Verwaltungsgericht Münster Urteil, 23. Juni 2016 - 2 K 1681/14
Verwaltungsgericht Münster
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines O. .
3Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung H. , Flur 14, Flurstück 144 mit der Anschrift P.---------straße 33 in H. , das mit einer Doppelhaushälfte bebaut ist. Das Grundstück grenzt westlich an die in nordsüdlicher Richtung verlaufende P.---------straße und liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 00 vom 00.00.0000, der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt.
4Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung H. , Flur 14, Flurstücke 10, 11 und 428 mit der Anschrift P.---------straße 22 - 28, das dem Grundstück des Klägers auf der östlichen Seite der P.---------straße gegenüberliegt. Im südöstlichen und südwestlichen Teil des ca. 9.917 m² großen Grundstücks betreibt die Beigeladene drei Lagerhallen für ihren Textil-Recyclingbetrieb. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 000 „P.---------straße “ vom 00.00.0000, der als Angebotsplanung aufgestellt worden ist. Dieser setzt für das Grundstück ein Gewerbegebiet fest, in dem Einzelhandelsbetriebe generell unzulässig sind. In dem mit „A“ bezeichneten nordöstlichen Bereich dieses Plangebietes sind ausnahmsweise nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe mit nahversorgungsrelevanten Hauptsortimenten nach der Gronauer Sortimentsliste (z. B. Lebensmittel) zulässig. Der Anteil der nahversorgungsrelevanten Hauptsortimente muss dabei mindestens 90 % der Verkaufsfläche des Einzelhandelsbetriebes betragen. In dem hieran angrenzenden Bereich „A1“ sind Verkaufsflächen nicht zulässig. Außerhalb des mit „A“ gekennzeichneten Bereiches sind Stellplätze und Nebenanlagen zulässig.
5Auf entsprechenden Bauantrag vom 00.00.0000, eingegangen am 00.00.0000, erteilte die Beklagte der Beigeladenen am 00.00.0000 die Baugenehmigung zur Errichtung eines Lebensmittelmarktes (O. ) mit Stellplatzanlage sowie zur Errichtung eines Bistros/Cafés. Nach den Bauvorlagen ist dabei für den Lebensmittelmarkt und das Bistro/Café werktags eine Betriebszeit von 6.00 bis 22.00 Uhr vorgesehen. Das Bistro/Café ist zusätzlich an Sonn- und Feiertagen von 7.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.
6Am 00.00.0000 erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine Nachtragsgenehmigung („1. Nachtrag zur Baugenehmigung“), die Ziffer 5.9 des ursprünglichen Brandschutzkonzeptes änderte.
7Der Kläger hat am 00.00.0000 gegen die Baugenehmigung Klage erhoben.
8Auf den Antrag der Beigeladenen vom 00.00.0000 genehmigte die Beklagte am 00.00.0000 einen weiteren Nachtrag („1. Nachtrag“, Az. 2016-262) zur Änderung der Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes. Der Nachtrag beinhaltete neben der Umstrukturierung der Verkaufsfläche die Verlegung der Leergutannahme, die sich zuvor in einem separaten Raum neben dem Eingang des Marktes befand, in den Windfang des Lebensmittelmarktes.
9Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die Baugenehmigung sei in nachbarrechtsrelevanter Weise rechtswidrig, weil sie widersprüchlich und unbestimmt sei. Da die angegebene Verkaufsfläche von 783 m² unzutreffend sei, sei die dem Schallschutzgutachten zugrundeliegende Berechnung der zu erwartenden Immissionsrichtwerte fehlerhaft. Die Verkaufsfläche betrage tatsächlich insgesamt 871,92 m², weil neben dem Windfang und dem Bereich der Leergutannahme die Fläche des Bistros/Cafés mit 59,67 m² in die Berechnung der Verkaufsfläche einzubeziehen sei. Die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ergebe sich zudem daraus, dass das Schallschutzgutachten fehlerhaft sei. Dies folge aus der eingeholten gutachterlichen Stellungnahme vom 00.00.0000. Das Vorhaben verletzte zudem den Gebietserhaltungsanspruch des Klägers. Der Bebauungsplan Nr. 000 sei unwirksam. Abwägungsfehlerhaft sei im Hinblick auf den damit verbundenen Nutzungskonflikt ein Gewerbegebiet festgesetzt worden, obgleich das Bebauungsplangebiet nahezu ausschließlich von Wohnnutzung umgeben sei. In einem derartigen faktischen Mischgebiet bzw. allgemeinen Wohngebiet sei großflächiger Einzelhandel mit einer Verkaufsfläche von über 800 m² nicht zulässig. Im Übrigen folge die Aufhebung der Baugenehmigung auch aus dem Umstand, dass bei dem großflächigen Einzelhandelsbetrieb eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt worden sei. Der Bebauungsplan habe daher nicht nach § 13a BauGB aufgestellt werden können.
10Der Kläger beantragt,
11die der Beigeladenen von der Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 00.00.0000 in Gestalt der 1. Nachtragsgenehmigung vom 00.00.0000 und der 2. Nachtragsgenehmigung vom 00.00.0000 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie trägt vor: Die Verkaufsfläche des Einzelhandelsmarktes betrage 799,63 m². Die Pfandrücknahme sei mit dem Nachtrag vom 00.00.0000 in den Verkaufsraum integriert worden. Auch der Windfang werde als Verkaufsfläche berücksichtigt. Die Fläche für das Bistro/Café sei nicht zu berücksichtigen, weil es sich um einen eigenständigen Betrieb handele. Das Bistro/Café habe auch sonntags geöffnet, verfüge über einen eigenen Eingang und sei vom Verkaufsraum des Discounters getrennt. Der Backofen diene dem Verkauf kleinerer Speisen. Ausweislich der Stellungnahme des Kreises C. , Anlagenbezogener Immissionsschutz, vom 00.00.0000 würden die Immissionsrichtwerte gegenüber dem Grundstück des Klägers eingehalten. Der Bebauungsplan sei im Übrigen wirksam, weil es sich bei dem Baugebiet um ein historisch gewachsenes Gewerbegebiet handele. Mit dem Durchführungsplan Nr. 7 aus dem Jahr 0000 sei ein Industriegebiet, mit der 2. Änderung 0000 ein Gewerbegebiet festgesetzt worden, in dem ausnahmsweise bestimmte nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe zugelassen worden seien. Die von dem Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung zur UVP-Pflicht greife nicht ein, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb handele. Für einen Nahversorger unter 800 m² bestehe keine UVP-Pflicht.
15Die Beigeladene hat sich nicht eingelassen und keinen Antrag gestellt.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die Klage ist als Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO zulässig, aber unbegründet.
19Die Baugenehmigung vom 00.00.0000 in Gestalt der 1. Nachtragsgenehmigung vom 00.00.0000 und der 2. Nachtragsgenehmigung vom 00.00.0000 verletzt den Kläger nicht in eigenen, nachbarschützenden Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung.
20Die Klage richtet sich dabei gegen die Baugenehmigung vom 00.00.0000 in Gestalt der erteilten Nachtragsgenehmigungen vom 00.00.0000 und 00.00.0000. Bei beiden Nachträgen handelt es sich um unselbstständige Nachtragsgenehmigungen, die die der Beigeladenen erteilte ursprüngliche Baugenehmigung vom 00.00.0000 lediglich modifizieren, ohne das Gesamtvorhaben in seinen Grundzügen wesentlich zu verändern. Dies gilt zunächst für den 1. Nachtrag vom 00.00.0000, der allein die Ziffer 5.9 des ursprünglichen Brandschutzkonzeptes veränderte. Auch der 2. Nachtrag vom 00.00.0000, der in den Genehmigungsunterlagen als „1. Nachtrag“ bezeichnet wird, betrifft nur geringfügige, punktuelle Modifikationen der Ursprungsbaugenehmigung, die die Errichtung des Lebensmittelmarktes mit Stellplatzanlage sowie eines Bistros/Cafés zum Gegenstand hatte. Gegenstand dieses 2. Nachtrages ist die Änderung der Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes, wobei die Leergutannahme nunmehr in den Windfang des Marktes integriert worden ist und der Verkaufsraum umgestaltet wurde. Hierbei wird das Vorhaben, die Errichtung eines Lebensmittelmarktes, nicht in seinem Wesen verändert bzw. die Identität des Gesamtvorhabens an sich in Frage gestellt. Etwas Abweichendes ist auch von dem Kläger im Verfahren nicht geltend gemacht worden.
21Hiervon ausgehend bezieht sich die gerichtliche Kontrolle im vorliegenden Verfahren auf die Überprüfung der Ursprungsbaugenehmigung in Gestalt der Nachtragsgenehmigungen als genehmigungsfähiger Einheit.
22Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Stand Juli 2015, Band II, § 75 Rn. 306 ff. m. w. N.
23Der Kläger wird durch die angefochtene Baugenehmigung in Gestalt der Nachtragsgenehmigungen nicht in nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts verletzt.
24Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung, die gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW nur versagt werden darf, wenn das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch die Genehmigung zugleich in seinen Rechten verletzt ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1989 ‑ 4 C 14/87 -, BVerwGE 82, 343 = BauR 1989, 710.
