Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 09. Juni 2010 - 4 L 512/10.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2010:0609.4L512.10.NW.0A
09.06.2010

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen den Widerruf seiner Bestellung als Sachverständiger.

2

Der Antragsteller ist seit März 1996 öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bauingenieurwesen einschließlich der Bewertung von bebauten Grundstücken. Mit Urteil des Amtsgerichts Köln vom 13. Februar 2009 - ... - , das dieses im Anschluss an einen Einspruch des Antragstellers gegen den zuvor gegen ihn ergangenen Strafbefehl erlassen hat, wurde der Antragsteller wegen gemeinschaftlichen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt. Hintergrund der Verurteilung des Antragstellers war eine von ihm im April 2004 bewusst wahrheitswidrig erstellte Abnahmebescheinigung in einem Verfahren, in dem der Antragsteller als Sachverständiger den Baufortschritt eines Bauvorhabens eines Dritten gegenüber dessen Kreditgeber bestätigen sollte. Der Antragsteller führte in der Abnahmebescheinigung fälschlich aus, dass neue Bodenbeläge einschließlich Sockelleisten verlegt worden seien; der Wert der ausgeführten Leistungen war mit 96.000 € netto angegeben. Die Abnahmeentscheidung des Antragstellers war maßgebliche Grundlage für die Auszahlung einer anteiligen Darlehenssumme des Kreditgebers. In einem weiteren Fall erstellte ein Dritter im November 2003 eine Rechnung über „Sanitärinstallationen“ in einem Umfang von 18.720 €. Hier bestätigte der Antragsteller wahrheitswidrig deren Fertigstellung durch eine Abnahmebescheinigung.

3

Die Antragsgegnerin erhielt von der Verurteilung des Antragstellers am 23. März 2009 Kenntnis durch die Staatsanwaltschaft Köln. Ohne den Antragsteller zuvor anzuhören, widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 04. Januar 2010 dessen Bestellung als Sachverständiger für Bauingenieurwesen einschließlich der Bewertung von bebauten Grundstücken mit der Begründung, das vom Amtsgericht Köln abgeurteilte Verhalten des Antragstellers rechtfertige den Widerruf als Sachverständiger, da hierdurch das uneingeschränkte Vertrauen der Öffentlichkeit in der Person eines Sachverständigen erschüttert werde.

4

Dagegen legte der Antragsteller am 18. Januar 2010 Widerspruch ein, den die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2010 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung des Ausgangsbescheids zurückwies.

5

Der Antragsteller hat dagegen am 20. Mai 2010 Klage erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er trägt vor, dass das Strafverfahren gegen ihn zunächst eingestellt worden sei und dies nicht unberücksichtigt bleiben könne. Er habe nur deswegen Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, um die Geldstrafe zu minimieren. Aus völliger Unkenntnis habe er eine geringere Geldstrafe statt einer Verwarnung mit Strafvorbehalt akzeptiert. Das Urteil sei das Ergebnis der Verkettung unglücklicher Umstände. Dies müsse bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs berücksichtigt werden. Das Urteil des Amtsgerichts Köln sei unzutreffend. Im Übrigen lägen die geahndeten Taten schon mehrere Jahre zurück.

6

Der Antragssteller beantragt,

7

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 04. Januar 2010 wiederherzustellen.

8

Die Antragsgegnerin hat sich nicht geäußert.

II.

9

Der auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 18. Januar 2010 gegen die Widerrufsverfügung vom 04. Januar 2010 gerichtete Antrag des Antragstellers ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig, in der Sache aber unbegründet.

10

Zunächst hat die Antragsgegnerin in formeller Hinsicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 04. Januar 2010 im Widerspruchsbescheid vom 23. April 2010 ausreichend nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Hierzu hat die Antragsgegnerin ausgeführt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei geboten, da nur durch die sofortige Befolgung und das Unterlassen der Sachverständigentätigkeit der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Rechnung getragen werden könne. Damit liegt (noch) eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte, substantiierte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor. Ob diese Darlegungen der Antragsgegnerin zutreffend sind und die Anordnung der sofortigen Vollziehung inhaltlich zu rechtfertigen vermögen, ist im Rahmen der Formvorschrift des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ohne Bedeutung.

11

Auch in materieller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs im Bescheid vom 04. Januar 2010 rechtlich nicht zu beanstanden.

