Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 05. Dez. 2012 - 9 A 94/10

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2012:1205.9A94.10.0A
bei uns veröffentlicht am05.12.2012

Tenor

Der Vorauszahlungsbescheid vom 14.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2010 wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 4.030,- € übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt 7,6 % und der Kläger 92,4 % der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem/der jeweiligen Vollstreckungsschuldner/in bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen die Geltendmachung einer Vorauszahlung für den Ausbau der Wallstraße in Rendsburg, soweit es um das in seinem Eigentum stehende Grundstück Schleifmühlenstraße ... (Flurstück ..., ... m² groß) geht. Das Grundstück ist dreigeschossig bebaut. Das Gebäude beherbergt im Erdgeschoss ein Bistro und im darüber liegenden 1. Obergeschoss einen Kinosaal und ist über eine Durchgangstür mit dem unmittelbar daneben liegenden Gebäude des Grundstücks Schleifmühlenstraße ... verbunden. Beide Gebäude sind zur Schleifmühlenstraße hin ausgerichtet und werden gemeinsam als Kino benutzt. Das ebenfalls im Eigentum des Klägers stehende Grundstück Schleifmühlenstraße ... verfügt rückwärtig über eine Zufahrt zur Wallstraße.

2

Der Bauausschuss der Beklagten beschloss am 24.02.2009, die aus dem Jahre 1951 stammende und 1985 als Gemeindeverbindungsstraße gewidmete Wallstraße auszubauen. Entsprechend ließ die Beklagte die Wallstraße erneuern. Die Fahrbahn bestand vorher aus Granitgroßsteinpflaster, war teilweise mit Asphaltdecke überzogen und wies wegen des schlechten Unterbaus zahlreiche Schadstellen und Versackungen auf. Vom „Am Holstentor“ kommend wurde sie in einer Breite von zunächst 5,50 m und ab der Einfahrt des südlich anliegenden Parkdecks in einer Breite von 4,50 m mit Betonpflaster versehen. Hinter der Parkdeckeinfahrt verengt sie sich teilweise auf 3,50 m, so dass bei Begegnungsverkehr von Lkw auf den überfahrbar ausgebauten südlichen Gehweg ausgewichen werden muss. Im Übrigen befindet sich am Ende der Wallstraße eine Wendemöglichkeit, damit der Verkehr in der Wallstraße zurückfließen kann. Optisch abgegrenzt von der Fahrbahn wurden 2 m breite Parkstreifen aus Granitgroßsteinpflaster angelegt. Die beidseitigen Gehwegflächen wurden mit einem Neuaufbau mit Klinkerpflaster versehen. Die unzureichende und ungleichmäßige Beleuchtung vonseiten des Parkdecks wurde ersetzt durch neue Siteco „City-light plus“ Straßenleuchten. Die bisherige Oberflächenentwässerung über einen Mischkanal wurde auf ein Trennsystem umgestellt. Der Mischwasserkanal bestand bis dahin aus Steinzeug und wies gemäß dem Ergebnis einer Inspektion aus dem Jahre 1999 eine „hohe Sanierungsdringlichkeit“ auf (Scherbenbildung, Rohrbruch, Undichtigkeiten in Rohren und Schächten, bauliche Schäden).

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Die Straßenausbauarbeiten dauerten von Mai bis November 2009. Parallel dazu wurde das in der Wallstraße liegende und zuvor von der Beklagten privatisierte Parkdeck abgerissen und neu gebaut mit einer Ein- und Ausfahrt nur noch von bzw. in Richtung Am Holstentor.

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Auf Grundlage der Ausbaubeitragssatzung der Beklagten wurden die Anlieger der Wallstraße zu Vorauszahlungen in Höhe von 80 % auf die vorrausichtlichen Ausbaubeiträge nach § 8 KAG herangezogen. Mit Bescheid vom 14.10.2009 wurde für das klägerische Grundstück ein Betrag von abgerundet 4.360,- € bestimmt. Grundlage der Bestimmung war die Einstufung der Wallstraße als Anliegerstraße (Umlagesatz 75 %).

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Der Kläger legte dagegen am 12.11.2009 Widerspruch ein. Seine beiden Grundstücke seien nur durch die Schleifmühlenstraße erschlossen und auf eine Nutzung der Wallstraße nicht angewiesen. Die Zufahrt zur Wallstraße vom Grundstück Schleifmühlenstraße ... aus stelle eine nur mittelbare und nicht notwendige Erschließung dar. Ferner äußerte er Zweifel an der Einstufung der Wallstraße als Anliegerstraße und an der Notwendigkeit der Erneuerung des Mischwasserkanals. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Das klägerische Grundstück sei beitragspflichtig, auch wenn es nicht unmittelbar an die Wallstraße grenze, weil es in gleichem Eigentum stehe wie das angrenzende Grundstück Schleifmühlenstraße ... und beide Grundstücke mit-einander verbunden und einheitlich genutzt würden. Die Wallstraße sei in Anbetracht der ihr planerisch zugedachten Funktion, ihres darauf basierenden Ausbauzustandes und ihrer tatsächlichen Verkehrsbedeutung nur als Anliegerstraße einzustufen, auch wenn sie zugleich als Zufahrt zum Gerbergang und zur Neuen Straße diene und in diesem Bereich auch Anlieferverkehr aufnehme. Eine Einfahrt vom Schiffbrückenplatz sei seit dem Jahre 2005 nicht mehr möglich. Eine Verbindung von Ortsteilen oder eine Sammlung des innerörtlichen Durchgangsverkehrs erfolge durch die Wallstraße nicht. Für die gleichzeitig neu verlegten Versorgungsleitungen werde im Übrigen kein beitragsfähiger Aufwand entstehen. Soweit der Träger der Abwasserentsorgung von der Ausbaumaßnahme profitiere, weil die Kanalisation erneuert werde, bleibe dies beitragsrechtlich irrelevant. Maßgeblich seien die tatsächlich entstandenen Kosten zu berücksichtigen, nicht aber eine fiktive Kostenersparnis.

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Dagegen hat der Kläger am 19.04.2010 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und bleibt bei der Auffassung, dass es sich bei der Wallstraße um eine Straße handele, die im Wesentlichen dem innerörtlichen Verkehr diene, also solchem, der weder Ziel noch Quelle in der Wallstraße habe. Dies gelte entgegen der Annahme der Beklagten gerade auch für die Nutzung des Parkdecks. Selbst wenn man annähme, dass auch der von in der Straße liegenden Gewerbebetrieben ausgelöste Verkehr noch Anliegerverkehr sei, könne das nur dann gelten, wenn die jeweilige gewerbliche Nutzung den anderen Anliegern im weitesten Sinne diene und keine Massierung dieser Nutzungsart auftrete. Dies sei hier aber insbesondere wegen des Parkdecks und des Kino-Centers, aber auch wegen weiterer, im Einzelnen aufgezählter gewerblicher Nutzungen der Fall. Hinzu kämen die in der Gerberstraße, der Neuen Straße und in der Schiffbrückengalerie liegenden Gewerbebetriebe, die dafür sorgten, dass der Wallstraße auch ohne ihre eigenen Anlieger noch eine wesentliche Verkehrsfunktion zukäme. Vom Ausbauzustand her betrachtet sei eine 5,50 m breite Fahrbahn für die Aufnahme innerörtlichen Verkehrs auch durchaus geeignet. Der Kläger rügt des Weiteren, dass die Baustelleneinrichtung nicht auf die verschiedenen am Bau beteiligten Träger umgelegt und dass der Verteilungsschlüssel „Regenwasser“ nicht nachvollziehbar sei. Zudem sei eine Preisgestaltung mit Einheitspreisen bzw. „runden“ Preisen ungewöhnlich und erklärungsbedürftig.

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Der Kläger beantragt,

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den Vorauszahlungsbescheid vom 14.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2010 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie bleibt bei der Auffassung, dass die Wallstraße eine Anliegerstraße sei. Diese sei entsprechend ausgebaut und solle zur Ortsstraße umgewidmet werden. Da sich auch das Parkdeck auf einem Anliegergrundstück befinde, sei auch der davon ausgelöste Verkehr als Ziel- bzw. Quellverkehr der Wallstraße und damit als Anliegerverkehr anzusehen. Der vom Parkdeck ausgelösten erhöhten Verkehrsfrequenz sei durch eine entsprechende Beitragsbemessung anhand von Art und Maß der Nutzung dieses Anliegergrundstücks Rechnung getragen. Die Kosten des Titels Baustelleneinrichtung und Verkehrssicherung seien prozentual aus den Bausummenanteilen ermittelt worden. Der Aufwand für den Regenwasserkanal sei entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hälftig auf die Grundstücks- und die Straßenentwässerung aufgeteilt worden. Die Berechnung des beitragsfähigen Aufwands sei schließlich nicht anhand von Einheitspreisen, sondern anhand des Submissionsergebnisses centgenau erfolgt.

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Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Ermittlung des prognostizierten Aufwands nochmals genauer erläutert und zudem festgestellt, dass das klägerische Grundstück bereits bei Abschluss der Baumaßnahme nicht mehr vier-, sondern nur dreigeschossig bebaut war. Gleichzeitig hat sie diese Feststellung zum Anlass genommen, eine korrigierte Vergleichsberechnung zu erstellen. Die Vorauszahlung für das hier in Rede stehende Grundstück reduziert sich danach um 330,- €.

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Die Kammer hat den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.08.2012 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung schriftsätzlich verzichtet. Hinsichtlich ihres weiteren Vorbringens sowie der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Verwaltungsakten, die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug genommen. Hierzu zählen auch die beigezogenen Akten aus den Parallelverfahren 9 A 93/10 und 9 A 95/10.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber im Wesentlichen unbegründet.

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Der Vorauszahlungsbescheid vom 14.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2010 ist nur insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger nur insoweit in seinen Rechten, als er einen Betrag von 4.030,- € übersteigt (§ 113 Abs. 1 VwGO); im Übrigen ist er rechtmäßig.

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Rechtsgrundlage ist die Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von vorhandenen Straßen, Wegen und Plätzen vom 29.06.1998 in der Fassung der 1. Nachtragssatzung vom 28.12.2000, der 2. Nachtragssatzung vom 28.06.2004 und der 3. Nachtragssatzung vom 30.09.2005 (im Folgenden: ABS 2005) in Verbindung mit § 8 KAG. Gegen die Rechtmäßigkeit der für den vorliegenden Veranlagungsfall relevanten Bestimmungen der Ausbaubeitragssatzung sind Bedenken seitens des Klägers nicht erhoben worden und auch nicht ersichtlich. Die ABS 2005 bietet eine taugliche Rechtsgrundlage für die erhobene Vorauszahlung auf den Ausbaubeitrag.

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Nach § 1 ABS 2005 erhebt die Beklagte zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung sowie den Ausbau und Umbau und die Erneuerung von vorhandenen Ortsstraßen gemäß § 242 Baugesetzbuch (BauGB), für die nach den §§ 127 ff BauGB erstmalig hergestellten sowie von nicht zum Anbau bestimmten Straßen, Wegen und Plätzen Beiträge von den Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern, denen die Maßnahme Vorteile bringt. Gemäß § 10 ABS 2005 kann die Beklagte ab Beginn der Baumaßnahme auch angemessene Vorauszahlungen erheben.

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Die genannten gesetzlichen Voraussetzungen liegen vor und rechtfertigen die strittige Vorauszahlung dem Grunde wie der Höhe nach im tenorierten Umfang. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese gerichtliche Beurteilung ist der Erlass der letzten Behördenentscheidung (vgl. BayVGH, Urt. v. 01.06.2011 - 6 BV 10.2536 - juris Rn. 27; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.11.2010 - 9 S 29.10 - juris Rn. 7), hier also der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 18.03.2010.

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Die Vorauszahlung wurde entsprechend § 10 Satz 1 ABS 2005, § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG erst nach Beginn der Baumaßnahme am 04.05.2009 und vor deren Abschluss durch Bescheid vom 14.10.2009 erhoben.

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Bei der ausgebauten Wallstraße handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung i.S.d. § 8 KAG, die sich von der Einmündung in die Straße Am Holstentor bis zum Schiffbrückenplatz erstreckt. Sie wurde 1985 dem öffentlichen Verkehr gewidmet.

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In der Erneuerung der abgängigen Fahrbahn, der Erneuerung der Gehwege und der Beleuchtung sowie dem Umbau der Oberflächenentwässerung in Form der Umstellung von Mischsystem auf Trennsystem liegt eine beitragsfähige Ausbaumaßnahme im Sinne des § 1 ABS 2005 i.V.m. § 8 Abs. 1 KAG. Mit der Erneuerung wird die Straße in einen Zustand versetzt, der auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus wieder den voraussichtlichen Anforderungen des Verkehrs genügt. Die erneuerten Teileinrichtungen konnten schon deshalb als nicht mehr funktionsfähig und damit abgängig angesehen werden, weil ihre übliche Nutzungsdauer, die je nach Teileinrichtung zwischen 25 und 50 Jahren liegt (vgl. Habermann in: Habermann/ Arndt, Praxis der Kommunalverwaltung, KAG, Stand November 2010, § 8 Rn. 147, 147a), nach Herstellung der Straße im Jahre 1951 abgelaufen war. Soweit ein neuer Parkstreifen und ein Wendehammer angelegt werden, handelt es sich zudem um einen vervollständigenden Ausbau der Einrichtung bzw. der Teileinrichtung Fahrbahn (vgl. dazu Habermann a.a.O. Rn. 152 m.w.N.). Der Kläger zieht die grundsätzliche Beitragsfähigkeit dieser Maßnahmen gemäß § 8 Abs. 1 KAG auch nicht mehr in Zweifel.

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Die in Rede stehende Straßenbaumaßnahme vermittelt dem Kläger als Eigentümer auch grundstücksbezogene Vorteile. Die hierfür erforderliche qualifizierte objektive Inanspruchnahmemöglichkeit ist gegeben, wenn das veranlagte Grundstück eine solche räumliche Nähe zur erneuerten Straße aufweist, dass diese vom Grundstück aus zugänglich ist. Auf die subjektive Sicht des einzelnen Grundstückseigentümers und die tatsächlich stattfindende Nutzung oder deren Wahrscheinlichkeit kommt es nicht an. Die Vorteilslage ergibt sich allein aus der räumlich engen Beziehung zu der ausgebauten Einrichtung, wenn der Eigentümer die ausgebaute Einrichtung von seinem Grundstück aus nutzen kann und dadurch im Vergleich zu den sonstigen Nutzern der Straße einen (Sonder-) Vorteil hat (OVG Schleswig, Urt. v. 28.10.1997 - 2 L 281/95 - Die Gemeinde 1998, 98, 99; Habermann a.a.O., Rn. 142, 176 m.w.N.).

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Die Feststellung einer im Einzelfall ausreichenden Zugänglichkeit der Ausbaustraße hängt von der zulässigen Nutzung des jeweiligen Grundstücks ab (OVG Schleswig, Beschl. v. 19.11.2001 - 2 L 112/01 -, Habermann a.a.O. Rn. 180). Ausreichend ist insofern, dass die bestimmungsgemäße Grundstücksnutzung in einer nicht nur untergeordneten Weise über die ausgebaute Straße realisiert werden kann. Ist die bestimmungsgemäße Grundstücksnutzung eine gewerbliche, kann es ausnahmsweise erforderlich sein, dass das Grundstück von der ausgebauten Straße her nicht nur betreten werden kann, sondern dass man mit einem Fahrzeug auf das Grundstück herauffahren kann (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 35 Rn. 12, 26 m.w.N.).

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Eine ausreichende Zugänglichkeit besteht zunächst für alle unmittelbar an die Einrichtung anliegenden Grundstücke. Dazu zählt das klägerische Grundstück Schleifmühlenstraße ..., welches durch die Zufahrt über eine unmittelbare Verbindung zur Wallstraße verfügt. An das Grundstück kann man von der Ausbaustraße nicht nur heranfahren und es von hier aus betreten, sondern man kann auch mit einem Fahrzeug auf das Grundstück herauffahren (sofern man dies wegen der gewerblichen Nutzung des Gebäudes als Kino im innerstädtischen Bereich überhaupt fordern wollte).

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Eine ausreichende Zugänglichkeit besteht aber auch bei dem aus Sicht der Wallstraße dahinter liegenden Grundstück Schleifmühlenstraße ... Bei bestehender Identität des Eigentümers von Anlieger- und Hinterliegergrundstück kann der Gedanke eines angemessenen Vorteilsausgleichs es gebieten, auch das Hinterliegergrundstück bei der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen (OVG Schleswig, Urt. v. 24.10.1996 - 2 L 108/96 - Die Gemeinde 1997, 217; Beschl. v. 4.10.2005 - 2 MB 35/05 -). So liegt es auch hier, da das Anlieger- und das Hinterliegergrundstück einheitlich genutzt werden. Eine vorteilsbegründende einheitliche Nutzung ist gegeben, wenn sich beide Grundstücke dadurch als ein Grundstück darstellen, dass die Grundstücksgrenze überbaut ist oder dass eine grenzübergreifende gewerbliche Nutzung erfolgt (OVG Schleswig, Beschl. v. 18.12.2007 - 2 LA 33/07 -, v. 04.10.2005 - 2 MB 35/05 -, v. 19.11.2001 - 2 L 112/01 -; Habermann a.a.O. Rn. 186, 187). Beides ist hier gegeben. Es liegt eine Überbauung vor, da die unmittelbar nebeneinander liegenden Gebäude der beiden klägerischen Grundstücke baulich miteinander verbunden sind. Diese Verbindung realisiert zugleich eine einheitliche gewerbliche Nutzung, weil die Räume beider Gebäude mittels einer Verbindungstür gemeinsam als ein einheitliches, über mehrere Säle verfügendes Kino benutzt werden.

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Die Annahme einer vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit hängt auch nicht davon ab, ob auch noch andere Straßen einen solchen – oder ähnlichen - Vorteil verschaffen. Grundstücke, die an zwei ausgebaute Straßen angrenzen und denen folglich je eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit geboten wird, nehmen im Ausbaubeitragsrecht an der Verteilung des umlagefähigen Aufwands für jede der entsprechenden Anlagen teil. Nichts anderes kann für Hinterliegergrundstücke gelten, die ihrerseits an eine andere Erschließungseinrichtung angrenzen. Eine zusätzliche Bewertung der objektiv gegebenen Inanspruchnahmemöglichkeit ist nicht geboten; insbesondere kommt es an dieser Stelle nicht darauf an, ob die ausgebaute Einrichtung tatsächlich in Anspruch genommen wird bzw., mit welcher Wahrscheinlichkeit oder in welchem Umfang. Systemgerecht und deshalb maßgeblich ist vielmehr auch bei „nicht-gefangenen“ Hinterliegern allein, dass Vorteile geboten werden, die in der Steigerung der Attraktivität der Wohn- und Geschäftslage zu sehen sind und nicht, ob der Grundstückseigentümer den gebotenen Vorteil im Hinblick auf die tatsächliche Nutzung des Grundstücks auch in Anspruch nimmt (vgl. schon r’kr. Einzelrichter-Urt. v. 24.10.2008 - 9 A 45/07 - m.w.N.).

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Nach Übersendung weiterer Unterlagen zur Ermittlung der voraussichtlichen Höhe des Beitrags und damit zur Höhe der geltend gemachten Vorauszahlung bestehen im tenorierten Umfang auch keine Bedenken mehr gegen den Vorauszahlungsbescheid der Höhe nach.

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Die Anforderungen des § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG i.V.m. § 10 Satz 1 ABS 2005 sind erfüllt. Danach darf eine Vorauszahlung auf den Ausbaubeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen Beitrags verlangt werden, muss aber stets angemessen sein. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist der der Gemeinde ggf. bereits entstandene und absehbar noch entstehende Aufwand. Die Forderung einer Vorauszahlung in voller Höhe des voraussichtlichen Beitrags wird allerdings nur ausnahmsweise angemessen sein (Habermann a.a.O. Rn. 370). Vorliegend kann die Angemessenheit bejaht werden, da die Beklagte nur 80 % des voraussichtlichen Beitrags fordert.

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Zur Ermittlung des voraussichtlichen Beitrags wiederum bedarf es einer prognostischen Schätzung. Diese Schätzung bezieht sich auf den als beitragsfähig anzuerkennenden Aufwand (Aufwandsermittlung) und auf die Umlage nach Maßgabe des in der einschlägigen Ortssatzung festgelegten Verteilungsmaßstabs auf alle bevorteilten Grundstücke (Aufwandsverteilung). Sie ist auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorliegenden Erkenntnisse vorzunehmen. Dabei steht der Gemeinde sowohl für den Weg der Schätzung als auch für das Ergebnis ein Schätzungsspielraum zu. Bis zu dem für die gerichtliche Kontrolle maßgeblichen Zeitpunkt ist sie allerdings gehalten, ihre Schätzung mit der fortschreitenden Realisierung zu aktualisieren und zu konkretisieren. Sowohl die Schätzung als auch ihr Ergebnis unterliegen der gerichtlichen Kontrolle. Maßgeblich sind dabei nicht die Deckungsgleichheit mit dem noch nicht abschließend feststellbaren beitragsfähigen Aufwand, sondern (nur) die Sachgerechtigkeit der Methode sowie die Folgerichtigkeit und die Nachvollziehbarkeit des Rechenwerkes. Ein Anspruch auf eine Kostenaufstellung, die alle Details der endgültigen Abrechnung bereits umfasst, besteht nicht, weil dies angesichts der regelmäßig noch offenen Kosten weder möglich wäre noch dem Charakter der Vorauszahlung als Instrument der Vorfinanzierung entspräche (vgl. OVG Saarland, Urt. v. 27.09.2005 - 1 R 9/05 - in juris Rn. 50-56 m.w.N.; BayVGH, Beschl. v. 10.09.2009 - 6 CS 09.1435 - juris Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 09.03.2010 - 9 S 3.09 - juris Rn. 7 und v. 22.10.2010 - 9 S 29/10 - in juris Rn. 8; Driehaus a.a.O., § 38 Rn. 10 i.V.m. § 21 Rn. 33 ff. m.w.N.).

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Sachgerecht ist es, sich bei der Schätzung des beitragsfähigen Aufwands am Angebot des im Vergabeverfahren günstigsten und deshalb auch beauftragten Unternehmens zu orientieren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.09.1993 - 2 S 462/92 - juris Rn. 24). Dies hat die Beklagte getan. Die mit Schreiben vom 18.09.2012 übersandte Aufstellung (Anlage B1 = BA E zu 9 A 95/10) führt die im Oktober 2009 angestellten Ermittlungen mit der Aufstellung vom 08.10.2009 (im allg. Verwaltungsvorgang ab Bl. 253 ff.) anhand von Kostengruppen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ABS 2005 fort. Entsprechend wurde ein beitragsfähiger Aufwand von 603.612,06 € zzgl. des Aufwands für Angleichungsarbeiten über 13.776,89 € = 617.388,95 € berechnet. Die eingesetzten Beträge setzen sich aus einzelnen Positionen aus dem Angebot des beauftragten Unternehmens ... vom 01.04.2009 zusammen, welches nunmehr auch vorliegt, die Schätzung damit nachvollziehbar macht und zugleich die Folgerichtigkeit des Rechenwerks belegt.

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Bei der Ermittlung der beitragsfähigen Kosten darf die Gemeinde im Übrigen nur solche Kosten einstellen, die für notwendige Maßnahmen entstehen. Bei der Bestimmung dessen, was notwendig ist, steht ihr wiederum ein weites Ermessen zu, begrenzt durch die Vorgabe, dass keine sachlich schlechthin unvertretbaren Kosten entstehen (Habermann a.a.O. Rn. 303 m.w.N.). Dass die Beklagte ihren diesbezüglichen Rahmen überschritten hätte, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.

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Die Kosten für den zugleich erneuerten Schmutzwasserkanal hat die Beklagte zutreffend nicht mit eingestellt, da sie ausschließlich zur Einrichtung „Grundstücksentwässerung“ und nicht zur Einrichtung „Straße“ zählen. Entsprechendes gilt für die zugleich neu verlegten Versorgungsleitungen. Die Höhe der maßgeblichen Kosten schmälert sich weiter nicht dadurch, dass diese Arbeiten „bei Gelegenheit“ des Straßenausbaus erfolgten, die jeweiligen Träger sich aber nicht an den Kosten des Straßenausbaus beteiligten. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KAG kommt es stets nur auf die tatsächlich entstandenen Kosten und die tatsächlich eingetretenen Ersparnisse an. Aufwandsmindernd berücksichtigt werden können deshalb nur die tatsächlich erfolgten Leistungen und Zuschüsse Dritter. Eine hypothetische Betrachtungsweise, nach der der Gesamtaufwand bei getrennten Maßnahmen höher wäre und deshalb Minderkosten aufzuteilen seien, bleibt nach schleswig-holsteinischem Landesrecht ebenso irrelevant wie die Frage nach einer möglichen, aber tatsächlich weder gebotenen noch realisierten Beteiligung eines andere Trägers (std. Rspr.: OVG Schleswig, Urt. v. 11.02.1998 - 2 L 136/96 - Die Gemeinde 1998, 220, 224, - 2 L 79/96 - NordÖR 1998, 268, 272, in juris Rn. 48 f. und Urt. v. 10.08.2012 - 4 LB 22/11 -; VG Schleswig, Einzelrichter-Urt. v. 27.06.2008 - 9 A 333/05 - und v. 19.04.2011 - 9 A 134/08 -; s.a. Habermann a.a.O. Rn. 304).

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Anders ist der Fall einer Anlage mit Mehrfachfunktion zu beurteilen, wenn - wie hier - ein neuer Regenwasserkanal gelegt wird, der nicht nur der Straßenentwässerung, sondern zugleich auch der Grundstücksentwässerung dient. In diesem Falle ist die Anlage als eigenständige Teileinrichtung „Straßenentwässerung“ der öffentlichen Einrichtung „Straße“ zuzuordnen. Kommt die Erneuerung aber nicht nur der Straßen- sondern zugleich auch der Grundstücksentwässerung zu gute, ist der diesbezügliche, tatsächlich entstandene Aufwand kostenorientiert hälftig zu teilen (Habermann a.a.O. Rn. 304 a.E. und Rn. 313 m.w.N.). Das ist nach den Darlegungen der Beklagten allerdings auch erfolgt, vgl. Kostengruppe II, Pos. 1.2.6.a) in der aktualisierten Aufstellung vom 08.10.2009. Ebenso nachvollziehbar legt die Beklagte dar, dass die Kosten für die Baustelleneinrichtung und die Verkehrssicherung nach dem Anteil der Leistungen im Verhältnis zu der Gesamtauftragssumme zunächst zwischen den Stadtwerken und der Beklagten und sodann entsprechend den Anteilen bezogen auf die Wallstraße, den Gerbergang und An der Bleiche verteilt worden sind, vgl. Kostengruppe II, Pos. 1.5.3.3.

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Umlagefähig ist von diesen beitragsfähigen Kosten gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ABS 2005 ein Anteil von 75 % für die in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ABS 2005 genannten und hier ausgebauten Teileinrichtungen. Die Höhe der Anteile folgt aus dem Umstand, dass die Ausbaustraße in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als eine Straße eingestuft worden ist, die im Wesentlichen dem Anliegerverkehr dient.

