Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 01. Aug. 2017 - 2 B 38/17

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2017:0801.2B38.17.00
01.08.2017

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. sind erstattungsfähig. Die übrigen Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag,

2

dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO aufzugeben, die Bauarbeiten zur Ausführung des Wohnbauvorhabens der Beigeladenen auf dem Grundstück A-Straße 29, 31, 33 in A-Stadt mit der Katasterbezeichnung, Flurstück XXX, XXX, Flur XXX, Gemarkung XXX durch eine für sofort vollziehbare Ordnungsverfügung vorläufig stillzulegen,

3

hat keinen Erfolg.

4

Vorläufiger Nachbarrechtschutz kann im Genehmigungsfreistellungsverfahren (§ 68 LBO) mangels Vorliegens einer Baugenehmigung nicht gemäß §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO, sondern im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erlangt werden (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 20.07.2006 – 1 MB 13/06 -, m. w. N.; VG Schleswig, Beschluss vom 08.06.2011 – 8 B 25/11 -).

5

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte und sowohl ein Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit der begehrten Regelung) als auch ein Anordnungsanspruch (der materiell-rechtliche Anspruch auf die begehrte Regelung) hinreichend glaubhaft gemacht worden sind (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier nicht vollständig erfüllt.

6

Dem Antragsteller steht im Hinblick auf die Verwirklichung des freigestellten Bauvorhabens der Beigeladenen zwar wegen der bereits begonnenen Bauarbeiten ein Anordnungsgrund zur Seite. Dagegen liegt ein Anordnungsanspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten im Sinne des § 59 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 LBO nicht vor. Ein solcher Anspruch auf Tätigwerden des Antragsgegners bestünde nicht bereits, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 59 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3 LBO vorliegen, sondern es ist vielmehr darüber hinaus erforderlich, dass der Nachbar in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt ist. Maßgebend ist, ob das Bauvorhaben gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn dienen. Ein Verstoß gegen Rechtsnormen, die zumindest auch dem Schutz des um Rechtsschutz suchenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind, ist bereits tatbestandliche Voraussetzung für einen Anspruch des Nachbarn auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens der Bauaufsichtsbehörde bei der Entscheidung darüber, ob sie gegen einen rechtswidrigen Zustand - etwa durch Erlass einer Beseitigungsanordnung - einschreiten soll. Erst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, entsteht für den Nachbarn ein subjektives Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein mögliches bauaufsichtliches Einschreiten. Eine sog. „Ermessensreduzierung auf Null“, bei der sich dieses Ermessen dahingehend verdichtet, dass sich nur ein Einschreiten als rechtmäßige Entscheidung erweist, liegt erst dann vor, wenn geschützte Nachbarrechte in besonders gravierender Weise beeinträchtigt werden (OVG Schleswig, Beschluss vom 05.09.2008, - 1 LA 53/08 -; Beschluss vom 06.01.2015, - 1 LA 60/14 -, beide juris).

7

Vorliegend fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Rechtsverstoßes gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts durch die Realisierung des streitgegenständlichen Bauvorhabens (Neubau von 3 Mehrfamilienhäusern mit je 12 Wohneinheiten).

8

Ein Anordnungsanspruch auf Erlass einer Baustilllegungsverfügung ergibt sich vorliegend nicht auf Grundlage des sogenannten Gebietserhaltungsanspruches, mit dem das Eindringen von der Art nach unzulässigen Bauvorhaben in ein Baugebiet abgewehrt werden kann.

9

Unabhängig von der Frage, ob die betroffenen Grundstücke der Antragsteller und der Beigeladenen im selben Baugebiet liegen, scheidet eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruches schon deshalb aus, weil mit dem Vorhaben der Beigeladenen eine zulässige Nutzung realisiert werden soll (Wohnhäuser). Ein Mehrfamilienhaus dient dem Wohnen und ist mit der Gebietsart „Allgemeines Wohngebiet“ vereinbar. Das nachbarschaftliche Austauschverhältnis wird nicht gestört und es droht zudem keine Verfremdung des Gebietes durch Realisierung des Bauvorhabens. Der Gebietserhaltungsanspruch bezieht sich allein auf die Art, nicht dagegen auf das Maß der baulichen Nutzung. Das Bauvorhaben entspricht der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes, ohne dass es darauf ankommt, ob im fraglichen Gebiet vorwiegend Einzelhäuser oder Geschosswohnungsbau anzutreffen ist. Entgegen der Auffassung der Antragsteller besteht kein Anspruch dahingehend, dass die bauliche Nutzung des Nachbargrundstücks nicht intensiviert wird.

10

Soweit die Antragsteller mit ihrer Argumentation darauf abzielen, die Grundsätze für die Annahme eines Gebietserhaltungsanspruch seien auch auf die Bewahrung der Art der das Gebiet prägenden Bebauung auszudehnen, weist die Kammer darauf hin, dass sie einen solchen Gebietsbewahrungsanspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines konkreten Baugebiets (sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruch) - hier als Gebiet für Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser ohne Geschosswohnungsbau -, abgeleitet aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, grundsätzlich nicht anerkennt (vgl. Beschluss vom 17.12.2012, - 2 B 88/12 -; Beschluss vom 06.09.2013, - 2 B 30/13 -; Beschluss vom 29.01.2014, - 2 B 6/14 -; Beschluss vom 24.02.2014, - 2 B 12/14 -; Beschluss vom 08.12.2014, - 2 B 85/14 -; Beschluss vom 08.06.2015 - 2 B 7/15 -; Beschluss vom 18.04.2016, - 2 B 25/16; ebenso 8. Kammer VG Schleswig, Beschluss vom 18.12.2014, - 8 B 37/14; Beschluss vom 30.06.2015, 8 B 18/15 -; im Ergebnis OVG Schleswig, Beschluss vom 20.07.2015, - 1 MB 16/15 -; so auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 28.5.2014, - 1 ME 47/14 -; alle juris).

11

Selbst wenn die Kammer von der Unwirksamkeit der 7. Änderung des Bebauungsplans Nr. 79 ausgehen würde – wozu sie im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes allerdings nur bei hier nicht vorliegenden offensichtlichen Mängeln gehalten ist – richtete sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach der 5. Änderung des Bebauungsplans und wäre nach seiner Art der baulichen Nutzung auch zulässig. Die 5. Änderung setzte für den Bereich des streitgegenständlichen Vorhabens ebenfalls ein Allgemeines Wohngebiet fest. Dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, kommt im Übrigen keine nachbarschützende Wirkung zu.

12

Die von den Antragstellern behauptete Abweichung von der im Genehmigungsfreistellungsverfahren angezeigten Bebauungstiefe und damit von der festgesetzten Bebauungstiefe begründet – ungeachtet der Frage, ob ein objektiv-rechtlicher Verstoß überhaupt vorliegt – von vornherein keinen nachbarrechtlichen Abwehranspruch.

13

Angesichts des Umstandes, dass das Vorhaben der Beigeladenen über die A-Straße erschlossen wird, die auf der den Antragstellern abgewandten Seite des Baugrundstücks verläuft und keine Verbindung zum A-Straße hat, kommt es für die Antragsteller ersichtlich zu keiner Erhöhung der Verkehrsbelastung.

14

Das Bauvorhaben der Beigeladenen verletzt auch darüber hinaus nicht das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, welches für Vorhaben im räumlichen Geltungsbereich (qualifizierter) Bebauungspläne einfach gesetzlich in § 15 BauNVO verankert ist. Welche Anforderung das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann an Rücksicht verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist.

15

Soweit ein Bauvorhaben die landesrechtlichen Abstandvorschriften einhält, scheidet die Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebotes der Rücksichtnahme im Regelfall aus (OVG Schleswig, Beschluss vom 11.11.2010 – 1 MB 16/10 -, juris; OVG Schleswig, Urteil vom 20.01.2005 – 1 LB 23/04 -, NordÖR 2005, 314; BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 – 4 B 128/98 -, juris). Unter besonderen Umständen kann ein Bauvorhaben – ausnahmsweise – dann rücksichtslos sein, wenn die bauordnungsrechtlichen Abstandflächen gewahrt sind. Dies kommt in Betracht bei „bedrängender“ oder (gar) „erdrückender“ Wirkungen einer baulichen Anlage (OVG Schleswig, Beschluss vom 11.11.2010 – 1 MB 16/10 -; vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.01.2007 – 1 MB 80/07 -, BRS 71 Nr. 88) oder in Fällen, die – absehbar – zu gravierenden, allein durch die Abstandsflächenwahrung nicht zu bewältigenden Nutzungskonflikten führen (OVG Schleswig, Beschluss vom 11.11.2010 – 1 MB 16/10 -, juris).

16

In Anwendung der vorstehenden Grundsätze erweist sich das streitbefangene Bauvorhaben gegenüber den Antragstellern nicht als rücksichtslos.

