Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 04. Nov. 2016 - 6 B 28/16
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes den Ausspruch des an die Antragsgegnerin gerichteten Verbots, zu behaupten oder zu verbreiten, dass er in der Sitzung des Hauptausschusses der Gemeinde XXX falsche Angaben zur Frage des Stellenzuwachses gemacht habe.
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Der Antragsteller ist Bürgermeister der Stadt A-Stadt. Die Antragsgegnerin ist Mitglied des Hauptausschusses des Rates der Stadt A-Stadt.
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Im Februar 2016 beschloss der Rat der Stadt A-Stadt den Stellenplan für das Jahr 2016 in Form der Beschlussvorlagen X/362 und X/362-1. In der Sitzung des Hauptausschusses des Rates am 22.9.2016 stand der Stellenplan für das Jahr 2016 auf Grundlage der Beschlussvorlage X/362 zur Diskussion.
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In der Ausgabe der Zeitung „XXX Tageblatt“ vom 24.9.2016 hieß es: „Ratsfrau D. (FDP) hat Bürgermeister XXX (CDU) gestern vorgeworfen, während der Sitzung im Hauptausschuss am Donnerstag falsche Aussagen gemacht zu haben. In einer Email an unsere Zeitung schrieb sie: „Der Bürgermeister hat gestern den signifikanten Aufbau von Stellen in Stellenplan 2016 geleugnet.““
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Dieser Bericht ist auf der Internetseite der Zeitung unter der Überschrift „D. wirft XXX Falschaussage vor“ noch heute verfügbar. Die Antragsgegnerin postete auf ihrer persönlichen Facebook-Seite den Link zu diesem online verfügbaren Bericht.
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Der Antragssteller forderte die Antragsgegnerin schriftlich auf, die Behauptung zu unterlassen, er habe in der Sitzung des Hauptausschusses im September 2016 falsche Angaben zum Stellenplan 2016 gemacht. Außerdem verlangte er die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Beides lehnte die Antragsgegnerin ab.
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Der Antragssteller hat am 24.10.2016 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe in einer Sitzung des Hauptausschusses des Rates am 22.9.2016 Auskünfte zum Stellenplan der Stadt für das Haushaltsjahr 2016 gegeben. Die insoweit gemachten Angaben seien zutreffend gewesen. Daher handle es sich bei der Behauptung der Antragsgegnerin, er habe falsche Angaben gemacht, um eine falsche Tatsachenbehauptung.
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Die Antragsgegnerin habe die entsprechende Äußerung in dienstlicher Eigenschaft abgegeben und rüge damit die Verletzung der ihr zustehenden Kontrollrechte nach § 30 GO SH. Sie habe ihn in ihrer Funktion als Gemeinderätin der Falschaussage bezichtigt.
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Der Antragsteller beantragt,
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es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, der besonderen Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 €; Ordnungshaft insgesamt höchstes zwei Jahre), zu verbieten, zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, der Antragssteller habe in der Sitzung des Hauptausschusses des Rates der Stadt A-Stadt am 22.9.2016 zur Frage des Stellenzuwachses im Stellenplan der Stadt XXX für das Jahr 2016 gegenüber dem Jahr 2015 falsche Angaben gemacht.
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Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Antragsgegnerin trägt im Wesentlichen vor, dass sie in der Sitzung des Hauptausschusses am 22.9.2016 bemängelt habe, dass ein erneuter Stellenaufbau zu beklagen wäre. Dabei habe sie sich darauf berufen, dass Stellen, die im Rahmen der Flüchtlingshilfe geschaffen worden seien, wegen des nichteingetretenen Bedarfs wieder in Wegfall geraten zu hätten. Dies habe aus ihrer Erinnerung ca. 10-14 Stellen betroffen. Der Antragsteller habe dazu erklärt, dies betreffe lediglich zwei Hausmeisterstellen.
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Nach Überprüfung der entsprechenden Zahlen sei festzustellen gewesen, dass es sich bei den aufgebauten Stellen um 14 Stellen gehandelt habe. Demgemäß habe sie zulässigerweise gegenüber der Presse mitgeteilt, dass der Antragsteller in der Hauptausschusssitzung den signifikanten Aufbau von Stellen im Stellenplan für 2016 geleugnet habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
II.
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Der Antrag ist zulässig aber unbegründet.
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Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vor. Dies ergibt sich hier aus der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch stammt.
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Das streitbefangene Rechtsverhältnis ist öffentlich-rechtlicher Natur. Es wird im vorliegenden Fall dadurch gekennzeichnet, dass sich der Antragsteller in seiner Funktion als Bürgermeister gegen die von der Antragstellerin als Ratsfrau abgegebene Äußerungen zur Wehr setzt. Der Antragsteller hat den Antrag auf Eilrechtsschutz ausdrücklich als Bürgermeister gestellt und wendet sich ebenfalls ausdrücklich gegen Handlungen der Antragsgegnerin in amtlicher Eigenschaft. Damit macht der Antragsteller nach Auffassung der Kammer hier dem Organ Bürgermeister zustehende Rechte zum Verfahrensgegenstand.