35

Es obliegt dem Satzungsermessen der Gemeinde, nach welchen Straßentypen zu unterscheiden und infolgedessen der Anliegeranteil zu staffeln ist. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sie sich dabei aus Gründen der Praktikabilität auf eine relativ grobe Unterscheidungen beschränken darf, wie hier etwa auf die Unterscheidung in § 4 ABS 2005 nach Anliegerstraße / Innerortsstraße / Durchgangsstraße und Fußgängerbereich (OVG Schleswig, Urt. v. 23.07.2008 - 2 LB 54/07 - NVwZ-RR 2009, 130; r’kr. Einzelrichter-Urt. v. 05.11.2010 - 9 A 72/07 - in juris Rn. 43). Auch wenn es eine zweckmäßigere Einteilung der Straßen geben mag (etwa nach Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen), ist diese Einteilung vom Satzungsermessen der Gemeinde gedeckt. Stellt der Satzungsgeber mithin in rechtlich annehmbarer Weise auf die überwiegenden Nutzungsarten ab, kommt es darauf an, ob die Straße überwiegend einer der genannten Verkehrsarten dient (vgl. schon OVG Schleswig, Urt. v. 11.02.1998 - 2 L 79/96 - NordÖR 1998, 268 in juris Rn. 34, 36; Beschl. der Kammer v. 08.08.2012 - 9 B 20/12 -; Hess. VGH, Beschl. v. 21.03.2012 - 5 A 1892/11.Z - in juris Rn. 5; vgl. auch Habermann a.a.O. Rn. 206).

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Dass die Wallstraße im Verzeichnis der Satzung von 1998 gemäß § 4 Abs. 4 ABS 2005 als eine im Wesentlichen dem innerörtlichen Verkehr dienende Straße eingeordnet ist, ist nicht konstitutiv und unerheblich, da die Zuordnung selbst der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Dabei sind die von der Satzung verwendeten Begriffe regelmäßig nicht straßenrechtlich, sondern beitragsrechtlich zu verstehen (OVG Schleswig, Beschl. v. 16.01.2009 - 2 MB 29/08 - mit Verweis auf Urt. v. 23.07.2008 a.a.O.). Dies bedeutet entgegen der Auffassung des Klägers und des OVG Lüneburg allerdings nicht, dass diesen Begriffen je nach den konkreten Verhältnissen vor Ort eine unterschiedliche Bedeutung zukäme. Insoweit hat das OVG Schleswig klargestellt, dass die in verschiedenen Ausbaubeitragssatzungen identisch verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe nicht einer unterschiedlichen Auslegung zugeführt werden können (Urt. v. 11.02.1998 a.a.O. Rn. 39, dem folgend Beschl. der Kammer v. 08.08.2012 - 9 B 20/12 -). Generell orientiert sich die beitragsrechtliche Zuordnung zu dem einen oder anderen Straßentyp „an ihren wesentlichen, für die Straße insgesamt bedeutsamen und sie überwiegend charakterisierenden Merkmalen, wobei von der Funktion der Straße im Gesamtverkehrsnetz der Gemeinde auszugehen ist, wie sie durch ihre Lage, die Art der Ausgestaltung und die Belastung ihre Ausprägung gefunden hat (OVG Schleswig, Urt. v. 23.07.2008 a.a.O.; Habermann a.a.O. Rn. 331 m.w.N.). Dabei richtet sich die Funktion vor allem nach der Verkehrsplanung der Gemeinde und dem darauf beruhenden Ausbauzustand (OVG Schleswig, Beschl. v. 03.07.2002 - 2 L 164/01 -). Stellt der Satzungsgeber - wie hier - auf die überwiegenden Nutzungsarten ab, kann es sein, dass erhebliche, aber die Straßenfunktion nicht prägende Nutzungen bei der Klassifizierung unbeachtlich bleiben (OVG Schleswig, Urt. v. 11.02.1998 a.a.O. Rn. 36 m.w.N.).

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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Zuordnung ist der der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (OVG Schleswig, Urt. v. 20.09.2007 - 2 LB 20/07 - Die Gemeinde 2008, 42), hier mithin das Jahr 2009. Danach ist die Wallstraße als Anliegerstraße einzustufen. Eine Bedeutung als Innerortsstraße, wie sie die Beklagte anderen Straßen im Stadtgebiet beimisst, ist für die Wallstraße gerade nicht gegeben. Entsprechend der Definition in § 4 Abs. 1 ABS 2005 dient sie (nicht nur, aber) überwiegend dem Anliegerverkehr. Beim Anliegerverkehr handelt es sich nicht nur um die verkehrliche Nutzung der Straße durch die Anlieger selbst, sondern allgemeiner um den Verkehr, der zu den in Anspruch genommenen Grundstücken hinführt und von ihnen ausgeht, um den sog. Ziel- und Quellverkehr. Ausreichend ist, dass der Verkehr entweder sein Ziel oder seinen Ausgangspunkt an der betreffenden Straße hat (OVG Schleswig, Beschl. v. 16.01.2009 - 2 MB 29/98 -). Die Innerortsstraße dient demgegenüber überwiegend dem innerörtlichen Verkehr. Im Rahmen der hier gewählten dreistufigen Klassifizierung gilt sie als Erschließungsstraße mit innerörtlicher Verkehrsbedeutung, die zur Aufnahme des innerörtlichen Durchgangsverkehrs bestimmt ist, Ortsteile verbindet und den Verkehr in Richtung eines anderen Ortsbereichs sammelt (OVG Schleswig, Urt. v. 20.09.2007 a.a.O.) oder sonst eine Verkehrsbedeutung hat, die die Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke stark zurücktreten lässt. Dabei liegen Ziel oder / und Quelle des Verkehrs innerhalb des Orts, aber außerhalb der Einrichtung (Beschl. der Kammer v. 08.08.2012 - 9 B 20/12 - Habermann a.a.O. Rn. 336 m.w.N.).

38

Trotz der zentralen Lage im Altstadtbereich kommt der Wallstraße innerhalb des Gesamtstraßennetzes keine innerörtliche Verkehrsbedeutung im Sinne einer baugebiets- oder ortsteilübergreifenden Funktion zu. Allein die Tatsache, dass sie über den Gerbergang und den Schiffbrückenplatz eine Verbindung herstellt zur Neuen Straße, genügt insoweit nicht. Denn jede Straße im Gemeindegebiet besitzt – bis auf Sackgassen - neben der reinen Erschließungsfunktion eine mehr oder weniger bedeutsame Verbindungsfunktion für andere Straßen und Baugebiete. Das allein macht sie noch nicht zur Innerortsstraße (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 20.09.2007 a.a.O.). Belegt wird die Bedeutung als Anliegerstraße auch durch die Ausgestaltung als verkehrsberuhigter Bereich (Tempo-30-Zone) mit abgesenkten Bordsteinen, Parkflächen parallel zur Fahrbahn und Baumpflanzungen. Mit einer Breite von 5,50 m ist die Wallstraße nur auf der Strecke Am Holstentor bis zur Einfahrt zum Parkdeck für Begegnungsverkehr ausgelegt; im Übrigen ist ein Begegnungsverkehr bei einer Breite von 4,50 m bzw. nur 3,50 m jedenfalls für anliefernde Lkw nur bei verlangsamter Geschwindigkeit und mit Ausweichmanövern möglich (vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 13.12.2011 - 1 L 170/08 - NordÖR 2012, 212 (Leitsatz), in juris Rn. 24; Habermann a.a.O., Rn. 333).

39

Auf eine Zählung der in der Wallstraße tatsächlich verkehrenden Fahrzeuge kommt es unter diesen Umständen nicht an. Abgesehen davon, dass eine Zählung noch nichts über Ziel und Quelle des gezählten Verkehrs besagt, ist eine rein mathematisch vergleichende Betrachtungsweise nach der zitierten Rechtsprechung auch nicht ausschlaggebend. Solange Ausgestaltung und verkehrsmäßige Planung der Ausbaustraße im Gesamtverkehrsnetz die Funktion einer Innerortsstraße gerade nicht beimessen und die in der Straße verkehrenden Fahrzeuge auch tatsächlich im Baugebiet / Ortsteil bleiben, ohne einen innerörtlichen Durchgangsverkehr im o.g. Sinne darzustellen, käme es letztlich noch nicht einmal darauf an, dass der Fremdverkehr gegenüber dem Anliegerverkehr möglicherweise sogar überwiegt, weil dies allein eine Gleichstellung mit einer Innerortsstraße nicht rechtfertigen würde (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 14.11.2008 - 2 MB 21/08 -; Beschl. der Kammer v. 11.05.2011 - 9 B 102/10 -).

40

Zudem ist nicht zu verkennen, dass die Wallstraße selbst schon zahlreiche Einrichtungen und Gewerbebetriebe erschließt, die wiederum einen eigenen Anliefer- und Besucherverkehr erzeugen und der als prägender Anliegerverkehr zu betrachten ist (vgl. Habermann a.a.O., Rn. 334; OVG Schleswig, Beschl. v. 16.01.2009 - 2 MB 29/08 -). Nach der o.g. Definition zählt selbst der Verkehr zum und vom Parkdeck zum Anliegerverkehr der Wallstraße. Ob und inwieweit das Parkdeck oder andere gewerbliche Nutzungen in der Straße den Anliegern dienen, ist unerheblich. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass sich der bei Gewerbebetrieben gegebene höhere Nutzungsgrad der ausgebauten Straße in der jeweiligen Vorteilsbemessung und in der konkreten Beitragshöhe für das entsprechende Grundstück niederschlägt und sich damit mittelbar auch zugunsten der anderen Anlieger auswirkt.

41

Von der in ihrer Ausdehnung her definierten Einrichtung „Wallstraße“ ist auch das Abrechnungsgebiet i.S.d § 5 Abs. 1 ABS 2005 zutreffend ermittelt worden, insbesondere zählt nach den obigen Ausführungen zu den erschlossenen und damit bevorteilten Grundstücke der Einrichtung auch das klägerische Grundstück als sogenanntes Hinterliegergrundstück.

42

In Anwendung des in § 6 Abs. 1 - 5 ABS 2005 definierten Beitragsmaßstabes nach Art und Maß der jeweiligen Grundstücksnutzung ist schließlich auch die Flächenermittlung, die Ermittlung des Beitragssatzes und die konkrete Höhe des auf das klägerische Grundstück entfallenden Anteils - hier mit seiner Lage im unbeplanten Innenbereich sowie unter Berücksichtigung der dreigeschossigen Bebauung und der gewerblichen Nutzung - im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Rechnerisch korrekt ergibt sich aus der nachgereichten Vergleichsberechnung für das hier in Rede stehende klägerische Grundstück die im Tenor berücksichtigte Reduzierung um 330,- €.

43

Ausgehend von der maßgeblichen Grundstücksfläche (§ 6 Abs. 2 ABS 2005) wird das Maß der Grundstücksnutzung anhand der Zahl der Vollgeschosse bemessen. Im unbeplanten Innenbereich ist die tatsächlich vorhandene Anzahl der Vollgeschosse maßgeblich (§ 6 Abs. 3 und 4 Nr. 2.1 ABS 2005). Hiervon ausgehend hat die Beklagte für das klägerische Grundstück auf der Grundlage des baurechtlichen Vollgeschossbegriffes in § 2 Abs. 7 LBO jetzt zutreffend eine nur dreigeschossige Bebauung zugrunde gelegt.

44

Die Art der Grundstücksnutzung findet ihre Berücksichtigung in den Regelungen des § 6 Abs. 5 ABS 2005, indem diese für gewerblich genutzte Grundstücke eine Erhöhung der ermittelten Fläche um 25 % vorsehen (Artzuschlag). Dabei wird zwischen einem gebietsbezogenen und einem grundstücksbezogenen Artzuschlag unterschieden. Die Erhebung eines Artzuschlags rechtfertigt sich aus der gegenüber der Wohnnutzung gesteigerten Abhängigkeit von der qualitativen Ausgestaltung der ausgebauten Straße und der gegenüber der Wohnnutzung qualifizierten Nutzungsart und den damit den Grundstückseigentümern gebotenen erhöhten Gebrauchsvorteilen (OVG Schleswig, Urt. v. 23.07.2008 - 2 LB 56/07 - in juris Rn. 27, 38). So erklärt sich, dass der Begriff „gewerblich“ im Ausbaubeitragsrecht weit auszulegen ist und alle Dienstleistungsbetriebe und beruflichen Tätigkeiten erfasst, die einen erhöhten Ziel- und Quellverkehr verursachen (vgl. Habermann a.a.O. Rn. 252 m.w.N.). Entsprechend beschreibt auch § 6 Abs. 5 ABS 2005 die gewerbliche Nutzung als eine solche im Sinne eines privatwirtschaftlichen Gewinnstrebens. Hierunter fällt auch die Nutzung eines Gebäudes mit einem Kino nebst Bistro.

45

Der hier erhobene grundstücksbezogene Artzuschlag ist auch in Anbetracht der bereits erörterten Hinterliegereigenschaft des klägerischen Grundstücks gerechtfertigt. Anders als beim beitragsfähigen Vorteil, der bei entsprechender räumlicher Nähe zur ausgebauten Straße bereits bei Bejahung einer qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit besteht, kommt es nach der Rechtsprechung des OVG Schleswig bei dem grundstücksbezogenen Artzuschlag für Grundstücke, die zugleich an zwei Straßen angrenzen, auf die tatsächlichen Grundstücksverhältnisse und auf eine tatsächliche Ausnutzbarkeit des besonderen Vorteils an, der dem Grundstück gerade von der abgerechneten Ausbaustraße geboten wird. Findet ein gewerblich bedingter Ziel- und Quellverkehr erkennbar nicht statt und ist dies ohne Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse auf dem Grundstück auch nicht möglich, entfällt nach Auffassung des OVG auch die Rechtfertigung der Belastung eines Grundstückes mit einem Artzuschlag (Urt. v. 23.07.2008 - 2 LB 56/07 - in juris Rn. 29, 35 ff.; Driehaus a.a.O., § 18 Rn. 55). Ob diese Rechtsprechung auf die hier gegebene Situation eines Grundstücks, welches zur zweiten Straße nur als Hinterlieger beitragspflichtig ist, übertragen werden kann und ob dem dann zu folgen wäre (anders z.B. noch Driehaus a.a.O. in der 7. Auflage), kann dahinstehen, da der Zugang durch das Gebäude Schleifmühlenstraße ... zum Gebäude des Grundstücks Schleifmühlenstraße ... nicht nur geschaffen werden könnte, sondern tatsächlich geschaffen worden ist, um hier eine räumliche Verbindung herzustellen. Diese Verbindung wird auch tatsächlich genutzt.

46

Unerheblich bleibt weiter, dass das klägerische Hinterliegergrundstück auf diesem Wege nur zu Fuß betreten werden kann. Bereits für die Vorteilsbegründung kam es aufgrund der festgestellten Überbauung und der einheitlichen gewerblichen Nutzung von Anlieger- und Hinterliegergrundstück darauf nicht an. Hier reichte die Feststellung, dass das Anliegergrundstück über eine Zufahrt zur Ausbaustraße verfügt und dass man - so man dies fordern möchte - von der Ausbaustraße her auf das Anliegergrundstück herauffahren kann. In der gegebenen Konstellation - Überbauung und einheitliche gewerbliche Nutzung von Anlieger- und Hinterliegergrundstück durch ein Kino im Innenstadtbereich - muss dies auch mit Blick auf den grundstücksbezogenen Artzuschlag ausreichen. Die von der ausgebauten Wallstraße gebotene Vorteilslage wird aufgrund der einheitlichen gewerblichen Nutzung von beiden Grundstücken tatsächlich gleichermaßen in Anspruch genommen.

47

Eine Ermäßigung des Beitrags nach § 6 Abs. 6 ABS 2005 um 1/3 wegen der vorhandenen Mehrfacherschließung kommt gemäß § 6 Abs. 7 ABS 2005 nicht in Betracht, weil das Grundstück zu mehr als 15 % der Gebäudefläche gewerblich genutzt wird und diese Nutzung nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es nicht nur zulässig, sondern geboten, die Gewährung einer solchen Ermäßigung für Eckgrundstücke oder mehrfach erschlossene Grundstücke auf Wohngrundstücke zu beschränken. Der Eigentümer eines Wohngrundstückes hat regelmäßig nur ein Interesse am Ausbau der Einrichtung, von der er tatsächlich Zugang nimmt. Grundstücken in Kern-, Gewerbe-, Industrie-, oder sonstigen Sondergebieten sowie gewerblich oder vergleichbar genutzten Grundstücken in anderen Gebieten wächst demgegenüber nicht nur durch den Ausbau jeder angrenzenden Straße ein ungeschmälerter Vorteil in Form einer Inanspruchnahmemöglichkeit zu, vielmehr wird er in diesen Fällen auch tatsächlich in Anspruch genommen werden. Die Erhebung des vollen Beitrages bei gewerblicher Nutzung verstößt daher nicht gegen den Gleichheitssatz; im Gegenteil trägt sie ihm gerade Rechnung (Habermann a.a.O. Rn. 274; OVG Schleswig, Urteil vom 16.09.1997 - 2 L 198/96 - Die Gemeinde 1998, 166; Einzelrichter-Urt. v. 29.04.2011 - 9 A 164/09 - ).

48

Da weitere Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich sind, musste die Klage daher im tenorierten Umfang abgewiesen werden.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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(1) Für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht auf Grund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, kann auch nach diesem Gesetzbuch kein Beitrag erhoben werden. (2) Soweit am 29. Juni 1961 zur

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht auf Grund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, kann auch nach diesem Gesetzbuch kein Beitrag erhoben werden.

(2) Soweit am 29. Juni 1961 zur Erfüllung von Anliegerbeitragspflichten langfristige Verträge oder sonstige Vereinbarungen, insbesondere über das Ansammeln von Mitteln für den Straßenbau in Straßenbaukassen oder auf Sonderkonten bestanden, können die Länder ihre Abwicklung durch Gesetz regeln.

(3) § 125 Absatz 3 ist auch auf Bebauungspläne anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 in Kraft getreten sind.

(4) § 127 Absatz 2 Nummer 2 ist auch auf Verkehrsanlagen anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 endgültig hergestellt worden sind. Ist vor dem 1. Juli 1987 eine Beitragspflicht nach Landesrecht entstanden, so verbleibt es dabei.

(5) Ist für einen Kinderspielplatz eine Beitragspflicht bereits auf Grund der vor dem 1. Juli 1987 geltenden Vorschriften (§ 127 Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Bundesbaugesetzes) entstanden, so verbleibt es dabei. Die Gemeinde soll von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies auf Grund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere unter Berücksichtigung des Nutzens des Kinderspielplatzes für die Allgemeinheit, geboten ist. Satz 2 ist auch auf vor dem 1. Juli 1987 entstandene Beiträge anzuwenden, wenn

1.
der Beitrag noch nicht entrichtet ist oder
2.
er entrichtet worden, aber der Beitragsbescheid noch nicht unanfechtbar geworden ist.

(6) § 128 Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Umlegungsplan (§ 66 des Bundesbaugesetzes) oder die Vorwegregelung (§ 76 des Bundesbaugesetzes) vor dem 1. Juli 1987 ortsüblich bekannt gemacht worden ist (§ 71 des Bundesbaugesetzes).

(7) Ist vor dem 1. Juli 1987 über die Stundung des Beitrags für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (§ 135 Absatz 4 des Bundesbaugesetzes) entschieden und ist die Entscheidung noch nicht unanfechtbar geworden, ist § 135 Absatz 4 dieses Gesetzbuchs anzuwenden.

(8) § 124 Absatz 2 Satz 2 in der bis zum 21. Juni 2013 geltenden Fassung ist auch auf Kostenvereinbarungen in Erschließungsverträgen anzuwenden, die vor dem 1. Mai 1993 geschlossen worden sind. Auf diese Verträge ist § 129 Absatz 1 Satz 3 weiterhin anzuwenden.

(9) Für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, kann nach diesem Gesetz ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. Leistungen, die Beitragspflichtige für die Herstellung von Erschließungsanlagen oder Teilen von Erschließungsanlagen erbracht haben, sind auf den Erschließungsbeitrag anzurechnen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, bei Bedarf Überleitungsregelungen durch Rechtsverordnung zu treffen.

Tenor

Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 11 K 128/03 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Vorausleistungsbescheide des Beklagten vom 19. April 2002 und der aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. August 2003 ergangene Widerspruchsbescheid werden aufgehoben, soweit darin ein 3.801,05 EUR übersteigender Betrag festgesetzt und angefordert worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens fallen den Klägern als Gesamtschuldnern zu 88,6 % und dem Beklagten zu 11,4 % zur Last.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in der Berufungsinstanz allein noch darüber, ob der Beklagte die Kläger bei der Heranziehung zu einer Vorauszahlung auf die künftige Beitragsschuld infolge des Ausbaus des B-Weges in B-Stadt in Höhe von 4.291,46 Euro um 508,00 Euro zu hoch veranlagt hat.

Ab dem Jahre 2000 baute der Beklagte den rund 850 m langen, als Haupterschließungsstraße eingestuften B-Weg aus. Dabei wurden insbesondere der in der Straße verlegte Mischwasserkanal sowie die Hausanschlüsse ersetzt, eine neue Fahrbahndecke aufgebracht und die Gehwege unter Ergänzung bisher fehlender Teilstücke teils erstmals angelegt, teils erneuert. Die Maßnahme ist inzwischen abgeschlossen und soll in Kürze endgültig abgerechnet werden.

Mit Bescheiden vom 19.4.2002 zog der Beklagte die Kläger als Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks B-Weg 7a zu einer Vorauszahlung auf den Ausbaubeitrag in Höhe von 4.291,46 Euro heran. Dabei wurden die zu erwartenden beitragsfähigen Kosten für den Ausbau der Fahrbahn einschließlich Entwässerung auf 737.389,58 Euro und diejenigen für den Ausbau der Nebenanlagen (Gehwege, Parkstreifen und Begrünung) auf 222.978,44 Euro, zusammen also auf 960.368,02 Euro, und die nach Abzug des Gemeindeanteils (70 v. H. für Fahrbahn einschließlich Entwässerung und 50 v. H. für Nebenanlagen) umlagefähigen Kosten auf 332.706,09 Euro veranschlagt.

Der dagegen gerichtete Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 20.8.2003).

Auf die sodann erhobene Klage mit dem Antrag,

die Vorausleistungsbescheide des Beklagten vom 19.4.2002 und den aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20.8.2003 ergangenen Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses beim Landkreis A-Stadt aufzuheben,

hat das Verwaltungsgericht durch das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 8.10.2004 ergangene Urteil die genannten Bescheide aufgehoben, soweit darin ein 3.783,46 Euro übersteigender Betrag festgesetzt und angefordert worden ist, und die weitergehende Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es:

Die angegriffene Heranziehung entspreche in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen. Außer Frage stehe im Weiteren, dass das Verlangen einer Vorauszahlung dem Grunde nach rechtmäßig sei. Die einschlägige Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG für straßenbauliche Maßnahmen der Stadt B-Stadt vom 19.12.1987 in der Fassung des zweiten Nachtrags vom 25.8.1999 stelle gültiges Ortsrecht dar, und die im B-Weg durchgeführten Maßnahmen seien unter dem Gesichtspunkt der Erneuerung zweifelsohne nach § 8 KAG ausbaubeitragsfähig. Jedoch erweise sich die vom Beklagten vorgenommene Veranschlagung der beitragsfähigen Kosten in zwei Punkten als überhöht. Nichts spreche allerdings dafür, dass der Beklagte große Kostenanteile der Kanalbaumaßnahme als Straßenausbaukosten auf die Anlieger abgewälzt habe. Vielmehr habe der Beklagte beide Kostenblöcke getrennt veranschlagt und insbesondere die Erdarbeiten für die Verlegung des neuen Kanals aus den Straßenausbaukosten herausgerechnet. Nicht beanstandet werden könne die Einbeziehung der Kosten für die Errichtung von Stützmauern und für die Entsorgung des Teers der alten Fahrbahn in den ausbaubeitragsfähigen Aufwand. Rechtswidrig sei demgegenüber, dass der Beklagte die Kosten von Angleichungsmaßnahmen auf privaten Grundstücken in Höhe von 2.728,43 Euro ebenfalls als beitragsfähig eingestuft habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 13.5.1977 - IV C 82.74 - (Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 18 = BRS 37 Nr. 54) entschieden, dass Kosten, die nicht zu den eigentlichen Ausbaukosten gehörten, sondern durch Veränderungen baulicher Anlagen außerhalb der Straßenfläche entstanden seien, keine beitragsfähigen Kosten der erstmaligen Herstellung im Sinne des § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG darstellten. Schon der Wortlaut der genannten Bestimmung spreche - so das Bundesverwaltungsgericht - dafür, dass zu den Kosten der erstmaligen Herstellung nur die eigentlichen Baukosten - unter Einschluss der Kosten für Stützmauern und ähnliche der Straße zurechenbare Anlagen - gehörten, nicht aber auch so genannte Folgekosten, die durch bauliche Maßnahmen auf Grundstücken außerhalb der Grundfläche der Erschließungsanlage entstanden seien. Dies entspreche zudem Sinn und Zweck der Regelung, da das, was an Baumaßnahmen auf privaten Grundstücken geschehe, sich jeder Kontrolle durch die Anlieger entziehe, während die Anlieger das, was an der Straße selbst an Baumaßnahmen vorgenommen werde, im Wesentlichen verfolgen könnten. Dementsprechend gehörten Kosten für das Tieferlegen oder Versetzen von baulichen Anlagen auf Anliegergrundstücken nicht zu den erschließungsbeitragsfähigen Kosten. Es gebe keinen Grund, diese Grundsätze nicht auf das Ausbaubeitragsrecht zu übertragen. Daher sei der entsprechende Kostenansatz des Beklagten aus dem beitragsfähigen Ausbauaufwand herauszurechnen. Nicht gebilligt werden könne im Weiteren die Behandlung der so genannten Sowieso - Kosten durch den Beklagten. Darunter sei der Aufwand zu verstehen, der zusätzlich angefallen wäre, wenn das Aufbringen der neuen Fahrbahndecke und die Verlegung der neuen Kanalisation als jeweils zeitlich und technisch getrennte Maßnahmen durchgeführt worden wären, und der durch die tatsächlich zeitgleich erfolgte Durchführung beider Maßnahmen entfallen sei. Diese Ersparnis müsse beiden Maßnahmen angemessen zugute kommen. Hierzu müsse zunächst die Kostenersparnis auf der Grundlage gesicherter Erfahrungswerte möglichst exakt abgeschätzt werden. Hieran anschließend sei die Ersparnis beiden Maßnahmen je hälftig gutzuschreiben. So sei der Beklagte aber nicht vorgegangen. Zwar erschließe sich dessen Rechenwerk auch unter Berücksichtigung der im Prozess nachgereichten Alternativberechnung nicht ohne weiteres. Offenbar veranschlage der Beklagte die Höhe der Ersparnis auf insgesamt 246.613,96 Euro, wovon 236.336,86 Euro auf den Fahrbahnbereich und 10.277,10 Euro auf den Gehwegbereich entfielen. Davon sei jeweils die Hälfte von dem bei der Errechnung der Vorauszahlung als beitragsfähig angesehenen Fahrbahn- beziehungsweise Gehwegausbauaufwand abzuziehen. Damit reduziere sich bei richtiger Vorgehensweise der umlagefähige Aufwand unter diesem Gesichtspunkt um 38.019,81 Euro auf 294.686,28 Euro. Werde weiterhin der Ansatz der Kosten für die Angleichungsmaßnahmen herausgerechnet, belaufe sich bei insgesamt rechtmäßiger Vorgehensweise der umlagefähige Aufwand auf 293.322,06 Euro und die Vorauszahlungspflicht der Kläger auf 3.783,46 Euro.

