Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 20. Feb. 2019 - RO 2 K 18.33013

bei uns veröffentlicht am20.02.2019

Gericht

Verwaltungsgericht Regensburg

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger, äthiopischer Staatsangehörigkeit, wenden sich gegen einen ablehnenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) und begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und wiederum hilfsweise die Feststellung des Vorliegens von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).

Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge am … 1982 geboren, die Klägerin ihren Angaben zufolge am … 1983. Beide geben an, miteinander verheiratet zu sein. Die Klägerin gebar am … 2014 in C. das erste gemeinsame Kind. Dieses klagt im Verfahren RO 2 K 16.31475 ebenfalls gegen die Ablehnung seines Asylantrags.

Die Kläger reisten am 24. August 2013 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 12. September desselben Jahres Asyl. Die persönliche Anhörung beim Bundesamt erfolgte am 9. Juni 2014.

Bei ihrer Asylantragstellung legten beide einen jeweils am 27. Juni 2011 ausgestellten UNHCR Flüchtlingsausweis vor.

Am 5. September 2013 wurden beide Kläger zur Klärung ihrer Identität bei der Regierung von M. befragt.

Der Kläger gab hierbei an, Amharisch und ein bisschen Oromo, Tigrinya und Englisch zu sprechen. Seine Mutter sei Amhara, sein Vater sei Oromo. Einen äthiopischen Reisepass habe er nie besessen. Papiere habe er nicht dabei. Seinen Personalausweis habe er im Mittelmeer weggeschmissen. Seine Schulzeugnisse habe ihm im Oktober 2010 der Geheimdienst in Äthiopien abgenommen, er habe keine Geburtsurkunde besessen. Er könne keine Personalpapiere besorgen. Er wolle nicht nach Äthiopien telefonieren. In Äthiopien habe er im Stadtteil B., Wereda Kebele … gewohnt. Vom 20. September 2010 bis zum 20. April 2012 habe er sich in einem Camp im Sudan aufgehalten, dann sei er über Libyen und einen unbekannten Mittelmeerstaat nach Europa gekommen. Er sei seit dem 12. September 2007 mit der am … 1983 in A. Ab. geborenen Klägerin verheiratet. Sein Vater sei 1957 geboren, seine Mutter sei im Alter von 38 Jahren verstorben. Er habe einen Bruder und zwei Schwestern, diese lebten in Äthiopien. Bis zur 10. Klasse sei er in Goba in die Schule gegangen. Wehrdienst habe er nicht geleistet. Er sei Mitglied der Arbegnoca Ginbbar Partei.

Die Klägerin gab bei der Regierung von Mittelfranken an, nur Amharisch zu sprechen. Sie sei Amhara. Einen äthiopischen Reisepass habe sie nie besessen. Papiere habe sie nicht dabei. Ihren Personalausweis habe sie im Mittelmeer am 20. August 2013 weggeschmissen. Auch ihre Schulzeugnisse habe sie an diesem Tag im Mittelmeer weggeschmissen. Sie habe eine Geburtsurkunde besessen. Personalpapiere könne sie nicht besorgen, sie wolle nicht mit ihrer Familie in Äthiopien telefonieren. Als letzte Adresse im Heimatland gab sie die gleiche Adresse wie der Kläger an. Sie habe sich vom 7. Januar 2011 bis 20. April 2012 im gleichen Camp wie der Kläger im Sudan aufgehalten und sei mit ihm über Libyen und einen unbekannten Mittelmeerstaat nach Europa gekommen. Sie sei seit dem 12. September 2007 mit dem Kläger verheiratet. Ihr Vater sei 55 Jahre, ihre Mutter 53 Jahre alt. Sie habe fünf Brüder und eine Schwester, die Geschwister lebten bei den Eltern in Wello. Sie habe bis zur 10. Klasse in A. Ab. die Schule besucht.

Am 18. September 2013 erfolgte eine Befragung zur Vorbereitung der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt. Der Kläger gab hierbei an, außer Amharisch noch etwas Tigrinya zu sprechen. Er gehöre zur Volksgruppe der Oromo. Sein Vater sei Oromo, seine Mutter Amhara. Er habe einen Kebeleausweis gehabt, der ihm vor ca. 5 Jahren in A. Ab. ausgestellt worden sei. Auf der Flucht habe er diesen Ausweis verloren. Eine Geburtsurkunde habe er sich nie ausstellen lassen. Die Zeugnisse und seine Heiratsurkunde seien während seiner Flucht, beim Kentern eines Schlauchbootes, abhandengekommen. Er habe seinen Wehrpass im Sudan, beim UNHCR abgegeben. Eine Kopie dieses Wehrpasses habe er auf der Flucht in Libyen zerrissen und weggeschmissen. Er habe in zwei Flüchtlingslagern im Sudan gelebt, am 20. September 2010 sei er in Gelebat im Sudan eingetroffen. Er habe sich einen Monat lang in einem Lager in Gedarif aufgehalten. Vom 27. Juni 2011 bis zum 20. April 2012 habe er sich in einem weiteren Flüchtlingscamp in Shagerab aufgehalten. Mit seiner Frau sei er nach Landesrecht traditionell kirchlich verheiratet. Er habe 10 Jahre die Schule in Bale-Goba besucht und 1998 die Schule abgeschlossen. Von Mai 1999 bis 7. Februar 2002 sei er in der äthiopischen Armee als einfacher Soldat gewesen. Er sei am 16. August 2013 mit seiner Frau und weiteren 96 Flüchtlingen von Tripolis aus mit einem Schlauchboot losgefahren. Angesichts der vielen Flüchtlinge seien am vierten Tag der Überfahrt die Holzplanken des Bootes gebrochen, daraufhin hätten die Schleuser gefordert, dass das Gepäck über Bord geworfen werde. Am 22. August 2013 seien sie in der Nacht in der Nähe einer europäischen Hafenstadt angekommen. Am 24. Mai 2010 sei er von A. Ab. aus nach Debre Markos auf einem Pickup gefahren. Dort habe er ca. 3 Monate bei einem Freund gewohnt. Mit einem Pickup sei er am 18. August 2010 nach Gondor gekommen und habe anschließend die Grenzstadt Metema erreicht. Zu Fuß habe er die Grenze zum Sudan überquert, am 20. September sei er in Gelebat angekommen.

Auf die Frage, weshalb er nach Deutschland gekommen sei, gab er an, in Äthiopien politisch verfolgt zu werden. Er sei in der Oppositionspartei und habe sich dort politisch engagiert. Die Partei heiße UDJ. 2002 sei er ein Jahr lang im Gefängnis gesessen, als er beim Versuch aus der Armee zu desertieren erwischt worden sei. 2005 sei er erneut eingesperrt worden, da er in der Kinigit Partei tätig gewesen sei. Nach der verlorenen Wahl sei er über ein Jahr lang eingesperrt worden. Er sei im Gefängnis in Shewa-Robit gesessen. 2010 sei er wegen seines politischen Engagements zwei Tage lang eingesperrt gewesen.

Die Klägerin brachte bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 18. September 2013 vor, dass sie alle ihre Unterlagen auf dem Mittelmeer über Bord habe werfen müssen, weil das Schlauchboot geleckt habe. Sie sei am 11. Januar 2011 im Sudan im Flüchtlingslager Shegerab angekommen. Am 26. April 2012 sei sie zusammen mit ihrem Mann nach Libyen weiter. Sie habe in Äthiopien 10 Jahre die Mittelschule in A. Ab. besucht und diese abgeschlossen. Ein Jahr habe sie eine Berufsschule besucht und Hotelfach-/Servicekraft gelernt. Zuletzt habe sie in einer Stofffabrik gearbeitet und 800 äthiopische Birr verdient. Am 5. Januar 2011 sei sie von A. Ab. mit einem Reisebus nach Gondor und von dort mit einem Pickup nach Hamdayit in den Sudan. Über eine weitere Stadt sei sie in das Flüchtlingslager Shegerab gekommen, wo sie wieder ihren Mann getroffen habe. Am 20. April 2012 hätten sie den Sudan verlassen und seien 6 Tage später in der Stadt Igidabia in Libyen angekommen. Dort sei ihr Mann eingesperrt worden und sie in ein Flüchtlingslager des Roten Mondes gebracht worden. Später sei auch ihr Mann in das Flüchtlingslager gekommen, sie hätten ca. ein Jahr in Bengasi verbracht. Dann seien sie nach Tripolis, wo sie 3 Monate in einem Auffanglager verbracht hätten. Sie sei mit ihrem Mann aus diesem Lager geflohen und habe 3 Monate als Hausmädchen in einem Privathaushalt gearbeitet. Sie wolle nach Deutschland, weil sie in ihrem Land nicht leben könne. Sie sei nicht Mitglied einer politischen Partei. Sie unterstütze die Tätigkeit ihres Mannes. Er sei Mitglied in der Einheit für Demokratie und Gerechtigkeit (Andenet). Ihr Mann sei verfolgt worden und habe deshalb das Land verlassen. Später habe auch sie ihr Heimatland verlassen. Nachdem sie sich kennengelernt hätten, sei er nur 2 Tage bei Propagandaarbeiten verhaftet worden. Von anderen Festnahmen wisse sie nichts. Dass er für Freiheit und Demokratie kämpfe, habe sie aus ihren Medien entnehmen können. Nachdem er geflohen sei, sei sie für 2 Monate und 6 Tage verhaftet worden. Sie sei im Zentralgefängnis in der Nähe von Makelawi inhaftiert gewesen.

Der Kläger trug bei seiner persönlichen Anhörung am 9. Juli 2014 vor, er sei zunächst von A. Ab. nach Debre Markos gegangen und habe sich dort 3 Monate aufgehalten, bevor er Äthiopien verlassen habe. Äthiopien habe er am 18. September 2010 verlassen. Er sei im äthiopischen Jahr 2002 (gemeint ist wohl 2003) im Meskerem ausgereist. Er wisse aber den äthiopischen Kalender nicht mehr. Es sei ihm lieber alle Zeitangaben nicht umzurechnen. Er sei 27 oder 28 Jahre alt gewesen, als er seine Heimat verlassen habe. In Äthiopien sei er zuerst Soldat gewesen, dann in Haft und habe danach Gelegenheitsarbeiten ausgeübt. Am Schluss habe er in einem Fotogeschäft gearbeitet. Seine Frau habe er im Jahr 1999 äthiopischer Zeit (gregorianisch 2006/2007) kennengelernt. Sie hätten in der gleichen Gegend gewohnt und im Jahr 2000 äthiopischer Zeit geheiratet. Er könne Tigrinya sprechen, weil er als Soldat in dieser Gegend gewesen sei und dabei die Sprache gelernt habe.

Im europäischen Jahr 2010 seien Wahlen in Äthiopien gewesen. Er sei als Wahlbeobachter für Andinet in Wereda 28 aktiv gewesen. Sie hätten 110 Wahlbezirke gehabt und er habe überall hin gehen müssen und die Wahlen beobachten und an die Leitung berichten. Ein Wahlbeobachter habe ihn am 15.9.2002 (äthiopische Zeit, 23. Mai 2010 gregorianisch) angerufen und von Unregelmäßigkeiten berichtet. Er habe so schnell wie möglich vorbeikommen sollen, weil es einen Stimmenbetrug gegeben habe. Tagsüber habe er die Wahlen beobachtet und er habe schon damals viele Streitigkeiten sehen können. Auf dem Weg zum Wahlbezirk sei er von zwei Männern überfallen und geschlagen worden. Am 22. Mai hätten alle Wahlbeobachter ihren Lohn bekommen. Dies hätten zwei Männer fotografiert. Das habe er gemerkt und diese angesprochen, warum sie jetzt von ihm Bilder machten. Er habe ihnen gesagt, dass er die Polizei darüber informieren werde. Er habe Polizei auf der Straße gesehen und dieser gesagt, dass diese zwei Männer ihn fotografierten. Einer der Männer, der das Bild gemacht habe, habe das Bild dem anderen angegeben. Der andere sei mit dem Bild weggerannt. Der Polizist habe den, der geblieben sei, gefragt, weshalb er Bilder vom Kläger gemacht habe. Dieser habe alles verneint. Am Tag darauf, nachdem er ein Telefonat über den Betrug bekommen habe, sei er von diesen zwei Leuten überfallen und verprügelt worden. Sie hätten Tigrinya gesprochen. Nachdem sie ihn geschlagen hätten, sei er auf den Boden gefallen. Auf dem Boden liegend habe er einen Stein gefunden und diesen in Richtung eines Mannes geworfen. Es sei dunkel gewesen, aber er habe ihn voll ins Gesicht getroffen. Dieser habe geschrien und der andere habe versucht, diesem zu helfen. Es sei ein Auto gekommen, so dass er aufgestanden und von dort weggelaufen sei. In dieser Gegend gebe es Bäume und einen Wald, wo er sich eine Stunde versteckt habe. Er habe Angst gehabt, dass sie ihn suchten. Danach sei er in den Stadtteil Kebena gelaufen, dort habe er eine gute Freundin, die mit ihm in dem Fotoladen gearbeitet habe und dort gewohnt hätte. Er sei zu ihr gegangen und nicht zurück nach Hause gelaufen, weil sie nach ihm gesucht hätten. Er wolle hier klarstellen, dass er seit 2001 äthiopischer Zeit für die patriotische Front arbeite und seit 2002 äthiopischer Zeit für Andinet tätig sei. Zuhause habe er alle Unterlagen der patriotischen Front, wie beispielsweise Flugblätter, die er nachts in den Kirchen verteilt habe. Gleichzeitig sei er auch für Andinet tätig gewesen. Bei der Schlägerei hätten ihm diese Männer immer wieder gesagt, dass er für eine andere oppositionelle Partei und nicht für Andinet arbeite, ihnen sei bekannt, dass er für die patriotische Front tätig sei. Als er bei der guten Freundin übernachtet habe, habe er seinen Freund in Debre Markos angerufen, der ihn für die patriotische Front angeworben habe. Dieser habe ihm gesagt, dass sie hinter ihm her seien. Er habe gesagt, dass der Kläger sofort nach Debre Markos kommen solle, dort werde man schon eine Lösung finden.

Eine Woche vorher seien sie in Feche in einer Nachbarstadt A. Ab.s gewesen. Sie seien dort am 13./14. Mai wegen Wahlpropaganda gewesen. In dem Hotel, in dem sie untergebracht gewesen seien, sei nachts das Zimmer von Sicherheitsmännern aufgebrochen worden, die sie später mit Gewalt mitgenommen hätten. Ihre Kebeleausweise seien ihnen abgenommen worden und sie hätten später eine Auflage unterschreiben müssen und seien freigelassen worden. Sie seien gegen nachmittags in die Stadt gekommen, essen gegangen und hätten für die Frau, die dort kandidiert habe, Propaganda machen wollen. Ihr Fahrer sei im Auto gesessen und von anderen eingeschüchtert worden. Dieser habe Angst gehabt, weil er Kinder gehabt habe und den Kläger und die anderen dort alleingelassen. In der Stadt hätten sie Wahlzettel für die Kandidaten verteilen wollen. Laut Gesetz sei Propaganda nach 18:00 Uhr verboten. Sie seien beschuldigt worden, nach 18:00 Uhr propagiert zu haben und gefragt worden, weshalb sie gekommen seien. Die Frau habe hier genügend Leute, dass sie das auch ohne sie tun könnte. Sie seien beschuldigt worden, Menschen zur Unruhe anzustiften. Sie seien zwölf Leute gewesen, die später in einem Zimmer eingesperrt worden seien. Die anderen seien sehr gewalttätig gewesen und hätten ihnen eine Auflage vorgelegt, dass sie zu Unruhen aufgerufen und die Uhrzeit nicht beachtet hätten. Es seien keine Polizisten sondern besondere Sicherheitskräfte gewesen. Sie seien zu zwölft für Propaganda in der Stadt vorgesehen gewesen. Sechs seien in einem Hotel und die anderen Sechs in einem anderen Hotel untergebracht gewesen. Zwei seien geflohen. Sie hätten nach A. Ab. telefoniert und am nächsten Tag sei Dr. M. G. gekommen, der von Medrek gewesen sei, und habe für sie die Freilassung besorgt. Dann seien sie nach A. Ab. zurückgefahren.

Er sei zum Wahlhelfer gewählt worden, weil viele Menschen wegen der Wahlen im Jahr 1997 äthiopischer Zeit kein Vertrauen mehr gehabt hätten. Weil er für die patriotische Front gearbeitet habe, habe er sich für Andinet wählen lassen. So habe er verdeckt für die patriotische Front bei Andinet arbeiten können. Er habe mit allen friedlichen Mitteln versucht, die jetzige Regierung abwählen zu lassen. Die leitenden Personen von Andinet hätten nicht gewusst, dass er für die patriotische Front arbeite. Er habe aber ein paar Leute für die patriotische Front angeworben. Der Kläger legte hierzu eine Bestätigung der EPPF aus dem Sudan vor. Die Stimmabgabe sei von früh morgens 6:00 bis 18:00 Uhr abends. Die Stimmen seien nachts gezählt worden. Der Anruf wegen des Stimmenbetrugs sei nachts gekommen. Die Stimmzettel seien falsch gezählt worden, und sie hätten gewollt, dass er das unterschreibe. Er sei zu den Wahlbezirken gegangen und habe alles beobachtet. Es habe 110 Wahlbezirke gegeben und zu manchen sei er mit dem Taxi gefahren oder zu Fuß gelaufen. Er habe seinen Ausweis an der Tür gezeigt und später habe er beobachtet, ob alles richtig laufe. Er sei auch zu Wahlbeobachtern gegangen und habe sich angeschaut, ob die Stimmzettel richtig abgegeben wurden. Die Leute hätten zwei Zettel bekommen, diese ausfüllen müssen und später zusammengefaltet in eine Wahlurne reinwerfen. Die Leute der EPRDF bekämen anstatt einem Zettel zwei Zettel und würfen diese zusammen ein. Als er das Telefonat erhalten habe, sei er zu Hause gewesen, es sei kurz vor Mitternacht gewesen. Er habe zur Wereda 28, das sei seine Wereda, laufen müssen. Diese sei ca. 20 Minuten entfernt. Sie seien fünf bewegliche Beobachter von Andinet gewesen. Der Wahlbeobachter, der ihn angerufen habe, sei ein freiwilliger Beobachter gewesen.

In Fecha seien sie zwei Nächte eingesperrt gewesen. Die zwei Geflohenen hätte erst herausfinden müssen, wo sie seien und hätten erst am Tag danach Herrn M. G. erreicht. Die zwei hätten fliehen können, weil sie durchs Fenster geflüchtet seien. Nachdem er zu seinem Freund gegangen sei, habe er keinen direkten Kontakt zu seiner Frau gehabt, sondern nur zu seiner Tante in A. Ab., die er immer angerufen habe. Seine Frau sei belästigt worden. Bei seinem Freund habe er drei Monate gewartet, bis sich alles beruhigte. Bevor er nach Debre Markos gegangen sei, habe er kurz seine Frau angerufen und ihr gesagt, dass er für kurze Zeit untertauchen müsse. Sie habe über alles Bescheid gewusst.

Der Kläger gab an, dass auf einem der übergebenen Belege bestehe, dass er am 21.9.2002 (äthiopische Zeit, gregorianisch 29. Mai 2010) in A. Ab. im Stadtteil Urael Geld für Andinet eingezahlt habe. Auf den Vorhalt, dass er an diesem Tag bereits in Debre Markos gewesen sei, erwiderte er, dass er nicht zurück nach A. Ab. gekommen sei, um das Geld in dem Büro abzugeben. Er habe das kurz vor der Wahl bezahlt.

Er sei zweimal in Haft gewesen, zweimal für ein Jahr. Das erste Mal weil er versucht habe, zu desertieren. Das zweite Mal drei Jahre später. Er sei damals sehr misshandelt worden, so dass er selbst urologische Probleme habe. Hierzu legte er ein Attest vor. Er sei in der Wahlzeit verhaftet und auf die Hoden geschlagen worden. Anschließend sei er ins Krankenhaus gebracht und dort operiert worden. Nach der Operation sei er in die Haft nach Shawe Robit gebracht worden. In einer Nacht hätten sie 30 Leute auf einen Lkw geladen und sie nach A. Ab. gefahren und dort auf der Straße freigelassen. Man habe seine Rechte verletzt und ihn ohne Gerichtsurteil eingesperrt und misshandelt. Auf die Frage, warum er nicht 2005 nach der zweiten Haft ausgereist sei, gab er an, er habe nicht ausreisen wollen. Die Regierung habe ein Terrorismusgesetz veröffentlicht und er habe diverse Unterlagen zu Hause gehabt, wenn sie in die Hände der Regierung gekommen wären, wäre er sicher noch einmal verhaftet worden. Auf ein drittes Mal habe er nicht warten wollen. Auf den Vorhalt, dass er fünf Jahre gewartet habe, bis er geflüchtet sei, gab er an, im Untergrund gekämpft zu haben, um die Regierung zu stürzen. Außerdem sei er auch wegen seiner Oromo-Volkszugehörigkeit unterdrückt worden.

Auf die Frage, woher die zwei Leute, die ihn angegriffen hätten, wissen hätten sollen, dass er die patriotische Front unterstütze, gab er an, die angeworbenen Mitglieder hätten ihn verraten. Es gebe sehr viele Spione, die sich verdeckt bei Andinet aufhielten und sie beobachteten. Er sei auch öfters telefonisch bedroht worden. Es sei nicht früher ausgereist, weil er bis zum bitteren Ende, bzw. bis zu seinem Tod habe kämpfen wollen. Zum Schluss habe er Angst bekommen, weil ihm seine menschliche Seite empfohlen habe, das Land zu verlassen.

In Deutschland sei er exilpolitisch tätig. Er sei bei der EPPF-Germany. Hierzu legte er einen Ausweis dieser Organisation und einer weiteren Organisation namens EPCOU, sowie Teilnahmebestätigungen von Versammlungen und Bilder vor. Bis vor kurzem habe er an einem Ort gewohnt, der sehr weit entfernt gewesen sei und habe nicht regelmäßigen Kontakt zu der Organisation gehabt. Seit zwei Monaten wohne er aber in einem anderen Camp und engagiere sich mehr für die Partei.

Es sei nicht im Sudan geblieben, weil es eine Vereinbarung zwischen der sudanesischen und der äthiopischen Regierung gegeben habe, wonach alle sich illegal im Sudan aufhaltende Leute nach Äthiopien zurückgebracht werden müssten. Danach sei er in einem Flüchtlingslager gewesen, er habe Unterlagen vom UNHCR. Im Sudan gebe es keine Sicherheit. Sie würden von Sicherheitskräften beobachtet, die für Geld alles verraten würden. Die äthiopische Regierung komme und hole Leute ab. Es gebe keinen Schutz und keine Sicherheit.

Bei ihrer persönlichen Anhörung am 9. Juli 2014 trug die Klägerin vor, dass sie ihre Heimat wegen der Probleme ihres Mannes verlassen habe. Sie sei in Äthiopien zwei Monate in Haft gewesen und dort geschlagen und belästigt worden. Deswegen sei sie krank geworden. Sie sei auch schikaniert worden. Sie sei am 1. Februar 2003 (äthiopischer Kalender, gregorianisch 11. Oktober 2010) verhaftet worden. Hierzu sei sie von zu Hause von drei zivilgekleideten Sicherheitsleuten abgeholt worden. Es sei kurz vor Mitternacht gewesen. Sie hätten zuerst das Haus durchsucht und unter dem Fernseher ein Stück Papier gefunden. Sie hätten ihr gesagt, dass es sicher von ihrem Mann sei und sie solle das Versteck ihres Mannes verraten. Sie habe gesagt, dass sie nicht wisse, wo ihr Mann sei. Darauf sei ihr geantwortet worden, dass sie mitkommen müsse. Das gefundene Papier sei von der patriotischen Front gewesen. Sie sei gefragt worden, woher dieses Papier komme. Sie hätten ihr gesagt, dass sie wisse, wo ihr Mann sei. Sie habe zwar Unterlagen von ihrem Mann verschwinden lassen, aber das Stück Papier unter dem Fernseher habe sie vorher nie gesehen. Sie habe viele Unterlagen wie zum Beispiel Zeugnisse oder Unterlagen der Armee, die sie der Tante ihres Mannes überreicht habe, verschwinden lassen. Auf die Frage, ob darunter Unterlagen der patriotischen Front gewesen seien, antwortete sie mit ja. Auf die Frage welche Unterlagen dies gewesen seien, gab sie an, die Unterlagen nicht gesehen zu haben und auch keine Ahnung gehabt zu haben, dass er zu diesem Zeitpunkt bei der patriotischen Front tätig gewesen sei. Sie habe nur gewusst, dass sie für die Einheit für Demokratie und Gerechtigkeit arbeite, nicht aber, dass er für die patriotische Front tätig sei. Telefonisch habe sie mit ihrem Mann nur einmal nach dessen Ausreise Kontakt gehabt, ansonsten habe er sich bei seiner Tante gemeldet, die sie dann informiert habe. Nach der Verhaftung sei sie ins Zentralgefängnis nach A. Ab. gebracht worden. Auf die Frage, was ihr während der Haft passiert sei, antwortete sie, dass die Polizisten sie schikaniert hätten und ihr gesagt hätten, sie wisse, wo ihr Mann sich aufhalte und dass sie diesen unterstütze. Meistens sei sie von einer Polizistin schikaniert und geschlagen worden. Auf die Frage, was dies für Schikanen gewesen seien, gab sie an, sie (die Polizistin) habe ihr Angst gemacht, dass sie wisse, wo sie sei und sie den Aufenthaltsort ihres Mannes verraten solle. Hauptsächlich habe sie ihr Angst gemacht. Auf die Frage, wie es ihr gelungen sei, das Gefängnis zu verlassen, gab sie an, sehr krank gewesen zu sein. Sie habe Durchfall gehabt und erbrochen. Sie hätten von der Klägerin nach zwei Monaten eine Kaution in Höhe von 500.000 äthiopischen Birr verlangt. Am 6.4.2003 (äthiopischer Zeit, gregorianisch 15. Dezember 2010) sei sie freigelassen worden. Man habe ihr bis zu einem Monat Zeit gegeben, den Aufenthaltsort ihres Mannes zu verraten. Das Geld sei von der Tante ihres Mannes besorgt worden. Auf die Frage, weshalb sie nicht zu ihren Eltern in die Provinz Wello gegangen sei, gab sie an, in A. Ab. geboren worden zu sein. Ihre Mutter habe sie bei einem Onkel in A. Ab. gelassen, bei diesem sei sie aufgewachsen. Ihre Eltern wohnten in Wello, sie sei dort aber nie gewesen. Ihre Eltern seien zum Besuch nach A. Ab. gekommen. Der Onkel habe keine eigenen Kinder gehabt. Auf die Frage, weshalb sie nicht beim Onkel nach Hilfe gesucht habe, gab sie an, dieser habe die Beziehung zu ihrem Mann nicht akzeptiert. Er glaube noch an die Ethnien und habe sie ständig gefragt, warum sie einen Oromo geheiratet habe, obwohl sie Amhara sei. Nach der Haftentlassung habe sie sich bei Freunden versteckt und entschieden in den Sudan zu fliehen. Vor ihrer Verhaftung habe es keine Durchsuchungen gegeben, sie seien gekommen und hätten sie beobachtet und ausspioniert, aber nicht das Haus durchsucht. Zum 1. Mal seien sie direkt nach der Wahl am nächsten Tag gekommen. Das sei am 16.9.2002 (äthiopische Zeit, gregorianisch 24. Mai 2010). Sie hätten sich als Freunde ausgegeben und sich mit ihr anfreunden wollen und gefragt, wo ihr Mann sei. Sie habe nicht gedacht, dass sie verhaftet würde. Sie sei nicht politisch aktiv, sondern nur Unterstützerin und Sympathisantin. Sie sei Unterstützerin der Partei Andinet. Sie habe diese Partei auch gewählt, ohne dass jemand davon erfahren habe. Auf die Frage, ob jemand von dieser Partei im Parlament vertreten sei, antwortete sie, sie kenne sich mit Politik nicht aus. Sie habe die Partei unterstützt, weil ihr ihr Mann erzählt habe, dass diese für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfe. Während der Haft sei sie nicht bei einem Arzt gewesen. Später sei sie schon zu einem Arzt gegangen. Sie habe eine Magenerkrankung gehabt und Medikamente bekommen.

Unterlagen ihres Mannes, die sie der Tante übergeben habe, habe sie ihrem Mann im Sudan gegeben. Die Tante habe Kontakt zum Mann gehabt und sie angerufen und ihr gesagt, dass sie alle Unterlagen bei der Tante abgeben solle. Später habe ihr Mann die Tante angerufen und ihr gesagt, wenn die Klägerin von Zuhause weggehe, solle sie alle Unterlagen mitnehmen. Sie sei sehr vorsichtig gewesen und habe sich versteckt. Ihr Mann habe die Reise über Humera in den Sudan arrangiert. In Humera habe sie telefonischen Kontakt mit ihrem Mann gehabt. Dort habe sich ein Freund des Mannes gemeldet und sie in den Sudan geschleust, wo sie beim UNHCR nach ihrem Mann gesucht habe. Auf die Frage, weshalb sie beim UNHCR nach ihrem Mann gesucht habe, wo sie doch telefonischen Kontakt mit ihm gehabt hätte, antwortete sie, wenn sie in Äthiopien nicht beobachtet geworden wäre, wäre sie dort geblieben. Auf die Wiederholungsfrage gab sie an, zuerst nach Hamdaid gegangen und dann auf das Rote Kreuz gestoßen zu sein, diese hätten sie zu ihrem Mann geschickt. Ihr Mann habe ihre Telefonnummer gewusst, weil die Tante Bescheid gegeben habe, dass die Klägerin ein Handy dabei haben werde. Auf die Frage, warum er sie nicht früher angerufen habe, gab sie an, dass sie auch seine Telefonnummer gewusst habe. Er habe ihrer Tante Nachrichten gegeben und diese habe das weitergeleitet. Sie habe selbst nicht telefonieren können, weil sie beobachtet worden sei. Sie hätten schon miteinander gesprochen, aber selten. Zum Schluss sei sie zu der Tante gegangen und habe auch mit ihrem Mann gesprochen und ihm gesagt, dass sie ein Handy dabei haben werde. Ihr Mann habe sie am Tag der Wahlen, als er verschwunden sei, nachts angerufen. Der Anruf sei kurz vor frühmorgens gekommen. Sie sei noch im Bett gewesen. Ihr Mann habe das Haus am 15. 9. 2002 (äthiopische Zeit, gregorianisch 23. Mai 2010) verlassen. Er sei an diesem Tag Wahlbeobachter gewesen, frühmorgens gegangen und nicht mehr zurückgekommen. Auf die Frage, ob sie das Gefängnis beschreiben könne, gab sie an, zuerst zur Zentralpolizei gebracht worden zu sein und dort einen Tag und eine Nacht verbracht zu haben. Dann sei sie ins Kotebe Gefängnis verlegt worden. Dies sei ein Gefängnis für Frauen. Es seien sehr viele Frauen gewesen. Es sei ein offener, hallenmäßiger Raum gewesen. Der Raum habe wie ein Lagerraum ausgesehen. Bis zu 80 Frauen seien dort gewesen. Auf die Bitte, den Tagesablauf zu beschreiben, trug sie vor, nicht immer rausgedurft zu haben, meistens abends. Sie seien rumgesessen und hätten sich ihre Geschichten erzählt. Draußen hätten sie eine halbe Stunde laufen dürfen. Auf die Frage, ob ihr Mann irgendwelche Probleme mit den staatlichen Behörden gehabt habe, bevor er verschwunden sei, gab sie an, nicht jeden Tag im Gefängnis draußen gewesen zu sein. Auf den Vorhalt, dass dies nicht die Antwort auf die Frage gewesen sei, erwiderte sie, sie seien nicht zufrieden mit seinen politischen Aktivitäten gewesen. Er habe so nicht weiterleben können. Auf die Frage, ob ihr Mann früher Probleme mit staatlichen Behörden gehabt habe, antwortete sie, sie wisse, dass er Soldat gewesen sei und später fleißig gearbeitet habe und die politische Situation so war. Er sei politisch aktiv gewesen und habe Flugblätter verteilt, dabei sei er auch verhaftet worden. Flugblätter habe er für Andinet verteilt. Sie habe sich in Deutschland EPPF-Germany angeschlossen, sei aber nur dreimal wegen ihrer Schwangerschaft dort gewesen. Hierzu legte sie einen Ausweis der EPPF und einen Ausweis der EPCOU vor. Zudem übergab sie eine Teilnahmebestätigung vom 5. Oktober 2013. Sie habe sich der EPPF angeschlossen, weil ihr Mann mit denen zusammenarbeite und diese ihre Ziele mit Mut und Courage verfolgen würden. Auf die Frage, was sie bei einer Rückkehr nach Äthiopien befürchte, antwortete sie, sie wisse nicht, was sie dort erwarte. Sie wolle nur nicht, dass die Kinder ohne Eltern aufwüchsen.

Der Kläger ließ im Nachgang zu seiner Anhörung diverse Bestätigungen seiner exilpolitischen Aktivitäten vorlegen.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2016 lehnte die Beklagte die Schutzbegehren der beiden Kläger ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen und drohte ihnen die Abschiebung nach Äthiopien an.

Hiergegen erhoben die Kläger am 15. Juli 2016 Klage.

Die Kläger übergaben eine sozialpädagogische Stellungnahme der Caritas C. Auf diese wird verwiesen. Der Kläger arbeite demnach seit 1. Juli 2016 in einer Schreinerei. In der mündlichen Verhandlung erläuterte er, dass diese Tätigkeit auf 6 Monate befristet gewesen sei. Der Kläger übergab diverse Unterlagen zum Nachweis seines exilpolitischen Engagements. Dies sind unter anderem ein Erfahrungsbericht beider Kläger über die Ereignisse vor ihrer Ausreise aus Äthiopien, eine Bescheinigung, dass der Kläger bereits in Äthiopien und im Sudan für die EPPF tätig gewesen sei, Aufnahmen, die den Kläger mit führenden Personen der äthiopischen Exilopposition im Februar 2017 in R. zeigten, eine Zollquittung über eine Flagge, die sich der Kläger aus den USA habe schicken lassen, Aufnahmen die den Kläger in seiner Rolle als Vorsitzender der Ginbot 7 R. mit führenden Personen der äthiopischen Exilopposition im Dezember 2017 in München zeigen, eine Petition und eine Teilnahmebescheinigung für eine Spendenveranstaltung des äthiopischen Exilrundfunks.

Der Kläger trug in seinem Erfahrungsbericht u.a. vor, dass seine Frau wegen ihm für 2 Monate verhaftet worden sei. Im äthiopischen Jahr 2002 sei in Äthiopien Wahl gewesen. Er sei für Medrek als Wahlbeobachter in Wereda 28, A. Ab., eingesetzt gewesen. Für den 22. Mai habe er sich mit anderen Wahlbeobachtern auf einer Straße verabredet, um diesen das Geld für ihre Dienste zu bezahlen. Dabei seien sie fotografiert worden. Am nächsten Tag, als er noch mit vier anderen Wahlbeobachtern im Wahllokal auf Ergebnisse gewartet habe, habe er einen Anruf bekommen, dass er umgehend zu einem anderen Wahllokal kommen solle. Auf dem Weg dorthin sei er von 2 tigrinisch sprechenden Männern zusammengeschlagen worden. Er habe Angst bekommen, einen Stein genommen und den anderen damit auf den Hinterkopf geschlagen. Dann sei er geflohen.

Die Klägerin gab in ihrem Erfahrungsbericht an, ihr Ehemann sei am 23. Mai zum Wahllokal gegangen, um dort als Wahlbeobachter zu arbeiten. Er sei danach nicht mehr nach Hause zurückgekommen. Gegen Mitternacht habe ihr Mann sie angerufen und ihr gesagt, wo er sei. Ab 24. Mai seien an verschiedenen Tage ihr unbekannte Leute gekommen und hätten sich als Freunde des Mannes ausgegeben und wissen wollen, wo ihr Mann sei. Am 11. Dezember gegen 0 Uhr hätten fremde Leute geklopft. Sie habe sich erschrocken und gefragt, wer sie seien und was sie wollten. Daraufhin sei ihr entgegnet worden, dass die Türe mit Gewalt geöffnet werde, wenn sie nicht aufmache. Sie habe die Türe geöffnet. Als sie in der Wohnung gewesen seien, hätten sie sofort angefangen diese zu durchsuchen. Drei Männer hätten ihr Fragen bzgl. ihres Manns gestellt und wo er sei. Später hätten die Männer unter dem TV-Tisch Papiere gefunden und gefragt, ob sie etwas darüber wisse. Einer der Männer habe ein Papier aus der Tasche geholt und darauf geschrieben, dass er Beweise sichergestellt habe und sie unterschreiben müsse. Danach sei sie zu einer Befragung mitgenommen worden. Es sei ein kaltes dunkles Zimmer gewesen. Dort sei sie ca. 4 h gewesen, bis einer gekommen sei und sie in ein anderes Zimmer gebracht habe. Nach einigen Minuten seien eine Frau und zwei Männer gekommen. Die Männer hätten Platz genommen. Die Frau sei gestanden und habe viele Fragen gestellt, ob sie etwas über das Papier wisse. Anschließend sei sie nach Kotebe zur Polizeiwache gebracht worden. Sie seien öfters in der Nacht gekommen und hätten immer wieder Fragen über ihren Mann gestellt. Sie habe nichts gesagt, deshalb sei die Situation immer unerträglicher geworden. Die Frau habe sie gezwungen, ihr Oberteil auszuziehen und sie vor den Männern mit einem Kugelschreiber am Busen berührt. Dabei hätten alle gelacht. Bis heute leide sie darunter. Sie fühle Angst, wenn sie unter mehreren Leuten sei. Am 14. Dezember sei sie erneut zur Befragung abgeholt worden. Diesmal sei ihr gesagt worden, wenn sie binnen 4 Monaten den Aufenthaltsort ihres Mannes verrate und eine Kaution von 5.000 Birr bezahle, werde sie in Ruhe gelassen. Am 15. Dezember sei sie dann freigekommen. Sie habe das Geld von der Tante ihres Mannes bekommen und die Kaution gezahlt. Sie habe sich trotzdem nicht frei gefühlt. Später habe sie der Tante ihres Mannes gesagt, dass sie zu ihrem Mann wolle. Die Tante habe Kontakt zu ihm gehabt und alles arrangiert. Am 5. Januar habe sie ein Ticket nach Gondar gekauft. Dort habe sie übernachtet. Am nächsten Tag sei sie nach Humera. Von dort aus habe sie telefonisch Kontakt zu ihrem Mann aufgenommen. Ihr Mann habe ihr gesagt, dass er zwei Leute schicke, die ihr dann hülfen und sie rangehen solle, wenn eine unbekannte Nummer anrufe. Es sei ein Mann gekommen, sie seien ein Stück zu Fuß gelaufen. Gegen Abend seien sie über den Tekesesee mit einem Boot in den Sudan gekommen.

Weiter übergab der Kläger eine Videoaufzeichnung, die ihn bei einer Konferenz in M. im Dezember 2017 zeigt. Er habe hierbei vor dem Plenum ein Grußwort der Ginbot 7 an den Vorsitzenden der Organisation, Berhanu Nega, gerichtet. Auf die weiteren übergebenen Unterlagen zum Nachweis der exilpolitischen Aktivitäten wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2019 brachten die Kläger vor, dass der Kläger an einer Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion und die Klägerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt seien. Hierzu legten sie Arztbriefe der medbo vom 8. Dezember 2017 (Klägerin) und vom 24. Januar 2018 (Kläger) vor. Auf beide wird verwiesen.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2016, Aktenzeichen* …- 225 entsprechend aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise, ihnen subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) zu gewähren,

weiter hilfsweise, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung der Beklagten wird auf die Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Mit Beschluss vom 7. Dezember 2018 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, in der beide Kläger informatorisch angehört worden sind, vom 20. Februar 2019 verwiesen.

Gründe

Die zulässigen Klagen sind unbegründet und bleiben ohne Erfolg.

Die Entscheidung des Bundesamts, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zuzuerkennen sowie das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen und beide Kläger unter Androhung ihrer Abschiebung nach Äthiopien zur Ausreise aufzufordern, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger damit auch nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Die getroffenen Entscheidungen sind rechtmäßig, da beide keinen Anspruch nach § 3 Abs. 4 Asylgesetz (AsylG) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft haben. Weder der Kläger noch die Klägerin sind Flüchtlinge nach § 3 Abs. 1 AsylG. Hierbei ist der entscheidende Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen der Termin der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylG).

Ein Ausländer ist - unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben - Flüchtling, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen.

An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 - 13 A 1305/13.A - juris).

Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U.v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A - juris).

Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der entscheidende Richter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris; BVerwG, U.v. 11.11.1986 - 9 C 316.85 - juris). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VG Ansbach, U.v. 24.10.2016 - AN 3 K 16.30452 - juris mit weiteren Nachweisen).

Das Vorbringen der Kläger kann wegen der Unglaubwürdigkeit sowohl des Klägers als auch der Klägerin nicht als glaubhaft gemacht angenommen werden.