17

Vorliegend ist festzustellen, dass das Bauvorhaben die erforderlichen Abstandflächen gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 LBO (0,4 der Wandhöhe, mindestens 3 m) gegenüber dem Grundstück der Antragsteller, welches nicht unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenzt, einhält. Die Grundstücke Graf-…-Straße 29-33 (Baugrundstück der Beigeladenen) und A-Straße (Grundstück der Antragsteller) werden durch den N...weg (Flurstücke … und … Flur .., Gemarkung …) mit einer Gesamtbreite von ca. 9,5 m getrennt. Ein Ausnahmefall, der das Bauvorhaben der Beigeladenen auch bei Einhaltung der Abstandflächen als rücksichtslos gegenüber den Antragstellern erscheinen lässt, liegt nicht vor. Da zwischen dem Vorhabengrundstück und dem Grundstück der Antragsteller der N...weg liegt und eine gegenüber der vormals geltenden 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 79 unveränderte Begrenzung der Gebäudehöhe auf 9,5 m besteht, kann allein in der nunmehr vorgesehenen 3-Geschossigkeit und Verschiebung der östlichen Baugrenze um 0,5 m keine unzumutbare Beeinträchtigung nachbarlicher Belange gesehen werden. Das Bauvorhaben hat gegenüber dem Grundstück der Antragsteller auch keine erdrückende Wirkung. Es kann keine Rede davon sein, dass es das Grundstück der Antragsteller beherrscht und ihm die eigene baurechtliche Charakteristik nimmt (vgl. dazu: VG Köln, Beschluss vom 25.03.2013 – 23 L 287/12 -, juris). Es werden weder unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten in das Wohnhaus der Antragsteller bzw. auf das Grundstück der Antragsteller geschaffen noch führt die Bebauung zu einer unzumutbaren Verschattung des Grundstücks der Antragsteller. Zum einen muss innerhalb eines bebauten Gebietes regelmäßig damit gerechnet werden, dass Nachbargrundstücke innerhalb des vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es durch die Bebauung zu einer Verschattung des eigenen Grundstücks zu bestimmten Tageszeiten kommt. Zudem befindet sich das streitige Bauvorhaben westlich zum Wohnhaus der Antragsteller und wird ca. 1,80 bis 3,80 tiefer liegend errichtet. Daher ist von einer allenfalls geringfügigen Verschattung in den Abendstunden bei tief stehender Sonne auszugehen. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist eine bislang unbeschränkte Aussicht baurechtlich nicht geschützt.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

19

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nur hinsichtlich der Kosten der Beigeladenen zu 2. für erstattungsfähig zu erklären, da nur diese einen Sachantrag gestellt und sich somit am Kostenrisiko beteiligt hat (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO i. V. m § 154 Abs. 3 VwGO).

20

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 2 GKG, wobei die Kammer unter Berücksichtigung der geltend gemachten Beeinträchtigungen des Wohnhauses der Antragsteller von einem Streitwert in Höhe von 15.000,00 € für das Hauptsacheverfahren ausgeht, der für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren war.


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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichter - vom 22.04.2008 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf

15.000,-- Euro

festgesetzt.

Gründe

1

Der Zulassungsantrag bleibt erfolglos, denn die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

2

1) Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); jedenfalls rechtfertigen die dargelegten Gründe (§ 124 a Abs. 4 S. 4 VwGO) solche Zweifel nicht. Nach Aktenlage spricht vielmehr alles dafür, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu recht abgewiesen hat. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte gegen die Beigeladene die begehrte Nutzungsuntersagung mit Zwangsgeldandrohung erlässt. Diese Maßnahme steht gemäß §§ 86 Abs. 1 S. 3 LBO, 228 ff LVwG im Ermessen der Behörde. Einzelne Überschreitungen der Baugenehmigung braucht der Beklagte danach keineswegs unter Androhung eines Zwangsgeldes zu verbieten. Eine Verpflichtung hierzu besteht nur ausnahmsweise bei einer sogenannten Ermessensreduzierung zu Gunsten der Klägerin. Eine solche Ermessensreduzierung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Nachbarrechte der Klägerin in besonders gravierender Weise beeinträchtigt werden. Dies gilt auch für Rechte der Klägerin, die auf den Nebenbestimmungen der Baugenehmigung in Verbindung mit der zivilrechtlichen Vereinbarung mit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beruhen. Die Auffassung der Klägerin, dass eine Verletzung dieser Rechte regelmäßig ein ordnungsbehördliches Einschreiten erfordere, teilt der Senat nicht. Auch insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze nach §§ 86 Abs. 1 S. 3 LBO, 228 ff LVwG. Besonders gravierende Verstöße sind hier nicht erkennbar. Dies hat das Verwaltungsgericht mit zutreffenden Gründen, auf die der Senat Bezug nimmt, ausgeführt (zur Beurteilungsgrundlage des Verwaltungsgerichts und dem Erfordernis, weitere Beweise zu erheben vgl. unten zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 3 Nr. 5 VwGO). Auf die Frage, ob – wie das Verwaltungsgericht meint – unzulässige Reifenwechsel an Lkws auf dem Vorplatz noch weniger störend empfunden werden, wenn die Lärmschutzwand vollständig repariert wird, kommt es nicht an, denn dieser Gesichtspunkt war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Es hat auf diesen Gesichtspunkt nur ergänzend abgestellt. Unabhängig davon überzeugt der Hinweis der Klägerin, dass der Montagelärm vom Grundstück der Beigeladenen nach einer Reparatur der Lärmschutzwand sogar noch stärker empfunden werde als im Zeitpunkt der Ortsbesichtigung, nicht. Ihre in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, die Öffnung der Lärmschutzwand sei zur Straße ausgerichtet, widerspricht den Feststellungen des Verwaltungsgerichts. In der in Gegenwart der Klägerin und ihrem Rechtsanwalt aufgenommenen Niederschrift über die Beweisaufnahme und die mündliche Verhandlung vom 22. April 2008 heißt es, dass „an der Lärmschutzwand zur Seite der Firma Helm in ein … Stück der Lärmschutzwand“ fehle.

3

2. Es liegt auch kein erheblicher Verfahrensfehler vor. Das Verwaltungsgericht war insbesondere nicht verpflichtet, weitere Beweise zu erheben. Es hat eine Ortsbesichtigung durchgeführt und die mit Schriftsatz der Klägerin vom 29. Januar 2008 vorgelegten Dokumente und Fotos gewürdigt. Weitere Beweise zu erheben, insbesondere eine Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugen war nicht erforderlich, weil vereinzelte Verstöße gegen die Baugenehmigung unstreitig sind und mit den Beweisanträgen kein substantiierter Sachverhalt unter Beweis gestellt wurde, aus dem eine Ermessensreduzierung zu Gunsten der Klägerin abgeleitet werden könnte. Auch die Klägerin hat sich von einer Zeugenvernehmung offenbar keine weiteren entscheidungserheblichen Erkenntnisse versprochen; anderenfalls hätte es nahegelegen, in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag zu stellen.

4

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

5

Der Senat hält es für billig, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO), weil diese keinen Sachantrag gestellt und sich somit nicht am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

6

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

7

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

8

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichterin - vom 30.09.2014 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf

15.000,00 Euro

festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten gegen einen Wintergartenanbau des Beigeladenen. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage mit Urteil vom 30.09.2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Anbau unterschreite zwar den vorgeschriebenen Abstand, doch sei das Ermessen der Beklagten nicht auf ein Einschreiten reduziert, da die Unterschreitung mit 8 cm eine kaum spürbare Bagatelle sei. Zudem liege eine unzulässige Rechtsausübung iSd § 242 BGB vor, da die Klägerin einen 1,8 m hohen und 40 m langen Flechtzaun errichtet habe, der den Eindruck einer geschlossenen Wand erzeuge und in den Abstandsflächen wegen gebäudegleicher Wirkungen unzulässig sei.

2

Ihren Antrag auf Zulassung der Berufung stützt die Klägerin auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 5 VwGO.

II.

3

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

4

1. Die von der Klägerin dargelegten Gründe lösen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des klagabweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts aus.

5

1.1 Die Klägerin geht in ihrem Zulassungsantrag von dem - im erstinstanzlichen Ortstermin durch Messung ermittelten - Abstand zwischen der Wintergarten-Außenwand und dem (grenzständig errichteten) Holz-Flechtzaun von 2,92 m aus, mithin von einer Unterschreitung des nach § 6 Abs. 5 S. 1 LBO gebotenen Abstands um 8 cm; sie meint nur, es sei - zusätzlich - eine Breite von 20 cm im Bereich des Fundaments zu berücksichtigen. Das überzeugt nicht: Nach den von der Klägerin im erstinstanzlichen Termin überreichten Fotos ist das Fundament unterhalb der Grasnarbe nur (undeutlich) zu erkennen; es tritt in keiner Weise nach außen hervor. Ansatzpunkte für eine andere Beurteilung werden im Zulassungsantrag nicht dargelegt. Bei einer Unterschreitung des einzuhaltenden Abstands um 8 cm ist - wie das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt hat - das Ermessen der Beklagten zum bauaufsichtlichen Einschreiten - sicher - nicht auf Null reduziert. Aus welchen Gründen dies im Hinblick auf die Breite des unter der Grasnarbe liegenden Fundaments anders sein soll, wird im Zulassungsantrag nicht dargelegt; Gründe dafür sind auch nicht ersichtlich.

6

1.2 Soweit die Klägerin die These angreift, sie könne sich nach Treu und Glauben auf einen Verstoß des Beigeladenen gegen § 6 Abs. 5 S. 1 LBO nicht mehr berufen, nachdem ihr Flechtzaun zu Lasten des Beigeladenen in vergleichbarer Weise gegen das Abstandsflächenrecht verstoße (S. 14 f. des Urt.-Abdr.), wird dadurch die erstinstanzliche Klagabweisung schon deshalb nicht in Frage gestellt, weil diese allein und selbständig tragend von den zu 1.1 behandelten Erwägungen gestützt wird.