12

Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 581). Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 240; OVG Schleswig-Holstein, NordÖR 2007, 452; s. auch Finkelnburg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage 2008, Rdnr. 975). Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (BVerfG, NVwZ 2007, 1176, 1177). Das Gericht nimmt – da § 80 Abs. 5 VwGO keinerlei inhaltliche Einschränkungen enthält – die Abwägung in eigener Verantwortung vor. An die Beurteilung der Behörde ist es nicht gebunden und kann die von der Behörde herangezogenen Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch andere ersetzen. Es prüft dabei eigenständig, ob unter Berücksichtigung und Gewichtung aller für und wider den Sofortvollzug sprechenden Umstände – auch solcher, die der Behörde nicht bekannt waren – die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes in der Hauptsache oder aus anderen Gründen wiederherzustellen ist (vgl. Finkelnburg/Külpmann, a.a.O., Rdnr. 963); maßgebend für die Interessenabwägung sind dabei die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts(OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05. August 2009 – 18 B 331/09 -, juris; OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2008, 483).

13

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Bestellung des Antragstellers als Sachverständiger das private Interesse des Antragstellers, seine Sachverständigentätigkeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiter auszuüben. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich daraus, dass der angefochtene Bescheid vom 04. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2010 offensichtlich rechtmäßig ist und mit seiner Durchsetzung nicht bis zur Bestandskraft, deren Eintritt noch nicht abzusehen ist, abgewartet werden kann.

14

Die angefochtene Verfügung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Zwar hatte die Antragsgegnerin den Antragsteller vor Erlass des Widerrufs nicht nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 VwVfG angehört. Der (eventuelle) Anhörungsverstoß wurde jedoch gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG mit Erlass des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2010 geheilt.

15

In materieller Hinsicht ist der Bescheid vom 04. Januar 2010 offensichtlich rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den Widerruf der öffentlichen Bestellung des Antragstellers als Sachverständiger ist § 23 Abs. 1 der Sachverständigenordnung der Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz vom 29. April 2003 - SVO – i.V.m. § 49 Abs. 2 Ziffer 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG -. Nach der zuerst genannten Bestimmung, die aufgrund der Ermächtigungen in den § 36 Abs. 3 und 4 der GewerbeordnungGewO –, § 12 Abs. 1 Nr. 9 des Ingenieurkammergesetzes vom 21. Dezember 1978 – IngKammG – und § 1 Abs. 3 der Landesverordnung über die Zuständigkeiten nach § 36 Abs. 1 und 2 der Gewerbeordnung auf dem Gebiet der Wirtschaft und des Verkehrs vom 25. März 1991 von der Antragsgegnerin erlassen worden ist, richten sich Rücknahme und Widerruf der öffentlichen Bestellung nach den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Rheinlands-Pfalz - LVwVfG -. Dessen § 1 Abs. 1 bestimmt u.a., dass für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts die §§ 2 bis 5 sowie die Bestimmungen des VwVfG in der Fassung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102) in der jeweils geltenden Fassung mit Ausnahme hier nicht einschlägiger Vorschriften gelten, soweit nicht Rechtsvorschriften inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Die Antragsgegnerin, gemäß § 10 Abs. 1 IngKammG eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die gemäß § 22 Abs. 1 IngKammG der Aufsicht des fachlich zuständigen Ministerium unterliegt, unterfällt dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 LVwVfG. Da spezialgesetzliche Vorschriften, die den Widerruf regeln, nicht gegeben sind, ist § 49 VwVfG einschlägig.

16

§ 49 Abs. 2 Ziffer 3 VwVfG lässt den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts zu, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Der Widerruf muss Feststellungen hinsichtlich der Schwere der Pflichtverletzung, der konkreten Gefährdung des öffentlichen Interesses und der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit treffen (Bleutge, GewArch 2008, 9). Er hat binnen Jahresfrist seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von den rechtfertigenden Tatsachen zu erfolgen, § 49 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 VwVfG.

17

Die Antragsgegnerin wäre im Zeitpunkt des Widerrufs der Bestellung des Antragstellers zum Sachverständigen berechtigt gewesen, ihm diese Bestellung zu versagen. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO können als Sachverständige für bestimmte Gebiete Personen bestellt werden, die die besondere Sachkunde nachweisen und gegen deren Eignung keine Bedenken bestehen. In § 3 Abs. 2 d) SVO werden diese tatbestandlichen Voraussetzungen für die im Ermessen der Antragsgegnerin liegende Bestellung sinngemäß wiederholt, ohne gegenüber der gesetzlichen Regelung inhaltlich verändert zu werden.

