Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 11. Juli 2018 - 11 B 86/18
Tenor
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller bis zur endgültigen Klärung der Reisefähigkeit eine Duldung zu erteilen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Die Beteiligten streiten um eine Duldung für den Antragsteller.
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Der Antragsteller ist ein am 29.12.2014 geborener albanischer Staatsangehöriger, der im Jahr 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Nach einem erfolglos verlaufenen Asylverfahren ist er ausreisepflichtig.
- 3
Der Kläger leidet an verschiedenen schwerwiegenden Erkrankungen. So werden in einem Arztbrief der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des UKSH A-Stadt vom 09.05.2017 folgende Diagnosen genannt: Cornelia-de-Lange-Syndrom, schwere globale Entwicklungsstörung, Stenose der A. pulmonalis (angeboren), Hypoplasie rechter Unterarm / Hand, V. a. gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis, Obstipation. Der Kläger wurde wiederholt als Notfall nach häufigem Erbrechen und mit Fieber über 40 Grad in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin aufgenommen. In dem vorliegenden Verwaltungsvorgang befinden sich verschiedene ärztliche Stellungnahmen der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin und der behandelnden Praxis für Kinder- und Jugendmedizin zu dem Gesundheitszustand des Antragstellers. Hierauf wird zur weiteren inhaltlichen Darstellung Bezug genommen.
- 4
Zur Prüfung der Reisefähigkeit des Antragstellers holte die Antragsgegnerin eine ärztliche Stellungnahme des Arztes xx xxx von der xx Medical GmbH ein. Zum Zeitpunkt der von Herrn xxx erstellten Stellungnahme vom 15.04.2018 lagen folgende Stellungnahmen zur Reisefähigkeit vor:
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1. Stellungnahme von Dr. xxx, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin vom 09.01.2018, in welcher es zusammenfassend hieß: Der Antragsteller sei sicher nur sehr bedingt reisefähig, im Rahmen von Infekten komme es bei ihm zu einem teilweise rasanten körperlichen Verfall innerhalb von 30 bis 60 Minuten. Die Refluxe seien quälend für ihn. Von einer längeren Reise würde er nach wie vor abraten.
- 6
2. Stellungnahme der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des UKSH A-Stadt vom 10.04.2018, in welcher es u.a. hieß: Der Antragsteller leide an einem Cornelia-de-Lange-Syndrom. Dies sei eine komplexe angeborene genetische Erkrankung, die mit einer schweren körperlichen und geistigen Retardierung einhergehe. Zudem habe er regelmäßig und zeitweise täglich Fieberschübe, die teilweise durch Infektionen, teilweise durch Hochregulation des Immunsystems (Autoinflammation) bedingt seien. Zudem bestehe ein hohes Risiko einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustandes, wie beispielsweise die Entwicklung einer Blutstrominfektion oder eine Aspiration mit Todesfolge, welches eine Reise über mehrere Stunden unmöglich mache.
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In seiner ärztlichen Stellungnahme vom 15.04.2018 kam Herr xxx zu dem Ergebnis, es bestehe für den Antragsteller keine Reiseunfähigkeit. In der Stellungnahme führte er u.a. aus, die Aussage, es bestehe ein Risiko einer Aspiration mit Todesfolge, sei medizinisch nicht stichhaltig. Eine Aspiration mit Todesfolge könne unabhängig vom Aufenthaltsort erfolgen. Typischerweise seien bei diesem Krankheitsbild durch Regurgitation von Magensaft Aspirationen möglich, diesem könne jedoch durch eine sitzende Position, auch während einer Flugreise, deutlich entgegen gewirkt werden. Das Kind sei im Alter von sechs Monaten mit einem Flugzeug nach Deutschland gekommen. Hier sei die Krankheit bereits ausgebildet gewesen, die Gefahr von Aspirationen sei aufgrund des jungen Alters sogar deutlich höher gewesen. Auch dieser Flug sei problemlos überstanden worden.