26Die angefochtene Baugenehmigung nebst Nachträgen verstößt nicht gegen das Bestimmtheitsgebot nach § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW). Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Allerdings kann sich der Kläger im Rahmen des hier vorliegenden Baunachbarstreits nicht uneingeschränkt auf die Verletzung dieser Vorschrift berufen. Vielmehr verlangt das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung, dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen muss, dass nur solche Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen und – zusätzlich – wenn die insoweit mangelhafte Baugenehmigung ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat. Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitsgebot im Einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht.
27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. September 2014 - 2 B 918/14 -, juris.
28Ein derartiger Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot folgt nicht daraus, dass die dem Schallschutzgutachten zugrundeliegende Berechnung der zu erwartenden Immissionsrichtwerte fehlerhaft ist, weil die angegebene Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes unzutreffend ist. Die Verkaufsfläche ist im genehmigten 2. Nachtrag vom 00.00.0000 zu Recht mit 799,63 m² angegeben worden. Es ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht von einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO auszugehen.
29Ausweislich der grün gestempelten Berechnung der Verkaufsfläche zum 2. Nachtrag vom 00.00.0000 ist der Windfang des Lebensmittelmarktes mit 17,24 m² als Teil der Verkaufsfläche berechnet worden. Da die Pfandrücknahme durch den 2. Nachtrag in den Windfang des Lebensmittelmarktes integriert worden ist, liegt auch insoweit – mittlerweile zwischen den Beteiligten unstreitig – keine unrichtige Ermittlung vor.
30Entgegen der Ansicht des Klägers stellen der Lebensmittelmarkt der Beigeladenen und das Bistro/Café auch keinen einheitlichen großflächigen Einzelhandelsbetrieb dar. Das Bistro/Café stellt vielmehr einen eigenständigen Betrieb dar, so dass die Verkaufsflächen beider Betriebe nicht zusammenzurechnen sind.
31Unter welchen Voraussetzungen bei Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO von einem oder mehreren Betrieben auszugehen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits mit Urteilen vom 24. November 2005 - 4 C 8.05 und 4 C 14.04 -, BRS 69 Nr. 72 und 73, grundsätzlich geklärt: Hiernach bestimmt sich nach baulichen und betrieblich-funktionellen Gesichtspunkten, ob es sich bei voneinander getrennten Verkaufseinheiten um einen einzigen oder um mehrere Betriebe handelt. Für die räumliche Abgrenzung eines Einzelhandelsbetriebs ist auf die nach außen erkennbaren baulichen Gegebenheiten abzustellen. Eine Verkaufsstätte kann ein selbständiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nur sein, wenn sie selbständig, das heißt unabhängig von anderen Einzelhandelsbetrieben genutzt werden kann und deshalb baurechtlich auch als eigenständiges Vorhaben genehmigungsfähig wäre. Hierfür muss die Verkaufsstätte jedenfalls einen eigenen Eingang, eine eigene Anlieferung und eigene Personalräume haben; sie muss unabhängig von anderen Betrieben geöffnet und geschlossen werden können. Ohne Bedeutung ist hingegen, wer rechtlich oder wirtschaftlich jeweils Betreiber ist. Die Frage der bauplanungsrechtlichen Selbständigkeit ist auch unabhängig davon zu beurteilen, ob Selbstbedienung, Bedienung durch Personal oder eine Mischform erfolgt und wie die dementsprechenden Bereiche innerhalb der Betriebsfläche voneinander abgegrenzt sind.
32Die Verkaufsflächen baulich und funktionell eigenständiger Betriebe können grundsätzlich nicht zusammengerechnet werden. Für die Prüfung einer "Funktionseinheit" unter den Gesichtspunkten eines gemeinsamen Nutzungskonzepts, der Ergänzung der Sortimente, der Nutzung von Synergieeffekten und ähnlichem ist in diesen Fällen kein Raum. Das gilt indes nicht uneingeschränkt. Ist innerhalb eines Gebäudes die Betriebsfläche baulich in mehrere selbständig nutzbare betriebliche Einheiten unterteilt, bilden diese Einheiten gleichwohl einen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO, wenn die Gesamtfläche durch einen Einzelhandelsbetrieb als "Hauptbetrieb" geprägt wird und auf den baulich abgetrennten Flächen zu dessen Warenangebot als "Nebenleistung" ein Warenangebot hinzutritt, das in einem inneren Zusammenhang mit der "Hauptleistung" steht, diese jedoch nur abrundet und von untergeordneter Bedeutung bleibt.
33Dann ist es im Hinblick auf die bauplanungsrechtliche Zielsetzung geboten, die Verkaufsflächen für die Ermittlung der Schwelle der Großflächigkeit im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO zusammenzurechnen. Unter welchen Voraussetzungen eine derartige Unterordnung anzunehmen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Für eine betriebliche Einheit wird im Allgemeinen sprechen, dass die für die "Nebenbetriebe" in Anspruch genommenen Flächen deutlich hinter denjenigen des "Hauptbetriebs" zurückbleiben. Auch kann berücksichtigt werden, dass nach der Verkehrsanschauung aus der Sicht des Verbrauchers ein Randangebot als zum "Hauptbetrieb" zugehörig angesehen wird. Baulich gesondert nutzbare Betriebsflächen bilden somit dann eine betriebliche Einheit mit einem "Hauptbetrieb", wenn auf ihnen lediglich ein diesen ergänzendes Angebot erbracht wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn nach der Verkehrsanschauung der kleinere Bereich ebenso in die Verkaufsfläche des größeren Betriebs einbezogen sein könnte.
34Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 29. Mai 2013 - 10 A 1144/11 -, juris, Rn. 28 ff., zu einem Backshop; BVerwG, Urteile vom 24. November 2015 - 4 C 14/04 -, juris, zu einem Toto/Lotto-Laden, und vom 24. November 2015 - 4 C 8/05 -, juris, zu einem Getränkemarkt.
35Diesen Grundsätzen entsprechend liegen vorliegend getrennte Betriebe und Verkaufseinheiten vor. Das Bistro/Café ist baurechtlich als eigenständiges Vorhaben genehmigungsfähig. Auch wenn das Bistro/Café und der O. im selben Gebäude liegen, ist das Bistro/Café baulich selbständig und unabhängig vom benachbarten Betrieb nutzbar. Es verfügt über einen eigenen Zugang und einen eigenen Notausgang, die gleichzeitig der Anlieferung der Waren dienen. Eine direkte Verbindung zwischen dem Bistro/Café und dem O. besteht dabei nicht. Das Bistro/Café verfügt zudem über eine eigene WC-Anlage und ist nach der Betriebsbeschreibung am Sonntag von 7.00 bis 18.00 Uhr unabhängig vom O. geöffnet. Nicht weiter ins Gewicht fällt daher, dass laut Betriebsbeschreibung ein gemeinsamer Personalraum für beide Betriebe im südöstlichen Teil des Discounters besteht.
36Auch unter dem Gesichtspunkt der in der Rechtsprechung genannten „Funktionseinheit“ folgt keine andere Bewertung. Die Fläche des Bistros/Cafés tritt nicht als „Nebenleistung“ zu dem Warenangebot eines „Hauptbetriebes“ hinzu. Das Bistro/Café erbringt kein rein ergänzendes Angebot zu dem O. . Aufgrund der Genehmigung als „Bistro/Café“ ist davon auszugehen, dass der Verkauf von Kaffee und Kuchen sowie Snacks den Verkaufsschwerpunkt darstellt. Dies ergibt sich zudem aus der geplanten Einrichtung des Bistros/Cafés. Aus der Betriebsbeschreibung und dem genehmigten Grundriss zum 2. Nachtrag vom 00.00.0000 folgt, dass im Verkaufsraum des Bistros/Cafés ein Kaffeeregal, ein Brot-/Brötchenregal, ein Backofen, eine Kühltheke für Snacks und Kuchen sowie eine Gebäckkuchentheke vorgesehen ist. Für die Gäste sollen zehn Stehtische mit ca. 22 Sitzplätzen (Hockern) zur Verfügung stehen, was für eine beabsichtigte Verweildauer der Kunden spricht. Das Bistro/Café unterscheidet sich daher von einem reinen Backshop, bei dem der Verkauf frischer Backwaren das Hauptangebot darstellt. Aufgrund der angebotenen Sitzplätze, die in dieser Anzahl für einen reinen Backshop untypisch sind, ist im Wesentlichen von einem Konsum der Speisen Vorort auszugehen, so dass das Bistro/Café für eine Nutzung unabhängig von dem O. ausgelegt ist. Dies wird – wie auch die Beklagte hervorhebt – insbesondere sonntags anschaulich, weil an diesem Tag der O. geschlossen hat. Der Verkauf frischer Backwaren kann auch deshalb nicht im Vordergrund des Bistros/Cafés stehen, weil für das Bistro/Café nur ein Backofen vorgesehen ist. Die Abgrenzung zu einem Backshop wird schließlich dadurch deutlich, dass der O. im Verkaufsraum selbst mit einem Ofen eingerichtet ist und offenbar frische Brotwaren anbietet (vgl. den Grundriss zum 2. Nachtrag vom 00.00.0000). Dass das Bistro/Café ein identisches Warenangebot wie der O. anbietet, erscheint schon aus diesem Grund als fernliegend. Ein solches Bistro/Café kann aber nach der Verkehrsanschauung nicht ohne Weiteres in dem Verkaufsraum des O. angeboten werden. Anders als ein reiner Verkauf von Backwaren ist ein Bistro/Café, das auf einen Konsum Vorort mit Sitzgelegenheit ausgelegt ist, nach den Marktgegebenheiten und der allgemeinen Verkehrsanschauung nicht in einem Lebensmittel-Discountmarkt möglich.