Gegen dieses ihm am 2.11.2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 15.11.2004 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 28.2.2005, zugestellt am 4.3.2005, entsprochen hat.

In der am 31.3.2005 eingegangenen Berufungsbegründung macht der Beklagte geltend, dem Verwaltungsgericht könne bei der rechtlichen Beurteilung der Beitragsfähigkeit der Kosten von Angleichungsmaßnahmen nicht gefolgt werden und in Bezug auf die Berücksichtigung der so genannten Sowieso - Kosten beruhe das angefochtene Urteil auf einem fehlerhaften Verständnis des behördlichen Vorgehens.

Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Kosten von Angleichungsmaßnahmen außerhalb der eigentlichen Straßenfläche ausbaubeitragsfähig seien, bedürfe der obergerichtlichen Klärung. Er - der Beklagte - meine, dass das zum Erschließungsbeitragsrecht ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.5.1977, auf dem die erstinstanzliche Entscheidung beruhe, nicht auf das Ausbaubeitragsrecht übertragen werden könne. Vielmehr sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster und den Ausführungen von Driehaus von der Beitragsfähigkeit entsprechender Kosten auszugehen, sofern die Kosten verursachenden Maßnahmen ausbaubedingt seien. In diese Richtung deute auch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 10.5.2004 - 1 R 20/02 -.

Was die Sowieso - Kosten anlange, habe er - der Beklagte - die Beitragspflichtigen im Ergebnis nicht ungünstiger, sondern günstiger gestellt, als es das Verwaltungsgericht für geboten erachte. Wie er erstinstanzlich immer wieder betont und in der Alternativberechnung ausdrücklich erwähnt habe, seien bereits in der ursprünglichen Zusammenstellung des als beitragsfähig erachteten Ausbauaufwands die Kosten der Erdarbeiten im Bereich der Kanaltrasse vollständig der Kanalbaumaßnahme zugeordnet und insgesamt als nicht ausbaubeitragsfähig angesehen worden. Damit sei die von dem Verwaltungsgericht angesprochene Kostenersparnis infolge der zeitgleichen Durchführung beider Maßnahmen im Ergebnis in voller Höhe der Straßenbaumaßnahme gutgeschrieben worden. Die auf Wunsch des Verwaltungsgerichts aufgestellte Alternativberechnung bestätige das eindeutig. Das Verwaltungsgericht habe das letztgenannte Rechenwerk völlig missverstanden und im Ergebnis die bereits von vornherein um die gesamte Kostenersparnis gekürzte Kostenzusammenstellung nochmals um 50 v. H. der Kostenersparnis, also insgesamt um 150 v. H., gekürzt. Dass dies völlig verfehlt sei, liege auf der Hand.

Der Beklagte beantragt,

unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger, die nicht nach Maßgabe des § 67 Abs. 1 VwGO vertreten sind, haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und sind der mündlichen Verhandlung ferngeblieben.

Auf Aufforderung des Senats hat der Beklagte seine Vorgehensweise weiter erläutert; insoweit wird insbesondere auf den Aktenvermerk vom 27.4.2005, die am 26.9.2005 zusätzlich eingereichten Unterlagen und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 27.9.2005 verwiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den in der mündlichen Verhandlung erörterten Inhalt der Gerichtsakten 1 R 1 - 11/05, der weiteren Gerichtsakte 11 F 24/02 - 1 W 36/02 und der einschlägigen Behördenunterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Einer Entscheidung über die Berufung steht nicht entgegen, dass die Kläger der mündlichen Verhandlung ferngeblieben sind. Sie waren nämlich in der Terminsladung darauf hingewiesen worden, dass im Falle ihres Fernbleibens ohne sie verhandelt und entschieden werden kann.

Die Berufung ist zulässig (§§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 6 VwGO), aber nur zu einem geringen Teil begründet. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass die Heranziehung der Kläger zu einer Vorauszahlung auf ihre künftige Beitragsschuld infolge des Ausbaus des B-Weges in B-Stadt mit 4.291,46 Euro überhöht ist. Die Zuvielforderung beläuft sich allerdings nicht, wie in dem angegriffenen Urteil angenommen wird, auf 508,00 Euro, sondern ist auf 490,41 Euro zu reduzieren, so dass für die Kläger eine Vorauszahlungspflicht von 3.801,05 Euro verbleibt. Dementsprechend unterliegt das erstinstanzliche Urteil der Abänderung, während die weitergehende Berufung zurückgewiesen werden muss.

In dem angegriffenen Urteil wird überzeugend dargelegt, dass die Klage zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben ist (§ 74 Abs. 1 VwGO), dass die Bescheide vom 19.4.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2003 in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen (§§ 12 Abs. 1 Nr. 4 lit.b KAG, 157 Abs. 1 AO) genügen, dass das Verlangen einer Vorauszahlung dem Grunde nach rechtmäßig ist (§ 8 Abs. 9 Satz 1 KAG) und dass die Angriffe gegen die Ermittlung des beitrags- und umlagefähigen Ausbauaufwands (§ 8 Abs. 2, 4 und 6 KAG) - von zwei in der Folge gesondert abzuhandelnden Positionen, nämlich den Kosten infolge von Angleichungsmaßnahmen auf Anliegergrundstücken und den so genannten Sowieso-Kosten, abgesehen - nicht durchgreifen. Einwände hiergegen sind im zweitinstanzlichen Verfahren weder vorgetragen worden noch ist ein Rechtsfehler insoweit ersichtlich. Daher erübrigen sich diesbezüglich weitere Ausführungen.

In Bezug auf die damit verbliebenen Streitpunkte ist der erkennende Senat der Auffassung, dass das Verwaltungsgericht die Kosten infolge von Angleichungsmaßnahmen auf Anliegergrundstücken zu Unrecht als nicht ausbaubeitragsfähig angesehen hat. Dagegen verdient das Urteil vom 8.10.2004 Zustimmung, soweit darin die Berücksichtigung der durch die gleichzeitige Durchführung des Ausbaus des B-Weges und der Erneuerung der in dieser Straße verlegten Kanalisation bei der behördlichen Ermittlung der künftigen Ausbaubeitragschuld als rechtswidrig beanstandet wird. Im Ergebnis reduziert sich damit die Vorauszahlungspflicht der Kläger um 490,41 Euro auf 3.801,05 Euro.

1. Die Kosten, die dadurch entstanden sind, dass mehrere Anliegergrundstücke, insbesondere dort befindliche Garagen- und sonstige Einfahrten, durch Maßnahmen außerhalb der Straßenfläche höhenmäßig an das durch den Ausbau geänderte Niveau des B-Weges angepasst werden mussten, sind beitragsfähig. Der demgegenüber vom Verwaltungsgericht unter Berufung auf das zum Erschließungsbeitragsrecht ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.5.1977

- IV C 82.74 -, Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 18 (S. 4) = BRS 37 Nr. 54 (S. 114); zustimmend Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage, § 13 Rdnr. 58;

vertretenen Ansicht, dass Kosten, die durch die Veränderung baulicher Anlagen außerhalb der Straßenfläche entstanden sind, nicht beitragsfähig seien, kann für das saarländische Ausbaubeitragsrecht nicht gefolgt werden.

Ausbaubeiträge dienen nach § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG „zum Ersatz des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung der öffentlichen Einrichtungen“. Diese Umschreibung des ausbaubeitragsfähigen Aufwandes spricht bei der Anwendung auf eine Straßenausbaumaßnahme nicht für, sondern gegen die Annahme, ungeschriebene Voraussetzung der Beitragsfähigkeit sei, dass die Kosten verursachende Maßnahme im Straßenraum durchgeführt wurde. § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG spricht nämlich nicht von dem Aufwand „der“ Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung, sondern von dem Aufwand „für die“ Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung. Damit stellt das Gesetz für die Beitragsfähigkeit von Kosten gerade nicht darauf ab, in welchem Bereich - konkret: im öffentlichen Verkehrsraum oder auf Anliegergrundstücken - die Kosten verursachende Maßnahme durchgeführt wurde. Entscheidend ist vielmehr allein, ob der Aufwand durch Arbeitsvorgänge entstanden ist, „die für die programmgemäße Durchführung der Maßnahme erforderlich waren“

so Driehaus, a.a.O., § 33 Rdnr. 11,

oder - anders formuliert - die in einem „unmittelbaren straßenbautechnischen Zusammenhang ... mit der Maßnahme stehen, die zur Entstehung der Beitragspflicht führt“

so OVG Münster, Urteil vom 22.11.1990 - 2 A 2222/86 -, GemHH 1992, 16; in der Sache übereinstimmend OVG Münster, Entscheidungen vom 26.3.1991 - 2 A 2125/88 -, NWVBl. 1991, 346 (348), vom 2.9.1998 - 15 A 7653/95 -, OVGE 47, 79 (88), sowie vom 22.3.1999 - 15 A 1047/99 -, OVGE 47, 151 (153), und Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, Das Straßenausbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 5. Auflage, Rdnr. 257.

Das stimmt übrigens mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht überein. Nach dessen Urteil vom 23.2.1990

- 8 C 75.88 -, BVerwGE 85, 1 (3 f.) = KStZ 1990, 227 (228); zustimmend Driehaus, a.a.O., § 13 Rdnr. 58,

gehören zu den „Kosten für ... ihre erstmalige Herstellung“ (§ 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) bereits nach dem Wortlaut der Norm „nicht nur die Kosten, die für Maßnahmen im Bereich der Fläche der betreffenden Anlage selbst angefallen sind, sondern darüber hinaus auch sonstige von der erstmaligen Herstellung der betroffenen Anlage erforderte und in diesem Sinne notwendige Kosten der erstmaligen Herstellung“. Entsprechendes hat für § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG zu gelten.

Dieses Normverständnis entspricht zugleich Sinn und Zweck der Regelung und deren Systematik. Dem Ausbaubeitragsrecht liegt allgemein der Gedanke zugrunde, dass die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung öffentlicher Einrichtungen von den Grundstückseigentümern beziehungsweise Erbbauberechtigten, denen die öffentliche Einrichtung wirtschaftliche Vorteile bietet, mitfinanziert werden soll, indem die Genannten der Gemeinde über Beiträge, die nach den Vorteilen zu bemessen sind, den durch die Ausbaumaßnahme entstandenen Aufwand ersetzen. Dabei legt das Gesetz abschließend fest, welche Kosten die Gemeinde nicht abwälzen darf. Am wichtigsten ist dabei § 8 Abs. 6 Satz 2 KAG, wonach die Gemeinde einen dem durch die öffentliche Einrichtung vermittelten besonderen Vorteil der Allgemeinheit entsprechenden Anteil des Ausbauaufwands endgültig selbst zu tragen hat. Dagegen ist dem Gesetz eine Unterscheidung der Beitragsfähigkeit von Kosten danach fremd, ob die Kosten verursachende Maßnahme innerhalb oder außerhalb der öffentlichen Einrichtung - hier: der öffentlichen Verkehrsfläche - erfolgt ist. Vielmehr genügt die kausale Verknüpfung zwischen Ausbaumaßnahme und Aufwand.

Allein das ist auch interessengerecht. Der Senat sieht nämlich keinen überzeugenden Grund, warum die Allgemeinheit die Kosten ausbaubedingt notwendig gewordener Angleichungsmaßnahmen auf Anliegergrundstücken - über den Gemeindeanteil des § 8 Abs. 6 Satz 2 KAG hinaus - in voller Höhe tragen soll, obwohl der Ausbau den Straßenanliegern wirtschaftliche Vorteile bietet. Ebenso wie es geboten ist, dass die Gemeinde im Verhältnis zu dem einzelnen Anlieger die Kosten der auf dessen Grundstück notwendig werdenden Angleichungsmaßnahmen übernimmt, entspricht es der § 8 KAG zugrunde liegenden Interessenbewertung, dass die Gemeinde den durch solche Angleichungsmaßnahmen insgesamt anfallenden Aufwand - nach Abzug des Gemeindeanteils - auf die Gesamtheit der Anlieger abwälzt.

Der Einwand, gegen diese Auslegung des § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG spreche, dass der Beitragspflichtige nur das kontrollieren könne, was an der Straße selbst an Ausbaumaßnahmen vorgenommen wird

so BVerwG, Urteil vom 13.5.1977, a.a.O., S. 11 f. beziehungsweise S. 120, zum Erschließungsbeitragsrecht,

überzeugt nicht. Dieses Argument hat bereits gegen sich, dass es nicht konsequent durchgeführt wird. So ist allgemein anerkannt

u.a. BVerwG, Urteil vom 7.7.1989 - 8 C 86.87 -, BVerwGE 82, 215 (219) = Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 41 (S. 10)

dass die Kosten infolge der Errichtung einer Stützmauer, die zur Herstellung und/oder Aufrechterhaltung der für die Benutzbarkeit einer Straße gebotenen Sicherheit entweder eine höher gelegene Straße gegen angrenzende Grundstücke oder anliegende Grundstücke gegen eine tiefer liegende Straße abstützt, unabhängig davon beitragsfähig sind, ob die Mauer auf der Straße oder auf einem Anliegergrundstück steht. Insoweit wird der Kontrollmöglichkeit des Beitragspflichtigen also keine Bedeutung beigelegt. Das spricht aber klar dagegen, die Kosten von im Vergleich zur Herstellung einer Stützmauer unbedeutenden höhenmäßigen Angleichungsmaßnahmen wie hier der Niveauanpassung von Garagen- und sonstigen Grundstückszufahrten durch Neuverlegung einzelner Reihen von Steinen beziehungsweise Platten von vornherein als nicht beitragsfähig zu erachten.

Von dem aufgezeigten Normverständnis ausgehend sind die im Streit befindlichen Kosten von Angleichungsmaßnahmen auf einzelnen Anliegergrundstücken am ausbaubeitragsfähig. Die entsprechenden Arbeiten waren dadurch veranlasst, dass sich infolge des Ausbaus des B-Weges das Straßenniveau an der Hinterkante des bergseitigen Gehwegs änderte. Dadurch hätte sich eine Geländestufe in den dort befindlichen Garagen- und sonstigen Grundstückseinfahrten ergeben. Hier musste von der Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast und des Ausbauvorhabens Abhilfe geschaffen werden, und dazu wurden die Einfahrten an die neue Höhe des Gehweges angepasst. Das belegen die vom Beklagten vorgelegten Lichtbilder

Anlage 2 zum Schriftsatz vom 23.9.2005.

Der durch die entsprechenden Arbeiten verursachte Aufwand ist daher unter dem Aspekt der ausbaubedingten Folgekosten beitragsfähig.

Der Höhe nach ist dieser Aufwand durch den Auszug aus der Rechnung der Firma T-GmbH vom 15.1.2002, durch die zugehörigen Aufmaßblätter und durch die vom Beklagten eingereichte „Zusammenstellung der Angleichungen“

Anlage 1 zum Schriftsatz vom 23.9.2005

hinreichend belegt. Folglich ist unter diesem Gesichtspunkt eine Kürzung der vom Beklagten veranschlagten voraussichtlichen künftigen Ausbaubeitragsschuld der Kläger nicht gerechtfertigt.

2. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht beanstandet, wie der Beklagte bei der Ermittlung der Höhe der künftigen Ausbaubeitragsschuld der Kläger die Kostenersparnis berücksichtigt hat, die darauf beruht, dass zeitgleich mit dem Straßenausbau die Kanalisation im B-Weg erneuert wurde, also nicht nach Durchführung der Kanalbaumaßnahme die Straße zunächst wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt wurde und erst später der Straßenausbau erfolgte. Insbesondere pflichtet der Senat der in dem angefochtenen Urteil näher begründeten Auffassung bei, dass die erwähnte Ersparnis angemessen - und das heißt in aller Regel: hälftig - den Ausbaubeitragspflichtigen zugute zu bringen ist

so insbesondere OVG Münster, Entscheidungen vom 5.9.1986 - 2 A 963/84 -, GemHH 1987, 115, vom 27.9.1988 - 2 A 1012/86 -, vom 14.6.1989 - 2 A 1152/87 -, vom 28.6.1991 - 2 A 1273/89 -, vom 11.7.1996 - 15 A 4756/96 - sowie vom 27.3.2002 - 15 B 745/02 -; ebenso Driehaus, a.a.O., § 33 Rdnrn. 24 f., und Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, a.a.O., Rdnrn. 280 bis 282.

So ist der Beklagte, wie er von Anfang an eingeräumt hat, indes nicht vorgegangen. Er macht allerdings, wie er erstmals in der Berufungsinstanz mit dem Aktenvermerk vom 27.4.2005 nachvollziehbar aufgezeigt hat, geltend, die erwähnte Ersparnis wesentlich weitergehend an die Ausbaubeitragspflichtigen weitergegeben zu haben. Er habe nämlich im Kern „die Schnittmenge des Kanal- und Straßenbaus“

vgl. die idealisierte Zeichnung, S. 2 des genannten Aktenvermerks,

„zu 100 % der Kanalbaumaßnahme angerechnet“. Es ist offensichtlich, dass bei einer solchen Vorgehensweise die künftigen Beitragsschulden niedriger ausfallen als bei der an sich gebotenen nur hälftigen Gutschrift der Ersparnis zugunsten der Ausbaubeitragspflichtigen. Bei einer konsequenten Umsetzung des vom Beklagten ins Feld geführten Rechenmodells könnte daher die Anfechtungsklage der Kläger keinen (Teil-)Erfolg haben, denn Voraussetzung hierfür wäre neben der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, dass die Kläger in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Letzteres setzt aber im gegebenen Zusammenhang grundsätzlich eine zu hohe Inanspruchnahme voraus.

Dennoch hat das Verwaltungsgericht zu Recht der Klage teilweise entsprochen. Das folgt aber nicht daraus, dass die Ermittlung des beitragsfähigen und - daraus abgeleitet - des umlagefähigen Ausbauaufwands in diesem Punkt auf einer Schätzung beruht. Darin liegt insbesondere kein Verstoß gegen § 3 Abs. 3 der einschlägigen Ortssatzung, wonach „der beitragsfähige Aufwand... nach den tatsächlichen Kosten ermittelt (wird)“. Diese Bestimmung bezieht sich ausschließlich auf die endgültige Veranlagung und beinhaltet mit Blick auf § 8 Abs. 4 Satz 1 KAG, wonach „der Aufwand... nach den tatsächlichen Kosten oder nach Einheitssätzen ermittelt werden (kann)“, lediglich eine Absage gegen eine Abrechnung mittels Einheitssätzen. Vorauszahlungsbescheiden ist im Gegensatz zu den endgültigen Beitragsbescheiden eigen, dass sie auf Schätzungen beruhen. Eingefordert werden dürfen Vorauszahlungen nämlich bereits, „sobald mit der Durchführung einer beitragspflichtigen Maßnahme begonnen worden ist“, und sie zielen „auf die künftige Beitragsschuld“ (§ 8 Abs. 9 Satz 1 KAG). Zu Beginn einer Ausbaumaßnahme können aber der künftige beitragsfähige Ausbauaufwand und damit die genaue Höhe der endgültigen Beitragsschuld zwangsläufig noch nicht genau feststehen. Daher ist die Gemeinde gezwungen, der Anforderung von Vorauszahlungen eine Prognose des Umfangs des beitragsfähigen Aufwandes zugrunde zu legen, und die Vorauszahlung wird der Höhe nach ausschließlich durch die voraussichtliche endgültige Beitragspflicht begrenzt

so zutreffend Driehaus in Driehaus, Kommunalabgabenrecht - Stand: Januar 2005 -, § 8 Rdnrn. 135 und 137, und Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, a.a.O., Rdnr. 234; ebenso zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urteile vom 22.8.1975 - IV C 7.73 -, KStZ 1975, 229 (231) = BRS 37 Nr. 26 (S. 59/60), vom 22.2.1985 - 8 C 114.83 -, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 90 (S. 50) = BRS 43 Nr. 126 (S. 309), sowie vom 29.1.1993 - 8 C 3.92 -, Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 47 (S. 31 f.) = KStZ 1993, 118 (119), und VGH Mannheim, Urteil vom 23.9.1993 - 2 S 462/92 -, juris.

Die Zubilligung einer Schätzungsbefugnis ist aber notwendigerweise mit einem gewissen Freiraum verbunden, der sowohl den Weg der Schätzung als auch deren Ergebnis betrifft. Es gibt bei Schätzungen nicht nur eine einzige rechtmäßige Lösung. Vielmehr werden voneinander abweichende Vorgehensweisen und Ergebnisse von der Rechtsordnung hingenommen

so BVerwG, Urteil vom 16.8.1985 - 8 C 120-122.83 -, Buchholz 406.11 § 125 BBauG Nr. 19 (S. 21 f.) = BRS 43 Nr. 51 (S. 114 f.), sowie vom 15.11.1985 - 8 C 41.84 -, Buchholz 406.11 § 130 BBauG Nr. 35 (S. 49 f.) = BRS 43 Nr. 96 (S. 246).

Das ist gerade bei Vorauszahlungsbescheiden unbedenklich, denn eine „centgenaue“ Abrechnung hat im Rahmen der endgültigen Veranlagung nachzufolgen.

Dennoch unterliegen auch auf Schätzungen beruhende Abgabenbescheide der gerichtlichen Kontrolle. Diese Überprüfung bezieht sich auf die Sachgerechtigkeit der Methode, die der Schätzung zugrunde liegt, und auf die Folgerichtigkeit sowie Nachvollziehbarkeit des daran anschließenden Rechenwerkes

dazu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage, § 21 Rdnrn. 33 und 34.

Dabei obliegt es der Gemeinde, in beiderlei Hinsicht ihre Vorgehensweise offen zu legen, um den Herangezogenen und dem Gericht eine Überprüfung insbesondere hinsichtlich der Höhe des Vorauszahlungsbetrages zu ermöglichen

so schon BVerwG, Urteil vom 22.8.1975, a.a.O., S. 231 beziehungsweise S. 60.

Fehlt es hieran, ist es nicht Aufgabe des mit der Sache befassten Gerichts, die gemeindliche Schätzung durch eine eigene zu ersetzen, denn das materielle Recht weist die Schätzungsbefugnis ausschließlich der Gemeinde zu. § 287 Abs. 2 ZPO, der dem Gericht eine eigenständige Schätzungskompetenz zuordnet, ist im gegebenen Zusammenhang nicht entsprechend anwendbar

so BVerwG, Urteile vom 16.8. sowie 15.11.1985, jeweils a.a.O..

Spätestens dann, wenn eine vom Gericht an die Gemeinde gerichtete Aufforderung, eine vorliegende Schätzung nachzubessern oder ergänzend zu erläutern, ohne Erfolg geblieben ist, ist der angefochtene Abgabenbescheid, soweit er auf der Schätzung beruht, aufzuheben. So liegt es hier.

In den angefochtenen Heranziehungsbescheiden findet sich nichts über die Art und Weise, wie der Beklagte die Höhe der künftigen Beitragsschuld ermittelt hat. Auf die diesbezügliche Rüge unter anderem der Kläger hin hat der Beklagte im Widerspruchsverfahren Stellungnahme vom 6.1.2003, S. 2, ausgeführt, „mit den Kosten für den Kanalbau in der Breite des Kanalgrabens, für die Hausanschlüsse und die Schachtbauwerke (sei) das Abwasserwerk der Stadt B-Stadt belastet (worden).“ Diese Behauptung wurde indes nicht belegt. Daran änderte sich im Klageverfahren nichts, außer dass zwei Ordner mit 652 durchnummerierten und zahlreichen weiteren Seiten vorgelegt wurden. Anhand dieses Wusts von Papier die behördliche Schätzung der Straßenausbau- und der Kanalbaukosten, der Höhe der Kostenersparnis infolge der Verbindung beider Maßnahmen und die Zuordnung beziehungsweise Verteilung dieses Kostenblockes nachzuvollziehen, ist unmöglich. Dasselbe gilt für die auf Veranlassung des Verwaltungsgerichts nachgereichte „fiktive Kostentrennung Kanalbau/Straßenbau“ vom 26.9.2004. Die Formulierung in dem erstinstanzlichen Urteil, wonach „sich die nachgereichte Kostentrennung nicht ohne weiteres erschließt“, bringt dies nur unzureichend zum Ausdruck. Dass sich der Beklagte durch die Interpretation der „fiktiven Kostentrennung“ durch das Verwaltungsgericht völlig missverstanden fühlt, bestätigt dies. In der Berufungsbegründung beanstandet der Beklagte zwar ausführlich die Argumentation des Verwaltungsgerichts, ohne allerdings näher aufzuzeigen, dass die behördliche Veranschlagung der voraussichtlichen künftigen Beitragsschuld der Kläger sachgerecht ist. Deshalb wurde er vom Berichterstatter mit Verfügung vom 5.4.2005 aufgefordert, „seine einschlägige Kostenzusammenstellung, Kostentrennung und Alternativberechnung – sei es anhand von Rechnungen, sei es durch Schätzungen – zu belegen und in diesem Zusammenhang zu erläutern, wieso die fiktive Berechnung vom 26.9.2004 mittels eines Flächenmaßstabs, bezogen auf alle Kosten, zu sachgerechten Ergebnissen führen soll“. Daraufhin wurde der bereits mehrfach erwähnte Aktenvermerk vom 27.4.2005 vorgelegt und mitgeteilt, dass zum Zeitpunkt der Veranschlagung etwa zwei Drittel der Ausbau- und Kanalmaßnahme abgeschlossen gewesen seien; auf der Grundlage der bis dahin hierfür in Rechnung gestellten Kosten der Bauunternehmungen habe man die voraussichtlichen endgültigen Kosten hochgerechnet. Anhand bereits abgeschlossener und abgerechneter Teilbaumaßnahmen auf den voraussichtlichen beitragsfähigen Gesamtaufwand des Vorhabens zu schließen, ist sachgerecht. Im Weiteren hat der Beklagte ausgeführt, die „Schnittmenge von Kanalbau und Straßenbau“ sei vollständig der Kanalbaumaßnahme zugeordnet worden. Hierzu wurde auf Bl. 75–80 – gemeint waren, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, Bl. 75-79, 82 des Behördenordners I – verwiesen. Dort finden sich unter Hinweis auf dort nicht abgeheftete Rechnungen Kostenaufstellungen, Hochrechnungen und Flächenzusammenstellungen. Davon, dass sich so eine die Pflichtigen nur unzureichend entlastende Verteilung der Kostenersparnis infolge der gleichzeitigen Durchführung von Straßenausbau und Kanalerneuerung ausschließen ließe und eine Angemessenheit der Höhe der verlangten Vorauszahlung ergäbe, kann indes keine Rede sein. Das hat der Berichterstatter dem Beklagten am 13.9.2005 telefonisch mitgeteilt. Darauf wurde erwidert, die erwähnten Schwierigkeiten seien verständlich; die Leistungsverzeichnisse seien als Ausgangspunkt der Schätzung ungeeignet, da dort nicht genau zwischen Straßen- und Kanalmaßnahmen differenziert sei; die Berechnungen, die sich in den Behördenakten befinden, müssten im Zusammenhang mit mehreren 100 Seiten Aufmaßblättern gesehen werden, die zu erläutern mehrere Tage in Anspruch nähme. Mit Schriftsatz vom 23.9.2005 behauptete der Beklagte dann unter Vorlage weiterer Unterlagen, damit den als umlagefähig angesehenen Ausbauaufwand centgenau zu belegen. Das trifft indes nicht zu.

