhigter Bereich (Tempo-30-Zone) mit abgesenkten Bordsteinen, Parkflächen parallel zur Fahrbahn und Baumpflanzungen. Mit einer Breite von 5,50 m ist die Wallstraße nur auf der Strecke Am Holstentor bis zur Einfahrt zum Parkdeck für Begegnungsverkehr ausgelegt; im Übrigen ist ein Begegnungsverkehr bei einer Breite von 4,50 m bzw. nur 3,50 m jedenfalls für anliefernde Lkw nur bei verlangsamter Geschwindigkeit und mit Ausweichmanövern möglich (vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 13.12.2011 - 1 L 170/08 - NordÖR 2012, 212 (Leitsatz), in juris Rn. 24; Habermann a.a.O., Rn. 333).
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Auf eine Zählung der in der Wallstraße tatsächlich verkehrenden Fahrzeuge kommt es unter diesen Umständen nicht an. Abgesehen davon, dass eine Zählung noch nichts über Ziel und Quelle des gezählten Verkehrs besagt, ist eine rein mathematisch vergleichende Betrachtungsweise nach der zitierten Rechtsprechung auch nicht ausschlaggebend. Solange Ausgestaltung und verkehrsmäßige Planung der Ausbaustraße im Gesamtverkehrsnetz die Funktion einer Innerortsstraße gerade nicht beimessen und die in der Straße verkehrenden Fahrzeuge auch tatsächlich im Baugebiet / Ortsteil bleiben, ohne einen innerörtlichen Durchgangsverkehr im o.g. Sinne darzustellen, käme es letztlich noch nicht einmal darauf an, dass der Fremdverkehr gegenüber dem Anliegerverkehr möglicherweise sogar überwiegt, weil dies allein eine Gleichstellung mit einer Innerortsstraße nicht rechtfertigen würde (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 14.11.2008 - 2 MB 21/08 -; Beschl. der Kammer v. 11.05.2011 - 9 B 102/10 -).
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Zudem ist nicht zu verkennen, dass die Wallstraße selbst schon zahlreiche Einrichtungen und Gewerbebetriebe erschließt, die wiederum einen eigenen Anliefer- und Besucherverkehr erzeugen und der als prägender Anliegerverkehr zu betrachten ist (vgl. Habermann a.a.O., Rn. 334; OVG Schleswig, Beschl. v. 16.01.2009 - 2 MB 29/08 -). Nach der o.g. Definition zählt selbst der Verkehr zum und vom Parkdeck zum Anliegerverkehr der Wallstraße. Ob und inwieweit das Parkdeck oder andere gewerbliche Nutzungen in der Straße den Anliegern dienen, ist unerheblich. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass sich der bei Gewerbebetrieben gegebene höhere Nutzungsgrad der ausgebauten Straße in der jeweiligen Vorteilsbemessung und in der konkreten Beitragshöhe für das entsprechende Grundstück niederschlägt und sich damit mittelbar auch zugunsten der anderen Anlieger auswirkt.
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Von der in ihrer Ausdehnung her definierten Einrichtung „Wallstraße“ ist auch das Abrechnungsgebiet i.S.d § 5 Abs. 1 ABS 2005 zutreffend ermittelt worden, insbesondere zählt nach den obigen Ausführungen zu den erschlossenen und damit bevorteilten Grundstücke der Einrichtung auch das klägerische Grundstück als sogenanntes Hinterliegergrundstück.
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In Anwendung des in § 6 Abs. 1 - 5 ABS 2005 definierten Beitragsmaßstabes nach Art und Maß der jeweiligen Grundstücksnutzung ist schließlich auch die Flächenermittlung, die Ermittlung des Beitragssatzes und die konkrete Höhe des auf das klägerische Grundstück entfallenden Anteils - hier mit seiner Lage im unbeplanten Innenbereich sowie unter Berücksichtigung der dreigeschossigen Bebauung und der gewerblichen Nutzung - im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Rechnerisch korrekt ergibt sich aus der nachgereichten Vergleichsberechnung für das hier in Rede stehende klägerische Grundstück die im Tenor berücksichtigte Reduzierung um 330,- €.
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Ausgehend von der maßgeblichen Grundstücksfläche (§ 6 Abs. 2 ABS 2005) wird das Maß der Grundstücksnutzung anhand der Zahl der Vollgeschosse bemessen. Im unbeplanten Innenbereich ist die tatsächlich vorhandene Anzahl der Vollgeschosse maßgeblich (§ 6 Abs. 3 und 4 Nr. 2.1 ABS 2005). Hiervon ausgehend hat die Beklagte für das klägerische Grundstück auf der Grundlage des baurechtlichen Vollgeschossbegriffes in § 2 Abs. 7 LBO jetzt zutreffend eine nur dreigeschossige Bebauung zugrunde gelegt.