Der Kläger und die Klägerin sind unglaubwürdig, weil beider persönliche Identität zur Überzeugung des Gerichts nicht feststeht. Beide sind ausweislos und haben durch Nichtvorlage eines authentischen äthiopischen Ausweises nicht dazu beigetragen, ihre Identität zu klären.

Soweit der Kläger vorträgt, dass er den Kebeleausweis im Mittelmeer weggeworfen habe, um bei der Rückkehr an Land nicht als Äthiopier erkannt zu werden, ist diese Aussage, da die entsprechende Geschichte im Widerspruch zur Aussage seiner Frau steht, unglaubhaft und weckt Zweifel an der Glaubwürdigkeit beider Kläger. Der Kläger hat vorgebracht, die beim Bundesamt vorgelegten Dokumente, UNHCR-Ausweise, Einzahlungsbeleg Andinet und Mitgliedsbestätigungen hätte seine Frau bei der Überfahrt übers Mittelmeer in ihrem Dekolleté getragen und deshalb habe er sie beim Bundesamt vorlegen können. Demgegenüber steht die Aussage seiner Frau, dass die vorgelegten Dokumente der Mann in seiner Hosentasche getragen habe, sie habe ihre Dokumente in einer über Bord gegangenen Tasche getragen und deshalb verloren. Auch divergiert das Vorbringen beider Kläger zum Ablauf der Überfahrt. Während der Mann vortrug, dass sie nach 2 Tagen wegen Bootproblemen zurück an die Küste gemusst hätten und deshalb alle Angst gehabt hätten, dass sie durchsucht würden und sie zudem nass gewesen seien, brachte die Frau vor, dass die Probleme mit dem Schiff auf hoher See aufgetreten seien und sie nicht in Richtung einer Küste abgeschleppt worden seien, sondern ihnen vielmehr auf hoher See von Fischern geholfen worden sei. Auch dieses Vorbringen lässt sich nicht mit dem des Klägers in Übereinstimmung bringen und erzeugt weitere Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Kläger.

Nach alledem ist bereits völlig offen, ob die Kläger ihre tatsächliche Identität offengelegt, also ihre richtigen Namen und Daten angegeben haben.

Weitere Zweifel an ihrer Identität entstehen durch die Angaben der Kläger zu ihrem Alter und Geburtsdatum. Der Kläger gab an, er sei 33 Jahre alt, aber im Jahr 1982 geboren. Bereits dies stimmt rechnerisch nicht. Weiter gab er sein Geburtsdatum im gregorianischen Kalender an, wusste es aber nicht im äthiopischen. In diesem Kalendersystem schätzte er es auf den 14.4.(Thasas)1974. Diese Schätzung liegt um ein Jahr falsch und trifft den falschen Tag. Das dem 26.12.1982 entsprechende äthiopische Datum wäre der 17.4.1975 (Kalenderumrechnung via http://www.nabkal.de/kalrech8.html). Da er selbst gesagt hat, dass er in Äthiopien beide Kalendersysteme benutzt hätte, ist es unplausibel, dass er sein Geburtsdatum nur im gregorianischen System kennt. Die Klägerin gab als Geburtsjahr in der mündlichen Verhandlung zunächst 1993 an, merkte dann, dass dies nicht stimmen konnte und gab - wie beim Bundesamt - 1983 an, äußerte jedoch zugleich, 37 Jahre alt zu sein, was rechnerisch ebenfalls nicht möglich ist.

All diese Ungereimtheiten der klägerischen Angaben zu ihrer jeweiligen Identität führen zu einer erschütterten Glaubwürdigkeit. Aufgrund der fehlenden Glaubwürdigkeit kann das Vorbringen der Kläger zu ihrer Fluchtgeschichte nicht geglaubt werden.

Selbst wenn man die vorgebrachte Geschichte in Äthiopien als glaubhaft unterstellen wollte, würde sie aber nicht mehr (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylG) zur Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr führen. Zwar wäre dann zugunsten der Kläger Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) zu beachten, jedoch wäre ebendiese Vermutung durch die zwischenzeitlich eingetretenen positiven Veränderungen vor allem im Jahr 2018 erschüttert. Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU sieht selbst vor, dass bei Vorliegen stichhaltiger Gründe, die gegen eine Verfolgung sprechen, eine Vorverfolgung kein ernsthafter Hinweis mehr auf eine begründete Furcht vor Verfolgung ist. Solche stichhaltigen Gründe ergeben sich aus den positiven Veränderungen in Äthiopien seit Amtsantritt des Premierministers Abiy Ahmed (so auch VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44; VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 - B 7 K 17.33349 - juris Rn. 50).

Dies ergibt sich aus mehreren Entwicklungen seit Anfang 2018 (siehe zu den meisten der im Folgenden mit Primärquellen zitierten Entwicklungen auch Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Äthiopien, BFA Österreich vom 8. Januar 2019 und Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 17.10.2018, Stand: September 2018).

So wurde der Ausnahmezustand aufgehoben (Meldung der BBC vom 2. Juni 2018, 20:53 Uhr und vom 5. Juni 11:23 Uhr, https://www.bbc.com/news/world-africa-44344025?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia& link_location=live-reporting-story). Der neue Premierminister, Abiy Ahmed, ist oromischer Volkszugehörigkeit (vgl. Meldung der BBC vom 28. März 2018 10:29 Uhr, https://www.bbc.com/news/world-africa-42716864). Er hat bei seiner Vereidigung ausdrücklich betont, dass politischer Pluralismus ein Muss sei, das sei ein Grundstein dafür, dass Demokratie funktioniere. Seine erste Amtsreise führte ihn in einen der Unruheherde des Landes, die Grenzregion zwischen den Siedlungsgebieten der Oromo und der Somali. Er empfing in A. Ab. Oppositionspolitiker, Vertreter der Zivilgesellschaft und religiöse Führer. Dass er die Politik der Regierungskoalition nicht einfach fortsetzen will, hat er vor allem auch dadurch gezeigt, dass unter seiner Führung Hunderte von Oppositionsanhängern freigelassen worden sind, die nach einer Amnestie im Januar 2018 zwar aus der Haft entlassen, anschließend jedoch teils gleich wieder festgenommen worden waren. Außerdem wurde inzwischen das berüchtigte Makelawi-Gefängnis in A. Ab. geschlossen (vgl. zum Vorstehenden die Presseartikel „Halber Machtwechsel“, taz vom 3.4.2018; „Man nennt ihn Äthiopiens Barack Obama“, FR vom 10.4.2018 und „Äthiopiens neuer Premier wirbt für Zusammenarbeit und Versöhnung“, DW vom 13.4.2018). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts wurden ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte bzw. verdächtige Personen vorzeitig entlassen (vgl. AA, Lagebericht vom 17. Oktober 2018, Stand September 2018, S. 6). Zugleich teilt der Bericht mit, dass weiterhin eine unbekannte Zahl von Menschen ohne Anklage inhaftiert sei, Menschenrechtsorganisationen sprächen von mehreren tausend Betroffenen. Diese Zahlen ließen sich jedoch nicht verifizieren (vgl. AA, Lagebericht vom 17. Oktober 2018, Stand September 2018, S. 6). Zugleich wird dort festgehalten, dass der neue Premierminister sich mit Erfolg für einen stärkeren zivilgesellschaftlichen Freiraum bemühe und die Praxis der Kriminalisierung Oppositioneller und kritischer Medien de facto beendet habe.

Der neue Premierminister bezeichnete Folter als Akt des Terrors durch den Staat, warf den eigenen Sicherheitsbehörden Folter und illegale Inhaftierungen vor und entließ Chefs der Nachrichtendienste und des Militärs (vgl. Meldung der BBC vom 18. Juni 2018, 18:05 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Die oppositionelle Organisation Ginbot 7 stellte ihren bewaffneten Widerstand gegen die Regierung ein und bezeichnete die vom neuen Premierminister angestoßenen Reformen als wirkliche Hoffnung auf Demokratie (Meldung der BBC vom 22. Juni 2018, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). So wurde auch der zum Tode verurteilte Generalsekretär der Organisation Ginbot 7, Andargachew Tsege, der 2009 in Abwesenheit zum Tode verurteilt und 2014 auf einem jemenitischen Flughafen auf seinem Weg nach Eritrea festgenommen und den äthiopischen Behörden ausgehändigt worden war, freigelassen (vgl. Meldung der BBC vom 1. Juni 2018 17:05 Uhr, https://www.bbc.com/news/world-africa-42716864).

Es finden Gespräche zwischen Äthiopien und Eritrea statt. Äthiopien kündigte an, die Soldaten an der Grenze zu Eritrea abzuziehen. Telefonleitungen und Flugverbindungen zwischen beiden Ländern wurden wiedereröffnet (vgl. Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 20. Juli 2018, 11:00 Uhr, https://www.sueddeutsche.de/politik/aethiopien-und-eritrea-zwei-laender-erwachen-aus-dem-tiefschlaf-1.4062868; Meldung der BBC vom 10. Juli 2018, 13:01 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Im September 2018 wurde die äthiopische Botschaft in Asmara wiedereröffnet (Meldung des Portals africanews vom 6. September 2018, http://www.africanews.com/2018/09/06/ethiopia-reopens-its-embassy-in-eritrean-capital-asmara/?breaking-news=1).

Die Regierungschefs beider Länder feierten bei einem gemeinsamen Besuch an der Grenze das äthiopische Neujahr und eröffneten einen Grenzübergang bei der äthiopischen Stadt Zalambessa (Meldung von africanews.com vom 11. September 2018, http://www.africanews.com/2018/09/11/abiy-afwerki-visit-border-together-to-celebrate-ethiopian-new-year-with-their/; Meldung der B’BC vom 11. September 2018 https://www.bbc.com/news/world-africa-45475876?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia& link_location=live-reporting-story).

Der Premierminister ließ bisher gesperrte Internetseiten oppositioneller Organisationen freigeben. Das oromische Medienportal Oromo Media Network (OMN), dem bis vor kurzem noch Terrorvorwürfe gemacht worden sind, eröffnete in A. Ab. eine Redaktion (vgl. Meldung der BBC vom 26. Juni 2018, 16:16 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Der Gründer dieses Medienportals, Jawar Mohammed, ist nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. Meldung von „jeune afrique“ vom 5. August 2018, 12:39 Uhr, http://www.jeuneafrique.com/depeches/611340/politique/retour-en-ethiopie-dun-celebre-activiste-de-lopposition/; Meldung des Guardian https://www.theguardian.com/global-development/2018/aug/20/jawar-mohammed-return-ethiopia-political-change-oromo). Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe der Aufwiegelung/Anstiftung zur Gewalt wurden fallen gelassen.

Die äthiopische Regierung und die vormals auf der Terrorliste geführte OLF haben eine Vereinbarung unterzeichnet, um die Feindseligkeiten, bewaffneten Auseinandersetzungen zu beenden (Meldung der BBC vom 7. August 2018, 16:59 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Auch die ONLF, eine früher als Terrorgruppe bezeichnete Organisation in der Somaliregion unterzeichnete im Februar 2019 mit der Regionalregierung des Bundesstaats Somali eine Vereinbarung über die Entwaffnung und Integration ihrer Mitglieder in die staatlichen Sicherheitsdienste (vgl. Meldung africanews vom 9. Februar 2019, 4:00 Uhr, http://www.africanews.com/2019/02/09/ethiopia-onlf-rebels-disarm-sign-agreement-with-somali-state/).

Die äthiopische Regierung hieß die Anführer der vormals als Terrorgruppe bezeichneten Ginbot 7, die nach Äthiopien zurückgekehrt sind, im Land willkommen (vgl Meldung von africanews.com vom 9. September 2018, 13:29 Uhr, http://www.africanews.com/2018/09/09/ethiopia-govt-welcomes-leadership-of-ginbot-7-back-home/).

Im Oktober 2018 kehrten ca. 2.000 äthiopische Rebellen des Tigray People’s Democratic Movements (TPDM) von Eritrea aus nach Äthiopien zurück. Dieser Rückkehr war die Unterzeichnung einer Friedensvereinbarung mit der Regierung in A. Ab. im August 2018 vorausgegangen (Meldung der BBC vom 9. Oktober, 17:38 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia; Meldung des Portals africanews.com vom 10. Oktober 2018, http://www.africanews.com/2018/10/10/about-2000-tigray-rebels-return-to-ethiopia-from-eritrea/). Laut africanews.com sollen auch Kämpfer von Ginbot 7 und Soldaten der OLF nach Äthiopien heimgekehrt sein (Meldung des Portals africanews.com vom 10. Oktober 2018, http://www.africanews.com/2018/10/10/about-2000-tigray-rebels-return-to-ethiopia-from-eritrea/).

Abdi Mohammed Omar (alias Abdi Illey), der vormalige Regierungschef der Somaliregion, dem vorgeworfen wird, dass er unrechtmäßige Rekrutierungen, Verhaftungen, Tötungen und sonstige Menschenrechtsverstöße seiner Liyu Plizei ermöglicht oder geduldet habe, trat im August 2018 zurück. Er wurde nach seinem Rücktritt im August 2018 von Seiten der Äthiopischen Bundeskräfte festgenommen und ist inhaftiert worden. (vgl. Meldung der BBC vom 7. August 2018, 15:24 und vom 27. August 2018, 18:46 Uhr https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia; Meldung des Portals africanews vom 27. August 2018 http://www.africanews.com/2018/08/27/ethiopia-police-arrest-ex-somali-region-president-abdi-illey/). Er wurde am Mittwoch, 29. August 2018 vor einem Gericht zusammen mit 6 weiteren Vertretern seiner Regionalregierung mehrerer Taten beschuldigt, man warf ihm u.a. Menschenrechtsverletzungen, Tötungen, Vertreibungen, Freiheitsberaubung, Folter und Unterdrückung der Meinungsfreiheit vor. Als sein Nachfolger wurde einer seiner Kritiker, Mustafa Omer, dem nachgesagt wird, dass er ein Verteidiger der Menschenrechte sei, bestimmt (Meldung des Portals africanews vom 30. August 2018, http://www.africanews.com/2018/08/30/ethiopias-somali-regional-politics-new-leader-abdi-illey-charged-liyu-police/). Shamaahiye Sheikh Farah (alias Shamaahiye), der frühere Chef des Jail Ogaden und Leutnant der Liyu Miliz wurde ebenfalls festgenommen. Das berüchtigte Gefängnis in Jijiga wurde geschlossen (Meldung des Portals africanews.com vom 29.9.2018, http://www.africanews.com/2018/09/29/ex-boss-of-ethiopia-s-notorious-jail-ogaden-arrested/).

Der Premierminister gab bei einer Ansprache vor der Regierungskoalition an, dass es das Zeichen eines wahren Anführers sei, besser qualifizierte Nachfolger hervorzubringen und sich selbst überflüssig zu machen (Meldung der BBC vom 3. Oktober 2018, 11:25 Uhr https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia).

Im November 2018 ließ der äthiopische Generalstaatsanwalt (Attorney General) Berhanu Tsegaye über 60 Beamte verhaften (vgl. Meldung des Portals africanews vom 17.11.2018, 12:29 Uhr, http://www.africanews.com/2018/11/17/ethiopians-support-govt-crackdown-on-corruption-rights-abuse/). Unter den Verhafteten befanden sich ehemals hochrangige Mitglieder der Nachrichtendienste (vgl. Meldung des Portals africanews vom 15.11.2018, 08:59 Uhr, http://www.africanews.com/2018/11/15/ethiopia-s-former-deputy-intelligence-chief-arrested-by-police/; BBC vom 15.11.2018, https://www.bbc.com/news/world-africa-46221238) wie etwa z.B. Yared Zerihun (a former deputy intelligence chief). Yared Zerihun war Stellvertreter von NISS (National Intelligence and Security Service). Aber auch aus dem Wirtschaftsbereich der Armee, wie der Metals and Engineering Corporation (MetEC), wurden Verantwortliche wie Kinfe Dangnew verhaftet (vgl. Meldung des Portals africanews vom 17.11.2018, 12:29 Uhr, http://www.africanews.com/2018/11/17/ethiopians-support-govt-crackdown-on-corruption-rights-abuse/). Auch Colonel Gudeta Olana, Sicherheitschef der staatlichen Ethio Telecom wurde verhaftet (vgl. Meldung des Portals africanews vom 15.11.2018, 08:59 Uhr, http://www.africanews.com/2018/11/15/ethiopia-s-former-deputy-intelligence-chief-arrested-by-police/). Den verhafteten Personen werden Korruption und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (vgl. BBC vom 15.11.2018, https://www.bbc.com/news/world-africa-46221238). Nach Meldungen vom 23. Januar 2019 wurde auch der frühere Kommunikationsminister Bereket Simon wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet. Simon war ein Gründungsmitglied der Regierungskoalition EPRDF. Wegen der gleichen Vorwürfe wurde auch Tadesse Kassa, ein früherer hoher Beamter verhaftet (vgl. Meldung von africanews 23. Januar 2019, http://www.africanews.com/2019/01/23/ethiopia-arrests-ex-govt-minister-bereket-simon-over-corruption/).

Der Premierminister Abiy Ahmed berief im November 2018 Frau Birtukan Mideksa zur Chefin der Wahlkommission. Mideksa war nach den Wahlen 2005 verhaftet, nach 18 Monaten freigelassen worden, anschließend aber im Dezember 2008 für weitere 21 Monate inhaftiert worden und verbrachte die letzten 7 Jahre im Exil in den USA. Sie kehrte kurz vor ihrer Berufung zurück nach Äthiopien (vgl. Meldung der BBC vom 22.11.2018, https://www.bbc.com/news/world-africa-46301112?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia& link_location=live-reporting-story; africanews 21.11.2018 http://www.africanews.com/2018/11/21/ethiopia-to-appoint-new-election-chief-on-thursday-could-it-be-birtukan-mideksa/; africanews vom 22.11.2018, http://www.africanews.com/2018/11/22/ethiopia-elections-chief-pledges-transparent-and-trustworthy-work/). Am 27. November 2018 fand eine Diskussion der Regierung mit Oppositionsparteien zu den kommenden Wahlen statt (Meldung von africanews vom 23.11.2018, http://www.africanews.com/2018/11/23/ethiopia-pm-opposition-to-discuss-electoral-reforms/).

Ohnehin ist festzustellen, dass der Premier führende Positionen an Frauen vergeben hat. Oberste Richterin ist Frau Meaza Ashenafi, eine frühere Anwältin und Menschenrechtsaktivistin (vgl. africanews vom 2.11.2018, http://www.africanews.com/2018/11/02/judicial-independence-rule-of-law-ethiopia-s-female-cj-speaks/). Auch die Präsidentin des Landes ist erstmals eine Frau, die frühere Diplomatin Sahle-Work Zewde. Das Kabinett wurde paritätisch mit 10 Männern und 10 Frauen besetzt (vgl. africanews vom 1.11.2018 http://www.africanews.com/2018/11/01/ethiopia-supreme-court-gets-its-first-woman-head-meaza-ashenafi/).

Nach Meldungen vom 23. Januar 2019 nutzen laut des äthiopischen Generalstaatsanwalts 13.000 Menschen das im Juli 2018 verkündete Amnestieangebot (Meldung von africanews vom 23. Januar 2019 http://www.africanews.com/2019/01/23/ethiopia-pardons-more-than-3000-political-prisoners/).

Das Gericht sieht bei dieser Einschätzung der Sachlage auch, dass es in Äthiopien angesichts einer gewissen übergangsbedingten Unsicherheit zu lokalen Unruhen mit Todesfällen und ethnischen Konflikten kommt. Ausweislich eines Berichts des Internetportals africanews kamen bei einer öffentlichen Versammlung zur Begrüßung des OMN Gründers in der Stadt Shashememe im August 2018 vier Personen ums Leben. Das Portal berichtet, dass drei Leute in einer Massenpanik am Eingang des örtlichen Stadions, in dem die Veranstaltung stattfand, getötet worden seien. Eine weitere Person sei von einem Mob gelyncht worden, weil der Mob geglaubt habe, dass der Gelynchte in seinem Auto eine Bombe dabei hätte (Meldung des Portals africanews vom 14. August 2018, 5:00 Uhr http://www.africanews.com/2018/08/14/ethiopian-activists-condemn-mob-action-violence-during-rally-in-oromia/). Der Gründer des OMN sprach auf seinem facebook-Account am 12. August 2018 von einer grausamen (cruel), widerlichen (disgusting) und schädlichen (damaging) Handlung des Mobs. Er rufe alle, insbesondere die Jugend, dazu auf, keine Selbstjustiz zu üben, auch nicht aufgrund von eigenen Verdächtigungen (https://www.facebook.com/Jawarmd/posts/10104063136852973).

Im September 2018 kam es zu tödlichen Unruhen in A. Ab.. Nach Aussagen des Polizeichefs von A. Ab., Maj Gen Degie Bedi, kamen mindestens 28 Menschen ums Leben. Die Unruhen begannen am 13. September als Unterstützer der OLF ihre Flagge in Teilen der Hauptstadt A. Ab. aufhängen. Dies werteten einige Bewohner als Versuch der OLF die Kontrolle über A. Ab. zu übernehmen. Daraufhin griffen sich die gegnerischen Unterstützer an, was in der Schließung von Teilen des Geschäftsviertels von A. Ab. endete. Zwei Tage später eskalierte die Gewalt und führte zu 28 Toten. Die meisten starben durch Schläge mit Stöcken und Steinen als rivalisierende Gruppen sich prügelten. 7 sind nach der Aussage des Polizeichefs von Sicherheitskräften getötet worden, Amnesty sprach von 58 Toten bei den Unruhen. Infolge dieser Unruhen wurden nach äthiopischen Polizeiangaben 1.200 Menschen verhaftet, die meisten seien aber wieder freigelassen worden (Meldung der BBC vom 25. September 2018, https://www.bbc.com/news/world-africa-45638856?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia& link_location=live-reporting-story). Am 17. Dezember 2018 forderten Unruhen zwischen rivalisierenden Ethnien unter Beteiligung der äthiopischen Armee in der im Süden gelegenen Stadt Moyale 13 Tote (vgl. Meldung der BBC vom 18. Dezember 2018, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia; africanews.com vom 18. Dezember 2018 http://www.africanews.com/2018/12/18/ethiopia-army-op-kills-civilians-in-moyale-hotel-violence-persists/).

Diese Todesfälle, so tragisch und bedauerlich sie sind, sind jedoch nicht Folge von Verfolgungshandlungen eines Verfolgungsakteurs im Sinne des Asylgesetzes. Sie führen auch nicht zur Annahme bürgerkriegsähnlicher Zustände (vgl. BFA Äthiopien, 8. Januar 2019, S. 8). Das Gericht berücksichtigt bei dieser Bewertung, dass es anlässlich der Entwicklungen in Äthiopien zu diversen regionalen und lokalen Unruhen, Übergriffen auf andere Ethnien und teils auch Kampfhandlungen mit der Folge zahlreicher Binnenvertriebener kommt. Diese werden jedoch von Seiten der Bundesbehörden versucht zu unterbinden. So hat die äthiopische Bundesarmee bspw. den vormaligen Regierungschef der Somali Region nach dessen Rücktritt inhaftiert und ist in dieses Gebiet eingerückt (vgl. Meldungen der BBC vom 4. August 2018 https://www.bbc.com/news/world-africa-45070213?intlink_from_url=https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia& link_location=live-reporting-story und vom 7. August 2018, 15:24 Uhr, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Auch bei den Unruhen im Grenzbereich Somali - Oromiya kann nicht davon ausgegangen werden, dass keine inländische Fluchtalternative, etwa in A. Ab. bestünde. Es kann - angesichts der Erkenntnislage - auch nicht davon ausgegangen werden, dass der äthiopische Staat gemäß § 3c Nr. 3 AsylG nicht in der Lage sei oder nicht willens wäre, eventuell Bedrohten Schutz vor Verfolgung zu bieten. Zumal die Unruhen und Gewalttätigkeiten lokal begrenzt sind und meist anlässlich von größeren Versammlungen ausbrechen. Auch die äthiopische Politik reagiert auf die internen Grenzkonflikte. So hat das äthiopische Parlament am 20. Dezember 2018 ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, dass es dem Premierminister erlaubt, eine Kommission einzusetzen um die Identitäts- und Grenzkonflikte zwischen den regionalen Verwaltungen (vgl. Meldung der BBC vom 20. Dezember 2018, 12:21 Uhr https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia). Die Kommission soll die Ursachen der Konflikte eruieren und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.

Aus diesen Vorfällen ergeben sich auch weiterhin keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Oromo nur aufgrund der Zugehörigkeit zu seiner Ethnie in Gefahr wäre.

Auch die exilpolitische Betätigung der Kläger führt nicht zur Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr aus flüchtlingsrelevanten Gründen.

Zwar ermöglicht § 28 Abs. 1a AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn die begründete Furcht nur auf Ereignissen beruht, die eingetreten sind, nachdem ein Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat (sog. Nachfluchttatbestände). Hierbei ist auch zu beachten, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1a AsylG im Gegensatz zu § 28 Abs. 2 AsylG auch möglich ist, wenn sämtliche Umstände erst nach der Flucht eingetreten sind. Im Gegensatz zu Vorfluchtgründen, die lediglich glaubhaft zu machen sind, bedürfen Nachfluchtgründe, die auf Ereignissen innerhalb des Gastlandes beruhen, des vollen Nachweises, wobei insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besonders strenge Anforderungen zu stellen sind. Insofern ist den Versuchen einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Asylrechtsschutzes im Bereich der Sachverhaltsermittlung zu begegnen (BVerwG, U.v.21.10.1986 - 9 C 28.85 - BVerwGE 75, 99; BVerwG, U.v. 8.11.1983 - 9 C 93.83 - BVerwGE 68, 171).

Zur Überzeugung des Einzelrichters ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt erst recht nicht mehr beachtlich wahrscheinlich, dass den Klägern bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien eine Verfolgung wegen ihrer exilpolitischen Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland drohen würde. Die Kammer ging bereits vor den Veränderungen in Äthiopien nicht von einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr rein exilpolitisch aktiver Asylbewerber aus.

Dass ein Ausländer in seinem Heimatstaat politisch verfolgt wird, weil er in der Bundesrepublik Deutschland gegen seinen Staat politische Aktivitäten entfaltet hat, kann nur angenommen werden, wenn sowohl für das Bekanntwerden der Tätigkeit im Heimatstaat als auch für dessen im Sinne des Asylrechts politisch motivierte Reaktion hinreichend gewichtige Anhaltspunkte bestehen (BVerwG, U.v. 29.11.1977 - 1 C 33.71 - BVerwGE 55, 82). Gerade an letzterem fehlt es hier.

Es gibt zahlreiche äthiopische politische Exilgruppen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und Programmen. Dem Auswärtigen Amt liegen auch nach dem aktuellen Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien vom 17. Oktober 2018 keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es nach dieser Auskunft auf den Einzelfall an, also z.B. darauf, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen wird oder um welche politische Tätigkeit es sich handelt (z.B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt (AA, Lagebericht Äthiopien vom 17.10.2018, Stand: September 20185, II. 1.9., S. 18). Bei Würdigung dieser Auskunftslage und insbesondere unter Berücksichtigung der Ereignisse im Jahr 2018 ist nicht davon auszugehen, dass eine Verfolgung von nicht herausgehoben politisch tätigen Personen beachtlich wahrscheinlich wäre. Ob herausgehobene Personen weiter verfolgt werden, ist sehr zweifelhaft, da namhafte Oppositionelle, wie bspw. Berhanu Nega, unbehelligt zurückgekehrt sind (s.u.). Diese Frage kann hier aber dahingestellt bleiben, da die Tätigkeit des Klägers sich in der üblichen Mitgliedschaft und Teilnahme an Veranstaltungen erschöpft, was bei einem Großteil der äthiopischen Asylbewerber der Fall ist.

Bei der Klägerin kann angesichts ihrer Passivität schon fast nicht mehr vom Status einer Mitläuferin ausgegangen werden. Sie vermochte in der mündlichen Verhandlung schon nicht zu sagen, wann sie das letzte Mal an einer entsprechenden Veranstaltung teilgenommen hatte. Beim Kläger ist das Engagement größer. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, seine vermeintlich herausgehobene Stellung als stellvertretender Vorsitzender oder das Sich-Ablichten-Lassen mit Berhanu Nega etc. führen schon nicht zu einer herausgehobenen Stellung des Klägers in der äthiopischen Exilszene, da diese Aktivitäten von der Mehrheit der äthiopischen Asylbewerber ausgeübt werden. Die Kammer hat bereits vor dem Wechsel des Premiers in ständiger Rechtsprechung (vgl. VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 - RO 2 K 16.32411 - juris) eine Verfolgungsgefahr nicht herausgehobener Exilpolitiker aufgrund exilpolitischen Engagements verneint. Angesichts der geschilderten Veränderungen (s.o.) und der unbehelligten Rückkehr wirklich prominenter Exilpolitiker spricht viel dafür, dass nunmehr auch nicht mehr von einer Verfolgungsgefahr tatsächlich herausgehobener Personen ausgegangen werden kann.

Das klägerische Vorbringen, wonach aufgrund der Willkür der äthiopischen Sicherheitskräfte nur wegen eines Wechsels an der Spitze noch nicht von tatsächlichen Veränderungen ausgegangen werden könne, vermag diese Einschätzung nicht zu erschüttern. Es wurde seitens der Kläger auf den Gutachter Günter Schröder verwiesen. Dessen letzte bekannte Einschätzung erfolgte vor den Veränderungen des Jahres 2018. Bereits vor den Veränderungen folgte das Gericht den Einschätzungen des genannten Gutachters nicht, sondern ordnete dessen Aussagen in den Gesamtkontext der Auskunftslage ein und kam zu dem Ergebnis, dass seiner Einschätzung nicht zu folgen sei (vgl. VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 - RO 2 K 16.31797 - juris; VG Regensburg, U.v. 8.3.2018 - RO 2 K 16.30643 - juris).

Soweit geltend gemacht wird, der neue Premier könne nicht in den Regionen durchregieren, weil die alten Seilschaften die Macht in den Händen hielten, bestehen auch Anhaltspunkte für die gegenteilige Annahme. Beispielsweise hat er, wie oben gezeigt, mithilfe der Bundesarmee den Machthaber der Somaliregion verhaften und die Situation befrieden lassen. Ohnehin wären die Kläger dann auf die sichere Alternative A. Ab. zu verweisen, wo sie auch vor ihrer Ausreise lebten. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Premier nicht wenigstens in A. Ab. das Sagen hätte und die Kläger dort nicht sicher wären.

2) Auch die Ziffer 3 des angegriffenen Bescheids verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Sie haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Ein derartiger Schaden droht den Klägern nach den obigen Ausführungen nicht. Insbesondere kann trotz der zahlreichen Binnenvertriebenen in einzelnen Regionen nicht von einem bürgerkriegsähnlichem Zustand ausgegangen werden (s.o.). Zudem wäre jedenfalls A. Ab. eine zumutbare, sichere inländische Schutzmöglichkeit.

3) Auch die Ziffer 4 des Bescheids begegnet keinen Bedenken.

Schließlich sind auch Abschiebungshindernisse bzgl. Äthiopien im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht ersichtlich. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Mangels Erkennbarkeit diesbezüglicher Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.

Ebenso wenig besteht ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebeschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfällt die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung aber jedenfalls dann, wenn die oberste Landebehörde trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage keinen generellen Abschiebestopp erlassen bzw. diesen nicht verlängert hat und ein vergleichbarer wirksamer Schutz den betroffenen Ausländern nicht vermittelt wird. Die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG gebieten danach die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn einer extremen Lebensgefahr oder einer extremen Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit entgegen gewirkt werden muss. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt wäre (BVerwG, U.v. 17.10.1995 - BVerwGE 99, 324; BVerwG, U.v. 19.11.1996 - BVerwGE 102, 249, BVerwG, U.v. 12.7.2001 - BVerwGE 115, 1). Eine derartige Gefahrensituation könnte sich auch aus den harten Existenzbedingungen und der Versorgungslage in Äthiopien ergeben.

Ob die Annahme einer extremen Gefahrenlage im Wege der verfassungskonformen Auslegung nunmehr ausscheidet, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 31.1.2013 (Az. 10 C 15/12 - juris) davon ausgeht, dass in begründeten Ausnahmefällen schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat (auch) ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen können, kann letztlich dahinstehen, da die anzuwendenden Gefahrenmaßstäbe weitgehend übereinstimmen.

Nach den dem Gericht vorliegenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnissen ist die Versorgungssituation für die Kläger und ihre Familie in Äthiopien jedoch nicht so schlecht, dass von einer Gefahr im beschriebenen Sinn auszugehen wäre. Obwohl Äthiopien zwischen den Jahren 2004 und 2014 ein konstantes wirtschaftliches Wachstum aufwies, zählt das Land immer noch zu den ärmsten Staaten der Welt. Auf dem Human Development Index des UNO-Entwicklungsprogramms belegt Ätthiopien Platz 173 von 186. 77,6% der Bevölkerung leben von weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt bei 170 US-Dollar. 82% Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft (SFH, Äthiopien, Update: Aktuelle Entwicklungen bis Juni 2014, Rahel Zürrer, Bern 2014). Andererseits ist die Arbeitslosigkeit in den ländlichen Regionen niedrig. Statt auf Arbeitslosigkeit trifft man dort auf unterproduktive Landwirtschaft (IOM, Länderinformationsblatt Äthiopien, Juni 2014, VII. 8.2.1, S. 19). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert, weshalb große Teile der Bevölkerung auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. Im Jahr 2014 waren ca. 3,2 Millionen Äthiopier auf solche Hilfen angewiesen, wobei sich die Hilfen neben der reinen Nahrungsmittelhilfe auch auf Non Food Items (Hygiene und Gesundheit) bezogen. Zusätzlich wurden 7,8 Millionen Menschen über das Productive Safety Net Programme unterstützt, die sonst auch Nothilfe benötigt hätten (AA, Lagebericht vom 24.5.2016, Stand: März 2016, IV. 1. 1.1. S. 20). Im jüngsten Lagebericht spricht das Auswärtige Amt davon, dass 7,9 Millionen Menschen auf das staatliche Sozialprogramm zur Ernährungssicherung angewiesen sind (AA, Lagebericht Äthiopien vom 17.10.2018, Stand: September 2018, IV 1.1, S. 23). Hier zeigt es sich, dass die Situation für große Teile der Bevölkerung schwierig ist. Gleichwohl bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer keine Nahrungsmittelhilfe erhalten. Für Rückkehrer bieten sich im Übrigen schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur bescheidenen Existenzgründung. Der Kläger hat angegeben, vor seiner Ausreise gearbeitet zu haben, es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ihm dies bei einer Rückkehr nach A. Ab. nicht möglich wäre. Auch die Klägerin hat gearbeitet. Beiden zusammen sollte es möglich sein, für ein ausreichendes wirtschaftliches Auskommen ihrer Familie zu sorgen.

Auch die zahlreichen Binnenvertriebenen aufgrund der ethnischen Unruhen führen nicht zum Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots. Wie oben ausgeführt kann abseits der Unruheherde davon ausgegangen werden, dass den Klägern weder eine konkrete Gefahr noch eine unmenschliche Behandlung droht.

Die vor der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arztbriefe führen ebenfalls nicht zur Annahme des Vorliegens von Abschiebungsverboten aufgrund einer konkreten Gesundheitsgefährdung im Fall der Rückkehr. Die Arztbriefe genügen schon nicht den Anforderungen an die Attestierung der entsprechenden Krankheiten. Sie sind bereits nicht aktuell, da sie beide über ein Jahr alt sind und damit vor allem bei psychischen Erkrankungen veraltet. Darüber hinaus entsprechen die vorgelegten Arztbrief nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG. Dessen Rechtsgedanke kann bei den Anforderungen an ein ärztliches Attest bzgl. zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten herangezogen werden (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2018 - 10 ZB 18.30105 - juris Rn. 7). Jedenfalls ergibt sich aus den Briefen nicht, dass eine durchgeführte Abschiebung bei einem der Kläger in Äthiopien zu einer dramatischen, lebensbedrohlichen Verschlechterung wegen der behaupteten Krankheiten führen würde. Die Kläger also bei einer Rückkehr nach Äthiopien gleichsam „sehenden Auges in den Tod geschickt würden“ (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 60 AufenthG, Rn 53).

Bezüglich der Klägerin verwundert schon die Anamnese, wonach ihr Herkunftsland Libyen sei. Auch die Glaubhaftunterstellung der traumatisierenden Geschichte kann nicht dem Arzt überlassen werden, sondern ist in einem Gerichtsverfahren Aufgabe des entscheidenden Richters. Weiter sind die geschilderten traumatischen Erlebnisse schon nicht wiedergegeben worden, so dass auch eine Überprüfung auf Übereinstimmung nicht vorgenommen werden kann. Eine Aussage, wie sich eine Abschiebung nach Äthiopien auf die behauptete Krankheit auswirke, fehlt ebenfalls. Letztlich ist der Arztbrief völlig unerheblich, da die Klägerin selbst in der mündlichen Verhandlung angab, trotz Verschreibung keine Medikamente zu nehmen. Da sie keine Medikamente nimmt und solcher augenscheinlich auch nicht bedarf, scheitert auch eine Berufung auf eine eventuelle Nichtverfügbarkeit lebensnotwendiger Medikamente in Äthiopien, die zur Annahme eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot führen könnte.

Bezüglich des Klägers ergibt sich aus den Arztbriefen ebenfalls nicht, dass sich die behauptete Krankheit im Zielland lebensbedrohlich verschlechtern würde. Vielmehr folgt aus der Anamnese, dass der Kläger wegen der Ablehnung seines Asylantrags perspektivlos sei und er erhebliche Mengen Alkohol (8 Bier/Tag) und Zigaretten konsumiere. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht von einer psychischen Krankheit wie im Arztbrief (Anpassungsstörung oder Depression) berichtet, sondern von der Einnahme einer Tablette gegen Fersen-/Beinschmerzen. Wie sich solche bei einer Rückkehr nach Äthiopien lebensbedrohlich verschlechtern sollen, ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG. Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3b Verfolgungsgründe


(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen: 1. der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;2. der Begrif

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 28 Nachfluchttatbestände


(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss

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Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Kosten nicht erhoben werden.


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(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der ... geborene Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger mit oromischer Volkszugehörigkeit und Moslem.

Zu seinem Reiseweg gab er in der Niederschrift zur Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gemäß § 25 AsylG an, er sei am5. April 2013 von ... im Sudan mit der jordanischen Fluglinie nach ... geflogen und von dort ebenfalls mit der jordanischen Fluglinie nach ... Zuvor sei er innerhalb des Sudan zu Fuß, dann mit einem Lkw und dann mit einem Touristenbus nach ... gefahren.

Eine Visumsabfrage am 15. April 2013 verlief negativ.

Er habe seinen Personalausweis in Äthiopien gelassen, welches er bereits im Jahr 2002 verlassen habe. Seinen Reisepass habe ihm die Immigrationsbehörde in Äthiopien im Jahr 2002 abgenommen; im Jahr 2002, da er ein Stipendium von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Deutschland erhalten habe. Dies habe er dann nicht in Anspruch genommen. Er sei verheiratet und habe drei Kinder, damals im Alter von 16, 13 und 12 Jahren, zu denen er seit zehn Jahren (zum Zeitpunkt der vorbereitenden Anhörung) keinen Kontakt habe. Er wisse auch nicht, wo sie sich aufhielten. Außerdem lebten noch zwei Brüder und eine Schwester des Klägers in Äthiopien.

Der Kläger erklärte, er habe 1980 das Abitur in ... gemacht und anschließend in der Ukraine Maschinenbau im Zeitraum 1982 bis 1988 studiert und mit dem Master abgeschlossen. Danach habe er in Äthiopien von 1988 bis 1995 als Lehrer gearbeitet und von 1995 bis 2002 in ... an der Technischen Universität unterrichtet. Während seines Studiums sei er einige Male in ... gewesen.

In der persönlichen Anhörung am 26. Mai 2014 erklärte der Kläger, er sei seit 1992 Mitglied der OLF gewesen und davor schon Unterstützer. Er sei bereits seit seiner Kindheit für die OLF aktiv gewesen. Im Mai 2002 sei er verhaftet und für eine Woche inhaftiert worden (Bl. 39 der Behördenakte). Man habe ihm vorgeworfen, dass er sich seit sechs Jahren für die OLF engagiere und dass er seitdem beobachtet worden sei, nachdem er nicht aufhöre, sei er nun inhaftiert worden. Er habe im Juni 2002 seine Familie verlassen und sei im Juli 2002 in den Sudan gegangen, wo er sich bis zu seiner Ausreise in Richtung Deutschland im Jahr 2013 aufgehalten habe. Seit seiner Ausreise aus Äthiopien sei er nicht mehr für die OLF aktiv gewesen. Vorher sei er im Südostbereich als Verbindungsmann tätig gewesen und sei hierbei Dreh- und Angelpunkt (wohl für OLF-Kämpfer, die nach Norden reisten) gewesen. Er habe Geld gesammelt und mit anderen Mitgliedern gesprochen, wie die OLF gestärkt werden könne. Er sei gegen Bürgschaft aus der Haft entlassen worden. Im Sudan habe er so getan, als wäre er ein Bettler und habe schließlich mit Hilfe freundlicher Sudanesen nach vielen Jahren den Sudan verlassen können.