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Der Antragsteller beantragte bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Duldung und trug u.a. vor, er sei nicht reisefähig. Hierzu legte er folgende ärztlichen Stellungnahmen vor:
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1. Stellungnahme von Frau Dr. xxx, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in der Praxis Dr. xxx vom 19.06.2018, in welcher es u.a. hieß: Bei dem Antragsteller bestehe ein komplexes Retardierungssyndrom mit damit einhergehenden Co-Morbiditäten, die eine Reisefähigkeit des Patienten stark einschränkten. Er erbreche aktuell bis zu viermal am Tag. Weiterhin bestehe ein nicht geklärtes Fiebersyndrom, welches zu langen Perioden mit Temperaturen über 39 Grad (so auch aktuell seit drei Wochen) führe. Aus genannten Gründen sei eine Reisefähigkeit aktuell und auf absehbare Zeit nicht gegeben.
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2. Stellungnahme der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin vom 30.05.2018, in welcher es u.a. hieß: Es bestehe ein hohes Risiko einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustandes, wie beispielsweise die Entwicklung einer Blutstrominfektion oder eine Aspiration mit Todesfolge. Mit zunehmendem Alter würden diese lebensbedrohlichen Episoden häufiger und der Gesundheitszustand der Kinder mit Cornelia-de-Lange-Syndrom werde instabiler. Diese Entwicklung beobachteten sie aktuell auch bei dem Antragsteller. Die beschriebenen Gründe machten eine Reise über mehrere Stunden mit dem Antragsteller unmöglich, da das Risiko einer akuten Verschlechterung mit lebensbedrohlichen Komplikationen sehr hoch sei.
- 11
Der Antragsteller hat am 25.06.2018 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, zu dessen Begründung auf eine Reiseunfähigkeit und die oben ausschnittsweise zitierten ärztlichen Stellungnahmen abgestellt wird.
- 12
Der Antragsteller beantragt,
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm bis zur abschließenden Klärung der Frage, ob er reisefähig ist, eine Duldung zu erteilen.
- 14
Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
- 16
Zur Begründung führt die Antragsgegnerin aus, die Reisefähigkeit sei durch Herrn xxx bestätigt worden. Bis zum Erhalt eines Ausreisedokumentes für den Bruder des Antragstellers werde die Familie geduldet. Das Landesamt für Ausländerangelegenheiten werde gebeten, in Amtshilfe ein Laissez Passer für den Bruder auszustellen. Anschließend habe die Ausreise der Familie unverzüglich zu erfolgen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
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Der Antrag ist zulässig und begründet.
- 19
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch einen sicherungsfähigen Anspruch (Anordnungsanspruch) voraus. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgeblich sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da die Antragsgegnerin seine unmittelbare Abschiebung für den Zeitpunkt beabsichtigt, in dem für alle Familienmitglieder die erforderlichen Papiere vorliegen. Dies macht einen rechtzeitigen Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren nicht möglich.
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Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat einen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin ihn nicht vor einer endgültigen Klärung der Reisefähigkeit abschiebt, sondern ihn für diesen Zeitraum duldet.
- 22
Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
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Ein rechtliches Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG liegt u.a. dann vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben und damit für die in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten Grundrechte zu befürchten ist. Besteht diese Gefahr unabhängig vom konkreten Zielstaat, kommt ein sogenanntes inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis wegen Reiseunfähigkeit in Betracht und dies in zwei Fällen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange ein Ausländer wegen einer Erkrankung transportunfähig ist, das heißt, wenn sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des Reisens wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne). Außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs kann sich zum anderen eine konkrete Gesundheitsgefahr aus dem ernsthaften Risiko ergeben, dass sich der Gesundheitszustand gerade durch die Abschiebung als solche wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (sogenannte Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne) (OVG Schleswig, Beschluss vom 09.12. 2011 – 4 MB 63/11 – Umdruck S. 4; Bayr. VGH, Beschluss vom 05. 07.2017 – 19 CE 17.657 -, juris Rn. 20, jeweils m.w.N.).
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Bei der Prüfung der Reiseunfähigkeit ist zu berücksichtigen, dass nach § 60a Abs. 2 c AufenthG vermutet wird, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
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Sowohl Dr. xxx bzw. Dr. xxx wie auch die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des UKSH A-Stadt haben jeweils mehrere ärztliche Stellungnahmen zum Gesundheitszustand des Antragstellers und einer mit einer längeren Reise verbundenen Gefährdung erstellt. In der Gesamtschau genügen diese Bescheinigungen den in § 60a Abs. 2c AufenthG gestellten Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung. Durch den Inhalt der Stellungnahmen der Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin wird die gesetzliche Vermutung, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, entkräftet. Den Stellungnahmen ist zu entnehmen, dass nach fachärztlicher Einschätzung der Antragsteller für eine längere Reise nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne).