18

Eine erstmalige Bestellung des Antragstellers zum Sachverständigen hätte im Zeitpunkt des Widerrufs wegen mangelnder persönlicher Eignung unterbleiben dürfen.

19

Die Frage, ob ein Sachverständiger zur öffentlichen Bestellung geeignet ist, ist im Einzelfall anhand der besonderen Aufgabe dieser Gruppe von Sachverständigen zu beantworten. Dabei unterliegt der unbestimmte Rechtsbegriff der persönlichen Eignung in § 36 Abs. 1 GewO der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Denn dabei handelt es sich nach der überwiegenden Rechtsprechung (BVerwG, GewArch 1975, 333; OVG Niedersachsen, GewArch 2009, 452; OVG Rheinland-Pfalz, GewArch 1979, 331; VG Koblenz, GewArch 1993, 22; aA Bleutge in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand August 2009, § 36 Rdnr. 58)., der sich die Kammer anschließt, nicht um eine Ermessens-, sondern um eine Rechtsentscheidung, bei der der Antragsgegnerin kein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist.

20

Die öffentliche Bestellung erfolgt im Interesse der Allgemeinheit, um dieser die Möglichkeit zu geben, sich solcher Sachverständiger zu bedienen, die nach der aufgrund eingehender Feststellungen von der zuständigen Kammer getroffenen Entscheidung die Gewähr für besondere Sachkunde und Eignung bieten (BVerwG, GewArch 1975, 333). Sie soll sicherstellen, dass Behörden wie Einzelpersonen im Bedarfsfall auf Sachverständige zurückgreifen können, deren gutachtliche Äußerungen als fachlich und persönlich objektiv und zuverlässig anerkannt werden können, ohne dass der Auftraggeber zuvor zusätzliche Nachforschungen über Ruf und Eignung des Sachverständigen anstellen muss. Während es bei dem Merkmal der besonderen Sachkunde um rein fachliche Fähigkeiten des Sachverständigen geht, wirft das Merkmal der „Eignung“ die Frage nach der persönlichen Zuverlässigkeit, der Unabhängigkeit und Vertrauenswürdigkeit, der Persönlichkeitsstruktur und der Akzeptanz des Sachverständigen bei den potentiellen Auftraggebern auf: Die Persönlichkeit des Sachverständigen muss eine Gewähr für die ordnungsgemäße Durchführung der Gutachtertätigkeit bieten, d.h. man muss nach seiner Persönlichkeit von ihm erwarten können, dass er die Erstattung von Gutachten unter Wahrnehmung der ihm auferlegten Pflichten vornimmt (Bleutge in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand August 2009, § 36 Rdnr. 71; VG Gelsenkirchen, GewArch 1993, 478). Die Bestellungsbehörde hat mithin in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob der Sachverständige für die Dauer seiner Bestellung die Gewähr für Unparteilichkeit, Unabhängigkeit, Objektivität und Einhaltung seiner besonderen Pflichten als öffentlich bestellter Sachverständiger bietet. Es genügen durch Tatsachen belegte Zweifel am Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen, um den Antrag eines Sachverständigen auf öffentliche Bestellung abzulehnen (BVerwG, GewArch 1975, 333, 335; OVG Rheinland-Pfalz, GewArch 1979, 331). Die Ingenieurkammer, die mit der öffentlichen Bestellung und Vereidigung eines Sachverständigen gegenüber der Öffentlichkeit die Gewähr für dessen Eignung übernimmt, ist daher berechtigt, die Bestellung eines Sachverständigen zu widerrufen, der seine persönliche Eignung als öffentlich bestellter Sachverständiger nachträglich einbüßt.

21

Diese Voraussetzungen können erfüllt sein, wenn ein öffentlich bestellter Sachverständiger - wie der Antragsteller - strafrechtlich in erheblichem Maße belangt worden ist und sich damit als rechtsuntreu erwiesen hat (OVG Niedersachsen, GewArch 1991, 384). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Sachverständige eine Straftat im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Sachverständiger begangen hat und deswegen verurteilt worden ist (s. VGH Baden-Württemberg, GewArch 1986, 329; Bleutge in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 36 Rdnr. 77; Konstantinou, Die öffentliche Bestellung von Sachverständigen nach § 36 GewO, 1993, Seite 45). Dies ist hier der Fall.