Er erklärte, mit einem gefälschten Reisepass mit Hilfe eines Schleppers nach Deutschland eingereist zu sein. Den gefälschten Reisepass habe ihm der Schlepper in ... abgenommen. Er habe keine persönlichen Dokumente aus Äthiopien mitgenommen, da sie ihn hätten verraten können. Den Kontakt zu dem Schlepper hätten ihm die Sudanesen vermittelt.

Der Kläger erklärte, er sei in Deutschland nicht exilpolitisch tätig. Die Situation der OLF in Deutschland sei nicht zufriedenstellend, da sie sich geteilt habe. Er wolle eine vereinte Bewegung der OLF und er überlege derzeit, mit welcher Gruppe er tätig sein wolle.

Mit Schreiben vom 11. November 2015 hörte die Beklagte den Kläger zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG an.

Mit Bescheid vom 21. April 2016, der als Einschreiben am 27. April 2016 zur Post gegeben wurde, lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4), forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und drohte andernfalls dem Kläger die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen rücknahmebereiten oder zur Rücknahme verpflichteten Staat an (Ziffer 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, aus dem Vorbringen des Klägers zu seiner Tätigkeit für die OLF bis zum Jahr 2002 ergebe sich nicht, dass die Sicherheitskräfte in Äthiopien von einer aktiven Betätigung für die OLF ausgegangen seien. Hiergegen spreche zunächst die vergleichsweise kurze Dauer seiner Inhaftierung von nur einer Woche und auch, dass es nach der angeblich sechsjährigen Beobachtung des Klägers zu einer Entlassung aus der Haft gegen Bürgschaft gekommen sei. Andernfalls hätte es nahegelegen, den Kläger bis zur Anklageerhebung oder bis zur Verurteilung in Haft zu behalten. Außerdem sei ihm von der Migrationsbehörde lediglich der Reisepass abgenommen worden. Zu weiteren Maßnahmen seitens der Behörden sei es nicht gekommen. Außerdem habe der Kläger erklärt, nach dem Verlassen Äthiopiens keinen Kontakt mehr zur OLF gehabt zu haben. Von einer aktiven Mitgliedschaft des Klägers könne deshalb nicht die Rede sein. Auch spreche die Tatsache, dass der Kläger auch nach einem 13 Monate dauernden Aufenthalt in Deutschland zum Zeitpunkt der Anhörung erklärte habe, sich in Deutschland nicht exilpolitisch für die OLF zu engagieren, gegen eine aktive Mitgliedschaft. Das Vorbringen des Klägers erschöpfe sich in allgemeinen Ausführungen zur Situation der Oromo in Äthiopien ohne individuell konkrete Betroffenheit darzustellen. Seine Ausführungen zu den Vorfällen in Oromia im April 2014 und sein gleichzeitig fehlendes exilpolitisches Engagement zeigten, dass er nicht als aktiv in diesem Sinne anzusehen sei.

Außerdem sei er bereits im Sudan vor politischer Verfolgung sicher gewesen.

Im Übrigen wird auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen.

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten, der am 28. April 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ der Kläger Klage gegen den ablehnenden Bescheid erheben. Zur Begründung wurde am 13. Juli 2016 unter Vorlage eines „Affidavit“ der OLF vom 23. Juni 2016 vorgetragen, der Kläger sei seit 1992 ein Vollmitglied der OLF und sei für die OLF aktiv gewesen.

Für den Fall einer Rückkehr würden ihm die Sicherheitsbehörden unterstellen, dass er im Sudan für die OLF tätig war und die bewaffneten Kämpfer unterstützt habe, wenn nicht sogar ihm selbst unterstellt würde, ein solcher gewesen zu sein. Schlussendlich könne jedem auffallen, dass im Leben des Klägers ein Loch von über zehn Jahren klaffe, welches er nicht wirklich sinnvoll erklären könne. Wenn jedoch ein Oromo einen derart langen Zeitraum faktisch nicht sichtbar gewesen sei und sein Leben nicht nachweisen könne, liege es für die Sicherheitskräfte auf der Hand, dass er ein klandestines Leben, mithin ein Leben in der OLF geführt habe. Letztlich sei es diese lange Zeit, die seitens des Klägers nicht wirklich mit Leben gefüllt worden sei, die deshalb den Schluss nahelege, dass er in der OLF aktiv gewesen sei. Es gehöre zu den grundlegenden Aufgaben von Geheimdiensten und Sicherheitskräften auch nach derartigen „Löchern“ in der Vita eines Menschen zu suchen, um potentielle Regimefeinde zu finden.

Der Kläger beantragt,

unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes vom 21. April 2016 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen, hilfsweise ihm den subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG zuzuerkennen, weiterhin hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 6. Mai 2016,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 15. August 2016 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die im Hauptantrag auf die Verpflichtung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach

§ 3 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) beschränkte Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid vom 4. März 2016 ist im Umfange des Klagebegehrens rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Ihm steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) (Hauptantrag) noch auf Zuerkennung des subsidiären Flüchtlingsstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder auf Feststellung des Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Hilfsanträge) zu.

1.

Vorliegend ist kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 4,

Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i. S. d. Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Ergänzend hierzu bestimmt § 3 a AsylG die Verfolgungshandlungen, § 3 b AsylG die Verfolgungsgründe, § 3 c AsylG die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, § 3 d AsylG die Akteure, die Schutz bieten können und § 3 e AsylG den internen Schutz.

§ 3 a Abs. 3 AsylG regelt ausdrücklich, dass zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. den in § 3 b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3 a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen muss.

Ausschlussgründe, wonach ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, sind in § 3 Abs. 2 und 3 AsylG geregelt.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des AufenthG.

Unter Würdigung dieser Voraussetzungen steht bei Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs.1 AsylG) nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG unterfallende Gefährdungen drohen.

Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende vielfach hinsichtlich asylbegründender Vorgänge außerhalb des Gastlandes in einem gewissen, sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich dieser Vorgänge für die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene richterliche Überzeugungsgewissheit in der Regel die Glaubhaftmachung. Dies bedeutet, dass das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen darf, sondern sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen muss, die auch nicht völlig auszuschließende Zweifel mit umfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.1977, Buchholz 402.24, § 28 AuslG Nr. 11; Urteile vom 16.04., 01.10. und 12.11.1985, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nrn. 32, 37 und 41).

Dabei ist der Beweiswert der Aussage des Asylbewerbers im Rahmen des Möglichen wohlwollend zu beurteilen. Er muss jedoch andererseits von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen, widerspruchsfreien Sachverhalt schildern. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann ihm nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 20.10.1987, Buchholz 310, § 86 Abs. 3 VwGO, Nr. 37; Beschluss vom 21.07.1989, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG, Nr. 113).

An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; Beschluss vom 21.07.1989, Buchholz a. a. O., Nr. 113).

Gemessen an den dargestellten Grundsätzen konnte der Kläger nicht nachvollziehbar darlegen, dass er unmittelbar vor seiner Ausreise Maßnahmen staatlicher Stellen in Anknüpfung an in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründen ausgesetzt war und dass er Opfer diskriminierend angewandter polizeilicher Maßnahmen gewesen ist (§ 3 a Abs. 2 Nr. 2 AsylG). Seine Schilderungen sind nicht geeignet, eine staatliche Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes zu begründen.

Der Kläger beschrieb die Situation vor seiner Ausreise aus Äthiopien im Juli 2002 dahingehend, dass er im Mai 2002 für eine Woche wegen des Verdachts der Zusammenarbeit mit der OLF inhaftiert gewesen und dann aus der Haft entlassen worden sei, um ihn zur Zusammenarbeit mit der Regierung zu bewegen. Nachdem er sich dazu nicht bereit erklärt habe, sei es zur Wegnahme seines Reisepasses im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Auslandsstudiums in Deutschland durch die Migrationsbehörde in ... gekommen. Daraufhin habe er sich gezwungen gesehen, Äthiopien zu verlassen und habe sich elf Jahre lang im Sudan aufgehalten, ohne zu arbeiten ohne sich weiterhin für die OLF zu engagieren.

Dieser Vortrag erfüllt schon nach den Beschreibungen des Klägers nicht die Anforderungen, die an das Merkmal der “politischen Verfolgung“ im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG zu stellen sind. Zunächst erreicht die von ihm beschriebene einmalige Inhaftierung über den Zeitraum von einer Woche nicht die erforderliche Verfolgungsqualität. Der Kläger selbst erklärte, die Regierung hätte an Kämpfern mehr Interesse gehabt als an seiner eigenen Person. Unschlüssig ist das Vorbringen, wonach es im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Auslandsstudiums in Deutschland zur Entziehung des Reisepasses gekommen sei. Hier fehlt es bereits an einem für das Vorliegen einer Flüchtlingsanerkennung relevanten Merkmal im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, da nicht erkennbar ist, inwieweit dieses staatliche Verhalten durch die politische Überzeugung des Klägers bedingt gewesen sein soll. Darüber hinaus wird auch hieran deutlich, dass es an einem staatlichen Verfolgungsinteresse am Kläger, das seine Flüchtlingsanerkennung begründen könnte, gefehlt hat; denn zu einer Inhaftierung ist es gerade nicht gekommen.

Hinzu kommt, dass der Kläger nach eigenem Vorbringen im Sudan sicher vor staatlicher Verfolgung war. Er selbst gab an, in dieser Zeit nicht für die OLF tätig gewesen zu sein, sondern von der Unterstützung einheimischer Sudanesen und Oromos abhängig gewesen zu sein, die ihm letztlich die Weiterreise nach Deutschland ermöglicht hätten. Soweit die Prozessbevollmächtigte in ihrem Schriftsatz vom 11. Juli 2016 und in der mündlichen Verhandlung ausführte, eine Aktivität des Klägers für die OLF ergebe sich gerade daraus, dass er über zehn Jahre lang nicht nachweisen könne, was er eigentlich getan habe und möglicherweise bestehe seitens der Partei ein Redeverbot, folgt die Einzelrichterin dem nicht. Wenn der Kläger im Asylverfahren seine Flüchtlingsanerkennung aufgrund seiner politischen Überzeugung begehrt, ist er aufgrund seiner Mitwirkungspflicht angehalten, alle relevanten Umstände, die zu einer entsprechenden Anerkennung führen sollen, darzulegen. Auch auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger, er habe den Kontakt zu einem OLF Mitglied in Äthiopien während seines Aufenthalts im Sudan verloren und nicht genügend Vertrauen gehabt, um seine politische Arbeit im Sudan wieder aufzunehmen. Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung, dass der Kläger großes Interesse an einem Aufenthalt in Deutschland hatte, welches dem Kläger aufgrund mehrfacher Aufenthalte in ... während seines Maschinenbaustudiums in der Ukraine bekannt war und für das er in Äthiopien ein Auslandsstipendium erhalten hatte. Dass der Schleuser zufällig Dokumente für den Kläger beschaffte, die ihm einen Aufenthalt in Deutschland ermöglichen sollten, glaubt die Einzelrichterin dem Kläger nicht

Dem Kläger droht auch für den Fall einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung durch staatliche Stellen aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der OLF seit 1992.

In der äthiopischen exilpolitischen Szene gibt es zahlreiche Gruppierungen. Insgesamt ist den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Exilorganisationen genau beobachtet bzw. durch die Auslandsvertretungen beobachten lässt. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei der Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen als terroristisch angesehen und welche Art exilpolitischer Aktivität festgestellt wird (führende Position, Organisationen gewaltsame Aktionen). Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass jedenfalls Personen, die sich exponiert politisch betätigt haben, mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben. Dagegen ist eine Verfolgung von nicht herausgehobenen exilpolitischen tätigen Personen nicht beachtlich wahrscheinlich. Zwar steht die exilpolitische Vereinigung der TBOJ/UOSG, der der Kläger angehört, der Oromo-Befreiungsfront (OLF) nahe und ist mit dieser politisch eng verbunden. Die Oromo-Organisationen bzw. die mit ihnen verbundenen Parteien werden von den Sicherheitskräften des äthiopischen Staates besonders aufmerksam beobachtet. Personen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland derart exponiert betätigen, dass die äthiopischen Behörden sie als ernsthafte Oppositionsangehörige einstufen, müssen bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit politisch motivierten Verfolgungshandlungen rechnen (OVG NRW, U.v. 17.8.2010 - 8 A 3806/05.A - juris; VGH München, B.v. 14.7.2015 - 21 ZB 15.30119 - juris; VGH München, U.v. 25.2.2008 - 21 B 07.30363 - juris). Die OLF wird von der äthiopischen Regierung als terroristische politische Gruppierung angesehen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 24. Mai 2016 S. 9). Wer in führender oder verantwortlicher Stellung in einer solchen Organisation tätig war bzw. ist oder dessen verdächtigt wird, muss mit Strafverfolgung wegen terroristischer Aktivitäten rechnen (ebenda).

Nach eigenem Vortrag des Klägers fällt er nicht in den beschriebenen Personenkreis. Er gibt an, einfaches Mitglied der OLF zu sein, an Veranstaltungen teilzunehmen und die Partei zu unterstützen. Politisch aktiv sei er derzeit nicht, insbesondere könne er sich nicht mit der TBOJ identifizieren, die parteiintern zerstritten sei. Er wolle erst abwarten, ob sich hier eine Einigung ergebe und sich möglicherweise dann wieder engagieren. Diese Einlassung zeigt, dass er jedenfalls derzeit nicht einen Schwerpunkt auf der politischen Arbeit der Partei hat, denn sonst würde er sich an dem seiner Auffassung nach notwendigen Einigungsprozess aktiv beteiligen. Der Kläger scheint einen Schwerpunkt auf akademischen Treffen zu haben. So machte er seine Teilnahme an Treffen der OSA (Oromo Studies Association) geltend, die nach seiner Erklärung ein Verein sei, in dem alle Oromos Mitglied werden könnten. Hier träfen sich vor allem Akademiker, Professoren und Studenten. Weiterhin erklärte der Kläger, in diesem Verein würden alle oromischen Anliegen thematisiert, es handele sich jedoch nicht um eine politische Partei. Demzufolge hat sich der Kläger nicht in der oben beschriebenen Weise exilpolitisch exponiert, die zur Zuerkennung von Flüchtlingsschutz wegen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Verfolgung in Äthiopien führen könnte.

2.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ( § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). In diesem Rahmen sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3 c bis 3 e AsylG entsprechend anzuwenden.

Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland ein ernsthafter Schaden in diesem Sinne droht.

Auch aus den jüngsten Meldungen aus der Region Oromia (Auswärtiges Amt: Äthiopien: Reise- und Sicherheitshinweise vom 11. Oktober 2016; FAZ 1. September 2016 „Mit jedem Toten wächst der Zorn“ und aus dem vor der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bericht von ARC vom 7. September 2016) ergibt sich nichts anderes.

3.

Auch nationale Abschiebungsverbote sind nicht gegeben.

a. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

Mangels Erkennbarkeit diesbezüglicher Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.

b. Ebenso wenig besteht im Falle des Klägers ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für den Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Vielmehr kann der der gut ausgebildete Kläger zu seiner Familie zurückkehren, die nach seinen Angaben im Heimatland lebt.

4.

Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreisesaufforderung unter Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 34 Abs.1, 38 Abs. 1 AsylG liegen vor.

5.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das ihr im Rahmen des § 11 Abs. 1und 3 AufenthG eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, bestehen nicht und wurden vom Kläger nicht vorgetragen.

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.

Die Klage war demnach abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

zu beantragen.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR (§ 30 Abs. 1 Satz 1 RVG).

Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

...

Beschluss:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung war abzulehnen.

Die Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 166 i. V. m. §§ 114 ff. ZPO.

Hierzu wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger mit oromischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Er reiste eigenen Angaben zufolge am 27.07.2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 22.08.2016 einen Asylantrag.

Der religiös angetrauten Ehefrau des Klägers, …, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 10.11.2017 unter dem Az. … wegen drohender Genitalverstümmelung in Äthiopien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Den beiden Töchtern des Klägers, … und … …, wurde mit Bescheiden des Bundesamtes vom 13.11.2017 (Az. … bzw. …) im Rahmen des „Familienasyls“ nach § 26 AsylG ebenfalls die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

Bei seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt am 16.05.2017 trug der Kläger im Wesentlichen vor, er stamme aus der Region J. und habe die Schule bis zur 5. Klasse besucht. Einen Beruf habe er nicht erlernt, aber einen Gemischtwarenladen in Äthiopien betrieben.

Zu seinen Fluchtgründen erklärte der Kläger, im Dorf, in dem seine Familie gelebt habe, seien etwa im Jahr 1998 des äthiopischen Kalenders Bodenschätze gefunden worden. Viele Bewohner seien deshalb umgesiedelt worden. Am Ort der Umsiedlung habe es aber keine Krankenversorgung, keine Schule und keine Infrastruktur gegeben. Deshalb sei er in ein anderes Dorf umgezogen und habe sich dort eine Existenz aufgebaut. Im Jahr 2007 des äthiopischen Kalenders sei der Abbau der Bodenschätze erweitert worden und habe auch das Dorf erfasst, in das der Kläger umgezogen sei. Die Bewohner hätten gegen die Erweiterung des Bodenschätzeabbaus protestiert, weil sie bereits einmal umgesiedelt worden seien und das Versprechen, eine funktionierende Infrastruktur zu schaffen, nicht eingehalten worden sei.

Man habe daher seitens der Bevölkerung Straßensperren errichtet und Demonstrationen veranstaltet. An diesen Aktionen habe er sich beteiligt, in dem er geholfen habe, Straßensperren mittels Bäume und großer Steine zu errichten. Er habe auch Parolen gerufen und gegen die Vertreibung und Verhaftung demonstriert. Am 16.07.2007 des äthiopischen Kalenders sei er deswegen verhaftet worden und für zwei Tage in Haft gekommen. Weil viele Bewohner gegen die Verhaftung demonstriert hätten, sei er entlassen worden. Seitens der Regierung habe man eine Lösung zugesichert. Es habe eine Versammlung gegeben, in alle Fragen besprochen hätten werden sollen. Viele Bewohner hätten sich in dieser Versammlung beschwert, aber keine Antwort erhalten. In der Folgezeit sei er bespitzelt worden, was er jedoch erst später erfahren habe.

Am 11.04.2008 des äthiopischen Kalenders sei er in der Schule verhaftet worden. Dabei habe man in einem seiner Schulhefte eine gezeichnete ABO-Fahne gefunden. Man habe ihn beschuldigt, mit der ABO zusammenzuarbeiten. Ferner sei ihm vorgeworfen worden, die Proteste und Demonstrationen gegen den Abbau der Bodenschätze angestiftet zu haben. Vom 11.04.2008 bis zum 16.07.2008 des äthiopischen Kalenders sei er deswegen inhaftiert gewesen. Sein Geschäft sei durchsucht und geschlossen worden. Aufgrund von Schmiergeldzahlungen seines Vaters und mit der Hilfe seines Cousins, einen Polizisten, sei er aus der Haft gekommen. Seine Freilassung gegen Schmiergeld habe man als Gefängnisausbruch dargestellt. Die Schmiergeldempfänger hätten von ihm verlangt, dass er das Land verlasse, damit bei einer evtl. erneuten Verhaftung nicht bekannt werde, dass diese ihn gegen Schmiergeld freigelassen hätten. Deswegen und weil er befürchtet habe, wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt zu werden und lebenslang in Haft bleiben zu müssen, habe er das Land am 22.08.2008 des äthiopischen Kalenders verlassen und sei über den Sudan, Libyen und Italien in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.

Bei einer Rückkehr befürchte er wegen terroristischer Betätigung lebenslang ins Gefängnis zu kommen oder von den Personen getötet zu werden, die seine Freilassung gegen Schmiergeld ermöglicht hätten.

Mit Bescheid vom 04.08.2017, als Einschreiben zur Post gegeben am 08.08.2017, lehnte die Beklagte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1) und den Antrag auf Asylanerkennung (Ziff. 2) ab. Der subsidiäre Schutz wurde ebenfalls nicht zuerkannt (Ziff. 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4). Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Äthiopien angedroht (Ziff. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 6).

Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG. Unabhängig von der Glaubhaftigkeit des Vortrages sei der Kläger jedenfalls auf internen Schutz nach § 3e AsylG zu verweisen. Staatliche Repressionen würden nicht im ganzen Land unterschiedslos praktiziert werden. Dem Kläger sei es zumutbar, sich in größeren Städten niederzulassen, wo ein wirtschaftlicher Neuanfang leichter möglich sei. Die ABO bestehe in dieser Form heute nicht mehr. Allerdings sei aus dieser die ONLF als Splittergruppe entstanden. Zu berücksichtigen sei zwar, dass der Kläger bei Wahrunterstellung vorverfolgt gewesen sei. Die zu treffende Rückkehrprognose führte jedoch dazu, dass der Kläger jedenfalls nicht derart exponiert für die ABO tätig gewesen sei, dass ihm eine landesweite Verfolgung drohe. Der Staat habe weder das Interesse, noch den Willen, den Kläger landesweit zu suchen.

Die Voraussetzungen der Asylanerkennung gem. Art. 16a Abs. 1 GG seien ebenfalls nicht gegeben, da nicht einmal der weitergefasste Schutzbereich des § 3 AsylG einschlägig sei.

Dem Kläger sei auch kein subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Schutz gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG scheide aus, da eine dem Kläger drohende Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich sei. Ebenso wenig sei Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zuzuerkennen. Die Gewährung subsidiären Schutzes setze stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos der Misshandlung voraus. Die bloße, wenn auch durch Präzedenzfälle bestätigte, Möglichkeit reiche nicht aus. Darüber hinaus sei der Kläger gem. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG auf internen Schutz zu verweisen. Ein Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG sei abzulehnen, da in Äthiopien kein innerstaatlicher Konflikt bestehe.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG kämen ebenfalls nicht in Betracht. Eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bewertet werden. Die derzeitigen humanitären Bedingungen würden nicht zu der Annahme führen, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Selbst unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich.

Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich.

Mit Schriftsatz vom 15.08.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 16.08.2017, erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragt,

  • 1.Der Bescheid der Beklagten vom 04.08.2017, Gz.: …, wird aufgehoben.

  • 2.Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen,

hilfsweise dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG,

hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen,

hilfsweise festzustellen, dass die nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Mit Schriftsatz vom 25.08.2017 beantragt die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Schriftsatz vom 22.11.2017 führte der Klägerbevollmächtigte zur Begründung der Klage aus, der Kläger müsse im Rahmen des Familienasyls als Flüchtling anerkannt werden. Hinsichtlich seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder sei die Flüchtlingseigenschaft festgestellt worden. Somit sei auch der Kläger im Rahmen des Familienasyls nach § 26 AsylG als Flüchtling anzuerkennen. Weiterhin sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger aufgrund politischer Verfolgung sein Heimatland habe verlassen müssen. Nur aufgrund der Tatsache, dass er seine demokratischen Rechte wahrgenommen und gegen Entscheidungen des Staates protestiert habe, sei er festgenommen und inhaftiert worden. Die Beklagte verkenne bei ihren Äußerungen die aktuell in Äthiopien bestehende Situation. Aus dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Äthiopien vom 06.03.2017 gehe hervor, dass es eine Opposition deshalb nicht gebe, weil sie systematischen Einschränkungen, Behinderungen und Diskriminierungen ausgesetzt sei. Oppositionelle Parteimitglieder würden inhaftiert werden. Hinzu komme, dass seit Oktober 2016 in Äthiopien der Ausnahmezustand herrsche, der der Regierung, aber vor allem den agierenden Kräften, wie der Polizei und der Armee, weitgehende Befugnisse einräume. Auf zahlreiche Proteste von Studenten, Schülern und Farmer habe die Regierung mit willkürlichen Massenverhaftungen reagiert. Seitdem seien zehntausende Demonstranten inhaftiert worden. Auch anderen Personen sei eine oppositionelle Tätigkeit unterstellt worden. Eine zumutbare inländische Fluchtalternative komme für den Kläger nicht in Betracht. Die Sicherheitsbehörden verfügten über ein gut funktionierendes Netz, welches in alle Lebensbereiche greife. Sobald die Identität des Klägers geklärt und seine Vergangenheit bekannt sei, sei er einer erheblichen Verfolgungswahrscheinlichkeit ausgesetzt. Aufgrund der geschilderten Tatsachen komme eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe gem. § 3b Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 AsylG in Betracht. Der gemeinsame Hintergrund bestehe nicht nur in der Zugehörigkeit des Klägers zum Volke der Oromo als angeborenes Merkmal, sondern auch in der (unterstellten) politischen Betätigung. Zudem falle auf, dass sich die Beklagte an keiner Stelle mit einer Gruppenverfolgung der Oromo auseinandergesetzt habe. Aufgrund der politischen Aktivität des Klägers und der Vorverfolgung sei eine weitere Verfolgung in indiziert, insbesondere in Anbetracht der aktuell verschärften Situation für Regimegegner.

Mit Schriftsatz vom 18.01.2018 führte die Beklagte aus, dem Kläger könne kein Familienflüchtlingsschutz gewährt werden. Eine Ableitung von den Töchtern komme nicht in Frage, da eine Ableitung nur vom ursprünglich Berechtigten und nicht von einer bereits erfolgten Ableitung möglich sei. Eine Ableitung von der Lebensgefährtin komme ebenfalls nicht in Betracht. Die Lebensgefährtin/Frau des Klägers habe bei ihrer Anhörung ausgeführt, sie seien nur nach muslimischem Ritus verheiratet. Die Anerkennung einer muslimischen Heirat sei nur möglich, wenn diese im Heimatland durch staatliche Behörden offiziell bestätigt bzw. registriert worden sei. Ein solcher Nachweis liege nicht vor.

Mit Schriftsatz vom 07.02.2018 führte der Klägerbevollmächtigte ergänzend aus, der Kläger könne die Heirat nicht mehr nachweisen, da seine Papiere auf der Flucht in Libyen verloren gegangen seien.

Mit Beschluss der Kammer vom 30.08.2018 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 31.10.2018 wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen. Die Behördenakte der Ehefrau des Klägers sowie die Behördenakten der beiden Töchter des Klägers wurden beigezogen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

I.

Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 31.10.2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II.

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG besteht ebenfalls nicht. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.

Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt Folgendes:

Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 - Au 5 K 16.30604 - juris).

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A - juris).

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Obwohl die Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Bescheid zur ABO als „Westsomalische Befreiungsfront“ bzw. zur ONLF offensichtlich neben der Sache liegen, da der Kläger lediglich mit der OLF sympathisiert hat, besteht unter der Berücksichtigung der Schilderungen des Klägers im Klageverfahren und in der mündlichen Verhandlung im Ergebnis kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

a) Die klägerischen Ausführungen sind vage, detailarm und zum Teil von massiven Widersprüchen geprägt, so dass das Gericht dem Vorfluchtgeschehen keinen Glauben schenkt.

Widersprüchlich sind bereits die klägerischen Angaben zur Ausreise aus Äthiopien. Bei der Anhörung beim Bundesamt am 16.05.2017 gab der Kläger zunächst an, Äthiopien am 22.04.2008 des äthiopischen Kalenders (entspricht dem 01.01.2016 des europäischen Kalenders) verlassen zu haben. Nachdem der Kläger vom anhörenden Entscheider im Rahmen der Reisezeit auf Widersprüchlichkeiten angesprochen wurde, korrigierte er seine Angaben zum Ausreisedatum und erklärte sodann, er habe Äthiopien am 22.08.2008 (entspricht dem 30.04.2016 des europäischen Kalenders) verlassen. Die Ehefrau des Klägers erklärte dem gegenüber in ihrem Asylverfahren, sie hätten Äthiopien am 23.08.2008 des äthiopischen Kalenders, was dem 01.05.2016 des europäischen Kalenders entspricht, verlassen. Befragt zur Ausreise in der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger nunmehr, er habe am 25.04.2016 nach europäischer Zeitrechnung - zusammen mit seiner Frau und seiner großen Tochter - Äthiopien verlassen. Nach einer Umrechnung entspricht dies dem 17.08.2008 nach äthiopischer Zeitrechnung. Auf Vorhalt des Gerichts zu den widersprüchlichen Angaben im Verwaltungsverfahren bzw. zu den abweichenden Angaben seiner Ehefrau führte der Kläger lediglich aus, er habe beim Bundesamt die Daten in europäischer Zeitrechnung angegeben und dort zutreffend den 25.04.2016 genannt. Diese Einlassung ist aber ausweislich der Niederschrift über die persönliche Anhörung vom 16.05.2017 unrichtig. Der Kläger hat während der gesamten Anhörung und Befragung die maßgeblichen Daten anhand des äthiopischen Kalendersystems vorgetragen. Eine Umrechnung in das europäische Kalendersystem ist erst durch das Bundesamt erfolgt. Soweit der Kläger nach Angaben in der mündlichen Verhandlung dennoch am 25.04.2016 nach europäischer Zeitrechnung Äthiopien verlassen haben will, steht diese Einlassung wiederrum teilweise im Widerspruch zu den weiteren Ausführungen des Klägers gegenüber dem Gericht. Der Kläger erklärte dem Gericht nämlich im anderen Zusammenhang, sie hätten am 25.04.2016 J. verlassen. Danach habe es fünf Tage bis zur Grenze zum Sudan gedauert. An der Grenze zum Sudan hätten sie dann noch zwei Tage verweilt, bevor es drei Tage gedauert habe, bis sie Khartum im Sudan erreicht hätten. Dementsprechend hat der Kläger mit seiner Familie offensichtlich doch noch nicht am 25.04.2016 Äthiopien verlassen, sondern allenfalls die Stadt J.

Von zeitlichen Widersprüchen sind ferner die Angaben zum Aufenthalt der Familie im Sudan geprägt. Gegenüber dem Bundesamt und dem Gericht erklärte der Kläger, sie hätten sich vier Tage im Sudan aufgehalten. Die Ehefrau des Klägers führte hingegen bei ihrer Anhörung gegenüber dem Bundesamt aus, sie seien ungefähr zwei Wochen im Sudan gewesen, davon vier Tage in Khartum. Konfrontiert mit diesem Widerspruch lieferte der Kläger dem Gericht wiederrum keine plausible Erklärung. Der Kläger führte lediglich aus, seine Frau beziehe die 14 Tage offensichtlich auf die zehntägige Reise in den Sudan und den viertägigen Aufenthalt im Sudan. Diese Einlassung überzeugt das Gericht nicht. Die Ehefrau des Klägers sprach unmissverständlich von zwei Wochen Aufenthalt im Sudan, wovon vier Tage auf die Stadt Khartum entfallen sind. Im Gegensatz zu den klägerischen Ausführungen hinsichtlich Reise- und Aufenthaltszeiten sind zumindest die Angaben seiner Ehefrau insoweit weitgehend stimmig.

Als unglaubwürdig stuft das Gericht den Vortrag des Klägers zu Misshandlungen während der vom 11.04.2008 bis zum 16.07.2008 des äthiopischen Kalenders dauernden Haft ein. Auf Frage des Gerichts führte der Kläger aus, er und die anderen Gefangenen seiner Zelle seien ca. zweimal wöchentlich nachts mit einem Stock geschlagen worden. Von ihm habe man durch die Schläge erreichen wollen, dass er den Aufenthaltsort der unterstützten Mitglieder preisgebe. Bei der Anhörung beim Bundesamt war hingegen keine Rede von Misshandlungen im Gefängnis. Angesprochen auf diesen ergänzenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger lediglich, man habe ihn beim Bundesamt nicht danach gefragt. Zudem habe der Entscheider zu ihm gesagt, man wisse um die Zustände in den Gefängnissen, als er angefangen habe über die Haftzustände zu berichten. Diese Einlassungen des Klägers stuft das Gericht als reine Schutzbehauptung ein. Der Kläger hat gegenüber dem Bundesamt bestätigt, dass ihm ausreichend Gelegenheit gegeben worden ist, seine Fluchtgründe umfassend darzustellen. Er wollte ausweislich der Niederschrift nichts Weiteres hinzufügen. In Anbetracht des Gesamteindrucks vom Kläger stuft das Gericht die nunmehr vorgetragenen Misshandlungen als unglaubwürdig gesteigertes Sachvorbringen des Klägers ein, zumal auch in der Anhörung der Ehefrau - bei einem anderen Entscheider - mit keinem Wort eine Misshandlung des Klägers im Gefängnis erwähnt wurde. Die Ehefrau des Klägers führte lediglich aus, ihr Mann sei durch Schmiergeldzahlungen freigelassen worden. Ihr Mann habe ihr erzählt, dass er mit dem Tod bedroht worden sei, falls er noch einmal in Erscheinung trete. Wäre der Kläger tatsächlich im Gefängnis misshandelt worden, ist davon auszugehen, dass der Kläger seiner Frau darüber berichtet hätte und die Ehefrau dies auch im Rahmen der Frage nach der Haft ihres Ehemanns erwähnt hätte.

Von massiven Widersprüchen sind letztlich die Ausführungen des Klägers zu seinem Aufenthalt nach der Haftentlassung geprägt. Der Kläger erklärte dem Gericht, zwei Tage nachdem er aus der Haft entlassen worden sei, sei er zu seiner Frau und deren Tante nach J. gegangen. Dementsprechend müsste der Kläger noch im Juli 2008 des äthiopischen Kalenders zu seiner Familie, die sich seit seiner Festnahme bei der Tante seiner Ehefrau in J. aufgehalten hat, gestoßen sein. Die Ehefrau des Klägers erklärte hingegen gegenüber dem Bundesamt, der Kläger sei erst am 17.08.2008 des äthiopischen Kalenders - und damit mehr als einen Monat nach seiner Freilassung - nach J. gekommen. Für diesen eklatanten zeitlichen Widerspruch lieferte der Kläger wiederrum keine plausible Erklärung. Der Kläger berief sich lediglich auf mögliche Fehler bei der Umrechnung der Kalenderdaten. Diese Argumentation läuft schon deswegen ins Leere, da sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau beim Bundesamt Angaben nach dem äthiopischen Kalender gemacht haben und eine Umrechnung erst durch das Bundesamt erfolgt ist. Die Unglaubwürdigkeit der klägerischen Ausführungen zu seinem Aufenthalt nach der Freilassung setzen sich sodann noch fort, indem der Kläger dem Gericht erklärte, er sei dann noch einen Monat zusammen mit seiner Familie bei der Tante der Ehefrau in J. gewesen, bevor sie gemeinsam Äthiopien verlassen hätten. Die Ehefrau des Klägers gab hingegen gegenüber dem Bundesamt an, die Familie sei noch in der gleichen Nacht, als der Kläger zu ihnen nach J. gekommen sei, aus J. aufgebrochen. Konfrontiert mit diesem Widerspruch suchte der Kläger wiederrum vage und unplausible Ausflüchte. Insbesondere will er mehrmals kurz aus J. weggewesen sein. J. will er mit seiner Familie aber erst einen Monat nach seiner dortigen Ankunft verlassen haben. Auch die Vermutung, seine Frau habe wohl gemeint, dass sie erst nach einem Monat in J. Äthiopien verlassen hätten, hält das Gericht für abwegig, da die Ehefrau eindeutig davon berichtet hat, dass noch in der Nacht der Ankunft des Klägers die Familie J. verlassen hat.

b) Lediglich ergänzend ist noch auszuführen, dass die entschädigungslose Enteignung des Hauses des Klägers - selbst wenn dieser Vortrag der Wahrheit entsprechen sollte - nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt.

Die staatliche Enteignung des klägerischen Grundeigentums zur Gewinnung von Bodenschätzen stellt nach Auffassung des Gerichts keine konkret individuelle Verfolgungshandlung mit flüchtlingsrechtlicher Relevanz i.S.d. § 3 AsylG dar. Die Enteignung ist - selbst wenn diese entschädigungslos ist - keine Handlung, die aufgrund ihrer Art so gravierend ist, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellt. Auch andere Rechtsordnungen sehen das Institut der Enteignung vor. Allein die Tatsache, dass die „Verfahrensvorschriften“ nicht eingehalten worden sind bzw. dass der Kläger für den Landentzug die versprochene Entschädigung nicht erhalten hat, erfüllt mangels Intensität schon nicht die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG in Anknüpfungen an einen Verfolgungsgrund des § 3b AsylG. Vielmehr handelt es sich - soweit dem Kläger hierfür eine Entschädigung zugestanden hätte - lediglich um staatliches Unrecht außerhalb der flüchtlingsrechtlichen Relevanz. Dies gilt vorliegend umso mehr, da es dem Kläger offensichtlich möglich war - nach der Enteignung des ersten Grundstückes - sich in Matoso eine neue Existenz aufzubauen. Die entschädigungslose Enteignung des ersten Grundstücks stellt damit keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. des § 3 Abs. 1 AsylG dar (vgl. Unabhängiger Bundesasylsenat der Republik Österreich [UBAS], Entscheidung vom 22.07.1998 - 203.929/0-VIII/22/98; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 - B 7 K 17.32889 - juris). Hinsichtlich des Hauses in …, in dem der Kläger zuletzt mit seiner Familie gelebt hat, konnte der Kläger hingegen in der mündlichen Verhandlung keine weiteren Angaben machen. Der Kläger berief sich nur auf Besprechungen zur Erweiterung des Abbaugebietes. Zum Zeitpunkt der Flucht hat der Abbau in diesem Bereich aber noch gar nicht begonnen. Der Kläger wusste nicht einmal, ob das zweite Wohngrundstück inzwischen zum Abbaugebiet gehört bzw. ob den Eigentümern für eventuelle weitere Enteignungen nicht eine Entschädigung zugestanden wird/wurde, da der Kläger inzwischen Äthiopien verlassen und keine weiteren Informationen hinsichtlich der Situation vor Ort hat.

c) Im Übrigen - und ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt - würde die die klägerische Fluchtgeschichte jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen einer Verfolgung aus politischen Gründen führen. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG, wonach bei einem wegen politischer Oppositionstätigkeit vorverfolgten Asylbewerber die Verfolgungsfurcht weiterhin begründet ist bzw. er tatsächlich Gefahr läuft, bei einer Rückkehr ernsthaften Schaden zu erleiden, ist aufgrund der gegenwärtigen Auskunftslage und der aktuellen politischen Veränderungen, insbesondere im Juli, August und September 2018, gegenwärtig als widerlegt anzusehen (VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 - B 7 K 17.33349 - juris). Als Folge des im Frühjahr 2018 eingeleiteten Umbruchs hat sich die Situation für Oppositionelle in Äthiopien grundlegend geändert. Unter dem neuen Premierminister Abiy Ahmed wurde insbesondere die Einstufung der OLF, ONLF und Ginbot 7 als terroristische Organisationen am 5.7.2018 durch das Parlament aufgehoben (vgl. https://www.aljazeera.com/news/2018/06/ethiopia-olf-onlf-ginbot-7-terror-list1806301105016 97.html). Das Kabinett wurde umgebildet. Die Hälfte der Ministerposten ist zwischenzeitlich mit Frauen besetzt (http://www.africanews.com/2018/10/16/female-appointees-form-half-of-ethiopia-s-new-cabinet-reports/). Es ist gegenwärtig nicht ersichtlich, dass diese Neuerungen alsbald - durch „alte Strukturen im Hintergrund“ - wieder rückgängig gemacht werden (können).

Mit Gesetz vom 20.7.2018 wurde zudem allen Äthiopiern, die wegen Verrats, Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder bewaffneten Widerstands verurteilt wurden oder Objekt von Ermittlungen sind, Straffreiheit zugesichert. Durch die Amnestie für alle politische Vergehen soll den Oppositionellen ermöglicht werden, eine friedliche politische Karriere in Äthiopien zu verfolgen (vgl. https://www.aljazeera.com/news/2018/07/ethiopian-grants-amnesty-political-prisoners-180720191811460.html). Daneben hat die äthiopische Regierung am 7.8.2018 in Asmara ein „Friedensabkommen“ mit der OLF geschlossen. Die OLF will ihre politischen Ziele danach künftig mit friedlichen Mitteln durchsetzen (https://www.aljazeera.com/ news/africa/2018/08/ethiopia-signs-deal-oromo-rebels-hostilities-180807184317117.html; http://www.africanews.com/2018/08/07/ethiopia-govt-agrees-peace-deal-with-ex-terror-group-based-in-eritrea). Am 15.09.2018 wurde die OLF offiziell in Äthiopien willkommen geheißen (http://www.africanews.com/2018/09/16/like-pg7-ethiopia-govt-welcomes-oromo-liberation-front-back-home/).

Auch die Ginbot 7 ist zwischenzeitlich von ihrem Stützpunkt im benachbarten Eritrea nach Äthiopien zurückgekehrt, weil deren Kämpfern und Unterstützern in Äthiopien keine Verfolgung mehr droht (http://www.africanews.com/2018/09/03/ethiopia-s-ex-rebel-group-ginbot-7-returns-from-eritrea-base/). Die Zahl der Oppositionellen, die nach Äthiopien zurückkehren, steigt stetig und rasant (http:// www. africanews.com/ 2018/09/03/photos-exiled-oromia-regional-president-returns-to-fanfare/).