7

Anzumerken bleibt, dass der 1,8 m bzw. 1,5 m hohe Flechtzaun dazu führt, dass die - geringfügige - Abstandsunterschreitung vom Grundstück der Klägerin aus praktisch nicht mehr wahrnehmbar ist, was - zusätzlich - gegen eine Reduzierung des Einschreitensermessens auf Null spricht. Auf die - von der Beklagten verneinte (Schriftsatz vom 05.01.2014) - Frage, ob der 40 m lange Flechtzaun von der unter dem 23.04.1993 erteilten Genehmigung für einen 32 m langen Flechtzaun gedeckt ist, kommt es entscheidungserheblich nicht an.

8

2. Die Frage, ob ein Einschreitensanspruch unabhängig von tatsächlichen Beeinträchtigungen bzw. ab welchem Maß (der Abstandsunterschreitung) besteht, rechtfertigt keine Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

9

In der Rechtsprechung - auch - des Senats ist geklärt, dass eine Reduzierung des Einschreitensermessens erst bei mehr als lediglich geringfügigen Verstößen gegen nachbarschützende Baurechtsbestimmungen in Betracht kommt (vgl. zuletzt Beschl. des Senats vom 12.12.2014, 1 LA 57/14, n. v.; vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 13.12.1991, 3 S 2358/91, VBlBW 1992, 148).Die Ermessensentscheidung hat sich an der betroffenen Nachbarrechtsverletzung im Einzelfall zu orientieren. Maßgebend sind insoweit die Zahl und die Art der Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften sowie das konkrete Ausmaß der davon ausgehenden Beeinträchtigungen für das Nachbargrundstück (Urt. des Senats v. 19.04.2012, 1 LB 4/12, NordÖR 2013, 345 [bei Juris Rn. 26]; vgl. auch OVG Lüneburg, Urt. v. 16.02.2012, 1 LB 19/10, BeckRS 2012, 48458, bei juris Tn. 39 m.w.N.). Bei unzumutbaren Beeinträchtigungen wäre die Behörde „in aller Regel zum Einschreiten gegen illegale bauliche Anlagen oder Nutzungen verpflichtet, es sei denn, es stünden ihr sachliche Gründe für eine Untätigkeit zur Seite“ (VGH Mannheim, Beschl. v. 13.12.1991, 3 S 2358/91, VBlBW 1992, 148). Im vorliegenden Fall kann schon - im Ansatz - nicht von unzumutbaren Beeinträchtigungen des Grundstücks der Klägerin oder dessen baulicher Nutzung gesprochen werden.

10

3. Der gem. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend gemachte Verfahrensfehler rechtfertigt ebenfalls keine Berufungszulassung.

11

Selbst wenn es zutreffen sollte, dass das Verwaltungsgericht - trotz Erörterung der Abstandsproblematik und gerichtlicher „Vermessung“ des Abstandes in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung - nicht auf einen durch die Errichtung des 1,80 m hohen Flechtzauns der Klägerin bewirkten Abstandsverstoß hingewiesen haben sollte, läge darin kein Gehörsverstoß. Das Verwaltungsgericht ist nicht verpflichtet, die Beteiligten schon in der mündlichen Verhandlung auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Anders ist es nur, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit dem bzw. mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.06.2012, 5 B 5.12, [Juris Rn. 12]). Das war hier nicht der Fall, zumal dem von der Klägerin geltend gemachten Einschreitensanspruch schon von der Beklagten ein auf § 242 BGB gestützter Einwand entgegengesetzt worden war (S. 4 des Bescheides vom 23.04.2012). Dieser war zwar auf Verwirkung gestützt, deren Vorliegen das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 13 u. des Abdr.) hat dahin stehen lassen, doch konnte die Klägerin damit rechnen, dass ihr Begehren auch im Hinblick auf andere, für Abstandskonflikte typische Fallgruppen einer Treuwidrigkeit - wie hier der unzulässigen Rechtsausübung - überprüft werden würde.

12

Unabhängig davon würde die geltend gemachte Gehörsverletzung die erstinstanzliche Entscheidung nur „partiell“ betreffen, weil sie allein die (oben 1.2 behandelte) These betrifft, die Klägerin habe in vergleichbarer Weise wie der Beigeladene gegen das Abstandsflächenrecht verstoßen. Ist das angefochtene Urteil - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt (kumulative Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn die geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs das Gesamtergebnis des Verfahrens betrifft. Die Klagabweisung wird - wie ausgeführt - schon durch die (oben 1.1 behandelte) Ablehnung eines Einschreitensanspruchs der Klägerin gestützt, so dass das erstinstanzliche Urteil auf der geltend gemachten Gehörsverletzung - auch wenn sie vorläge - nicht beruhen kann. Ein Hinweis des Verwaltungsgerichts in dem von der Klägerin für richtig erachteten Sinne hätte sich auf das Ergebnis der Entscheidung nicht auswirken können, da die Klagabweisung daneben - tragend - auf die Verneinung eines Einschreitensanspruchs gestützt werden konnte.

13

4. Weitere Zulassungsgründe sind nicht dargelegt worden. Der Zulassungsantrag war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist damit rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

14

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil er sich nicht am Zulassungsverfahren beteiligt hat.

15

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

16

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

3. Der Streitwert wird auf 7.500,- € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für eine auf zwei Gebäude aufgeteilte Wohnanlage im Reihenhausstil mit insgesamt neun Wohneinheiten auf dem Grundstück xxx in A-Stadt (Flurstücke 50/7 und 50/8, Flur 2, Gemarkung A-Stadt). Die Wohnanlage besteht aus den Häusern A (4 WE) und B (5 WE), die jeweils mit einem Satteldach errichtet werden. Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks A-Straße, welches sich auf der anderen Seite der Straße xxx befindet und dem streitbefangenen Grundstück gegenüberliegt. Die Belegenheit der streitbefangenen Gebäude und Grundstücke ergibt sich aus folgenden Lageplänen (vgl. Beiakte A Bl. 4 und 5):

Abbildung

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2

Der Antragsgegner hat den Widerspruch des Antragstellers gegen die Baugenehmigung (vom 19.09.2014) mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2014 zurückgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller am 09.12.2014 Klage erhoben (8 A 163/14) und am gleichen Tag einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gestellt (Antrag zu 1). Des Weiteren beantragt der Antragsteller wörtlich, der Antragsgegnerin aufzugeben, die Baustelle auf dem Grundstück xxx in A-Stadt stillzulegen (Antrag zu 2).

3

I. Der Antrag zu 1) ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Var. i.V.m. § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen anordnen, in denen die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO entfällt. Das ist hier der Fall, da dem Widerspruch und der Klage des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt. Da es sich vorliegend um einen Fall der sog. Drittanfechtung handelt, ergibt sich die Anwendbarkeit von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO aus dem Verweis in § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO.

4

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die hier erforderliche gerichtliche Entscheidung gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 i.V.m § 80 a Abs. 3 S. 2 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung, in deren Rahmen das Interesse des beigeladenen Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung gegen das Interesse des Antragstellers daran, von der Vollziehung der Baugenehmigung bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, abzuwägen ist. Im Rahmen dieser Abwägung sind auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit der streitigen Baugenehmigung in die Abwägung einzustellen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens gemäß § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung haben und der Gesetzgeber damit dem Interesse des Bauherrn an der Verwirklichung des Vorhabens den Vorrang eingeräumt hat. Weiter ist zu berücksichtigen, dass in baurechtlichen Nachbarstreitigkeiten ein Rechtsbehelf nur erfolgreich ist, wenn eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte festgestellt werden kann. Es ist also nicht maßgeblich, ob die angefochtene Baugenehmigung insgesamt objektiv rechtmäßig ist. Diese ist vielmehr allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des Rechtsschutz suchenden Nachbarn dienen. Der Nachbar kann sich in diesem Zusammenhang nur auf solche Interessen berufen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht. Demnach liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage oder eines Widerspruchs gegen eine einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung dann vor, wenn auf Seiten des Antragstellers geltend gemacht werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ihre geschützte Nachbarposition durch den Bau und die Nutzung des genehmigten Vorhabens unerträglich oder in einem nicht wieder gutzumachenden Maße beeinträchtigt bzw. gefährdet wird.

5

Nach diesem Maßstab überwiegt hier das Interesse des Beigeladenen, die ihm erteilte Baugenehmigung sofort, also ohne den Ausgang des Hauptverfahrens abwarten zu müssen, ausnutzen zu können. Bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage lässt sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die angefochtene Baugenehmigung Nachbarrechte des Antragstellers verletzt.

6

Dabei ist allerdings ein Verstoß der auf der Grundlage des § 69 LBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilten Baugenehmigung gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 LBO bereits nicht Prüfungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens hinsichtlich des Antrags zu 1). Denn in einem solchen Verfahren wird - außer bei Sonderbauten - die Vereinbarkeit der Vorhaben mit den Vorschriften der Landesbauordnung und den Vorschriften aufgrund der Landesbauordnung nicht geprüft; lediglich die §§ 65 Abs. 4, 68 und 70 LBO bleiben unberührt (vgl. auch OVG Schleswig, Urt. v. 21.11.2013 - 1 LB 6/13 - n.v.). Ob das streitgegenständliche Vorhaben, wie vom Antragsteller vorgetragen, gegen die Vorgaben zu notwendigen Stellplätzen nach § 50 Abs. 1 LBO verstößt, ist daher für diesen Antrag nicht entscheidungserheblich.

7

Aber auch ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des insoweit allein maßgeblichen Bauplanungsrechts einschließlich des Gebots der Rücksichtnahme ist nicht auszumachen.