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Die Art der Grundstücksnutzung findet ihre Berücksichtigung in den Regelungen des § 6 Abs. 5 ABS 2005, indem diese für gewerblich genutzte Grundstücke eine Erhöhung der ermittelten Fläche um 25 % vorsehen (Artzuschlag). Dabei wird zwischen einem gebietsbezogenen und einem grundstücksbezogenen Artzuschlag unterschieden. Die Erhebung eines Artzuschlags rechtfertigt sich aus der gegenüber der Wohnnutzung gesteigerten Abhängigkeit von der qualitativen Ausgestaltung der ausgebauten Straße und der gegenüber der Wohnnutzung qualifizierten Nutzungsart und den damit den Grundstückseigentümern gebotenen erhöhten Gebrauchsvorteilen (OVG Schleswig, Urt. v. 23.07.2008 - 2 LB 56/07 - in juris Rn. 27, 38). So erklärt sich, dass der Begriff „gewerblich“ im Ausbaubeitragsrecht weit auszulegen ist und alle Dienstleistungsbetriebe und beruflichen Tätigkeiten erfasst, die einen erhöhten Ziel- und Quellverkehr verursachen (vgl. Habermann a.a.O. Rn. 252 m.w.N.). Entsprechend beschreibt auch § 6 Abs. 5 ABS 2005 die gewerbliche Nutzung als eine solche im Sinne eines privatwirtschaftlichen Gewinnstrebens. Hierunter fällt auch die Nutzung eines Gebäudes mit einem Kino nebst Bistro.
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Der hier erhobene grundstücksbezogene Artzuschlag ist auch in Anbetracht der bereits erörterten Hinterliegereigenschaft des klägerischen Grundstücks gerechtfertigt. Anders als beim beitragsfähigen Vorteil, der bei entsprechender räumlicher Nähe zur ausgebauten Straße bereits bei Bejahung einer qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit besteht, kommt es nach der Rechtsprechung des OVG Schleswig bei dem grundstücksbezogenen Artzuschlag für Grundstücke, die zugleich an zwei Straßen angrenzen, auf die tatsächlichen Grundstücksverhältnisse und auf eine tatsächliche Ausnutzbarkeit des besonderen Vorteils an, der dem Grundstück gerade von der abgerechneten Ausbaustraße geboten wird. Findet ein gewerblich bedingter Ziel- und Quellverkehr erkennbar nicht statt und ist dies ohne Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse auf dem Grundstück auch nicht möglich, entfällt nach Auffassung des OVG auch die Rechtfertigung der Belastung eines Grundstückes mit einem Artzuschlag (Urt. v. 23.07.2008 - 2 LB 56/07 - in juris Rn. 29, 35 ff.; Driehaus a.a.O., § 18 Rn. 55). Ob diese Rechtsprechung auf die hier gegebene Situation eines Grundstücks, welches zur zweiten Straße nur als Hinterlieger beitragspflichtig ist, übertragen werden kann und ob dem dann zu folgen wäre (anders z.B. noch Driehaus a.a.O. in der 7. Auflage), kann dahinstehen, da der Zugang durch das Gebäude Schleifmühlenstraße ... zum Gebäude des Grundstücks Schleifmühlenstraße ... nicht nur geschaffen werden könnte, sondern tatsächlich geschaffen worden ist, um hier eine räumliche Verbindung herzustellen. Diese Verbindung wird auch tatsächlich genutzt.
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Unerheblich bleibt weiter, dass das klägerische Hinterliegergrundstück auf diesem Wege nur zu Fuß betreten werden kann. Bereits für die Vorteilsbegründung kam es aufgrund der festgestellten Überbauung und der einheitlichen gewerblichen Nutzung von Anlieger- und Hinterliegergrundstück darauf nicht an. Hier reichte die Feststellung, dass das Anliegergrundstück über eine Zufahrt zur Ausbaustraße verfügt und dass man - so man dies fordern möchte - von der Ausbaustraße her auf das Anliegergrundstück herauffahren kann. In der gegebenen Konstellation - Überbauung und einheitliche gewerbliche Nutzung von Anlieger- und Hinterliegergrundstück durch ein Kino im Innenstadtbereich - muss dies auch mit Blick auf den grundstücksbezogenen Artzuschlag ausreichen. Die von der ausgebauten Wallstraße gebotene Vorteilslage wird aufgrund der einheitlichen gewerblichen Nutzung von beiden Grundstücken tatsächlich gleichermaßen in Anspruch genommen.