Daher besteht für den Kläger, der die OLF nur (finanziell) unterstützt hat, keinerlei beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus politischen Gründen (mehr). Das Gericht verkennt nicht, dass die Arbeit des neuen Premierministers mit Rückschlägen und Gegenwind verbunden ist. Die weiterhin vereinzelten Anschläge und Gewaltakte in Äthiopien vermögen an der Einschätzung des Gerichts zur politischen Verfolgung nichts zu ändern. Die Gewaltakte finden zum einen im Wesentlichen in der „Somali-Region“ statt. Zum anderen wird vorwiegend von andauernden bzw. schwelenden ethnischen Konflikten zwischen den Bevölkerungsgruppen berichtet (http://www.africanews.com/2018/09/16/brutal-ethnic-attacks-on-outskirts-of-ethiopia-capital-addis-ababa/), aber nicht von konkret-individuellen Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3a AsylG wegen politischer Aktivitäten Einzelner (https://www.dw.com/de/%C3%A4thiopien-ethnische-konflikte-schwelen-weiter/a-45011266 und https://www.sueddeutsche.de/politik/aethiopien-abiy-ahmed-superstar-1.4187205).

Aufgrund der jüngsten Gesetze, Maßnahmen und Vereinbarungen, verbunden mit der Rückkehr namhafter Exilpolitiker, kann daher nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass oppositionelle Tätigkeiten in Äthiopien zu flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen führen (VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 - B 7 K 17.33349 - juris; vgl. auch VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 - RO 2 E 18.31617 - juris... VG Regensburg, B.v. 31.7.2018 - RO 2 K 17.33894 - juris). Es liegen insbesondere auch keinerlei Anhaltspunkte davor vor, dass die vom Parlament beschlossenen Veränderungen zugunsten der politischen Opposition in der (Vollzugs-) Praxis ignoriert würden. ... Dies gesteht der Kläger sogar letztlich in der mündlichen Verhandlung selbst ein, indem er dem Gericht erklärte, er habe bei einer Rückkehr nach Äthiopien keine Angst mehr vor der Regierung. Es habe in Äthiopien Veränderungen gegeben. Sogar die Oppositionellen seien inzwischen zurückgekehrt. Nach Äthiopien könne er jedoch nicht zurückkehren, weil er dort keine Bleibe und keinen Kontakt zu Verwandten mehr habe. Diese Ausführungen rechtfertigen aber im Ansatz schon, keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung in Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund, sondern werden allenfalls im Rahmen des Bestehens von Abschiebungsverboten relevant.

d) Entgegen der Behauptung des Klägerbevollmächtigten unterliegen Volkszugehörige der Oromo - auch nach der gegenwärtigen Auskunftslage - im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keiner sogenannten Gruppenverfolgung.

Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (sog. Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Volkszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3b AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. zum Ganzen: BVerwG. U.v. 5.7.1994 - 9 C 158.94 - juris; VGH Mannheim, U.v. 5.10.2016 - A 10 S 332/12 - juris; VG Bayreuth, U.v. 7.3.2017 - B 3 K 16.31008 - juris). Zudem gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass diese mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur dann vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (VGH Mannheim, U.v. 5.10.2016 - A 10 S 332/12 - juris, VG Bayreuth, U.v. 7.3.2017 - B 3 K 16.31008 - juris; VG Augsburg, U.v. 7.11.2016 - Au 5 K 16.31853 - juris).

Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3c Nr. 1 und 2 AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. (vgl. zu alledem BVerwG, U.v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 - juris; VGH Mannheim, U.v. 5.10.2016 - A 10 S 332/12 - juris).

Dies zugrunde gelegt, droht dem Klägerin wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Oromo nicht die Gefahr einer landesweiten Gruppenverfolgung. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass Volkszugehörige der Oromo verstärkt Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien ausgesetzt sind bzw. waren. Die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische landesweite Verfolgungsdichte von oromischen Volkszugehörigen war schon bislang (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 - RO 2 K 16.32411 - juris; vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 06.03.2017 - Gz. 508-516.80/3 - ETH) und ist erst Recht nach den aktuellen politischen Veränderungen zugunsten des Oromo-Volkes gegenwärtig nicht zu erkennen.

e) Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter dem Aspekt des „Familienasyls“ zu. Er kann einen Schutzanspruch weder von seiner Ehefrau noch von seinen Kindern ableiten.

aa) Der Ehefrau des Klägers wurde - nach Auffassung des Gerichts mehr als fragwürdig - mit Bescheid vom 10.11.2017 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 26 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 AsylG setzt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Rahmen des „Familienasyls“ u. a. voraus, dass die Ehe- oder Lebenspartnerschaft mit dem international Schutzberechtigten schon im Herkunftsland bestanden hat (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zwar geben der Kläger und seine Ehefrau übereinstimmend an, bereits am 01.06.2014 - und damit vor der Ausreise aus Äthiopien - in Äthiopien nach religiösem Ritus geheiratet zu haben. Eine Ehe im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist jedoch nur eine bereits im Verfolgerstaat eingegangene und von diesem als Ehe anerkannte und registrierte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau. Eine nur nach religiösem Ritus mit Eheschließungswillen eingegangene Verbindung, die im Heimatstaat nicht anerkannt worden ist, ist dagegen keine Ehe in diesem Sinne. So liegen die Dinge auch bei der vorliegenden Eheschließung zwischen dem Kläger und seiner Frau. Die ausschließlich nach islamischen Ritus geschlossene Ehe führt - ungeachtet ihrer langen Tradition, ihrer Verbreitung, ihrer staatlichen Tolerierung und ihres Ansehens - mit Blick auf die fehlende Rechtsgültigkeit einer solchen Eheschließung nicht zur Anwendbarkeit der Vorschriften über das Familienasyl (BVerwG, U. v. 22.02.2005 - 1 C 17/03 - juris; VG München, B. v. 21.08.2018 - M 9 E 18.52559 - juris; Marx, AsylG, 9. Auflage 2018, § 26 Rz. 27). Im Übrigen - und ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt - ist nicht einmal glaubhaft gemacht, dass der Kläger in Äthiopien eine traditionelle Ehe geschlossen hat. Die Belege für eine Eheschließung in Äthiopien sind angeblich auf der Flucht in Libyen verloren gegangen.

bb) Der Kläger kann einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch nicht von seinen Kindern, die in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt sind, ableiten. Voraussetzung für einen Schutzanspruch aufgrund „Elternasyls“ ist gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 AsylG eine originäre Statusberechtigung bei den Kindern. Ausweislich der Bundesamtsakten der Kinder (vgl. insbesondere die jeweiligen Bescheide vom 13.11.2017) verfügen diese jedoch über keinen originären Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG, sondern - eindeutig und unmissverständlich - nur über einen von ihrer Mutter abgeleiteten Schutzstatus. Von einem Kind, dass die Flüchtlingseigenschaft lediglich von seiner Mutter ableitet, kann der mit der Mutter nicht im staatlichen Sinne verheiratete Vater jedoch keinen Flüchtlingsschutz ableiten, da es ansonsten zu einer unüberschaubaren Folge von Kettenableitungen kommen würde (BVerwG U. v. 07.03.1995 - 9 C 389/94 - juris; BVerwG, U. v. 16.08.1993 - 9 C 7/93 - juris; vgl. Marx a. a. O., § 26 Rz. 34).

f) Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass dem Kläger unter keinem Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zusteht.

2. Der Kläger hat auch keinen (originären oder abgeleiteten) Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG, da insbesondere nicht einmal die weitergefassten Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG (i.V.m. § 26 AsylG) vorliegen.

3. Dem Kläger steht kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen.

a) Es gibt - insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz - keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.

b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen, hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 - C-465.7 - juris).

Ein innerstaatlicher Konflikt im obigen Sinne ist im Herkunftsland - und insbesondere in Herkunftsregion - des Klägers nicht ersichtlich (vgl. nur VG Ansbach, U.v. 19.9.2017 - AN 3 K 16.30505 - juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 - AN 3 K 16.31836 - juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 - B 7 K 17.32889 - juris; VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 - B 7 K 17.33349 - juris).

4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).

a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Äthiopien führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Der Kläger ist jung, gesund und erwerbsfähig. Er hat in Äthiopien die Schule bis zur 5. Klasse besucht. Er hat zwar keinen Beruf erlernt; ihm war es aber ohne weiteres möglich, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie durch den Betrieb eines Gemischtwarenladens zu bestreiten. ... Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien an diese Verhältnisse nicht anknüpfen könnte. Selbst wenn der Kläger einer derartigen Tätigkeit nicht mehr nachgehen kann, ist es ihm zur Sicherung seines Existenzminimums zumutbar, sämtliche Tätigkeiten - auch schlichte Hilfstätigkeiten - auszuüben. Weiterhin kann der Kläger nach Auffassung des Gerichts im Bedarfsfall auf Unterstützung im Rahmen des Familienverbundes zählen. Der Kläger gab gegenüber dem Bundesamt an, noch über einen Vater und eine Mutter sowie einen Bruder, eine Schwester und eine Großfamilie in Äthiopien zu verfügen. Zudem verfügt der Kläger über einen Bruder in Jemen. Auch in der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger, dass er noch Verwandte in Äthiopien habe. Der (ergänzenden) Unterstützung durch Verwandte steht auch nicht entgegen, dass der Kläger seit Verlassen des Landes keinen Kontakt mehr zu seinen Verwandten in Äthiopien gehabt hat. Solche Kontakte lassen sich ohne weiteres wiederherstellen. Im Übrigen ist das Gericht der Auffassung, dass der Kläger als junger erwerbsfähiger Mann auch ohne familiäre Unterstützung sich existenzsichernd in Äthiopien niederlassen kann.

b) Dem Kläger droht bei einer Abschiebung nach Äthiopien auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz führen würde. Derartige Umstände sind weder vorgetragen noch anderweitig für das Gericht ersichtlich.

c) Lediglich ergänzend sei in diesem Zusammenhang noch angemerkt, dass innerstaatliche Vollstreckungshindernisse, insbesondere aus Art. 6 GG, kein Gegenstand dieses Verfahrens sind.

5. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen. Ihm steht auch kein subsidiärer Schutz oder ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt zudem keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

6. Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, liegen nicht vor.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger mit amharischer volks- und christlicher Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 15.10.2016 mit dem Flugzeug aus Addis Abeba kommend über den Flughafen F. ... in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 27.10.2016 einen Asylantrag.

Bei der persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 10.11.2016 gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe die Schule bis zur 12. Klasse besucht und danach abgeschlossen. Einen Beruf habe er nicht gelernt. Seit dem Jahr 2004 des äthiopischen Kalenders sei er beim äthiopischen Militär gewesen. Im letzten Monat vor seiner Ausreise habe er in Addis Abeba, Stadtteil Bole, bei seinem Onkel gelebt.

Befragt zu den Fluchtgründen führte der Kläger aus, er sei als Militärangehöriger im Rang eines einfachen Soldaten, der keine Waffen getragen habe, für die Überwachung von Gebäuden großer Firmen verantwortlich gewesen. Daneben habe er auch zweimal als Soldat zu Demonstrationen gegen die Regierung gehen müssen. Bei diesen Einsätzen sei er gezwungen worden, mit einem Schlagstock auf die Demonstranten einzuschlagen. Diese Brutalität habe er nicht ertragen können. Daher habe er eine schriftliche Kündigung eingereicht und das Militär verlassen. Da er die Armee verlassen habe, sei nach ihm gesucht worden.

Einen Monat nach der Kündigung beim Militär habe er als Demonstrant an einer Demonstration im Stadtteil … teilgenommen. Dabei sei er festgenommen worden. Auf dem Weg zum Gefängnis habe er aber mit Hilfe zweier Kollegen entkommen können. Den letzten Monat vor seiner Ausreise habe er dann bei seinem Onkel verbracht. Von seinem Vermieter habe er erfahren, dass in dieser Zeit seine eigene Wohnung durchsucht worden sei. In der Wohnung seines Onkels habe man hingegen nicht nach ihm gesucht.

Äthiopien habe er am 14.10.2016 mittels Direktflug nach Deutschland verlassen. Die Ausreise habe sein Onkel organisiert, insbesondere den dafür notwendigen Reisepass beschafft. Das Flugticket habe ihm ein Geschäftsmann in Deutschland, der mit seinem Onkel in Kontakt stehe, abgenommen.

Bei einer Rückkehr befürchte er entweder getötet zu werden oder im Gefängnis zu landen.

Mit Bescheid vom 11.04.2017, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 13.04.2017, lehnte die Beklagte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1) und den Antrag auf Asylanerkennung (Ziff. 2) ab. Der subsidiäre Schutzstatus wurde ebenfalls nicht zuerkannt (Ziff. 3). Die Beklagte stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4). Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Äthiopien angedroht (Ziff. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 6).

Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG. Er habe seine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Die klägerischen Schilderungen zum angeblichen Ablauf der ausreiseursächlichen Ereignisse würden unausräumbaren, erheblichen Zweifeln begegnen. Der Kläger sei außer Stande gewesen, einen detaillierten und ausführlichen Sachvortrag abzuliefern. Es sei vielmehr bei bloßen Behauptungen geblieben, die der Kläger selbst auf gezieltes Nachfragen hin nicht durch weitere fundierte Schilderungen maßgeblicher Einzelheiten habe bekräftigen können. Er sei im Rahmen der Anhörung schnurstracks auf seine Kernaussage, er sei gezwungen worden, Demonstranten zu misshandeln und habe daher das Militär verlassen, hingesteuert. Befragt zum detaillierten Ablauf seiner Kündigung seien die Ausführungen ebenfalls vage und oberflächlich geblieben. Ferner habe er lediglich pauschal angegeben, er sei gezwungen worden auch nach der Kündigung dort weiterzuarbeiten. Welche Zwangsmittel angewendet worden seien, sei offen geblieben. In keiner Weise sei damit ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr getötet oder inhaftiert werde. Die Furcht um Leib und Leben sei damit gänzlich substantiiert geblieben. Ferner habe er angegeben, dass nach dem Verlassen der Armee nach ihm gefahndet worden sei. Er habe sich jedoch einen Monat lang unbehelligt bei seinem Onkel in Bole, einem Stadtteil von Addis Abeba, aufgehalten ohne dass ihm etwas passiert sei. Bei einem echten Verfolgungsinteresse sei zu erwarten, dass das Militär auch bei Verwandten des Klägers gesucht hätte. Darüber hinaus sei der Kläger nicht einmal in der Lage gewesen, die Adresse seines Onkels anzugeben. Ferner sei nahezu ausgeschlossen, dass der Kläger über den Luftweg Äthiopien hat verlassen können, wenn tatsächlich nach ihm gefahndet worden sei.

Die Voraussetzungen der Asylanerkennung gem. Art. 16 a Abs. 1 GG seien ebenfalls nicht gegeben, da nicht einmal der weitergefasste Schutzbereich des § 3 AsylG einschlägig sei.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz habe der Kläger seine Furcht vor Verfolgung nicht begründet, da sein Sachvortrag unglaubhaft sei. Die Gewährung von subsidiärem Schutz im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG sei damit ausgeschlossen. Subsidiärer Schutz gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG sei ebenso abzulehnen, da in Äthiopien derzeit kein derartiger Konflikt herrsche.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG komme nicht in Betracht. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bewertet werden. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Äthiopien würden nicht zu der Annahme führen, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Der Kläger sei jung und erwerbsfähig. Es sei ihm auch vor seiner Ausreise gelungen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Daher sei nicht ersichtlich, warum er bei einer Rückkehr nicht erneut einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne.

Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

Mit Schriftsatz vom 26.04.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragt,

  • 1.Die Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheids vom 11.04.2017, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen.

  • 2.Hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus des § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen.

  • 3.Hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung der Klage wurde zunächst auf das Vorbringen des Klägers im Verwaltungsverfahren verwiesen und dieses zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht.

Mit Schriftsatz vom 09.05.2017 beantragt die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Schriftsatz vom 06.02.2018 legte die Beklagte dem Gericht eine VIS-Auskunft vor und erklärte, der Kläger habe unter dem Namen …, geboren am … in …, bei der spanischen Botschaft in Addis Abeba ein Visum für den Schengen-Raum beantragt. Ausweislich der Visaauskunft sei dem Kläger das beantragte Visum am 18.08.2016 mit einem Gültigkeitszeitraum vom 22.08.2016 bis zum 25.09.2016 erteilt worden. Der Kläger habe demnach über seine Identität getäuscht, unwahre Angeben zu den fluchtauslösenden Ereignissen und zu seiner Ausreise gemacht. Er sei offensichtlich ganz legal im Besitz eines Schengen-Visums gewesen. Zudem sei er im Besitz eines bis zum 25.05.2021 gültigen Reisepasses gewesen.

Mit Schriftsatz vom 28.02.2018 führte der Klägerbevollmächtigte zur Begründung der Klage ergänzend aus, der Kläger sei wiederholt bei Demonstrationen, die sich gegen das Regime gerichtet hätten, eingesetzt worden. Ihm sei aufgegeben worden, Gewalt gegen Demonstranten anzuwenden. Dabei habe er bemerkt, dass er nicht mit dem Schlagstock gegen seine eigenen Landsleute vorgehen könne. Daher sei er vom Dienst desertiert. Im Anschluss daran habe er selbst an eine Demonstration teilgenommen, bevor er sich bei seinem Onkel versteckt habe. Der Kläger sei weiterhin seit dem 01.03.2017 Mitglied der Oppositionspartei EPPFG. Insoweit werde auf die Bescheinigung vom 03.05.2017 verwiesen.

Mit weiterem Schriftsatz vom 06.03.2018 führte der Bevollmächtigte des Klägers aus, der Kläger habe seine oppositionelle Haltung in Deutschland fortgesetzt. Es wurde eine Teilnahmebestätigung der Äthiopischen Patriotischen Volksfront (EPPFG) vom 02.12.2017 vorgelegt, mit der die Teilnahme am dreimonatlichen Treffen der Äthiopischen Patriotischen Volksfront/EPPFG am 02.12.2017 in Nürnberg bescheinigt wird. Ferner wurde eine Bescheinigung der Ethiopian Democratic Forces Movement Support in Germany (EDFMSG) vom 09.04.2017 vorgelegt, wonach der Kläger an einer Diskussionsveranstaltung der Vereinigung am 09.04.2017 in Nürnberg teilgenommen hat. Daneben wurden mehrere Fotos vorgelegt, die den Kläger bei der Teilnahme an der Versammlung am 02.12.2017 zeigen sollen.

Mit Schriftsatz vom 12.03.2017 übersandte die Beklagte dem Gericht eine Kopie des Reisepasses des Klägers, ausgestellt am 26.05.2016 auf dem Namen …, geboren am … in … (Passnummer: …).

Mit Schriftsatz vom 20.07.2018 verwies der Bevollmächtigte des Klägers auf zwei Urteile des Verwaltungsgerichts Ansbach (U.v. 11.10.2017 - AN 9 K 16.31455 und U.v. 10.2.2015 - AN 3 K 14.30467), wonach das Verwaltungsgericht Ansbach die Beklagte verpflichtet habe, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. In den beiden genannten Fällen handle es sich um orthodoxe Christen, die exilpolitisch tätig seien. Beim Kläger verhalte es sich vorliegend genauso. Es wurden drei Bilder, die den Kläger bei einer Demonstration der „Gesellschaft der bedrohten Völker“ am 06.04.2018 in Frankfurt zeigen sollen sowie eine Bescheinigung der „Vereinigung der Amhara in Deutschland“ vom 06.04.2018, wonach der Kläger am 06.04.2018 in Frankfurt an einer Demonstration gegen das äthiopische Regime teilgenommen habe, vorgelegt. Weiterhin wurden zwei Bilder von einem Parteitreffen am 05.05.2018 in Nürnberg sowie ein Lichtbild, auf dem der Kläger als Soldat zu sehen sei, vorgelegt. Darüber hinaus übersandte der Klägerbevollmächtigte eine Bescheinigung der EPPFG vom 10.04.2018, wonach der Kläger am 10.02.2018 in … zum „head of accountant in … and Surrounded“ gewählt worden sei.

Mit Schriftsatz vom 24.08.2018, dem Gericht übergeben in der mündlichen Verhandlung am 30.08.2018, führte der Klägerbevollmächtigte - unter Verweis auf eine Mitgliedsbescheinigung der Andenet vom 26.08.2016 - aus, der Kläger sei bereits seit September 2014 oppositionell aktiv und habe in der Andenet eine Infrastruktur aufgebaut. Er habe damit Äthiopien bereits vorverfolgt verlassen. In Deutschland engagiere sich der Kläger sich in der EPPFG, an deren Treffen er regelmäßig teilnehme und auch monatlich seinen Beitrag entrichte. Er sei Teilnehmer vieler Meetings, zu denen die Partei aufgerufen habe. Mehrheitlich habe man ihn zum Kassenführer der Partei gewählt. Er habe zudem im Restrukturierungsausschuss mitgewirkt und Mitglieder zu politischen Aktivitäten ermutigt. Der HessVGH sei in der Entscheidung 9 UE 1676/06.A dazu gelangt, dass selbst ein einfaches Mitglied einer Oppositionspartei im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung unterliege. Da der Kläger in der Oppositionspartei eine Funktion ausübe und an einer Vielzahl von Treffen teilgenommen habe, sowie Mitglieder zu politischen Aktionen motiviert habe, müsse vorliegend der herabgestufte Prognosemaßstab Anwendung finden.

Dem übergebenen Schriftsatz vom 24.08.2018 lagen neben einer Bescheinigung der Andenet vom 26.08.2016, einem Parteiausweis der Andenet und einem Dankesschreiben der Andenet vom 20.07.2016, die dem Gericht bereits vorliegenden Bescheinigungen der EPPFG über die exilpolitische Tätigkeit des Klägers bei.

Mit Beschluss vom 16.10.2017 verwies das Verwaltungsgericht Ansbach wegen örtlicher Unzuständigkeit die Streitsache an das Verwaltungsgericht Bayreuth.

Mit Beschluss der Kammer vom 21.06.2018 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 30.08.2018 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Ergänzend wird auf die Behörden- und die Gerichtsakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 S. 2 VwGO).

Gründe

I.

Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 30.08.2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II.

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.

Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt Folgendes:

Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 - Au 5 K 16.30604 - juris).

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A - juris).

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt diesbezüglich zunächst vollumfänglich den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Selbst unter Berücksichtigung der Schilderungen des Klägers im Klageverfahren besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

a) Der Kläger hat sein Herkunftsland nicht vorverfolgt verlassen. Dem Kläger ist es auch in der mündlichen Verhandlung nicht gelungen ist, einen schlüssigen, zusammenhängenden und nachvollziehbaren Sachvortrag abzuliefern. Im Gegenteil, der Vortrag blieb vage, detailarm und widersprüchlich, so dass das Gericht dem Vorfluchtgeschehen keinen Glauben schenkt.

aa) Das Gericht teilt uneingeschränkt die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 06.02.2018, wonach der Kläger über seine Identität täuscht. Nach der vorliegenden VIS-Auskunft hat der Kläger unter dem Namen …, geb. am … in …, bei der spanischen Botschaft in Addis Abeba ein Visum für den Schengen-Raum beantragt und am 18.08.2016 mit einem Gültigkeitszeitraum vom 22.08.2016 bis zum 25.09.2016 erhalten. Gegenüber dem Bundesamt und dem Gericht gab und gibt der Kläger jedoch an, … zu heißen und in … geboren zu sein. Die Einlassung des Klägers gegenüber dem Gericht, das Schengen-Visum habe er mit einem gefälschten Reisepass über einen Schleuser erlangt, ist höchst unglaubwürdig. Bereits der Aussage des Klägers, die Unterschrift auf dem Reisepass, welcher auf den Namen … ausgestellt ist und bis zum 25.05.2021 gültig ist, sei nicht seine eigene Unterschrift, ist im Hinblick auf die anderweitig im Asylverfahren geleisteten - täuschend ähnlichen - Unterschriften wenig überzeugend. Völlig unglaubwürdig ist, dass der Kläger aufgrund der genauen Personal- und Passkontrollen auf dem Flughafen Bole in Addis Abeba am 14.10.2016 mit einem gefälschten äthiopischen Pass ausgereist sein will (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 22.03.2018, S. 26; VG Bayreuth, U.v. 15.12.2016 - B 2 K 16.30717). Auch die vorgetragene problemlose Einreise über den Flughafen Frankfurt a.M. mit einem gefälschten äthiopischen Pass kann dem Kläger in Anbetracht der Auskunftslage nicht geglaubt werden. Nach der Auskunft der Bundespolizeidirektion Frankfurt a.M. an das VG Ansbach vom 10.09.2014 in der dortigen Streitsache AN 3 K 14.30428 ist die Behauptung äthiopischer Asylsuchender, problemlos mit gefälschten Reisedokumenten über den Flughafen Frankfurt a.M. in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein, haltlos. Im Rahmen der grenzpolizeilichen Einreisekontrolle werden die vorgelegten Ausweisdokumente eingehend und unter Zuhilfenahme verschiedener technischer Geräte auf Verfälschungsmerkmale hin überprüft. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Kläger behauptet, mit dem gefälschten Reisepass und dem - über den Schleuser erlangten - Schengen-Visum nach Deutschland eingereist zu sein. Ausweislich der VIS-Auskunft war das Schengen-Visum jedoch bereits am 25.09.2016 abgelaufen, sodass es nach Auffassung des Gerichts ausgeschlossen ist, dass der Kläger am 15.10.2016 mit dem gefälschten Reisepass und dem vom 22.08.2016 bis zum 25.09.2016 gültigen Schengen-Visum über den Flughaften Frankfurt a.M. in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (vgl. auch Auskunft der Bundespolizeidirektion Flughaften Frankfurt a.M. vom 18.09.2014 a.a.O. und VG Bayreuth, U.v. 15.12.2016 - B 2 K 16.30717).

bb) Von massiven Widersprüchen sind ferner die klägerischen Einlassungen zu seinem Einsatz als Militärangehöriger bei Demonstrationen geprägt. Bei der Anhörung beim Bundesamt am 10.11.2016 hat der Kläger noch angegeben, er sei als Militärangehöriger zweimal bei Demonstrationen eingesetzt worden. Gleiches lässt sich dem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28.02.2018 entnehmen. Seitens des Militärs habe man ihn gezwungen, mit dem Schlagstock gegen regierungskritische Demonstranten vorzugehen. Deswegen habe er die Armee verlassen und sich später den Demonstranten gegen die Regierung angeschlossen. Dem Gericht erklärt er hingegen in der mündlichen Verhandlung, er sei niemals dienstlich bei einer Demonstration gewesen, sondern immer nur als Demonstrationsteilnehmer. Auf Vorhalt des Gerichts konnte der Kläger dem Gericht für diese massiven Widersprüchlichkeiten keine plausible Erklärung liefern. Der Kläger suchte vielmehr nur Ausflüchte und erklärte letztlich, er sei als Privatperson bei den Demonstrationen gewesen, sein Chef habe ihm aber Hinweise gegeben, dass er als Privatperson gegen die Demonstranten vorgehen solle. Diese Einlassung ist aber in keiner Weise geeignet, die Unstimmigkeiten zum Vortrag beim Bundesamt plausibel aufzuklären. Der Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung hat insoweit eine ganz andere inhaltliche Qualität als die bisherigen Einlassungen.

cc) Grob unstimmig sind auch die klägerischen Einlassungen zu seiner Freilassung. Bei der Anhörung beim Bundesamt gab der Kläger noch an, er sei auf der Demonstration festgenommen und mit zwei Polizisten in einem Bus Richtung Gefängnis gefahren. Auf dem Weg zum Gefängnis habe man ihn in einem Waldstück abgesetzt. Der Bus sei dann mit den anderen festgenommenen Personen zum Gefängnis weitergefahren. Kollegen, die zugleich gute Bekannte gewesen seien, seien anschließend zu ihm in den Wald gekommen und hätten ihm zur Flucht verholfen. Dem Gericht erklärte er hingegen in der mündlichen Verhandlung, er sei nach einer Demonstration am 06.01.2009 des äthiopischen Kalenders von der Tigray-Polizei festgenommen und in ein Gefängnis verbracht worden. Im Gefängnis habe er einen ehemaligen Kollegen getroffen, den er alles erzählt habe. Daraufhin habe der Kollege zu ihm gesagt, er müsse verschwinden. Auf Vorhalt des Gerichts will der Kläger dann dem ominösen Kollegen doch nicht im Gefängnis, sondern an einem Ort vor dem Gefängnis, wo er von der Tigray-Polizei der anderen Polizei übergeben worden sei, getroffen haben. Daneben erklärte der Kläger dem Gericht, die Tigray-Polizei habe ihn den befreundeten Kollegen übergeben, während beim Bundesamt noch die Rede davon war, dass ihn die festnehmenden Polizisten alleine im Wald zurückgelassen hätten, bevor die befreundeten Kollegen gekommen seien um ihm zu helfen. Konfrontiert mit diesen Widersprüchlichkeiten vermochte der Kläger dem Gericht ebenfalls keine plausible Erklärung zu liefern. Er flüchtete sich vielmehr in gerichtsbekannte Ausflüchte und versuchte die Unstimmigkeiten mit Verständigungsproblemen beim Bundesamt zu rechtfertigen. Dies ist schon im Ansatz nicht glaubwürdig, da der Kläger beim Bundesamt bescheinigt hat, dass es keine Verständigungsprobleme gegeben hat und er zudem Gelegenheit hatte, ausführlich seine Fluchtgründe zu berichten. Daneben ist von einem anwaltlich vertretenen Kläger zu erwarten, dass evtl. Lücken oder Unstimmigkeiten in der Niederschrift zeitnah moniert werden und nicht erst fast zwei Jahre später auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung.

dd) Nicht glaubwürdig sind auch die Ausführungen des Klägers beim Bundesamt zur „Fahnenflucht“. Es widerspricht jeglicher Logik, dass ein Soldat, der - weil seine Kündigung nicht akzeptiert worden ist - von der Armee geflüchtet sein will, einen Monat später an einer (verbotenen bzw. regierungskritischen) Demonstration teilnimmt, obwohl er weiß, dass dort Soldaten und andere Sicherheitskräfte zur Niederschlagung eingesetzt werden und damit das Risiko, entdeckt bzw. verhaftet zu werden, extrem hoch ist.

ee) In Anbetracht der massiven Widersprüchlichkeiten schenkt das Gericht dem klägerischen Vortrag in der mündlichen Verhandlung, er sei seit dem Jahr 2014 Mitglied der Andenet und habe bereits in Äthiopien politische Opposition betrieben, keinen Glauben. Das Gericht stuft diesen Sachvortrag als unglaubwürdige Steigerung des Fluchtgeschehens ein, um eine bessere Anerkennungswahrscheinlichkeit zu erlangen. Weder in der mündlichen Verhandlung noch im dort übergebenen Schriftsatz vom 24.08.2018 ist dargetan, warum der Kläger eine politische Betätigung in Äthiopien beim Bundesamt oder im bisherigen Klageverfahren mit keinem Wort erwähnt hat. Dies gilt umso mehr, da der Kläger nach der Bescheinigung der Andenet vom 26.08.2016 für die Partei eine große Infrastruktur aufgebaut haben und er in diesem Zusammenhang vom Regime verfolgt worden sein soll, sodass er das Land habe verlassen müssen. Es ist höchst unglaubwürdig, wenn der Kläger in Äthiopien herausgehoben oppositionell aktiv gewesen sein will und in diesem Zusammenhang die Flucht hat ergreifen müssen, er aber beim Bundesamt über diese Tätigkeiten kein Wort verloren hat. Vielmehr stützte er dort seine Fluchtgeschichte auf eine Festnahme bei einer Demonstration und dem Fernbleiben vom Militär. Dieser Einschätzung des Gerichts stehen auch die vorgelegten Bescheinigungen der Andenet nicht entgegen. Es ist gerichtsbekannt, dass derartige Bescheinigungen in afrikanischen Ländern leicht gegen entsprechende Geldzahlungen erhältlich sind. Am Wahrheitsgehalt der vorgelegten Unterlagen hat das Gericht massive Zweifel.

ff) Im Übrigen macht das Gericht von seinem Ermessen Gebrauch und weist das Vorbringen hinsichtlich einer Tätigkeit des Klägers für die Andenet gem. § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO als präkludiert zurück.

Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG hat der Kläger die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung anzugeben. Nach § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der obigen Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und der Beteiligte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist. Der Kläger wurde sowohl von der Beklagten im Bescheid vom 11.04.2017 als auch vom Gericht in der Klageeingangsmitteilung darauf hingewiesen, dass die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids anzugeben sind. Die politische Tätigkeit des Klägers in Äthiopien wurde aber erstmals in der mündlichen Verhandlung am 30.08.2018, obwohl der Kläger nach eigenen Angaben und ausweislich der Bescheinigungen bereits seit dem Jahr 2014 die Partei tätig sein soll, vorgetragen. Weiterhin wurde der Kläger auch mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung - unter Hinweis auf § 87b Abs. 3 VwGO - aufgefordert, bis zum 23.07.2018 evtl. neue Unterlagen vorzulegen bzw. neue Umstände vorzutragen. Auch innerhalb dieser Frist erfolgte kein entsprechender Vortrag. Es wäre dem anwaltlich vertretenen Kläger daher ohne weiteres zuzumuten gewesen, fristgerecht die Tätigkeit des Klägers für die Andenet in Äthiopien vorzubringen. Entschuldigungsgründe sind weder dargetan noch anderweitig ersichtlich. Die Einlassung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung, er versuche seit dem 24.08.2018 erfolglos den Schriftsatz mit Anlagen an das Gericht zu faxen, ändert hieran nichts. Zum einen lag nach Auskunft der Poststelle des Gerichts im maßgeblichen Zeitraum vor der mündlichen Verhandlung keine „Fax-Störung“ vor. Zum anderen liegt auch der 24.08.2018 weit jenseits der gesetzlichen bzw. behördlichen Präklusionsfrist. Letztlich würde die Berücksichtigung des verspäteten Vortrags nach Überzeugung des Gerichts zur Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits führen, da in diesem Fall das Gericht weitere Ermittlungen zum Wahrheitsgehalt der Bescheinigungen und zum Umfang der politischen Tätigkeit des Klägers in Äthiopien anstellen müsste.

gg) Selbst wenn man die Tätigkeit des Klägers für die Andenet als wahr unterstellen würde, führt dies - im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen einer Verfolgung aus politischen Gründen. Aufgrund der geänderten politischen Lage in Äthiopien ist es nach Auffassung des Gerichts im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht (mehr) beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien erneut einer politischen Verfolgungshandlung mit flüchtlingsrechtlicher Intensität ausgesetzt sein würde. Zwar ist nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung immer noch begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, bei einer Rückkehr ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von einer solchen Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift begründet damit eine Vermutung dafür, dass ein vorverfolgter Kläger erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in sein Heimatland bedroht wird.

Soweit äthiopische Kläger (glaubhaft) aus politischen Gründen vorverfolgt ihr Heimatland verlassen haben, ist aufgrund der gegenwärtigen Auskunftslage und den aktuellen politischen Ereignissen, insbesondere im Juli und August 2018, im gegenwärtigen Zeitpunkt die Vermutung nach der Richtlinie als widerlegt anzusehen sein. Als Folge des im Frühjahr 2018 eingeleiteten Umbruchs hat sich die Situation für Oppositionelle in Äthiopien grundlegend geändert. Unter dem neuen Premierminister Abiy Ahmed wurde insbesondere die Einstufung der OLF, ONLF und Ginbot 7 als terroristische Organisationen am 5.7.2018 durch das Parlament aufgehoben (vgl. https://www. aljazeera.com/news/2018/06/ethiopia-olf-onlf-ginbot-7-terror-list-180630110501697.html). Mit Gesetz vom 20.7.2018 wurde zudem allen Äthiopiern, die wegen Verrats, Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder bewaffneten Widerstands verurteilt wurden oder Objekt von Ermittlungen sind, Straffreiheit zugesichert. Durch die Amnestie für alle politische Vergehen soll den Oppositionellen ermöglicht werden, eine friedliche politische Karriere in Äthiopien zu verfolgen (vgl. https://www.aljazeera.com/news/2018/07/ethiopian-grants-amnesty-political-prisoners-180720191811460.html). Daneben hat die äthiopische Regierung am 7.8.2018 in Asmara ein „Friedensabkommen“ mit der OLF geschlossen. Die OLF will ihre politischen Ziele danach künftig mit friedlichen Mitteln durchsetzen (https://www.aljazeera.com/news/africa/2018/08/ethiopia-signs-deal-oromo-rebels-hostilities-180807184317117.html; http://www.africanews.com/2018/08/07/ethiopia-govt-agrees-peace-deal-with-ex-terror-group-based-in-eritrea). Auch die Ginbot 7 ist zwischenzeitlich von ihrem Stützpunkt im benachbarten Eritrea nach Äthiopien zurückgekehrt, weil deren Kämpfern und Unterstützern in Äthiopien keine Verfolgung mehr droht (http://www.africanews.com/ 2018/09/03/ethiopia-s-ex-rebel-group-ginbot-7-returns-from-eritrea-base/). Die Zahl der Oppositionellen, die nach Äthiopien zurückkehren, steigt stetig und rasant (http://www.africanews.com/2018/09/03/photos-exiled-oromia-regional-president-returns-to-fanfare/). Daher besteht für den Kläger, der ausweislich der vorgelegten Unterlagen „nur“ für die UDJ (Unity for Democracy and Justice Party - Partei für Demokratie und Gerechtigkeit - Andenet), einer legal Oppositionspartei, tätig war, erst recht keinerlei beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus politischen Gründen (mehr).

Das Gericht verkennt nicht, dass die Arbeit des neuen Premierministers mit Rückschlägen und Gegenwind verbunden ist. Die weiterhin vereinzelten Anschläge und Gewaltakte in Äthiopien vermögen an der Einschätzung des Gerichts zur politischen Verfolgung nichts zu ändern. Die Gewaltakte finden zum einen im Wesentlichen in der „Somali-Region“ statt. Zum anderen wird vorwiegend von andauernden bzw. schwelenden ethnischen Konflikten zwischen den Bevölkerungsgruppen berichtet, aber nicht von konkret-individuellen Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3a AsylG wegen politischer Aktivitäten Einzelner (https://www.dw.com/de/%C3%A4thiopien-ethnische-konflikte-schwelen-weiter/a-45011266). Aufgrund der jüngsten Gesetze und Vereinbarungen, verbunden mit der Rückkehr namhafter Exilpolitiker, kann daher nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass oppositionelle Tätigkeiten in Äthiopien zu flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen führen (vgl. auch VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 - RO 2 E 18.31617 - juris**VG Regensburg, B.v. 31.7.2018 - RO 2 K 17.33894 - juris). Es liegen insbesondere auch keinerlei Anhaltspunkte davor vor, dass die vom Parlament beschlossenen Veränderungen zugunsten der politischen Opposition in der (Vollzugs-) Praxis ignoriert würden.

b) Auf den Nachfluchtgrund der exilpolitischen Betätigung für die EPPFG kann sich der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Zwar ermöglicht § 28 Abs. 1a AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG auf Ereignisse beruht, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat. Nach Überzeugung des Gerichts ist es aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien eine Verfolgung wegen exilpolitischer Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland drohen würde.

In der äthiopischen exilpolitischen Szene gibt es zahlreiche Gruppierungen. Den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen ist zweifelsohne zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Exilorganisationen in der Vergangenheit genau beobachtet hat bzw. durch die Auslandsvertretungen hat beobachten lassen. Ob diese Beobachtungen auch unter dem Regime des seit Anfang April 2018 amtierenden Premierminister Abiy Ahmed fortgeführt werden, ist gegenwärtig nicht ersichtlich. Als Folge des im Frühjahr 2018 eingeleiteten Umbruchs wurde jedoch am 5.7.2018 die Einstufung der OLF, ONLF und Ginbot 7 als terroristische Organisationen durch das Parlament aufgehoben (vgl. https://www.aljazeera.com/news/2018/06/ethiopia-olf-onlf-ginbot-7-terror-list-180630110501697.html). Zwischenzeitlich hat sich die äthiopische Regierung mit der OLF zudem offiziell versöhnt und diese als politische Kraft anerkannt (vgl. https://www.aljazeera.com/news/africa/2018/08/ethiopia-signs-deal-oromo-rebels-hostilities-180807184317117.html). Mit Gesetz vom 20.7.2018 wurde allen Äthiopiern, die wegen Verrats, Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder bewaffneten Widerstands verurteilt wurden oder Objekt von Ermittlungen sind, Straffreiheit zugesichert. Durch die Amnestie für alle politische Vergehen soll auch den Oppositionellen im Exil ermöglicht werden, nach Hause zurückzukehren und eine friedliche politische Karriere in Äthiopien zu verfolgen (vgl. https://www.aljazeera.com/news/2018/07/ethiopian-grants-amnesty-political-prisoners-180720191811460.html). Auch die Ginbot 7 ist zwischenzeitlich von ihrem Stützpunkt im benachbarten Eritrea nach Äthiopien zurückgekehrt, weil deren Kämpfern und Unterstützern in Äthiopien keine Verfolgung mehr droht (http://www.africanews.com/ 2018/09/03/ethiopia-s-ex-rebel-group-ginbot-7-returns-from-eritrea-base/). Die Zahl der Exilpolitiker, die nach Äthiopien zurückkehren, steigt stetig und rasant (http://www.africanews.com/2018/09/03/photos-exiled-oromia-regional-president-returns-to-fanfare/).