Unter Berücksichtigung der zusätzlichen Erläuterungen, die der Beklagte in der mündlichen Verhandlung gegeben hat, versteht der Senat das behördliche Vorgehen inzwischen wie folgt:

Zunächst veranschlagte der Beklagte aufgrund der bis Ende Februar 2002 vorliegenden Bauunternehmerrechnungen die voraussichtlich entstehenden Gesamtkosten des Straßenausbaus und der Kanalerneuerung. Von diesem Gesamtbetrag zog er dann die ausschließlich der Kanalerneuerung zuzuordnenden Kosten, unter anderem also die Kosten der Aushebung und Wiederverfüllung der Kanal- und Hausanschlussgräben unterhalb der jeweiligen Straßenausbautiefe - 70 cm im Bereich der Fahrbahn und 40 cm im Bereich der Gehwege -, ab. Anschließend ermittelte er – getrennt nach Fahrbahn und Gehwegen – die ausgebauten Flächen des B-Weges und errechnete so einen Durchschnittspreis pro qm Fahrbahn- und pro qm Gehwegausbau. In einem weiteren Schritt erfasste er – wiederum getrennt nach Fahrbahn und Gehwegen – die Flächen, die nach den DIN-Normen für den Straßenkanal und die Hausanschlüsse aufzugraben und wieder zu verfüllen waren. Als ausbaubeitragsfähig sah er schließlich das Produkt aus den erwähnten Durchschnittspreisen und den um die Flächen der Kanal- und Hausanschlussgräben geminderten Fahrbahn- und Gehwegflächen an.

Es sprechen gute Gründe dafür, dass eine auf diesem Weg veranschlagte künftige Beitragsschuld nicht zu hoch ausfallen kann. Das bedarf indes keiner Vertiefung. Dass der Beklagte nämlich tatsächlich so wie dargestellt vorgegangen wäre, vermag der Senat auch unter Berücksichtigung der mit Schriftsatz vom 23.9.2005 nachgereichten Unterlagen und der weiteren Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung nicht festzustellen. Die angegebenen Zahlen sind mit Blick sowohl auf die Kostenbeträge als auch auf die in Ansatz gebrachten Flächen nicht belegt. Es fehlt vor allem die gebotene Verknüpfung der Kostenbeträge mit den Bauunternehmerrechnungen beziehungsweise den auf diesen aufbauenden Hochrechnungen und der Flächensummen mit Aufmaßblättern. Das gesamte Rechenwerk ist in sich nicht nachvollziehbar. Insbesondere sieht sich der Senat außer Stande, die Feststellung zu treffen, dass der Beklagte die Kostenersparnis infolge der gleichzeitigen Durchführung von Straßenausbau und Kanalerneuerung zumindest in dem Umfang, in dem dies geboten wäre, oder sogar weitergehend, nämlich entsprechend dem im Aktenvermerk vom 27.4.2005 dargestellten Rechenmodell, den Beitragspflichtigen gut gebracht hätte. Das bestätigt im Grunde die Schlussbemerkung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass „unter der Voraussetzung, dass die Flächenermittlungen Kanal bzw. Straße richtig seien, … das Zahlenwerk insgesamt richtig (sei)“. Bereits die vom Beklagten selbst gemachte Prämisse ist nicht belegt, und dasselbe gilt für praktisch alle anderen Punkte des Rechenwerks.

Ob der Senat dem Beklagten glaubt, dieser sei im Zweifelsfall immer bürgerfreundlich – im Sinne der Herabsetzung der Vorauszahlungspflicht – vorgegangen – darauf läuft im Kern ein Großteil der behördlichen Argumentation hinaus -, ist unerheblich, denn das allein kann keine Grundlage für das zu erlassende Urteil bilden, denn es ist ein Rechenwerk zu kontrollieren.

Ist damit aber die Schätzung der künftigen Beitragspflicht der Kläger mit Blick auf die angemessene Berücksichtigung der Kostenersparnis infolge der gleichzeitigen Durchführung von Straßenausbau und Kanalerneuerung nicht hinreichend nachvollziehbar, folgt hieraus, dass die angegriffenen Vorauszahlungsbescheide in diesem Punkt rechtswidrig sind. Dabei obliegt es – wie bereits ausgeführt – nicht dem Senat, seinerseits die künftige Beitragspflicht der Kläger zu schätzen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die insoweit vom Verwaltungsgericht vorgenommene Veranschlagung der zu Gunsten der Gesamtheit der Beitragspflichtigen zu berücksichtigenden Gutschrift angemessen ist, was gerade der Beklagte, und zwar durchaus nachvollziehbar, in Abrede stellt. Vielmehr ist die in dem erstinstanzlichen Urteil unter dem Gesichtspunkt der Sowieso-Kosten vorgenommene Kürzung des umlagefähigen Aufwandes um 38.019,81 Euro im Ergebnis schon deswegen zu bestätigen, weil – einerseits – der höhere Ansatz des Beklagten – wie aufgezeigt – rechtswidrig ist und weil sich – andererseits – eine weitergehende Kürzung zu Gunsten der Kläger verbietet, nachdem diese ihrerseits kein Rechtsmittel eingelegt haben.

3. Unter Berücksichtigung des in Rechtskraft erwachsenen Teils des erstinstanzlichen Urteils und der nach Abschnitt 1 gebotenen Anerkennung der Kosten der Angleichungsmaßnahmen als ausbaubeitragsfähig belaufen sich die umlagefähigen Ausbaukosten auf (332.706,09 Euro - 38.019,81 Euro =) 294.686,28 Euro. Diese sind auf 56.788,91 qm beitragspflichtige Fläche zu verteilen. Das ergibt einen Beitragssatz von 5,189152 Euro/qm. Multipliziert mit der beitragspflichtigen Fläche des Grundstücks der Kläger von 732,50 qm führt dies zu einem Betrag von 3.801,05 Euro. In dieser Höhe sind daher die angefochtenen Vorauszahlungsbescheide zu bestätigen. Dem ist das erstinstanzliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung anzupassen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sind nach Maßgabe des Obsiegens/Unterliegens der Beteiligten zu verteilen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO), wobei die Kläger für ihren Anteil gesamtschuldnerisch haften (§ 159 Satz 2 VwGO). Die Kosten des Berufungsverfahrens erlegt der Senat dem Beklagten insgesamt auf, da das Unterliegen der Kläger geringfügig ist (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Entscheidung ausschließlich auf der Anwendung und Auslegung des saarländischen Landesrechts beruht (§§ 132 Abs. 2, 137 Abs. 1 VwGO).

Gründe

Einer Entscheidung über die Berufung steht nicht entgegen, dass die Kläger der mündlichen Verhandlung ferngeblieben sind. Sie waren nämlich in der Terminsladung darauf hingewiesen worden, dass im Falle ihres Fernbleibens ohne sie verhandelt und entschieden werden kann.

Die Berufung ist zulässig (§§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 6 VwGO), aber nur zu einem geringen Teil begründet. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass die Heranziehung der Kläger zu einer Vorauszahlung auf ihre künftige Beitragsschuld infolge des Ausbaus des B-Weges in B-Stadt mit 4.291,46 Euro überhöht ist. Die Zuvielforderung beläuft sich allerdings nicht, wie in dem angegriffenen Urteil angenommen wird, auf 508,00 Euro, sondern ist auf 490,41 Euro zu reduzieren, so dass für die Kläger eine Vorauszahlungspflicht von 3.801,05 Euro verbleibt. Dementsprechend unterliegt das erstinstanzliche Urteil der Abänderung, während die weitergehende Berufung zurückgewiesen werden muss.

In dem angegriffenen Urteil wird überzeugend dargelegt, dass die Klage zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben ist (§ 74 Abs. 1 VwGO), dass die Bescheide vom 19.4.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2003 in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen (§§ 12 Abs. 1 Nr. 4 lit.b KAG, 157 Abs. 1 AO) genügen, dass das Verlangen einer Vorauszahlung dem Grunde nach rechtmäßig ist (§ 8 Abs. 9 Satz 1 KAG) und dass die Angriffe gegen die Ermittlung des beitrags- und umlagefähigen Ausbauaufwands (§ 8 Abs. 2, 4 und 6 KAG) - von zwei in der Folge gesondert abzuhandelnden Positionen, nämlich den Kosten infolge von Angleichungsmaßnahmen auf Anliegergrundstücken und den so genannten Sowieso-Kosten, abgesehen - nicht durchgreifen. Einwände hiergegen sind im zweitinstanzlichen Verfahren weder vorgetragen worden noch ist ein Rechtsfehler insoweit ersichtlich. Daher erübrigen sich diesbezüglich weitere Ausführungen.

In Bezug auf die damit verbliebenen Streitpunkte ist der erkennende Senat der Auffassung, dass das Verwaltungsgericht die Kosten infolge von Angleichungsmaßnahmen auf Anliegergrundstücken zu Unrecht als nicht ausbaubeitragsfähig angesehen hat. Dagegen verdient das Urteil vom 8.10.2004 Zustimmung, soweit darin die Berücksichtigung der durch die gleichzeitige Durchführung des Ausbaus des B-Weges und der Erneuerung der in dieser Straße verlegten Kanalisation bei der behördlichen Ermittlung der künftigen Ausbaubeitragschuld als rechtswidrig beanstandet wird. Im Ergebnis reduziert sich damit die Vorauszahlungspflicht der Kläger um 490,41 Euro auf 3.801,05 Euro.

1. Die Kosten, die dadurch entstanden sind, dass mehrere Anliegergrundstücke, insbesondere dort befindliche Garagen- und sonstige Einfahrten, durch Maßnahmen außerhalb der Straßenfläche höhenmäßig an das durch den Ausbau geänderte Niveau des B-Weges angepasst werden mussten, sind beitragsfähig. Der demgegenüber vom Verwaltungsgericht unter Berufung auf das zum Erschließungsbeitragsrecht ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.5.1977

- IV C 82.74 -, Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 18 (S. 4) = BRS 37 Nr. 54 (S. 114); zustimmend Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage, § 13 Rdnr. 58;

vertretenen Ansicht, dass Kosten, die durch die Veränderung baulicher Anlagen außerhalb der Straßenfläche entstanden sind, nicht beitragsfähig seien, kann für das saarländische Ausbaubeitragsrecht nicht gefolgt werden.

Ausbaubeiträge dienen nach § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG „zum Ersatz des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung der öffentlichen Einrichtungen“. Diese Umschreibung des ausbaubeitragsfähigen Aufwandes spricht bei der Anwendung auf eine Straßenausbaumaßnahme nicht für, sondern gegen die Annahme, ungeschriebene Voraussetzung der Beitragsfähigkeit sei, dass die Kosten verursachende Maßnahme im Straßenraum durchgeführt wurde. § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG spricht nämlich nicht von dem Aufwand „der“ Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung, sondern von dem Aufwand „für die“ Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung. Damit stellt das Gesetz für die Beitragsfähigkeit von Kosten gerade nicht darauf ab, in welchem Bereich - konkret: im öffentlichen Verkehrsraum oder auf Anliegergrundstücken - die Kosten verursachende Maßnahme durchgeführt wurde. Entscheidend ist vielmehr allein, ob der Aufwand durch Arbeitsvorgänge entstanden ist, „die für die programmgemäße Durchführung der Maßnahme erforderlich waren“

so Driehaus, a.a.O., § 33 Rdnr. 11,

oder - anders formuliert - die in einem „unmittelbaren straßenbautechnischen Zusammenhang ... mit der Maßnahme stehen, die zur Entstehung der Beitragspflicht führt“

so OVG Münster, Urteil vom 22.11.1990 - 2 A 2222/86 -, GemHH 1992, 16; in der Sache übereinstimmend OVG Münster, Entscheidungen vom 26.3.1991 - 2 A 2125/88 -, NWVBl. 1991, 346 (348), vom 2.9.1998 - 15 A 7653/95 -, OVGE 47, 79 (88), sowie vom 22.3.1999 - 15 A 1047/99 -, OVGE 47, 151 (153), und Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, Das Straßenausbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 5. Auflage, Rdnr. 257.

Das stimmt übrigens mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht überein. Nach dessen Urteil vom 23.2.1990

- 8 C 75.88 -, BVerwGE 85, 1 (3 f.) = KStZ 1990, 227 (228); zustimmend Driehaus, a.a.O., § 13 Rdnr. 58,

gehören zu den „Kosten für ... ihre erstmalige Herstellung“ (§ 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) bereits nach dem Wortlaut der Norm „nicht nur die Kosten, die für Maßnahmen im Bereich der Fläche der betreffenden Anlage selbst angefallen sind, sondern darüber hinaus auch sonstige von der erstmaligen Herstellung der betroffenen Anlage erforderte und in diesem Sinne notwendige Kosten der erstmaligen Herstellung“. Entsprechendes hat für § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG zu gelten.

Dieses Normverständnis entspricht zugleich Sinn und Zweck der Regelung und deren Systematik. Dem Ausbaubeitragsrecht liegt allgemein der Gedanke zugrunde, dass die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung öffentlicher Einrichtungen von den Grundstückseigentümern beziehungsweise Erbbauberechtigten, denen die öffentliche Einrichtung wirtschaftliche Vorteile bietet, mitfinanziert werden soll, indem die Genannten der Gemeinde über Beiträge, die nach den Vorteilen zu bemessen sind, den durch die Ausbaumaßnahme entstandenen Aufwand ersetzen. Dabei legt das Gesetz abschließend fest, welche Kosten die Gemeinde nicht abwälzen darf. Am wichtigsten ist dabei § 8 Abs. 6 Satz 2 KAG, wonach die Gemeinde einen dem durch die öffentliche Einrichtung vermittelten besonderen Vorteil der Allgemeinheit entsprechenden Anteil des Ausbauaufwands endgültig selbst zu tragen hat. Dagegen ist dem Gesetz eine Unterscheidung der Beitragsfähigkeit von Kosten danach fremd, ob die Kosten verursachende Maßnahme innerhalb oder außerhalb der öffentlichen Einrichtung - hier: der öffentlichen Verkehrsfläche - erfolgt ist. Vielmehr genügt die kausale Verknüpfung zwischen Ausbaumaßnahme und Aufwand.

Allein das ist auch interessengerecht. Der Senat sieht nämlich keinen überzeugenden Grund, warum die Allgemeinheit die Kosten ausbaubedingt notwendig gewordener Angleichungsmaßnahmen auf Anliegergrundstücken - über den Gemeindeanteil des § 8 Abs. 6 Satz 2 KAG hinaus - in voller Höhe tragen soll, obwohl der Ausbau den Straßenanliegern wirtschaftliche Vorteile bietet. Ebenso wie es geboten ist, dass die Gemeinde im Verhältnis zu dem einzelnen Anlieger die Kosten der auf dessen Grundstück notwendig werdenden Angleichungsmaßnahmen übernimmt, entspricht es der § 8 KAG zugrunde liegenden Interessenbewertung, dass die Gemeinde den durch solche Angleichungsmaßnahmen insgesamt anfallenden Aufwand - nach Abzug des Gemeindeanteils - auf die Gesamtheit der Anlieger abwälzt.

Der Einwand, gegen diese Auslegung des § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG spreche, dass der Beitragspflichtige nur das kontrollieren könne, was an der Straße selbst an Ausbaumaßnahmen vorgenommen wird

so BVerwG, Urteil vom 13.5.1977, a.a.O., S. 11 f. beziehungsweise S. 120, zum Erschließungsbeitragsrecht,

überzeugt nicht. Dieses Argument hat bereits gegen sich, dass es nicht konsequent durchgeführt wird. So ist allgemein anerkannt

u.a. BVerwG, Urteil vom 7.7.1989 - 8 C 86.87 -, BVerwGE 82, 215 (219) = Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 41 (S. 10)

dass die Kosten infolge der Errichtung einer Stützmauer, die zur Herstellung und/oder Aufrechterhaltung der für die Benutzbarkeit einer Straße gebotenen Sicherheit entweder eine höher gelegene Straße gegen angrenzende Grundstücke oder anliegende Grundstücke gegen eine tiefer liegende Straße abstützt, unabhängig davon beitragsfähig sind, ob die Mauer auf der Straße oder auf einem Anliegergrundstück steht. Insoweit wird der Kontrollmöglichkeit des Beitragspflichtigen also keine Bedeutung beigelegt. Das spricht aber klar dagegen, die Kosten von im Vergleich zur Herstellung einer Stützmauer unbedeutenden höhenmäßigen Angleichungsmaßnahmen wie hier der Niveauanpassung von Garagen- und sonstigen Grundstückszufahrten durch Neuverlegung einzelner Reihen von Steinen beziehungsweise Platten von vornherein als nicht beitragsfähig zu erachten.

Von dem aufgezeigten Normverständnis ausgehend sind die im Streit befindlichen Kosten von Angleichungsmaßnahmen auf einzelnen Anliegergrundstücken am ausbaubeitragsfähig. Die entsprechenden Arbeiten waren dadurch veranlasst, dass sich infolge des Ausbaus des B-Weges das Straßenniveau an der Hinterkante des bergseitigen Gehwegs änderte. Dadurch hätte sich eine Geländestufe in den dort befindlichen Garagen- und sonstigen Grundstückseinfahrten ergeben. Hier musste von der Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast und des Ausbauvorhabens Abhilfe geschaffen werden, und dazu wurden die Einfahrten an die neue Höhe des Gehweges angepasst. Das belegen die vom Beklagten vorgelegten Lichtbilder

Anlage 2 zum Schriftsatz vom 23.9.2005.

Der durch die entsprechenden Arbeiten verursachte Aufwand ist daher unter dem Aspekt der ausbaubedingten Folgekosten beitragsfähig.

Der Höhe nach ist dieser Aufwand durch den Auszug aus der Rechnung der Firma T-GmbH vom 15.1.2002, durch die zugehörigen Aufmaßblätter und durch die vom Beklagten eingereichte „Zusammenstellung der Angleichungen“

Anlage 1 zum Schriftsatz vom 23.9.2005

hinreichend belegt. Folglich ist unter diesem Gesichtspunkt eine Kürzung der vom Beklagten veranschlagten voraussichtlichen künftigen Ausbaubeitragsschuld der Kläger nicht gerechtfertigt.

2. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht beanstandet, wie der Beklagte bei der Ermittlung der Höhe der künftigen Ausbaubeitragsschuld der Kläger die Kostenersparnis berücksichtigt hat, die darauf beruht, dass zeitgleich mit dem Straßenausbau die Kanalisation im B-Weg erneuert wurde, also nicht nach Durchführung der Kanalbaumaßnahme die Straße zunächst wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt wurde und erst später der Straßenausbau erfolgte. Insbesondere pflichtet der Senat der in dem angefochtenen Urteil näher begründeten Auffassung bei, dass die erwähnte Ersparnis angemessen - und das heißt in aller Regel: hälftig - den Ausbaubeitragspflichtigen zugute zu bringen ist

so insbesondere OVG Münster, Entscheidungen vom 5.9.1986 - 2 A 963/84 -, GemHH 1987, 115, vom 27.9.1988 - 2 A 1012/86 -, vom 14.6.1989 - 2 A 1152/87 -, vom 28.6.1991 - 2 A 1273/89 -, vom 11.7.1996 - 15 A 4756/96 - sowie vom 27.3.2002 - 15 B 745/02 -; ebenso Driehaus, a.a.O., § 33 Rdnrn. 24 f., und Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, a.a.O., Rdnrn. 280 bis 282.

So ist der Beklagte, wie er von Anfang an eingeräumt hat, indes nicht vorgegangen. Er macht allerdings, wie er erstmals in der Berufungsinstanz mit dem Aktenvermerk vom 27.4.2005 nachvollziehbar aufgezeigt hat, geltend, die erwähnte Ersparnis wesentlich weitergehend an die Ausbaubeitragspflichtigen weitergegeben zu haben. Er habe nämlich im Kern „die Schnittmenge des Kanal- und Straßenbaus“

vgl. die idealisierte Zeichnung, S. 2 des genannten Aktenvermerks,

„zu 100 % der Kanalbaumaßnahme angerechnet“. Es ist offensichtlich, dass bei einer solchen Vorgehensweise die künftigen Beitragsschulden niedriger ausfallen als bei der an sich gebotenen nur hälftigen Gutschrift der Ersparnis zugunsten der Ausbaubeitragspflichtigen. Bei einer konsequenten Umsetzung des vom Beklagten ins Feld geführten Rechenmodells könnte daher die Anfechtungsklage der Kläger keinen (Teil-)Erfolg haben, denn Voraussetzung hierfür wäre neben der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, dass die Kläger in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Letzteres setzt aber im gegebenen Zusammenhang grundsätzlich eine zu hohe Inanspruchnahme voraus.

Dennoch hat das Verwaltungsgericht zu Recht der Klage teilweise entsprochen. Das folgt aber nicht daraus, dass die Ermittlung des beitragsfähigen und - daraus abgeleitet - des umlagefähigen Ausbauaufwands in diesem Punkt auf einer Schätzung beruht. Darin liegt insbesondere kein Verstoß gegen § 3 Abs. 3 der einschlägigen Ortssatzung, wonach „der beitragsfähige Aufwand... nach den tatsächlichen Kosten ermittelt (wird)“. Diese Bestimmung bezieht sich ausschließlich auf die endgültige Veranlagung und beinhaltet mit Blick auf § 8 Abs. 4 Satz 1 KAG, wonach „der Aufwand... nach den tatsächlichen Kosten oder nach Einheitssätzen ermittelt werden (kann)“, lediglich eine Absage gegen eine Abrechnung mittels Einheitssätzen. Vorauszahlungsbescheiden ist im Gegensatz zu den endgültigen Beitragsbescheiden eigen, dass sie auf Schätzungen beruhen. Eingefordert werden dürfen Vorauszahlungen nämlich bereits, „sobald mit der Durchführung einer beitragspflichtigen Maßnahme begonnen worden ist“, und sie zielen „auf die künftige Beitragsschuld“ (§ 8 Abs. 9 Satz 1 KAG). Zu Beginn einer Ausbaumaßnahme können aber der künftige beitragsfähige Ausbauaufwand und damit die genaue Höhe der endgültigen Beitragsschuld zwangsläufig noch nicht genau feststehen. Daher ist die Gemeinde gezwungen, der Anforderung von Vorauszahlungen eine Prognose des Umfangs des beitragsfähigen Aufwandes zugrunde zu legen, und die Vorauszahlung wird der Höhe nach ausschließlich durch die voraussichtliche endgültige Beitragspflicht begrenzt

so zutreffend Driehaus in Driehaus, Kommunalabgabenrecht - Stand: Januar 2005 -, § 8 Rdnrn. 135 und 137, und Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, a.a.O., Rdnr. 234; ebenso zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urteile vom 22.8.1975 - IV C 7.73 -, KStZ 1975, 229 (231) = BRS 37 Nr. 26 (S. 59/60), vom 22.2.1985 - 8 C 114.83 -, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 90 (S. 50) = BRS 43 Nr. 126 (S. 309), sowie vom 29.1.1993 - 8 C 3.92 -, Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 47 (S. 31 f.) = KStZ 1993, 118 (119), und VGH Mannheim, Urteil vom 23.9.1993 - 2 S 462/92 -, juris.

Die Zubilligung einer Schätzungsbefugnis ist aber notwendigerweise mit einem gewissen Freiraum verbunden, der sowohl den Weg der Schätzung als auch deren Ergebnis betrifft. Es gibt bei Schätzungen nicht nur eine einzige rechtmäßige Lösung. Vielmehr werden voneinander abweichende Vorgehensweisen und Ergebnisse von der Rechtsordnung hingenommen

so BVerwG, Urteil vom 16.8.1985 - 8 C 120-122.83 -, Buchholz 406.11 § 125 BBauG Nr. 19 (S. 21 f.) = BRS 43 Nr. 51 (S. 114 f.), sowie vom 15.11.1985 - 8 C 41.84 -, Buchholz 406.11 § 130 BBauG Nr. 35 (S. 49 f.) = BRS 43 Nr. 96 (S. 246).

Das ist gerade bei Vorauszahlungsbescheiden unbedenklich, denn eine „centgenaue“ Abrechnung hat im Rahmen der endgültigen Veranlagung nachzufolgen.

Dennoch unterliegen auch auf Schätzungen beruhende Abgabenbescheide der gerichtlichen Kontrolle. Diese Überprüfung bezieht sich auf die Sachgerechtigkeit der Methode, die der Schätzung zugrunde liegt, und auf die Folgerichtigkeit sowie Nachvollziehbarkeit des daran anschließenden Rechenwerkes

dazu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage, § 21 Rdnrn. 33 und 34.

Dabei obliegt es der Gemeinde, in beiderlei Hinsicht ihre Vorgehensweise offen zu legen, um den Herangezogenen und dem Gericht eine Überprüfung insbesondere hinsichtlich der Höhe des Vorauszahlungsbetrages zu ermöglichen

so schon BVerwG, Urteil vom 22.8.1975, a.a.O., S. 231 beziehungsweise S. 60.

Fehlt es hieran, ist es nicht Aufgabe des mit der Sache befassten Gerichts, die gemeindliche Schätzung durch eine eigene zu ersetzen, denn das materielle Recht weist die Schätzungsbefugnis ausschließlich der Gemeinde zu. § 287 Abs. 2 ZPO, der dem Gericht eine eigenständige Schätzungskompetenz zuordnet, ist im gegebenen Zusammenhang nicht entsprechend anwendbar

so BVerwG, Urteile vom 16.8. sowie 15.11.1985, jeweils a.a.O..

Spätestens dann, wenn eine vom Gericht an die Gemeinde gerichtete Aufforderung, eine vorliegende Schätzung nachzubessern oder ergänzend zu erläutern, ohne Erfolg geblieben ist, ist der angefochtene Abgabenbescheid, soweit er auf der Schätzung beruht, aufzuheben. So liegt es hier.