8

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf einen sog. Gebietserhaltungs- oder Gebietsbewahrungsanspruch berufen. Dieser Anspruch wird durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch eine „Verfremdung“ des Gebiets eingeleitet und damit das nachbarliche Austauschverhältnis gestört wird, das auf dem Gedanken beruht, dass sich jeder Grundstückseigentümer davor schützen können muss, dass er über die durch die Festsetzung einer Gebietsart normierte oder aus einer wie hier faktisch vorhandenen Gebietsart (§ 34 Abs. 2 BauGB) eines allgemeinen oder gar reinen Wohngebietes sich ergebenden Beschränkung seiner Baufreiheit hinaus durch eine nicht zulässige Nutzung eines anderen Grundstückseigentümers nochmals zusätzlich belastet wird (vgl. BVerwG, Urt. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -; Urt. v. 23.08.1996 - 4C 13.94 -; OVG Schleswig, Beschl. v. 07.06.1999 - 1 M 119/98 -; jeweils zitiert nach juris). Ein solches seiner Art nach gebietsunverträgliches Vorhaben liegt mit dem genehmigten Wohnbauvorhaben jedoch offenkundig nicht vor. Es kann insofern mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob die Eigenart der näheren Umgebung des streitgegenständlichen Grundstücks einem reinen Wohngebiet im Sinne von § 3 BauNVO oder einem allgemeinen Wohngebiet gem. § 4 BauNVO entspricht.

9

Als Nutzungsart kennt die Baunutzungsverordnung nur das „Wohnen“ als solches, ohne dahingehend zu differenzieren, ob diese Nutzung in freistehenden Einfamilien-, Doppel-, Reihen- oder Mehrfamilienhäusern erfolgt. Die Errichtung von Mehrfamilienhäusern kann daher auch nicht von benachbarten Grundstückseigentümern mit der Begründung abgewehrt werden, eine derartige Nutzung passe nicht in ihr Wohngebiet. Auch der Umstand, dass das genehmigte Vorhaben des Beigeladenen etwa von der Grundfläche und der Firsthöhe größer ausfallen wird, als das auf dem Grundstück des Antragstellers befindliche Gebäude, begründet keinen Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch (vgl. OVG Schleswig, Beschl. vom 15.01.2013 - 1 MB 46/12 -, Beschluss vom 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -).

10

Ein darüber hinausgehender Gebietsprägungserhaltungsanspruch des Inhalts, dass dieser unabhängig von der Art der Nutzung des geplanten Bauvorhabens einen Abwehranspruch vermittelt, weil das Vorhaben einem für das Baugebiet charakteristischen harmonischen Erscheinungsbild, etwa im Sinne einer vorrangigen Bebauung mit Einzel- oder Doppelhäusern mit geringer Grundflächenzahl oder einer park- oder villenartigen Bebauung usw., nicht entspricht, ist nicht anzuerkennen (vgl. z.B. VG Schleswig, Beschl. v. 17.12.2012 - 2 B 88/12 -, v. 29.01.2014 - 2 B 6/14 - und vom 24.02.2014 - 2 B 12/14 -; so auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 28.5.2014, - 1 ME 47/14 - juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 24.102013 - 1 LA 67/13). Daher kommt es für das vorliegende Verfahren nicht darauf an, ob durch das geplante Bauvorhaben aus Sicht des Antragstellers das Erscheinungsbild der näheren Umgebung, das nach seinen Angaben durch eine Einzelhausbebauung mit ausschließlich „typischen" freistehenden Einfamilienhäusern geprägt ist, beeinträchtigt wird. Dieses Erscheinungsbild der näheren Umgebung des Bauvorhabens resultiert allein aus Kriterien, die das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche betreffen. Bei diesen Kriterien handelt es sich aber nach allgemeiner Auffassung der Verwaltungsgerichte um solche, die nur im überplanten Gebiet und auch nur dann bei Feststellung eines entsprechenden ausdrücklichen planerischen Willens der Gemeinde Drittschutz vermitteln können (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -). Abweichungen von den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung sind nämlich mit Abweichungen über die Art der baulichen Nutzung nicht vergleichbar. Sie lassen in der Regel den Gebietscharakter unberührt und haben nur Auswirkungen auf das Baugrundstück und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke. Zum Schutz der Nachbarn ist daher das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichend, das eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Ein darüber hinausgehender, von einer realen Beeinträchtigung unabhängiger Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung kann dagegen dem Bundesrecht nicht entnommen werden (BVerwG, Beschl. v. 23.06.1995 - 4 B 52/95 - juris). Im unbeplanten Innenbereich - wie hier - gilt nichts anderes; insbesondere geht hier der Nachbarschutz nicht weiter als in Plangebieten. Bei Abweichungen vom „einfügsamen" Maß der Nutzung, wie dies von dem Antragsteller hinsichtlich der Dimensionierung, der absoluten Höhe und der Standorte der genehmigten Baukörper gerügt wird, bietet - allein - das drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichenden Schutz (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012, - 1 MB 38/12 -). Insofern bedarf es im vorliegenden Fall insbesondere keiner Prüfung, ob das genehmigte Vorhaben tatsächlich - wie der Antragsteller meint - über den in der näheren Umgebung vorgegebenen Rahmen hinsichtlich der vorgenannten Maß-Kriterien und des Kriteriums des überbaubaren Grundstücksfläche hinausgeht und sich deshalb im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB nicht einfügen würde.

11

Nach den vorangehenden Ausführungen ist es nicht erforderlich, umfangreich zu prüfen, ob sich das Vorhaben des Beigeladenen gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Diese Vorschrift ist nämlich nicht stets und generell drittschützend. Drittschutz kommt dieser Vorschrift nur dann zu, wenn das in dieser Vorschrift verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das Bestandteil des Merkmals des Sich-Einfügens nach § 34 BauGB ist, verletzt wird. Das Rücksichtnahmegebot ist allerdings keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht, sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999 - 4 B 128/98 - juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 17.01.2012 - 1 MB 33/11 -). Das Gebot der Rücksichtnahme in seiner subjektiv-rechtlichen Ausprägung ist nur dann verletzt, wenn die Bebauung sich in einer Gesamtschau als den Nachbarn gegenüber unzumutbar erweist. Wann dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer Abwägung im Einzelfall zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage des Einzelfalls zuzumuten ist, beurteilt werden (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - 4 C 22/75 - BVerwGE 52, 122).

12

Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten des Antragstellers wegen der Dimensionierung oder der Lage des Bauvorhabens liegt nicht vor. Wie bereits erörtert, braucht nicht entschieden zu werden, ob sich das Vorhaben des Beigeladenen, wie der Antragsteller meint, nach dem Maß der baulichen Nutzung insbesondere im Hinblick auf die Höhe des Baukörpers oder wegen der Lage der Baukörper nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Denn allein dadurch würde der Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, weil die möglicherweise dann vom Bauvorhaben des Beigeladenen nicht eingehaltenen Erfordernisse zum Maß der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche grundsätzlich nur der städtebaulichen Ordnung, nicht aber auch dem Schutz des Nachbarn dienen (BVerwG, Urt. v. 28.04.2004 - 4 C 10/03 - juris; Beschl. v. 23.06.1995 - 4 B 52/95 - juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -, Beschl. v. 25.04.2014 - 1 MB 32/13; Beschl. 30.04.2009 - 1 MB 1/09 -).

13

Etwas anderes gilt nur dann, wenn etwa gegen die Erfordernisse zum Maß der baulichen Nutzung in so grober Weise verstoßen wird, dass dadurch das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.12.2013 - 4 C 5/12 - juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 11.11.2010 - 1 MB 16/10 - und Beschl. v. 25.10.2012 - 1 MB 38/12). Eine Bebauung ist jedenfalls dann rücksichtlos, wenn sie eine „erdrückende" oder „abriegelnde" Wirkung. Eine solche Wirkung zulasten des Antragstellerstellers geht von dem Vorhaben nicht aus.

14

Das Vorhaben wird nicht grenzständig errichtet, sondern nach Aktenlage vollständig unter Einhaltung der nach § 6 LBO einzuhaltenden Abstandsflächen. Nach den Planunterlagen ist, soweit ersichtlich, auch wenn dies nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens war, das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht unstreitig korrekt umgesetzt worden. Das Einhalten der landesrechtlichen Regelungen über die erforderlichen Abstandsflächen (§ 6 LBO) spricht regelmäßig gegen eine „erdrückende" oder „abriegelnde" Wirkung eines Bauvorhabens und für die Beachtung der durch die Abstandsflächenregelung geschützten Nachbarbelange (Besonnung, Belichtung, Belüftung) (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999 - 4 B 128.98 - NVwZ 1999, 879; OVG Schleswig, Beschl. v. 04.12.2003 - 1 MB 35/03). Darüber hinaus könnte sich der Antragsteller auch nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen die nach § 6 LBO einzuhalten Abstandsflächen berufen, da sein Grundstück nicht unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenzt.