Das erkennende Gericht ist bereits vor dem politischen Umbruch in Äthiopien im Frühjahr/Sommer 2018 davon ausgegangen, dass nicht jede, wie auch immer geartete, Form der Betätigung für eine der zahlreichen exilpolitischen Gruppen in der äthiopischen exilpolitischen Szene im Ausland bei einer Rückkehr nach Äthiopien zu einer beachtlichen Verfolgungsgefahr führt. Vielmehr kommt es für die Feststellung des relevanten Gefährdungsgrades grundsätzlich darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen etwa als terroristisch eingestuft wird und in welcher Art und in welchem Umfang der oder die Betreffende sich im Einzelfall exilpolitisch tatsächlich und wahrnehmbar betätigt hat (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 - RO 2 K 16.32411 - juris; VG Regensburg U.v. 8.3.2018 - RO 2 K 16.30643 - juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 - AN 3 K 16.31836 - juris; VG Bayreuth, U.v.20.11.2017 - B 2 K 16.31139 - juris; vgl. auch VG Kassel, U.v. 22.2.2018 - 1 K 302/17.KS.A - juris; VG Kassel, U.v. 5.9.2017- 1 K 2320/17.KS.A - juris; a.A. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017 - W 3 K 17.31180 - juris). Bloßen „Mitläufern“ droht bei einer Rückkehr grds. keine beachtliche Verfolgungsgefahr. Der aktuellen Auskunftslage - unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Stellungnahmen aufgrund des Beweisbeschlusses des BayVGH vom 26.3.2018 (Az. 8 B 17.31645 u.a.) - ist nichts anderes zu entnehmen.

Dem Auswärtigen Amt (AA) lagen schon nach dem Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien vom 22.3.2018 keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Maßgeblich sei vielmehr der konkrete Einzelfall, also beispielsweise, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen werde oder um welche politische Tätigkeit es sich handle (z.B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung sei auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätige. Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibe - soweit bekannt - ohne Konsequenzen (AA, Lagebericht Äthiopien vom 22.3.2018, S. 18; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 - 6 K 4787/15.GI.A - juris; VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 - RO 2 K 16.32411 - juris; VG Regensburg U.v. 8.3.2018 - RO 2 K 16.30643 - juris). Der Lagebericht vom 22.3.2018 geht insbesondere auch auf die innenpolitischen Entwicklungen im Frühjahr 2018 und auf den am 16.2.2018 ausgerufen (neuerlichen) Ausnahmezustand ein (AA, Lagebericht Äthiopien vom 22.3.2018, S. 6). Unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen hält das Auswärtige Amt hinsichtlich der Gefährdungseinschätzung bei Rückkehr von im Ausland exilpolitisch tätigen Äthiopiern an den Ausführungen im Lagebericht vom 6.3.2017 fest (vgl. AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, S. 16; AA, Lagebericht Äthiopien vom 22.3.2018, S. 18).

Aufgrund des Beweisbeschlusses des BayVGH vom 26.3.2018 (Az. 8 B 17.31645 u.a.) teilte das Auswärtige Amt mit Stellungnahme vom 14.6.2018 mit, es sei zwar davon auszugehen, dass äthiopische Stellen exilpolitische Organisationen in Deutschland beobachten und die Mitgliedschaft bzw. die Unterstützungshandlungen für eine solche Organisation bekannt werde. Allerdings müsse auch davon ausgegangen werden, dass das Interesse an der Beobachtung von Personen/Aktionen und die Weitergabe der Informationen vom Grad der Involvierung bzw. der konkreten Aktivität der betreffenden Person abhänge. Zudem geht auch das AA von einem Wandel der innenpolitischen Lage seit dem Amtsantritt des neuen Premierministers aus. Der im Februar 2018 für sechs Monate verhängte Ausnahmezustand sei Anfang Juni 2018 vorzeitig beendet worden. Seit Januar 2018 sei eine größere Anzahl vom politisch Gefangenen, darunter auch Mitglieder der bislang als terroristisch eingestuften Ginbot 7, entlassen worden. Ob eine Unterstützung einer Exilorganisation oder eine einfache Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen, von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuften oder einer ihr nahestehenden Organisation (ohne in dieser Organisation eine herausgehobene Stellung innezuhaben) bei einer Rückkehr negative Auswirkung nach sich zieht, kann vor dem innenpolitischen Hintergrund vom AA nicht beurteilt werden. Sollte es Auswirkungen geben, sei jedoch davon auszugehen, dass die Art der Auswirkung vom Grad der Involvierung bzw. der konkreten Aktivitäten der betreffenden Person abhänge. Es sind lt. AA auch keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen der exilpolitischen Tätigkeit durch äthiopische Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden.

Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr wegen der einfachen Mitgliedschaft und/oder einem durchschnittlichen Engagement in einer exilpolitischen Organisation, kann der neusten Auskunft des Auswärtigen Amtes damit schon im Ansatz nicht entnommen werden.

Die Auskunft des Leibniz-Instituts (GIGA an VG Gießen vom 30.1.2017 in der Sache 6 K 4787/15.GI.A) - zum Fall einer exilpolitischen Tätigkeit für die EPPFG - stellt ebenfalls nur fest, dass eine Verhaftung für den Fall der Rückkehr nicht ausgeschlossen werden könne. Diese Feststellung erreicht aber schon nicht den Maßstab der notwenigen beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit (VG Regensburg, U.v. 8.3.2018 - RO 2 K 16.30643 - juris).

Nichts anderes folgt aus der Auskunft des Leibniz-Instituts vom 19.5.2018 (GIGA an den BayVGH in der Sache 8 B 17.31645 u.a.). In der aktuellen Auskunft wird lediglich ausgeführt, dass die äthiopische Regierung über ihre Auslandsvertretungen und einem Netz von Informanten die Aktivitäten der exilpolitischen Organisationen verfolge sowie dass davon auszugehen sei, dass sowohl die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung als auch Unterstützungshandlungen einzelner Personen der äthiopischen Regierung bekannt werden würden. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person als einer Exilorganisation zugehörig eingestuft wird, dürfte lt. der Stellungnahme vom 19.5.2018 mit der Häufigkeit der entsprechenden Aktivitäten wachsen. Auch das Leibnitz-Institut konnte keine Angaben zu Vernehmungen, Inhaftierungen und Misshandlungen zurückgekehrter Äthiopier, die keine herausgehobene Funktion in der Exilpolitik hatten, machen. Die Stellungnahme verweist auf Seite 8/9 nur auf zwei prominente und hochrangige Exilpolitiker, die nach Auffassung des Gerichts kein Beispiel und Maßstab für die Behandlung der breiten Masse von exilpolitisch tätigen Äthiopiern sind. Im Übrigen wird lediglich davon ausgegangen, dass es vor dem volatilen Hintergrund der politischen Veränderungen „keinesfalls auszuschließen ist“, dass einfachen Mitgliedern oder Unterstützern von politischen Exilorganisationen, die von der Regierung als Terrororganisation eingestuft werden, die Verfolgung und Verhaftung drohe (S. 2 und 3 der Stellungnahme).

AMNESTY INTERNATIONAL (AI) führte mit Stellungnahme vom 11.7.2018 an den BayVGH (Az. 8 B 17.31645 u.a.) aus, dass sich die politische Lage in Äthiopien seit Anfang 2018 deutlich verändert hat. Trotz begrüßenswerter Veränderungen in Äthiopien bleibe abzuwarten, wie sich die menschenrechtliche Situation vor Ort entwickeln werde. Vor dem Hintergrund der neuen und sich ständig ändernden Situation sei es AI nach eigenen Angaben nicht möglich, eine Aussage über die aktuelle Situation bzw. über zukünftige Entwicklungen zu treffen. Daher legte AI dem Gutachten die politische Situation in Äthiopien der letzten Jahrzehnte bis Anfang 2018 zugrunde. Die Ausführungen von AI zur politischen Situation in Äthiopien und zur Behandlung von exilpolitisch tätigen Personen bis Anfang 2018 sind jedoch nicht geeignet, eine verlässliche Auskunft über die gegenwärtige Situation, die nach § 77 Abs. 1 AsylG im Asylverfahren maßgeblich ist, zu liefern. Bemerkenswert ist zudem, dass die Auskunft vom 11.7.2018 nicht einmal den Beschluss des äthiopischen Parlamentes vom 5.7.2018 aufgreift, mit dem die Einstufung der OLF, ONLF und Ginbot 7 als terroristische Organisationen aufgehoben wurde. Vielmehr wird - unter Bezugnahme auf veraltete Quellen - weiterhin davon ausgegangen, dass die OLF von der Regierung als terroristische Organisation eingestuft wird (S. 3 und 4 der Stellungnahme).

G. Sch. geht in seiner Stellungnahme vom 15.2.2017 an das VG Gießen in der dortigen Streitsache 6 K 4787/15.GI.A davon aus, dass eine Verfolgungsprognose anhand bestimmter Merkmale nicht abgegeben werden könne, weil das Handeln der äthiopischen Sicherheits- und Justizbehörden gegenüber allen wirklichen und putativen Gegnern von einem hohen Maß an Willkürlichkeit geprägt sei. Unter diesem Gesichtspunkt sei generell die Unterscheidung zwischen unbedeutender und exponierter Stellung in einer Oppositionsorganisation als nicht relevant für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr anzusehen. Dies gelte in besonderem Maß seit dem Erlass der Anti-Terrorismusgesetze und gerade auch unter dem Ausnahmezustand. Weiter führt er aus, dass mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ eine längere Inhaftierung - verbunden mit intensiver Befragung - auch unter dem jetzigen Ausnahmezustand als Minimum anzunehmen sei. Es bleibt jedoch offen, wie Sch. trotz der Prognoseunsicherheit zu dieser Annahme kommt. So belegt er diese Annahme nicht mit konkreten Beispielen für ein Einschreiten äthiopischer Stellen gegen Rückkehrer, obwohl er angibt, dass diese häufig verhaftet würden (Rn. 214 der Stellungnahme vom 15.2.2017). Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass kaum Abschiebungen nach Äthiopien stattfinden, was die Grundlage dieser Aussage allerdings fraglich erscheinen lässt. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es seit Mitte 2015 im Zusammenhang mit dem „Masterplan“ der Regierung vor allem in der Provinz Oromia zu Massenprotesten kam und es im Zusammenhang mit diesen Protesten und dem Einschreiten der Sicherheitskräfte zu Todesfällen und Verhaftungen gekommen ist. So sollen nach dem Gutachten von G. Sch. im Rahmen der Unruhen 2016 unter Geltung des Ausnahmezustandes über 11.000 Menschen verhaftet worden sein. Diese Verhaftungen fanden jedoch im Zusammenhang mit - zumindest teilweise - gewaltsamen Protesten in Äthiopien statt. Sie sind kein Beleg dafür, dass auch Rückkehrer alleine wegen ihrer exilpolitischen Betätigung nun einem beachtlichen Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind. Dies belegen auch die Ausführungen in der Stellungnahme Sch.s nicht hinreichend. Dieser führt zwar nachvollziehbar aus, dass im Zusammenhang mit den Unruhen in Äthiopien selbst die äthiopische Diaspora - auch im Hinblick auf eine Strafbarkeit nach dem äthiopischen Anti-Terrorismusgesetz von 2009 - verstärkt überwacht wird (Rn. 134 der Stellungnahme vom 15.2.2017). Ein konkretes Beispiel für eine Verfolgung allein auf Grund einer exilpolitischen Tätigkeit unterbleibt jedoch. Auffällig ist hierbei auch, dass Sch. zum einen zwar deutliche Aussagen trifft (Bestrafung jedes Mitglieds einer exilpolitischen Gruppe, die mit einer als terroristisch eingestuften Gruppe zusammenarbeitet [Rn. 232 der Stellungnahme vom 15.2.2017]; häufige Verhaftungen [Rn. 214 der Stellungnahme vom 15.2.2017]; längere Inhaftierung verbunden mit intensiver Befragung und mit hoher Wahrscheinlichkeit inhumaner Haftbedingungen [Rn. 237 der Stellungnahme vom 15.2.2017]), gleichzeitig aber äußert, dass sich angesichts der Willkürlichkeit die konkreten Verfolgungshandlungen im Einzelnen schwer vorhersagen ließen und er an anderer Stelle (Rn. 226 der Stellungnahme vom 15.2.2017) angibt, dass im heutigen Äthiopien, die eine staatliche Verfolgung auslösenden Momente in der Regel vielschichtig seien und sich nur selten auf ein bestimmtes Merkmal reduzieren ließen (vgl. ausführlich: VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 - RO 2 K 16.32411 - juris; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 - 6 K 4787/15.GI.A - juris).

Auch unter Einbeziehung der Stellungnahme G. Sch.s vom 18.2.2018 in der Streitsache W 3 K 16.30383 an das VG Würzburg ist das Gericht nicht von einer beachtlichen Verfolgungsgefahr für Rückkehrer alleine wegen jeder - wie auch immer gearteter - Form der exilpolitischen Betätigung überzeugt. Zwar kommt G. Sch. zu dem Ergebnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass unter dem wiedereingeführten Ausnahmezustand exilpolitisch tätige Äthiopier bei einer Rückführung einem sehr hohen Risiko ausgesetzt seien, als Unterstützer einer „terroristischen Organisation“ verfolgt und äußerst bestraft zu werden (Rn. 83 der Stellungnahme vom 18.2.2018), während in der Stellungnahme vom 15.2.2017 an das VG Gießen noch ausgeführt wurde, angesichts der Willkürlichkeit im Handeln der Sicherheitsorgane und der mangelnden Rechtsstaatlichkeit in Äthiopien lasse sich im Einzelnen nicht vorhersagen, was Rückkehrer zu befürchten hätten. Eine längere Inhaftierung verbunden mit intensiver Befragung und mit hoher Wahrscheinlichkeit inhumanen Haftbedingungen sei jedoch als Minimum anzunehmen (Rn. 237 der Stellungnahme vom 15.2.2017; dieser Passus befindet sich im Übrigen auch noch unter Rn. 82 der Stellungnahme vom 18.2.2018). Anderseits führt Sch. in Rn. 17 der Stellungnahme vom 18.2.2018 aus, aufgrund es neuerlichen Ausnahmezustandes vom 16.2.2018 scheinen die gleichen Bestimmungen wie beim Ausnahmezustand 2016 zu gelten. Für das Gericht ist daher weder nachvollziehbar noch plausibel dargelegt, warum nunmehr (allein) aufgrund des Ausnahmezustand 2018 exilpolitisch tätige Äthiopier bei einer Rückführung einem sehr hohen Risiko ausgesetzt sein sollen, als Unterstützer einer „terroristischen Organisation“ verfolgt und äußerst bestraft zu werden, wenn keine anderen Bestimmungen wie beim Ausnahmezustand 2016 gelten. Im Übrigen sind die Ausführungen Sch.s durch die aktuellen politischen Entwicklungen in den letzten Wochen und Monaten teilweise überholt. Der im Februar 2018 für sechs Monate anberaumte Ausnahmezustand wurde - wie bereits ausgeführt - am 5.6.2018 wegen der „relativen Stabilität und Ruhe im Land“ vorzeitig wiederaufgehoben. Daneben wurden vom Parlament im Juli 2018 grundlegende Änderungen bei den „Anti-Terrorgesetzen“ sowie eine Amnestie für politische Vergehen/Verbrechen beschlossen.

Bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Auskunftslage nimmt das Gericht daher nicht an, dass äthiopischen Asylbewerbern, die sich zu einer Exilorganisation bekennen, für den Fall der Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG erwartet (vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 15.08.2018 - B 7 K 17.31116 - juris; VG Regensburg, B.v. 31.7.2018 - RO 2 K 17.33894 - juris). Erforderlich für einen beachtlichen Nachfluchtgrund aufgrund exilpolitischer Betätigung ist nämlich eine „beachtliche Wahrscheinlichkeit“ der Verfolgung im Falle einer Rückkehr. Nicht ausreichend ist hingegen, dass eine solche möglich ist oder nicht ausgeschlossen werden kann. Bei einer Rückkehr nach Äthiopien mussten schon bislang allenfalls solche Personen mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen rechnen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland exponiert politisch betätigt haben, dass sie die äthiopischen Behörden als ernsthafte Oppositionsangehörige einstufen haben (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 - RO 2 K 16.32411 - juris; VG Regensburg U.v. 8.3.2018 - RO 2 K 16.30643 - juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 - AN 3 K 16.31836 - juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 - B 7 K 17.32889 - juris; vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 20.11.2017- B 2 K 16.31139 - juris; VG Gießen, U.v. 25.4.2018 - 6 K 116/17.GI.A - juris; VG Kassel, U.v. 5.9.2017 - 1 K 2320/17.KS.A - juris; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 - 6 K 4787/15.Gl.A - juris; vgl. auch BayVGH, B.v. 14.7.2015 - 21 B 15.30119 - juris; BayVGH, U.v. 25.2.2008 - 21 B 07.30363 und 21 B 05.31082 - juris; a.A. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017- W 3 K 17.31180 - juris). Gerade wegen der intensiven Beobachtung exilpolitischer Auslandsaktivitäten durch äthiopische Stellen musste davon ausgegangen werden, dass auch diesen nicht verborgen geblieben sein kann, dass bei einer Vielzahl von äthiopischen Asylbewerbern weniger politische Interessen maßgeblich sind als vielmehr das Bemühen, sich im Asylverfahren eine günstigere Ausgangsposition zu verschaffen. Im Hinblick darauf war es schon bislang nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die äthiopischen Behörden „Mitläufer“ als für das Regime gefährlich erachten und gegen diese im Falle ihrer Rückkehr in einer Art und Weise vorgehen, dass die für eine Schutzgewährung anzulegende Schwelle erreicht wird.

Die aktuellen Entwicklungen in Äthiopien sprechen dafür, dass nunmehr selbst solchen Äthiopiern, die sich in herausgehobener Art und Weise exilpolitisch in Deutschland engagieren, nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr droht, sondern dass dies allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen (noch) beachtlich wahrscheinlich erscheint (VG Bayreuth, U.v. 15.08.2018 - B 7 K 17.31116 - juris; vgl. VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 - RO 2 E 18.31617 - juris, VG Regensburg, B.v. 31.7.2018 - RO 2 K 17.33894 - juris). Dem steht auch das wiederholt vom Klägerbevollmächtigten zitierte Urteil des HessVGH vom 21.03.2007 (Az.: 9 UE 1676/06.A) nicht entgegen. Zum einen behandelt die zitierte Entscheidung den Fall der Rückkehr einer exilpolitisch tätigen Klägerin nach Eritrea und nicht wie vorliegend nach Äthiopien. Zum anderen geht der Klägerbevollmächtigte mit keinem Wort auf den „politischen Umbruch“ in Äthiopien ein.

Der Kläger als einfaches Mitglied einer exilpolitischen Vereinigung musste schon bislang - und muss erst recht im Hinblick auf die aktuellen politischen Entwicklungen - im Falle einer Abschiebung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten, wegen exilpolitischer Tätigkeit im Ausland von den äthiopischen Behörden in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise belangt zu werden. Ein besonders gelagerter Ausnahmefall ist vorliegend in keinster Weise ersichtlich. Der Kläger ist seit dem 01.03.2017 Mitglied der EPPFG. Er hat ausweislich der vorgelegten Bestätigungen bzw. nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung bislang an fünf exilpolitischen Veranstaltungen der Vereinigung in Deutschland teilgenommen und ist daher unstreitig als bloßer Mitläufer zu qualifizieren. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger am 10.02.2018 in … zum „head of accountant in … and Surrounded“ gewählt worden ist. Von einer ernsthaften Tätigkeit als Leiter der Buchhandlung bzw. Kassenverwalter kann nämlich keine Rede sein. In der mündlichen Verhandlung stellte sich heraus, dass der Kläger keinerlei Ahnung vom Kassenstand der Gruppierung oder von der konkreten Mitgliederzahl der Gruppe hat, deren Kassenverwalter er sein will. Nach mehrmaligem Zögern stufte er die Mitgliederzahl der …gruppe auf 200 bis 300 Mitglieder ein. Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung stellte sich dann noch heraus, dass der Kläger keinerlei Befugnisse über die Kasse hat. Seine Aufgabe ist es vielmehr, bei Veranstaltungen den Mitgliedsbeitrag einzusammeln und diesen an den Kassenverwalter weiterzugeben. Der Kläger ist daher allenfalls ein Helfer des Kassenverwalters und mitnichten in einer herausgehobenen Position. Lediglich ergänzend weist das Gericht noch darauf hin, dass selbst der Kassenverwalter der …gruppe schon im Ansatz nicht derart exponiert exilpolitisch tätig ist bzw. dass es sich auch insoweit nicht um einen besonders gelagerten Ausnahmefall handeln würde, der mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr nach Äthiopien führt. Es ist für das Gericht daher nicht einmal im Entferntesten ersichtlich, dass dem Kläger im Falle der Abschiebung relevante Verfolgungsmaßnahmen wegen exilpolitscher Tätigkeiten in Deutschland drohen würden.

c) Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass dem Kläger unter keinem Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zusteht.

2. Dem Kläger steht kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen.

a) Es gibt - insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz - keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.

b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen, hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 - C-465.7 - juris).

Ein innerstaatlicher Konflikt im obigen Sinne ist im Herkunftsland - und insbesondere in Herkunftsregion - des Klägers nicht ersichtlich (vgl. nur VG Ansbach, U.v. 19.9.2017 - AN 3 K 16.30505 - juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 - AN 3 K 16.31836 - juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 - B 7 K 17.32889 - juris).

3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).

a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Äthiopien führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Der Kläger ist jung, gesund und erwerbsfähig. Er hat nach eigenen Angaben in Äthiopien die Schule zwölf Jahre besucht und abgeschlossen. Der Kläger verfügt damit über eine überdurchschnittliche Bildung. Zwar hat er keinen Beruf erlernt und ist nach eigenen Angaben nur beim Militär gewesen. Ihm ist es aber zumutbar, sämtlichen - auch schlichten - Erwerbstätigkeiten nachzugehen.*Weiterhin verfügt der Kläger über einen Vater und eine Großfamilie in Äthiopien, so dass im Bedarfsfall gegenseitige Hilfe im Rahmen des Familienverbundes zu erwarten ist. Die hohen Voraussetzungen für die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind daher schon im Ansatz nicht erfüllt.

b) Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

4. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen. Ihm steht auch kein subsidiärer Schutz oder ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt zudem keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

5. Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, liegen nicht vor.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Satz 1 findet insbesondere keine Anwendung, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte.

(1a) Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 zu erleiden, kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.

(2) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag und stützt diesen auf Umstände, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat, kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger, äthiopischer Staatsangehöriger vom Volke der Oromo, geb. nach eigenen Angaben am ...1989 bzw. ...1989, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Der Kläger reiste nach eigenen Angaben über Italien auf dem Landweg am 18.5.2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Dort stellte er am 1.7.2014 einen Asylantrag.

Am 26.5.2014 wurde der Kläger von der Hessischen Aufnahmeeinrichtung in Gießen befragt und gab hierbei an, am 20.5.2014 mit „dem Auto von Italien nach Unbekannt“ gereist zu sein. Einen Pass habe er nie besessen.

Am 16.6.2014 erfolgte die Befragung zur Identitätsklärung an der Außenstelle der Regierung von Mittelfranken Zirndorf. Hierbei gab der Kläger an, dass er vor ca. 3 Jahren einen Personalausweis von der Stadt W... D... ausgestellt bekommen habe. Am 10.4.2014 sei ihr Haus abgebrannt und der Personalausweis habe sich im Haus befunden. Er besitze keine Dokumente mehr. Er sei in W... D... in der K... Wa... in der Zone S... aufgewachsen und habe bis zuletzt dort gewohnt. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter lebe noch. Er habe im Heimatland zwei Brüder, eine Schwester, eine Tante und einen Onkel. Er sei von der 1. bis zu 6. Klasse in Wa... in die Schule gegangen, von der 7. bis 8. Klasse in der „G...“ Schule in M... und in der 9. Klasse in der „O...“ in M... Seine Schulzeugnisse habe er nicht von der Schule abgeholt. Er sei Bauer gewesen.

Am 6.9.2016 erfolgte die Anhörung gem. § 25 AsylG vor dem Bundesamt. Bei dieser gab der Kläger im Wesentlichen an, dass er keine Personaldokumente habe. Er habe einen K...-Ausweis besessen. Den habe er in Äthiopien verbrannt. Er habe sich zuletzt im Dorf Wa... aufgehalten. Eine K... oder Hausnummer gäbe es nicht. Es sei ein kleines Dorf zwischen B...Z... und M... Er habe seine Heimat am 10.8.2006 (EC) verlassen und sei am 18.5.2014 in Deutschland eingereist. Er habe die Schule bis zur 10. Klasse besucht und sei Bauer gewesen. Man müsse nach der 10. Klasse eine Prüfung machen. Er habe nicht Mitglied der TPLF werden wollen und habe daher die Prüfung nicht machen dürfen. Er habe dann 4 Jahre als Bauer gearbeitet. Die Regierung habe dann alle Bauern versammelt und gesagt, dass sie das Land an Investoren aus Israel verkaufe. Sie sollten ihr Land verlassen. Alle Leute, die dagegen waren, seien festgenommen worden. Auch er sei 2003 (EC) von der Polizei in das Gefängnis in Z... gekommen und dort 3 Jahre gewesen. 2006 (EC) sei er aus dem Gefängnis geflohen und nach Mo... gefahren. An das genaue Datum der Verhaftung könne er sich nicht erinnern. Ca. ein Monat nach seiner Flucht aus dem Gefängnis sei er wieder an seinen Geburtsort zurückgekehrt und nach fünf Tagen wieder verhaftet worden. Er sei zehn Tage im Gefängnis gewesen. Das Gefängnis habe eine Farm gehabt, auf der ein Bekannter von ihm gearbeitet habe. Er habe seine Uniform angezogen und fast acht Stunden auf der Farm gearbeitet. Auf dem LKW, der die Tomaten abgeholt habe, sei er geflüchtet. Er habe dann von seinem Onkel Geld abgeholt und von seinem Onkel erfahren, dass sein Vater tot sei. Er sei dann zusammen mit seinem Onkel nach Addis Abeba gereist. Er sei dann über Mekele, Shere und Humera in den Sudan. Sein Vater sei Unterstützer der OLF gewesen und gegen den Verkauf des Landes an die Investoren. Darum habe die Polizei ihn umgebracht. Der Kläger sei Unterstützer der OLF gewesen. Er sei ein Oromo. Auch in Deutschland sei er als Mitglied der TBOJ exilpolitisch tätig. Kontakt in die Heimat habe er nicht mehr. Dem Bundesamt wurde eine Bestätigung der TBOJ / UOSG übergeben, wonach der Kläger seit 22.11.2014 Mitglied sei und an 17 Veranstaltungen aktiv teilgenommen habe.

Mit Bescheid vom 12.9.2016 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4), forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und drohte andernfalls dem Kläger die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen rücknahmebereiten oder zur Rücknahme verpflichteten Staat an (Ziffer 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Die vom Kläger geltend gemachten Vorfluchtgründe seien nicht glaubhaft. Das Vorbringen des Klägers sei zu pauschal und oberflächlich. Auch bei unterstellter Wahrheit würden die geschilderten Umstände keinen Flüchtlingsschutz begründen. Die vom Antragsteller behauptete Zugehörigkeit zur OLF führe für sich noch nicht zu einem Anspruch auf Flüchtlingsschutz oder Asyl. Der Kläger habe kein aktives Tätigwerden für die OLF glaubhaft gemacht. Auch die behauptete exilpolitische Betätigung in der TBOJ führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hebe sich nicht erkennbar aus dem Kreis der Mitläufer hervor. Im Übrigen wird auf den Bescheid vom 12.9.2016 verwiesen.

Am 26.9.2016 ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben.

Der Kläger verweist hierbei im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Rahmen der Vorprüfung. Der Kläger habe sein Heimatland aus Furcht vor Verfolgung verlassen. Die Androhung der Abschiebung sei ungeachtet vom Ausgang des Asylverfahrens wegen Verstoßes gegen Art. 1 und 2 GG sowie Art. 3 EMRK unzulässig. Mit Schriftsatz vom 12.1.2018 brachte die Klägerseite ergänzend vor, der Kläger sei in Äthiopien bereits auf Grund der Weigerung, Land aufzugeben, verhaftet worden. Nach Auffassung des äthiopischen Regimes seien oromische Volkszugehörige, die sich gegen die Durchführung des „Masterplanes“ aussprächen etc., verdächtig, die OLF zu unterstützen. Verhaftungen wie im vorliegenden Fall knüpften daher zumindest an eine unterstellte politische Überzeugung an. Die im Bescheid gerügte angeblich nicht detailliert genug beschriebene Haftzeit etc. werde der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung nochmals darlegen. Der Kläger sei vorverfolgt ausgereist. Jedenfalls drohe dem Kläger auf Grund seiner exilpolitischen Aktivitäten eine Verfolgung in seinem Heimatland. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen wurde eine Bescheinigung der TBOJ/UOSG vom 10.1.2018 vorgelegt. In dieser wird bestätigt, dass der Kläger seit 2.9.2016 an weiteren 7 Veranstaltungen aktiv teilgenommen habe. Ferner wurde das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23.11.2017 vorgelegt und die dort benannten Erkenntnismaterialien und Auskünfte zum Bestandteil des Vorbringens gemacht. Wie im Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg ausgeführt, habe sich durch die Aufhebung des Ausnahmezustandes zum 4.8.2017 keine Änderung an der Verfolgungssituation ergeben.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12.9.2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;

weiter hilfsweise festzustellen, dass bei dem Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 12.12.2017 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung seines Rechtsanwalts bewilligt.

Mit der Ladung vom 14.12.2017 wurde die Auskunftsliste „Äthiopien“ vom Stand 12.12.2017 übersandt.

In der mündlichen Verhandlung vom 24.1.2018 hat das Gericht den Kläger nochmals zu den Ereignissen in Äthiopien und seiner exilpolitischen Betätigung befragt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Der Klägervertreter stellt den im Schriftsatz vom 12.1.2018 angekündigten bedingten Beweisantrag, zum Beweis der Tatsache, dass auch nach der Aufhebung des Ausnahmezustandes in Äthiopien zum 4.8.2017 es unverändert dabei verbleibt, dass Personen, bei denen eine Mitgliedschaft in einer von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingeschätzten Gruppe bzw. einer mit dieser Gruppe verbundenen Exilorganisation vermutet wird, bei einer Rückkehr nach Äthiopien Haft für unbestimmte Zeit oder Misshandlung droht, die Einholung einer Auskunft einer sachverständigen Stelle, wie z.B. GIGA, Günter Schröder oder das Auswärtige Amt einzuholen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten und auf die Sitzungsniederschrift vom 24.1.2018 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Entscheidung des Bundesamts, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zuzuerkennen sowie das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen und dem Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Äthiopien zur Ausreise aufzufordern, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die vom Bundesamt gemäß den §§ 31 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AsylG, 75 Nr. 12, 11 Abs. 2 AufenthG getroffene Entscheidung ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, nicht zu beanstanden.

Die Entscheidung des Bundesamts in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids, den Antrag des Klägers im Hinblick auf die Anerkennung als Asylberechtigter abzulehnen, ist bestandskräftig geworden. Der Kläger hat diese Entscheidung mit seiner Klage nicht angegriffen (vgl. VGH BW U.v. 26.10.2016 – A 9 S 908/13 – juris). Ohnehin könnte er sich nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen, da er nach eigenen Angaben auf dem Landweg über Italien nach Deutschland eingereist ist.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist – unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben – Flüchtling, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 – 13 A 1305/13.A – juris). Eine Verfolgung i.S. d. § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 11.8.2016 - Au 1 K 16.30744 – juris). Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl. L 337 vom 20.12.2011 S. 9 ff.). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U.v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A – juris).

Der Kläger macht geltend, dass er in Äthiopien bereits inhaftiert gewesen sei, da er sein Land nicht an Investoren verkaufen habe wollen. Er habe gegen den Landverkauf demonstriert und er und seine Familie hätten die OLF allgemein unterstützt.

Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der Tatrichter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 – juris; BVerwG, U.v. 11.11.1986 - 9 C 316.85 - juris). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VG Ansbach, U.v. 24.10.2016 – AN 3 K 16.30452 – juris mit weiteren Nachweisen).

Die Angaben, die der Kläger im Verlauf seines Asylverfahrens zu den Geschehnissen in Äthiopien gemacht hat, sind nicht glaubhaft. Zwar ergänzte der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung seine Angaben und berichtete insbesondere konkreter von der Verhaftung und Haft. Es ist jedoch bereits nicht nachvollziehbar, dass der Kläger im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt, in der er aufgefordert wurde, alle Ereignisse zu schildern, die nach seiner Auffassung die Vorflucht begründen, weder Details zur Verhaftung und Haftzeit schilderte, noch die Demonstrationen und seine Unterstützungstätigkeiten für die OLF vortrug. Es wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger insbesondere die einschneidenden Erlebnisse, wie zum Beispiel die Verhaftung und die Gräueltaten und die Angst im Gefängnis vor diesen von sich aus vor dem Bundesamt berichtet. Bereits dies erweckt den Anschein, dass es sich nicht um selbst Erlebtes handelt, sondern der Vortrag im gerichtlichen Verfahren entsprechend zu den Ablehnungsgründen im Bescheid vom 12.9.2016 asyltaktisch ergänzt wurde. Zudem steigerte der Kläger hiermit sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens, was ebenfalls gegen die Glaubhaftigkeit spricht. Gegen ein selbst erlebtes Geschehen spricht ferner, dass der Kläger auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf konkrete Fragen des Gerichts zunächst mit allgemeinen Ausführungen antwortete. So antwortete der Kläger im Rahmen mehrfacher Nachfragen zu den konkreten Unterstützungstätigkeiten auf die Frage nach dem konkreten Text auf den Plakaten, die der Kläger an Strommasten plakatiert haben will, dass er die meisten Schriftstücke selbst verfasst habe und er anfangs klargestellt habe, dass „wir Oromo keine Demokratie in unseren Gebieten haben und keine gleichwertige Schulbildung“. Einen konkreten Text benannte er nicht, obwohl gerade bei Plakaten, die sich gewöhnlich durch kurze plakative Aussagen auszeichnen, dies gut möglich sein müsste. Ebenfalls gegen ein selbst erlebtes Geschehen spricht, dass der Kläger vor dem Bundesamt im Hinblick auf die Verhaftung und die Flucht nur jeweils das Jahr angab. Erst in der mündlichen Verhandlung ergänzte er auf entsprechenden Vorhalt die Monate. Hierbei mutet bereits seltsam an, dass der Kläger z.B. im Rahmen der Befragung in Zirndorf am 16.6.2014 im Rahmen seiner Fluchtgeschichte tagesgenau Daten zu verschiedenen Stationen auf der Flucht und auch bezüglich des Brandes des Heimathauses angab, so einschneidende Ereignisse wie seine Verhaftung und seine Flucht aus dem Gefängnis zunächst aber nur im Hinblick auf das Jahr eingrenzen konnte und erst vor Gericht noch den Monat benennen konnte. Soweit der Kläger vor Gericht angab, dass er beim Bundesamt genauere Angaben gemacht habe, diese aber nicht aufgenommen worden seien, hält das Gericht dies für eine Schutzbehauptung. Hiergegen spricht zum einen, dass der Kläger ausweislich der Niederschrift über die Anhörung bestätigte, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe. Hinzu kommt, dass der Kläger auch noch am Beginn der mündlichen Verhandlung angab, dass alles stimme, was im Protokoll des Bundesamtes stehe. Hätte der Kläger damals wirklich versucht, nach der Rückübersetzung eine Ergänzung der Daten zu erreichen, stünde seine Einlassung am Beginn der informatorischen Befragung dazu im völligen Widerspruch.

Gegen die Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags zu den Geschehnissen in seinem Heimatland sprechen insbesondere jedoch zahlreiche Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten, die sich im Laufe des Vortrags im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergaben und die nicht zur Überzeugung des Gerichts aufgelöst werden konnten. So gab der Kläger vor dem Bundesamt an, dass die Regierung alle Bauern versammelt hätte und erklärt habe, dass sie das Land an Investoren in Israel verkaufe. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung betonte der Kläger aber, dass er mit der Haft gezwungen werden sollte, sein Land an die Investoren zu verkaufen. Vor allem aber widerspricht sich der Kläger im Hinblick auf die Anzahl der Verhaftungen und Fluchten aus dem Gefängnis. Vor dem Bundesamt gab der Kläger an, zweimal in Haft gewesen zu sein; zunächst einmal für 3 Jahre und dann nach seiner Flucht und Heimkehr in sein Heimatdorf noch einmal für ca. 10 Tage. Dann habe er von der Farm des Gefängnisses mit der Uniform eines Bekannten auf einem Tomaten-Transporter fliehen können. Vor Gericht gab er jedoch an, dass er nur einmal in Haft gewesen sei. Soweit der Kläger, als er hierauf hingewiesen wurde, dass er vor dem Bundesamt von einer zweiten Verhaftung und einem zweiten Gefängnisaufenthalt berichtet habe, äußerte, dies nicht gesagt zu haben, überzeugt dies nicht. Es erscheint völlig lebensfremd, dass der Dolmetscher vor dem Bundesamt einen ganzen zusätzlichen Ereigniskomplex mit Zeitangaben zur Haftdauer und eigener Fluchtgeschichte ohne die entsprechende Aussage des Klägers in das Protokoll einfügt und dies auch noch bei der Rückübersetzung unerkannt bleibt. Auch soweit die Klägerseite diesen Widerspruch damit zu entkräften versucht, dass der damalige Dolmetscher wegen Qualitätsmängeln nicht mehr beim Bundesamt eingesetzt werde, überzeugt dies nicht. Zum einen hat der Kläger vor dem Bundesamt auf dem Kontrollbogen bestätigt, dass das rückübersetzte Protokoll den heute gemachten Angaben des Klägers entsprochen habe. Zum anderen hat der Kläger auch im Rahmen der Anhörung ausweislich der Niederschrift erklärt, dass er sich gut mit dem Sprachmittler verständigen könne. Überdies hat der Kläger noch am Beginn der mündlichen Verhandlung angegeben, dass alles stimme, was im Protokoll des Bundesamtes stehe. Im Übrigen fällt auf, dass eine angebliche Falschübersetzung oder die schlechte Qualität der Übersetzung mittlerweile zum Standardvorbringen bei Widersprüchlichkeiten gehört. Ebenfalls widersprüchlich ist, dass der Kläger vor dem Bundesamt angab, bei seiner Rückkehr in sein Heimatdorf nach der Flucht aus dem Gefängnis sei die Wohnung noch da gewesen. Vor Gericht erklärte er aber, dass das Haus bei seiner Rückkehr bereits abgebrannt gewesen sei. Bereits die massiven Widersprüchlichkeiten führen zur fehlenden Glaubhaftigkeit des Vortags.

Hinzu kommt, dass das Vorbringen des Klägers in wesentlichen Punkten zudem lebensfremd ist. So ist es nicht vorstellbar, dass der Kläger während einer dreijährigen Haft im Gefängnis immer seinen Ausweis bei sich haben durfte und er ihn daher auch bei seiner Flucht griffbereit hatte. Dies widerspricht im Übrigen auch den Angaben des Klägers bei seiner Befragung in Zirndorf am 16.6.2014, wonach sein Personalausweis am 10.4.2014 beim Brand des Hauses verbrannt sei. Des Weiteren mutet die Fluchtgeschichte des Klägers aus dem Gefängnis, die er vor Gericht erzählte, ebenfalls lebensfremd an. Es ist nicht nachvollziehbar, dass im Rahmen des Dienstes auf der Farm beim Tomatenverkauf zwischen dem Kläger und einem Händler so enge Bande geknüpft werden konnten, dass der Händler sein Leben riskierte, um dem Kläger zur Flucht zu verhelfen. Dem Händler musste klar sein, dass er in der Situation, in der nur ein Lkw Tomaten abholte und ausgerechnet der Gefangene, der die Tomaten verkauft, anschließend fehlt, er ein extrem hohes Entdeckungsrisiko einging. Ihm musste klar sein, dass sein Handeln für ihn ernsthafte Konsequenzen bis hin zum eigenen Tod haben könnte. Das Eingehen dieses Risikos erscheint nicht realistisch. Im Übrigen fällt auf, dass diese Fluchtgeschichte gewisse Ähnlichkeiten zur Fluchtgeschichte aufweist, die der Kläger vor dem Bundesamt im Zusammenhang mit seiner zweiten Verhaftung erzählte. Sie ist jedoch nicht so identisch, dass man von einer missverständlichen Zuordnung zur ausgehen könnte.