37Eine Unbestimmtheit der Baugenehmigung folgt ferner nicht aus den vom Kläger geäußerten Bedenken an der Richtigkeit des im Genehmigungsverfahren eingeholten Schallschutzgutachtens.
38Denn selbst die von dem Kläger eingebrachte Stellungnahme von der X. & H1. GmbH vom 00.00.0000 enthält keine Aussage darüber, dass die Immissionswerte am Immissionspunkt des Klägers nicht eingehalten werden. Die vorgebrachten Bedenken bzw. etwaigen Unvollständigkeiten ziehen das im Genehmigungsverfahren vorgelegte Gutachten von V. und Partner vom 00.00.0000 jedenfalls nicht durchgreifend in Frage. Dies wird auch durch die weitere Stellungnahme des Kreises C. , Anlagenbezogener Immissionsschutz, vom 00.00.0000 bestätigt, wonach selbst unter Berücksichtigung des Bistros/Cafés und einem konservativen Ansatz die Richtwerte beim Kläger für ein allgemeines Wohngebiet eingehalten werden. Dies ist insbesondere deshalb nachvollziehbar, weil das Grundstück des Klägers direkt gegenüber der bestehenden Lagerhalle 1 der Beigeladenen liegt und von dieser zumindest teilweise abgeschirmt wird. Da nach der Stellungnahme des Kreises C. der Kundenparkplatz des Lebensmittelmarktes Hauptimmissionsquelle ist, ist davon auszugehen, dass die Immissionen am Grundstück des Klägers geringer sind als an den im ursprünglichen Gutachten untersuchten Immissionsorten P.---------straße 27 und 39, die gegenüber den Einfahrten von der P.---------straße zu dem Lebensmittelmarkt bzw. der Lagerhalle 1 der Beigeladenen liegen. Etwas anderes ist auch vom Kläger im Verfahren nicht substantiiert vorgebracht.
39Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Verletzung des Gebietsgewährleistungsanspruches berufen.
40Der sog. Gebietsgewährleistungsanspruch resultiert nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts daraus, dass Festsetzungen von Baugebieten durch einen Bebauungsplan grundsätzlich nachbarschützende Funktion zu Gunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet zukommt. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Nutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Im Rahmen des durch eine Baugebietsfestsetzung begründeten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. Entsprechendes gilt innerhalb faktischer Baugebiete nach § 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB. Demgegenüber hat ein Nachbar, dessen Grundstück nicht in demselben (faktischen) Plangebiet liegt, grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor einer im angrenzenden Plangebiet gebietsfremden Nutzung. Der Nachbarschutz eines außerhalb der Grenzen des Plangebiets belegenen Grundstückseigentümers bestimmt sich bundesrechtlich (nur) nach dem in §§ 34 Abs. 1 BauGB, 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO gleichermaßen enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Januar 2016 - 2 B 1117/15 -, juris, Rn. 11 f. m. w. N.
42Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Gebietsgewährleistungsanspruch gegenüber dem genehmigten Bauvorhaben. Von einem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis im vorgenannten Sinne kann hier schon nicht die Rede sein, weil die Grundstücke des Klägers und der Beigeladenen nicht in demselben Baugebiet liegen. Der Kläger wohnt in dem durch Bebauungsplan Nr. 00 festgesetzten allgemeinen Wohngebiet. Demgegenüber befindet sich das östlich hiervon gelegene Baugebiet der Beigeladenen in dem durch Bebauungsplan Nr. 000 festgesetzten Gewerbegebiet, wobei beide Gebiete durch die P.---------straße voneinander getrennt werden.
43Ein Planungswille der Beklagten dahingehend, dass der vorliegende Bebauungsplan Nr. 000 Festsetzungen mit gebietsübergreifenden, drittschützenden Rechten enthält, ist weder vom Kläger geltend gemacht noch sonst erkennbar.
44Von diesen Belegenheiten der Grundstücke ausgehend kann dahinstehen, ob der Bebauungsplan Nr. 000 wirksam ist, weil selbst bei einer unterstellten Unwirksamkeit des Bebauungsplanes nicht erkennbar ist, dass beide Grundstücke in demselben (faktischen) Plangebiet liegen.
45Soweit der Kläger die Baugenehmigung ihm gegenüber als rücksichtslos rügt, dringt er damit ebenfalls nicht durch. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme liegt nicht vor.
46Das Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist.
47Die Unzumutbarkeit im Sinne des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots knüpft an den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes an. Nach dieser Vorschrift handelt es sich bei schädlichen Umwelteinwirkungen um Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz hat die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme auch für das Baurecht allgemein bestimmt.
48Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1983 - 4 C 00.78 -, BRS 40 Nr. 206 = juris; OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2003 - 7 B 2434/02 -, BRS 66 Nr. 176 = juris.
49Vorliegend scheidet eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme aus, weil einerseits bei einer unterstellten Wirksamkeit des Bebauungsplanes Nr. 000 das Rücksichtnahmegebot von der vorausgegangenen planerischen Abwägung „aufgezehrt“ ist bzw. anderseits bei einer unterstellten Unwirksamkeit des Bebauungsplanes eine Unzumutbarkeit weder ersichtlich ist noch von dem Kläger substantiiert geltend gemacht worden ist.
50Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ist – die Wirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplanes unterstellt – angesichts dessen schon deshalb nicht gegeben, weil die im Zusammenhang mit der Gebietsfestsetzung gebotene Rücksichtnahme auf die Nutzungen in der Umgebung des Plangebiets bereits in die dem Bebauungsplan zugrunde liegende Abwägung der öffentlichen und privaten Belange eingeflossen ist. § 15 Abs. 1 BauNVO als Ausprägung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots findet im Baugenehmigungsverfahren keine Anwendung mehr, wenn das Rücksichtnahmegebot von der vorausgegangenen planerischen Abwägung gleichsam „aufgezehrt“ ist. Die Vorschrift ergänzt lediglich die Festsetzungen des Bebauungsplans, soweit dieser selbst noch keine Lösung für bestimmte Konfliktsituationen enthält. Ihre Anwendung darf aber nicht zur Korrektur der planerischen Entscheidung führen.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 4 C 8.12 -, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Februar 2015 - 2 A 616/14 -, und vom 13. Januar 2014 - 10 B 1323/13 -, jeweils juris.
52Ausweislich der Begründung des Plangebers zum Bebauungsplan Nr. 000 hat dieser das Gewerbegebiet in weitgehender Übereinstimmung mit der vorhandenen Bebauung und Nutzung und unter Beachtung der Planungsziele ausgewiesen, so dass der Bebauungsplan für eine Konfliktbewältigung auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebotes nicht mehr offen ist. Die Begründung zeigt, dass der Plangeber sich des Umstandes der Bebauungssituation an der P.---------straße bewusst war, als er in einem Teil des Planbereichs der Beigeladenen einen nicht großflächigen Einzelhandel festsetzte. Der Plangeber berücksichtigte dabei, dass neben dem Flächennutzungsplan, der für diesen Teil eine gewerbliche Fläche darstellt, die vorhergehenden Bebauungspläne eine gewerbliche Nutzung des Grundstücks (Durchführungsplan Nr. 7: Industriegebiet, 2. Änderung von 0000: Gewerbegebiet) zuließen. Große Teile des Grundstücks wurden bereits vorher durch die Beigeladene für Lagerflächen genutzt. Auch die angrenzenden Nutzungen und Bauleitpläne wie der Bebauungsplan Nr. 00 sind berücksichtigt worden, vgl. Ziffer 5.3 der Begründung. Die Beschränkungen der Festsetzungen in dem streitgegenständlichen Bebauungsplan (z. B. der Ausschluss von Bordellen und Vergnügungsstätten) sind daher vor dem Hintergrund der angrenzenden Wohnbebauung erfolgt (vgl. Ziffer 7.1 der Begründung). Weiterhin fand eine Gliederung nach der Abstandsliste statt und die verkehrliche Erschließung wie auch die Auswirkungen vom Lärm- und Geruchsimmissionen auf die angrenzende Wohnnutzung fanden Berücksichtigung (Ziffern 7.3, 8 und 10).
53Die von dem Vorhabengrundstück ausgehenden Lärmemissionen – bei einer unterstellten Unwirksamkeit des Bebauungsplanes – verstoßen im Übrigen nicht zum Nachteil des Klägers gegen das Rücksichtnahmegebot. Von dem streitgegenständlichen Vorhaben sind weder hinsichtlich des zu erwartenden Verkehrsaufkommens noch der Nutzung der Stellplätze unzumutbare Lärmimmissionen zu erwarten.