15

Zwar kann es Fälle geben, in denen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot auch dann verletzt ist, wenn die landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind (BVerwG, a.a.O.). Somit ist in jedem Fall, also auch wenn die Vorgaben von § 34 Abs. 1 BauGB eingehalten sind, eine die konkreten Verhältnisse vor Ort berücksichtigende Bewertung des nachbarlichen Austauschverhältnisses erforderlich. Eine solche Wirkung kommt nach der Rechtsprechung vor allem bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht. Ein solcher Fall wird allerdings in der Rechtsprechung nur in den seltenen Fällen einer wirklich bedrängenden oder erdrückenden Wirkung eines Bauvorhabens zu sehen sein, die - absehbar - zu gravierenden, allein durch die Abstandsflächenwahrung nicht zu bewältigenden Nutzungskonflikten führen (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 11.10.2010 - 1 MB 16/10 - und Beschl. v. 25.10.2012 - 1 MB 38/12).

16

Diese Voraussetzungen werden insbesondere dann angenommen, wenn die baulichen Dimensionen des „erdrückenden" Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles derart übermächtig sind, dass das „erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch überwiegend wie eine von einem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, d.h. dort das Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „gefängnishofähnliche Situation“ hervorruft. Dem Grundstück muss gleichsam die Luft zum Atmen genommen werden. Dass das Vorhaben die bislang vorhandene Situation lediglich verändert oder dem Nachbarn unbequem ist, reicht nicht aus. Die in den gewählten Ausdrücken bzw. Bilder liegende Dramatik ist danach ernst zu nehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.1981 - 4 C 1/78 - juris, sog. „Hochhaus-Fall“; OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.01.2007 - 1 ME 80/07 - und v. 13.01.2010 - 1 ME 237/09 - jeweils nach juris; VG Schleswig, Beschl. v. 12.03.2014 - 8 B 4/14 und v. 11.04.2014 - 8 B 9/14 -). Ein solcher Fall wird nur in seltenen Fällen einer „wirklich“ bedrängenden oder erdrückenden Wirkung eines Bauvorhabens zu sehen sein, nämlich wenn gravierende und nicht zu bewältigende Nutzungskonflikte entstehen (OVG Schleswig, Beschl. vom 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -).

17

Nach diesen Grundsätzen lässt sich die beschriebene „schwerwiegende“ Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht feststellen. Einer solchen Verletzung steht bereits entgegen, dass sich das von dem Antragsteller bewohnte Einfamilienhaus auf der anderen Seite der Straße xxx befindet. Nach den unwidersprochenen Angaben des Antragsgegners in dem Widerspruchsbescheid vom 10.11.2014 hat das vordere der beiden Wohngebäude (Haus A, Gebäudelänge 14,74 m) eine Entfernung von 15 m zu dem Wohnhaus des Antragstellers bzw. bis zu dessen Grundstücksgrenze. Die beiden Wohngebäude weisen eine Firsthöhe von 9,50 m auf. Das aus Richtung des Antragstellers hinter Haus A liegende Haus B hat eine Gebäudelänge von 20,31 m. Eine erdrückende Wirkung durch die Häuser A und B zulasten des Antragstellers liegt bereits wegen der Entfernung zu seinem Grundstück und wegen der Ausmaße der beiden Gebäude offensichtlich nicht vor. Das Entstehen von unzumutbaren Beeinträchtigungen durch eine abriegelnde oder erdrückende ist nicht ansatzweise ersichtlich.

18

Eine durch das Bauvorhaben möglicherweise entstehende Verschattung des Grundstücks des Antragstellers hätte dieser wegen der Einhaltung der Abstandsflächen nach § 6 LBO ebenfalls hinzunehmen. Zudem ist bereits zweifelhaft, ob es wegen der Entfernung zwischen dem Grundstücks des Antragstellers zu dem Haus und wegen dessen Höhe überhaupt zu einer signifikanten Verschattung kommen kann.

19

Der Antragsteller kann sich auch nicht auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen des von ihm geltend gemachten Verstoßes gegen die Vorgaben für notwendige Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück nach § 50 Abs. 1 LBO und wegen der Zunahme des Fahrzeugverkehrs berufen.

20

Wie bereits ausgeführt, kann sich der Antragsteller vorliegend nicht unmittelbar auf einen etwaigen Verstoß gegen § 50 Abs. 1 LBO berufen, da dieser im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht Prüfungsgegenstand ist. Zudem dienen die Vorschriften nach § 50 LBO über die Verpflichtung zur Herstellung notwendiger Stellplätze und Garagen grundsätzlich dem öffentlichen Interesse. Sie sollen verhindern, dass der öffentliche Verkehrsraum über den Gemeingebrauch hinaus durch das Abstellen von Fahrzeugen belastet und dadurch die öffentliche Sicherheit gefährdet wird (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 10.01.2008- 3 S 2773/07 - juris, m.w.N.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.03.1997 - 1 M 6589/96 - juris, m.w.N.; Domning/Möller/Suttkus, Kommentar zur LBO, 3. Aufl. 14. EL 2012, § 50 Rn 122). Im Einzelfall kann die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze jedoch gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, wenn der Mangel an Stellplätzen zu Beeinträchtigungen führt, die den Nachbarinnen und Nachbarn - auch unter Berücksichtigung einer Vorbelastung ihrer Grundstücke - bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind (vgl. VGH Kassel, Beschl. vom 12.05.2003 - 9 TG 2037/02 -, BRS 66 Nr. 190; OVG Bremen, Beschl. vom 18.10.2002 - 1 B 315/02 -, BauR 2003, 509; OVG Münster, Urt. v. 10.07.1998 - 11 A 7238/95 - BauR 1999, 237; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.03.1997 - 1 M 6589/96 - BauR 1997, 983; Domning/Möller/Bebensee, a.a.O., § 50 Rn 123 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

21

Eine nachbarrechtlich relevante Störung durch das etwaige Fehlen notwendiger Stellplätze kann hier aber nicht festgestellt werden. Nach Auffassung der Kammer liegt jedenfalls kein offensichtlicher Verstoß gegen die Vorgaben der Stellplatzpflicht nach § 50 Abs. 1 Satz 2 LBO vor. Danach richtet sich insbesondere die Anzahl notwendigen Stellplätze nach Art und Anzahl der vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge und Fahrräder der ständigen Benutzerinnen und ständigen Benutzer und der Besucherinnen und Besucher der Anlagen. Es ist nicht offensichtlich, dass die für das Vorhaben vorgesehenen 10 Stellplätze nicht den Anforderungen des § 50 Abs. 1 Satz 2 LBO entsprechen. Der Antragsgegner ist bei der Berechnung der notwendigen Stellplätze von den Vorgaben des sog. Stellplatzerlasses ausgegangen, woraus sich ein Stellplatzbedarf von 0,7 - 1 pro Wohneinheit ergibt und hat demzufolge die vorgesehenen 10 Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück für ausreichend befunden. Unabhängig von der Frage, ob der Stellplatzerlass (noch) als Anhaltspunkt zur Berechnung der notwendigen Stellplätze im Sinne des § 50 Abs. 1 LBO herangezogen werden kann, bietet er jedoch aufgrund der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gebotenen summarischen Prüfung und mangels anderer aktueller Regelungen einen greifbaren Anhaltspunkt für die Bestimmung der Anzahl der notwendigen Stellplätze.

22

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass durch eine möglicherweise zu niedrig festgesetzte Zahl an notwendigen Stellplätzen unzumutbare Beeinträchtigungen für den Antragsteller entstehen werden. Insofern trägt dieser vor, dass pro Wohneinheit 1,5 Stellplätze und damit insgesamt 15 Stellplätze für das Wohnvorhaben notwendig seien. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei der Straße xxx lediglich um eine schmale (ca. 2,30 m) Straße handele und dass dort keine öffentlichen Verkehrsflächen für Stellplätze vorgehalten würden. Der Antragsteller befürchtet, dass durch die zu erwartende Zunahme des Verkehrs seine Nachbarinteressen beeinträchtigt würden. Der ebenfalls schmale Fußweg entlang der Straße müsste als Abstellfläche benutzt werden und es sei zu vermuten, dass er infolge parkender Fahrzeuge nicht mehr ungehindert von seinem Grundstück ausfahren könne.

23

Auf einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann sich der Nachbar etwa dann berufen, wenn der (etwaige) Stellplatzmangel geeignet ist, die bestimmungsgemäße Nutzung seines eigenen Grundstücks zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung liegt - jedenfalls solange der freie Zugang zum Grundstück möglich ist - allerdings nicht schon darin, dass die angrenzenden Straßen durch Fahrzeuge von Nutzern der baulichen Anlage zum Parken in Anspruch genommen werden und dem Nachbarn nur noch mit den daraus folgenden Einschränkungen zur Verfügung stehen. Das dem Nachbarn durch das Eigentum vermittelte Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung seines Grundstücks begründet kein Recht auf bevorzugte Nutzung des angrenzenden öffentlichen Straßenraums (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.03.1998 - 1 B 33/98 - GewArch 1998, 254 f.). Probleme, die sich aus der Verteilung knappen öffentlichen Straßenraums auf verschiedene Verkehrsteilnehmer ergeben, sind mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts zu regeln. Als rücksichtslos kann der Verzicht auf die notwendigen Stellplätze auch dann gerügt werden, wenn der durch ihn bewirkte parkende Verkehr und Parksuchverkehr den Nachbarn in der Wohnnutzung seines Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt. Dies setzt i.d.R. entsprechende Immissionen, insbesondere Lärm- und Abgaseinwirkungen, voraus (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 18.10.2002, a.a.O.).