Im Übrigen kommen zur fehlenden Glaubhaftigkeit des Vorbringens noch erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers. Diese Zweifel werden dadurch begründet, dass der Kläger keinerlei Personaldokumente vorlegen kann und er sich auch im Hinblick auf die Personaldokumente in Widersprüchlichkeiten verwickelt. So gab er zunächst an, dass sie verbrannt seien, als das Haus am 10.4.2014 brannte. Später gab er an, dass er sie selber in Äthiopien verbrannt habe. Auf Vorhalt im Rahmen der mündlichen Verhandlung versuchte er dies damit zu erklären, dass er bei seiner Befragung in Zirndorf nicht nach dem K...-Ausweis gefragt worden sei, sondern nach Identitätspapieren. Unter diesen habe er seine Besitzkarte für die Grundstücke und seine Zeugnisse bis zu 4. Klasse gemeint, nicht aber den K...-Ausweis. Hiergegen spricht jedoch, dass der Kläger auf die Frage nach den Personalpapieren ausweislich der Niederschrift ausdrücklich antwortete, dass er einen Personalausweis besessen habe, den er vor ca. 3 Jahren in der Stadt M..., K... Wa..., W... D... ausgestellt bekommen habe. Auf die Frage nach weiteren Dokumenten gab er damals an, keine mehr zu besitzen und im Hinblick auf die Schulzeugnisse erklärte er damals, dass er diese nicht von der Schule abgeholt habe. Diese Widersprüchlichkeiten sprechen dafür, dass der Kläger durch Verschleierung seiner wahren Identität die Überprüfbarkeit seiner Angaben erschweren bzw. unmöglich machen will. Soweit die Klägerseite vorbringt, dass die Anhörung in Zirndorf nicht in Oromo, sondern in Amharisch erfolgt sei, erklärt bzw. beseitigt dies die Widersprüchlichkeiten nicht. Denn die genauen Angaben des Klägers in der Niederschrift erwecken nicht den Eindruck, dass sich der Kläger in Amharisch nicht habe ausdrücken können. Auch lässt sich das Missverständnis im Hinblick auf die Papiere nicht nachvollziehbar mit einem Übersetzungsfehler erklären. Zudem erklärte der Kläger ausweislich der Niederschrift ausdrücklich, dass er zusätzlich zu seiner Muttersprache auch Amharisch spreche.

Insgesamt geht das Gericht daher davon aus, dass das Vorgetragene so nicht geschehen ist und der Kläger Äthiopien nicht vorverfolgt verlassen hat.

Auch wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Oromo droht dem Kläger keine landesweite Verfolgung in Form der Gruppenverfolgung. Das Gericht teilt die Einschätzung des Bundesamtes insoweit. Auf die Ausführungen im Bescheid vom 12.9.2016 wird verwiesen.

Nachdem der Kläger nicht vorverfolgt aus Äthiopien ausgereist ist, steht bei Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ihm im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG unterfallende Gefährdungen drohen.

Auch auf den Nachfluchtgrund der exilpolitischen Betätigung kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Zwar ermöglicht § 28 Abs. 1a AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn die begründete Furcht nur auf Ereignissen beruht, die eingetreten sind, nachdem ein Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat (sog. Nachfluchttatbestände). Im Gegensatz zu Vorfluchtgründen, die lediglich glaubhaft zu machen sind, bedürfen Nachfluchtgründe, die auf Ereignissen innerhalb des Gastlandes beruhen, des vollen Nachweises, wobei insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besonders strenge Anforderungen zu stellen sind. Insofern ist den Versuchen einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Asylrechtsschutzes im Bereich der Sachverhaltsermittlung zu begegnen (BVerwG, U.v.21.10.1986 - 9 C 28.85 - BVerwGE 75, 99; BVerwG, U.v. 8.11.1983 - 9 C 93.83 - BVerwGE 68, 171).

Nach Ansicht des Gerichts ist es auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr ins Heimatland eine Verfolgung wegen seiner exilpolitischen Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland drohen würde.

Dass ein Ausländer in seinem Heimatstaat politisch verfolgt wird, weil er in der Bundesrepublik Deutschland gegen seinen Staat politische Aktivitäten entfaltet hat, kann nur angenommen werden, wenn sowohl für das Bekanntwerden der Tätigkeit im Heimatstaat als auch für dessen im Sinne des Asylrechts politisch motivierte Reaktion hinreichend gewichtige Anhaltspunkte bestehen (BVerwG, U.v. 29.11.1977 - 1 C 33.71 - BVerwGE 55, 82). In der äthiopischen exilpolitischen Szene gibt es zahlreiche Gruppierungen. Insgesamt ist den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Exilorganisationen genau beobachtet bzw. durch die Auslandsvertretungen beobachten lässt. Das Gericht nimmt auch unter Zugrundelegung der gegenwärtig dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel, die auch die Entwicklungen während der Massenproteste 2015/2016 und des mittlerweile wieder aufgehobenen Ausnahmezustandes berücksichtigen, weiterhin nicht an, dass jede, wie auch immer geartete Form der Betätigung für eine der zahlreichen exilpolitischen Gruppen in der äthiopischen exilpolitischen Szene im Ausland bei einer Rückkehr nach Äthiopien zu einer beachtlichen Verfolgungsgefahr führt. Das Gericht geht nach wie vor davon aus, dass es für die Feststellung des relevanten Gefährdungsgrades grundsätzlich darauf ankommt, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen etwa als terroristisch eingestuft wird und in welcher Art und in welchem Umfang der oder die Betreffende sich im Einzelfall exilpolitisch tatsächlich und wahrnehmbar betätigt hat (vgl. auch VG Kassel, U.v. 5.9.2017 – 1 K 2320/17.KSA mit weiteren Nachweisen; a.A. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017 – W 3 K 17.31180).

Dem Auswärtigen Amt liegen auch nach dem aktuellen Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien vom 6.3.2017 keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es auf den Einzelfall an, also z.B. darauf, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen wird oder um welche politische Tätigkeit es sich handelt (z.B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt (AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, II. 1.9., S. 16). Soweit hiergegen angeführt wird, dass das Auswärtige Amt in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Gießen vom 9.12.2016 zur Betätigung für die EPPFG geäußert habe, dass eine Verfolgung im Falle einer Rückkehr wahrscheinlich sei, so wurden diese Aussage im aktuelleren Lagebericht vom 6.3.2017 nicht mehr wiederholt. In diesem kehrte das Auswärtige Amt wieder zu seiner Formulierung zurück, die sich bereits in seinen Lageberichten vom 24.5.2016; 4.3.2015 und 8.4.2014 findet. Soweit im Hinblick auf die Formulierung „Grundsätzlich kommt es auf den Einzelfall an, d.h. z.B. darauf, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen wird oder um welche Art exilpolitischer Aktivität es sich handelt (.z.B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position Organisation gewaltsamer Aktionen)“ angenommen wird, dass das „oder“ zum zwingenden Schluss führen würde, dass bereits die Beteiligung an einer exilpolitischen Organisation, die von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuft würde, alleine ausreichend für eine beachtliche Verfolgungsgefahr sei, lässt dies nach Einschätzung des Gericht die übergeordnete Betonung des Einzelfalls außer Betracht. Vielmehr deutet die Formulierung darauf hin, dass zwar im Einzelfall die Beteiligung bei einer Organisation, die von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingestuft wird, eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit auslösen kann, aber nicht bereits jede Beteiligung bei jeder Organisation, die von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingestuft wird, zwingend die Gefahr einer beachtlichen Verfolgung auslöst. Hierfür spricht auch, dass von Bedeutung auch sei, ob und wie sich eine zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätige.

Das Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) führt in seiner Stellungnahme vom 30.1.2017 aus, dass es aufgrund der Verhängung des Ausnahmezustandes zu einer weiteren Einschränkung der Bürgerrechte seit dem Erlass der Anti-Terror-Gesetze im Jahr 2009 gekommen sei. In diesem Zusammenhang verweist das Institut auf die Verhaftung des Vorsitzenden der legalen Oppositionspartei Oromo Federalist Congress im Dezember 2016, der sich mit dem Vorsitzenden von Ginbot 7 getroffen habe, einer Gruppierung, die die Regierung eindeutig als „terroristisch“ ansehe. Die Stellungnahme des Leibniz-Instituts für Globale und Regionale Studien (GIGA) spricht im Zuge einer Auskunft für das Verwaltungsgericht Gießen im Zusammenhang mit einer Betätigung für die EPPFG davon, dass eine Verfolgung „keinesfalls ausgeschlossen werden könne“. Aus dieser Formulierung kann jedoch nicht eine beachtliche Verfolgungsgefahr abgeleitet werden.

Der Gutachter Günter Schröder geht in seiner Stellungnahme vom 15.2.2017 davon aus, dass eine Verfolgungsprognose anhand bestimmter Merkmale nicht abgegeben werden könne, weil das Handeln der äthiopischen Sicherheits- und Justizbehörden gegenüber allen wirklichen und putativen Gegnern von einem hohen Maß an Willkürlichkeit geprägt sei. Unter diesem Gesichtspunkt sei generell die Unterscheidung zwischen unbedeutender und exponierter Stellung in einer Oppositionsorganisation als nicht relevant für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr anzusehen. Dies gelte in besonderem Maß seit dem Erlass der Anti-Terrorismusgesetze und gerade auch unter dem Ausnahmezustand. Weiter führt er aus, dass mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ eine längere Inhaftierung verbunden mit intensiver Befragung auch unter dem jetzigen Ausnahmezustand als Minimum anzunehmen sei. Es bleibt jedoch offen, wie er trotz der Prognoseunsicherheit zu dieser Annahme kommt. So belegt er diese Annahme nicht mit konkreten Beispielen für ein Einschreiten äthiopischer Stellen gegen Rückkehrer, obwohl er angibt, dass diese häufig verhaftet würden (Günter Schröder, Stellungnahme vom 15.2.2017, Rn 214). Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass kaum Abschiebungen nach Äthiopien stattfinden, was die Grundlage dieser Aussage allerdings fraglich erscheinen lässt. Das Gericht verkennt nicht, dass es seit Mitte 2015 im Zusammenhang mit dem „Masterplan“ der Regierung vor allem in der Provinz Oromia zu Massenprotesten kam und es im Zusammenhang mit diesen Protesten und dem Einschreiten der Sicherheitskräfte zu Todesfällen und Verhaftungen kam. So sollen nach dem Gutachten von Günter Schröder im Rahmen der Unruhen 2016 unter Geltung des Ausnahmezustandes über 11.000 Menschen verhaftet worden sein. Diese Verhaftungen fanden jedoch im Zusammenhang mit zumindest teilweise gewaltsamen Protesten in Äthiopien statt. Sie sind kein Beleg dafür, dass auch Rückkehrer alleine wegen ihrer exilpolitischen Betätigung nun einem beachtlichen Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind. Dies belegen auch die Ausführungen in der Stellungnahme Schröders nicht hinreichend. Dieser führt zwar nachvollziehbar aus, dass im Zusammenhang mit den Unruhen in Äthiopien auch die äthiopische Diaspora – auch im Hinblick auf eine Strafbarkeit nach dem äthiopischen Anti-Terrorismusgesetz von 2009 - verstärkt überwacht wird (Rn. 134). Ein konkretes Beispiel für eine Verfolgung allein auf Grund einer exilpolitischen Tätigkeit unterbleibt jedoch. Auffällig ist hierbei auch, dass der Gutachter zum einen zwar deutliche Aussagen trifft (Bestrafung jedes Mitglieds einer exilpolitischen Gruppe, die mit einer als terroristisch eingestuften Gruppe zusammenarbeitet (Rn 232); häufige Verhaftungen (Rn. 214); längere Inhaftierung verbunden mit intensiver Befragung und mit hoher Wahrscheinlichkeit inhumaner Haftbedingungen (Rn. 237), gleichzeitig aber äußert, dass sich angesichts der Willkürlichkeit die konkreten Verfolgungshandlungen im Einzelnen schwer vorhersagen ließen und er an anderer Stelle (Rn. 226) angibt, dass im heutigen Äthiopien, die eine staatliche Verfolgung auslösenden Momente in der Regel vielschichtig seien und sich nur selten auf ein bestimmtes Merkmal reduzieren ließen.

Bei Würdigung der vorgenannten Auskunftslage in einer Gesamtschau, insbesondere aufgrund der aktuellen Auskunft des Auswärtigen Amtes und des Leibniz-Instituts für Globale und Regionale Studien (GIGA) nimmt das Gericht nicht an, dass äthiopische Asylbewerber sofern sie sich zu einer Exilorganisation (hier: TBOJ/UOSG), die einer vom äthiopischen Staat als terroristisch eingestuften Vereinigung nahesteht, bekennen und sie für diese Exilorganisation nur ein Mindestmaß an Aktivität vorweisen, für den Fall der Rückkehr nach Äthiopien bereits mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG erwartet (vgl. auch VG Kassel, U.v. 5.9.2017 – 1 K 2320/17.KS.A; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.GlA – juris, a.A. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017 – W 3 K 17.31180). Das Gericht geht weiterhin davon aus, dass bei einer Rückkehr nach Äthiopien nur solche Personen mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland derart exponiert politisch betätigt haben, dass die äthiopischen Behörden sie als ernsthafte Oppositionsangehörige einstufen (vgl. BayVGH, B.v. 14.7.2015 – 21 B 15.30119 –juris; BayVGH, U.v. 25.2.2008 – 21 B 07.30363 und 21 B 05.31082). Erforderlich für einen beachtlichen Nachfluchtgrund aufgrund exilpolitischer Betätigung ist nämlich eine „beachtliche Wahrscheinlichkeit“ der Verfolgung im Falle einer Rückkehr. Nicht ausreichend ist hingegen, dass eine solche möglich ist oder nicht ausgeschlossen werden kann. Eine solche beachtliche Wahrscheinlichkeit im Falle einer nicht exponierten Stellung kann – wie bereits ausgeführt – auch den oben genannten aktuellen Stellungnahmen nicht entnommen werden. Das Gericht geht daher weiterhin davon aus, dass sich Personen, die sich nur im Hinblick auf einen positiven Ausgang des Asylverfahrens abzielend einer exilpolitischen Gruppe anschließen und sich dort nicht exponiert betätigen, im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben. Gerade wegen der intensiven Beobachtung exilpolitischer Auslandsaktivitäten durch äthiopische Stellen muss davon ausgegangen werden, dass auch den äthiopischen Behörden klar ist, dass eine große Zahl äthiopischer Asylbewerber nicht wegen ihrer politischen Überzeugung an exilpolitischen Veranstaltungen teilnimmt, sondern weil sie sich davon Vorteile im Asylverfahren erwartet. Im Hinblick darauf ist es nicht wahrscheinlich, dass die äthiopischen Behörden derartige Personen als „gefährlich“ erachten. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn der betreffenden Person eine auf den ersten Blick exponiert erscheinende Position übertragen worden ist, ohne dass diese dann auch aktiv ausgefüllt wird. Mit dem Verwaltungsgericht Bayreuth geht das Gericht davon aus, dass die zuletzt immer mehr zu beobachtenden inflationär entstehenden und wie Pilze aus dem Boden schießenden Vorstandsfunktionen für sich alleine betrachtet den jeweiligen Asylbewerber, wenn er sich ansonsten im Heimatland als unpolitisch erwiesen hat, nicht zu einem aus dem Kreis der bloßen Mitläufer herausragenden, ernsthaften und damit aus Sicht des äthiopischen Staates zu verfolgenden Oppositionellen machen. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob der jeweilige Funktionsträger nicht nur durch das Innehaben eines Amtes, sondern durch sein davon unabhängiges politisches Engagement im Heimatland und im Bundesgebiet sich als eine von der Masse der äthiopischen Asylbewerber abhebende und nach außen erkennbar politisch interessierte und aktive Person darstellt (VG Bayreuth, B.v. 26.8.2013 - B 3 K 12.30096 – juris; so im Ergebnis auch VG Ansbach, U.v. 21.2.2017 - AN 3 K 16.30481 - juris, VG Ansbach, U.v. 27.9.2016 - AN 3 K 16.30562 – juris; VG Ansbach, U.v. 27.08.2012 - AN 12.30258 - juris; VG München, U.v.31.5.2016 - M 12 K 16.30593 - juris; VG Kassel, U.v. 21.7.2016 - 1 K 1953/15.KS.A - juris).

Nach diesen Maßstäben gehört der Kläger nicht zu dem gefährdeten Personenkreis, der im Falle seiner Abschiebung wegen seiner exilpolitischen Tätigkeit im Ausland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, von äthiopischen Behörden in asylrechtlich relevanter Weise belangt zu werden. Der Kläger ist ausweislich der Bescheinigungen des TBOJ/UOSG seit dem 22.11.2014 aktives Mitglied und hat seither an 24 Veranstaltungen der TBOJ/UOSG teilgenommen. Mit der bloßen Teilnahme an Veranstaltungen der TBOJ/UOSG – auch wenn diese kontinuierlich erfolgten - hebt sich der Kläger jedoch in keiner Weise aus der Masse der exilpolitisch Tätigen ab. Auch erweckte der Kläger weder durch seine Aussagen zu seiner exilpolitischen Betätigung vor dem Bundesamt noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Eindruck einer politisch engagierten Person. Die Tätigkeiten des Klägers führen nach Überzeugung des Gerichts nicht dazu, dass er von den äthiopischen Behörden als „gefährlicher Oppositioneller“ angesehen wird, weshalb es nicht beachtlich wahrscheinlich ist, dass er allein aufgrund seiner Betätigung mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen habe.

Der bedingt gestellte Beweisantrag musste das Gericht nicht veranlassen, entsprechenden Beweis zu erheben. Er ist darauf gerichtet, die Auskunft einer sachverständigen Stelle, wie z.B. GIGA, Günter Schröder oder das Auswärtige Amt zum Beweis dafür einzuholen, dass es auch nach der Aufhebung des Ausnahmezustandes in Äthiopien zum 4.8.2017 unverändert dabei verblieben sei, dass Personen, bei denen eine Mitgliedschaft in einer von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingeschätzten Gruppe bzw. einer mit dieser Gruppe verbundenen Exilorganisation vermutet wird, bei einer Rückkehr nach Äthiopien Haft für unbestimmte Zeit oder Misshandlung drohe. Das Gericht ging in ständiger Rechtsprechung auch im Hinblick auf die Auskunftslage während des Ausnahmezustandes entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Würzburg (VG Würzburg, U.v. 15.9.2017 – W 3 K 17.31180 - juris) davon aus, dass nicht jede exilpolitische Betätigung im Falle der Rückkehr nach Äthiopien zu einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit führt. Die von Klägerseite angeregte Einholung einer Auskunft, um darzulegen, dass auch nach Aufhebung des Ausnahmezustandes eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung weiter drohe, führt daher mangels Entscheidungserheblichkeit (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht zum Ziel. Denn der Antrag geht von einer Einschätzung der vorhandenen Auskunftslage aus, die das Gericht so nicht teilt und nicht geteilt hat. Soweit es um eine andere Würdigung der Auskunftslage geht, ist dies jedoch eine Frage der richterlichen Würdigung der Auskunftslage und einer Klärung durch Beweiserhebung nicht zugänglich. Der bedingt gestellte Beweisantrag war daher abzulehnen. Das Gericht hatte auf Grund des gestellten Antrags auch keinen Anlass, von Amts wegen Gutachten zur aktuellen Lage nach Aufhebung des Ausnahmezustandes einzuholen, da offensichtlich ist, dass sich die Lage in Äthiopien jedenfalls mit Aufhebung des Ausnahmezustandes für Rückkehrer nicht verschärft hat. Entsprechendes wird auch nicht von Klägerseite vorgetragen, die lediglich vorträgt, dass die Lage trotz Aufhebung des Ausnahmezustandes unverändert sei.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Ein derartiger Schaden droht dem Kläger nach den obigen Ausführungen nicht.

Schließlich sind auch Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht ersichtlich.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Mangels Erkennbarkeit diesbezüglicher Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.

Ebenso wenig besteht ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebeschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfällt die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung aber jedenfalls dann, wenn die oberste Landebehörde trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage keinen generellen Abschiebestopp erlassen bzw. diesen nicht verlängert hat und ein vergleichbarer wirksamen Schutz den betroffenen Ausländern nicht vermittelt wird. Die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG gebieten danach die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn einer extremen Lebensgefahr oder einer extremen Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit entgegen gewirkt werden muss, was dann der Fall ist, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt sein würde (BVerwG, U.v. 17.10.1995 - BVerwGE 99, 324; BVerwG, U.v. 19.11.1996 - BVerwGE 102, 249, BVerwG, U.v. 12.7.2001 - BVerwGE 115, 1). Eine derartige Gefahrensituation kann sich auch aus den harten Existenzbedingungen und der Versorgungslage in Äthiopien ergeben.

Ob die Annahme einer extremen Gefahrenlage im Wege der verfassungskonformen Auslegung nunmehr ausscheidet, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 31.1.2013 (Az. 10 C 15/12 – juris) davon ausgeht, dass in begründeten Ausnahmefällen schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat (auch) ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen können, kann letztlich dahinstehen, da die anzuwendenden Gefahrenmaßstäbe weitgehend übereinstimmen.

Nach den dem Gericht vorliegenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnissen ist die Versorgungssituation für den Kläger in Äthiopien jedoch nicht so schlecht, dass von einer Gefahr im beschriebenen Sinn auszugehen wäre. Obwohl Äthiopien zwischen den Jahren 2004 und 2014 ein konstantes wirtschaftliches Wachstum aufwies, zählt das Land immer noch zu den ärmsten Staaten der Welt. Auf dem Human Development Index des UNO-Entwicklungsprogramms belegt Äthiopien Platz 173 von 186. 77,6% der Bevölkerung lebt von weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt bei 170 US-Dollar. 82% Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft (SFH, Äthiopien, Update: Aktuelle Entwicklungen bis Juni 2014, Rahel Zürrer, Bern 2014). Andererseits ist die Arbeitslosigkeit in den ländlichen Regionen niedrig. Statt auf Arbeitslosigkeit trifft man dort auf unterproduktive Landwirtschaft (IOM, Länderinformationsblatt Äthiopien, Juni 2014, VII. 8.2.1, S. 19). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert, weshalb große Teile der Bevölkerung auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. Im Jahr 2014 waren ca. 3,2 Millionen Äthiopier auf solche Hilfen angewiesen, wobei sich die Hilfen neben der reinen Nahrungsmittelhilfe auch auf Non Food Items (Hygiene und Gesundheit) bezogen. Zusätzlich wurden 7,8 Millionen Menschen über das Productive Safety Net Programme unterstützt, die sonst auch Nothilfe benötigt hätten (AA, Lagebericht vom 24.5.2016, Stand: März 2016, IV. 1. 1.1. S. 20). Im jüngsten Lagebericht spricht das Auswärtige Amt davon, dass 7,9 Millionen Menschen auf das staatliche Sozialprogramm zur Ernährungssicherung angewiesen sind (AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, IV 1.1, S. 20). Hier zeigt es sich, dass die Situation für große Teile der Bevölkerung schwierig ist. Gleichwohl bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer keine Nahrungsmittelhilfe erhalten. Für Rückkehrer bieten sich im Übrigen schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur bescheidenen Existenzgründung. Vor allem für Rückkehrer, die über Qualifikationen und Sprachkenntnisse verfügen, besteht die Möglichkeit, Arbeit zu finden (AA, Lagebericht Äthiopien vom 18.12.2012, Stand: Oktober 2012. IV.1.1, S. 23 f.).

Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Kläger sich bei einer Rückkehr, seine Existenz nicht mehr sichern können würde. Der Kläger ist ein junger erwachsener Mann. Es sind keine Gründe ersichtlich, dass er in Äthiopien keine existenzsichernden Tätigkeiten ausüben kann. Auch befindet sich noch Familie des Klägers in Äthiopien. Der Kläger selbst hat im Übrigen nicht substantiiert vorgetragen, befürchten zu müssen, dass es ihm in Äthiopien nicht möglich sein würde, sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.

Nach alledem ist es dem Kläger zuzumuten, in sein Heimatland zurückzukehren.

Die in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den §§ 34 Abs. 1 Asyl, 59 AufenthG. Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse – wie etwa Reiseunfähigkeit – sind vom Bundesamt im Asylverfahren nicht zu prüfen. Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse sind auf Grund des Vorbringens des Klägers nicht ersichtlich.

Die in Ziffer 6 des angegriffenen Bescheids ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist bestandskräftig. Der Kläger hat die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Status, weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG beantragt. Die entsprechenden Ablehnungen sind in den Ziffern 1 – 3 des streitgegenständlichen Bescheides geregelt. Ein Verpflichtungsantrag auf eine kürzere Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG mit entsprechendem Aufhebungsbegehren wurde nicht gestellt. Im Übrigen wäre die getroffene Regelung auch nicht zu beanstanden. Die Beklagte musste nach den §§ 11 Abs. 2 Sätze 1 und 4, 75 Nr. 12 AufenthG eine Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG treffen. Über die Länge der Frist wird gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Ermessensfehler sind hier nicht ersichtlich. Grundsätzlich darf die Frist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nicht überschreiten. Hier hat das Bundesamt diese maximale Frist zur Hälfte ausgeschöpft, was nicht zu beanstanden ist. Das Vorliegen besonderer Umstände, die eine kürzere Frist gebieten würden, ist vom Kläger weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 12.9.2016 wird im Übrigen Bezug genommen, § 77 AsylG.

Die Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO in den Haupt- und Hilfsanträgen abzuweisen. Gerichtskosten werden nach § 83b Asyl nicht erhoben.

Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger, äthiopischer Staatsangehörigkeit, wendet sich gegen einen ablehnenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) und begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und wiederum hilfsweise die Feststellung des Vorliegens von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).

Der Kläger, nach einer Angabe am 5. März 1996, nach einer früheren Angabe am ... März 1997 geboren, reiste nach eigenen Angaben über Italien und Frankreich am 25. März 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 16. April 2014 einen Asylantrag. Am 30. Juni 2016 erfolgte die Anhörung des Klägers vor dem Bundesamt.

Der Kläger trug dabei vor, dass sein Vater von der Regierung als OLF (Oromo Liberation Front) Unterstützer beschuldigt, deshalb mehrmals verhaftet und schließlich umgebracht worden sei. Der Vater sei ein reicher Geschäftsmann mit vielen Häusern und in der Stadt D. sehr bekannt gewesen. Deshalb habe ihn die Regierung beobachtet. Der Kläger wisse von seiner Mutter, dass der Vater 1992 - 1995 in einem Gefängnis in U. gewesen sei, dort sei der Vater misshandelt und geschlagen worden. Nach der Haftentlassung 1995 habe der Vater mit einem Kaffeegeschäft zwischen Dr. und Ds. begonnen. Daraufhin habe ihn die Regierung beschuldigt, Informationen und Geld von Dr. nach Ds. an OLF Spitzel weiterzugeben. Des Weiteren sei der Vater Vorsitzender eines Vereins in ihrer Gegend gewesen. Der Verein habe sich um soziale Zwecke, wie die Organisation von Beerdigungen gekümmert. Hierzu hätten sich in der Familienwohnung einmal pro Monat Leute getroffen, was von der Regierung als politische Treffen gewertet worden sei. Erneut sei behauptet worden, dies habe mit der OLF zu tun. 1998 - 2000 sei der Vater in einem Gefängnis namens Sch. gewesen. 2002 sei der Vater von Sicherheitskräften eines Nachts aus der Wohnung mitgenommen und dann umgebracht worden. Die Leiche sei auf einem sandigen Platz liegen gelassen worden.

Auch die Mutter des Klägers habe als Oromolehrerin Probleme in ihrer Schule gehabt. Sie sei ebenfalls beschuldigt worden, die OLF zu unterstützen, man habe ihr vorgeworfen, nicht nur die Sprache zu unterrichten, sondern Propaganda zu betreiben. Den Vortrag zu seinen Eltern könne er nur wiedergeben, da seine Mutter ihm dies alles erzählt habe. Er selbst sei damals noch klein gewesen.

Als er 6 Jahre alt war, seien Soldaten gekommen und hätten ihn und seine Mutter in ein Gefängnis namens M. gebracht. Dort sei der Kläger krank geworden. Ein Onkel des Klägers habe Geld bezahlt, daraufhin seien sie freigekommen. Das Haus in Dr. sei enteignet worden. Der Onkel habe aus Angst um ihre Leben die Ausreise der Mutter und des Klägers in den Sudan bezahlt. Dort habe die Mutter als Hausmädchen gearbeitet und später Tee verkauft. 2010 hätten beide beschlossen, den Sudan zu verlassen, da sie fürchteten, aufgrund eines Abkommens zwischen Äthiopien und dem Sudan nach Äthiopien zurückzumüssen. Sie seien dann nach Libyen gegangen. In Libyen sei seine zuckerkranke Mutter mehrmals vergewaltigt worden. Beide seien geschlagen worden. Nachdem beide erkrankt seien, sei man zu einem Sudanesen gekommen, für den beide arbeiten hätten müssen. 2012 sei die Mutter in Libyen verstorben. Der Sudanese habe mit Schleppern zusammen-gearbeitet. Bei einem ersten Überfahrtsversuch sei der Kläger von der libyschen Marine festgenommen und 8 Monate inhaftiert worden. 2014 habe ihm der Mann, bei dem er gewohnt habe, geholfen aus dem Gefängnis rauszukommen.

Der Kläger trägt vor, seine Verlobte A. S. lebe in Deutschland, diese habe eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz. Hierzu legte er eine Kopie des Aufenthaltstitels vor. Zudem legte er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt eine Bestätigung seiner Exilorganisation TBOJ vor.

Mit Bescheid vom 8. Juli 2016 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Asylanerkennung ab (Ziffer 1 und Ziffer 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 6 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorliegen. Zudem wurde unter Aufforderung zur Ausreise die Abschiebung nach Äthiopien angedroht und das Wiedereinreiseverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Am 5. August 2016 erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid.

Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2018 legte der Klagebevollmächtigte noch eine weitere Bescheinigung der TBOJ vor, die die Teilnahme des Klägers an diversen weiteren Aktivitäten nachweise. Er macht geltend, ihm drohe wegen seiner exilpolitischen Tätigkeit eine Verfolgung im Heimatland. Die TBOJ stehe der OLF nahe, welche wiederum seitens der äthiopischen Regierung als terroristische Vereinigung angesehen werde. Ferner wurden das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23.11.2017 vorgelegt und die dort benannten Erkenntnismaterialien und Auskünfte zum Bestandteil des Vorbringens gemacht. Wie im Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg ausgeführt, habe sich durch die Aufhebung des Ausnahmezustandes zum 4.8.2017 keine Änderung an der Verfolgungssituation ergeben. Die Klägerseite beantragte im Schriftsatz vom 12.1.2018 höchstvorsorglich zum Beweis der Tatsache, dass auch nach der Aufhebung des Ausnahmezustandes in Äthiopien zum 4.8.2017 es unverändert dabei verbleibt, dass Personen, bei denen eine Mitgliedschaft in einer von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingeschätzten Gruppe bzw. einer mit dieser Gruppe verbundenen Exilorganisation vermutet wird, bei einer Rückkehr nach Äthiopien Haft für unbestimmte Zeit oder Misshandlung droht, die Einholung einer Auskunft einer sachverständigen Stelle, wie z.B. GIGA, G. Sch. oder das Auswärtige Amt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 8.7.2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlings-eigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise,

dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;

weiter hilfsweise,

festzustellen, dass bei dem Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des angegriffenen Bescheids,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom 13. November 2017 teilte die Beklagte mit, dass der Kläger in den Enzkreis, Baden-Württemberg, zu seinem am 25. Februar 2017 geborenen Kind umverteilt worden ist.

Mit Beschluss vom 15. Dezember 2017 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung seines Rechtsanwalts bewilligt. Zudem wurde mit der Ladung vom 15. Dezember 2017 die Auskunftsliste „Äthiopien“ mit Stand vom 12.12.2017 übersandt.

In der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2018 wurde der Kläger zu seiner Vorgeschichte und zu seiner exilpolitischen Tätigkeit befragt. Insoweit wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2018 verwiesen. Der Klagebevollmächtigte stellte zudem in der mündlichen Verhandlung den angekündigten Beweisantrag, bedingt auf Klageabweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen und auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2018 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und bleibt ohne Erfolg.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Entscheidung des Bundesamts, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zuzuerkennen sowie das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zu verneinen und den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Äthiopien zur Ausreise aufzufordern, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger damit auch nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Entscheidung des Bundesamts in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids, den Antrag des Klägers im Hinblick auf die Anerkennung als Asylberechtigter abzulehnen, ist bestandskräftig geworden. Der Kläger hat diese Entscheidung mit seiner Klage ausdrücklich nicht angegriffen. Ohnehin könnte er sich nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen, da er nach eigenen Angaben über Italien und Frankreich und damit über Mitgliedstaaten der EU in die Bundesrepublik eingereist ist.

Die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1) Die getroffene Entscheidung ist rechtmäßig, da er keinen Anspruch nach § 3 Abs. 4 Asylgesetz (AsylG) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat. Er ist kein Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG.

a) Ein Ausländer ist – unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben – Flüchtling, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen.

An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 – 13 A 1305/13.A – juris).

Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U.v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A – juris).

Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass die entscheidende Kammer einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 – juris; BVerwG, U.v. 11.11.1986 - 9 C 316.85 - juris). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VG Ansbach, U.v. 24.10.2016 – AN 3 K 16.30452 – juris mit weiteren Nachweisen).

b) Die geltend gemachte Vorverfolgung des Klägers, wonach er als 5- oder 6-jähriges Kind für sechs Monate zusammen mit seiner Mutter inhaftiert gewesen sei, führt schon ungeachtet der Frage der Glaubhaftigkeit der Schilderung nicht dazu, dass ihm bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht. Der Kläger behauptet diesbezüglich, dass der äthiopische Staat seine Eltern verfolgt habe, weil diese OLF Unterstützer gewesen seien und nun deshalb auch ihn verfolgen würde. Selbst wenn die Verfolgung der Eltern tatsächlich der Fall gewesen sein sollte, besteht kein Grund zur Annahme, dass der äthiopische Staat ein seinerzeit 5- oder 6-jähriges Kind nach über 15 Jahren Aufenthalts im Ausland nunmehr alleine wegen der damaligen OLF Unterstützung seiner Eltern verfolgen würde.

Hierauf kommt es aber ohnehin nicht an. Der Vortrag des Kläger ist insoweit wegen entscheidender Lücken unglaubhaft. Der Kläger gibt an, sämtliches Wissen zur Verfolgung seiner Eltern, wie auch zum Tod seines Vaters nur von Erzählungen seiner Mutter zu haben. Er vermochte sich nicht daran zu erinnern, wie sein Vater in der Nacht aus dem Haus geholt worden sein soll, obwohl er damals nach eigener Aussage bereits 5 oder 6 Jahre alt gewesen sein müsste und auch nicht angab, dass er - wovon nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht auszugehen ist - nicht im Haus war. Hierzu gab er an, er habe insoweit schlechte Erinnerungen und könne sich nicht konkret an etwas erinnern. Er muss damals aber schon in einem Alter gewesen sein, an das man sich nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus erinnern kann, noch dazu, wenn es sich um ein derart einschneidendes Erlebnis wie die nächtliche Verhaftung des Vaters in der Wohnung gehandelt haben soll. Daher ist zu vermuten, dass sich die Geschichte nicht wie geschildert ereignet hat und insoweit erfunden ist. Weshalb auch nicht von einer OLF Unterstützung der Eltern ausgegangen werden kann. Auch an der Glaubwürdigkeit des Klägers ist zu zweifeln. Der Kläger gab auch in anderen Bereichen nicht durchgehend die Wahrheit an. Er erzählte in der mündlichen Verhandlung, dass er mit seiner Exilorganisation Veranstaltungen der äthiopischen Regierung in Frankfurt am Main und München gestört habe, indem man in Frankfurt vor der Botschaft demonstriert habe und in München in den Veranstaltungssaal eingedrungen sei. Auf Nachfrage, wann diese Veranstaltung stattgefunden haben, antwortete der Kläger, dies sei im Jahr 2013 gewesen. Nachdem ihm vorgehalten worden war, dass er nach seinen bisherigen Angaben erst 2014 eingereist war, behauptete er dann, dass die Veranstaltungen 2015 gewesen seien. Als er darauf hingewiesen wurde, dass jedenfalls eine Frankfurter Veranstaltung für den Zeitraum 2015 in den Bestätigungen der TBOJ nicht aufgeführt sei, widersprach er zunächst, dass diese schon genannt sei. Auf nochmaligen Vorhalt erklärte er dann, dass wohl die Teilnehmerliste verloren gegangen sei. Auf die Frage, ob es eine solche gegeben habe, sagte er dann, dass es solche dort gar nicht gegeben habe. Hieraus wird deutlich, dass der Kläger seinen Vortrag jeweils auf entsprechenden Vorhalt anzupassen versucht hat, so dass der Kläger nicht glaubwürdig ist. Auch in Bezug auf München findet sich für das Jahr 2015 in den TBOJ Bescheinigungen keine passende Beschreibung. Für München wird nur eine Jahresmittekonferenz der Oromo Studies Association zusammen mit der Gründungsfeier des Senders Oromo Media Network angegeben. Auch insoweit ist also die Teilnahme an einer Störung einer Regierungsveranstaltung nicht aufgeführt. Sollten diese Veranstaltungen bereits, wie zuerst angegeben, 2013 stattgefunden und der Kläger daran teilgenommen haben, so fiele seine ganze Geschichte in sich zusammen, da dann wesentliche Teile nicht wie behauptet sein könnten.

c) Auch die Zugehörigkeit zum Volk der Oromo alleine vermag noch keine flüchtlingsrelevante Verfolgung zu begründen. Insoweit machte der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend, dass in Äthiopien hunderttausende Oromos in Haft säßen und Kinder erschossen würden und auch ihm dieses Schicksal bei einer Rückkehr drohe. Diese Kenntnisse entnehme er der Plattform Oromo-Media-Network.org. Die Freilassung eines führenden oromischen Oppositionspolitikers im Januar 2018 diene nur Propagandazwecken. Auch dies widerspricht den Erkenntnisquellen. Eine Verfolgung schlicht aufgrund der Zugehörigkeit zur Ethnie der Oromo findet nicht statt (vgl. nur AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, Seite 12). Tatsächlich verfolgt werden politisch tätige oppositionelle Oromo, denen eine Nähe zur OLF zugeschrieben wird. In Äthiopien selbst hat sich der Kläger aber nicht der OLF angeschlossen.

d) Soweit er geltend macht, aufgrund seiner exilpolitischen Tätigkeit für die TBOJ – UOSG einer Verfolgungsgefahr in Äthiopien ausgesetzt zu sein, führt auch dies nicht zur beachtlich wahrscheinlichen Gefahr einer politischen Verfolgung. Zwar ermöglicht § 28 Abs. 1a AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn die begründete Furcht nur auf Ereignissen beruht, die eingetreten sind, nachdem ein Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat (sog. Nachfluchttatbestände). Hierbei ist auch zu beachten, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1a AsylG im Gegensatz zu § 28 Abs. 2 AsylG auch möglich ist, wenn sämtliche Umstände erst nach der Flucht eingetreten sind. Im Gegensatz zu Vorfluchtgründen, die lediglich glaubhaft zu machen sind, bedürfen Nachfluchtgründe, die auf Ereignissen innerhalb des Gastlandes beruhen, des vollen Nachweises, wobei insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besonders strenge Anforderungen zu stellen sind. Insofern ist den Versuchen einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Asylrechtsschutzes im Bereich der Sachverhaltsermittlung zu begegnen (BVerwG, U.v.21.10.1986 - 9 C 28.85 - BVerwGE 75, 99; BVerwG, U.v. 8.11.1983 - 9 C 93.83 - BVerwGE 68, 171).

Nach Ansicht der Kammer ist es auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr nach Äthiopien eine Verfolgung wegen seiner exilpolitischen Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland drohen würde.

Dass ein Ausländer in seinem Heimatstaat politisch verfolgt wird, weil er in der Bundesrepublik Deutschland gegen seinen Staat politische Aktivitäten entfaltet hat, kann nur angenommen werden, wenn sowohl für das Bekanntwerden der Tätigkeit im Heimatstaat als auch für dessen im Sinne des Asylrechts politisch motivierte Reaktion hinreichend gewichtige Anhaltspunkte bestehen (BVerwG, U.v. 29.11.1977 - 1 C 33.71 - BVerwGE 55, 82). Gerade an letzterem fehlt es hier.

Es gibt zahlreiche äthiopische politische Exilgruppen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und Programmen. Dem Auswärtigen Amt liegen auch nach dem aktuellen Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien vom 6. März 2017 keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es nach dieser Auskunft auf den Einzelfall an, also z.B. darauf, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen wird oder um welche politische Tätigkeit es sich handelt (z.B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt (AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, II. 1.9., S. 16). Bei Würdigung dieser Auskunftslage ist weiterhin davon auszugehen, dass die Toleranzschwelle des äthiopischen Staates gegenüber exilpolitischen Aktivitäten seiner Staatsangehörigen sehr gering ist, so dass nicht nur medienwirksam exponierte Führungspersönlichkeiten der als terroristisch angesehenen illegalen Opposition bedroht sind. Vielmehr ist anzunehmen, dass jedenfalls Personen, die sich exponiert betätigt haben, mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben. Dagegen ist zur Überzeugung des Gerichts nach Auswertung der aktuellen Erkenntnisquellen eine Verfolgung von nicht herausgehoben politisch tätigen Personen zwar nicht ausgeschlossen, aber jedenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich.