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Eine Ermäßigung des Beitrags nach § 6 Abs. 6 ABS 2005 um 1/3 wegen der vorhandenen Mehrfacherschließung kommt gemäß § 6 Abs. 7 ABS 2005 nicht in Betracht, weil das Grundstück zu mehr als 15 % der Gebäudefläche gewerblich genutzt wird und diese Nutzung nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es nicht nur zulässig, sondern geboten, die Gewährung einer solchen Ermäßigung für Eckgrundstücke oder mehrfach erschlossene Grundstücke auf Wohngrundstücke zu beschränken. Der Eigentümer eines Wohngrundstückes hat regelmäßig nur ein Interesse am Ausbau der Einrichtung, von der er tatsächlich Zugang nimmt. Grundstücken in Kern-, Gewerbe-, Industrie-, oder sonstigen Sondergebieten sowie gewerblich oder vergleichbar genutzten Grundstücken in anderen Gebieten wächst demgegenüber nicht nur durch den Ausbau jeder angrenzenden Straße ein ungeschmälerter Vorteil in Form einer Inanspruchnahmemöglichkeit zu, vielmehr wird er in diesen Fällen auch tatsächlich in Anspruch genommen werden. Die Erhebung des vollen Beitrages bei gewerblicher Nutzung verstößt daher nicht gegen den Gleichheitssatz; im Gegenteil trägt sie ihm gerade Rechnung (Habermann a.a.O. Rn. 274; OVG Schleswig, Urteil vom 16.09.1997 - 2 L 198/96 - Die Gemeinde 1998, 166; Einzelrichter-Urt. v. 29.04.2011 - 9 A 164/09 - ).
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Da weitere Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich sind, musste die Klage daher im tenorierten Umfang abgewiesen werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht auf Grund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, kann auch nach diesem Gesetzbuch kein Beitrag erhoben werden.
(2) Soweit am 29. Juni 1961 zur Erfüllung von Anliegerbeitragspflichten langfristige Verträge oder sonstige Vereinbarungen, insbesondere über das Ansammeln von Mitteln für den Straßenbau in Straßenbaukassen oder auf Sonderkonten bestanden, können die Länder ihre Abwicklung durch Gesetz regeln.
(3) § 125 Absatz 3 ist auch auf Bebauungspläne anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 in Kraft getreten sind.
(4) § 127 Absatz 2 Nummer 2 ist auch auf Verkehrsanlagen anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 endgültig hergestellt worden sind. Ist vor dem 1. Juli 1987 eine Beitragspflicht nach Landesrecht entstanden, so verbleibt es dabei.
(5) Ist für einen Kinderspielplatz eine Beitragspflicht bereits auf Grund der vor dem 1. Juli 1987 geltenden Vorschriften (§ 127 Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Bundesbaugesetzes) entstanden, so verbleibt es dabei. Die Gemeinde soll von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies auf Grund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere unter Berücksichtigung des Nutzens des Kinderspielplatzes für die Allgemeinheit, geboten ist. Satz 2 ist auch auf vor dem 1. Juli 1987 entstandene Beiträge anzuwenden, wenn
- 1.
der Beitrag noch nicht entrichtet ist oder - 2.
er entrichtet worden, aber der Beitragsbescheid noch nicht unanfechtbar geworden ist.
(6) § 128 Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Umlegungsplan (§ 66 des Bundesbaugesetzes) oder die Vorwegregelung (§ 76 des Bundesbaugesetzes) vor dem 1. Juli 1987 ortsüblich bekannt gemacht worden ist (§ 71 des Bundesbaugesetzes).
(7) Ist vor dem 1. Juli 1987 über die Stundung des Beitrags für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (§ 135 Absatz 4 des Bundesbaugesetzes) entschieden und ist die Entscheidung noch nicht unanfechtbar geworden, ist § 135 Absatz 4 dieses Gesetzbuchs anzuwenden.
(8) § 124 Absatz 2 Satz 2 in der bis zum 21. Juni 2013 geltenden Fassung ist auch auf Kostenvereinbarungen in Erschließungsverträgen anzuwenden, die vor dem 1. Mai 1993 geschlossen worden sind. Auf diese Verträge ist § 129 Absatz 1 Satz 3 weiterhin anzuwenden.
(9) Für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, kann nach diesem Gesetz ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. Leistungen, die Beitragspflichtige für die Herstellung von Erschließungsanlagen oder Teilen von Erschließungsanlagen erbracht haben, sind auf den Erschließungsbeitrag anzurechnen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, bei Bedarf Überleitungsregelungen durch Rechtsverordnung zu treffen.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.