54Für die Beurteilung, ob Lärmimmissionen, die von einer baulichen Anlage ausgehen und die Nachbarn betreffen, für diese unzumutbar sind, ist dem Grundsatz nach die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) einschlägig.
55Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nimmt in ihrer Nebenbestimmung Nr. 20 Bezug auf die schalltechnische Untersuchung des Büros V. & Partner vom 00.00.0000. Dieses Gutachten kommt – wie bereits erwähnt – zu dem Ergebnis, dass die Vorgaben der TA Lärm am Grundstück des Klägers eingehalten werden. Zudem schreibt die Baugenehmigung in der Nebenbestimmung Nr. 21 die Einhaltung der Immissionswerte vor. Wie bereits ausgeführt ist ferner mit der ergänzenden Stellungnahme des Kreises C. , Anlagenbezogener Immissionsschutz, vom 00.00.0000, die die Begutachtung vom 00.00.0000 stützt, davon auszugehen, dass die Immissionswerte beim Kläger eingehalten werden. Dabei sind bei dem Kläger zu Recht die Immissionswerte der TA Lärm für das festgesetzte allgemeine Wohngebiet angesetzt worden. Weder ist der Kläger dem substantiiert entgegen getreten noch sind Absetzungs- oder Berechnungsfehler ersichtlich.
56Schließlich folgt eine Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nicht aus § 3a UVPG bzw. aus § 4 Abs. 1 UmwRG. Das genehmigte Vorhaben unterliegt keiner Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 3b Abs. 1 UVPG. Mit einer Verkaufsfläche von 799,63 m² (s. o.) überschreitet es schon nicht die in der Rechtsprechung vorgesehene Schwelle für einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO von 800 m² Verkaufsfläche, so dass nicht entscheidungserheblich ist, ob als weitere Voraussetzung der in den Ziffern 18.6. bzw. 18.8 der Anlage 1 zum UVPG notwendige Größenwert erreicht wird.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 - 4 C 10/04 -, BVerwGE 124, 364.
58Vor diesem Hintergrund ist die von dem Kläger genannte Rechtsprechung,
59VG Aachen, Beschlüsse vom 28. November 2014 - 3 L 224/13 -, und vom 20. Januar 2016 - 3 K 2445/12 -; OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2015 - 7 B 1473/14 -, jeweils juris,
60nicht anwendbar.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Münster Urteil, 23. Juni 2016 - 2 K 1681/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Münster Urteil, 23. Juni 2016 - 2 K 1681/14
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Münster Urteil, 23. Juni 2016 - 2 K 1681/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) kann im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden. Der Bebauungsplan darf im beschleunigten Verfahren nur aufgestellt werden, wenn in ihm eine zulässige Grundfläche im Sinne des § 19 Absatz 2 der Baunutzungsverordnung oder eine Größe der Grundfläche festgesetzt wird von insgesamt
- 1.
weniger als 20 000 Quadratmetern, wobei die Grundflächen mehrerer Bebauungspläne, die in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, mitzurechnen sind, oder - 2.
20 000 Quadratmetern bis weniger als 70 000 Quadratmetern, wenn auf Grund einer überschlägigen Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2 dieses Gesetzes genannten Kriterien die Einschätzung erlangt wird, dass der Bebauungsplan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, die nach § 2 Absatz 4 Satz 4 in der Abwägung zu berücksichtigen wären (Vorprüfung des Einzelfalls); die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereiche durch die Planung berührt werden können, sind an der Vorprüfung des Einzelfalls zu beteiligen.
(2) Im beschleunigten Verfahren
- 1.
gelten die Vorschriften des vereinfachten Verfahrens nach § 13 Absatz 2 und 3 Satz 1 entsprechend; - 2.
kann ein Bebauungsplan, der von Darstellungen des Flächennutzungsplans abweicht, auch aufgestellt werden, bevor der Flächennutzungsplan geändert oder ergänzt ist; die geordnete städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets darf nicht beeinträchtigt werden; der Flächennutzungsplan ist im Wege der Berichtigung anzupassen; - 3.
soll einem Bedarf an Investitionen zur Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum oder zur Verwirklichung von Infrastrukturvorhaben in der Abwägung in angemessener Weise Rechnung getragen werden; - 4.
gelten in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 Eingriffe, die auf Grund der Aufstellung des Bebauungsplans zu erwarten sind, als im Sinne des § 1a Absatz 3 Satz 6 vor der planerischen Entscheidung erfolgt oder zulässig.
(3) Bei Aufstellung eines Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren ist ortsüblich bekannt zu machen,
- 1.
dass der Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren ohne Durchführung einer Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4 aufgestellt werden soll, in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 2 einschließlich der hierfür wesentlichen Gründe, und - 2.
wo sich die Öffentlichkeit über die allgemeinen Ziele und Zwecke sowie die wesentlichen Auswirkungen der Planung unterrichten kann und dass sich die Öffentlichkeit innerhalb einer bestimmten Frist zur Planung äußern kann, sofern keine frühzeitige Unterrichtung und Erörterung im Sinne des § 3 Absatz 1 stattfindet.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für die Änderung, Ergänzung und Aufhebung eines Bebauungsplans.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.
(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.
(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.
(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.
(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.
(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.
(3)
- 1.
Einkaufszentren, - 2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, - 3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 1. und 4. jeweils zu 1/3 und die Antragsteller zu 2. und 3. - als Gesamtschuldner - zu je 1/6. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu keiner Änderung der angefochtenen Entscheidung.
4Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag der Antragsteller,
5die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 4. Mai 2015 – 9 K 1247/15 – gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18. März 2015 anzuordnen,
6und
7der Antragsgegnerin aufzugeben, der Beigeladenen die weitere Ausführung der Bauarbeiten durch Erlass einer für sofort vollziehbar erklärten Stilllegungsverfügung zu untersagen,
8im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die vorzunehmende Interessenabwägung falle zum Nachteil der Antragsteller aus. Die Baugenehmigung verletze voraussichtlich keine die Antragsteller als Eigentümer von Nachbargrundstücken schützenden Vorschriften des Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts. Die von den Antragstellern gerügten formellen Verstöße begründeten ebenso wenig Nachbaransprüche wie die Frage, ob sich das Vorhaben im Rahmen des Regionalplans und des Flächennutzungsplanes bewege. Gleiches gelte für die „Rahmenplanung Universität C. “ aus dem Juni 2005. Die Antragsgegnerin habe eine zutreffende Bewertung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorgenommen. Insoweit sei hier auf das Gebiet nördlich der X. Straße und westlich der W.-------straße abzustellen. Diese Straßen bildeten eine deutliche Zäsur insbesondere im Hinblick auf das jenseits der W.-------straße gelegene Wohngebiet, in dem sich die Wohngebäude der Antragsteller befänden. Hier finde sich vorwiegend kleinteilige Wohnbebauung. Demgegenüber sei der Bereich, in dem das Vorhaben der Beigeladenen verwirklicht werden solle, durch die großen Baukörper der Universität, des Oberstufenkollegs, der Laborschule sowie der mehrgeschossigen Gebäude der Studentenwohnheime, universitätsbezogene Geschosswohnungsbauten und das neue Gebäude des Studentenwerkes geprägt. In dieser Umgebung stelle der geplante Neubau trotz seiner Dimensionen und der vorgesehenen überwiegend gewerblichen Nutzung keinen Fremdkörper dar. Ferner komme auch eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme zum Nachteil der Antragsteller nicht in Betracht. Das geplante Vorhaben sei von den Grundstücken der Antragsteller durch die W.-------straße getrennt. Hierbei handele es sich um eine innerstädtische Hauptverkehrsstraße mit zwei Fahrstreifen, Radfahrstreifen und Abbiegespuren, bei der die beiden Richtungsfahrbahnen durch einen bepflanzten Mittelstreifen getrennt seien. Zudem befinde sich unmittelbar vor den Grundstücken der Antragsteller ein mit Bäumen bestandener Grünstreifen. Insgesamt sei von einer Gesamtbreite des Straßengrundstücks von über 30 m auszugehen. Dies relativiere die Auswirkungen des zur W.-------straße hin ca. 20 m breiten und einschließlich eines von der Straße zurückgesetzten Technikgeschosses bis ca.19 m hohen Gebäudes. Die erforderlichen Abstandflächen lägen ganz überwiegend noch auf dem Baugrundstück. Angesichts dessen seien keine besonderen Umstände zu erkennen, die trotz Einhaltung der Abstandflächen die Verletzung des Rücksichtnahmegebotes möglich erscheinen ließen. Auch die mit der Nutzung des Vorhabengrundstücks verbundenen Lärmimmissionen verletzten voraussichtlich keine Rechte der Antragsteller. Die vorgelegte Immissionsprognose habe für ihre Grundstücke Immissionsrichtwerte für reine Wohngebiete zugrunde gelegt; zu erwarten sei danach eine tatsächliche Immissionsbelastung von 23 bzw. 20 dB (A) tags und 12 bzw. 17 dB (A) nachts. Erheblich höhere Belastungen durch den Kraftfahrzeugverkehr seien nicht zu erwarten, zumal ein Teil des Vorhabengrundstücks bereits bisher als Großparkplatz für die umliegenden Studentenwohnheime genutzt worden sei. Eine Betrachtung nach Ziffer 7.4 Abs. 2 der TA-Lärm sei nicht erforderlich, da angesichts der ohnehin vorhandenen Verkehrsbelastung durch die W.-------straße nicht mit einer vorhabenbedingten Erhöhung der Verkehrsgeräusche um mindestens 3 dB (A) zu rechnen sei. Eine Beeinträchtigung durch Schadstoffemissionen aus den geplanten Laboren liege ebenfalls fern, da Gegenstand der Baugenehmigung nur Labore der untersten Schutzklasse seien.