22

Die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung auf die Verurteilung des Antragstellers durch das Amtsgericht Köln vom 13. Februar 2009 - .... - wegen gemeinschaftlichen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10 € gestützt. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht würdigt sie in ihrer Widerspruchsentscheidung vom 23. April 2010 das Verhalten des Antragstellers, das seiner rechtskräftigen Verurteilung zugrunde liegt, als schwerwiegende Verletzung seiner Verpflichtung als Sachverständiger, wodurch das uneingeschränkte Vertrauen der Öffentlichkeit in seine Person als Sachverständiger erschüttert werde. In dem Urteil ist unter Bezugnahme auf den zuvor ergangenen Strafbefehl vom 28. Januar 2009 und die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Köln vom 19. Oktober 2007 festgestellt, dass der Antragsteller im April 2004 in seiner Funktion als Sachverständiger bewusst wahrheitswidrig eine Abnahmebescheinigung in einem Verfahren erstellt hatte, in der er fälschlich ausführte, dass Baumaßnahmen erbracht worden seien, die aber zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch nicht durchgeführt worden waren. Die Abnahmeentscheidung des Antragstellers war maßgebliche Grundlage für die Auszahlung einer anteiligen Darlehenssumme des Kreditgebers. Des Weiteren erstellte ein Dritter im November 2003 eine Rechnung über „Sanitärinstallationen“ in einem Umfang von 18.720 €. Auch hier bestätigte der Antragsteller in seiner Funktion als Sachverständiger wahrheitswidrig deren Fertigstellung durch eine Abnahmebescheinigung. Dass ein solches Verhalten mit den Berufspflichten eines Sachverständigen nicht in Einklang steht, bedarf keiner weitergehenden Begründung.

23

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Antragsgegnerin ohne weitere eigene Sachaufklärung von dem Sachverhalt der rechtskräftigen strafrichterlichen Verurteilung ausgeht. Der Antragsteller hat dazu vorgetragen, das Urteil des Amtsgerichts Köln sei ungerecht und hätte keinen Bestand gehabt, sofern er sich rechtsanwaltlichen Beistands bedient hätte. Er habe sich im Strafverfahren nur deshalb nicht anwaltlich vertreten lassen, um Kosten zu sparen. Damit kann er im vorliegenden Eilverfahren jedoch nicht gehört werden. Seine Behauptung, das Amtsgericht habe ihn zu Unrecht bestraft, vermag die durch die rechtskräftige Verurteilung entstandenen Bedenken an seiner persönlichen Eignung nicht auszuräumen. Die zur öffentlichen Sachverständigenbestellung bzw. zu deren Widerruf zuständige Behörde darf in der Regel von den tatsächlichen Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil ausgehen; sie ist demgemäß in aller Regel nicht verpflichtet, Einwendungen des Betroffenen gegen den vom Strafrichter festgestellten Sachverhalt nachzugehen und weitere Sachaufklärung zu betreiben (Bay. VGH, Beschluss vom 19. Juli 2004 - 22 CS 04.1885 -, juris; VGH Baden-Württemberg, GewArch 1986, 329; Bleutge in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 36 Rdnr. 77 m.w.N.). Weder das Verwaltungsverfahren noch das nachfolgende verwaltungsgerichtliche (Eil-) Verfahren sind grundsätzlich dazu bestimmt und geeignet, die inhaltliche Richtigkeit einer der grundsätzlichen Verwertung unterliegenden (§ 51 Abs. 1 BZRG) strafgerichtlichen Verurteilung nachträglich zu überprüfen (VGH Baden-Württemberg, GewArch 1986, 329). Für eine solche Überprüfung besteht insbesondere keine Veranlassung in Fällen wie hier, in denen der Angeklagte zur Minimierung der Kosten auf mögliche Rechtsmittel gegen die daraufhin ergangene Verurteilung verzichtet hat. Das darin nach dem objektiven Erklärungsgehalt liegende Eingeständnis strafrechtlichen Fehlverhaltens ist auch von der Verwaltungsbehörde zu berücksichtigen; es wird im Nachhinein nicht bereits durch die bloße Behauptung unbeachtlich, der Verurteilte habe aus prozessfremden Motiven auf einen ihm zustehenden Freispruch verzichtet.