In den angefochtenen Heranziehungsbescheiden findet sich nichts über die Art und Weise, wie der Beklagte die Höhe der künftigen Beitragsschuld ermittelt hat. Auf die diesbezügliche Rüge unter anderem der Kläger hin hat der Beklagte im Widerspruchsverfahren Stellungnahme vom 6.1.2003, S. 2, ausgeführt, „mit den Kosten für den Kanalbau in der Breite des Kanalgrabens, für die Hausanschlüsse und die Schachtbauwerke (sei) das Abwasserwerk der Stadt B-Stadt belastet (worden).“ Diese Behauptung wurde indes nicht belegt. Daran änderte sich im Klageverfahren nichts, außer dass zwei Ordner mit 652 durchnummerierten und zahlreichen weiteren Seiten vorgelegt wurden. Anhand dieses Wusts von Papier die behördliche Schätzung der Straßenausbau- und der Kanalbaukosten, der Höhe der Kostenersparnis infolge der Verbindung beider Maßnahmen und die Zuordnung beziehungsweise Verteilung dieses Kostenblockes nachzuvollziehen, ist unmöglich. Dasselbe gilt für die auf Veranlassung des Verwaltungsgerichts nachgereichte „fiktive Kostentrennung Kanalbau/Straßenbau“ vom 26.9.2004. Die Formulierung in dem erstinstanzlichen Urteil, wonach „sich die nachgereichte Kostentrennung nicht ohne weiteres erschließt“, bringt dies nur unzureichend zum Ausdruck. Dass sich der Beklagte durch die Interpretation der „fiktiven Kostentrennung“ durch das Verwaltungsgericht völlig missverstanden fühlt, bestätigt dies. In der Berufungsbegründung beanstandet der Beklagte zwar ausführlich die Argumentation des Verwaltungsgerichts, ohne allerdings näher aufzuzeigen, dass die behördliche Veranschlagung der voraussichtlichen künftigen Beitragsschuld der Kläger sachgerecht ist. Deshalb wurde er vom Berichterstatter mit Verfügung vom 5.4.2005 aufgefordert, „seine einschlägige Kostenzusammenstellung, Kostentrennung und Alternativberechnung – sei es anhand von Rechnungen, sei es durch Schätzungen – zu belegen und in diesem Zusammenhang zu erläutern, wieso die fiktive Berechnung vom 26.9.2004 mittels eines Flächenmaßstabs, bezogen auf alle Kosten, zu sachgerechten Ergebnissen führen soll“. Daraufhin wurde der bereits mehrfach erwähnte Aktenvermerk vom 27.4.2005 vorgelegt und mitgeteilt, dass zum Zeitpunkt der Veranschlagung etwa zwei Drittel der Ausbau- und Kanalmaßnahme abgeschlossen gewesen seien; auf der Grundlage der bis dahin hierfür in Rechnung gestellten Kosten der Bauunternehmungen habe man die voraussichtlichen endgültigen Kosten hochgerechnet. Anhand bereits abgeschlossener und abgerechneter Teilbaumaßnahmen auf den voraussichtlichen beitragsfähigen Gesamtaufwand des Vorhabens zu schließen, ist sachgerecht. Im Weiteren hat der Beklagte ausgeführt, die „Schnittmenge von Kanalbau und Straßenbau“ sei vollständig der Kanalbaumaßnahme zugeordnet worden. Hierzu wurde auf Bl. 75–80 – gemeint waren, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, Bl. 75-79, 82 des Behördenordners I – verwiesen. Dort finden sich unter Hinweis auf dort nicht abgeheftete Rechnungen Kostenaufstellungen, Hochrechnungen und Flächenzusammenstellungen. Davon, dass sich so eine die Pflichtigen nur unzureichend entlastende Verteilung der Kostenersparnis infolge der gleichzeitigen Durchführung von Straßenausbau und Kanalerneuerung ausschließen ließe und eine Angemessenheit der Höhe der verlangten Vorauszahlung ergäbe, kann indes keine Rede sein. Das hat der Berichterstatter dem Beklagten am 13.9.2005 telefonisch mitgeteilt. Darauf wurde erwidert, die erwähnten Schwierigkeiten seien verständlich; die Leistungsverzeichnisse seien als Ausgangspunkt der Schätzung ungeeignet, da dort nicht genau zwischen Straßen- und Kanalmaßnahmen differenziert sei; die Berechnungen, die sich in den Behördenakten befinden, müssten im Zusammenhang mit mehreren 100 Seiten Aufmaßblättern gesehen werden, die zu erläutern mehrere Tage in Anspruch nähme. Mit Schriftsatz vom 23.9.2005 behauptete der Beklagte dann unter Vorlage weiterer Unterlagen, damit den als umlagefähig angesehenen Ausbauaufwand centgenau zu belegen. Das trifft indes nicht zu.

Unter Berücksichtigung der zusätzlichen Erläuterungen, die der Beklagte in der mündlichen Verhandlung gegeben hat, versteht der Senat das behördliche Vorgehen inzwischen wie folgt:

Zunächst veranschlagte der Beklagte aufgrund der bis Ende Februar 2002 vorliegenden Bauunternehmerrechnungen die voraussichtlich entstehenden Gesamtkosten des Straßenausbaus und der Kanalerneuerung. Von diesem Gesamtbetrag zog er dann die ausschließlich der Kanalerneuerung zuzuordnenden Kosten, unter anderem also die Kosten der Aushebung und Wiederverfüllung der Kanal- und Hausanschlussgräben unterhalb der jeweiligen Straßenausbautiefe - 70 cm im Bereich der Fahrbahn und 40 cm im Bereich der Gehwege -, ab. Anschließend ermittelte er – getrennt nach Fahrbahn und Gehwegen – die ausgebauten Flächen des B-Weges und errechnete so einen Durchschnittspreis pro qm Fahrbahn- und pro qm Gehwegausbau. In einem weiteren Schritt erfasste er – wiederum getrennt nach Fahrbahn und Gehwegen – die Flächen, die nach den DIN-Normen für den Straßenkanal und die Hausanschlüsse aufzugraben und wieder zu verfüllen waren. Als ausbaubeitragsfähig sah er schließlich das Produkt aus den erwähnten Durchschnittspreisen und den um die Flächen der Kanal- und Hausanschlussgräben geminderten Fahrbahn- und Gehwegflächen an.

Es sprechen gute Gründe dafür, dass eine auf diesem Weg veranschlagte künftige Beitragsschuld nicht zu hoch ausfallen kann. Das bedarf indes keiner Vertiefung. Dass der Beklagte nämlich tatsächlich so wie dargestellt vorgegangen wäre, vermag der Senat auch unter Berücksichtigung der mit Schriftsatz vom 23.9.2005 nachgereichten Unterlagen und der weiteren Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung nicht festzustellen. Die angegebenen Zahlen sind mit Blick sowohl auf die Kostenbeträge als auch auf die in Ansatz gebrachten Flächen nicht belegt. Es fehlt vor allem die gebotene Verknüpfung der Kostenbeträge mit den Bauunternehmerrechnungen beziehungsweise den auf diesen aufbauenden Hochrechnungen und der Flächensummen mit Aufmaßblättern. Das gesamte Rechenwerk ist in sich nicht nachvollziehbar. Insbesondere sieht sich der Senat außer Stande, die Feststellung zu treffen, dass der Beklagte die Kostenersparnis infolge der gleichzeitigen Durchführung von Straßenausbau und Kanalerneuerung zumindest in dem Umfang, in dem dies geboten wäre, oder sogar weitergehend, nämlich entsprechend dem im Aktenvermerk vom 27.4.2005 dargestellten Rechenmodell, den Beitragspflichtigen gut gebracht hätte. Das bestätigt im Grunde die Schlussbemerkung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass „unter der Voraussetzung, dass die Flächenermittlungen Kanal bzw. Straße richtig seien, … das Zahlenwerk insgesamt richtig (sei)“. Bereits die vom Beklagten selbst gemachte Prämisse ist nicht belegt, und dasselbe gilt für praktisch alle anderen Punkte des Rechenwerks.

Ob der Senat dem Beklagten glaubt, dieser sei im Zweifelsfall immer bürgerfreundlich – im Sinne der Herabsetzung der Vorauszahlungspflicht – vorgegangen – darauf läuft im Kern ein Großteil der behördlichen Argumentation hinaus -, ist unerheblich, denn das allein kann keine Grundlage für das zu erlassende Urteil bilden, denn es ist ein Rechenwerk zu kontrollieren.

Ist damit aber die Schätzung der künftigen Beitragspflicht der Kläger mit Blick auf die angemessene Berücksichtigung der Kostenersparnis infolge der gleichzeitigen Durchführung von Straßenausbau und Kanalerneuerung nicht hinreichend nachvollziehbar, folgt hieraus, dass die angegriffenen Vorauszahlungsbescheide in diesem Punkt rechtswidrig sind. Dabei obliegt es – wie bereits ausgeführt – nicht dem Senat, seinerseits die künftige Beitragspflicht der Kläger zu schätzen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die insoweit vom Verwaltungsgericht vorgenommene Veranschlagung der zu Gunsten der Gesamtheit der Beitragspflichtigen zu berücksichtigenden Gutschrift angemessen ist, was gerade der Beklagte, und zwar durchaus nachvollziehbar, in Abrede stellt. Vielmehr ist die in dem erstinstanzlichen Urteil unter dem Gesichtspunkt der Sowieso-Kosten vorgenommene Kürzung des umlagefähigen Aufwandes um 38.019,81 Euro im Ergebnis schon deswegen zu bestätigen, weil – einerseits – der höhere Ansatz des Beklagten – wie aufgezeigt – rechtswidrig ist und weil sich – andererseits – eine weitergehende Kürzung zu Gunsten der Kläger verbietet, nachdem diese ihrerseits kein Rechtsmittel eingelegt haben.

3. Unter Berücksichtigung des in Rechtskraft erwachsenen Teils des erstinstanzlichen Urteils und der nach Abschnitt 1 gebotenen Anerkennung der Kosten der Angleichungsmaßnahmen als ausbaubeitragsfähig belaufen sich die umlagefähigen Ausbaukosten auf (332.706,09 Euro - 38.019,81 Euro =) 294.686,28 Euro. Diese sind auf 56.788,91 qm beitragspflichtige Fläche zu verteilen. Das ergibt einen Beitragssatz von 5,189152 Euro/qm. Multipliziert mit der beitragspflichtigen Fläche des Grundstücks der Kläger von 732,50 qm führt dies zu einem Betrag von 3.801,05 Euro. In dieser Höhe sind daher die angefochtenen Vorauszahlungsbescheide zu bestätigen. Dem ist das erstinstanzliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung anzupassen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sind nach Maßgabe des Obsiegens/Unterliegens der Beteiligten zu verteilen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO), wobei die Kläger für ihren Anteil gesamtschuldnerisch haften (§ 159 Satz 2 VwGO). Die Kosten des Berufungsverfahrens erlegt der Senat dem Beklagten insgesamt auf, da das Unterliegen der Kläger geringfügig ist (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Entscheidung ausschließlich auf der Anwendung und Auslegung des saarländischen Landesrechts beruht (§§ 132 Abs. 2, 137 Abs. 1 VwGO).

Sonstige Literatur

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist ebenfalls bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, bezeichnet werden.

Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Prozessbevollmächtigten erfolgen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 508,00 Euro festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Tenor

Der Ausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 18.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2007 wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 28.053,79 € übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt 95 %, die Beklagte 5 % der Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % der jeweiligen Vollstreckungsschuld abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung in gleicher Höhe jeweils Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Ausbaubeitragsbescheides.

2

Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstückes Kehdenstraße ... im Stadtgebiet der Beklagten. Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich, ist 425 m² groß und mehrgeschossig bebaut. Durch einen Vertrag aus dem Jahre 1960 erlaubten die damaligen Grundstückseigentümer der Beklagten, einen ca. 102 m² großen Teil des Grundstückes dem Gebrauch als öffentliche Straße zuzuführen, um die Kehdenstraße zu verbreitern und in das Haus Arkaden einzubauen. Die der Beklagten eingeräumte Nutzung erstreckte sich auf die Oberfläche des Bürgersteiges und den darüberliegenden Luftraum unter dem 1. Obergeschoss. Die Eigentümer verpflichteten sich und ihre etwaigen Rechtsnachfolger zur Duldung der damit einhergehenden Beschränkungen und erhielten als Entschädigung einen Betrag von 52.000,00 DM. § 5 des Vertrages sah vor, dass die Beklagte den Einbau der Arkaden auf eigene Kosten veranlasst und die Unterhaltung und Befestigung des Bürgersteiges übernimmt. Im Jahre 1963 wurde zu Gunsten der Beklagten eine entsprechende beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen.

3

Im Jahre 2001 begann die Beklagte, die Neugestaltung des Altstadtbereichs Faul-, Küter- und Kehdenstraße zu planen; die Kehdenstraße sollte im 4. und 5. Bauabschnitt ausgebaut werden. Ziel der Planung war es, die Attraktivität der Altstadt durch Umgestaltung der Verkehrsflächen zu steigern, um so insbesondere die Situation des Einzelhandels zu verbessern. Zwecks Vorfinanzierung wurden die baulichen Veränderungen zum einen der Landesbank Schleswig-Holstein und zum anderen - bezüglich der Kehdenstraße - der Immobilienverwaltungsgesellschaft SH (IVWG) übertragen. Nach dem zu diesem Zweck am 16. Juni 2003 abgeschlossenen Finanzierungsvertrag erstellte die Beklagte die Planunterlagen und die Ausschreibungsunterlagen für den Aus- und Umbau, während die IVWG auf dieser Grundlage die Ausschreibung durchführte und anschließend die Aus- und Umbauarbeiten auf eigene Rechnung veranlasste. Nach § 4 Abs. 3 des Vertrages sollte das für die Fahrbahn und den Parkstreifen benötigte Granitgroßpflaster von der Beklagten zur Verfügung gestellt werden. Die von der Beklagten und der IVWG aufzubringenden Gesamtkosten wurden im Vertrag auf 614.000,00 € geschätzt. Nach § 11 Abs. 2 sollte die Beklagte der IVWG ihren Aufwand wie folgt erstatten: Die Beklagte führt auf der Grundlage der vorgelegten und geprüften Schlussrechnungen eine Beitragsveranlagung gemäß § 8 KAG für die von der Kehdenstraße erschlossenen Grundstücke durch. Soweit Ausbaubeiträge durch Beitragsbescheide festgesetzt werden, sollten die jeweiligen Ausbaubeiträge nebst städtischem Anteil am beitragsfähigen Aufwand maximal in der Höhe erstattet werden, wie der IVWG Kosten entstanden sind. Für einen anderen Teil der erschlossenen Grundstücke sollte die IVWG den jeweiligen Ausbaubeitrag und den jeweiligen städtischen Anteil am beitragsfähigen Aufwand selbst tragen und mit den jeweiligen Eigentümern Regelungen hinsichtlich einer Rückerstattung treffen. Hinsichtlich der Aufwendungen der Beklagten sollte diese die auf die jeweiligen Grundstücke entfallenden Ausbaubeitragsanteile und den jeweiligen städtischen Anteil am beitragsfähigen Aufwand selbst übernehmen. Für nicht beitragsfähige Maßnahmen sollte jede Vertragspartei die von ihr finanzierten Maßnahmen selbst tragen.

4

Nach Abschluss der Arbeiten und Abnahme im August 2004 beschloss der Bauausschuss der Beklagten am 02.02.2006, 75 % der beitragsfähigen Kosten auf die Anlieger der Kehdenstraße umzulegen. Im Einzelnen wurden die Gehwege an das neue Niveau angepasst, einheitlich neu gepflastert und mit einer Frostschutzschicht versehen. Die Fahrbahn wurde mit Großpflaster neu befestigt und erhielt einen verstärkten, den heutigen Verkehrsverhältnissen angepassten frostsicheren Unterbau. Es wurden Parkstreifen neu angelegt, Baumpflanzungen vorgenommen und die Beleuchtungsanlage dem Erscheinungsbild der Straße angepasst.

5

Mit Bescheid vom 18.09.2006 setzte die Beklagte den für das Grundstück Kehdenstraße ... errechneten Beitragsanteil auf 29.456,54 € fest und zog den Kläger in voller Höhe zur Zahlung heran. Bei der Berechnung legte sie die volle Grundstücksgröße von 425 m² zu Grunde, während bei der Geschossflächenberechnung die dem öffentlichen Verkehr gewidmete Fläche von 103 m² erst ab dem 1. Obergeschoss berücksichtigt wurde. Auf der Grundlage der so berechneten Gesamtfläche berechnete sie weiter einen grundstücksbezogener Artzuschlag von 30 %. Den gegen die Beitragsfestsetzung am 12.10.2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2007 als unbegründet zurück.

6

Am 19.04.2007 hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass zur Einrichtung auch der an der Kehdenstraße liegende Anna-Pogwisch-Platz gehöre; dieser diene den Anwohnern der Kehdenstraße als Parkplatz und sei auch nur über die Kehdenstraße zu erreichen. Den Ausbau dieses Platzes habe die Beklagte stets als ein einheitliches Projekt zusammen mit der Kehdenstraße angesehen. In der Folge habe die Beklagte das Abrechnungsgebiet fehlerhaft gebildet. Zum einen seien auch die Anwohner des Anna-Pogwisch-Platzes zu den umlagefähigen Kosten heranzuziehen, zum anderen hätten auch die Hinterlieger der Grundstücke Kehdenstraße ... und Kehdenstraße ... zu Beiträgen herangezogen werden müssen, weil auch diese Grundstücke über die Kehdenstraße erschlossen seien. Die an die Holstenbrücke angrenzenden Grundstücke seien über den Eingang im Hause Kehdenstraße ... zu erreichen, auch wenn es sich insoweit nur um einen Nebeneingang handele. Das Grundstück Holstenbrücke ... wickele seinen Zuliefererverkehr im Übrigen hauptsächlich über die Kehdenstraße ab.

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Die Einstufung der Kehdenstraße als Anliegerstraße sei fehlerhaft. Tatsächlich habe der Verkehr in der Kehdenstraße überwiegend Ziele in der Küterstraße und im weiteren Altstadtbereich.

8

Die abgerechneten Baumaßnahmen seien nicht erforderlich gewesen. Der Gehweg habe einen hinreichenden Unterbau gehabt und sei nicht schadhaft gewesen. Der Gehweg habe auch keine optische Aufwertung erfahren, weil er schon vorher mit Betonplatten belegt gewesen sei. Auch die Fahrbahn habe keinen neuen Unterbau benötigt. Die Oberfläche hätte aufgrund der Erneuerung des Leitungssystems der Stadtwerke sowie der Entwässerungsleitungen ohnehin geöffnet werden müssen. Bei dieser Gelegenheit hätte das gesamte Großsteinpflaster aufgenommen werden müssen, sodass in diesem Zusammenhang auch die Absenkungen behoben und die Schäden hätten beseitigt werden können. Insoweit habe die Beklagte auch ihre Instandsetzungs- und Unterhaltungsverpflichtungen verletzt. Die vor der Maßnahme vorhandene Straßenbeleuchtung habe den Anforderungen genügt und auch durch die nunmehr aufgestellten Straßenlaternen mit Erdverkabelung keine Verbesserung erfahren. Die Neuanordnung der Stellplätze habe nicht zu einer Erhöhung der Aufenthaltsqualität geführt. Auch vorher sei ausreichend Platz gewesen, um mit Kinderwagen oder Rollstühlen zwischen parkenden Fahrzeugen und Häuserwänden hindurchzugelangen. So hätten die abgerechneten Maßnahmen nicht zu einem beitragsfähigen Vorteil für die Anlieger geführt. Vielmehr habe sich durch die Verringerung der PKW-Stellplätze die Parkplatzsituation im Bereich Kehdenstraße weiter verschärft.

9

Die Kosten für das eingebrachte Großpflaster hätten nicht auf die Anlieger umgelegt werden dürfen, weil dieses schon vorhanden gewesen sei. Der Wert des aufgenommenen Großpflasters sei jedenfalls gegen zu rechnen gewesen, weil dieses wieder verwertbar sei. Die Verwertbarkeit und Weiterverwendung habe auch schon frühzeitig festgestanden.

10

Die Kosten für die Neupflasterung des Gehwegs auf dem klägerischen Grundstück und die Schadensbeseitigung an der Kellerdecke des Gebäudes dürfe die Beklagte nicht auf den Kläger und die anderen Anlieger umlegen, weil die Beklagte sich mit dem Vertrag von 1960 selbst zur Unterhaltung und Befestigung des Gehweges verpflichtet habe. Anderenfalls würde der Vertrag ebenso unterlaufen wie die noch am 14.08.2003 erteilte Zusage der Beklagten, die Kellerdecke auf eigene Kosten zu erneuern. Die Schäden an der Kellerdecke seien erst durch eine fehlerhafte Planung und Ausführung der Bauarbeiten erfolgt. Die Decke sei beim Abfräsen derart beschädigt worden, dass sie anschließend nicht mehr tragfähig gewesen sei. Das Abfräsen wiederum sei nur deshalb erforderlich gewesen, weil man das Niveau wegen der hier zu verlegenden Granitpflastersteine zu tief habe absenken müssen.

11

Bei der Berechnung des auf das klägerische Grundstück entfallenden Beitrages habe die dem öffentlichen Verkehr gewidmete Teilfläche von 103 m² nicht berücksichtigt werden dürfen, weil dem Kläger jedenfalls insoweit kein Vorteil zugewachsen sei.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 18.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2007 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

16

Sie ist der Auffassung, dass es sich bei der Kehdenstraße einerseits und bei dem Anna-Pogwisch-Platz andererseits um jeweils selbständige öffentliche Einrichtungen handele. Der Platz sei von der Straße optisch abgesetzt und erfülle auch eine andere Funktion. Er diene nicht nur dem Parken, sondern werde auch zu Marktzwecken genutzt. Hiervon ausgehend sei das Abrechnungsgebiet auch sonst zutreffend gebildet worden. Die hinter den Grundstücken Kehdenstraße ... und ... liegenden Grundstücke seien von der Ausbaumaßnahme nicht bevorteilt, weil es ihnen an der erforderlichen räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Straße fehle.

17

Bei der Kehdenstraße handele es sich um eine Anliegerstraße, weil sie überwiegend dem Zugang oder der Zufahrt zu den von ihnen erschlossenen Grundstücken diene und zudem verkehrsberuhigt sei. Die bei der Beitragsveranlagung vorzunehmende Einstufung habe sich an den in der Satzung enthaltenen Definitionen zu orientieren. Die Einteilung selbst beschränke sich aus Gründen der Praktikabilität auf relativ grobe Unterscheidungen. Im Übrigen sei der tatsächliche Verkehr nicht überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr zuzuschreiben.

18

Die durchgeführten Baumaßnahmen seien als Erneuerung bzw. Verbesserungsmaßnahmen auch erforderlich gewesen. Fahrbahn und Gehweg seien abgängig und deshalb erneuerungsbedürftig gewesen, weil es ihnen an einem hinreichenden Unterbau gefehlt habe. Dies zeige schon das im Verwaltungsvorgang befindliche Fotomaterial, auf dem erhebliche Schäden und Versackungen zu erkennen seien. Die Fahrbahn sei im Jahr 1908 hergestellt worden und habe jedenfalls seit 1950 keinen wesentlichen Ausbau mehr erfahren. Im Rahmen der Unterhaltung habe die Beklagte die wegen des fehlenden Unterbaus entstandenen Versackungen durch entsprechende Asphaltarbeiten ausgeglichen, um die Verkehrssicherheit zu erhalten. Im Gehwegbereich habe der mangelhafte Unterbau zum Absacken der Platten und zum Entstehen von Stolperkanten von mehr als 2 cm geführt, so dass eine Unterhaltung im Ergebnis nicht mehr wirtschaftlich gewesen sei. Neben der Erneuerung liege auch der Tatbestand einer Verbesserung vor, weil die Umgestaltung der Kehdenstraße die Attraktivität der Altstadt erhöht und die Aufenthaltsqualität auch für Fußgänger nachhaltig gesteigert habe. So sei insbesondere die Situation des ansässigen Einzelhandels verbessert worden. Gegen die Erforderlichkeit spreche schließlich auch nicht die Tatsache, dass die Stadtwerke und die Beklagte als Trägerin der Abwasserbeseitigung die Erneuerung der Kehdenstraße zum Anlass genommen hätten, ihre dort verlegten Leitungen, Anlagen und Einrichtungen zu erneuern und zu ertüchtigen. Als Trägerin der Straßenbaulast sei die Beklagte nicht verpflichtet, andere Maßnahmenträger im Rahmen von Ausbaumaßnahmen finanziell zu beteiligen. Für die eingebrachten Großpflastersteine seien keine Kosten entstanden, insoweit habe die Beklagte vorhandene Großpflastersteine zum Wiedereinbau zur Verfügung gestellt. Im Übrigen seien bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes allein die tatsächlichen Kosten maßgeblich. Durch die Wiederverwendung entstehe auf Seiten der Beklagten auch kein Wertzuwachs.

19

Der mit den Voreigentümern im Jahre 1960 geschlossene Vertrag schließe eine Einbeziehung der Kosten für den Gehweg im Bereich des klägerischen Grundstückes nicht aus. Die von der Beklagten übernommene Unterhaltung entspreche der öffentlich-rechtlichen Straßenbaulast. Die Kosten seien umlagefähig, wenn die damit verbundenen Maßnahmen gleichzeitig einen beitragsfähigen Vorteil für die Anlieger begründeten. Dies gelte auch für die erforderlich gewordenen Arbeiten an der Kellerdecke. Sie sei Bestandteil des Gehwegs und aufgrund ihres baulichen Zustandes in gleicher Weise abgängig gewesen wie die Kehdenstraße im Übrigen. Die dem öffentlichen Verkehr gewidmete Teilfläche des klägerischen Grundstückes von ca. 103 m² sei zur Beitragsfläche hinzuzuzählen. Die regelmäßige Annahme, dass öffentlich gewidmete Flächen nicht bebaubar seien und deshalb keinen Sondervorteil vermittelten, treffe vorliegend nicht zu. Vorliegend sei jedenfalls der Luftraum über der öffentlichen Verkehrsfläche über drei Geschosse bebaut; zudem werde auch der Raum darunter als Kellergeschoss genutzt. Die Bebauung im Luftraum nutze ihrerseits die öffentliche Verkehrsfläche, weil sie von sieben quadratischen Pfeilern unterschiedlicher Größe im öffentlichen Verkehrsraum getragen werde. Anderenfalls müssten jedenfalls die Grundflächen der Pfeiler für den umlagefähigen Aufwand berücksichtigt werden.

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Die Kammer hat den Rechtstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. Oktober 2010 haben die Beteiligten einvernehmlich auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet.

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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die in der mündlichen Verhandlung weiterhin überreichten Pläne und Fotos verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden. Sie ist zulässig, aber überwiegend unbegründet. Der angefochtene Ausbaubeitragsbescheid vom 18.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2007 wird nur insoweit aufgehoben, wie er einen Betrag von 28.053,79 € übersteigt; nur insoweit ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

23

Rechtsgrundlage des Beitragsbescheides ist § 8 Abs. 1 KAG iVm § 1 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung und den Aus- und Umbau öffentlicher Straßen (Straßen, Wege und Plätze) - Ausbaubeitragssatzung - vom 18. Juli 2002, in Kraft getreten am 28. Juli 2002 (ABS 2002).