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Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Zwar richtet der Antragsteller seinen Antrag richtiger Weise gegen die Antragsgegnerin in ihrer Funktion als Ratsfrau und nicht gegen die Stadt A-Stadt. Der Grundsatz, dass wenn bestimmte Äußerungen in amtlicher Eigenschaft abgegeben werden, der Antrag auf Unterlassen gegen die zuständige Körperschaft zu richten ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17.12.2009, Az.: 2 ME 313/09, juris Rn 7; OLG Bremen, Beschluss vom 24.08.2010, Az.: 1 B 12/10, juris Rn. 4; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 78 Rn. 3 (mwN)), gilt im vorliegenden Fall nicht.
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Zum einen wendet sich der Antragsteller selbst in seiner Funktion als Gemeindeorgan gegen die Antragsgegnerin als Teil eines anderen Gemeindeorgans. Es streiten somit zwei Gemeindeorgane miteinander.
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Zum andern sind die von Ratsmitgliedern abgegebene Äußerungen der Gemeinde nicht ohne weiteres zuzurechnen, da sie im Regelfall Aufgaben wahrnehmen, die mit ihrem freien Mandat in Verbindung stehen. Sie können im Gegensatz zu Beamten im weiteren Sinne nicht durch Weisungen der Gemeinde gebunden werden (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 17.9.1991, Az.: 7 A 10359/91, juris Rn. 40). Infolgedessen ist im vorliegenden Fall der Anspruch gegen die Antragsgegnerin zu richten.
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Die nach § 123 Abs. 1 für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendigen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
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Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag den Erlass einer Sicherungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Sicherungsanordnungen können gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO erlassen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO) und keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vorliegt.
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Der Antragsteller hat vorliegend keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Dies wäre nur dann der Fall, eine summarische Überprüfung der Hauptsache ergibt, dass die Hauptsache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 123 Rn. 25). Dies ist nach Auffassung der Kammer jedoch nicht der Fall.
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Zum einen gelten die allgemeinen Grundsätze, die von der Rechtsprechung in Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch entwickelt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.05.1989, Az.: 7 C 2/87, juris Rn. 48; Urteil vom 20.11.2014, Az.: 3 C 27/13, juris Rn. 11), im vorliegenden Fall nicht unmittelbar. Es fehlt hier an dem klassischen Staat-Bürger-Verhältnis bzw. einem Über- und Unterordnungsverhältnis, welches das dem Anspruch zugrunde liegende Rechtsverhältnis prägt. Die Beteiligten begegnen sich im vorliegenden Fall in ihren amtlichen Funktionen vielmehr auf Augenhöhe.
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Inwieweit dem Antragsteller als Organ der Gemeinde grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch gegen Handlungen von Mitgliedern anderer Organe zustehen kann, kann hier dahinstehen. Denn ein solcher Anspruch setzt jedenfalls voraus, dass eine Verletzung schützenswerter Rechte des Anspruchsstellers durch den Anspruchsgegner erfolgt ist und diese noch andauert oder die konkrete Gefahr der Wiederholung besteht.
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Der Antragsteller hat jedoch im vorliegenden Fall eine Verletzung schützenswerter Rechte, die ihm als Organ Bürgermeister zustehen, nicht glaubhaft gemacht.
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Selbst wenn die Aussage der Antragsgegnerin gegenüber dem „XXX Tageblatt“ eine falsche Tatsachenbehauptung darstellen sollte, werden dadurch erkennbar keine Organrechte des Antragstellers als Bürgermeister verletzt. Die Überschreitung bestimmter Kompetenzen der Antragsgegnerin, welche die Befugnisse des Antragsstellers beschneiden, ist nicht ersichtlich. Nach Auffassung der Kammer ist der hier vorliegende Streit, soweit er sich zwischen den Beteiligten in ihrer amtlichen Funktion abspielt, als rein politische Auseinandersetzung zu werten, die keinerlei Auswirkungen auf kommunalverfassungsrechtlich verankerte Rechte des Antragstellers hat. Insofern ist der Antragsteller gehalten, sich politisch zur Wehr zu steten, ggf. unter Zuhilfenahme der Presse. Derartige politische Auseinandersetzungen sind in der Regel nicht justiziabel.
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Auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG kann sich der Antragsteller als Gemeindeorgan nicht berufen, da dem Organ Bürgermeister kein Persönlichkeitsschutz zu Teil werden kann.
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Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, gegebenenfalls die Verletzung seiner Rechte als Person hinter dem Organ in einem zivilrechtlichen Verfahren geltend zu machen. Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liegt dann nicht vor, da ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Aussage der Antragsgegnerin gegenüber der Presse und ihrem Amt als Gemeinderatsmitglied nicht erkennbar ist. Dies gilt außerdem in Hinblick auf den von der Antragsgegnerin bei Facebook geposteten Link, für den sie ihr eigenes, persönliches Profil nutzte. Allein der politische Kontext, in dem sie den Link postete, begründet keinen funktionalen Zusammenhang zur ihrer Arbeit als Gemeinderatsmitglied.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 63 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.