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Diesen Stellungnahmen gegenüber steht die Bewertung der Reisefähigkeit durch Herrn xxx, welcher den Antragsteller für reisefähig hält.
- 27
Bei der damit gegebenen Situation sich im Ergebnis widersprechender ärztlicher Stellungnahmen, kommt der Stellungnahme von Herrn xxx kein Vorrang zu. Herr xxx ist kein Amtsarzt, er betreibt vielmehr ein privatwirtschaftliches Institut, in welchem er ärztliche Stellungnahmen auf Veranlassung u.a. verschiedener Ausländerbehörden erstellt. Seiner Äußerung kommt daher nicht der Vorrang einer amtsärztlichen Stellungnahme zu. Zudem ist Herr xxx - anders als die übrigen Ärzte, welche sich zur gesundheitlichen Situation des Antragstellers geäußert haben - kein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin. Die Antragsgegnerin ist daher gehalten, eine angesichts der widerstreitenden Stellungnahmen bislang nicht vorliegende abschließende Klärung der Reisefähigkeit des Antragstellers herbeizuführen. Hierzu steht ihr nicht zuletzt ihr amtsärztlicher Dienst zur Verfügung. Die Antragsgegnerin wird dabei auch die zeitlich der Stellungnahme von Herrn xxx nachfolgenden Stellungnahmen von Dr. xxx vom 19.06.2018 und der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin vom 30.05.2018 zu berücksichtigen haben, die bisher nicht erkennbar von der Antragsgegnerin einbezogen wurden. Solange diese abschließende Klärung nicht erfolgt ist, ist der Antragsteller zu dulden.
- 28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 1. Kammer - vom 14. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
- 1
Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2011 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.
- 2
Die Beschwerdeführerin ist russische Staatsangehörige und nach erfolglos durchgeführtem Asylverfahren vollziehbar ausreisepflichtig; ihre Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. November 2005 nahm sie in der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2009 zurück, nachdem sie eingeräumt hatte, dass ihre im Asylverfahren vorgetragenen Angaben darüber, dass sie vergewaltigt worden sei, unzutreffend gewesen seien. Seitdem waren ihr und ihrem mittlerweile volljährigen Sohn X Duldungen im Hinblick auf dessen Erkrankung an einer schwerwiegenden Hörminderung und zunächst auch wegen Nichtvorliegens von Passpapieren erteilt worden. 2008 kehrte ihr Mann zusammen mit dem jüngeren gemeinsamen Sohn freiwillig in die Russische Föderation zurück. Der Antragsgegner lehnte einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG mit Bescheid vom 31. August 2010 ab; einen verwaltungsgerichtlicher Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des hiergegen eingelegten Widerspruchs lehnte das Verwaltungsgericht im Verfahren 6 B 45/10 mit Beschluss vom 3. November 2010 ab, weil keine Reiseunfähigkeit gegeben sei. Mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Dezember 2010 wurde der Widerspruch daraufhin zurückgenommen. Am 22. September 2011 stellte die Beschwerdeführerin beim Antragsgegner unter Hinweis auf ihre eigenen gesundheitlichen Schwierigkeiten sowie auf die verschlechterte gesundheitliche Situation des Sohnes X einen erneuten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Einen Asylfolgeantrag im Hinblick auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 30. Juni 2011 ab; hiergegen ist beim Verwaltungsgericht ein Klageverfahren – 1 A 217/11 – anhängig. Mit Beschluss vom 27. Juli 2011 hat das Verwaltungsgericht den auf die Berücksichtigung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses wegen Suizidalität der Antragstellerin gerichteten asylrechtlichen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt, weil deren psychische Erkrankung auch in der Russischen Föderation behandelbar sei. Im vorliegenden, gegen den Antragsgegner als Ausländerbehörde gerichteten Eilverfahren hat sich die Beschwerdeführerin auf eine psychologisch-gutachterliche Stellungnahme des Diplom-Psychologen Y vom 30. Dezember 2010 bezogen, der ihre Belastung durch die langjährige Erfahrung familiärer Gewalt schildert und bei ihr eine schwere depressive Episode sowie Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt diagnostiziert hat. Die Beschwerdeführerin sei bislang durch eine 14-tägig durchgeführte Therapie nur mäßig stabilisiert worden. Sie sei weiterhin auf eine intensive und langandauernde Behandlung angewiesen. Ohne diese Möglichkeit bestünden große Risiken, dass die latent vorhandenen Suizidgedanken in eine aktuelle Suizidalität münden könnten.