24

Der Umstand, dass die Straftaten des Antragstellers bei Erlass der Widerrufsentscheidung bereits mehrere Jahre zurücklagen, stand deren Einbeziehung in die Ermessensausübung bei der Entscheidung über den Widerruf nicht entgegen. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin bis zum Eintritt der Rechtskraft hätte voraussichtlich entgegen halten können, dass seine Unschuld vermutet werden müsse, solange er rechtskräftig nicht verurteilt sei. Im Übrigen ist Voraussetzung für die öffentliche Bestellung des Sachverständigen dessen uneingeschränkte Vertrauenswürdigkeit und die Akzeptanz des Sachverständigen bei den potentiellen Auftraggebern. Ist diese aufgrund einer schwerwiegenden im Zusammenhang mit der Sachverständigentätigkeit stehenden Verfehlung - die Taten des Antragstellers werden gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 2 a) BZRG erst nach 10 Jahren aus dem Bundeszentralregister getilgt – nicht mehr gegeben, so führt das Wohlverhalten des Sachverständigen nach Abschluss der Tat nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung.

25

Der Widerruf verstößt schließlich nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser schließt nicht aus, dass auch eine schwere einmalige berufliche Verfehlung den Schluss auf mangelnde Zuverlässigkeit und damit den Widerruf der Bestellung rechtfertigt (vgl. BVerwG, GewArch 1974, 103; Konstantinou, a.a.O., Seite 140). Hier hat der Antragsteller zwei Straftaten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Sachverständiger begangen. Ist der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit - wie hier - sachlich gerechtfertigt, kommt es im Rahmen der Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht noch auf eine zusätzliche Auseinandersetzung mit individuellen Umständen, wie Alter des Betroffenen und Möglichkeiten anderweitiger beruflicher Tätigkeit an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Mai 2006 - 6 A 10132/06.OVG -). Im Übrigen weist die Kammer noch darauf hin, dass der Widerruf der Bestellung zum öffentlich bestellten Sachverständigen der gewerberechtlichen Untersagungsverfügung gemäß § 35 Abs. 1 GewO rechtsähnlich ist. Für sie ergibt sich aus § 35 Abs. 6 GewO, dass eine erneute Erlaubnis nur nach einem nochmals durchgeführten Antragsverfahren erteilt werden darf. Diese Bestimmung ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens (vgl. OVG Niedersachsen, GewArch 1991, 384; OVG Rheinland-Pfalz, NJW 1990, 1553 zum Widerruf einer Approbation).

26

Die Antragsgegnerin hat auch die § 49 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 VwVfG beachtet. Sie hat von der Verurteilung am 23. März 2009 von der Staatsanwaltschaft Köln Kenntnis erlangt. Da der Bescheid am 04. Januar 2010 erging, ist die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG eingehalten.

27

Bestehen damit an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs keine Zweifel, so besteht auch ein überragendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs. Das Gericht prüft eigenständig, d.h. ohne an die von der Behörde angegeben Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gebunden zu sein, ob unter Berücksichtigung und Gewichtung aller für und wider den Sofortvollzug sprechenden Umstände die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes in der Hauptsache oder aus anderen Gründen wiederherzustellen ist. Dies ist hier zu verneinen. Das Institut der öffentlichen Bestellung zum Sachverständigen ist keine Berufszulassung; der Sachverständige kann nach Widerruf der öffentlichen Bestellung weiterhin als freier Sachverständiger tätig sein. Das Interesse eines Sachverständigen, auch nach einem Verstoß gegen eine Sachverständigenpflicht weiterhin öffentlich bestellt zu bleiben, ist weitaus geringer als bei Personen, bei denen die Berufsausübung schlechthin in Frage gestellt ist. Schließlich ist bei der Abwägung der in Frage stehenden Interessen auch zu berücksichtigen, dass das öffentliche Interesse an persönlich zuverlässigen Sachverständigen sehr hoch ist, zumal diese Sachverständigen im Gerichtsverfahren aufgrund ihrer öffentlichen Bestellung besonders bevorzugt werden (vgl. Bleutge in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 36 Rdnr. 46).

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

29

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 GKG i. V. m. den Ziffern 1.5 und 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 09. Juni 2010 - 4 L 512/10.NW

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 09. Juni 2010 - 4 L 512/10.NW

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 09. Juni 2010 - 4 L 512/10.NW zitiert 14 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erhebliche

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 49 Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste

Gewerbeordnung - GewO | § 35 Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit


(1) Die Ausübung eines Gewerbes ist von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in bez

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 45 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern


(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn 1. der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;2. die erforderliche Be

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 28 Anhörung Beteiligter


(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach de

Bundeszentralregistergesetz - BZRG | § 51 Verwertungsverbot


(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden. (

Gewerbeordnung - GewO | § 36 Öffentliche Bestellung von Sachverständigen


(1) Personen, die als Sachverständige auf den Gebieten der Wirtschaft einschließlich des Bergwesens, der Hochsee- und Küstenfischerei sowie der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues tätig sind oder tätig werden wollen, si