24

Allein die bislang geäußerte Befürchtung des Antragstellers, dass Anwohner oder Besucher durch das verbotswidrige Abstellen ihrer Fahrzeuge ihm das Befahren seines Grundstücks erschweren könnten, genügt nicht für die Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung und für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Nach Ansicht der Kammer besteht jedenfalls auch keine offensichtliche Diskrepanz zwischen dem hier möglicherweise höheren Bedarf an Stellplätzen und den vorgesehenen 10 Stellplätzen. Die von dem Antragsteller dargelegte Differenz liegt bei lediglich fünf Stellplätzen. Es drängt sich daher nicht auf, dass der Stellplatzbedarf für das Vorhaben wesentlich höher ist als die vorgesehenen Stellplätze und dadurch die Verkehrssituation in der Nähe des Vorhabens zwangsläufig in einer Art und Weise „überstrapaziert“ würde, mit der Folge, dass für die Nachbarn unzumutbare Zustände entstehen könnten.

25

Des Weiteren ist zu beachten, dass auch für den Fall, dass sich die Stellplatzberechnung nachträglich als unzureichend erweisen sollte, auch nachträglich Anordnungen zur Schaffung weiterer Stellplätze erfolgen können. § 50 Abs. 3 Satz 1 LBO bestimmt, dass auch für bestehende bauliche Anlagen und sonstige Anlagen im Einzelfall die Herstellung von Stellplätzen oder Garagen sowie Abstellanlagen für Fahrräder gefordert werden kann, wenn dies im Hinblick auf die Art und Anzahl der Kraftfahrzeuge und der Fahrräder der ständigen Benutzerinnen und ständigen Benutzer und der Besucherinnen und Besucher der Anlage aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs geboten ist.

26

Es spricht nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung schließlich auch nicht ansatzweise etwas dafür, dass von dem Bauvorhaben des Beigeladenen Belästigungen oder Störungen auf das Grundstück des Antragstellers ausgehen könnten, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar wären (§15 Abs. 1 S. 2 BauNVO). Dass mit dem Hinzutreten weiterer Wohneinheiten in einem Baugebiet eine Steigerung des Verkehrsaufkommens verbunden ist, liegt auf der Hand.

27

Die sich bei einer Erhöhung des bisherigen Bestandes an Wohneinheiten im Quartier prognostisch ergebende Zunahme an Fahrzeugbewegungen wird den Antragsteller auch nicht unzumutbar belasten. Die durch eine derartige Erweiterung eines Wohngebietes verursachten Verkehrsimmissionen sind von den bisherigen Bewohnern, die ihrerseits ebenfalls Verkehrsimmissionen verursachen, ohne weiteres hinzunehmen. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil auf dem Vorhabengrundstück nunmehr neun zusätzliche Wohneinheiten geschaffen werden und im Vergleich zu dem bisherigen Bestand in dem betreffenden Gebiet, welches durch eine Einfamilienhaus-Bebauung geprägt ist, eine erhöhte Dichte hinsichtlich der Wohnnutzung entsteht. Das Hinzutreten von neun Wohneinheiten und die damit verbundene Zunahme des Verkehrsaufkommens und der damit einhergehenden Emissionen halten sich jedenfalls noch in dem Rahmen, was von dem Antragsteller und den anderen Nachbarn in der Nähe des Vorhabens hingenommen werden muss.

28

Der Antragsteller kann auch nicht geltend machen, das Bauvorhaben beeinträchtige den optischen Charakter der bebauten Siedlung. Denn das Ortsbild nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB vermittelt keinen Drittschutz (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.07.2012 - 1 B 158/12 - juris; Beschl. v. 13.11.1997 - 4 B 195/97 - NVwZ-RR 1998, 540; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Kommentar, 114. EL 2014, § 34 Rn. 141), sondern besteht ausschließlich im öffentlichen Interesse. Der Antragsteller hat weder einen Anspruch auf Erhalt oder Beibehaltung des Siedlungscharakters als „Einfamilienhaussiedlung“ im historischen oder derzeit bestehenden Zustand noch einen Anspruch auf Bebauung oder Nutzung des Nachbargrundstücks wie sein eigenes Grundstück.

29

Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, dass mit der Errichtung der beiden Gebäude (Haus A und Haus B) und den vorgesehenen neun Wohneinheiten eine Verdichtung der Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks erfolgt, da die anderen Grundstücke lediglich mit Einfamilienhäusern bebaut sind. Die Anzahl der Wohnungen in einem Gebäude (Wohngebäude) ist kein Kriterium zur Beurteilung der Frage, ob sich Vorhaben im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB einfügt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.04.1989 - 4 B 72/89 - juris; Urt. v. 13.06.1980 - 4 C 98/77 - juris).

30

II. Der Antrag zu 2), den Antragsgegner zu verpflichten, die Baustelle auf dem streitgegenständlichen Grundstück stilllegen zu lassen, ist jedenfalls unbegründet. Es handelt sich in der Sache um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO, der auf eine Verpflichtung des Antragsgegners auf Erlass einer Stilllegungsverfügung gem. § 59 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 LBO gerichtet ist.

31

Es kann dahinstehen, ob es vorliegend für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §123 Abs. 1 VwGO bereits an dem notwendigen Rechtschutzbedürfnis fehlt und der Antrag bereits deshalb unzulässig ist. Das Rechtsschutzbedürfnis ist grundsätzlich dann zu verneinen, wenn der den Antrag stellende Bürger sich nicht zuvor an die zuständige Verwaltungsbehörde gewandt hat. Wenn allerdings nach Lage der Dinge nicht damit gerechnet werden kann, dass die Behörde dem Anliegen des Antragstellers entsprechen wird und während des deshalb voraussichtlich erfolglosen Verwaltungsverfahrens bereits eine Rechtsbeeinträchtigung zu befürchten ist, dann ist ausnahmsweise das Rechtschutzbedürfnis für die sofortige Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegeben (vgl. Kuhla, in: Posser/Wolff, Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand 01.10.2014, § 123 Rn 37a m.w.N.).

32

Der bereits im Verwaltungsverfahren durch seinen Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller hat bei dem Antragsgegner bislang keinen Antrag auf ein bauordnungsrechtliches Einschreiten mit dem Ziel der Stilllegung der Baustelle gestellt. Allerdings hat der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers gegen die Baugenehmigung umfassend abgelehnt und dort auch die objektive Rechtmäßigkeit des Vorhabens in bauplanungs- und bauordnungsrechtlicher Hinsicht bejaht. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsgegner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch einen Antrag auf bauordnungsrechtliches Einschreiten abgelehnt hätte.

33

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

34

Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten setzt voraus, dass der Anspruchsinhaber in geschützten Nachbarrechten verletzt ist und das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde derart reduziert ist, so dass nur noch ein Einschreiten in der beantragten Art und Weise ermessensgerecht ist. Schließlich darf ein solcher Anspruch nicht verwirkt sein. Als Anspruchsgrundlage für das von dem Antragsteller begehrte Einschreiten des Antragsgegners in seiner Funktion als untere Bauaufsichtsbehörde kommt allein § 59 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBO in Verbindung mit den nachbarschützenden Bestimmungen des Bauordnungsrechts und in Verbindung mit drittschützenden Regelungen des Bauplanungsrechts einschließlich des grundsätzlich als drittschützend qualifizierten Gebots der Rücksichtnahme (§15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) in Betracht. Danach können die Bauaufsichtsbehörden können nach Absatz 1 Satz 2 insbesondere die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden.

35

Wie bereits erörtert, verstößt das streitgegenständliche Vorhaben nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Im Gegensatz zum Prüfungsmaßstab bei der Anfechtung einer im gem. § 69 LBO vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilten Baugenehmigung, sind bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf bauordnungsrechtliches Einschreiten auch die Vorschriften der LBO zu prüfen. Eine Verletzung von drittschützenden Vorschriften der LBO liegt jedoch nicht vor.

36

Der Antragsteller kann sich insoweit nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften nach § 6 LBO berufen, da er nicht angrenzender Nachbar des Vorhabens ist und somit nicht in den Schutzbereich von § 6 LBO fällt. Im Übrigen liegt ein Verstoß gegen die Vorschriften des § 6 LBO auch ersichtlich nicht vor.

37

Der Antragsteller kann sich allenfalls wegen etwaiger Störungen durch die genehmigten Stellplätze auf dem Baugrundstück selbst auf die nachbarschützende Regelung in § 50 Abs. 9 LBO berufen, wonach Stellplätze und Garagen so angeordnet und ausgeführt werden müssen, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und das Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung durch Lärm oder Gerüche nicht über das zumutbare Maß hinaus stört. Für die Frage, welches Ausmaß an Störungen im Einzelfall noch zumutbar ist, muss zunächst die sich aus der baulichen Struktur der Umgebung ergebende Immissions-Grundbelastung berücksichtigt werden. Daher ist die Toleranzschwelle in einem belebten Innenstadtbereich höher als in einem ruhigen Einfamilienhausgebiet. Weiterhin ist zu beachten, dass die durch notwendige Stellplätze ausgelösten Immissionen grundsätzlich hinzunehmen und nur unter besonderen Umständen unzumutbar sind (BVerwG, Urt. v. 07.12.2006 - 4 C 11/05 - juris). Daraus folgt, dass der Antragsteller die „gebietstypischen“ Immissionen hinnehmen muss. Eine Ausnahmesituation, die dennoch zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führen kann, ist dann möglich, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch die vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück erschließenden Straße oder durch massiven Parksuchverkehr erheblich verschlechtert und die Gesamtbelastung bei Abwägung aller Belange unzumutbar ist (OVG Münster, Urt. v. 15.05.2013 - 2 A 3009/11 - juris).