24

Danach erhebt die Beklagte zur teilweisen Deckung des Aufwands für die Herstellung sowie Aus- und Umbau öffentlicher zum Anbau bestimmter Straßen, Wege und Plätze Beiträge. Eine Straßenausbaumaßnahme ist dann beitragsfähig, wenn die nach § 2 Abs. 1 KAG erforderliche Satzung einen Beitragstatbestand begründet, die Maßnahme notwendig ist und den Eigentümern der im Wirkungsbereich dieser Maßnahme liegenden Grundstücke infolge der Maßnahme Vorteile geboten werden. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

25

Bei der Kehdenstraße handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung iSd § 8 Abs. 1 KAG iVm § 1 ABS 2002 (im Beschluss des Bauausschusses vom 7.2.2002 als „Abrechnungseinheit“ bezeichnet). Der ausbaubeitragsrechtliche Begriff der öffentlichen Einrichtung deckt sich mit dem der Erschließungsanlage i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, den öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wegen und Plätzen (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 31 Rn. 6 und 7). Einrichtung in diesem Sinne ist dabei grundsätzlich die Straße in ihrer gesamten Ausdehnung (Habermann in: Dewenter/ Habermann/ Riehl/ Steenbock/ Wilke, KAG, Stand Oktober 2008, § 8 Rd. 131, 282). Für die Feststellung der räumlichen Ausdehnung der Einrichtung ist auch im Ausbaubeitragsrecht von einer natürlichen Betrachtungsweise auszugehen und ungeachtet einer wechselnden Straßenbezeichnung auf das äußere Erscheinungsbild eines Straßenzuges (z.B. Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge, Straßenausstattung, Zahl der „erschlossenen“ Grundstücke), seine Verkehrsfunktion sowie vorhandene Abgrenzungen (Kreuzungen oder Einmündungen), die eine Verkehrsfläche augenfällig als ein eigenständiges Element des Straßennetzes erscheinen lassen, abzustellen (OVG Schleswig, Urt. v. 30.4.2003 - 2 LB 105/02 - NordÖR 2003, 422, 424; v. 25.6.2003 - 2 LB 55/02 -; v. 26.9.2007 - 2 LB 20/07 - Die Gemeinde 2008, 47 ff.).

26

Bei natürlicher Betrachtungsweise erscheint die hier im Innenstadtbereich zwischen Holstenbrücke/ Martensdamm bis Küterstraße/ Alter Markt verlaufende Kehdenstraße als eine solche Einrichtung. Entgegen der Auffassung des Klägers zählt der Anna-Pogwisch-Platz nicht dazu, sondern bildet eine eigene Einrichtung im Sinne einer beitragsfähigen Erschließungsanlage nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, die sowohl als Parkplatz als auch zu anderen Zwecken genutzt wird (vgl. dazu Driehaus, a.a.O. § 12 Rn. 9 ff), wie z.B. den angeführten Marktveranstaltungen Kieler Umschlag und Kieler Woche. Von daher kann es sich bei dem Anna-Pogwisch-Platz allein schon wegen seiner Funktion, seiner Größe und räumlichen Abgrenzbarkeit von der Kehdenstraße nicht nur um eine unselbständige Parkfläche iSd § 127 Abs. 2 Nr. 4 1. Alt. BauGB handeln, die Bestandteil der Verkehrsanlage Straße wäre.

27

Die abgerechnete Straßenbaumaßnahme ist beitragsfähig, da sie den anliegenden Grundstücken einen maßnahmebedingten Vorteil bietet. Bei der hier erfolgten Ersetzung der vorhandenen, unebenen und verschiedenartigen Fahrbahnoberfläche durch ein neues, einheitliches Pflaster, der einheitlich neuen Pflasterung des Gehwegs, der Neuanlage von Parkflächen und dem erstmaligen Einbau eines verstärkten, den heutigen Verkehrsverhältnissen angepassten frostsicheren Unterbaus in Fahrbahn und Gehwegen sowie bei der Installation einer neuen, dem Stand der Technik entsprechenden Beleuchtung durch Austausch von vier Überspannungs- und Hängeleuchten durch elf erdverkabelte Aufsatzleuchten mit Stahlrohrmasten handelt es um einen verbessernden Ausbau und eine Erneuerung, teilweise zugleich auch um einen Umbau iSd § 8 Abs. 1 KAG und § 1 ABS 2002.

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Zum Ausbau im engeren Sinne gehört u.a. die technische Verbesserung einer vorhandenen Einrichtung in ihrem bisherigen Zustand der Benutzbarkeit. Technisch verbessert wird die Einrichtung Straße etwa durch eine andersartige Befestigung und / oder Verstärkung des Unterbaus einer flächenmäßigen Teileinrichtung (Fahrbahn, Rad- oder Gehweg), die eine verbesserte Benutzbarkeit der Straße bewirkt (Habermann a.a.O., Rn. 156). Hierzu zählt auch das Aufnehmen und Neuverlegen einer aus Großpflaster bestehenden Fahrbahnoberfläche auf verstärktem und erstmalig frostsicherem Unterbau. Dies verbessert den Zustand der Fahrbahn, weil ihre Tragfähigkeit und Belastbarkeit erhöht und die Frostanfälligkeit verringert wird. Zugleich liegt darin eine Erneuerung, die als nochmalige Herstellung ebenfalls dem Ausbaubeitragsrecht iSd § 8 KAG unterfällt und in Betracht kommt, wenn die alte Einrichtung nicht mehr voll funktionsfähig und damit abgängig ist. Sie versetzt die Straße in einen Zustand, der auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus den voraussichtlichen Anforderungen des Verkehrs genügen wird (vgl. Habermann a.a.O., Rn. 147 ff.). Dies ist für eine mit Großpflaster hergestellte und nach über 50 Jahren neu befestigte Fahrbahn der Fall, wenn – wie hier – die alte, mit Großpflaster befestigte Fahrbahn bereits an zahlreichen Stellen abgesackt und deshalb ausgebessert war, was zeigt, dass nicht nur die Fahrbahn selbst, sondern auch der Untergrund erneuerungsbedürftig war (OVG Schleswig, Urt. v. 24.02.1999 - 2 L 146/96 - NordÖR 1999, 311). Unbestritten ist insoweit vorgetragen, dass die Fahrbahn der Kehdenstraße bereits Anfang des letzten Jahrhunderts mit Großpflaster hergestellt worden war und dass die Fahrbahnoberfläche wegen der Versackungen mehrfach durch Asphaltarbeiten ausgebessert werden musste. Dies zeigen auch die im Verwaltungsvorgang befindlichen Fotos. Unter diesen Umständen bestehen keine Zweifel daran, dass die Fahrbahn zur Zeit ihrer Herstellung und noch vor dem Ausbau keinen ausreichenden Unterbau hatte.

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Auch für den Gehweg macht die Beklagte geltend, dass dessen Benutzbarkeit aufgrund der vor der Ausbaumaßnahme vorhanden gewesenen Absackungen der Gehwegplatten und der aufgetretenen Unebenheiten und Stolperkanten beeinträchtigt und daher zu erneuern gewesen sei. Dessen ungeachtet liegt in der Aufnahme der bituminösen Befestigung bzw. der Platten nebst Tragschicht und in dem Einbringen einer Beton-, Frostschutz- und Schotterschicht unter dem neu verlegten, einheitlichen Belag eine technische Verbesserung im o.g. Sinne, weil sie den Unterbau dem Stand der Technik und den aktuellen Verkehrsbedürfnissen anpasst, ihn verstärkt und so die Benutzbarkeit des Gehwegs insgesamt verbessert.

30

Die Umstellung der Beleuchtung von Überspannungsleitungen auf Stahlrohrmasten mit Erdverkabelung diente der Anpassung an die technische Entwicklung und ist ebenfalls als verbessernder Ausbau anzuerkennen, da eine erdverkabelte Anlage deutlich weniger störanfällig ist als eine den Witterungs- und Umwelteinflüssen permanent ausgesetzte Freileitung (vgl. dazu VG Schleswig, Urt. v. 10.11.2009 - 9 A 95/07 – mwN; Habermann, a.a.O. Rn. 147a mwN). Da die Anlage statt mit vier nun mit elf Leuchten ausgestattet ist, liegt zugleich ein Ausbau im Sinne der Erweiterung einer einzelnen Teileinrichtung vor, aufgrund derer die Straße besser ausgeleuchtet wird (vgl. Habermann, a.a.O., Rn. 154).

31

Verbessernder Ausbau und Erneuerung bieten den Anliegern einen maßnahmebedingten Vorteil, weil sie den Gebrauchswert der anliegenden Grundstücke erhöhen. Der Ausbauzustand der Straße unterscheidet sich nach Durchführung der Baumaßnahme positiv von dem zum Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung. Der Vorteil der Erneuerung besteht darin, dass eine verschlissene und abgängige Teileinrichtung durch eine neue ersetzt wird. Durch beide Maßnahmen verbessert sich die Erschließungssituation der anliegenden Grundstücke, weil ihre Zugänglichkeit erleichtert wird (OVG Schleswig, Urt. v. 24.02.1999 - 2 L 146/96 - NordÖR 1999, 311 = SchlHA 1999, 190; Habermann a.a.O. Rn. 140, 150 f.).

32

Darüber hinaus stellt die vorgenommene Ausstattung des Gehwegs mit neuen Betonplatten und Bändern aus Granit statt nur mit Asphalt bzw. Betonplatten eine beitragsfähige Umbaumaßnahme dar. Denn als Umbau gilt auch die Umgestaltung einer Teileinrichtung, ohne dass es insoweit auf eine technische Verbesserung ankommt (OVG Schleswig, Urteil vom 30.4.2003 - 2 LB 105/02 - NordÖR 2003, 422 f.). Soweit schließlich im Bereich der Fahrbahn und des Gehwegs zusätzliche Bäume gepflanzt und die Fahrbahn durch Neuanordnung der Parkflächen umgestaltet worden ist, liegt auch darin ein beitragspflichtiger Umbau, weil damit der Fahrzeugverkehr zurückgedrängt und der Fußgänger- und Fahrradverkehr erleichtert wird. So wird durch den Umbau die Wohn- und Geschäftslage attraktiver gestaltet, was wiederum zu einer Wertsteigerung der Grundstücke führt (vgl. Habermann, a.a.O. Rn. 162 f. mwN).

33

Die ausgeführten Maßnahmen waren notwendig. Obwohl § 8 Abs. 1 KAG nur von notwendigen Einrichtungen und nicht von notwendigen Maßnahmen spricht, können Beiträge für Ausbau- und Umbaumaßnahmen an notwendigen Einrichtungen nur erhoben werden, wenn die Maßnahmen und die Aufwendungen ihrerseits notwendig sind (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 24.02.1999 - 2 L 146/96 - NordÖR 1999, 312). Hinsichtlich der Beurteilung dessen, was notwendig ist, steht der Gemeinde ein weites Ermessen zu, in dessen Rahmen sie sowohl die räumliche Ausdehnung und den Umfang der Maßnahme als auch die Auswahl des Materials bestimmt. Dieser Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn sachlich schlechthin unvertretbare Kosten entstanden sind (OVG Schleswig, Urt. v. 13.10.1999 - 2 L 116/97 - Die Gemeinde 2000, 43, 44 f.; Urt. v. 30.4.2003, a.a.O.). Greifbare Anhaltspunkte für eine derartige Verletzung des Gebotes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit hat der Kläger nicht dargelegt. Vielmehr überschreiten die getroffenen Maßnahmen das in B-Stadt auch sonst übliche und der Einzelrichterin aus zahlreichen Verfahren bekannte Maß an Straßenausbau nicht. Soweit der Kläger dennoch bestreitet, dass Fahrbahn und Gehweg nicht über einen hinreichenden Unterbau verfügten und eine Erneuerung nicht erforderlich gewesen sei, bleibt dies eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte unterlegte Behauptung und könnte i.Ü. auch dahinstehen, weil insoweit auch ein verbessernder Ausbau gegeben ist. Daneben bietet die von der Beklagten gewählte Ausstattung des Gehwegs mit Betonplatten und Bändern aus Granit nach den vorgelegten Fotos und in Anbetracht der gerade beabsichtigten Attraktivitätssteigerung des Altstadtbereichs keine Anhaltspunkte für Verbesserungs- und Umbaumaßnahmen in einem unangemessenen Rahmen.

34

Die abgerechnete Ausbaumaßnahme führt für den Kläger zu einem konkret grundstücksbezogenen Vorteil, weil sie aufgrund der räumlichen Nähe des Grundstücks eine objektive, qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Verkehrseinrichtung bietet. Aufgrund der unmittelbaren Anliegerschaft kann die Kehdenstraße vom klägerischen Grundstück aus stärker in Anspruch genommen werden als von anderen Grundstücken. Auf einen bezifferbaren Vermögenszuwachs und eine im konkreten Einzelfall nachweisbare Nützlichkeit kommt es ebenso wenig an wie auf eine tatsächliche Benutzung und die subjektive Sicht des einzelnen Grundstückseigentümers. Maßgeblich ist vielmehr, dass im Verhältnis zu nichtindividualisierbaren Dritten eine abstrakte, allein nach objektiven Kriterien zu beurteilende Besserstellung eintritt (OVG Schleswig, Beschl. v. 06.09.2001 - 2 L 172/01 -; Habermann a.a.O. Rn. 141 f.). Dies ist zwar für jede Teileinrichtung getrennt zu beurteilen (OVG Schleswig, Beschl. v. 13.01.2003 - 2 M 122/02 -; Urt. v. 25.06.2003 - 2 LB 55/02 - Die Gemeinde 2003, 268), kann vorliegend aber ohne weiteres für die gesamte Einrichtung angenommen werden, weil der insgesamt vorgenommene Aus- und Umbau der Verkehrsberuhigung und Attraktivitätssteigerung diente. Dies steigert nicht nur den Wohnwert, sondern kommt auch den gewerblichen Betrieben entgegen. Die Grundstücke sind gefahrloser zu erreichen; durch den zurückgedrängten Fahrzeugverkehr werden mehr Fußgänger angezogen und der Kreis der potenziellen Kunden erhöht (vgl. Habermann a.a.O. Rn. 141 mwN). Dass sich – konzeptionell bedingt – dadurch die Parkplatzsituation verschlechtert, vermag die gegebenen Vorteile nicht aufzuwiegen.

35

Als Miteigentümer des veranlagten Grundstücks zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides ist der Kläger als Gesamtschuldner auch persönlich beitragspflichtig, § 8 Abs. 5 Satz 3 KAG, § 11 Abs. 1 Satz 2 ABS. Nach Fertigstellung der Baumaßnahme und technischer Abnahme war die sachliche Beitragspflicht zu diesem Zeitpunkt entstanden und die Beitragsforderung auch noch nicht verjährt.

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Der Höhe nach ist die Beitragsforderung nur mit einem Betrag von 28.053,79 € gerechtfertigt. Dabei ist zunächst die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes nicht zu beanstanden.

37

Beitragsfähig sind die dem Ausbau der Einrichtung nach dem Bauprogramm zuzurechnenden Kosten (Habermann, a.a.O. Rn. 304). Unstreitig gehört zur öffentlichen Einrichtung auch der über das Grundstück des Klägers verlaufende Gehweg, der nach dem Bauprogramm ebenso auszubauen war wie die im Eigentum der Beklagten stehenden Gehwegflächen. Ist eine solche private Fläche dem öffentlichen Verkehr gewidmet und ist die entsprechende Nutzung - wie hier - aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung nebst Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit vertraglich und dinglich gesichert, so dass diese Fläche langfristig zur öffentlichen Einrichtung gehört und sowohl den beitragspflichtigen Anliegern als auch dem öffentlichen Verkehr auf Dauer zur Verfügung steht, ist nicht ersichtlich, weshalb der gerade hier betriebene Aufwand anders behandelt werden sollte als der auf im öffentlichen Eigentum stehenden Flächen. Dies muss konsequenterweise auch gegenüber dem privaten Eigentümer der ausgebauten Fläche gelten, wenn dieser – mehr oder weniger zufällig – zugleich Eigentümer eines anliegenden und bevorteilten Grundstücks ist.

38

Die Beitragsfähigkeit des insoweit betriebenen Aufwandes ist auch nicht durch den vom Kläger angeführten Vertrag aus dem Jahre 1960 ausgeschlossen. Mit § 5 Abs. 3 des Vertrages hat die Beklagte gegenüber den Rechtsvorgängern des Klägers die Unterhaltung und Befestigung des Gehweges übernommen. Da sich diese zunächst einmal nur privatrechtlich geschuldete Leistung zugleich auf eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Verkehrsfläche bezieht, obliegt sie der Beklagten zudem aus der öffentlich-rechtlichen normierten Straßenbaulast nach § 10 StrWG. Soweit die damit aus öffentlichem Recht heraus wahrzunehmenden Aufgaben und die damit einhergehenden Kosten zugleich einen beitragsfähigen Aufwand iSd § 8 KAG darstellen, sind diese sowohl den Anliegern als auch dem Kläger gegenüber abrechenbar, wenn und soweit daraus ein beitragsrelevanter Vorteil erwächst. Der Vertrag enthält insoweit auch keinen in die Zukunft gerichteten Ausschluss, sondern nur in Bezug auf die 1960 geplante Verbreiterung.

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Beitragsfähig sind weiter nur die tatsächlich angefallenen (§ 8 Abs. 3 S. 1 KAG, § 2 Abs. 1 ABS) und die dem Ausbau kausal zuzurechnenden Kosten, mithin diejenigen, die ohne die Straßenbaumaßnahme nicht entstanden wären. Fiktive oder kalkulatorische Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinne sind dabei ausgeschlossen (Habermann, a.a.O. Rn. 302, 307 mwN). Hiervon ausgehend durften etwaige Kosten für das in die Fahrbahn (wieder) eingebrachte Großpflaster nicht einbezogen werden, weil die Beklagte dieses aus der Kehdenstraße selbst oder aus anderen Beständen zur Verfügung gestellt und daher keine tatsächlichen Kosten gehabt hat. Entgegen der Behauptung des Klägers lässt sich aber auch nicht feststellen, dass insoweit eine Einbeziehung erfolgt wäre. Etwaige Beschaffungskosten sind jedenfalls in der Schlussrechnung nicht aufgeführt. Umgekehrt war die Beklagte nicht gehalten, dem beitragsfähigen Aufwand eine fiktive Gutschrift für das aufgenommene Pflaster zukommen zu lassen, soweit es möglicherweise nicht gleich wieder in die Kehdenstraße eingebaut worden sein sollte. Da weder die jetzigen Anlieger noch ihre Vorgänger durch Entrichtung etwaiger Beiträge Rechte an dem eingebauten Material erworben haben (selbst wenn die Materialkosten in die Beiträge einmal eingeflossen sein sollten), können sie insoweit auch keinen „Wertersatz“ geltend machen, wenn es aufgenommen und beseitigt wird. Solange die Gemeinde das aufgenommene Material im Übrigen nicht wirtschaftlich verwertet, sondern zur Wiederverwendung vorhält, bleibt dies kostenneutral (OVG Schleswig, Urt. v. 30.04.2003 - 2 LB 105/02 - NordÖR 2003, 422, 424). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das in der Kehdenstraße aufgenommene Pflaster nicht gleich wieder eingebaut worden wäre und dass etwaiges überschüssiges Altmaterial entgegen den der Einzelrichterin auch aus anderen Verfahren bekannten Bekundungen der Beklagten nicht – wie allgemein üblich – verwahrt, sondern wirtschaftlich verwertet worden wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

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Ebenso wenig war die Beklagte gehalten, eine fiktive Kostenersparnis deshalb zu berücksichtigen, weil die Straßenbaumaßnahme Anlass war, zugleich die in der Kehdenstraße verlegten Abwasser- und sonstigen Leitungen oder Einrichtungen zu erneuern. Zu dieser Frage hat das Gericht bereits in der rechtskräftigen Entscheidung vom 27.06.2008 (9 A 333/05) Stellung genommen und dazu unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG Schleswig (Urt. v. 11.2.1998 - 2 L 136/96 - Die Gemeinde 1998, 220, 224 und - 2 L 79/96 - NordÖR 1998, 268, 272) ausgeführt, dass eine hypothetische Betrachtungsweise, nach der der Gesamtaufwand bei getrennten Maßnahmen höher wäre und deshalb Minderkosten aufzuteilen seien, nach schleswig-holsteinischem Landesrecht irrelevant bleibt, da es auch insoweit nach § 8 Abs. 3 S. 1 KAG stets nur auf die tatsächlich entstandenen Kosten unter Berücksichtigung der (tatsächlich erfolgten) Leistungen und Zuschüsse Dritter ankommt. Folglich werden auch nur tatsächlich eingetretene Ersparnisse relevant. Eine Verminderung der Kosten kann allenfalls dann in Frage kommen, wenn der Träger der Maßnahme - etwa durch öffentlich-rechtlichen Vertrag - verpflichtet worden ist, sich an den Kosten der Fahrbahnaufnahme sowie deren Erneuerung zu beteiligen. Eine Verpflichtung zur Einbeziehung anderer Träger und deren Beteiligung an den Kosten besteht für die Gemeinde jedoch nicht.

41

Zutreffend hat die Beklagte auch die Kosten für die Erneuerung der Kellergeschossdecke unter dem Gehweg im Arkadenbereich als tatsächlich angefallene und dem Ausbau kausal zuzurechnende Kosten eingeordnet. Nach der statisch-konstruktiven Stellungnahme des beauftragten Ingenieurbüros vom 13.08.2003 sollte die Kellergeschossdecke im Rahmen der Ausbauarbeiten oberhalb der Rohdecke nur eine Abdichtung erhalten, bis sie anlässlich der vorbereitenden Baumaßnahmen bereits bei leichten Stemmarbeiten auffällige Schwingungen zeigte und sich daraufhin herausstellte, dass sie wegen der unzureichenden Deckenkonstruktion und der vorhandenen Schäden straßenseitig vollständig erneuert werden musste, um die erforderliche Tragfähigkeit herzustellen. Die damit erforderlich gewordenen Arbeiten hätten zwar auch losgelöst von etwaigen Ausbauabsichten im Rahmen der Straßenbaulastpflicht als Unterhaltung oder Reparatur und ohne Umlage auf die Anlieger ausgeführt werden müssen, doch weist die Beklagte letztlich richtig darauf hin, dass sich diese Situation deshalb noch nicht maßgeblich von der im Übrigen festzustellenden Erneuerungsbedürftigkeit bzw. Verbesserungsfähigkeit des Gehwegs unterscheidet. Es liegt im Rahmen ihres Ermessens und ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich die Gemeinde als Straßenbaulastpflichtige aufgrund der vorhandenen Schäden an einer flächenmäßigen Verkehrseinrichtung dazu entschließt, diese insgesamt auszubauen statt weiterhin punktuelle Reparaturen vorzunehmen. Insofern kann die Beitragsfähigkeit der insgesamt im Rahmen des Ausbaus vorgenommenen Arbeiten nicht davon abhängen, dass die erforderlich werdenden Arbeiten im Detail zuvor schon alle bekannt sind; ihre Notwendigkeit kann sich vielmehr auch erst anlässlich des ohnehin geplanten Ausbaus zeigen. Damit sind auch die Kosten für die erforderliche Erneuerung einer nicht tragfähigen Kellergeschossdecke, die den Unterbau eines Gehwegs bildet und anlässlich einer Ausbaumaßnahme erfolgt, Teil des beitragsfähigen Aufwandes, wenn – wie hier - der Ausbau insgesamt erforderlich und damit beitragsfähig ist. Dass die Beklagte gegenüber dem Kläger auch privatrechtlich zur Erneuerung der Kellergeschossdecke verpflichtet war, ändert daran nach den obigen Ausführungen nichts.

42

Da im Übrigen keine Zweifel an der Notwendigkeit von Art und Umfang einzelner Arbeiten vorgetragen oder ersichtlich sind, bleibt die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes ohne Beanstandung. Des Weiteren zutreffend hat die Beklagte die Kehdenstraße entsprechend § 3 Nr. 1 ABS als Anliegerstraße definiert und deshalb gemäß § 2 Abs. 2 ABS 75 % des beitragsfähigen Aufwands auf die Anlieger umgelegt.

43

Es obliegt dem Satzungsermessen der Gemeinde, nach welchen Straßentypen zu unterscheiden und infolgedessen der Anliegeranteil zu staffeln ist. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sie sich dabei aus Gründen der Praktikabilität auf eine relativ grobe Unterscheidungen beschränken darf (OVG Schleswig, Urt. v. 23.07.2008 - 2 LB 54/07 - NVwZ-RR 2009, 130), wie hier etwa auf die Unterscheidung in § 3 ABS nach Anliegerstraße / Innerortsstraße / Durchgangsstraße (und Fußgängerzone).

44

Die Zuordnung selbst unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung, wobei die von der Satzung verwendeten Begriffe regelmäßig nicht straßenrechtlich, sondern beitragsrechtlich zu verstehen sind. Die beitragsrechtliche Zuordnung zu dem einen oder anderen Straßentyp orientiert sich „an ihren wesentlichen, für die Straße insgesamt bedeutsamen und sie überwiegend charakterisierenden Merkmalen, wobei von der Funktion der Straße im Gesamtverkehrsnetz der Gemeinde auszugehen ist, wie sie durch ihre Lage, die Art der Ausgestaltung und die Belastung ihre Ausprägung gefunden hat (OVG Schleswig, a.a.O.; Habermann a.a.O., Rn. 331 mwN). Dabei richtet sich die Funktion vor allem nach der Verkehrsplanung der Gemeinde und dem darauf beruhenden Ausbauzustand (OVG Schleswig, Beschl. v. 03.07.2002 – 2 L 164/01 -). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Zuordnung ist der der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (OVG Schleswig, Urt. v. 20.9.2007 - 2 LB 20/07 - Die Gemeinde 2008, 42), hier mithin das Jahr 2004.

45

Hiervon ausgehend ist die Kehdenstraße zutreffend als Anliegerstraße eingestuft worden. Die Anliegerstraße dient nach § 3 Nr. 1 ABS dem überwiegenden Zugang oder der Zufahrt zu den von ihr erschlossenen Grundstücken. Hierzu zählen auch verkehrsberuhigte Bereiche. Anlieger- bzw. Erschließungsverkehr iSd § 3 Nr. 1 ABS ist derjenige Verkehr, der zu den in Anspruch genommenen Grundstücken hinführt und von ihnen ausgeht, der sog. Ziel- und Quellverkehr. Die Innerortsstraße dient demgegenüber nach § 3 Nr. 2 ABS der Erschließung von Grundstücken und überwiegend dem Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen (z.B. Verkehrsstraßen, Hauptsammelstraßen, Sammelstraßen). Im Rahmen der hier gewählten dreistufigen Typisierung gelten sie als Erschließungsstraßen mit innerörtlicher Verkehrsbedeutung, die zur Aufnahme des innerörtlichen Durchgangsverkehrs bestimmt sind, Ortsteile verbinden und den Verkehr in Richtung eines anderen Ortsbereichs sammeln (OVG Schleswig, Urt. v. 20.9.2007 a.a.O. zur Vorläuferregelung des § 2 Abs. 5 Nr. 2 ABS; Habermann a.a.O., Rn. 336 mwN).