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Personen, die als Sachverständige auf den Gebieten der Wirtschaft einschließlich des Bergwesens, der Hochsee- und Küstenfischerei sowie der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues tätig sind oder tätig werden wollen, sind auf Antrag durch die von den Landesregierungen bestimmten oder nach Landesrecht zuständigen Stellen für bestimmte Sachgebiete öffentlich zu bestellen, sofern für diese Sachgebiete ein Bedarf an Sachverständigenleistungen besteht, sie hierfür besondere Sachkunde nachweisen und keine Bedenken gegen ihre Eignung bestehen. Sie sind darauf zu vereidigen, daß sie ihre Sachverständigenaufgaben unabhängig, weisungsfrei, persönlich, gewissenhaft und unparteiisch erfüllen und ihre Gutachten entsprechend erstatten werden. Die öffentliche Bestellung kann inhaltlich beschränkt, mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von besonders geeigneten Personen, die auf den Gebieten der Wirtschaft

1.
bestimmte Tatsachen in bezug auf Sachen, insbesondere die Beschaffenheit, Menge, Gewicht oder richtige Verpackung von Waren feststellen oder
2.
die ordnungsmäßige Vornahme bestimmter Tätigkeiten überprüfen.

(3) Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die zur Durchführung der Absätze 1 und 2 erforderlichen Vorschriften über die Voraussetzungen für die Bestellung sowie über die Befugnisse und Verpflichtungen der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit erlassen, insbesondere über

1.
die persönlichen Voraussetzungen, den Beginn und das Ende der Bestellung,
2.
die in Betracht kommenden Sachgebiete einschließlich der Bestellungsvoraussetzungen,
3.
den Umfang der Verpflichtungen des Sachverständigen bei der Ausübung seiner Tätigkeit, insbesondere über die Verpflichtungen
a)
zur unabhängigen, weisungsfreien, persönlichen, gewissenhaften und unparteiischen Leistungserbringung,
b)
zum Abschluß einer Berufshaftpflichtversicherung und zum Umfang der Haftung,
c)
zur Fortbildung und zum Erfahrungsaustausch,
d)
zur Einhaltung von Mindestanforderungen bei der Erstellung von Gutachten,
e)
zur Anzeige bei der zuständigen Behörde hinsichtlich aller Niederlassungen, die zur Ausübung der in Absatz 1 genannten Sachverständigentätigkeiten genutzt werden,
f)
zur Aufzeichnung von Daten über einzelne Geschäftsvorgänge sowie über die Auftraggeber,
und hierbei auch die Stellung des hauptberuflich tätigen Sachverständigen regeln.

(4) Soweit die Landesregierung weder von ihrer Ermächtigung nach Absatz 3 noch nach § 155 Abs. 3 Gebrauch gemacht hat, können Körperschaften des öffentlichen Rechts, die für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen zuständig sind, durch Satzung die in Absatz 3 genannten Vorschriften erlassen. Die Satzung nach Satz 1 und deren Änderungen müssen im Einklang mit den Vorgaben des auf sie anzuwendenden europäischen Rechts stehen. Insbesondere sind bei neuen oder zu ändernden Vorschriften, die dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/36/EG in der jeweils geltenden Fassung unterfallen, die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2018/958 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen (ABl. L 173 vom 9.7.2018, S. 25) in der jeweils geltenden Fassung einzuhalten.

(4a) Eine Vorschrift im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 ist anhand der in den Artikeln 5 bis 7 der Richtlinie (EU) 2018/958 festgelegten Kriterien auf ihre Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Der Umfang der Prüfung muss im Verhältnis zu der Art, dem Inhalt und den Auswirkungen der Vorschrift stehen. Die Vorschrift ist so ausführlich zu erläutern, dass ihre Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bewertet werden kann. Die Gründe, aus denen sich ergibt, dass sie gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, sind durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu substantiieren. Mindestens zwei Wochen vor dem Erlass der Vorschrift ist auf der Internetseite der jeweiligen Körperschaft des öffentlichen Rechts, die für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen zuständig ist, ein Entwurf mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zu veröffentlichen. Nach dem Erlass der Vorschrift ist ihre Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu überwachen und bei einer Änderung der Umstände zu prüfen, ob die Vorschrift anzupassen ist.