9Die dagegen von der Beschwerde erhobenen Einwände bleiben ohne Erfolg.
10Die einleitende pauschale Bezugnahme der Beschwerde auf die erstinstanzlichen Ausführungen ist bereits mit Blick auf das Darlegungserfordernis aus § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO unerheblich.
11Im Übrigen enthält das Beschwerdevorbringen im Wesentlichen umfangreiche Ausführungen zu der Frage, ob das genehmigte Vorhaben in objektiver Hinsicht mit Bauplanungs- und Bauordnungsrecht im Einklang steht. Hierauf kommt es – wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hervorgehoben hat – im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Maßgeblich ist allein, ob das Vorhaben gegen materielles Baunachbarrecht verstößt. Dies ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen. Es ist weder ein – von einer konkreten Betroffenheit unabhängiges – Abwehrrecht in Form des sogenannten Gebietsgewährleistungsanspruchs aufgezeigt noch ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.
12Der sog. Gebietsgewährleistungsanspruch resultiert nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts daraus, dass Festsetzungen von Baugebieten durch einen Bebauungsplan grundsätzlich nachbarschützende Funktion zu Gunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet zukommt. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Nutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Im Rahmen des durch eine Baugebietsfestsetzung begründeten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. Entsprechendes gilt innerhalb faktischer Baugebiete nach § 34 Abs. 2 HS 1 BauGB. Demgegenüber hat ein Nachbar, dessen Grundstück nicht in demselben (faktischen) Plangebiet liegt, grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor einer im angrenzenden Plangebiet gebietsfremden Nutzung. Der Nachbarschutz eines außerhalb der Grenzen des Plangebiets belegenen Grundstückseigentümers bestimmt sich bundesrechtlich (nur) nach dem in §§ 34 Abs. 1 BauGB, 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO gleichermaßen enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme.
13Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 ‑ 4 B 55.07 -, BRS 71 Nr. 175 = juris Rn. 5, Urteile vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 = BRS 58 Nr. 159 = juris Rn. 48 ff., und vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 = BRS 55 Nr. 110 = juris Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 2 A 1419/09 -, DVBl. 2011, 570 = juris Rn. 83 ff., Beschlüsse vom 31. Oktober 2014 - 7 A 1835/13 -, juris Rn. 6, und vom 28. November 2002 - 10 B 1618/02 -, BRS 66 Nr. 168 = juris Rn. 5.
14Auf einen solchen Gebietsgewährleistungsanspruch können sich demnach die Antragsteller nicht berufen. Dies gilt schon deshalb, weil die Grundstücke der Antragsteller im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. II/1/33.00 der Antragsgegnerin liegen, der das Vorhabengrundstück nicht erfasst.
15Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Gebiete westlich und östlich der W.-------straße nach dem vorliegenden Karten- und Bildmaterial ersichtlich unterscheiden. Östlich der W.-------straße befindet sich in deren südlichen Teil kleinteilige Wohnbebauung, während auf der westlichen Seite ganz überwiegend großvolumige Baukörper unterschiedlicher - universitätsbezogener - Nutzungen auf dem sog. Universitätsstammgelände befinden. Ob sich das geplante Vorhaben in diesen unbeplanten Bereich in jeder Hinsicht einfügt, ist damit - wie bereits das Verwaltungsgericht zu Recht hervorgehoben hat - vorliegend unerheblich. Aus diesem Grund bedürfen die dies in Abrede stellenden umfangreichen Ausführungen der Beschwerdebegründung keiner weiteren Auseinandersetzung.
16Lediglich klarstellend weist der Senat darauf hin, dass die Darlegungen des Verwaltungsgerichts zur trennenden Wirkung der W.-------straße ebenso detailliert wie zutreffend sind. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht nicht angenommen, dass Straßen grundsätzlich eine trennende Wirkung zukommt. Es hat vielmehr auf die Funktion der W.-------straße als eine der Hauptverkehrsachsen der C1. Innenstadt zutreffend Bezug genommen und auch die baulichen Gegebenheiten gewürdigt. Wie die Antragsteller zu der Einschätzung gelangen, das Gericht habe dieses „ohne Argumentation, geschweige denn nachvollziehbare Begründung einfach mal als gegeben angenommen“, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Eine Begründung hierzu fehlt im Übrigen.
17Auch eine damit allein in Betracht kommende Verletzung des Rücksichtnahmegebotes hat das Verwaltungsgericht mit zutreffenden Erwägungen verneint. Die Anforderungen, welche an das gleichermaßen in §§ 31 Abs. 2, 34 Abs. 1 BauGB und § 15 Abs. 1 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme zu stellen sind, hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Gefordert ist eine Interessenabwägung, die am Kriterium der Zumutbarkeit auszurichten ist. Dabei ist - wie bereits das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend herausgearbeitet hat - entscheidend, ob von einem Bauvorhaben für den Nachbarn, der sich auf eine Verletzung seines subjektiv-öffentlichen Rechts beruft, städtebaulich relevante unzumutbare Immissionsbelastung ausgehen. Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was in der konkreten Grundstückssituation beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, sind gegeneinander abzuwägen.
18Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 -, BRS 58 Nr. 159 = juris Rn. 66, und vom 6. Oktober 1989 - 4 C 14.87 -, BRS 49 Nr. 188 = juris Rn. 14; OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 - 7 A 3199/08 -, BauR 2011, 248 = juris Rn. 55.
19Gemessen an diesen Anforderungen hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss im Einzelnen überzeugend ausgeführt, dass und aus welchen Gründen das Vorhaben der Beigeladenen die Antragsteller nicht unzumutbar in ihrer Grundstücknutzung beeinträchtigen wird und dass es insbesondere hinsichtlich seiner Lage auf dem Grundstück und seiner Dimensionierung weder rücksichtslos erdrückend wirkt noch zu einer unzumutbaren Immissionsbelastung führt. Den diesbezüglichen Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss setzt die Beschwerde nichts Durchgreifendes entgegen.
20Insbesondere lässt das Beschwerdevorbringen nicht erkennen, dass das geplante Vorhaben Abstandflächenvorschriften zu Lasten der Grundstücke der Antragsteller verletzen könnte. Die unsubstantiierten Einwände gegen die vorliegende Abstandflächenberechnung stellen die gegenteiligen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht in Frage, zumal die Antragsteller - objektiv zu Unrecht (vgl. Beiakte 2 S. 22, 23) ‑ bereits die Existenz einer entsprechenden Berechnung bestreiten, ohne dies allerdings näher zu begründen. Angesichts dessen spricht nichts dafür, dass die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Abstandflächen lägen ganz überwiegend auf dem Vorhabengrundstück und würden damit nicht einmal die Möglichkeiten des § 6 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW ausschöpfen, unzutreffend sein könnte. Nimmt man hinzu, dass der Baukörper der W.-------straße vor den Grundstücken der Antragsteller eine für innerörtliche Straßen ungewöhnliche Breite von etwa 30 m aufweist und in diesem Bereich Begrünungen vorhanden sind, kann von einer erdrückenden Wirkung oder Einmauerung nicht einmal im Ansatz gesprochen werden.
21Mit Blick auf die zu erwartende Immissionsbelastung lässt das Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht hervortreten, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts unzutreffend sein könnte. Im Wesentlichen verweisen die Antragsteller insoweit auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen, die die notwendige Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes nicht leisten können. Dass das Verwaltungsgericht insbesondere die Auswirkungen der Tiefgarage nicht für unzumutbar gehalten hat, hat es im Wesentlichen damit begründet, dass diese am Ende des insgesamt ca. 170 m langen Baukörpers auf der von den Grundstücken der Antragsteller abgewandten Seite ihre Zufahrt haben wird. Warum dies den Antragstellern nicht verständlich ist, erschließt sich nicht. Ebenso wenig ist das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Belastung der Grundstücke der Antragsteller davon ausgegangen, dass hier Mischgebietswerte zugrunde zu legen seien. Vielmehr hat sie diesen Grundstücken den bauplanungsrechtlichen Schutz eines reinen Wohngebietes uneingeschränkt zugebilligt. Dass auch die dort zulässigen Werte voraussichtlich weit unterschritten werden, stellen die Antragsteller im Übrigen nicht substantiiert in Zweifel. Ob möglicherweise andere Grundstücke unzulässig lediglich mit dem Schutzanspruch eines Mischgebiets gewertet worden sind, begründet keinen Rechtsverstoß zu Lasten der Antragsteller.