46

Sowohl Ausgestaltung und Lage als auch die verkehrsmäßige Belastung sprechen dafür, die Kehdenstraße als Anliegerstraße zu definieren. Ausgestaltet ist sie als verkehrsberuhigter Bereich, als eine auf 20 km/h geschwindigkeitsbeschränkte Einbahnstraße mit abgesenkten Bordsteinen, Parkflächen parallel zur Fahrbahn und Baumpflanzungen. Zudem kommt der Kehdenstraße innerhalb des Gesamtstraßennetzes trotz ihrer zentralen Lage im Altstadtbereich und trotz der Einbahnstraßensituation in der Küterstraße keine innerörtliche Verkehrsbedeutung im Sinne einer baugebiets- oder ortsteilübergreifenden Funktion zu. Nachvollziehbar hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass schon die Straßenführung im Altstadtbereich gegen eine solche Annahme spricht. Unbestritten ist die Kehdenstraße nicht der einzige Zugang des privaten Nahverkehrs zum Zentrum der Kieler Altstadt, zum Alten Markt, der zwar eine reine Fußgängerzone ist, auf dem aber abends nach 19.00 Uhr Lieferverkehr zu den anliegenden Geschäften und Betrieben stattfindet. Ebenso wenig ist der Anna-Pogwisch-Platz für den Bereich der Kieler Altstadt der einzige Parkplatz, der von motorisierten Verkehrsteilnehmern angefahren werden kann, um von dort die Betriebe und Geschäfte in der Altstadt zu erreichen. Hinzu kommt, dass die Zahl der tatsächlich in der Kehdenstraße verkehrenden Fahrzeuge noch nichts über deren Ziel und Quelle besagt und dass es im Übrigen auch nicht auf eine rein mathematisch vergleichende Betrachtungsweise ankommt. Zunächst ist nicht zu verkennen, dass die Kehdenstraße selbst schon zahlreiche Einrichtungen, Geschäfte und Restaurants erschließt, die wiederum einen eigenen Anliefer- und Besucherverkehr erzeugen und der als prägender Anliegerverkehr zu betrachten ist (vgl. Habermann a.a.O., Rn. 334; OVG Schleswig, Beschl. v. 16.01.2009 - 2 MB 29/08 -). Dessen ungeachtet besitzt jede Straße im Gemeindegebiet – bis auf Sackgassen - neben der reinen Erschließungsfunktion eine mehr oder weniger bedeutsame Verbindungsfunktion für andere Straßen und Baugebiete. Das allein macht sie noch nicht zur Innerortsstraße (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 20.9.2007 a.a.O.). Solange Ausgestaltung und verkehrsmäßige Planung der Ausbaustraße im Gesamtverkehrsnetz die Funktion einer Innerortsstraße gerade nicht beimessen und die in der Straße verkehrenden Fahrzeuge auch tatsächlich im Baugebiet / Ortsteil bleiben, ohne einen Durchgangsverkehr im o.g. Sinne darzustellen, kommt es letztlich noch nicht einmal darauf an, dass der Fremdverkehr gegenüber dem Anliegerverkehr möglicherweise sogar überwiegt, weil dies allein eine Gleichstellung mit einer Innerortsstraße nicht rechtfertigen würde (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 14.11.2008 - 2 MB 21/08 -). So liegt es hier. Eine Bedeutung als Innerortsstraße, wie sie die Beklagte etwa - gerichtsbekannt - der Holtenauer Straße, der Beseler Allee oder dem Schülperbaum/ Königsweg nachvollziehbar zumisst, ist danach für die Kehdenstraße ebenso wenig gegeben wie etwa – gerichtsbekannt – für die Legienstraße.

47

Von der Einrichtung „Kehdenstraße“ ausgehend ist das Abrechnungsgebiet iSd § 4 Abs. 1 S. 1 ABS zutreffend gebildet worden. Einzubeziehen sind nicht nur die durch ihr unmittelbares Anliegen an der ausgebauten Straße bevorteilten Grundstücke, sondern auch Hinterliegergrundstücke, bei denen ebenfalls noch eine räumlich enge Beziehung zur Ausbaustraße gegeben ist, sei es, weil sie über einen rechtlich gesicherten Zugang dorthin verfügen, sei es, dass der Eigentümer von Anlieger- und Hinterliegergrundstück identisch ist und von daher einem Zugang jedenfalls keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Hier reicht ein tatsächlicher Zugang über das Anliegergrundstück aus oder eine einheitliche Nutzung beider Grundstücke, so dass sich der Erschließungsvorteil aufgrund der vom Willen des Eigentümers getragenen Nutzung auf das Hinterliegergrundstück erstreckt und die Grundstücke wie ein einheitliches Grundstück erscheinen. Hier gebietet es der Gedanke eines angemessenen Vorteilsausgleichs, solche Hinterliegergrundstücke bei der Aufwandsverteilung ebenfalls zu berücksichtigen (BVerwG zum Erschließungsbeitragsrecht, Urt. v. 15.01.1988 - 8 C 111/86 - BVerwGE 79, 1 ff., in juris Rn. 18; dem folgend OVG Schleswig, Urt. v. 24.10.1996 - 2 L 108/96 - Die Gemeinde 1997, 217; Habermann, a.a.O. Rn. 184 - 186).

48

Bei den hier in Frage gestellten Hinterliegergrundstücken der Anliegergrundstücke Kehdenstraße ... und Kehdenstraße ... besteht zwar Eigentümeridentität, doch kann nach den ausführlichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung anhand von Karten und Fotos weder festgestellt werden, dass insoweit ein Zugang zur Kehdenstraße besteht, noch, dass die Grundstücke einheitlich genutzt würden. Eine vorteilsbegründende einheitliche Nutzung ist zunächst bei einer Überbauung der Grundstücksgrenzen gegeben (dazu OVG Schleswig, Beschl. v. 18.12.2007 - 2 LA 33/07 -, v. 04.10.2005 - 2 MB 35/05 -, v. 19.11.2001 - 2 L 112/01 -), kann aber auch ohne Überbauung angenommen werden, wenn die Grundstücke grenzübergreifend gewerblich, land- oder forstwirtschaftlich oder auch privat einheitlich genutzt werden. Auch wenn es im Falle der einheitlichen Nutzung auf eine tatsächliche Zufahrt oder einen Zugang nicht mehr ankommt - weil der ausbaubeitragsrechtliche Vorteil kein Erschlossensein iSd Baurechts verlangt -, muss ein solcher Zugang doch wenigstens möglich sein (Thiem/ Böttcher, KAG, § 8 Rn. 570, 572), um eine Vorteilsgewährung iSd Ausbeitragsrechts annehmen zu können.

49

Vorliegend besteht in beiden Fällen keine einheitliche Nutzung. Die Grundstücke sind zwar geschlossen bebaut, die Grundstücksgrenzen – soweit ersichtlich – aber nicht überbaut. Sämtliche Grundstücke werden gewerblich genutzt, ohne dass insoweit aber von einer einheitlichen gewerblichen Nutzung gesprochen werden könnte, da die Hinterliegergrundstücke jeweils verschiedene Gewerbe beherbergen und diese wiederum verschiedenen Gewerbetreibenden zuzuordnen sind. Dies ist unstreitig.

50

Fehlt es an einer einheitlichen Nutzung, kommt die Annahme eines Vorteils aufgrund eines tatsächlich bestehenden Zugangs auch hier nur in Frage, wenn das jeweilige (Hinterlieger-) Grundstück von der Ausbaustraße her so erreichbar ist, wie es seine zulässige und bestimmungsgemäße Nutzung gebietet (Habermann a.a.O., Rd. 180), wobei es auch ausreichen würde, dass diese Grundstücksnutzung in einer nicht nur untergeordneten Weise realisiert werden kann (Driehaus, a.a.O. § 35 Rn. 12 mwN). Mit Blick auf die hier gegebene Nutzung durch Geschäfte, Restaurants, Büroräume und die damit zusammenhängenden konkreten Bedürfnisse kann daher bei einer geschlossenen Bauweise grundsätzlich auch eine fußläufige Zugangsmöglichkeit durch das Gebäude auf dem Anliegergrundstück ausreichen. Allerdings besteht auch eine solche Zugangsmöglichkeit zur Überzeugung des Gerichts hier nicht. Soweit überhaupt Verbindungen bestehen, gewährleisten diese keinen den bestimmungsgemäßen Gebrauch gewährleistenden offenen und ungehinderten Zugang für Besucher und Kunden.

51

Die hinter den Grundstücken Kehdenstraße ... und ... liegenden Grundstücke Faulstraße ... und ... werden nach den Feststellungen im Verwaltungsvorgang und den in der mündlichen Verhandlung noch einmal umfassend dargelegten neuerlich angestellten Ermittlungen der Beklagten durch die Grundstücksverwaltung PPF genutzt. Anlieger und Hinterlieger verfügen weder über einen gemeinsamen Innenhof noch sonst über einen ausreichenden Zu- oder Durchgang. Lediglich im Keller des Gebäudes Kehdenstraße ... befindet sich ein Heizungsraum, der von beiden Seiten durch - regelmäßig verschlossene - Türen theoretisch betretbar ist. Ebenso unzureichend ist der für die Hinterlieger des Grundstücks Kehdenstraße ... festgestellte Zugang. Bei den Hinterliegern handelt es sich um die Grundstücke Holstenbrücke ..., ... und ..., wobei das Grundstück Holstenbrücke ... seinerseits mit dem dahinterliegenden Grundstück Faulstraße ... einheitlich durch ein Schnellrestaurant genutzt wird. Der Haupteingang zu diesem Geschäftskomplex liegt an der Holstenbrücke. Eine Verbindung zur Kehdenstraße über das durch die Landeszentrale für politische Bildung und ein Drogeriegeschäft genutzte Anliegergrundstück Kehdenstraße ... besteht auch hier lediglich theoretisch und nur in unzureichendem Maße über die im Treppenhaus nur im 1. OG befindlichen Notausgänge.

52

Des Weiteren kann das klägerische Grundstück nicht in voller Größe zum Kreis der vorteilhabenden Grundstücke gezählt werden. Dabei geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass grundsätzlich die gesamte Fläche der jeweils bevorteilten Buchgrundstücke an der Aufwandsverteilung teilzunehmen hat (vgl. Habermann a.a.O., Rn. 343). Entsprechend hat sie das klägerische Grundstück mit seiner Gesamtgröße von 425 m² einbezogen, dabei aber nicht berücksichtigt, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil davon - 103 m² - als Gehweg genutzt wird. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass von dem genannten Grundsatz u.U. dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn ein Teil des Buchgrundstücks unterschiedlich genutzt wird oder nutzbar ist (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 26.09.2007 - 2 LB 21/07 – NVwZ-RR 2008, 346 = Die Gemeinde 2008, 169). So liegt es hier. Die der Beklagten zur Gehwegnutzung überlassene Grundstücksfläche ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 StrWG Bestandteil der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße und damit der privatwirtschaftlichen Nutzung durch die Grundstückseigentümer entzogen. Diese Teilfläche kann nicht einerseits Bestandteil einer ausgebauten Erschließungsanlage iSd § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB sein und sich gleichzeitig durch den Ausbau einen beitragsrelevanten Vorteil verschaffen (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 11.02.1998 - 2 L136/98 - Die Gemeinde 1998, 220, 223 für eine mit einem zur Fernstraße gehörenden Lüftergebäude bebauten Grundstücksfläche; Habermann, a.a.O. Rn. 348). Aufgrund der zu duldenden öffentlichen Nutzung ist diese Fläche nicht so bebaubar, dass daraus eine „Vorteilsfähigkeit“ entstünde. Daran ändert auch der Einwand der Beklagten nichts, dass jedenfalls der Luftraum über der Teilfläche - ab dem 1. Obergeschoss - und der unter der Teilfläche befindliche Kellerraum weiterhin zur privaten Nutzung zur Verfügung steht. Vorteilsbegründend ist die Verfügbarkeit und bauliche Nutzbarkeit der Grundfläche (vgl. nochmals OVG Schleswig, Urt. v. 11.02.1998 a.a.O.). Dass die Grundfläche mit den zum Gebäude gehörenden Stützpfeilern bebaut ist, ist allein der besonderen Vereinbarung von 1960 geschuldet, die den Grundstückseigentümern die Nutzung des Luftraums ab dem 1. Obergeschoss beließ, obwohl dieser grundsätzlich auch Bestandteil der öffentlichen Straße ist (vgl. heute § 2 Abs. 2 Nr. 2 StrWG) und damit noch zur Erschließungsanlage gehören müsste. Auch diese Art der Bebauung ist daher nicht „vorteilsfähig“.

53

Nach alledem können diese 103 m² weder in die Gesamtverteilungsfläche (Abrechnungsgebiet nach § 4 Abs. 1 S. 1 ABS) noch zulasten des Klägers unter Zugrundelegung der Grundstücksfläche nach §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 2 ABS in die Beitragsbemessung einbezogen werden. Nicht zu beanstanden ist hingegen, dass die nach § 7 Abs. 2a ABS maßgebliche tatsächliche Geschossfläche jedenfalls für die drei im Luftraum liegenden Obergeschosse eingerechnet worden ist. Bei der danach erforderlichen Neuberechnung muss schließlich auch der dem Grunde nach zutreffend erhobene grundstücksbezogene Artzuschlag nach § 9 S. 1 2. Alt. ABS i.H.v. 30 % der ermittelten Grundstücks- und Geschossfläche korrigiert werden. Der umlagefähige Aufwand von 475.160,36 € verteilt sich daher nur auf eine Beitragsfläche von 42.259 m², was zu einem Beitragssatz von 11,244003 €/m² und für den Kläger zu einem Beitrag i.H.v. 28.053,79 € führt.

54

Letztlich nicht zu beanstanden ist die Art der gewählten Finanzierung und Abrechnung mittels eines Austauschvertrages gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 KAG i.V.m. §§ 121, 123 LVwG. Es ist weder ersichtlich noch geltend gemacht, dass die Beklagte dadurch gegen ein gesetzliches Ge- oder Verbot verstoßen hätte. Die Beklagte hat nicht auf die Erhebung von Abgaben verzichtet, sondern nur auf die teilweise Geltendmachung durch Bescheid (zur grds. Zulässigkeit: OVG NW, Urt. v. 19.03.2002 – 15 A 4043/00 – NVwZ-RR 2003, 147, in juris Rn. 19 ff.). Ebenso wenig ist erkennbar, dass die gesplittete Abrechnungsweise im Ergebnis zulasten der Adressaten der Beitragsbescheide gegangen wäre.

55

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


Gründe

1

Die Beschwerde, die sich auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO stützt, bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). In dem vorgenannten Sinne dargelegt bzw. bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) ist ein Verfahrensmangel nur dann, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan ist (stRspr; s. nur Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Daran fehlt es hier.

3

a) Die Darlegungen der Beschwerde lassen nicht erkennen, dass das angefochtene Urteil deshalb auf einem Verfahrensmangel beruht, weil das Oberverwaltungsgericht unter Verkennung prozessualer Vorschriften durch Sachurteil statt durch Prozessurteil entschieden hat. Die Beschwerde rügt, die Klägerin sei im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen; damit dringt sie nicht durch.

4

Als Jagdgenossenschaft wird die Klägerin im gerichtlichen Verfahren durch den Jagdvorstand gesetzlich vertreten (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BJagdG). Diesbezüglich hat sie im vorinstanzlichen Verfahren eine auf den 22. Oktober 2009 datierte, von den drei Mitgliedern des Jagdvorstandes (H. M., T. M., G. F.) unterzeichnete Prozessvollmacht vorgelegt, durch die sie die Anwaltskanzlei, die in diesem Zeitpunkt die Klageschrift bereits eingereicht hatte, mit der Prozessführung betraut hat. Der Umstand, dass die Klagefrist (§ 74 VwGO) am 22. Oktober 2009 bereits abgelaufen war, schadet nicht, denn eine Prozessvollmacht kann nachgereicht werden (§ 67 Abs. 6 Satz 2 VwGO). Daraus folgt, dass ein etwaiger Mangel der Vollmacht bei Klageerhebung noch nach Ablauf der Klagefrist bis zum Erlass eines die Unzulässigkeit aussprechenden Prozessurteils mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann (Urteil vom 21. Januar 2004 - BVerwG 6 A 1.04 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 40 S. 75). Soweit die Beschwerde mit den erst nach Ablauf der Begründungsfrist (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) eingegangenen Schriftsätzen vom 3. und 11. Dezember 2012 Bedenken gegen die Ordnungsgemäßheit der Wahl eines der drei vollmachterteilenden Mitglieder des Jagdvorstandes (T. M.) erhebt, folgt ihnen der Senat nicht. Zwar gilt der Grundsatz, dass das Gericht die Sachentscheidungsvoraussetzungen einschließlich derjenigen der Vorinstanz in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vorb. § 40 Rn. 10, Vorb. § 124 Rn. 29 ff., § 137 Rn. 26, 39, jeweils m.w.N.), auch für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde. Er verpflichtet das Beschwerdegericht aber nicht, auf bloße Mutmaßungen hin, namentlich wenn sie außerhalb der Beschwerdebegründungsfrist geäußert werden, Ermittlungen ins Blaue hinein anzustellen. Der Beigeladene zu 1, dem die namentliche Zusammensetzung des Jagdvorstandes der Klägerin spätestens seit deren Schriftsatz vom 9. November 2009 (GA Bl. 45) bekannt war, hätte etwaige Zweifel an der Besetzung des Gremiums, wenn schon nicht gegenüber dem Oberverwaltungsgericht, so doch jedenfalls innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist darlegen können und müssen.

5

Durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vertretung der Klägerin ergeben sich auch nicht daraus, dass diese einen Beschluss über die Prozessführung, dessen Existenz der Beigeladene zu 1 ausdrücklich bestritten hatte, gegenüber dem Oberverwaltungsgericht nicht nachgewiesen hat. Nach der Satzung der Klägerin vom 23. März 1986 (§ 6 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5) fasst der Jagdvorstand seine Beschlüsse, über die eine Niederschrift zu fertigen und von den Teilnehmern zu unterzeichnen ist, mit Stimmenmehrheit. Ob das Vorliegen eines förmlichen Beschlusses des Jagdvorstandes überhaupt Wirksamkeitsvoraussetzung für die Klageerhebung ist, kann dahinstehen. Denn die Klägerin hat dem Senat, der die für die Prüfung des behaupteten Verfahrensfehlers erforderlichen Tatsachenfeststellungen selbst treffen kann, auf Anforderung das von allen Vorstandsmitgliedern unterschriebene Protokoll ihrer Vorstandssitzung vom 6. April 2009 vorgelegt; darin war die Ausschöpfung des Klagerechts einstimmig beschlossen worden. Die Aussagekraft dieses Protokolls wäre auch dann nicht erschüttert, wenn die von der Beschwerde erwähnten Umstände, insbesondere die Bezeichnung der beiden während der Vorstandssitzung vom 6. April 2009 anwesenden Gäste, darauf hindeuten sollten, dass es erst nachträglich gefertigt worden sein könnte. Denn für die Zulässigkeit der Klage ist auch dann, wenn sie einen dahin gehenden Beschluss des Jagdvorstandes voraussetzt, allein entscheidend, dass die Niederschrift den geforderten Nachweis über die betreffende Beschlussfassung - die im Übrigen bereits in der einvernehmlich erteilten Prozessvollmacht vom 22. Oktober 2009 ihren Niederschlag gefunden hatte - nunmehr erbringt. Die ergänzende Akteneinsicht, die der Beigeladene zu 1 diesbezüglich begehrt, erübrigt sich, nachdem er von der zu den Gerichtsakten gereichten Kopie des Protokolls eine Ablichtung erhalten hat und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist.

6

b) Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang eine Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) erhebt und darauf stützt, das Oberverwaltungsgericht habe die Behauptung der Klägerin über das Vorliegen eines Beschlusses ihres Jagdvorstandes zur Prozessführung nicht ungeprüft zur Grundlage des angefochtenen Urteils machen dürfen, dringt sie auch damit nicht durch. Auch wenn sie ausreichend dargelegt haben sollte, dass sich dem Oberverwaltungsgericht eine konkrete weitere Sachaufklärung ohne Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung von sich aus aufdrängen musste, könnte sich ein etwaiger Mangel im Ergebnis nicht ausgewirkt haben, nachdem der Senat seinerseits das Protokoll des Beschlusses beigezogen hat.

7

c) Ein Verfahrensfehler ist dem Oberverwaltungsgericht entgegen dem Vorbringen der Beschwerde auch nicht dadurch unterlaufen, dass es seine Entscheidung im Zusammenhang mit dem entscheidungstragend herangezogenen § 64 FlurbG auf einen zuvor nicht erörterten rechtlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit unter Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) eine Wendung gegeben hätte, mit der der Beigeladene zu 1 nicht zu rechnen brauchte. Vielmehr hatte das Gericht auf die - seiner Auffassung nach eng auszulegende - Regelung des § 64 FlurbG mehrfach ausdrücklich hingewiesen (s. etwa Verfügung vom 14. November 2011, GA Bl. 269 ff., Beschluss vom 16. Januar 2012, GA Bl. 296 ff.).

8

2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

9

a) Die Beschwerde möchte als grundsätzlich bedeutsam geklärt wissen, ob eine Jagdgenossenschaft sich auch dann gegen "flurbereinigungsveranlasste" Veränderungen ihres Jagdbezirkes wehren kann, wenn diese im Nachbarrevier anfallen und sich nur aufgrund gesetzlicher Vorgaben zur Mindestfläche auf das eigene Revier auswirken. Denn in diesem Fall richte sich das Interesse der Jagdgenossenschaft unmittelbar gegen das Jagdrecht und nicht gegen die flurbereinigungsrechtliche Maßnahme. Diese Grundsatzrüge geht fehl. Die Beschwerde übersieht, dass der Senat in seinem Beschluss vom 24. Mai 2011 - BVerwG 9 B 97.10 - (Buchholz 424.01 § 10 FlurbG Nr. 3) zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf das eigentumsrechtlich geschützte Jagdausübungsrecht von Jagdgenossenschaften deren Befugnis zur Klage auch gegen solche flurbereinigungsrechtlichen Maßnahmen zur Änderung der Eigentumsverhältnisse bejaht hat, die - wie hier wegen der Bildung eines neuen Eigenjagdbezirks - bewirken, dass die Jagdgenossenschaft wegfällt, weil die gesetzlich vorgeschriebene Mindestfläche nicht mehr erreicht wird. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht ansatzweise erkennen, dass insoweit noch Klärungsbedarf bestehen könnte.

10

b) Die Frage,

"ob es, wie das Oberverwaltungsgericht meint ... nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass die Entscheidung der Spruchstelle bei Hinzuziehung eines Forstwirts anders ausgefallen wäre, oder ob nicht mindestens positive Hinweise darauf vorliegen müssen, oder sogar darüber hinausgehend sogar die Gewissheit gegeben sein muss, dass die Entscheidung der Spruchstelle anders ausgefallen wäre, wenn ein Forstwirt hinzugezogen worden wäre",

kann die Zulassung der Revision ebenfalls nicht rechtfertigen. Schon die auf den Einzelfall bezogene Formulierung der Frage macht deutlich, dass die Beschwerde im Gewande einer Grundsatzrüge lediglich nach Art einer Berufungsbegründung ihre abweichende Einschätzung der Ergebnisrelevanz des vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Verfahrensfehlers vorbringen will. Sie zeigt nicht in Auseinandersetzung mit den maßgeblichen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts und der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem - § 115 LVwGSH entsprechenden - § 46 VwVfG (vgl. etwa Urteil vom 29. Oktober 2008 - BVerwG 6 C 38.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 2 Rn. 42 und vom 24. Juni 2010 - BVerwG 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 Rn. 40 f.) auf, weshalb der vorliegende Rechtsstreit Gelegenheit zur Fortentwicklung derselben geben könnte. Sollte die Beschwerde geklärt wissen wollen, ob für die hier in Rede stehende Verletzung der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 4 Satz 2 des schleswig-holsteinischen Ausführungsgesetzes zum Flurbereinigungsgesetz Besonderheiten hinsichtlich der Fehlerfolgen gelten, beträfe dies die Auslegung und Anwendung nicht revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

11

c) Die Frage, ob § 64 Satz 1 FlurbG mit den Worten "nach der Ausführungsanordnung" auf den Zeitpunkt des Ergehens der Ausführungsanordnung bzw. des Eintritts des neuen Rechtszustandes abstellt oder an die Bestandskraft der Ausführungsanordnung (Monatsfrist) oder gar erst an den Ablauf der Frist für Anträge nach § 71 Satz 3 FlurbG (Dreimonatsfrist) anknüpft, verhilft der Beschwerde ebenso wenig zum Erfolg. Die Frage lässt sich beantworten, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

12

Schon der Wortlaut des § 64 FlurbG deutet darauf hin, dass der Erlass der Ausführungsanordnung den maßgeblichen Bezugszeitpunkt bildet. Gesichtspunkte der Gesetzessystematik und des Normzwecks bestätigen diese Auslegung. So ist die Befugnis der Flurbereinigungsbehörde, nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG "andere" - d.h. nicht durch begründete Widersprüche veranlasste - Änderungen des Flurbereinigungsplans vorzunehmen, zeitlich beschränkt auf die Spanne des Verfahrensablaufs zwischen Planerstellung und Ausführungsanordnung; von da an gilt die strengere Regelung des § 64 FlurbG (Urteil vom 16. September 1975 - BVerwG 5 C 44.75 - BVerwGE 49, 176 <181 f.>). Während die Flurbereinigungsbehörde bis zur Ausführungsanordnung zu denjenigen Änderungen des Flurbereinigungsplans befugt ist, die sie für erforderlich hält, besteht in dem Zeitraum zwischen der Ausführungsanordnung und der Schlussfeststellung im Interesse der Rechtssicherheit eine engere Bindung an die eigene Planung (Urteil vom 10. November 1993 - BVerwG 11 C 21.92 - Buchholz 424.01 § 64 FlurbG Nr. 7 S. 7). Übereinstimmend damit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass (schon) nach dem "Erlass" bzw. dem Eintritt der Wirksamkeit der Ausführungsanordnung eine Plankorrektur nur noch unter den engen Voraussetzungen des § 64 Satz 1 FlurbG in Betracht kommt (Beschluss vom 31. Januar 1979 - BVerwG 5 B 72.77, 76.77 - Buchholz 424.01 § 60 FlurbG Nr. 3 S. 3; Urteile vom 26. März 1981 - BVerwG 5 C 67.79 - Buchholz 424.01 § 64 FlurbG Nr. 4 S. 4 und vom 14. April 1983 - BVerwG 5 C 60.80 - Buchholz 424.01 § 45 FlurbG Nr. 14 S. 4).

13

d) Ferner rechtfertigt die Frage, ob das Tatbestandsmerkmal "erfordern" in § 64 Satz 1 FlurbG im Sinne von "unabweisbar notwendig" zu verstehen ist oder ob es schon dann vorliegt, wenn vernünftige Gründe des öffentlichen Interesses vorliegen und in der Abwägung überwiegen, die Zulassung der Revision nicht.