(5) Die Absätze 1 bis 4a finden keine Anwendung, soweit sonstige Vorschriften des Bundes über die öffentliche Bestellung oder Vereidigung von Personen bestehen oder soweit Vorschriften der Länder über die öffentliche Bestellung oder Vereidigung von Personen auf den Gebieten der Hochsee- und Küstenfischerei, der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues sowie der Landesvermessung bestehen oder erlassen werden.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Personen, die als Sachverständige auf den Gebieten der Wirtschaft einschließlich des Bergwesens, der Hochsee- und Küstenfischerei sowie der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues tätig sind oder tätig werden wollen, sind auf Antrag durch die von den Landesregierungen bestimmten oder nach Landesrecht zuständigen Stellen für bestimmte Sachgebiete öffentlich zu bestellen, sofern für diese Sachgebiete ein Bedarf an Sachverständigenleistungen besteht, sie hierfür besondere Sachkunde nachweisen und keine Bedenken gegen ihre Eignung bestehen. Sie sind darauf zu vereidigen, daß sie ihre Sachverständigenaufgaben unabhängig, weisungsfrei, persönlich, gewissenhaft und unparteiisch erfüllen und ihre Gutachten entsprechend erstatten werden. Die öffentliche Bestellung kann inhaltlich beschränkt, mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von besonders geeigneten Personen, die auf den Gebieten der Wirtschaft

1.
bestimmte Tatsachen in bezug auf Sachen, insbesondere die Beschaffenheit, Menge, Gewicht oder richtige Verpackung von Waren feststellen oder
2.
die ordnungsmäßige Vornahme bestimmter Tätigkeiten überprüfen.

(3) Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die zur Durchführung der Absätze 1 und 2 erforderlichen Vorschriften über die Voraussetzungen für die Bestellung sowie über die Befugnisse und Verpflichtungen der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit erlassen, insbesondere über

1.
die persönlichen Voraussetzungen, den Beginn und das Ende der Bestellung,
2.
die in Betracht kommenden Sachgebiete einschließlich der Bestellungsvoraussetzungen,
3.
den Umfang der Verpflichtungen des Sachverständigen bei der Ausübung seiner Tätigkeit, insbesondere über die Verpflichtungen
a)
zur unabhängigen, weisungsfreien, persönlichen, gewissenhaften und unparteiischen Leistungserbringung,
b)
zum Abschluß einer Berufshaftpflichtversicherung und zum Umfang der Haftung,
c)
zur Fortbildung und zum Erfahrungsaustausch,
d)
zur Einhaltung von Mindestanforderungen bei der Erstellung von Gutachten,
e)
zur Anzeige bei der zuständigen Behörde hinsichtlich aller Niederlassungen, die zur Ausübung der in Absatz 1 genannten Sachverständigentätigkeiten genutzt werden,
f)
zur Aufzeichnung von Daten über einzelne Geschäftsvorgänge sowie über die Auftraggeber,
und hierbei auch die Stellung des hauptberuflich tätigen Sachverständigen regeln.

(4) Soweit die Landesregierung weder von ihrer Ermächtigung nach Absatz 3 noch nach § 155 Abs. 3 Gebrauch gemacht hat, können Körperschaften des öffentlichen Rechts, die für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen zuständig sind, durch Satzung die in Absatz 3 genannten Vorschriften erlassen. Die Satzung nach Satz 1 und deren Änderungen müssen im Einklang mit den Vorgaben des auf sie anzuwendenden europäischen Rechts stehen. Insbesondere sind bei neuen oder zu ändernden Vorschriften, die dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/36/EG in der jeweils geltenden Fassung unterfallen, die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2018/958 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen (ABl. L 173 vom 9.7.2018, S. 25) in der jeweils geltenden Fassung einzuhalten.

(4a) Eine Vorschrift im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 ist anhand der in den Artikeln 5 bis 7 der Richtlinie (EU) 2018/958 festgelegten Kriterien auf ihre Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Der Umfang der Prüfung muss im Verhältnis zu der Art, dem Inhalt und den Auswirkungen der Vorschrift stehen. Die Vorschrift ist so ausführlich zu erläutern, dass ihre Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bewertet werden kann. Die Gründe, aus denen sich ergibt, dass sie gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, sind durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu substantiieren. Mindestens zwei Wochen vor dem Erlass der Vorschrift ist auf der Internetseite der jeweiligen Körperschaft des öffentlichen Rechts, die für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen zuständig ist, ein Entwurf mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zu veröffentlichen. Nach dem Erlass der Vorschrift ist ihre Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu überwachen und bei einer Änderung der Umstände zu prüfen, ob die Vorschrift anzupassen ist.