Die Kammer geht weiterhin davon aus, dass Personen, die sich nur im Hinblick auf einen positiven Ausgang des Asylverfahrens einer exilpolitischen Gruppe anschließen und sich dort nicht exponiert betätigen, im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben. Gerade wegen der intensiven Beobachtung exilpolitischer Auslandsaktivitäten durch äthiopische Stellen muss davon ausgegangen werden, dass auch den äthiopischen Behörden klar ist, dass eine große Zahl äthiopischer Asylbewerber, die im Herkunftsland nicht politisch aufgefallen waren, nicht wegen ihrer politischen Überzeugung an exilpolitischen Veranstaltungen teilnimmt, sondern weil sie sich davon Vorteile im Asylverfahren erwartet.

Im Hinblick darauf ist es nicht wahrscheinlich, dass die äthiopischen Behörden derartige Personen als „verfolgungswürdig“ erachten. Damit ist eine politische Verfolgung im Heimatland nicht beachtlich wahrscheinlich. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn der betreffenden Person eine auf den ersten Blick exponiert erscheinende Position übertragen worden ist, ohne dass diese dann auch aktiv ausgefüllt wird. Mit dem Verwaltungsgericht Bayreuth geht das Gericht davon aus, dass die zu beobachtenden vielfältigen Vorstands- oder sonstigen Funktionen für sich alleine betrachtet den jeweiligen Asylbewerber, wenn er sich ansonsten im Heimatland als unpolitisch erwiesen hat, nicht zu einem aus dem Kreis der bloßen Mitläufer herausragenden, ernsthaften und damit aus Sicht des äthiopischen Staates zu verfolgenden Oppositionellen machen. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob der jeweilige Funktionsträger nicht nur durch das Innehaben eines Amtes, sondern durch sein davon unabhängiges politisches Engagement im Heimatland und in der Bundesrepublik sich als eine von der Masse der äthiopischen Asylbewerber abhebende und nach außen erkennbar politisch interessierte und aktive Person darstellt (VG Bayreuth, B.v. 26.8.2013 - B 3 K 12.30096 – juris; so im Ergebnis auch VG Ansbach, U.v. 21.2.2017 - AN 3 K 16.30481 - juris, VG Ansbach, U.v. 27.9.2016 - AN 3 K 16.30562 – juris; VG Ansbach, U.v. 27.08.2012 - AN 12.30258 - juris; VG München, U.v.31.5.2016 - M 12 K 16.30593 - juris; VG Kassel, U.v. 21.7.2016 - 1 K 1953/15.KS.A - juris).

Vorliegend gibt die TBOJ an, der OLF nahe zu stehen. Letztere wird von der Regierung Äthiopiens als Terrorgruppe angesehen. Eine herausgehobene Stellung des Klägers in der Exilorganisation besteht nicht. Er gab in der mündlichen Verhandlung an, Türsteher- oder Ordnertätigkeiten bei Veranstaltungen zu übernehmen. Schon die Übernahme einer solchen Tätigkeit spricht nicht dafür, dass er ein herausragender Kopf der Organisation ist.

e) Die Kammer folgt damit nicht der vom Klägerbevollmächtigten dargelegten Auffassung des Verwaltungsgerichts Würzburg, wonach einem für die TBOJ tätigen Asylbewerber in Äthiopien politische Verfolgung drohe. Das VG Würzburg hat in seinem Einzelrichterurteil vom 23. November 2017 ausgeführt, dass es aufgrund der ihm vorliegenden Erkenntnisse, die sich auf dieselben Erkenntnismittel wie hier stützen, davon ausgehe, dass staatliche äthiopische Stellen Kenntnis von den oppositionellen Tätigkeiten im Ausland lebender Äthiopier zu erlangen versuchen und diese Kenntnisse dazu nutzten, heimgekehrte, für die TBOJ exilpolitisch tätige Asylbewerber zu verfolgen.

Hierzu ist festzustellen, dass sich letzteres nach Ansicht der Kammer den Erkenntnismitteln nicht entnehmen lässt. Zunächst ist festzuhalten, dass nach sämtlichen Gutachten kein belegbarer Fall bekannt ist, wonach ein rein exilpolitisch tätiger Asylbewerber im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien verfolgt worden wäre. Sämtliche Gutachten basieren damit hinsichtlich der Verfolgungswahrscheinlichkeit auf Vermutungen ohne Tatsachengrundlage der jeweiligen Gutachter.

Das Auswärtige Amt teilt mit, dass keine Erkenntnisse vorlägen, wonach allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland zu staatlichen Repressionen führe. Es seien auch keine Fälle bekannt, wonach zurückgekehrte Äthiopier Benachteiligungen oder gar einer Festnahme oder Misshandlung ausgesetzt worden wären (AA in seinem Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, Seite 16 und 21). Demgegenüber steht die Aussage des Auswärtigen Amtes, wonach eine Verfolgung wahrscheinlich sei, wenn Anhänger der EPPFG aus dem Ausland zurückkehrten (AA an VG Gießen vom 9.12.2016 - EPPFG). Diese Aussage betraf aber zum einen eine andere Exilorganisation als die TBOJ, die EPPFG ist panäthiopischer Ausrichtung und gegen die ethnische Unterteilung des Landes, während die radikalsten Kräfte der OLF ein unabhängiges Oromia zum Ziel haben. Zum anderen wurde diese Aussage im aktuelleren Lagebericht des Auswärtigen Amts von 2017 nicht wiederholt und kann daher als überholt angesehen werden.

Die Auskunft des Leibniz-Instituts (GIGA an VG Gießen vom 30.1.2017 - EPPFG) betrifft ebenfalls die EPPFG und nicht die TBOJ. Zudem stellt diese Auskunft nur fest, dass eine Verhaftung für den Fall der Rückkehr nicht ausgeschlossen werden könne. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab erreicht aber schon nicht den Maßstab der nötigen beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit.

Die Auskünfte des Gutachters G. Sch. aus dem Jahr 2009 (Auskunft an das VG Köln vom 11.5.2009 Oromo, TBOJ/UOSG, OLF) und jene aus dem Jahr 2017 vermögen ebenfalls nicht zur Feststellung führen, dass heimkehrenden, rein exilpolitisch tätigen Asylbewerbern eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht. Dieser Gutachter behauptet zwar, dass zwangsweise zurückgeführte Äthiopier häufig verhaftet würden (G. Sch., Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 214). Dieser Behauptung steht zum einen die oben genannte Auskunft des Auswärtigen Amtes entgegen. Zum anderen gibt auch der Gutachter Sch. keinen nachweisbaren Beleg an, wonach ein TBOJ Mitglied bei der Rückkehr nach Äthiopien etwa verhaftet worden wäre. Die Aussage, Rückkehrer würden häufig verhaftet, steht leer im Raum. Die von ihm näher erwähnten Verhaftungen betreffen jeweils Fälle von in Äthiopien demonstrierenden Personen (G. Sch., Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 123, 125). So seien im Rahmen der Unruhen 2016 unter Geltung des Ausnahmezustandes über 11.000 Menschen verhaftet worden. Dabei war der Großteil der Inhaftierten auch wie der Kläger oromischer Volkszugehörigkeit, ihnen wurde jeweils vorgehalten, an gewalttätigen Aktionen im Auftrag der OLF beteiligt gewesen zu sein. Entscheidend für die Verhaftung war also nicht die Frage, ob sie zurückgekehrte exilpolitisch tätige Asylbewerber waren, sondern, dass sie tatsächlich vor Ort demonstriert hatten. Dies wiederum deckt sich mit der Auskunft des Auswärtigen Amts, wonach es im Hinblick auf eine Verfolgung auch darauf ankommt, wie sich ein Rückkehrer vor Ort verhält.

Der Gutachter Sch. führt weiter an, dass eine Unterscheidung in unbedeutende und herausgehobene Tätigkeiten für die Beurteilung einer Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht relevant sei (G. Sch., Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 228), da dem äthiopischen Staat ein hohes Maß an Willkür zuzurechnen sei. Abschließend stellt der Gutachter fest, dass sich im Einzelfall nicht vorhersagen lasse, mit welchen konkreten Verfolgungsmaßnahmen ein Rückkehrer zu rechnen habe (G. Sch., Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 237 Satz 1). Als Minimum müsse man jedoch mit einer längeren Inhaftierung und intensiver Befragung rechnen (G. Sch., Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 237 Satz 2). Auch hier steht diese Aussage leer im Raum und der Auskunft des Auswärtigen Amts entgegen. Ein nachweisbarer Einzelfall ist vom Gutachter ebenfalls nicht dargetan. Auch erscheint es widersprüchlich, zunächst festzustellen, dass man konkrete Verfolgungshandlungen nicht vorhersagen könne, dann jedoch festzuhalten, dass mindestens mit einer längeren Inhaftierung und intensiven Befragungen zu rechnen ist.

Auch soweit das VG Würzburg dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 6. März 2017 entnimmt, dass schon die Mitgliedschaft in einer von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingestuften Organisation für eine flüchtlingsrelevante Verfolgung ausreicht, folgt die Kammer dem nicht. Diese Wortlautauslegung einer amtlichen Auskunft legt zu viel Wert auf das Wort „oder“ und lässt den Sinnzusammenhang des Satzes im ganzen Absatz unberücksichtigt. Zunächst teilt das Auswärtige Amt nämlich mit, dass keine Erkenntnisse darüber vorlägen, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Es komme auf den Einzelfall an, d.h. darauf, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen werde oder um welche Art von exilpolitischer Tätigkeit es sich handle. Wenn man nun wie das VG Würzburg davon ausgeht, dass schon die einfache Mitgliedschaft eines Asylbewerbers bei der TBOJ ausreicht, so betrachtet man nicht mehr den Einzelfall, sondern pauschaliert nahezu sämtliche äthiopischen Asylbewerber, da der Großteil hiervon Mitglied oder Unterstützer irgendeiner Exilorganisation ist. Man ginge dann entgegen der Auskunft des Auswärtigen Amts, wonach es eben auf den Einzelfall ankommt, von einer generellen Verfolgung aller Mitglieder von Exilorganisationen, die von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingestuft werden, aus.

Nur am Rande sei ergänzt, dass die vorgelegten Teilnahmebescheinigungen der TBOJ Zweifel hinsichtlich der Dauer der Mitgliedschaft des Klägers aufwerfen, so soll er nach der ersten Bescheinigung seit 3. Mai 2014 Mitglied sein, nach der zweiten ist er dies aber erst seit 9. Januar 2016.

2) Dem in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellten Beweisantrag war nicht nachzukommen. Der Klagebevollmächtigte hatte zum Beweis der Tatsache, dass auch nach Aufhebung des Ausnahmezustandes in Äthiopien zum 4.8.2017 es unverändert dabei verbleibe, dass Personen, bei denen eine Mitgliedschaft in einer von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingeschätzten Gruppe bzw. einer mit dieser Gruppe verbundenen Exilorganisation vermutet wird, bei einer Rückkehr nach Äthiopien Haft für unbestimmte Zeit oder Misshandlung droht, beantragt, eine Auskunft einer sachverständigen Stelle einzuholen.

Es bestand kein Anlass über eine durch die Aufhebung des Ausnahmezustands eventuell unveränderte Sachlage Beweis zu erheben und hierzu eine neue Auskunft einzuholen. Denn die Kammer bewertet schon die Sachlage zur Zeit des Ausnahmezustands so, dass einem nicht exponiert tätigen, einfachen Mitglied der TBOJ bei einer Rückkehr keine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht (s.o.). Deshalb vermag auch die Aufhebung des Ausnahmezustands nicht zu einer Veränderung der bisherigen Einschätzung, wonach bei einer einfachen Mitgliedschaft keine Verfolgung droht, führen.

Der Kläger hat explizit vortragen lassen, dass die Situation unverändert sei. Auch sonstige Anhaltspunkte, dass sich die Situation durch die Aufhebung des Ausnahmezustands verschlechtert hätte, liegen nicht vor. Auch insoweit war die Einholung einer neuen Auskunft nicht geboten.

Soweit man dem Beweisantrag entnehmen könnte, dass die bisherige Sichtweise des Gerichts auf unzureichenden Erkenntnismitteln beruhe und deshalb eine neue Auskunft einzuholen sei, aus der sich dann ergeben werde, dass auch rein exilpolitisch tätigen Personen ohne herausgehobene Position in Äthiopien Verfolgung drohe, ist darauf zu verweisen, dass das Gericht seiner Bewertung dieselben Erkenntnismittel zu Grunde legt, wie das zu einer gegensätzlichen Einschätzung der Sachlage kommende VG Würzburg. Es liegt also eine unterschiedliche Bewertung der vorhandenen Erkenntnisse vor. Über die Frage, wie vorhandene Erkenntnismittel zu bewerten sind, kann aber, da dies eine Wertungs- und keine Tatsachenfrage ist, kein Beweis erhoben werden. Auch deshalb war dem bedingten Beweisantrag nicht nachzukommen. Eine erneute Auskunft würde die Erkenntnislage nicht verändern, zumal auch nicht vorgetragen ist, dass einer der bisherigen Gutachter aufgrund neuer oder besserer Kenntnisse (z.B. aufgrund neuer Quellen) nunmehr zu einer genaueren oder besseren Einschätzung der Situation in der Lage wäre.

3) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 die Verhän-gung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Ein derartiger Schaden droht dem Kläger nach den obigen Ausführungen nicht.

4) Schließlich sind auch Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht ersichtlich. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Mangels Erkennbarkeit diesbezüglicher Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.

Ebenso wenig besteht ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebeschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfällt die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung aber jedenfalls dann, wenn die oberste Landesbehörde trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage keinen generellen Abschiebestopp erlassen bzw. diesen nicht verlängert hat und ein vergleichbarer wirksamer Schutz den betroffenen Ausländern nicht vermittelt wird. Die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG gebieten danach die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn einer extremen Lebensgefahr oder einer extremen Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit entgegen gewirkt werden muss. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt wäre (BVerwG, U.v. 17.10.1995 - BVerwGE 99, 324; BVerwG, U.v. 19.11.1996 - BVerwGE 102, 249, BVerwG, U.v. 12.7.2001 - BVerwGE 115, 1). Eine derartige Gefahrensituation könnte sich auch aus den harten Existenzbedingungen und der Versorgungslage in Äthiopien ergeben.

Ob die Annahme einer extremen Gefahrenlage im Wege der verfassungskonformen Auslegung nunmehr ausscheidet, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 31.1.2013 (Az. 10 C 15/12 – juris) davon ausgeht, dass in begründeten Ausnahmefällen schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat (auch) ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen können, kann letztlich dahinstehen, da die anzuwendenden Gefahrenmaßstäbe weitgehend übereinstimmen.

Nach den dem Gericht vorliegenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnissen ist die Versorgungssituation für den Kläger in Äthiopien jedoch nicht so schlecht, dass von einer Gefahr im beschriebenen Sinn auszugehen wäre. Obwohl Äthiopien zwischen den Jahren 2004 und 2014 ein konstantes wirtschaftliches Wachstum aufwies, zählt das Land immer noch zu den ärmsten Staaten der Welt. Auf dem Human Development Index des UNO-Entwicklungsprogramms belegt Äthiopien Platz 173 von 186. 77,6% der Bevölkerung leben von weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt bei 170 US-Dollar. 82% Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft (SFH, Äthiopien, Update: Aktuelle Entwicklungen bis Juni 2014, Rahel Zürrer, Bern 2014). Andererseits ist die Arbeitslosigkeit in den ländlichen Regionen niedrig. Statt auf Arbeitslosigkeit trifft man dort auf unterproduktive Landwirtschaft (IOM, Länderinformationsblatt Äthiopien, Juni 2014, VII. 8.2.1, S. 19). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert, weshalb große Teile der Bevölkerung auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. Im Jahr 2014 waren ca. 3,2 Millionen Äthiopier auf solche Hilfen angewiesen, wobei sich die Hilfen neben der reinen Nahrungsmittelhilfe auch auf Non Food Items (Hygiene und Gesundheit) bezogen. Zusätzlich wurden 7,8 Millionen Menschen über das Productive Safety Net Programme unterstützt, die sonst auch Nothilfe benötigt hätten (AA, Lagebericht vom 24.5.2016, Stand: März 2016, IV. 1. 1.1. S. 20).

Im jüngsten Lagebericht spricht das Auswärtige Amt davon, dass 7,9 Millionen Menschen auf das staatliche Sozialprogramm zur Ernährungssicherung angewiesen sind (AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, IV 1.1, S. 20). Hier zeigt es sich, dass die Situation für große Teile der Bevölkerung schwierig ist. Gleichwohl bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer keine Nahrungsmittelhilfe erhalten. Für Rückkehrer bieten sich im Übrigen schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur bescheidenen Existenzgründung. Der noch junge und gesunde Kläger ist arbeitsfähig, so dass auch die Möglichkeit besteht, sich vor Ort Arbeit zu suchen und zu finden.

Auch aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines jedenfalls derzeit in Deutschland aufenthaltsberechtigten Kindes ist, ergibt sich kein hier zu prüfendes Abschiebehindernis.

5) Die Ziffer 6 des Bescheids, die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate, wurde nach dem Antrag aus der Klageschrift schon nicht angegriffen, da nur hinsichtlich der explizit genannten Anträge eine entsprechende Aufhebung des Bescheids beantragt war. Sie ist damit bestandskräftig geworden. Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass es zumindest fraglich erscheint, ob der Kläger, hinsichtlich einer Änderung der Sachlage durch die zwischenzeitliche Geburt seines Kindes, überhaupt ein Neuverbescheidungsinteresse hätte. Denn wenn er wegen der Geburt des Kindes in den Genuss eines inländischen Abschiebeverbots kommt, müsste er eine Wiedereinreisesperre mangels durchsetzbarer Abschiebung schon nicht fürchten.

Die Entscheidung zur Kostentragung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der am … 1990 geborene Kläger, äthiopischer Staatsangehörigkeit, wendet sich gegen einen ablehnenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) und begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter, hilfsweise die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wiederum hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und wiederum hilfsweise die Feststellung des Vorliegens von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).

Der amharische Kläger reiste eigenen Angaben zufolge am 6. September 2013 auf dem Landweg in Begleitung seiner Frau (Klägerin im Verfahren mit dem Aktenzeichen RO 2 K 16.30644) in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 16. September 2013 einen Asylantrag. Am 16. September 2013 erfolgte eine erste Befragung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt). Am 23. September 2013 führte die Regierung von Mittelfranken eine Befragung durch. Die Anhörung gemäß § 25 Asylgesetz (AsylG) fand am 22. Juli 2014 statt.

Der Kläger gab in den ersten beiden Befragungen an, der amharischen Volksgruppe anzugehören und außer amharisch keine Sprache zu beherrschen. Er habe seine Dokumente Mitte 2011 in K. im Sudan verloren. Vor seiner Ausreise aus Äthiopien habe er im Dorf G. B. in der Nähe von A. gelebt. Zusammen mit seiner Ehefrau habe er am 25. April 2008 sein Heimatland in Richtung Sudan verlassen. Bis April oder Mai 2013 habe sich das Paar in K. aufgehalten. Am 6. August 2013 seien sie nach Libyen aufgebrochen. Von dort aus hätten sie per Schiff nach Italien übergesetzt und seien dort am 14. August 2013 angekommen. Anschließend seien sie mit dem Zug nach München gefahren. In K. lebe noch eine Tochter des Paares. Diese sei am 4. August 2009 geboren worden und befinde sich in der Obhut der Schwiegermutter des Klägers. Am 16. September 2013 gab er an, sein Vater sei verstorben und seine Mutter sei ca. 45 Jahre alt und lebe in A. Be. In Äthiopien lebten noch zwei jüngere Geschwister bei seiner Mutter. Bis zur achten Klasse sei er zur Schule gegangen. Am 23. September 2013 teilte er mit, dass seine Mutter 2003 verstorben und in der Stadt D. begraben sei. Dort lebten auch seine Stiefgeschwister. Die Grundschule habe er vier Jahre lang besucht.

In der Anhörung am 22. Juli 2014 gab er zu Beginn an, dass es bei seiner Erstbefragung ein paar Missverständnisse gegeben habe, welche er ausräumen möchte. Er habe unter der Flucht noch gelitten und deswegen falsche Daten genannt. Sein richtiger Name sei Ki. H. T. Er sei Sohn eines Imam und von Geburt an Moslem gewesen. Er sei zusammen mit seiner Frau fünf Jahre im Sudan gewesen, diese habe dort gearbeitet, er nicht. Er habe dort für die äthiopische Opposition Zeitschriften, Flugblätter und solche Sachen gemacht. Er sei dort Chefredakteur gewesen. Seine Frau habe ein kleines Café gehabt und traditionelles Essen gekocht. Seine Tochter habe er im Sudan gelassen, da er von einem Imam in Äthiopien verfolgt worden sei. Seine Familie habe ihn verfolgt. Sein Leben sei in Gefahr gewesen, die Tochter müsse weiterleben, sie solle nicht wegen seiner Schuld sterben. Die Mutter seiner Frau passe auf seine Tochter auf. Zur Schwiegermutter bestehe (damals) Kontakt. Aus dem Sudan sei er ausgereist, weil in der Moschee sein Todesurteil ausgesprochen worden sei. Wer ihn umbringe, komme ins Paradies. Gegen seinen Vater habe man sich verschworen, diesem sei gesagt worden, wie könne sein Wort Gewicht haben, wenn sein Sohn Christ geworden sei. Er habe von seinem Halbbruder, der gebildet sei und in der Stadt D. arbeite, am 27. August 2013 Informationen bekommen, dass nach ihm gesucht werde. Der Bruder habe ihm mitgeteilt, dass das Versteck bekannt geworden sei und er sein Leben retten solle.

In Äthiopien habe er seine Frau im Jahr 2000 (äthiopischer Kalender) kennengelernt und sich in sie verliebt. Sie sei in das Bekleidungsgeschäft seiner Familie gekommen. Sie hätten sich öfters gesehen. Seine Frau wollte keinen Moslem zum Mann, weil dieser bis zu vier Frauen haben dürfe. Deshalb sei er konvertiert. Aus Liebe zu ihr sei er Christ geworden. Seine Eltern, insbesondere sein Vater, hätten ihm gesagt, dass er die Familienehre verletzt habe. Bis dahin sei er praktizierender Moslem gewesen. Er habe die Wahrheit erkannt und sei deshalb Christ geworden. Eine Woche vor der Hochzeit habe er sich taufen lassen. Zuvor habe er Bibelunterricht erhalten. Er habe nicht geglaubt, wegen einer Taufe Probleme zu bekommen. Er habe nur seine Frau im Kopf gehabt und gedacht, seine Familie werde es schon akzeptieren. Mit Todesdrohungen habe er nicht gerechnet. Die Familie habe von der Heirat gewusst. Nach den Todesdrohungen sei er demotiviert gewesen. Sie seien dann zum Onkel der Frau gegangen und dort drei Monate bis zur Ausreise geblieben. Er könne nicht einmal in Deutschland seinen richtigen Namen nennen, da auch hier welche seien, die sehr extremistisch sind.

In Äthiopien sei er nicht politisch tätig gewesen. Im Sudan habe er sich für eine Gruppe namens Menschen für Menschen engagiert.

In Deutschland mache er ein paar Aufgaben für die EPRP, aber nicht viel. Er nehme an Veranstaltungen teil. Er sei Chefredakteur der Zeitschrift „Platform for Freedom of Expression“ (Netsebraq). Diese Zeitschrift gebe es seit (damals) vier Monaten. Es seien zwei Ausgaben erschienen, die Auflage betrage so 100 - 200 Stück. Als Chefredakteur schaue er alle Schreiben durch und wähle die Überschriften aus. Für die 36 Seiten dicke Zeitung seien drei Chefredakteure nötig, weil sie alles korrigieren müssen und alles bestimmen. Er sei hierfür qualifiziert, weil er bis zur zehnten Klasse zur Schule gegangen und nicht wie früher angegeben bis zur Achten oder Vierten.

Bei einer Rückkehr nach Äthiopien werde er von ungebildeten Extremisten umgebracht. Lieber werde er hier von einem gebildeten umgebracht. Die äthiopische Regierung gewähre ihm keinen Schutz.

Mit Bescheid vom 29. März 2016 lehnte die Beklagte die Begehren des Klägers ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen und drohte die Abschiebung nach Äthiopien an. Hiergegen ließ der Kläger am 16. April 2016 Klage erheben.

Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2016 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Ergänzungen vortragen. Er betonte nochmals, dass sein richtiger Name Ki. H. T. sei. Seine leibliche Mutter sei 2003 verstorben, diese habe in die Ehe bereits einen Sohn und eine Tochter mitgebracht. Der Vater habe nochmals geheiratet und weitere Kinder (Tochter und Sohn) bekommen. Der Vater sei doch nicht verstorben, sondern lebe noch. Der Kläger sei 10 Jahre in der Schule gewesen. Als Sohn eines Imams sei der Kläger nach religiösen Regeln aufgezogen worden. Im September 2007 habe er seine spätere Frau kenngelernt. Anfangs sei die Beziehung verheimlicht worden. Nach Bekanntgabe der geplanten Hochzeit habe der Vater gesagt, diese werde nicht stattfinden. Der Halbbruder des Klägers sei loyal zum Kläger geblieben. Am 1. Februar 2008 hätten er seine Frau dann kirchlich geheiratet. Daraufhin habe der Vater in der Moschee eine Fatwa gegen ihn ausgesprochen. Auch die Schwiegermutter des Klägers sei in die Verfolgung einbezogen worden, da man ihr unterstellte, zum Religionswechsel beigetragen zu haben. Ihr sei das Haus angezündet worden. Mit ihrem damals zwölfjährigen Sohn sei sie bei einer Freundin untergekommen. Der Sohn habe das Haus verlassen und sei drei Tage später verschwunden, man wisse nichts mehr über ihn. Daraufhin sei man in den Sudan geflohen. Dort habe man sich als Moslems ausgegeben. Ein Halbbruder des Klägers habe ab und an mit Geld ausgeholfen. Im Sudan sei am 4. August 2009 die Tochter F. geboren worden. Im August 2013 habe der Kläger von seinem Halbbruder die Nachricht erhalten, dass man ihm im Sudan auf die Spur gekommen sei. So habe man Schwiegermutter und Tochter im Sudan gelassen und sei über Libyen nach Italien und Deutschland geflohen. Hier sei man nun für die EPRP tätig und arbeite an der Zeitschrift Netsebraq mit. Diese Zeitschrift veröffentliche Beiträge und Gedichte, die sich gegen das äthiopische Regime wendeten. Zudem sei der Kläger Mitglied von EPCOU. Letztere sei eine parteiübergreifende Oppositionsorganisation. Der Kläger beteilige sich an Protest- und Informationsveranstaltungen der äthiopischen Exilopposition. Man habe etwa ein im äthiopischen Generalkonsulat Frankfurt am 9. April 2016 geplantes Treffen der in Deutschland lebenden Amharen verhindert, indem man vor dem Konsulat demonstriert habe.

Dem Kläger drohe Verfolgung durch seinen Vater. Die muslimische Gemeinde habe enge Netze. Auch in Ad. Ab. sei er deshalb nicht sicher. Ohne die Familie aber, könne der Kläger sich keine Existenz aufbauen. Wegen seines Engagements für die Exilorganisationen drohe ihm politische Verfolgung.

Mit weiterem Schreiben vom 27. Februar 2018 ergänzte der Klagebevollmächtigte die Klagebegründung. Der Kläger und seine Frau seien weiterhin exilpolitisch tätig. Nunmehr hätten sie sich der EDFM angeschlossen. Die EDFM (Ethiopian Democratic Forces Movement) vertrete die EPPF/Gunbot 7 Berhanu Negas in Deutschland. Man nehme an diversen Protest- und Infoveranstaltungen teil.

Auch veröffentliche er weiterhin Artikel in der Netsebraq. Im Oktober 2016 und im Januar 2018 seien Artikel von ihm erschienen. Diese finde man auch auf der Website: netsebraqm.wordpress.com. Im Januar 2018 habe er mit einem Artikel in dem Magazin den Leiter (Generaldirektor) der WHO (World Health Organisation) und früheren äthiopischen Außenminister Teerose Adhanom (gemeint ist wohl Tedros Adhanom) der Folterunterstützung bezichtigt.

Der Kläger trägt vor, die Lage in Äthiopien habe sich seit November 2015 drastisch verändert. Die Auskunftslage belege eine Verschärfung der innenpolitischen Situation. Die Eintrittsschwelle für eine politische Verfolgung sei sehr niedrig. Insbesondere richte sich die Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte auf die Exilpresse. Diese spiele angesichts der Ausschaltung der freien Presse im Land eine große Rolle. Jede Positionsnahme für eine Entmachtung der EPRDF werde als strafbar gewertet. Auf das Urteil des VG Würzburgs vom 24. Juli 2017 (W 3 K 16.20710) werden hingewiesen. Zu beachten sei auch, dass der Ausnahmezustand am 16. Februar 2018 erneut verhängt worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2016, Aktenzeichen 5 669 714 - 225 vollumfänglich aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten gemäß Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz anzuerkennen,

hilfsweise,

ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wiederum hilfsweise, ihm subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) zu gewähren,

weiter hilfsweise,

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz festzustellen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Begründung des angegriffenen Bescheids,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2017 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde durch Beschluss vom 26. Januar 2018 abgelehnt.

Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2018 informatorisch angehört. Hierbei wurde er insbesondere zu seinem vormaligen Glauben, seinem wahren Namen und seiner exilpolitischen Tätigkeiten befragt. Insoweit wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung verwiesen. Der Klagebevollmächtigte stellte in der mündlichen Verhandlung 6 Beweisanträge, die sämtliche abgelehnt worden sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten, auch des Verfahrens der Ehefrau und des Sohnes (RO 2 K 16.30644, RO 2 K 16.30645), sowie die jeweiligen Niederschrift auch in deren Verfahren der mündlichen Verhandlungen vom 7. März 2018 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und bleibt ohne Erfolg.

Die Entscheidung des Bundesamts, dem Kläger die Anerkennung als Asylberechtigter, die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zuzuerkennen sowie das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen und den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Äthiopien zur Ausreise aufzufordern, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger damit auch nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Entscheidung des Bundesamts in Ziffer 2 des gegenständlichen Bescheids ist rechtmäßig. Der Kläger kann sich, da er nach eigenen Angaben über Italien als einem EU Mitgliedstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, nicht auf Asyl nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) berufen, wie sich schon aus Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG ergibt.

Auch die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1) Die getroffene Entscheidung ist rechtmäßig, da er keinen Anspruch nach § 3 Abs. 4 Asylgesetz (AsylG) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat. Er ist kein Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG.

a) Ein Ausländer ist – unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben – Flüchtling, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen.

An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 – 13 A 1305/13.A – juris).

Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U.v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A – juris).

Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der entscheidende Richter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 – juris; BVerwG, U.v. 11.11.1986 - 9 C 316.85 - juris). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VG Ansbach, U.v. 24.10.2016 – AN 3 K 16.30452 – juris mit weiteren Nachweisen).

b) Die geltend gemachte Vorverfolgung führt schon ungeachtet der Frage der Glaubhaftigkeit der Schilderungen und der sich aus der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Richters ergebenden fehlenden Glaubwürdigkeit des Klägers aufgrund mehrfacher irreführender Behauptungen und falscher Angaben (s.u.) nicht zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung.

Zwar wäre eine Verfolgung infolge eines Religionswechsels ein tauglicher Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Jedoch ginge die geltend gemachte Verfolgung nicht von einem Akteur i.S.d. § 3c AsylG aus. Verfolger wäre nach Angaben des Klägers allenfalls sein Vater und dessen Familie. Diese sehe den Kläger infolge der Konversion zum Christentum als Apostaten an und soll in der Moschee eine Todesdrohung (Fatwa) gegen ihn ausgesprochen haben. Wobei schon fraglich ist - ohne das es hierauf ankommt -, ob im islamischen Recht jedem Dorfimam die entsprechende religiöse Autorität zukommt, Fatwas zu erlassen. Der Vater und dessen Familie sind aber weder der äthiopische Staat (§ 3c Nr. 1 AsylG), noch sind sie eine Organisation, die einen wesentlichen Teil Äthiopiens beherrscht (3c Nr. 2 AsylG), noch sind sie ein nichtstaatlicher Akteur nach § 3c Nr. 3 AsylG. Von letzterem kann entgegen der klägerischen Ausführungen nicht ausgegangen werden, da nicht ersichtlich ist, dass die äthiopische Regierung weder in der Lage noch willens wäre dem Kläger und seiner Frau Schutz vor Verfolgung zu geben. Die Behauptung des Klägers, dass ihn auch die muslimischen äthiopischen Polizisten in Folge der Fatwa umbringen würden, falls er dort Schutz suchen würde, steht in diametralem Gegensatz zur Auskunft des Auswärtigen Amts an das Bundesamt vom 15. Januar 2018. Hiernach kommt es zwar eventuell in streng religiösen Familien zu Problemen infolge von Glaubenswechseln. Jedoch herrscht in Äthiopien Glaubensfreiheit. Probleme staatlicher oder offizieller Art gibt es dort diesbezüglich nicht. Zudem gibt es in der Hauptstadt Unterstützungsgruppen für Religionswechsler.

Auch die Glaubhaftigkeit des Vortrags zur Fluchtgeschichte ist angesichts mehrerer Unstimmigkeiten oder Widersprüche in Zweifel zu ziehen. Das Gericht sieht es als zweifelhaft an, dass die vermeintlichen Verfolger über 4 Jahre nicht gewusst haben sollen, wo sich der Kläger und seine Familie aufhalten, dann aber im Sommer 2013 plötzlich den Aufenthaltsort wussten. Zudem hat der Kläger in der Befragung am 22. Juli 2014 angegeben, von seinem Bruder am 27. August 2013 über die drohende Entdeckung informiert worden zu sein. In der mündlichen Verhandlung hat er dann erklärt, schon am 27. Juli 2013 vom Bruder angerufen worden zu sein. Man sei dann am nächsten Tag nach Libyen geflohen. Bei der Regierung von Mittelfranken hatte er angegeben bis 6. August 2013 im Sudan gewesen zu sein. Auch erschließt sich dem Gericht nicht, dass Eltern ihre Tochter, die als Folge des Religionswechsels für die Verfolger sichtbares Zeichen der Apostasie sein muss, bei der Schwiegermutter lassen. Zwar ist nachvollziehbar, dass die Saharadurchquerung für ein kleines Kind nicht zu schaffen ist, umso mehr verwundert aber, dass man die Tochter dann bei der Schwiegermutter lässt, wo die Verfolger doch angeblich wissen, wo im Sudan man sich befindet, anstatt, bei ihr zu bleiben, um sie zu schützen. Die Behauptung des Klägers, man habe gehofft, dass die Verfolger glauben würden, die Tochter sei mit nach Libyen gegangen und würden sie deshalb nicht im Sudan suchen ist schlicht unglaubhaft. Zumal der Klägers im Schriftsatz vom 4. Mai 2016 (Seite 6) behauptet hat, dass die Netzwerke der äthiopischen Muslime weitreichend sind. Nimmt man nämlich an, dass die vermeintlichen Verfolger wissen, wo sich der Kläger befindet, dann ist es lebensfremd zu glauben, dass sie dann nicht herausbekommen würden, dass die Tochter vor Ort geblieben ist. Auch die Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung, man habe seit ca. 8 Monaten keinen Kontakt mehr zur Tochter, weil Schwiegermutter und Tochter krank seien und man aus Furcht vor schlechten Nachrichten lieber keine Nachrichten bekomme, verwundert sehr, widerspricht jeglicher Lebenserfahrung und trägt nicht zur Glaubhaftigkeit des Ganzen bei.

c) Eine Verfolgung durch den äthiopischen Staat aufgrund eines politischen Engagements vor Ort in Äthiopien wurde schon nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich.

d) Soweit der Kläger geltend macht, zunächst für die EPRP exilpolitisch tätig gewesen zu sein und nunmehr die EDFM zu unterstützen, sowie an der Zeitschrift NETSEBRAQ als einer von drei Chefredakteuren mitzuarbeiten, führt auch dies nicht zur Annahme der beachtlich wahrscheinlichen Gefahr einer politischen Verfolgung im Heimatland.

Zwar ermöglicht § 28 Abs. 1a AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn die begründete Furcht nur auf Ereignissen beruht, die eingetreten sind, nachdem ein Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat (sog. Nachfluchttatbestände). Hierbei ist auch zu beachten, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1a AsylG im Gegensatz zu § 28 Abs. 2 AsylG auch möglich ist, wenn sämtliche Umstände erst nach der Flucht eingetreten sind. Im Gegensatz zu Vorfluchtgründen, die lediglich glaubhaft zu machen sind, bedürfen Nachfluchtgründe, die auf Ereignissen innerhalb des Gastlandes beruhen, des vollen Nachweises, wobei insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besonders strenge Anforderungen zu stellen sind. Insofern ist den Versuchen einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Asylrechtsschutzes im Bereich der Sachverhaltsermittlung zu begegnen (BVerwG, U.v.21.10.1986 - 9 C 28.85 - BVerwGE 75, 99; BVerwG, U.v. 8.11.1983 - 9 C 93.83 - BVerwGE 68, 171).

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer ist es auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr nach Äthiopien eine Verfolgung wegen seiner exilpolitischen Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland drohen würde (vgl. VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris).

Dass ein Ausländer in seinem Heimatstaat politisch verfolgt wird, weil er in der Bundesrepublik Deutschland gegen seinen Staat politische Aktivitäten entfaltet hat, kann nur angenommen werden, wenn sowohl für das Bekanntwerden der Tätigkeit im Heimatstaat als auch für dessen im Sinne des Asylrechts politisch motivierte Reaktion hinreichend gewichtige Anhaltspunkte bestehen (BVerwG, U.v. 29.11.1977 - 1 C 33.71 - BVerwGE 55, 82). Gerade an letzterem fehlt es hier.

Es gibt zahlreiche äthiopische politische Exilgruppen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und Programmen. Dem Auswärtigen Amt liegen auch nach dem aktuellen Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien vom 6. März 2017 keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es nach dieser Auskunft auf den Einzelfall an, also z.B. darauf, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen wird oder um welche politische Tätigkeit es sich handelt (z.B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt (AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, II. 1.9., S. 16). Bei Würdigung dieser Auskunftslage ist weiterhin davon auszugehen, dass die Toleranzschwelle des äthiopischen Staates gegenüber exilpolitischen Aktivitäten seiner Staatsangehörigen sehr gering ist, so dass nicht nur medienwirksam exponierte Führungspersönlichkeiten der als terroristisch angesehenen illegalen Opposition bedroht sind. Vielmehr ist anzunehmen, dass jedenfalls Personen, die sich exponiert betätigt haben, mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben. Dagegen ist zur Überzeugung des Gerichts nach Auswertung der aktuellen Erkenntnisquellen eine Verfolgung von nicht herausgehoben politisch tätigen Personen zwar nicht ausgeschlossen, aber jedenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich.

Die Kammer und der entscheidende Einzelrichter gehen weiterhin davon aus, dass Personen, die sich nur im Hinblick auf einen positiven Ausgang des Asylverfahrens einer exilpolitischen Gruppe anschließen und sich dort nicht exponiert betätigen, im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben. Gerade wegen der intensiven Beobachtung exilpolitischer Auslandsaktivitäten durch äthiopische Stellen muss davon ausgegangen werden, dass auch den äthiopischen Behörden klar ist, dass eine große Zahl äthiopischer Asylbewerber, die im Herkunftsland nicht politisch aufgefallen waren, nicht wegen ihrer politischen Überzeugung an exilpolitischen Veranstaltungen teilnimmt, sondern weil sie sich davon Vorteile im Asylverfahren erwartet.

Im Hinblick darauf ist es nicht wahrscheinlich, dass die äthiopischen Behörden derartige Personen als „verfolgungswürdig“ erachten. Damit ist eine politische Verfolgung im Heimatland nicht beachtlich wahrscheinlich. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn der betreffenden Person eine auf den ersten Blick exponiert erscheinende Position übertragen worden ist, ohne dass diese dann auch aktiv ausgefüllt wird. Mit dem Verwaltungsgericht Bayreuth geht das Gericht weiterhin davon aus, dass die zu beobachtenden vielfältigen Vorstands- oder sonstigen Funktionen für sich alleine betrachtet den jeweiligen Asylbewerber, wenn er sich ansonsten im Heimatland als unpolitisch erwiesen hat, nicht zu einem aus dem Kreis der bloßen Mitläufer herausragenden, ernsthaften und damit aus Sicht des äthiopischen Staates zu verfolgenden Oppositionellen machen. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob der jeweilige Funktionsträger nicht nur durch das Innehaben eines Amtes, sondern durch sein davon unabhängiges politisches Engagement im Heimatland und in der Bundesrepublik sich als eine von der Masse der äthiopischen Asylbewerber abhebende und nach außen erkennbar politisch interessierte und aktive Person darstellt (VG Bayreuth, B.v. 26.8.2013 - B 3 K 12.30096 – juris; so im Ergebnis auch VG Ansbach, U.v. 21.2.2017 - AN 3 K 16.30481 - juris, VG Ansbach, U.v. 27.9.2016 - AN 3 K 16.30562 – juris; VG Ansbach, U.v. 27.08.2012 - AN 12.30258 - juris; VG München, U.v.31.5.2016 - M 12 K 16.30593 - juris; VG Kassel, U.v. 21.7.2016 - 1 K 1953/15.KS.A - juris).