38

Solche (Ausnahme-) Umstände sind - wie bereits erörtert - hier jedoch nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat auch nicht in diesem hinreichend vorgetragen, dass er durch die Anordnung und Ausführung der Stellplätze hinsichtlich der von dem Fahrzeugverkehr ausgehenden Immissionen über das zumutbare Maß hinaus belastet wird. Eine erhebliche Verschlechterung der Gesamtbelastung durch die Zunahme des Anwohner- und Besucherverkehrs in dem relevanten Bereich des Wohngebietes ist für die Kammer nicht ersichtlich.

39

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeit für erstattungsfähig erklärt worden, weil er einen eigenen Sachantrag gestellt hat und damit auch das Risiko einer Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen ist. Der Antrag des Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen vom 18.12.2014, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen, ist im Zusammenhang mit seinem Schriftsatz vom 17.12.2014, mit dem er eine Verletzung von Nachbarrechten des Antragstellers abstreitet, insgesamt als Antrag auf Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auszulegen und umfasst auch die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung.

40

III. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 S. 2, 63 Abs. 2 GKG. Der Streitwert von 15.000,-- € für das Hauptsacheverfahren (15.000,-- € bei einer Nachbarklage, mit der die Beeinträchtigung eines Einfamilienhauses geltend gemacht wird) ist für das vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 8. Kammer - vom 21. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen ein Bauvorhaben der Beigeladenen, die ihr Gebäude in der … umbauen und rückwärtig mit einem Anbau erweitern wollen. Gegen die am 09.12.2009 erteilte, den Antragstellern Ende Januar 2010 bekannt gegebene Baugenehmigung haben diese am 24.02.2010 Widerspruch eingelegt. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21.06.2010 i. w. mit der Begründung abgelehnt, die nachbarlichen Baumaßnahmen kämen nicht – wie die Antragsteller annähmen – einer Neuerrichtung gleich. Der Anbau halte die nach § 6 Abs. 4 und Abs. 5 LBO gebotene Abstandsfläche ein. Auch das Rücksichtnahmegebot werde nicht verletzt; die vom Anbau ausgehende "Zusatzbelastung" in Bezug auf eine weitere Verschattung sei noch zumutbar. Eine "erdrückende" Wirkung liege nicht vor und die Nutzung der Dachterrasse führe nicht zu unzumutbaren Störungen.

2

Gegen den am 22.06.2010 zugestellten Beschluss wenden die Antragsteller sich mit ihrer am 06.07.2010 eingegangenen Beschwerde. Sie rügen, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass (gerade) der zentrale Ruhe und Erholungsbereich ihres Grundstücks verschattet werde. Der "massive" Anbau sei in der Umgebung ohne Vorbild und wirke rücksichtslos. Im Hinblick auf das geräumige Haus seien ein Anbau in dieser Größenordnung nicht geboten und eine Dachterrasse nicht erforderlich. Die Dachterrasse führe zu neuen Einblickmöglichkeiten. Mit dem Anbau werde – erstmalig – die Hauptnutzung in den hinteren Gartenbereich erweitert. Das Bauvolumen erreiche den Aufwand für einen Neubau.

3

Die Antragsgegnerin hat sich nicht geäußert. Die Beigeladenen halten die Beschwerde für unbegründet.

4

Außergerichtliche Einigungsbemühungen sind ergebnislos geblieben.

II.

5

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21.06.2010 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zu Recht abgelehnt.

6

1. Der Senat hält die von den Antragstellern angeregte Ortsbesichtigung (durch den Berichterstatter des Senats) nicht für erforderlich, weil die Lage und Nutzung der Grundstücke und der jahres- und tageszeitlich unterschiedliche Schattenwurf vom Grundstück der Beigeladenen aus anhand der vorliegenden Karten, CAD-Animationen (Anlage AST 6) und der dem Senat vorliegenden, allgemein zugänglichen Informationen zu Sonnenständen (im Internet: http://cgi.stadtklima-stuttgart.de/mirror/sonne.exe.) hinreichend sicher feststellbar sind.

7

2. Das Verwaltungsgericht hat die für den nachbarlichen Rechtsschutz der Antragsteller geltenden Maßstäbe zutreffend dargestellt (S. 2 und 4 des Beschl.-Abdr.); der Senat nimmt darauf Bezug.

8

a) Soweit die Antragsteller (auch) im Beschwerdeverfahren daran festhalten, dass wegen eines neubaugleichen Aufwandes kein Bestandsschutz gegeben sei, ist dies unrichtig.

9

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die An- und Umbaumaßnahmen die Identität der baulichen Anlagen nicht in Frage stellen, so dass – insbesondere – die Frage der Abstandsflächenwahrung des Bestandsgebäudes nicht "neu aufgeworfen" wird (vgl. dazu OVG Bautzen, Urt. v. 28.08.2005, 1 B 889/04, BRS 69 Nr. 127; OVG Münster, Beschl. v. 22.10.1997, 7 B 2464/97, Juris). Eine andere Beurteilung ist erst in Betracht zu ziehen, wenn die mit den Um- und Anbauten verbundenen Eingriffe in die Bausubstanz die Statik des gesamten Baus betreffen, wenn der Bauaufwand denjenigen eines Neubaus erreicht oder überschreitet oder wenn die Bausubstanz ausgetauscht oder wesentlich erweitert wird (Urt. des Senats v. 22.10.2009, 1 LB 10/09, NordÖR 2010, 244; BVerwG, Beschl. v. 21.03.2001, 4 B 18.01, BRS 64 Nr. 90). Keiner dieser Fälle liegt vor; dies hat die Antragsgegnerin in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 01.06.2010 (S. 2-3) überzeugend begründet: Weder das äußere Erscheinungsbild der "Stadtvilla" noch deren Statik werden verändert. Zur Statik ist nur ein Durchbruch vom Schlafzimmer zum Anbau überprüft worden (Beiakte B). Auch wenn die Baukosten den von den Beigeladenen "eingeräumten" Betrag von 120.000,-- Euro übersteigen sollten, sind greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Gesamtkosten der Maßnahme diejenigen eines Neubaus (auch nur annähernd) erreichen würden, weder dargelegt worden noch (angesichts der Preise für entsprechende Objekte [ohne Grundstück] in …) ersichtlich. Das "Maß" der Erweiterung durch den Anbau ist auch nicht als "wesentlich" in dem Sinne einzuordnen, dass dadurch eine qualitative Veränderung der bisherigen Bebauung bewirkt würde. Dem Verwaltungsgericht ist zuzustimmen: Der auf ca. 75 qm Grundfläche geplante Anbau bleibt hinter dem Altbestand mit gut 160 qm Grundfläche, zwei Vollgeschossen und Dachgeschoss deutlich zurück.

10

b) Die Annahme der Antragsteller, die Baumaßnahme – insbesondere der Anbau – sei in der Umgebung ohne Vorbild, wäre für die nach § 34 Abs. 1 BauGB vorzunehmende planungsrechtliche Beurteilung relevant. Das "Einfügensgebot" gem. § 34 Abs. 1 BauGB hat für ein Vorhaben, das innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens bleibt, nur dann eine nachbarschützende Bedeutung, wenn die gebotene Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung ausbleibt. Dem Rücksichtnahmegebot kommt insoweit im nachbarlichen Verhältnis zweier Grundstücke eine Korrekturfunktion im Sinne eines Ausgleichs schutzwürdiger - gegenläufiger – Interessen zu (vgl. Urt. des Senats v. 04.09.1997, 1 L 139/96, BRS 59 Nr. 174 m. w. N.; BVerwG, Urt. v. 13.06.1969, 4 C 234.65, BVerwGE 32, 173).

11

Das Bauvorhaben der Beigeladenen fügt sich, wie die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 01.06.2010 (S. 4-5) und das Verwaltungsgericht (S. 4 u. des Beschl.-Abdr.) zutreffend ausgeführt haben, in den Rahmen der näheren Umgebung ein. Das gilt insbesondere für die mit dem Anbau verwirklichte "Tiefe" der Bebauung. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots unter dem Aspekt mangelnder Einfügung ist damit nicht gegeben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999, 4 B 128.98, NVwZ 1999, 879).

12

Die Frage, ob ein Anbau bzw. die Nutzung der Dachterrasse "geboten" oder "erforderlich" sind, ist für die Prüfung des im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB zu beachtenden Rücksichtnahmegebots schon im Ansatz unerheblich. Das "Ob" und "Wie" des Bauens liegt in der Bestimmung der Bauherren und der baurechtlichen Vorgaben. Es mag sein, dass die Beigeladenen auf den Anbau (ganz) hätten verzichten, diesen kleiner oder mit geringerer Deckenhöhe ausführen oder die östliche Seitenwand des Anbaus gegenüber der "Flucht" des Altbaus hätten zurückspringen lassen können. Diese Möglichkeiten sind der privatautonomen Entscheidung der beigeladenen Bauherren zugewiesen. Die baurechtliche Prüfung ist an das beantragte Vorhaben gebunden. Die – in den Schriftsätzen der Antragsteller vom 22.07., der Beigeladenen vom 10.08. und im Schreiben des Architekten vom 28.10.2010 angesprochenen – baulichen Reduzierungen sind lediglich als Vergleichsmöglichkeiten erörtert worden. Der Nachbar kann eine Baugenehmigung schon vom Ansatz her rechtlich nicht durch den Hinweis auf eine seines Erachtens "bessere" Alternative zu Fall bringen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.6.1997, 4 B 97.97, BRS 59 Nr. 176). Der Nachbarrechtsschutz der Antragsteller beschränkt sich somit auf die Frage, ob das Bauvorhaben so, wie es beantragt und genehmigt worden ist, ihre – konkrete – Rechtsposition verletzt. Das ist nicht der Fall.