- 3
Das Verwaltungsgericht hat den gegen die Ausländerbehörde gerichteten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 14. Oktober 2011 abgelehnt, weil zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote bereits Gegenstand des erfolglosen asylrechtlichen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes gewesen seien und keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Beschwerdeführerin durch die Abschiebung als solche in eine ernsthafte suizidale Krise geraten würde. Sollten solche Anhaltspunkte geltend gemacht werden, werde der Antragsgegner verpflichtet sein, durch entsprechende Maßnahmen zu reagieren.
- 4
Die Beschwerde trägt im Wesentlichen vor, es lägen gegenüber dem vorhergehenden Verfahren veränderte Umstände vor. Der Kontakt mit der Russischen Föderation sei für die Beschwerdeführerin stressbehaftet und angstauslösend. Die Ursache hierfür liege in der Krankheit der Beschwerdeführerin und damit im Inland. Es sei ausweislich einer ergänzenden Einschätzung des Psychologen Y vom 7. Oktober 2011 – welche nach Verfahrensabschluss an das Verwaltungsgericht übersandt worden ist – eine weitere Verstärkung der depressiven Symptomatik zu erwarten. Diese mit einer weiteren ärztlichen Bescheinigung eines Dr. Z vom 28. Oktober 2011 bestätigten Beschwerden bestünden unabhängig von der Frage der Sedierung oder Fixierung während der Abschiebung, weil sie im Heimatland fortwirkten.
- 5
Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
- 6
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes kann lediglich eine Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber der Ausländerbehörde aufgrund eines inlandsbezogenen Abschiebungsverbots sein; hiervon geht auch die Beschwerde aus. In Abgrenzung zur – vorliegend allein im Asylverfahren gebotenen - Berücksichtigung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote, welche durch die spezifischen Verhältnissen des Zielstaats bedingt sind, hat die Ausländerbehörde in ihrem Vollstreckungsverfahren, gegebenenfalls durch die Ausgestaltung der Abschiebung, als krankheitsbedingtes inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis eine Verschlimmerung der Erkrankung zu berücksichtigen, die allein als Folge der Abschiebung als solche, in welchen Staat auch immer, eintritt (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 -, AuAS 2003, 106). Eine Abschiebung scheidet aus, wenn sich der Gesundheitszustand des betreffenden Ausländers transportbedingt wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde und hiergegen geeignete medizinische Maßnahmen nicht getroffen werden können (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne). Ein inlandsbezogenes, am Abschiebungsvorgang ansetzendes Vollstreckungshindernis liegt im Falle einer psychischen Erkrankung darüber hinaus aber auch vor, wenn im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer als unmittelbare Folge der Abschiebung eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung seines Gesundheitszustandes droht, die nicht erst durch die Konfrontation mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt wird (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 29.11.2010 – 18 B 910/10 -, NVwZ-RR 2011, 300; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 29.03.2011 – 8 LB 121/08 -, Juris).
- 7
Sind bei der Ankunft im Zielstaat Übergangsschwierigkeiten in eine für den Betroffenen erforderliche Betreuung durch Familienangehörige oder staatliche bzw. karitative Versorgungssysteme zu erwarten, so hängen diese noch unmittelbar mit der Art und Weise der Abschiebung zusammen und sind deshalb dem Vollstreckungsverfahren der Ausländerbehörde zuzurechnen (ebd.). Ihnen ist ebenfalls durch die im Bedarfsfall von der Ausländerbehörde im Einzelnen darzulegende Art und Weise der Ausgestaltung der Abschiebung, etwa durch Einschaltung der deutschen Auslandsvertretung, durch Abgabe von Kostenübernahmeerklärungen für medizinische Behandlungen oder durch Gewährleistung einer psychosozialen Unterstützung bis zur Übernahme durch die Versorgungssysteme des Zielstaates, Rechnung zu tragen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, ebd.; OVG Land Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 20.06.2011 – 2 M 38/11 -, AuAS 2011, 197). Entsprechende Gewährleistungspflichten zur Verhütung von Gefahren – ggf. auch durch eine etwa erforderliche stationäre Unterbringung des Betroffenen - treffen die Ausländerbehörde, sofern sie hierzu Veranlassung haben muss, im Zeitraum von der Ankündigung einer Abschiebung bis zu deren Durchführung. Welche konkreten Maßnahmen bei der Gestaltung der Abschiebung im Einzelnen erforderlich sind, um einer ernsthaften Suizidgefahr zu begegnen, hat die Ausländerbehörde auf Grundlage einer möglichst fundierten und genauen Erfassung des Krankheitsbildes und der Gefahrenlage zu ermitteln (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 09.05.2007 – 19 B 352/07 -, NVwZ-RR 2008, 284; BayVGH, Beschl. v. 23.10.2007 – 24 CE 07.484 -, Juris).