(5) Die Absätze 1 bis 4a finden keine Anwendung, soweit sonstige Vorschriften des Bundes über die öffentliche Bestellung oder Vereidigung von Personen bestehen oder soweit Vorschriften der Länder über die öffentliche Bestellung oder Vereidigung von Personen auf den Gebieten der Hochsee- und Küstenfischerei, der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues sowie der Landesvermessung bestehen oder erlassen werden.

(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.

(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.

(1) Die Ausübung eines Gewerbes ist von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Die Untersagung kann auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Das Untersagungsverfahren kann fortgesetzt werden, auch wenn der Betrieb des Gewerbes während des Verfahrens aufgegeben wird.

(2) Dem Gewerbetreibenden kann auf seinen Antrag von der zuständigen Behörde gestattet werden, den Gewerbebetrieb durch einen Stellvertreter (§ 45) fortzuführen, der die Gewähr für eine ordnungsgemäße Führung des Gewerbebetriebes bietet.

(3) Will die Verwaltungsbehörde in dem Untersagungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen einen Gewerbetreibenden gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil von dem Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich bezieht auf

1.
die Feststellung des Sachverhalts,
2.
die Beurteilung der Schuldfrage oder
3.
die Beurteilung der Frage, ob er bei weiterer Ausübung des Gewerbes erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 70 des Strafgesetzbuches begehen wird und ob zur Abwehr dieser Gefahren die Untersagung des Gewerbes angebracht ist.
Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Die Entscheidung über ein vorläufiges Berufsverbot (§ 132a der Strafprozeßordnung), der Strafbefehl und die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, stehen einem Urteil gleich; dies gilt auch für Bußgeldentscheidungen, soweit sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage beziehen.

(3a) (weggefallen)

(4) Vor der Untersagung sollen, soweit besondere staatliche Aufsichtsbehörden bestehen, die Aufsichtsbehörden, ferner die zuständige Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer und, soweit es sich um eine Genossenschaft handelt, auch der Prüfungsverband gehört werden, dem die Genossenschaft angehört. Ihnen sind die gegen den Gewerbetreibenden erhobenen Vorwürfe mitzuteilen und die zur Abgabe der Stellungnahme erforderlichen Unterlagen zu übersenden. Die Anhörung der vorgenannten Stellen kann unterbleiben, wenn Gefahr im Verzuge ist; in diesem Falle sind diese Stellen zu unterrichten.

(5) (weggefallen)

(6) Dem Gewerbetreibenden ist von der zuständigen Behörde auf Grund eines an die Behörde zu richtenden schriftlichen oder elektronischen Antrages die persönliche Ausübung des Gewerbes wieder zu gestatten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß eine Unzuverlässigkeit im Sinne des Absatzes 1 nicht mehr vorliegt. Vor Ablauf eines Jahres nach Durchführung der Untersagungsverfügung kann die Wiederaufnahme nur gestattet werden, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen.

(7) Zuständig ist die Behörde, in deren Bezirk der Gewerbetreibende eine gewerbliche Niederlassung unterhält oder in den Fällen des Absatzes 2 oder 6 unterhalten will. Bei Fehlen einer gewerblichen Niederlassung sind die Behörden zuständig, in deren Bezirk das Gewerbe ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll. Für die Vollstreckung der Gewerbeuntersagung sind auch die Behörden zuständig, in deren Bezirk das Gewerbe ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll.

(7a) Die Untersagung kann auch gegen Vertretungsberechtigte oder mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragte Personen ausgesprochen werden. Das Untersagungsverfahren gegen diese Personen kann unabhängig von dem Verlauf des Untersagungsverfahrens gegen den Gewerbetreibenden fortgesetzt werden. Die Absätze 1 und 3 bis 7 sind entsprechend anzuwenden.

(8) Soweit für einzelne Gewerbe besondere Untersagungs- oder Betriebsschließungsvorschriften bestehen, die auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellen, oder eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann, sind die Absätze 1 bis 7a nicht anzuwenden. Dies gilt nicht für die Tätigkeit als vertretungsberechtigte Person eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragte Person sowie für Vorschriften, die Gewerbeuntersagungen oder Betriebsschließungen durch strafgerichtliches Urteil vorsehen.

(9) Die Absätze 1 bis 8 sind auf Genossenschaften entsprechend anzuwenden, auch wenn sich ihr Geschäftsbetrieb auf den Kreis der Mitglieder beschränkt; sie finden ferner Anwendung auf den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien und Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose und auf den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.