Die Kammer und der Einzelrichter folgen damit nicht der vom Klägerbevollmächtigten dargelegten Auffassung des Verwaltungsgerichts Würzburg, wonach einem exilpolitisch tätigem Asylbewerber in Äthiopien politische Verfolgung drohe. Das VG Würzburg hat in Urteilen vom 24. Juli 2017 und vom 23. November 2017 zu einer die EPPFG,EPCOU unterstützenden Amharin und einem die TBOJ unterstützenden Oromo ausgeführt, dass es aufgrund der ihm vorliegenden Erkenntnisse - die sich auf dieselben Erkenntnismittel wie hier stützen - davon ausgehe, dass staatliche äthiopische Stellen Kenntnis von den oppositionellen Tätigkeiten im Ausland lebender Äthiopier zu erlangen versuchen und diese Kenntnisse dazu nutzten, heimgekehrte, exilpolitisch tätige Asylbewerber zu verfolgen.

Hierzu ist festzustellen, dass sich die Aussage, wonach jede exilpolitische Betätigung, auch die eines reinen Mitläufers, zu einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung führen werde, nach Ansicht des Gerichts den Erkenntnismitteln nicht entnehmen lässt. Zunächst ist festzuhalten, dass nach sämtlichen Gutachten kein belegbarer Fall bekannt ist, wonach ein rein exilpolitisch tätiger Asylbewerber im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien verfolgt worden wäre. Sämtliche Gutachten basieren damit hinsichtlich der Verfolgungswahrscheinlichkeit auf Vermutungen ohne Tatsachengrundlage der jeweiligen Gutachter.

Das Auswärtige Amt teilt mit, dass keine Erkenntnisse vorlägen, wonach allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland zu staatlichen Repressionen führe. Es seien auch keine Fälle bekannt, wonach zurückgekehrte Äthiopier Benachteiligungen oder gar einer Festnahme oder Misshandlung ausgesetzt worden wären (AA in seinem Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, Seite 16 und 21). Demgegenüber steht die Aussage des Auswärtigen Amtes, wonach eine Verfolgung wahrscheinlich sei, wenn Anhänger der EPPFG aus dem Ausland zurückkehrten (AA an VG Gießen vom 9.12.2016 - EPPFG). Diese Aussage wurde aber im aktuelleren Lagebericht des Auswärtigen Amts von 2017 nicht wiederholt und kann daher als überholt angesehen werden.

Die Auskunft des Leibniz-Instituts (GIGA an VG Gießen vom 30.1.2017 - EPPFG) betrifft die EPPFG. Zudem stellt diese Auskunft nur fest, dass eine Verhaftung für den Fall der Rückkehr nicht ausgeschlossen werden könne. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab erreicht aber schon nicht den Maßstab der nötigen beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit.

Die Auskünfte des Gutachters Günter Schröder aus dem Jahr 2009 (Auskunft an das VG Köln vom 11.5.2009 Oromo, TBOJ/UOSG, OLF) und jene aus dem Jahr 2017 vermögen ebenfalls nicht zur Feststellung führen, dass heimkehrenden, rein exilpolitisch tätigen Asylbewerbern eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht. Dieser Gutachter behauptet zwar, dass zwangsweise zurückgeführte Äthiopier häufig verhaftet würden (Günter Schröder, Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 214). Dieser Behauptung steht zum einen die oben genannte Auskunft des Auswärtigen Amtes entgegen. Zum anderen gibt auch der Gutachter Schröder keinen nachweisbaren Beleg an, wonach ein rein exilpolitische tätiges Mitglied einer der zahlreichen Exilorganisationen bei der Rückkehr nach Äthiopien etwa verhaftet worden wäre. Die Aussage, Rückkehrer würden häufig verhaftet, steht leer im Raum. Die von ihm näher erwähnten Verhaftungen betreffen jeweils Fälle von in Äthiopien demonstrierenden Personen (Günter Schröder, Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 123, 125). So seien im Rahmen der Unruhen 2016 unter Geltung des Ausnahmezustandes über 11.000 Menschen verhaftet worden. Dabei war der Großteil der Verhafteten oromischer Volkszugehörigkeit, ihnen wurde jeweils vorgehalten, an gewalttätigen Aktionen im Auftrag der OLF beteiligt gewesen zu sein. Entscheidend für die Verhaftung war also nicht die Frage, ob sie zurückgekehrte exilpolitisch tätige Asylbewerber waren, sondern, dass sie tatsächlich vor Ort demonstriert hatten. Dies wiederum deckt sich mit der Auskunft des Auswärtigen Amts, wonach es im Hinblick auf eine Verfolgung auch darauf ankommt, wie sich ein Rückkehrer vor Ort verhält.

Der Gutachter Schröder führt weiter an, dass eine Unterscheidung in unbedeutende und herausgehobene Tätigkeiten für die Beurteilung einer Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht relevant sei (Günter Schröder, Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 228), da dem äthiopischen Staat ein hohes Maß an Willkür zuzurechnen sei. Abschließend stellt der Gutachter fest, dass sich im Einzelfall nicht vorhersagen lasse, mit welchen konkreten Verfolgungsmaßnahmen ein Rückkehrer zu rechnen habe (Günter Schröder, Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 237 Satz 1). Als Minimum müsse man jedoch mit einer längeren Inhaftierung und intensiver Befragung rechnen (Günter Schröder, Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 237 Satz 2). Auch hier steht diese Aussage leer im Raum und der Auskunft des Auswärtigen Amts entgegen. Ein nachweisbarer Einzelfall ist vom Gutachter ebenfalls nicht dargetan. Auch erscheint es widersprüchlich, zunächst festzustellen, dass man konkrete Verfolgungshandlungen nicht vorhersagen könne, dann jedoch festzuhalten, dass mindestens mit einer längeren Inhaftierung und intensiven Befragungen zu rechnen ist.

Auch soweit das VG Würzburg dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 6. März 2017 entnimmt, dass schon die Mitgliedschaft in einer von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingestuften Organisation für eine flüchtlingsrelevante Verfolgung ausreicht, folgt das Gericht dem nicht. Diese Wortlautauslegung einer amtlichen Auskunft legt zu viel Wert auf das Wort „oder“ und lässt den Sinnzusammenhang des Satzes im ganzen Absatz unberücksichtigt. Zunächst teilt das Auswärtige Amt nämlich mit, dass keine Erkenntnisse darüber vorlägen, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Es komme auf den Einzelfall an, d.h. darauf, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen werde oder um welche Art von exilpolitischer Tätigkeit es sich handle. Wenn man nun wie das VG Würzburg davon ausgeht, dass schon die einfache Mitgliedschaft eines Asylbewerbers bei einer exilpolitischen Organisation ausreicht, so betrachtet man nicht mehr den Einzelfall, sondern pauschaliert nahezu sämtliche äthiopischen Asylbewerber, da der Großteil hiervon Mitglied oder Unterstützer irgendeiner Exilorganisation ist. Man ginge dann entgegen der Auskunft des Auswärtigen Amts, wonach es eben auf den Einzelfall ankommt, von einer generellen Verfolgung aller Mitglieder von Exilorganisationen, die von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingestuft werden, aus.

Das Gericht weist nochmals daraufhin, dass es seine Erkenntnisse aus denselben Mitteln zieht, wie das seitens des Klagebevollmächtigten erwähnte VG Würzburg. Es bestanden daher mangels Konkretisierung, was eine neue Auskunft anderes ergeben würde, keine Anhaltspunkte, dass eine weitere Auskunft bei einem der angebotenen Gutachter neue Erkenntnisse brächte. Vielmehr erfolgt durch die Gerichte derzeit eine divergierende Schlussfolgerung aus den gegebenen Erkenntnissen. Dies aber ist eben keine beweisbare Tatsache und daher nicht dem angebotenen Beweis (Antrag Nr. 5 und 6) zugänglich. Entgegen der Ansicht des Klagebevollmächtigten in seiner Gegendarstellung gegen die Ablehnung der entsprechenden Beweisanträge handelt es sich hierbei auch nicht um eine beweisbare Wertung eines Sachverständigen. Das Gericht hat eben sämtliche vorliegenden Gutachten auszuwerten und zu berücksichtigen und kann nicht blind einer Aussage folgen, sondern es muss aus divergierenden Bewertungen mehrerer Gutachter eigene Schlüsse ziehen, was durch eine weiteres Gutachten nicht anders wäre.

Soweit der Kläger angibt, Mitglied der EPRP gewesen und jetzt bei der EDFM Mitglied zu sein, ist die reine Mitgliedschaft in einer der genannten Organisationen schon keine herausgehobene Stellung. Auch die behauptete Teilnahme an Demonstrationen vermag den Kläger nicht aus der Masse der äthiopischen Asylbewerber herauszuheben. In nahezu sämtlichen Verfahren äthiopischer Asylbewerber werden Teilnahmebescheinigungen an diversen Demonstrationen vorgelegt, so dass dies keinen mehr herauszuheben vermag. Weshalb die Frage der Tätigkeiten in den genannten Gruppen insoweit schon nicht entscheidungserheblich war und damit der Grund für die Ablehnung des entsprechenden Beweisantrags war. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die in englischer Sprache erstellte und in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Mitgliedsbescheinigung der EDFM von „some of her current acivity“ spricht, also allenfalls Tätigkeiten einer Frau und nicht eines Mannes bescheinigt werden würden.

Soweit der Kläger angibt, er sei einer der drei Chefredakteure der Zeitschrift NETSEBRAQ und veröffentliche dort regierungskritische Artikel, die von der äthiopischen Regierung gesehen und ihm zugeordnet würden, vermag auch dies selbst bei Wahrunterstellung nicht zu einer herausgehobenen Stellung des Klägers zu führen, weshalb der entsprechende Beweisantrag abzulehnen war. Die Selbsttitulierung mit scheinbar bedeutenden Posten vermag nicht zu einer herausgehobenen Stellung zu führen Die behauptete Tätigkeit des Klägers führt hier mitnichten zu einer exponierten Stellung. Wie sich durch die Befragung in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, hat der Kläger den zuletzt angegebenen Artikel aus der Januarausgabe 2018 seines Magazins schon nicht selbst verfasst. Eine Beweiserhebung darüber, dass die Artikel „unter seinem Namen“ stehen, ist unerheblich. Sie verhülfe dem Kläger nicht zum Erfolg, da es nach der Auffassung des Gerichts nicht darauf ankommt, ob irgendwelche Artikel räumlich in der Nähe seines Namens stehen oder was sonst mit dem Ausdruck „unter/mit seinem Namen“ gemeint sein soll, sondern ob er Urheber derselben ist. Letzteres ist er jedenfalls für den englischsprachigen Artikel aus der Januarausgabe 2018 seines Magazins nicht.

Dieser englische Artikel wurde bereits am 19. Mai 2017 auf folgender Website veröffentlicht: http://...org/torture-victims-reeyot-and-habtamu-oppose-dr-tedros-adhanoms-candidacy-for-director-general-of-who/ (zuletzt aufgerufen am 8. März 2018) und stammt damit nicht vom Kläger. Entgegen dem Vortrag in der ergänzenden Klagebegründung vom 27. Februar 2018 (Seite 3 unten) ist dies damit nicht „ein Artikel“ des Klägers. Zumal der Kläger auch kein Englisch kann. Auf den entsprechenden Vorhalt des Gerichts gab der Kläger zu, dass er den Artikel nur weiterleiten und verbreiten wollte. Die reine Weiterleitung regierungskritischer Artikel ist aber keinesfalls eine eigene schöpferische Leistung, die dem selbst erkorenen Titel eines Chefredakteurs entspräche.

Auch die Frau des Klägers hat entgegen ihrer Darstellung in der Klagebegründung vom 27. Februar 2018 keinen eigenen Artikel verfasst. Der unter ihrem Namen veröffentlichte Artikel stimmt im Wortlaut mit einem Artikel der BBC vom 17. Januar 2018 überein. Er ist auf folgender Website abrufbar: http://www...com/news/world-africa-42716864?intlink_from_url=http://www...com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia& link_location=live-reporting-story (zuletzt aufgerufen am 8. März 2018) und damit nicht von ihr. Auf die Bitte, ihren Artikel vorzulesen, teilte die Klägerin mit, dass sie kein Englisch könne und den Artikel auf Amharisch verfasst habe. Sodann sei er übersetzt worden.

Beide Artikel sind durch eine einfache Google-Suche auffindbar, es ist nicht ersichtlich, dass die äthiopische Regierung diese fehlende Urheberschaft nicht erkennen würde.

Des Weiteren fällt auf, dass die Zeitschrift im Jahr 2017 nach bisherigen Erkenntnissen nicht erschienen ist, jedenfalls war bei den in der mündlichen Verhandlung vorgezeigten Zeitungen keine entsprechend datierte Ausgabe enthalten. Die Frau des Klägers erklärte, die Redaktion sei zerstritten gewesen, weshalb man nichts veröffentlicht habe. Auch dies verwundert sehr, will man doch stark gegen die Regierung engagiert sein. Im Jahr 2017 ruhte also die exilpolitische Tätigkeit insoweit. Erst im Jahr 2018, nach der Terminierung der mündlichen Verhandlung wurde am 27. Februar 2018 eine auf den 1. Januar 2018 datierte Zeitung vorgelegt. Auf den Hinweis des Richters an die Frau des Klägers in deren Verhandlung, dass das Veröffentlichungsdatum nicht stimmen könne, da die Zeitung einen Artikel über die Freilassung M. Gu. am 17. Januar 2018 enthalte, antwortete diese, dass komme vor, weil man nicht rechtzeitig fertig geworden sei. Man setze dann einfach das geplante Datum auf.

Hinzukommt, dass beide Artikel entgegen der Angabe in der ergänzenden Klagebegründung vom 27. Februar 2018 auch nicht im Internet auf der angegebenen Website www.netsebraqm.wordpress.com veröffentlicht werden. Nach entsprechendem Vorhalt des Gerichts, dass dort nur Zeitschriften von Februar 2016 oder früher auffindbar seien, erklärte die Frau des Klägers, dass sie eben nicht mehr veröffentlicht werden. Der Kläger erklärte, es habe Uneinigkeit in der Redaktion gegeben, ob die Website kostenpflichtig sei oder nicht. Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Website weiter online ist, aber eben nicht aktualisiert oder gepflegt wird, wie dies bei dem behaupteten exilpolitischen Engagement zu erwarten wäre. Jedenfalls ist hieraus zu schließen, dass der aktuelle Verbreitungsgrad der Zeitschrift, angesichts der geringen Auflage, äußerst gering ist.

Hingewiesen sei noch darauf, dass die anderen, amharischen Artikel des Klägers in früheren Zeitschriften entgegen zweimaliger Aufforderung unter Hinweis auf § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nicht übersetzt worden sind, so dass sie insoweit nicht verwertbar sind. Wobei angesichts der aufgedeckten Täuschung über die Urheberschaft der englischsprachigen Artikel zu befürchten stünde, dass auch diese Artikel nur kopiert sind.

Aus alledem ergibt sich, dass der Kläger kein Redakteur ist und ihm damit auch keinesfalls eine herausgehobene Stellung in der äthiopischen Exilszene zukommt. Die Weiterleitung englischsprachiger Artikel unter der Angabe, dass seien eigene Artikel des Klägers, ist zur Überzeugung des Einzelrichters schlicht eine Täuschung des Gerichts über die behauptete Art und Weise der Tätigkeit aus asyltaktischen Motiven. Zur Erlangung einer scheinbar herausgehobenen Stellung und um sich einen Schutzgrund zu kreieren, hat der Kläger mehrfach wahrheitswidrige oder unvollständige Angaben gemacht.

Dadurch ist die Glaubwürdigkeit des Klägers zutiefst erschüttert. Dieser hat gegenüber dem Gericht mehrfach falsche, unvollständige Angaben machen lassen. Falsch war die Angabe, der Artikel sei im Internet auf der Zeitschriftenwebsite veröffentlicht. Falsch war die Angabe, es sei sein Artikel, da er schlicht kopiert worden war. Unvollständig war zudem die Behauptung, der englische Artikel sei von ihm. Denn der Kläger kann kein Englisch. Deshalb wäre korrekterweise anzugeben gewesen, dass es ein von ihm in Amharisch verfasster und sodann übersetzter Artikel sein soll.

Angesichts der sich nach der mündlichen Verhandlung darstellenden Art und Weise der Tätigkeit scheidet eine herausgehobene, aus Sicht der äthiopischen Regierung verfolgungswürdige, Tätigkeit aus. Da die Tätigkeit auch nicht zu einer beachtlich wahrscheinlichen politischen Verfolgung führt, kam es auch nicht auf die unter Beweis gestellte Behauptung, die äthiopischen Sicherheitsdienste würden über die Aktivitäten des Klägers auch dann genauestens Bescheid wissen, wenn er unter Pseudonym tätig sei, an. Der ähnlich gelagerte Beweisantrag Nr. 3 war aber schon deshalb abzulehnen, weil nicht dargetan war, inwiefern die angebotenen Beweismittel eigenes Wissen darüber haben sollen, welche Tätigkeiten des Klägers den Sicherheitsdiensten bekannt sind.

3) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Ein derartiger Schaden droht dem Kläger nach den obigen Ausführungen nicht.

4) Schließlich sind auch Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht ersichtlich. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Mangels Erkennbarkeit diesbezüglicher Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.

Ebenso wenig besteht ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebeschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfällt die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung aber jedenfalls dann, wenn die oberste Landebehörde trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage keinen generellen Abschiebestopp erlassen bzw. diesen nicht verlängert hat und ein vergleichbarer wirksamer Schutz den betroffenen Ausländern nicht vermittelt wird. Die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG gebieten danach die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn einer extremen Lebensgefahr oder einer extremen Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit entgegen gewirkt werden muss. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt wäre (BVerwG, U.v. 17.10.1995 - BVerwGE 99, 324; BVerwG, U.v. 19.11.1996 - BVerwGE 102, 249, BVerwG, U.v. 12.7.2001 - BVerwGE 115, 1). Eine derartige Gefahrensituation könnte sich auch aus den harten Existenzbedingungen und der Versorgungslage in Äthiopien ergeben.

Ob die Annahme einer extremen Gefahrenlage im Wege der verfassungskonformen Auslegung nunmehr ausscheidet, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 31.1.2013 (Az. 10 C 15/12 – juris) davon ausgeht, dass in begründeten Ausnahmefällen schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat (auch) ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen können, kann letztlich dahinstehen, da die anzuwendenden Gefahrenmaßstäbe weitgehend übereinstimmen.

Nach den dem Gericht vorliegenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnissen ist die Versorgungssituation für den Kläger in Äthiopien jedoch nicht so schlecht, dass von einer Gefahr im beschriebenen Sinn auszugehen wäre. Obwohl Äthiopien zwischen den Jahren 2004 und 2014 ein konstantes wirtschaftliches Wachstum aufwies, zählt das Land immer noch zu den ärmsten Staaten der Welt. Auf dem Human Development Index des UNO-Entwicklungsprogramms belegt Ä. Platz 173 von 186. 77,6% der Bevölkerung leben von weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt bei 170 US-Dollar. 82% Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft (SFH, Äthiopien, Update: Aktuelle Entwicklungen bis Juni 2014, Rahel Zürrer, Bern 2014). Andererseits ist die Arbeitslosigkeit in den ländlichen Regionen niedrig. Statt auf Arbeitslosigkeit trifft man dort auf unterproduktive Landwirtschaft (IOM, Länderinformationsblatt Äthiopien, Juni 2014, VII. 8.2.1, S. 19). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert, weshalb große Teile der Bevölkerung auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. Im Jahr 2014 waren ca. 3,2 Millionen Äthiopier auf solche Hilfen angewiesen, wobei sich die Hilfen neben der reinen Nahrungsmittelhilfe auch auf Non Food Items (Hygiene und Gesundheit) bezogen. Zusätzlich wurden 7,8 Millionen Menschen über das Productive Safety Net Programme unterstützt, die sonst auch Nothilfe benötigt hätten (AA, Lagebericht vom 24.5.2016, Stand: März 2016, IV. 1. 1.1. S. 20).

Im jüngsten Lagebericht spricht das Auswärtige Amt davon, dass 7,9 Millionen Menschen auf das staatliche Sozialprogramm zur Ernährungssicherung angewiesen sind (AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, IV 1.1, S. 20). Hier zeigt es sich, dass die Situation für große Teile der Bevölkerung schwierig ist. Gleichwohl bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer keine Nahrungsmittelhilfe erhalten. Für Rückkehrer bieten sich im Übrigen schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur bescheidenen Existenzgründung.

Hierbei berücksichtigt das Gericht auch, dass der Kläger - zumindest nach seinem Vortrag -nicht in den Schoß seiner Familie und die dortige soziale Sicherheit zurückkehren kann. Jedoch ist es nicht ersichtlich, dass der gesunde Kläger nicht in der Lage wäre, Arbeit in Äthiopien zu suchen und zu finden, um sich und seine Familie zu ernähren. Dabei ist davon auszugehen, dass der Kläger sich in einem gesunden Zustand befindet, er hat erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass er auch nicht gesund sei, sondern der Stress seine Spuren hinterlassen habe. Hierzu wurden jedoch schon keinerlei Atteste vorgelegt, noch führt Stress alleine zur Annahme einer Krankheit.

Die Entscheidung zur Kostentragung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.

2

Der 1986 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stammt aus der Provinz Helmand (Afghanistan), ist schiitischen Glaubens und gehört dem Volk der Hazara an. Im Februar 2009 reiste er nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 17. März 2010 ab. Zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an.

3

Nach Rücknahme der Klage auf Asylanerkennung hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 27. April 2012 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dem Kläger stehe weder unionsrechtlicher noch nationaler Abschiebungsschutz zu. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG sei nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Da in Afghanistan kein landesweiter bewaffneter Konflikt herrsche, komme eine individuelle Bedrohung nur in Betracht, wenn sich der Konflikt auf den tatsächlichen Zielort bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erstrecke. Dies sei die Herkunftsregion des Ausländers, in der er zuletzt gelebt habe bzw. in die er typischerweise zurückkehren könne und voraussichtlich auch werde. Der Kläger habe glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keine aufnahmebereiten Bekannten oder Verwandten und keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor einer dort lebenden Privatperson, außerdem befürchte er Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe in Helmand in besonderem Maße ausgesetzt sei. Wolle bzw. werde der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren, sei auf das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul abzustellen. Dort herrsche kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mehr. Die Sicherheitslage werde in Kabul, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet.

4

Dem Kläger stehe hinsichtlich Afghanistans auch nicht der hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der allgemein schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan stehe § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegen. Eine extreme Gefahrenlage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ausnahmsweise nicht greife, liege für Kabul nicht (mehr) vor. Vielmehr sei eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul zu erkennen, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder Anbindung an lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehe. Der Senat sehe keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Falle des Klägers seien auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 60 Abs. 2, 5 sowie 7 Satz 1 und 2 AufenthG. Außerdem macht er Verfahrensfehler geltend und regt zur weiteren Klärung des Gehalts der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 7 Satz 2 AufenthG eine Vorlage an den EuGH an.

6

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verletzt hinsichtlich des vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgten Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat bei der im Rahmen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gebotenen Prüfung, ob am tatsächlichen Zielort des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein bewaffneter Konflikt besteht, nicht auf die Herkunftsregion des Klägers, sondern auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend über die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem unionsrechtlichen Abschiebungsschutz weiterhin auch der vom Kläger hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Revision allein mit der grundsätzlichen Bedeutung einer auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz zugeschnittenen Frage begründet hat. Die Urteilsformel enthält keine Beschränkung der Zulassung auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Der Umfang der Zulassung ist daher unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit durch Auslegung zu ermitteln. Danach ist hier von einer uneingeschränkten Zulassung auszugehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten (Haupt- und Hilfs-)Anträge betreffen zwar unterschiedliche Streitgegenstände. Diese sind aber eng miteinander verflochten, insbesondere stellt sich die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage des maßgeblichen Anknüpfungsortes nicht nur beim unionsrechtlichen, sondern auch beim nationalen Abschiebungsschutz. Für eine uneingeschränkte Zulassung der Revision spricht im Übrigen auch die dem Berufungsurteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich auf das Rechtsmittel der Revision bezieht.

10

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens auf Gewährung von Abschiebungsschutz ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 10). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Maßgeblich ist daher für das Revisionsverfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Unionsrechtlich finden sowohl die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikations-Richtlinie - vom 29. April 2004 (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) Anwendung als auch die - während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene - Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 337 vom 20. Dezember 2011 S. 9). Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen wurde den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt (Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) und es bleibt bis zum Ablauf dieser Frist bei der Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Art. 41 Abs. 2 i.V.m. Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Hinsichtlich der unverändert übernommenen Bestimmungen gilt die Neufassung hingegen schon jetzt (vgl. Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU).

11

3. Das Berufungsurteil verletzt in Bezug auf den vom Kläger primär begehrten unionsrechtlichen Abschiebungsschutz Bundesrecht. Die diesbezüglichen Vorgaben des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG) sind in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG - in überschießender Umsetzung - als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und bilden einen eigenständigen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11 und vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13 und 16).

12

3.1 Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung abgelehnt, die revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

13

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses - die Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU) umsetzenden - Abschiebungsverbots können auch dann erfüllt sein, wenn sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 25). In diesem Fall ist Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - NVwZ 2009, 705 Rn. 40).

14

Das Berufungsgericht hat dies zutreffend zu Grunde gelegt. Es hat aber nicht geprüft, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht, sondern stattdessen auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt, weil der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 14. November 2012 (BVerwG 10 B 22.12 - juris Rn. 7) als geklärt gesehen hat, kommt es für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, aber weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Ein Abweichen von der Regel kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen ihm § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewähren soll. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Zusammenhang der unionsrechtlichen Abschiebungsverbote mit den Bestimmungen über den internen Schutz (Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG; künftig: Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU). Kommt die Herkunftsregion als Zielort wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Der Begriff des "tatsächlichen Zielortes der Rückkehr" ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da es bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG um den Schutz vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat geht, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat, etwa weil Familienangehörige getötet worden sind oder diese Gebiete ebenfalls verlassen haben. Auch soweit die nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände begründet worden ist, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage), und es mangels Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine nachvollziehbare Haltung ist, nicht in die Herkunftsregion zurückkehren zu wollen, behält diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aus.

15

Diese Ausdeutung des vom Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - (Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40) verwandten Begriffs des tatsächlichen Zielorts der Rückkehr kann vorgenommen werden, ohne diesem die Rechtssache zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH hat den Begriff in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 zwar nicht abschließend definiert. Die hier entfaltete Auslegung trägt aber dem Zweck der Vorschriften über den internen Schutz Rechnung und folgt damit der Vorgabe des EuGH, die Auslegung nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 Abs. 3 EG (inzwischen: Art. 288 AEUV) nachzukommen (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 42).

16

Das Berufungsurteil verstößt nach den vorstehenden Grundsätzen gegen Bundesrecht, weil es für das Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht die Verhältnisse in der Herkunftsregion des Klägers in den Blick genommen, sondern auf die Lage in Kabul als dem voraussichtlichen Zielort einer Abschiebung abgestellt hat. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise dauerhaft in einer anderen Region als Helmand niedergelassen hat. Er ist zwar zunächst mit seiner Lebensgefährtin nach Kabul (und später in den Iran zu seiner Schwester) gegangen. Dies geschah nach seinen Angaben aber allein aus Angst vor dem Vater seiner Lebensgefährtin; zur Dauer und den näheren Umständen des Aufenthalts in Kabul enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Die vom Berufungsgericht angeführten Erwägungen, warum der Kläger nicht nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde, lassen die Relevanz der Heimatregion für die Gefahrenprognose bei einem bewaffneten Konflikt nicht entfallen.

17

3.2 Das Berufungsurteil beruht auf diesem Fehler. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zur Lage in der Provinz Helmand getroffen. Ob in dieser Region ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und dem Kläger dort die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG definierte Gefahr droht, kann daher revisionsgerichtlich weder festgestellt noch ausgeschlossen werden.

18

3.3 Die Entscheidung erweist sich hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) oder unrichtig, so dass der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden kann.

19

a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Kläger - einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner Herkunftsregion unterstellt - in Kabul internen Schutz finden könnte. Dies würde nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzen, dass für den Kläger in Kabul nicht nur keine Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, sondern von ihm auch vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.

20

Auch hierzu fehlen hinreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf Kabul zwar festgestellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, weil dort keine extreme Gefahrenlage herrsche und zu erwarten sei, dass Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage aber so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus; weiterhin offenbleiben kann, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35).

21

b) Umgekehrt kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsurteil hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus anderen Gründen unrichtig ist. Das Berufungsgericht hat vor allem im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - insbesondere nicht aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan.

22

Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem Abschiebungsverbot wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU) umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) - EMRK - orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM <2001> 510 endgültig S. 6, 30). Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83, 389) - GR-Charta - zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn das ernsthafte Risiko der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Dies gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch die Regelung in Art. 19 Abs. 2 GR-Charta die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 15 und 17).

23

Entgegen der Auffassung der Revision ist der neueren Rechtsprechung des EGMR nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung" bestimmt. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/06 - NVwZ 2011, 413). Bereits in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (BVerwG 10 B 16.12 - juris Rn. 8 f.) hat der Senat dargelegt, dass der EGMR davon ausgeht, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln (EGMR, Urteile vom 28. Mai 1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u. a./Vereinigtes Königreich - NJW 1986, 3007 Rn. 67; vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 54 und vom 28. Juni 2012 - Nr. 14499/09, A.A. u.a. - Rn. 71). Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (stRspr, EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 Rn. 90 f. und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zugunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadiums an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei (EGMR, Urteil vom 2. Mai 1997 - Nr. 146/1996/767/964, D./Vereinigtes Königreich - NVwZ 1998, 161 Rn. 52 f.). Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung (expulsion) in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 a.a.O. Rn. 44).

24

Wie der Senat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (a.a.O. Rn. 9) ausgeführt hat, ist diese gefestigte Rechtsprechung durch das Urteil der Großen Kammer vom 21. Januar 2011 (a.a.O.) im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland nicht grundsätzlich revidiert worden. Dieses Urteil verhält sich - entgegen der Auffassung der Revision - erkennbar nicht zu den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung". Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die - in einem ihnen völlig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259).

25

Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich (Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen - wie in Somalia - nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f.).

26

Welche Anforderungen sich aus dieser Rechtsprechung des EGMR im Einzelnen für Abschiebungen in den Herkunftsstaat bei schlechten humanitären Bedingungen ergeben, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst der EGMR geht in Bezug auf Afghanistan davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - NJOZ 2012, 952 Rn. 84). Auch auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine allein auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsland gestützte Verletzung des Art. 3 EMRK ersichtlich nicht vor. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des abschiebenden Staates, aus dessen Sicht zu prüfen ist, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 a.a.O. Rn. 265, 301, 309). Das gilt auch bei der Beurteilung von Umständen, die nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen, dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK aber dennoch eine Abschiebung des Ausländers verbieten.

27

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derzeit nur eine Abschiebung nach Kabul möglich ist (UA S. 14). Zugleich hat es sich bezüglich der allgemeinen Lebensbedingungen in Kabul - im Rahmen seiner Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG - in tatsächlicher Hinsicht der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen, dass zu erwarten sei, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten (UA S. 23). Die daran anschließende Bemerkung des Berufungsgerichts, aufgrund der schlechten Gesamtsituation dürfte ohne schützende Familien- und Stammesstrukturen eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten "kaum zumutbar" sein, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Sie umfasst nicht die tatsächliche Feststellung, die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Abschiebezielstaat seien so schlecht, dass nach Art. 3 EMRK von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsse. Mit dieser Formulierung bringt das Berufungsgericht lediglich seine Haltung zum Ausdruck, dass die rechtlichen "Hürden" des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG seiner Auffassung nach zu hoch sind, und lässt in der Sache sein Bedauern erkennen, dass die oberste Landesbehörde für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp aus humanitären Gründen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet hat und das Gericht diese politische Entscheidung - unterhalb der hier nicht erreichten Grenze verfassungsrechtlich gebotenen Abschiebungsschutzes - nicht zu ersetzen vermag (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 5).

28

Damit liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG - ungeachtet des Umstandes, dass bei § 60 Abs. 2 AufenthG und bei § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Maßstäbe gelten - ersichtlich nicht vor. Selbst bei Zugrundelegung der - vom EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland für einen gänzlich anderen Anwendungsfall entwickelten und in den Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich auf eine ebenfalls andere Ausgangssituation im Herkunftsstaat übertragenen - abgesenkten und auf die Situation besonderer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit bezogenen Maßstäbe ergäbe sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Verhältnissen in Kabul für den Kläger kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 10).

29

Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage an den EuGH. Die Voraussetzungen, unter denen einen abschiebenden Staat aus Art. 3 EMRK ausnahmsweise eine Verantwortung für nicht dem Abschiebezielstaat oder anderen Akteuren zuzurechnende Umstände trifft, ergeben sich aus der Rechtsprechung des EGMR und werfen im vorliegenden Verfahren keine entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen auf. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU zu beachten. Dass die Richtlinie in Bezug auf Art. 3 EMRK bei Umständen, die weder in die Verantwortung des Abschiebezielstaats noch eines sonstigen Akteurs fallen, keinen über die Rechtsprechung des EGMR hinausgehenden Schutz gewährt, ergibt sich schon aus Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 6 der Richtlinie 2004/83/EG). Denn dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass es nach den Vorstellungen des Richtliniengebers auch beim subsidiären Schutz grundsätzlich eines Akteurs bedarf, von dem ein ernsthafter Schaden ausgehen kann.

30

4. Kann der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen weder positiv noch negativ abschließend über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden, so ist das Berufungsurteil schon aus diesem Grund aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es auf die von der Revision fristgerecht erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Zur Klarstellung weist der Senat allerdings darauf hin, dass die gerügten Verfahrensfehler nicht vorliegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 16.12 und 10 B 20.12 - zu vergleichbaren Verfahrensrügen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil es den Rechtsstreit nicht dem EuGH vorgelegt hat. Ein solcher Verstoß scheidet schon deswegen aus, weil es nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zwar zur Vorlage berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH aber auch nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt bzw. unterliegen keinen Zweifeln, die eine Vorlage rechtfertigen oder gar gebieten. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

31

5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

32

5.1 Das Berufungsgericht wird hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor allem mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auf aktueller Tatsachengrundlage zu klären haben, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht und ihm dort die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewährt. Ist dies der Fall, hat es weiter zu prüfen, ob der Kläger nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf die Möglichkeit internen Schutzes in einem anderen Landesteil - insbesondere Kabul - verwiesen werden kann.

33

5.2 Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes hat, wird es auf aktueller Erkenntnislage auch erneut über den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG zu entscheiden haben.

34

a) Dabei kann dahinstehen, wie die Aussage des Berufungsgerichts bei § 60 Abs. 5 AufenthG zu verstehen ist, dass bezüglich Art. 3 EMRK die weitergehende und unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG "vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen" sei. Sollte das Berufungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK durch § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt wird, wäre dies allerdings nicht mit Bundesrecht zu vereinbaren.

35

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse).

36

Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft - wie dargelegt - an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG - vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind.

37

b) Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat auch dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung).

38

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen kann, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (stRspr, vgl. Urteil vom 8. September 2012 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 - Rn. 22 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

39

Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Maßstäbe ein Abschiebungsverbot verneint, weil in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten sei, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Dabei hat es weder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge der problematischen Versorgungslage, die neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Wohnraum umfasst, zur Beeinträchtigung fundamentaler Schutzgüter kommen werde, überspannt noch hat es seine tatrichterliche Überzeugung auf einer zu schmalen Tatsachenbasis gebildet. Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Beurteilung einer extremen Gefahrenlage die medizinische Versorgungslage nicht hinreichend berücksichtigt, verkennt sie, dass diese nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung ist, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-)Versorgung besteht (s.a. Beschluss vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 20.12 - Rn. 14).

40

Soweit das Berufungsgericht im Übrigen der Auffassung ist, das Bundesverwaltungsgericht stelle an das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung überzogene rechtliche Anforderungen, geben die Ausführungen dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Das Berufungsgericht begründet seine Kritik damit, dass die Zumutbarkeit einer Rückkehr unter humanitären Gesichtspunkten, die es aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen selbst für gesunde alleinstehende Männer "kaum" für gegeben hält, nach der Rechtsprechung "kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG" sei. Mit diesen Erwägungen stellt es dem aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit eine eigene - mit außerrechtlichen Erwägungen begründete und enger gefasste - Zumutbarkeit gegenüber und vermischt damit die Grenze zwischen einer dem Betroffenen rechtlich (noch) zumutbaren und einer nicht (mehr) zumutbaren Rückkehr. Dabei vernachlässigt es zudem, dass es bei der verfassungskonformen Auslegung nicht um die Bestimmung eines aus Sicht des jeweiligen Gerichts "sinnvollen" und/oder "menschenrechtsfreundlichen" Abschiebungsschutzregimes geht, sondern um die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen im gewaltenteilenden Rechtsstaat die Rechtsprechung befugt ist, über eine verfassungskonforme Auslegung ausnahmsweise die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, allgemeine Gefahren nur im Rahmen einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, unbeachtet zu lassen. Hierbei macht es in der Sache einen erheblichen Unterschied, ob ein Mensch ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat, oder ob er bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen.

41

Die weiteren Zweifel des Berufungsgerichts, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden könne, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen, betreffen nicht den materiell-rechtlichen Maßstab für die Beurteilung einer extremen Gefahrenlage selbst. Die damit ausgedrückte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 22) vernachlässigt, dass diese Auseinandersetzung nicht als Selbstzweck gefordert wird. Sie zielt auf eine Verbesserung der Entscheidungsqualität durch Verbreiterung der erkennbar in die tatrichterliche Bewertung eingestellten Tatsachen- und Argumentationsbasis. Dies gilt namentlich in Fällen, in denen es - wie hier - im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG um eine "Korrektur" des demokratisch legitimierten Gesetzgebers geht, für die im Rahmen der Tatsachen- und Lagebeurteilung eine umfassende Gesamtwürdigung der voraussichtlichen Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat und der damit verbundenen Gefahren erforderlich ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Verpflichtung der Beklagten weiter, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Verfahrensmangel, durch die Ablehnung ihres Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung sei der Klägerin das rechtliche Gehör versagt worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO), nicht vorliegt.

Die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO verstößt gegen den Anspruch auf Gewährung von rechtlichem Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, B.v. 10.8.2015 – 5 B 48.15 – juris Rn 10), d.h. ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (BayVGH, B.v. 20.11.2017 – 11 ZB. 31318 – juris Rn. 4). Von Willkür kann insbesondere dann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Rechtsauffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5 m.w.N.).

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 13. Oktober 2017 beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass sie schwer psychisch erkrankt und aus diesem Grund auf ständige Behandlung angewiesen ist, um Eigengefährdungen entgegenzuwirken, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen.

Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung als nicht entscheidungserheblich abgelehnt. Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG werde vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstünden. Nach § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG müsse der Ausländer eine Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen, an die bestimmte Anforderungen zu stellen seien. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei hierzu nicht erforderlich.

Zur Begründung ihres Zulassungsantrags bringt die Klägerin vor, dass die Ablehnung des Beweisantrags hinsichtlich der Anwendbarkeit der Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG nicht vom Prozessrecht gedeckt sei.

Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung wegen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil das Verwaltungsgericht den Beweisantrag zu Recht abgelehnt hat. Denn es entspricht inzwischen gefestigter Rechtsprechung mehrerer Oberverwaltungsgerichte (OVG LSA, B.v. 28.9. 2017 – 2 L 85/17 – juris Rn. 2-13; OVG NW, B.v. 9.10.2017 – 13 A 1807/17.A – juris Rn. 19-28, BayVGH, B.v. 9.11.2017 – 21 ZB 17.30468 – Rn. 4) und auch des erkennenden Senats (BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 16.30735 – Rn. 8), dass die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind. Es ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, der Entstehungsgeschichte und der Erwägung des Gesetzgebers, dass er mit den Regelungen in dem mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.03.2016 (BGBl I S. 390) eingeführten Absatz 2c des § 60a AufenthG im Wesentlichen die ohnehin bereits bestehende Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine substantiierte Geltendmachung krankheitsbedingter Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 2007 (10 C 8/07 – juris Rn. 15) nachvollzogen hat. Der Wortlaut des § 60a Abs. 2c AufenthG stellt ausschließlich darauf ab, ob Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen vorliegen, und differenziert nicht zwischen inlands- und zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Auch lässt die Begründung zur Einführung des § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG erkennen, dass der Gesetzgeber mit diesen Regelungen die Anforderungen an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen als Abschiebungshindernis insgesamt erschweren wollte. Schließlich umfasst die Regelung in § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG auch nach ihrem Sinn und Zweck die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG.

Es ist demnach – wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat – Aufgabe des erkennenden Gerichts zu überprüfen, ob die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens ist insoweit nicht erforderlich.

Aus dem vorgelegten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2017 (13a ZB 17.31153) ergibt sich nichts anderes, weil sich diese Entscheidung zu der Frage, ob die Anforderungen an ärztliche Atteste in § 60a Abs. 2c AufenthG auch auf die Geltendmachung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind, nicht verhält.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylG.

Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.