22Hinsichtlich der Verkehrsbelastung ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass diese durch die intensivere Nutzung der Tiefgarage trotz Wegfalls von immerhin 55 Stellplätzen insgesamt zunehmen wird. Gleichwohl hat es nachvollziehbar unzumutbare Belastungen der Antragsteller ausgeschlossen. Dies ist nicht zuletzt angesichts der berechneten niedrigen Immissionsbelastung und der ohnehin hohen Verkehrsdichte auf der W.-------straße auch ohne weiteres plausibel.
23Den Antragstellern unzumutbare Emissionen durch die geplanten Labore sind ebenfalls nicht zu erkennen. Dem setzt die Beschwerde lediglich entgegen, dass solche „in einem Wohngebiet schlicht abzulehnen“ seien. Konkrete Nachteile für die Antragsteller, wie sie angesichts eines fehlenden Gebietsgewährleistungsanspruches erforderlich wären, lassen sich dem nicht ansatzweise entnehmen.
24Die abschließenden Ausführungen zu raumbezogenen Entwicklungskonzepten und politischen Entscheidungsvorgängen sind – wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Eine nachbarschützende Funktion ist weder dargelegt noch ansatzweise ersichtlich.
25Besteht damit kein Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, ist aus den vorstehend genannten Gründen auch ein Anspruch auf Stilllegung der Bauarbeiten nicht gegeben.
26Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO i. V. m. § 100 ZPO sowie §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese keinen Antrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
27Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
28Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.
(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.
(3)
- 1.
Einkaufszentren, - 2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, - 3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
Tenor
Nach Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich werden die Kosten des Verfahrens der Beklagten auferlegt, und zwar mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat.
1
G r ü n d e
2I.
3Gegenstand des Verfahrens ist lediglich noch die Kostenverteilung. Die Kosten sind aus Anlass einer Baunachbarklage entstanden. Mit ihr haben sich die Kläger bis zum Vergleichsabschluss gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für einen großflächigen Lebensmittel-Discountmarkt gewandt.
4Die umweltrechtlichen Verfahrensschritte zur Erteilung der Baugenehmigung nahmen folgenden Verlauf: Im Rahmen der gebotenen umweltrechtlichen Vorprüfung des Einzelfalles, die zunächst im Verfahren zur Aufstellung des maßgeblichen Bebauungsplanes vorgenommen wurde, hielt die Beklagte eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung des Vorhabens nicht für angezeigt. So löse das geplante Projekt keine erheblichen Umweltauswirkungen aus. Insbesondere die Lärmauswirkung des großflächigen Lebensmittelmarktes auf die umliegende Wohnbebauung könne nicht schon als erhebliche Umweltauswirkung qualifiziert werden. Die maßgeblichen Immissionsschutzwerte nach der TA Lärm seien eingehalten.
5Diese Begründung beanstandete das Oberverwaltungsgericht NRW im Normenkontrollurteil vom 10. April 2014 ‑ 7 D 57/12.NE ‑. Die Beklagte habe den Rechtsbegriff der Erheblichkeit der Umweltauswirkungen zu eng ausgelegt. Die Schwelle der erheblichen Umweltauswirkungen sei nämlich niedriger als die Schwelle der schädlichen Umweltauswirkungen nach der TA Lärm. Die Anwendung des unrichtigen Maßstabes führe dazu, dass die von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren getroffene Vorprüfung des Einzelfalles, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, nicht nachvollziehbar sei. Sei damit die Frage der Erforderlichkeit der Umweltverträglichkeitsprüfung offen geblieben, komme auch das von der Beklagten gewählte beschleunigte Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes nicht in Betracht. Der für das Vorhaben aufgestellte und am 27. März 2012 beschlossene Bebauungsplanes Nr. 159 sei deshalb unwirksam.
6Auf der Grundlage der ihr bereits erteilten Baugenehmigung vom 24. September 2012 in Gestalt der Nachtragsbaugenehmigung vom 25. April 2013 errichtete die Beigeladene einen großflächigen Lebensmittel-Discountmarkt mit 96 Stellplätzen.
7Nach Errichtung des Vorhabens setzte die Beklagte das umweltrechtliche Prüfungsverfahren fort, und zwar in einem Verfahren auf Erteilung einer weiteren Nachtragsbaugenehmigung. In ihrer Nachtragsbaugenehmigung vom 30. Dezember 2014 verwies sie auf die erneute Vorprüfung, in welcher sie die Erheblichkeit von Umweltauswirkungen verneint habe. In Ziffer 2.3 der Vorprüfung heißt es dazu wortwörtlich:
8"Schutzgut |
Überschlägige Beschreibung der Umweltauswirkung |
Beurteilung der Erheblichkeit der Auswirkung |
Mensch |
Beeinträchtigung durch Verkehrslärm durch Anlieferung und Kundenverkehr; Lärm kann durch entsprechende Maßnahmen gemindert werden; Verbesserung des örtlichen Nahversorgungsangebotes" |
Mittel |
Im vorliegenden Baunachbarstreit auf Aufhebung der Baugenehmigung haben die Beteiligten am 15. Dezember 2015 auf Vorschlag des Gerichts einen umfassenden Vergleich geschlossen. Nach der in Nr. 6 getroffenen Vereinbarung haben sie die Kostenentscheidung in das Ermessen des Gerichts gestellt.
10II.
11Die Kosten der baurechtlichen Nachbarstreitigkeit waren der Beklagten aufzuerlegen.
12Diese Kostenverteilung entspricht billigem Ermessen und beruht auf dem bisherigen Sach- und Streitstand, vgl. § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach ist davon auszugehen, dass die von der Beklagten erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines großflächigen Lebensmittelmarktes,
13vgl. Baugenehmigung vom 24. September 2012 in Gestalt der Nachtragsbaugenehmigungen vom 25. April 2013 und 30. Dezember 2014 zum Neubau eines Lebensmittel-Discountmarktes mit Pfandraum und 96 Stellplätzen auf dem Grundstück
14zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses - nach wie vor - am Verfahrensmangel einer fehlerhaften Vorprüfung gelitten hat.
15Die erneute Vornahme ("Nachholung") dieser Vorprüfung im Rahmen der Erteilung der Nachtragsbaugenehmigung vom 30. Dezember 2014 dürfte dem einschlägigen rechtlichen Maßstab in § 3a Satz 4 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) nicht genügt haben. In die dort vorgenommene Beschreibung der Umweltauswirkung ist ausweislich von Ziffer 2.3 der Vorprüfung ein sachfremder Gesichtspunkt eingegangen. So beschreibt die Beklagte die Umweltauswirkungen des Vorhabens nicht nur mit der Beeinträchtigung durch Verkehrslärm, sondern u.a. auch mit der "Verbesserung des örtlichen Nahversorgungsangebotes". Letztgenannter Gesichtspunkt besitzt erkennbar keinen umweltrechtlichen Bezug im Sinne von §§ 3a ,12 UVPG und darf daher nicht als Begründung dafür dienen, die Lärmauswirkungen des betreffenden Lebensmittelmarktes als "mittel", also als nicht erheblich einzuordnen. Schon damit verliert die behördliche Vorprüfung, die durch das Gericht nicht ersetzt werden kann, die erforderliche Nachvollziehbarkeit.
16Die formelle Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung aufgrund des aufgezeigten umweltrechtlichen Verfahrensfehlers hätte schon für sich genommen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Baunachbarklage geführt.
17Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage hätten nicht bestanden.
18Die Kläger sind klagebefugt gewesen, vgl. § 42 Abs. 2 VwGO. Das gilt schon deshalb, weil sie "Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit" sind.
19Die vom Lärm des Lebensmittel-Discountmarktes und seiner Stellplätze betroffenen Kläger sind im Sinne des Umweltrechts Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit gemäß § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG bzw. Beteiligte nach § 4 Abs. 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG). Schon deswegen ist ihnen ein "Umweltrechtsbehelf", mithin der Zugang zu Gericht gewährleistet. Sie können sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf die Einhaltung der umweltrechtlichen Vorschriften über die Vorprüfung in §§ 3a und 12 UVPG berufen.
20Vgl. dazu bereits den Kammerbeschluss über die Aussetzung der Vollziehung der streitbefangenen Baugenehmigung vom 28. November 2014 – 3 L 224/13 –, juris, = Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht (EurUP) 2015, 70 f. sowie Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 - juris; anderer Ansicht aber: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10-, juris Rn. 20 ff. und Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 37/12 - juris, Rn. 10; einen Überblick über den Streitstand bietet: Held, Umweltrechtliche Verfahrensfehler im Lichte der neuesten Rechtsprechung, DVBl. 2016, S. 12 ff.
21Die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens der Vorprüfung (§§ 3a und 12 UVPG) und der dafür geschaffene Umweltrechtsbehelf (§ 4 Abs. 3 UmwRG) erhalten ihren Sinn und Zweck aus dem dahinterstehenden Unionsrecht und seiner UVP-Richtlinien, die wiederum der Aarhus-Konvention folgen.