14

Abgesehen davon, dass eine nachträgliche Plankorrektur die Voraussetzungen der beiden ersten Alternativen des § 64 Satz 1 FlurbG nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann erfüllt, wenn als besonders wichtig anzusehende Interessen sie "unumgänglich" erscheinen lassen (Urteile vom 16. September 1975 und vom 26. März 1981, jeweils a.a.O.), hat sich die von der Beschwerde aufgeworfene Frage dem Oberverwaltungsgericht nicht in einer für die Entscheidung erheblichen Weise gestellt. Eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt oder auf die sie nicht entscheidend abgehoben hat, kann regelmäßig nicht die Zulassung der Revision zur Folge haben (Beschlüsse vom 14. November 2008 - BVerwG 6 B 61.08 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 47 Rn. 3 und vom 6. Mai 2010 - BVerwG 6 B 73.09 - Buchholz 448.0 § 29 WPflG Nr. 24 Rn. 4, jeweils m.w.N.). Im Falle einer mehrfachen, die Entscheidung jeweils selbstständig tragenden Begründung bedarf es in Bezug auf jede dieser Begründungen eines geltend gemachten und vorliegenden Zulassungsgrundes (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 15). Hier hat das Oberverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 64 Satz 1 FlurbG - jeweils selbstständig tragend - deshalb als nicht erfüllt angesehen, weil (erstens) nicht erkennbar sei, dass das Interesse der Klägerin überhaupt in die erforderliche Interessenabwägung eingestellt worden sei, (zweitens) nicht ersichtlich sei, wie der Beklagte gegebenenfalls dieses Interesse gewichtet habe, und (drittens) "unabhängig von den vorangehenden Ausführungen" keine hinreichenden Anhaltspunkte für die unumgängliche Notwendigkeit der Plankorrektur sprächen.

15

3. Schließlich ist die Revision auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Bezugsentscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14). Daran fehlt es hier. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem von der Beschwerde angeführten Urteil vom 16. September 1975 (a.a.O.) keineswegs "im Rahmen von § 64 FlurbG eine bloße Interessenabwägung" genügen lassen. Vielmehr hat es, wie bereits erwähnt, ausdrücklich hervorgehoben, dass bei den beiden erstgenannten Alternativen des § 64 Satz 1 FlurbG eine nachträgliche Plankorrektur dergestalt geboten sein muss, dass als besonders wichtig anzusehende Interessen eine Planänderung bzw. Ergänzung unumgänglich erscheinen lassen, um die Neugestaltung so zu bewirken, wie es den gegeneinander abzuwägenden Interessen der Beteiligten entspricht und wie es das Wohl der Allgemeinheit erfordert. Einen diesem Rechtssatz widersprechenden Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht nicht aufgestellt.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18. Juni 2008 (3 A 416/06) geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über Straßenbaubeiträge für den Bau einer von der X.-Straße in der Gemeinde Y., Ortsteil B-Stadt abzweigenden Stichstraße. Die X.-Straße verläuft von der Verbindungsstraße zwischen Y. und A-Stadt abzweigend hufeisenförmig durch den Ortsteil B-Stadt auf die Verbindungsstraße zurück. Von der X.-Straße zweigt in ihrem südlichen Teil ein Verbindungsweg nach Z. ab (#-Straße), der mit Betonplatten befestigt ist. Daneben zweigt die Stichstraße ab. Sie ist ca. 90 m lang und erschließt fünf Grundstücke, die mit eingeschossigen Doppelhäusern bebaut sind. Die Grundstücke der Klägerin (Gemarkung B-Stadt, Flur 3, Flurstücke 11/1, 11/2 und 21) sind Anliegergrundstücke des hufeisenförmigen Hauptzuges der X.-Straße.

2

Die X.-Straße wurde in ihrem Hauptzug schon 1996 u.a. mit einer drei Meter breiten Fahrbahn mit überfahrbarem einseitigem Gehweg ausgebaut und sodann beitragsmäßig abgerechnet. Auch die Klägerin ist herangezogen worden. Der Ausbau der Stichstraße (Sackgasse) soll zum damaligen Zeitpunkt aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sein (vgl. die „Beschreibung der Verkehrsanlage vor Durchführung der Baumaßnahme“). Nachdem auf dem Grundstück 6/1 die Wohngebäude (Doppelhäuser) errichtet worden waren, ließ der Beklagte auch die Sackgasse ausbauen. Die mit ungebundenem Schotter und teilweiser Schlacketragschicht befestigte, keine Oberflächenentwässerungsanlage aufweisende und nur mit einer einzigen Straßenlampe ausgestattete Stichstraße erhielt eine etwa 3 m breite Fahrbahn mit Pflasterdecke, eine Straßenentwässerung in Form einer Regenwasserleitung sowie 3 Straßenlaternen. Die letzte Unternehmerrechnung ging im Juni 2001 ein (Schlussrechnung der Firma ### GmbH A-Stadt vom 06. Juni 2001).

3

Der Beklagte zog die Klägerin für den Ausbau der Stichstraße auf der Grundlage der Satzung der Gemeinde Y. über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen und Wegen vom 11. Juni 2001 (SBS 01) in Verbindung mit der Ergänzungssatzung zur Straßenbaubeitragssatzung vom 17. September 2001 mit Bescheiden vom 14. Dezember 2005 zu Straßenausbaubeiträgen in Höhe von 217,93 Euro für das Flurstück 11/1 (Bescheid Nr. 05600014), 426,36 Euro für das Flurstück 11/2 (Bescheid Nr. 05600015) sowie 126,05 Euro für das Flurstück 21 (Bescheid Nr. 05600024) heran. Der Beklagte legte dabei der Beitragsberechnung die Einordnung der X.-Straße als „Innerortsstraße“ nach der Ergänzungssatzung vom 17. September 2001 und damit einen Anliegeranteil von 30 % zugrunde.

4

Die Widersprüche der Klägerin wies der Beklagte mit Bescheid vom 16. März 2006, zugestellt am 17. März 2006, zurück.

5

Die Klägerin hat am 05. April 2006 Klage vor dem Verwaltungsgericht Greifswald (3 A 416/06) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, sie sei durch den Ausbau der Sackgasse nicht bevorteilt, weil ihre Grundstücke nicht dort anlägen. Die Sackgasse sei kein unselbständiges Anhängsel des Hauptzuges der X.-Straße, vor allem weil durch die Doppelhäuser eine Bebauungsmassierung anzunehmen sei. Außerdem sei die X.-Straße vor ihrem Ausbau im Jahre 2000 noch nicht endgültig hergestellt gewesen.

6

Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 18. Juni 2008, dem Beklagten zugestellt am 08. Juli 2008, aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die am Hauptzug der X.-Straße liegenden Grundstücke der Klägerin durch den Ausbau der Stichstraße nicht bevorteilt im Sinne des § 7 Abs. 1 KAG M-V seien. Sie lägen weder unmittelbar an der Stichstraße an noch seien sie als Hinterliegergrundstücke in die Aufwandsverteilung einzubeziehen. Denn entgegen der Auffassung des Beklagten bildeten der Hauptzug der X.-Straße und die Stichstraße keine einheitliche Anlage. Beide Straßen dienten unterschiedlichen Verkehrsfunktionen. Die Stichstraße sei eine Anliegerstraße, weil sie ausschließlich der Erschließung der angrenzenden Grundstücke diene. Demgegenüber sei der Hauptzug der X.-Straße als Innerortsstraße einzustufen. Dies folge nicht bereits aus ihrer entsprechenden Zuordnung in der Ergänzungssatzung der Gemeinde, die das Gericht nicht binde, sondern daraus, dass die X.-Straße neben dem Anliegerverkehr auch dem innerörtlichen Verkehr im Ortsteil B-Stadt diene und diesen der Verbindungsstraße zwischen Y. und A-Stadt zuführe. Außerdem nehme die X.-Straße – wenn auch nur in geringem Umfange – Durchgangsverkehr nach Z. auf. Darauf, ob die Sackgasse auch noch aus anderen Gründen, etwa aufgrund einer „Bebauungsmassierung“ als eingeständige Anlage anzusehen sei, komme es danach nicht mehr an. Schließlich komme es auch nicht mehr darauf an, ob die Stichstraße ungeachtet ihres Erscheinungsbildes deshalb hätte eigenständig nach dem Erschließungsbeitragsrecht abgerechnet werden müssen, weil sie vor Durchführung der hier in Rede stehende Ausbaumaßnahme – anders als der Hauptzug der X.-Straße – noch nicht endgültig hergestellt gewesen sei.

7

Der Senat hat auf den Antrag des Beklagten (Eingang bei dem Verwaltungsgericht Greifswald am 07. August 2008) die Berufung mit Beschluss vom 30. April 2009, zugestellt am 06. Mai 2009, zugelassen. Der Beklagte hat die Berufung mit bei dem Oberverwaltungsgericht am 08. Juni 2009 (Montag) eingegangenem Schriftsatz unter Stellung eines Berufungsantrages begründet. Er trägt im Wesentlichen vor, die X.-Straße sei, anders als das Verwaltungsgericht dies sehe, keine Innerortsstraße. Sie sei eine durch ein Wohngebiet verlaufende Straße, die ausschließlich der Aufnahme des Ziel- und Quellverkehrs der angrenzenden Grundstücke nebst der Stichstraße diene. Sie sei eine Einbahnstraße, an der weder Gewerbebetriebe noch sonstige öffentliche Einrichtungen anlägen. Die X.-Straße nehme auch keinen Durchgangsverkehr nach Z. auf. Im weiteren Verlauf der #-Straße finde rechtmäßig nur landwirtschaftlicher Verkehr statt. Der Weg sei nur für diesen Verkehr freigegeben, im Übrigen sei die Durchfahrt verboten. Daher sei die Stichstraße ein sogenanntes unselbständiges Anhängsel der X.-Straße. Die Anliegerstraßen der Gemeinde seien am 03. Oktober 1990 überwiegend mit ungebundenem Schotter befestigt gewesen, insbesondere die abzweigenden Stichstraßen.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18. Juni 2008 die Klage abzuweisen.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

die Berufung zurückzuweisen.

12

Sie tritt dem Vorbringen des Beklagten entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Sie ist der Auffassung, an dem Hauptzug der X.-Straße lägen verschiedene Gewerbebetriebe an, die an der Stichstraße vorzufindende Wohnbebauung stelle eine die Einordnung der Stichstraße als selbständige Anlage rechtfertigende „Bebauungsmassierung“ dar, bei der Bewertung der Selbständigkeit der Stichstraße müsse auch das Verhältnis ihrer Länge zur Länge des Hauptzuges der X.-Straße betrachtet werden und ihr Ausbau sei seinerzeit bei der Sanierung der X.-Straße nicht als Gesamtmaßnahme geplant gewesen. Ferner sei die Stichstraße erstmals hergestellt worden, denn eine Befestigung mit ungebundenem Schotter habe in der Gemeinde nicht den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprochen; Gemeindestraßen seien überwiegend mit Betonplatten oder Kopfsteinpflaster befestigt gewesen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten nebst den dazu vorgelegten Verwaltungsvorgängen (Beiakte I) verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin zu Unrecht stattgegeben und die Bescheide aufgehoben.

15

Die Berufung ist mit Beschluss des Senats vom 30. April 2009, zugestellt am 06. Mai 2009, zugelassen worden. Die Berufungsbegründung ist fristgemäß am Montag, dem 08. Juni 2009 beim Oberverwaltungsgericht eingegangen. Ein Berufungsantrag ist gestellt. Die Gründe der Anfechtung sind im Einzelnen angeführt (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschl. vom 02.06.2005 - 10 B 4.05 -, juris).

16

Die Berufung ist begründet. Die Klage der Klägerin ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide vom 14. Dezember 2005 sind rechtmäßig. Sie finden in der Straßenbaubeitragssatzung von 2001 ihre nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Satzungsgrundlage.

17

Die Frage der Wirksamkeit dieser Satzung ist beteiligtenseitig weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren problematisiert worden. Auch das Verwaltungsgericht ist von ihrer Wirksamkeit ausgegangen. Offensichtliche Fehler drängen sich auch dem Senat nicht auf. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte war eine intensive Vollüberprüfung der Satzung nicht veranlasst.

18

Der Beklagte hat die Klägerin in Anwendung dieser Satzung zu Recht für den Ausbau der Stichstraße herangezogen. Die Stichstraße bildet zusammen mit dem Hauptzug der X.-Straße eine einheitliche Anlage im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts. Durch den Ausbau der Stichstraße wird daher auch den Grundstücken der Klägerin (anliegend am Hauptzug der X.-Straße) eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit (§ 4 SBS 01) eröffnet. Mit Eingang der letzten Unternehmerrechnung (Schlussrechnung) der ### GmbH A-Stadt im Juni 2001 sind die sachlichen Beitragspflichten für die gesamte Anlage entstanden. Die Klägerin konnte daher – wie geschehen – noch mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 veranlagt werden.

19

Die Stichstraße bildet zusammen mit dem Hauptzug der X.-Straße eine einheitliche Anlage.

20

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Ausdehnung der Anlage ist der erschließungsbeitragsrechtliche Anlagenbegriff (vgl. zuletzt Beschl. des Senats vom 10.02.2009 - 1 M 117/08 -, juris, Rn. 17). Daraus folgt, dass ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht für die Beantwortung der Frage, was beitragsfähige Anlage im Sinne von § 8 Abs. 1 KAG M-V ist, grundsätzlich darauf abzustellen ist, was sich bei natürlicher Betrachtungsweise aus der Sicht eines objektiven Betrachters als „gesamte Verkehrsanlage“ darstellt. Die Beurteilung richtet sich dabei nach dem Erscheinungsbild der Straße, wie es sich in seinem Gesamteindruck, geprägt durch die tatsächlichen Verhältnisse etwa in Gestalt von Straßenführung, -länge und -ausstattung, einem objektiven bzw. einem unbefangenen Beobachter vermittelt. Für die Fallgruppe der Stichstraße (Sackgasse) ist in diesem Zusammenhang in der Rechtsprechung der Grundsatz entwickelt worden, dass eine öffentliche, für das Befahren mit Kraftfahrzeugen aller Art vorgesehene Sackgasse in der Regel als selbständig zu qualifizieren ist, wenn sie entweder länger als 100 m ist oder vor Erreichen dieser Länge (mehr oder weniger) rechtswinklig abknickt oder sich verzweigt. Eine Stichstraße ist aber nicht ohne Weiteres schon deshalb als unselbständig zu qualifizieren, weil sie – bei geradem Verlauf – lediglich eine Länge von 75 m aufweist. Werden im allgemeinen Wohngebiet auf der überwiegenden Länge einer solchen Stichstraße etwa zu beiden Seiten zwei- bis dreigeschossige Gebäude in geschlossener Bauweise errichtet und dient die Straße zusätzlich der Erschließung einer an ihrem Wendehammer anschließenden drei- bis viergeschossigen Bebauung, so muss sie wegen dieser „Bebauungsmassierung“ als selbständig angesehen werden (BVerwG, Urt. v. 23.06.1995 - 8 C 30.93 -, BVerwGE 99, 23, 26 m.w.N.; Urt. v. 26.09.2001 - 11 C 16.00 -, NVwZ 2002, 607). Nach diesen Maßstäben spricht hier die Länge der Stichstraße von unstreitig ca. 90 m, ihr gerader und nicht abknickender Verlauf und vor allem auch ihre Ausstattung mit einer nur etwa 3 m breiten Fahrbahn ohne Gehwege für eine Unselbständigkeit der Stichstraße. Gerade der Breite einer Sackgasse kommt für die Frage ihrer Selbständigkeit bzw. Unselbständigkeit Bedeutung zu, weil Zufahrten, die hinterliegende Grundstücke an die Erschließungsanlage anbinden, typischerweise – wie hier – nicht breiter sind als die eigentliche Anbaustraße, die regelmäßig den durchgehenden Verkehr aufzunehmen hat (vgl. BayVGH, Urt. v. 31.08.2006 - 6 B 01.119 -, juris, Rn. 17).

21

Der Annahme der Unselbständigkeit der hier streitigen Stichstraße steht die im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflichten vorzufindende Bebauung an der Stichstraße – anders als von dem Verwaltungsgericht angedeutet – nicht entgegen. In der Rechtsprechung sind zur Selbständigkeit einer Sackgasse führende Fälle einer „Bebauungsmassierung“ neben dem o.g. Fall zwei- bis dreigeschossiger Gebäude in geschlossener Bauweise angenommen worden bei Errichtung von jeweils 8 m breiten Reihenhäusern an beiden Seiten einer etwa 80 m tiefen Sackgasse (siehe auch hierzu BVerwGE 99, 26), oder etwa einer fast die gesamte Länge des Straßenteilstücks einnehmenden vierstöckigen Bebauung mit einem Studentenwohnheim (VG Koblenz, Urt. v. 03.04.2006 - 4 K 1095/05.Ko -, juris, Rn. 23). Damit ist der hier zur Entscheidung anstehende Fall nicht vergleichbar. Weder sind die neuen Wohngebäude auf der südwestlichen Seite des Stichweges in geschlossener Bauweise errichtet (keine „Reihenhäuser“ – wie das Verwaltungsgericht meint –, sondern Doppelhäuser) noch sind sie höher als eingeschossig bebaut. Die Bebauung entspricht vielmehr der Intensität nach dem auch in der Nachbarschaft vorzufindenden Bestand. Eine Massierung von Bebauung entlang der Stichstraße kann nicht festgestellt werden.

22

Eine abweichende Bewertung ist vorliegend auch nicht aufgrund etwaiger unterschiedlicher Verkehrsfunktionen von Hauptzug (X.-Straße) und Stichstraße erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 10.02.2009 - 1 M 117/08 -, juris, Rn. 26 f.) ist eine rechtliche Korrektur des Ergebnisses der Anlagenbestimmung bei natürlicher Betrachtungsweise erforderlich, wenn Hauptzug und Sackgasse wegen unterschiedlicher Verkehrsfunktionen differenzierte Gemeindeanteile zuzuordnen sind. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass den Anliegern von Hauptstraße und Sackgasse nur die ihnen jeweils durch das Ortsrecht zugedachte Vorteilsquote zugerechnet wird. Dann bilden Hauptstraße und Sackgasse straßenbaubeitragsrechtlich grundsätzlich zwei selbständige Anlagen, auch wenn es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um lediglich eine Anlage handeln würde. Vorliegend ist der Hauptzug der X.-Straße – ebenso wie die Sackgasse – als Anliegerstraße anzusehen:

23

Ausgangspunkt der Betrachtung ist § 3 Abs. 5 Nr. 1 und 2 SBS 01. Danach sind Anliegerstraßen solche Straßen, die ausschließlich oder überwiegend der Erschließung der angrenzenden oder durch private Zuwegung mit ihnen verbundenen Grundstücke dienen, und Innerortsstraße solche Straßen und Wege (hauptsächlich Bundes-, Landes-, und Kreisstraßen), die weder überwiegend der Erschließung von Grundstücken noch überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen. Hier ist der Hauptzug der X.-Straße als Anliegerstraße zu bewerten. Dafür spricht, dass von der X.-Straße außer der Straße nach Z. keine weiteren Straßen abzweigen, deren Verkehr die X.-Straße als „Innerortsstraße“ aufnehmen und anderen Straßen zuleiten könnte. Die Straße nach Z. hat eine Betonspurbahn für den landwirtschaftlichen Verkehr und ist daher nicht zur Abwicklung von Durchgangsverkehr von Z. nach B-Stadt, der über die X.-Straße abgeleitet werden müsste, vorgesehen; dem entspricht auch die verkehrsrechtliche Ausschilderung im weiteren Verlauf. Der Verkehr von und zu den am Hauptzug der X.-Straße gelegenen Grundstücken ist als Anliegerverkehr zu bewerten, dies gilt auch für den Ziel- und Quellverkehr der an der X.-Straße liegenden Gewerbegrundstücke (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 34, Rn. 32). Der Verkehr, der von den an der #-Straße anliegenden Wohngrundstücken verursacht und über die X.-Straße abgeleitet wird, ist zwar mit Blick auf die X.-Straße kein Anliegerverkehr, vermag den auf der X.-Straße liegenden, von den dortigen Grundstücken verursachten Anliegerverkehr jedoch aufgrund der relativ geringen Zahl der Wohngrundstücke nicht i.S.v. § 3 Abs. 5 Nr. 2 SBS 01 zu überwiegen.

24

Allein für sich entscheidend für die Einordnung der X.-Straße als Anliegerstraße ist aber schon, dass die X.-Straße mit einer Fahrbahn von nur drei Metern Breite ausgestattet worden ist. Eine derart schmale Fahrbahn ist von vornherein nicht geeignet, die Aufgabe einer Innerortsstraße zu erfüllen. Sie kann daher unabhängig von einer etwaigen tatsächlichen Inanspruchnahme durch landwirtschaftliche Fahrzeuge und Geräte, wie von Klägerseite vorgetragen, auch nicht als „Innerortsstraße“ im satzungsrechtlichen Sinne angesehen werden. Der Senat hat bereits entschieden (s. Beschl. v. 09.07.2007 - 1 M 40/07 -, juris, Rn. 15), dass eine Straße, die mit einer weniger als fünf Meter breiten Fahrbahn ausgestattet ist, nicht den an eine Innerortsstraße zu stellenden Anforderungen genügen kann und vielmehr im Gegenteil ein Merkmal erfüllt, das typischerweise bei Anliegerstraßen anzutreffen ist (so auch OVG Lüneburg, 11.11.1986 - 9 A 25/86 -, KStZ 1987, 136 f. und die bisherige Rechtsprechung des Senates, vgl. Beschl. vom 07.07.2003 - 1 M 67/03 -). Begegnungsverkehr von Lastkraftwagen und/oder Bussen sei bei einer derart geringen Fahrbahnbreite nur unter erheblich erhöhter Vorsicht und verlangsamter Geschwindigkeit und nur mit Ausweichmanövern möglich. Bei einer Ausbaubreite von nur drei Metern gilt dies schon für den Pkw-Verkehr, ohne dass es darauf ankäme, dass der Gehweg im vorliegenden Falle überfahrbar ausgebaut ist (siehe hierzu auch die „Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen“, Ausgabe 1985, erg. 1995 (EAE 85/95), der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen).

25

Wenn danach der Hauptzug der X.-Straße als „Anliegerstraße“ i.S.v. § 3 Abs. 5 Nr. 1 SBS 01 anzusehen ist, so ändert sich daran auch nicht deshalb etwas, weil die X.-Straße nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 der Ergänzungssatzung zur SBS 01 als „Innerortsstraße“ eingestuft ist. Zwar ist eine Satzungsbestimmung als materielles Recht grundsätzlich auch für die Verwaltungsgerichte verbindlich, soweit sie mit höherrangigem Recht in Einklang steht und gültig ist. Hier ist jedoch die Einordnung der X.-Straße als „Innerortsstraße“ bereits selbst vom Satzungsgeber nicht als verbindliche Bestimmung ausgestaltet. Dies folgt aus § 2 Abs. 2 Satz 3 der Ergänzungssatzung, wonach es sich „bei der vorangestellten Zuordnung der Straßen nur um eine prognostische Beurteilung handele“; maßgeblich seien die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht (§ 2 Abs. 2 Satz 1 der Ergänzungssatzung). Die Zuordnung zu einem bestimmten Straßentyp mit entsprechenden Gemeindeanteilen am beitragsfähigen Aufwand (vgl. § 3 Abs. 2 SBS 01) stellt sich bei einer solchen Satzungsformulierung gerade nicht als zwingend, sondern höchstens als „Richtschnur“ für die zu einem späteren Zeitpunkt im Einzelfall vorzunehmende Einordnung dar. Sie kann daher der nach der Verkehrsfunktion und dem Ausbauzustand vorzunehmenden Zuordnung (hier: „Anliegerstraße“) nicht als entgegenstehende Regelung widersprechen.

26

Selbst wenn aber aufgrund der Zuordnung in der Ergänzungssatzung die X.-Straße als „Innerortsstraße“ zu betrachten sein sollte, ergäbe sich daraus für die hier allein interessierende Frage etwaiger unterschiedlicher Verkehrsfunktionen von Stichstraße und Hauptzug keine unterschiedliche Einordnung beider Anlagenteile. Es spricht nichts dafür, dass sich die Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 9 der Ergänzungssatzung lediglich auf den Hauptzug der X.-Straße beziehen sollte und nicht auch auf die Stichstraße, die bei natürlicher Betrachtungsweise deren unselbständiges Anhängsel ist.

27

Die Klägerin macht des Weiteren geltend, bei dem Ausbau der Stichstraße habe es sich um deren erstmalige Herstellung gehandelt. Die Befestigung mit ungebundenem Schotter und teilweiser Schlacketragschicht habe nicht den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprochen. Straßenausbaubeiträge hätten damit für den Ausbau der Sackgasse nicht erhoben werden dürfen.

28

Diese Ansicht geht schon im Ansatz unrichtigerweise darüber hinweg, dass auch bei der Frage, ob die Anlage schon vor dem Wirksamwerden des Beitritts hergestellt gewesen ist und damit ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden kann (§ 242 Abs. 9 BauGB), zunächst die Ausdehnung der Anlage geklärt werden muss. Darauf, dass die Sackgasse womöglich zu dem genannten Zeitpunkt (Oktober 1990) noch nicht hergestellt war, kann es nur ankommen, wenn sie als selbständige Anlage anzusehen war. Das ist jedoch nicht der Fall, weil die Sackgasse 1990, d.h. ohne die neuere Bebauung mit Doppelhäusern, erst recht ein unselbständiges Anhängsel des Hauptzuges der X.-Straße gewesen ist. Sollte die Stichstraße 1990 tatsächlich noch nicht einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellt gewesen sein (vgl. § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB), so wäre folglich die gesamte X.-Straße noch nicht insgesamt fertig gestellt gewesen. Dann wären spätere Baumaßnahmen an dieser Straße insgesamt nach erschließungsbeitragsrechtlichen Regeln abzurechnen, auch wenn sich die Baumaßnahmen als solche nicht auf die gesamte Länge der Verkehrsanlage beziehen (vgl. Driehaus, aaO., § 2 Rn. 48).

29

Nach dieser Betrachtung ist entweder die X.-Straße im Oktober 1990 mit ihrem Ausbau als Betonplattenbahn bzgl. des Hauptzuges und der Befestigung mit Schotter im Bereich der Sackgasse den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellt gewesen mit der Folge einer Abrechnung weiterer Baumaßnahmen allein nach Straßenbaubeitragsrecht. Oder sie war noch nicht insgesamt fertig gestellt, weil die Befestigung allein mit Schotter im Bereich der Stichstraße den Ausbaugepflogenheiten nicht entsprach mit der Folge, dass der weitere Ausbau der Stichstraße nunmehr allein nach Erschließungsbeitragsrecht hätte abgerechnet werden dürfen. Aufgrund des dann geringeren Gemeindeanteils hätten die Anlieger im letzten Falle zu höheren (Erschließungs-)Beiträgen herangezogen werden müssen. Die mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachte Straßenausbaubeitragsforderung wäre demnach als teilweise geltend gemachte Erschließungsbeitragsforderung (vgl. die Satzung der Gemeinde Y. über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen v. 03.11.1997; vgl. zur Rechtmäßigkeit einer in einem Straßenausbaubeitragsbescheid liegenden Erschließungsbeitragsforderung Driehaus, a.a.O., § 2 Rn. 64 f.) gerechtfertigt gewesen.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

31

Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.