13

c) Eine rücksichtslose – und damit nachbarrechtsverletzende – Bebauung ist auch im Hinblick auf die Abstandsflächen und die Nutzung der Dachterrasse nicht gegeben.

14

Der Anbau der Antragsteller wahrt die nach § 6 Abs. 4 und Abs. 5 LBO 2009 gebotene Abstandsfläche. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme scheidet damit – im Regelfall – aus (Urt. des Senats v. 20.01.2005, 1 LB 23/04, NordÖR 2005, 314; BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999, a.a.O., []bei Juris Tn. 4]).

15

d) Unter besonderen Umständen kann eine bauliche Nutzung – ausnahmsweise - auch dann rücksichtslos sein, wenn die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen gewahrt sind. Dies kommt in Betracht bei "bedrängenden" oder (gar) "erdrückenden" Wirkungen einer baulichen Anlage (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.01.2007, 1 ME 80/07, BRS 71 Nr. 88) oder in Fällen, die – absehbar – zu gravierenden, allein durch die Abstandsflächenwahrung nicht zu bewältigenden Nutzungskonflikten führen. Im vorliegenden Fall besteht dafür weder im Hinblick auf den – von den Antragstellern so empfundenen - "massiven" Anbau (unten aa) noch auf die zusätzlichen Einblickmöglichkeiten von der Dachterrasse aus (unten bb) ein durchgreifender Ansatzpunkt; das Gleiche gilt für die von den Antragstellern angeführten Verschattungswirkungen des Anbaus (unten cc).

16

aa) Von einer "erdrückenden" oder "abriegelnden" Wirkung, die bei nach Höhe und Volumen "übergroßen" Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht zu ziehen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.1981, 4 C 1.78, DVBl. 1981, 928), ist der eingeschossige Anbau der Beigeladenen weit entfernt.

17

bb) Die durch die Dachterrasse eröffnete "Rundumsicht", die entstehenden neuen Einblickmöglichkeiten sowie evtl. von dort ausgehende Geräusche sind grundsätzlich ebenso hinzunehmen wie es der Fall ist, wenn die Beigeladenen aus dem Fenster sehen oder wenn sie einen Balkon anbauen und nutzen würden (vgl. dazu OVG Bautzen, Beschl. v. 12.10.2010, 1 B 149/10, Juris). Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – die abstandsrechtlichen Vorschriften beachtet worden sind (Beschl. des Senats v. 16.10.2009, 1 LA 42/09, Juris; OVG Magdeburg, Urt. v. 22.06.2006, 2 L 910/03, Juris, BauR 2006, 1943 [Ls.; bei Juris Tn. 38]). Ausnahmen kommen nur in stark verdichteten Bebauungssituationen in Betracht (vgl. OVG Münster, Urt. v. 22.08.2005, 10 A 3611/03, BRS 69 Nr. 91: Reihenhauszeile), die hier nicht vorliegen. Anders als in solchen Konstellationen können sich die Antragsteller auch durch Anpflanzungen oder Abschirmungen gegen unerwünschte Einblicke schützen.

18

cc) Was die Verschattungswirkung des Anbaus anbetrifft, stehen diese in einem Zusammenhang mit den verkürzten Abstandsflächen, die durch die am 01. Mai 2009 in Kraft getretene neue Landesbauordnung (§ 6 Abs. 5 LBO) eingeführt worden sind.

19

Der neu bestimmte "bauordnungsrechtlich vertretbare Mindeststandard" (vgl. Niere, NordÖR 2009, 273 ff./275) dient auch dem Ziel einer ausreichenden "Ausleuchtung der Aufenthaltsräume mit Tageslicht" (Landtags-Drs. 16/1675, S. 146, 147). Die Mindestzufuhr von Licht, Luft und Sonne ist damit auch in Bezug auf das Rücksichtnahmegebot definiert worden; mehr kann der Nachbar im Regelfall nicht verlangen (vgl. – in diesem Sinne – ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.10.2009, 10 S 26.09, Juris [Tz. 16-17], OVG Hamburg, Beschl. v. 26.09.2007, 2 Bs 188/07, NordÖR 2008, 73 ff.). Liegen keine Besonderheiten (s. o.) vor, bleibt die Einhaltung der Abstandsfläche für die Wahrung des Gebots der Rücksichtnahme maßgeblich (OVG Münster, Beschl. v. 09.02.2009, 10 B 1713/08, NVwZ-RR 2009, 459).

20

Ausgehend davon können die von dem Anbau ausgehenden Verschattungswirkungen nicht als rücksichtslos eingestuft werden. Das Rücksichtnahmegebot vermittelt keinen Anspruch auf die unveränderte Beibehaltung der einmal gegebenen Besonnung eines Grundstücks oder darauf, dass eine Nachbarbebauung Verschattungswirkungen in einem größeren Umfang zu vermeiden oder zu minimieren hat, als es das Abstandsflächenrecht fordert (Urt. des Senats v. 20.01.2005, 1 LB 23/04, NordÖR 2005, 314 ff.). Die im Schreiben des Architekten vom 28.10.2010 angesprochene "spürbare Entlastung der Verschattung" durch eine "weitere Absenkung des Anbaus" und eine "Erhöhung des Abstandes" zur Grundstücksgrenze der Antragsteller kann über das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht eingefordert werden. Ein Verstoß gegen dieses Gebot erfordert eine qualifizierte Betroffenheit des Nachbarn, die über bloße Lästigkeiten hinausgeht (BVerwG, Urt. v. 06.10.1989, BRS 49 Nr. 188 [bei Juris Tn. 20]). Das ist vorliegend nicht festzustellen.

21

Der (künftig) entstehende Schattenwurf betrifft vor allem die Nordwestecke des Gartens der Antragsteller. Dieser Grundstücksbereich ist, wie im Internet veröffentlichte Luftbilder zeigen, schon jetzt durch den Schattenwurf des vorhandenen Altbaus der Beigeladenen (vor-) belastet.

Abbildung

22

Infolge des neu hinzukommenden Anbaus ist in diesem Grundstücksbereich mit zusätzlichem Schattenwurf etwa ab 14.00 Uhr zu rechnen; bis ca. 18.00 Uhr im Hochsommer bzw. ca. 16.00 Uhr im Frühjahr/Herbst werden zwischen 2 m und ca. 14 m dieses Bereichs verschattet. Dies lässt sich aus den Sonnenstandswinkeln (s. dazu die Grafik) und der vorgesehenen Höhe des Anbaus ableiten.

Abbildung

2

23

Quelle: http://cgi.stadtklima-stuttgart.de/mirror/sonne.exe . - Eingabe "A-Stadt”

24

Die von den Antragstellern eingereichte CAD-Animation zeigt ähnliche Ergebnisse.

25

Verschattungswirkungen treten – umgekehrt – auch vom Grundstück der Antragsteller aus in Richtung des Grundstücks der Beigeladenen auf; diese betreffen die (Vormittags-) Zeit ab Sonnenaufgang bis längstens gegen Mittag und erreichen außerhalb des Hochsommers auch den Anbau der Beigeladenen.

26

Diese wechselseitige Verschattung zu gewissen Tages- und Jahreszeiten ist im Rahmen eines innerstädtischen Nachbarschaftsverhältnisses beiderseits hinzunehmen und zumutbar. Verschattungswirkungen dieser Art sind in Innenstadtgebieten nicht vermeidbar; in historisch gewachsenen Baugebieten – wie vorliegend - sind sie von vornherein angelegt. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf einen unveränderten Fortbestand der bisherigen (Besonnungs-)Situation besteht nicht, weil jeder Grundstückseigentümer damit rechnen muss, dass Nachbargrundstücke innerhalb des vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es infolge der Bebauung zu einer zusätzlichen Verschattung von Teilen des eigenen Grundstücks bzw. von Wohnräumen kommt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 11.12.1997, Bs II 50/95, Juris [Ls. 7] sowie Beschl. v. 26.04.2000, 2 Bs 116/00, Juris). Das Gleiche gilt für die Verschattungswirkungen der (wachsenden) Grundstücksbepflanzung.

27

Eine qualifizierte, diese Rahmenbedingungen verlassende und das Maß des Zumutbaren überschreitende Betroffenheit der Antragsteller ist auch im Hinblick auf die spezifische Grundstückssituation nicht festzustellen. Ihrem Eckgrundstück haften lagebedingte Nachteile an. Der Umstand, dass das Grundstück als einzigen "straßenabgewandten" Bereich die im Schattenwurf des Altgebäudes und des Anbaus gelegene Fläche aufweist, vermag eine Einschränkung des Baurechts der Beigeladenen nicht zu begründen. Ihr Baurecht ist gegenüber einem Eckgrundstück nicht stärker mit Rücksichtnahmepflichten belastet als gegenüber sog. "Mittelgrundstücken" (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 20.11.2006, 4 TG 2391/06 [Ls. 2], BRS 70 Nr. 168). Für die Antragsteller verbleiben zudem Grundstücksbereiche, die von der Verschattung nicht betroffen sind und die in der – insgesamt – ruhigen Wohnlage auch auf der "straßenzugewandten" Seite des Eckgrundstücks für den Sonnengenuss nutzbar bleiben.

28

e) Weitere Beschwerdegründe haben die Antragsteller nicht dargelegt (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO).

29

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG.

30

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig.

31

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.