22Vgl. etwa Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten sowie Art. 9 der am 25. Juni 1998 unterzeichneten Aarhus-Konvention, welche von der Bundesrepublik Deutschland mit Gesetz vom 9. Dez. 2006 (BGBl II S. 1251) und auch von allen anderen EU-Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Union ratifiziert worden ist.
23Dieses europäische Regelungsmodell basiert nicht auf dem historisch gewachsenen deutschen Verständnis, wonach dem Verfahrensrecht regelmäßig nur eine dienende Funktion zur Verwirklichung des materiellen Rechts zukommt. Vielmehr ist die Einhaltung eines ordnungsgemäßen Verfahrens im europäischen Umweltrecht ein Selbstzweck.
24Vgl. zusammenfassend: Seibert, Europäisierung des Verwaltungsrechtsschutzes in: Baurecht (BauR) 2015, Heft 7, Editorial, I f. sowie Bruckert, Die Ausweitung der Klagebefugnis im Umweltrecht / Anpassungsbedarf der Schutznormlehre in Folge europäischer Integration, NuR 2015, 541 ff.
25Der Unionsgesetzgeber knüpft daher die Möglichkeit, einen Verfahrensfehler geltend zu machen, nicht an die Voraussetzung, dass dieser Fehler Auswirkungen auf den Inhalt der angegriffenen endgültigen Entscheidung hat. Die betroffene Öffentlichkeit muss daher, im Einklang mit dem Ziel, ihr einen weitreichenden Zugang zu Gerichten zu gewähren, zur Stützung eines Rechtsbehelfs, mit dem die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen angefochten wird, grundsätzlich jeden Verfahrensfehler geltend machen können.
26Vgl. dazu: Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), Urteil in der Rechtssache Gemeinde Altrip u. a., C-72/12, Rn. 47 und 48.
27Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit (engl.: "public concerned") müssen sich regelmäßig auch vor deutschen Verwaltungsgerichten auf Verfahrensfehler, die im Rahmen der Vorprüfung bzw. Umweltverträglichkeitsprüfung entstanden sind, berufen können (frz.: "invocable"). In den Worten des deutschen Rechts sind damit §§ 3a und 12 UVPG als "drittschützende" Verfahrensvorschriften anzusehen. Der Drittschutzcharakter muss nicht mehr national begründet werden, sondern er ist nach dem Sinn und Zweck des europäischen Regelungsmodells vorgegeben. Auf diese Weise entstehen in aller Regel absolute Verfahrensrechte. Umgekehrt stellt die Annahme, einer Regelung der Umweltverträglichkeitsprüfung fehle der Drittschutz und damit ihre Einklagbarkeit, im Rahmen des europäischen Regelungsmodells die begründungsbedürftige Ausnahme dar.
28Dieser Systematik trägt § 4 UmwRG Rechnung. Er räumt in seinem Abs. 3 Satz 1 dem jeweils Beteiligten eine Rechtsposition ein, mit der er etwas "verlangen kann", namentlich die Aufhebung der verfahrensfehlerhaft ergangenen Vorhabenzulassung. Dieser subjektiv-öffentlichen Rechtsposition auf Aufhebung hat nach Maßgabe des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes eine subjektiv-öffentliche Rechtsposition auf Anfechtung zu entsprechen und damit ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO.
29Vgl. Beschluss der Kammer im zugehörigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vom 28. November 2014 – 3 L 224/13 –, juris, = EurUP 2015, 70 f.
30Der deutsche Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts, welcher dem zur Begründung von Klagebefugnis und Klageerfolg maßgeblichen Passus "in seinen Rechten verletzt" (§§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) Inhalt und die Bedeutung verleiht und sich mit dem Wort "Rechtsverletzung" auch im europäischen Regelungsmodell widerspiegelt,
31vgl. dazu Artikel 9 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe b) der Aarhus-Konvention und Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b) der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (kodifizierter Text),
32ist hinsichtlich seines Rechtsinhalts offen. Es ist anerkannt, dass ein subjektiv-öffentliches Recht beispielsweise aus den europäischen Grundfreiheiten folgen kann. Rechtsinhalt können auch Verfahrensrechte sein. Das maßgebliche Wesensmerkmal des subjektiv-öffentlichen Rechts ist seine "Klagbarkeit". Dies ist von Anbeginn der wissenschaftlichen Durchdringung der deutschen Lehre von den subjektiven öffentlichen Rechten betont worden.
33Vgl. grundlegend: Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905, S. 71, zitiert nach Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 381.
34Dem (Unions-) Gesetzgeber steht es also im Rahmen der konstitutionellen Ordnung frei, den Kreis der einklagbaren "formellen Interessen" stark zu verengen, wie es dem deutschen Regelungsmodell zur Folgenlosigkeit von Verfahrensfehlern in § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) entspricht, oder aber erheblich zu erweitern, worauf das von der Aarhus-Konvention und ihrem deutsch-europäischen Umsetzungsrecht geschaffene Umweltverfahrensrecht abzielt. Dadurch entsteht keine Popularklage, die jedermann erheben könnte, sondern eine "Umweltindividualklage",
35vgl. Bruckert, Die Ausweitung der Klagebefugnis im Umweltrecht / Anpassungsbedarf der Schutz-normlehre in Folge europäischer Integration, NuR 2015, 541 (546),
36derjenigen "Mitglieder der Öffentlichkeit", die durch das Vorhaben und seine umweltrechtlichen Auswirkungen "betroffen" sind, wie es hier bei den Klägern der Fall ist, die als Anwohner durch den Vorhabenlärm betroffen sind.
37Nach alledem vermag die Kammer der in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung, wonach der Regelungsgehalt des § 4 UmwRG darauf begrenzt sei, dass er bei Individualklägern, mithin auch bei den Klägern, nicht etwa zur Begründung einer eigenständigen Klagebefugnis, sondern lediglich zu einer gegenüber § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erweiterten Begründetheitsprüfung (bei bereits gegebener Zulässigkeit) führen könne,
38vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10-, juris Rn. 20 ff.; BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 37/12 - juris, Rn. 10.
39weiterhin nicht zu folgen. Vielmehr sieht sie sich in ihrer gegenteiligen Auffassung durch die neueste Rechtsprechung in Umweltsachen bestätigt. So hat der für das Umweltrecht zuständige 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts NRW den Schutznormcharakter der Vorschriften über die umweltrechtliche Vorprüfung des Einzelfalles ausdrücklich bejaht und dabei §§ 3 a ,12 UVPG sowie § 4 UmwRG im Lichte des "individualschützende Verfahrensrechte verleihenden" Unionsrechts ausgelegt.
40Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 - sowie Beschlüsse vom 24. Juni 2015 ‑ 8 B 315/15 ‑ und zuletzt vom 18. Dezember 2015 – 8 B 400/15 –, jeweils juris; aktueller Überblick bei: Seibert, Europäisierung des Verwaltungs-rechtsschutzes, Baurecht (BauR), 2015, Heft 7, Editorial, I f.
41Die damit zulässige Anfechtungsklage der Nachbarn auf Aufhebung der Baugenehmigung wäre allein schon wegen des Verfahrensmangels der fehlerhaften Vorprüfung begründet gewesen.
42Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines – hier gegebenen – Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG schon dann verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist.
43Ein solcher Fall liegt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch vor, wenn - wie hier - eine durchgeführte Vorprüfung über die Feststellung der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt. Dann kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Behörde eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft unterlassen hat.
44Dieser Fehler ist erheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob und ggfls. wie er die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte.
45Vorliegend hat die Beklagte die zur Baugenehmigungserteilung erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls ‑ wie oben angesprochen ‑ mit der (unzulässigen) Bezugnahme auf den Belang "Verbesserung des örtlichen Nahversorgungsangebotes" beschrieben und damit die Vorgaben der §§ 3c und 12 UVPG nicht eingehalten, mit andern Worten gegen den gerichtlichen Prüfmaßstab des § 3a Satz 4 UVPG verstoßen und das anzuwendende Recht im Sinne vom § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG verkannt.
46Unerheblich für die gerichtliche Entscheidung und damit auch für die hier zutreffende Kostenverteilung wäre die weitere Frage gewesen, ob der von der Beklagten vorgenommene Wechsel des Trägerverfahrens für die Vorprüfung des Vorhabens, namentlich vom anfangs entsprechend § 17 UVPG gewählten Planaufstellungsverfahren zum später bevorzugten Verfahren zur Erteilung einer Nachtragsbaugenehmigung letztlich zu einem rechtsschutzrelevanten Verfahrensfehler der Baugenehmigung hätte führen können. Unionsrechtlich dürfte es insoweit regelmäßig auf das erzielte Ergebnis ankommen. Die getroffene Wahl des Trägerverfahrens dürfte mit Blick auf die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten jedenfalls dann nicht zu beanstanden sein, wenn diese Wahl nicht dazu geeignet ist, die Verwirklichung des Zwecks der Vorprüfung bzw. die Gewährleistung des Rechtsschutzes unzumutbar zu erschweren oder gar zu vereiteln.