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Voraussetzung für die Annahme eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses wegen Gesundheitsgefahren ist allerdings stets, dass eine konkrete Gesundheitsverschlechterung von erheblichem Gewicht zu erwarten ist, die nach der Wertung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG einer Abschiebung entgegenstünde. Beeinträchtigungen unterhalb dieser Schwelle, die aufgrund der Aussichtslosigkeit des Bleiberechts für Deutschland und der bevorstehenden Abschiebung in den Zielstaat eintreten, führen für sich genommen nicht zu einer Reiseunfähigkeit und werden dem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer vom Gesetzgeber (vgl. § 58 AufenthG) zugemutet (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 29.11.2010 – 18 B 910/10 -, a.a.O.).
- 9
Nach diesem Maßstab ist ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot bei der Beschwerdeführerin nicht gegeben. Aus der Stellungnahme des Psychologen Y lässt sich eine Reiseunfähigkeit im oben beschriebenen Sinne selbst bei weitem Verständnis nicht ableiten. Die in der Stellungnahme vom 30. Dezember 2010 angesprochenen Risiken der Verstärkung latent vorhandener Suizidgedanken bis hin zu einer akuten Suizidalität werden für den Fall einer nicht bestehenden Möglichkeit der Weiterführung einer intensiven und langandauernden Therapie gesehen. An diese Einschätzung knüpft der Psychologe auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. Oktober 2011 an. Dort heißt es weiterhin, die Beschwerdeführerin könne sich nur außerhalb ihres Heimatlandes mit den dortigen traumatisierenden Gewalterfahrungen auseinandersetzen. Abschiebung bedeute eine extreme Konfrontation mit den Erinnerungen an Gewalt und Ohnmacht, der die Beschwerdeführerin nicht gewachsen erscheine, so dass zu befürchten sei, dass sie noch stärker in die Depression geraten und dann mit weiteren schweren somatischen und ggf. mit psychotischen Beschwerden reagieren würde. Aus diesen Ausführungen lässt sich ein inlandsbezogenes, allein am Abschiebevorgang ansetzendes, oberhalb der Schwelle der wesentlichen Beeinträchtigung liegendes und nicht durch erforderlichenfalls vom Antragsgegner zu gewährleistende medizinische Maßnahmen zu begegnendes Abschiebungshindernis nicht ableiten. Die Frage, ob die Weiterführung einer Therapie im Heimatland gewährleistet werden kann, ist allein im asylrechtlichen Verfahren zu prüfen und dort vom Verwaltungsgericht bereits bejaht worden. Sie betrifft – da hier das Eingreifen russischer Versorgungsmöglichkeiten unmittelbar nach einer Ankunft nicht in Zweifel steht – allein die Verhältnisse im Zielstaat.
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Ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot ergibt sich für die Beschwerdeführerin schließlich auch nicht im Hinblick auf die Wahrung der Beistandsgemeinschaft zu ihrem volljährigen Sohn und ein für diesen etwa bestehendes Abschiebungsverbot, da der Senat auch dessen Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom heutigen Tage – 4 MB 62/11 – zurückgewiesen hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
Tenor
I. Die Beschwerden werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragsgegnerin dafür Sorge trägt, dass die Abschiebung des Antragstellers zu 1 medizinisch betreut und er im Zielstaat der Abschiebung an hinreichend qualifiziertes medizinisches Personal übergeben wird.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.