47Ohne Entscheidungserheblichkeit wäre schließlich auch die weitere Frage geblieben, ob und unter welchen Voraussetzungen die Nachholung einer auf Ergebnisoffenheit angelegten Vorprüfung auch dann noch in Betracht kommen kann, wenn durch die Verwirklichung des Vorhabens bereits Fakten geschaffen wurden. Die Nichtbeachtung des Umweltverfahrensrechts ("Vorprüfung") liegt dabei auf der Hand. Indes lässt das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung die Nachholung einer Vorprüfung im Anschluss an die Baugenehmigungserteilung jedenfalls dann zu, wenn sich dabei nachvollziehbar ergibt, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich gewesen ist.
48Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 - 4 C 11/07 - juris, Rn. 26.
49Vorliegend dürfte ein solches Ergebnis nicht schon vom Ansatz her ausgeschlossen gewesen sein. Eine entsprechende Feststellung des Gerichts über die Nichterforderlichkeit der Umweltverträglichkeitsprüfung wäre aber im Rahmen der Baunachbarklage nicht möglich gewesen, ohne dass zuvor die Beklagte dasselbe Ergebnis mit einer - woran es hier gefehlt hat - fehlerfreien Begründung darlegt hätte.
50Nach alledem waren den Klägern keine Kosten aufzuerlegen. Zum Zeitpunkt der Erledigung durch den Vergleichsschluss bestand der aufgezeigte Verfahrensmangel fort. Die bloße Möglichkeit der Heilung kann vor tatsächlich erfolgter Heilung des Verfahrensfehlers nicht zu ihren Lasten gehen.
51Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Für sie kommt aus diesem Grund weder eine Kostentragung noch die Erstattungsfähigkeit ihrer außergerichtlichen Kosten in Betracht, vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
52Der Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen vom 28. November 2014 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Der Antrag der Antragsteller wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens beider Instanzen als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstands wird auch für das zweitinstanzliche Verfahren auf 3.750,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Aussetzung der angegriffenen Baugenehmigung sei schon wegen der fehlerhaften Vorprüfung nach dem UVPG gerechtfertigt, so dass es nicht mehr darauf ankomme, ob die Lärmimmissionen die Grenze der Zumutbarkeit überschritten.
4Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen, das die Antragstellerin u. a. auf die ordnungsgemäße Nachholung der Vorprüfung i.S.v. § 3 c UVPG stützt, führt zu der im Tenor ersichtlichen Änderung des Beschlusses.
5Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Beschwerde zutreffend dargetan, dass Gegenstand der vorliegenden Beurteilung die sofortige Vollziehbarkeit der Baugenehmigung vom 24. September 2012 in Gestalt der Nachtragsbaugenehmigungen vom 25. April 2013 und vom 30. Dezember 2014 ist, so dass im Rahmen der rechtlichen Würdigung auch die nachgeholte allgemeine Vorprüfung vom Dezember 2014 Berücksichtigung findet. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sind entscheidungserhebliche Umstände, auf die sich der Beschwerdeführer innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist aus § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO beruft, auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erst nach Erlass der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung eingetreten sind.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2004
7- 21 B 2399/03 -, juris, m. w. N.
8Der so verstandene Eilantrag ist zwar zulässig. Insbesondere ergibt sich die Antragsbefugnis der Antragsteller bereits aus einem möglichen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme aufgrund des vorhabenbedingten - mehr als nur geringfügigen - Lärmzuwachses, so dass es auf die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene und in erschöpfender Weise abgehandelte Frage, ob sich ein Individualkläger im Rahmen der Zulässigkeit auf § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG berufen kann, nicht ankommt.
9Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 -, BRS 80 Nr. 150 (verneinend); OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, juris (bejahend).
10Der Antrag ist aber nicht begründet.
11In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüber stehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten.
12Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. März 2010
13- 7 VR 1.10 -, juris.
14Dies gilt auch im Anwendungsbereich des § 4a Abs. 3 UmwRG.
15Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. September 2014 ‑ 7 VR 1.14 -, BauR 2015, 252.
16Der Senat vermag eine nachbarrechtsrelevante, offensichtliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Baugenehmigung im Rahmen summarischer Beurteilung nicht festzustellen.
17Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Gebot der Rücksichtnahme.
18Die betriebsbedingten Lärmimmissionen des zugelassenen Vorhabens halten (auch) am Grundstück der Antragsteller die maßgeblichen Vorgaben der TA-Lärm ein. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das maßgebliche Lärmschutzniveau durch den Betrieb der Beigeladenen nicht eingehalten wird, vermag der Senat bei der allein gebotenen summarischen Beurteilung auf der Grundlage der zum Gegenstand der Genehmigung gemachten Gutachten und Stellungnahmen der M. GmbH vom 17. Januar 2012, 31. Mai 2012 und 14. Juni 2012 sowie dem schalltechnischen Messbericht der H. + Partner Ingenieure vom 23. Oktober 2014 auch nach Auswertung der von der Antragstellerin beigebrachten Stellungnahme der D. D1. GmbH vom 3. Mai 2011 nicht festzustellen. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des schalltechnischen Messberichts der H. + Partner Ingenieure vom 23. Oktober 2014. Danach wird der in der Schallprognose der M. GmbH für den IP 1 prognostizierte Beurteilungspegel um 5 dB(A) unterschritten. Nach Nr. 6.7 dieses Messberichts ist an den anderen Immissionspunkten - also auch dem Grundstück der Antragsteller - deshalb mit geringeren als den ursprünglich prognostizierten Einwirkungen zu rechnen. Diese lagen aber schon nach der Schallprognose der M. GmbH vom 17. Januar 2012 am IP 9, dem Grundstück der Antragsteller, tagsüber an Werktagen um 10 dB(A) und an Sonn- und Feiertagen um 20 dB(A) unterhalb des maßgeblichen Immissionsrichtwerts.
19Die gegen die Verwertbarkeit der Gutachten der M. GmbH erhobenen Einwände der Antragsteller verfangen nicht.
20Soweit sie geltend machen, die von dem in unmittelbarer Nähe ihres Grundstücks befindlichen Spielplatz ausgehenden Geräusche hätten ebenso wie die von dem Schulsportplatz ausgehenden in die Berechnung des Gutachters einfließen müssen, entspricht dies nicht der Rechtslage. Es handelt sich bei diesen Geräuschen nach Nr. 2.4 TA Lärm um keine zu berücksichtigende Vorbelastung. Zur Vorbelastung gehören regelmäßig nur Geräuschimmissionen von Anlagen, für welche die TA Lärm gilt. Dies ist bei Spielplätzen nach Nr. 1 Satz 2 Buchst. h) TA Lärm (Anlage für soziale Zwecke) und bei Schulsportanlagen nach Nr. 1 Buchst. a) TA Lärm (Sportanlagen i. S. d. 18. BImSchV) aber nicht der Fall. Der Einwand, die Anzahl der Kunden und die zugrunde gelegten Fahrzeugbewegungen seien nur „gegriffen“, führt ebenfalls nicht zu Zweifeln an der Verwertbarkeit der Gutachten. Die auf den Angaben der Beigeladenen basierende und von der M. GmbH in ihrer Stellungnahme vom 14. Juni 2012 - zugunsten der Anwohner - noch erhöhte maximale Anzahl von 1536 Fahrten wird nach der im Messbericht von H. + Partner Ingenieure vom 23. Oktober 2014 dokumentierten Zählung mit 1409 Pkw-Bewegungen sogar deutlich unterschritten.
21Dass die zur Errichtung der Lärmschutzwand im Bereich der Anfahrrampe erteilte Befreiung die Antragsteller in ihren Nachbarrechten verletzen könnte, ist auch aufgrund des Standorts der Lärmschutzwand nicht ersichtlich und wird auch ihrerseits nicht dargelegt. Die seitens der Antragsteller befürchtete fehlende behördliche Überwachung der Einhaltung der Regelungen der Baugenehmigung ist eine Frage des Vollzugs der Baugenehmigung und führt ebenfalls nicht zur Annahme einer genehmigungsbedingten Verletzung nachbarschützender Vorschriften.
22Ob - was das Verwaltungsgericht für überwiegend wahrscheinlich gehalten hat - die Baugenehmigung gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG verstößt, muss im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Es bedarf insbesondere der Prüfung, ob die im Dezember 2014 nachgeholte Vorprüfung den rechtlichen Anforderungen genügt.
23Die danach hier vorzunehmende folgenorientierte Interessenabwägung fällt in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats zugunsten der Antragsgegnerin aus. Die Folgenabwägung orientiert sich an der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers, die in § 212a Abs. 1 BauGB zum Ausdruck kommt, danach hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragsteller ist demgegenüber kein höheres Gewicht beizumessen. Die betriebsbedingten Lärmimmissionen liegen - wie oben ausgeführt - unterhalb der maßgeblichen Immissionsrichtwerte und sind schon deshalb bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens für die Antragsteller nicht unzumutbar.
24Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären; dies entspricht der Billigkeit, denn sie hat weder erstinstanzlich noch im Beschwerdeverfahren einen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
25Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar.