Verwaltungsgericht München Urteil, 04. Okt. 2017 - M 26 K 17.32338

bei uns veröffentlicht am04.10.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, zugehörig zur Volksgruppe der Paschtunen, sunnitischen Glaubens und stammt aus der Provinz Kunduz. Er reiste nach eigenen Angaben am 23. Dezember 2015 auf dem Landweg in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 16. Juni 2016 Asylantrag.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 18. Oktober 2016 erklärte der Kläger, er habe die Schule bis zur 8. Klasse besucht und in Afghanistan in der Landwirtschaft, einer Autowerkstatt und in einem Ladengeschäft gearbeitet. Sein Vater habe ihn eines Tages plötzlich gegen seinen Willen in eine pakistanische Koranschule schicken wollen, in der er zum Taliban ausgebildet werden sollte. Die Diskussion hierüber in der Familie habe ungefähr zwei Wochen gedauert; dann habe der Kläger Afghanistan verlassen.

Mit Bescheid vom 20. Januar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – nicht vorliegen (Nr. 4). Unter Nr. 5 drohte es die Abschiebung nach Afghanistan oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat an. Nr. 6 enthält die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate.

Hiergegen ließ der Kläger am 7. Februar 2017 Klage erheben; er beantragt,

  • 1.Der Bescheid des Bundesamts vom 20. Januar 2017, zugestellt am 24. Januar 2017, wird aufgehoben.

  • 2.Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

  • 3.hilfsweise, dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen,

  • 4.hilfshilfsweise, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte hat die Akten vorgelegt, aber keinen Antrag gestellt.

Mit Beschluss vom 6. September 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, die Asylakte der Beklagten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 2017 Bezug genommen.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. Oktober 2017 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beklagte hat mit allgemeiner Prozesserklärung auf Einhaltung der Ladungsfrist sowie Ladung gegen Empfangsbekenntnis verzichtet.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid vom 20. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG) oder subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Er hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG. Die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung sowie das dreißigmonatige Einreise- und Aufenthaltsverbot sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht diesbezüglich von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Es ergänzt lediglich wie folgt:

„1. Wie auch das Bundesamt erachtet das Gericht den Vortrag des Klägers, er sei von seinem Vater bedroht worden, weil er sich nicht auf einer pakistanischen Koranschule zum Taliban habe ausbilden lassen wollen, als nicht glaubhaft. Der Vortrag ist oberflächlich und die Geschichte erscheint nicht schlüssig, insbesondere weil die Beweggründe des Vaters für dieses Ansinnen völlig unklar bleiben. So soll die politische Einstellung der Eltern in der Familie zuvor nie thematisiert worden sein.

2. Jedenfalls aber ist mit dem Bundesamt auch davon auszugehen, dass dem Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stünde (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG).

2.1. Der Kläger könnte sich beispielsweise in Kabul - wohin auch eine Abschiebung erfolgen würde - oder in einer anderen großen Stadt, wie etwa Herat - wohin es Inlandsflüge gibt, niederlassen.“

In die Beurteilung der Frage, ob vernünftigerweise zu erwarten ist, dass sich der Ausländer am Ort des internen Schutzes niederlässt, müssen die konkreten persönlichen Verhältnisse mit einfließen, insbesondere der Grad der sozialen Verwurzelung, familiäre Unterstützungsmöglichkeiten, Gesundheitszustand, Bildung, Ethnie und finanzielle Lage. Erforderlich ist, dass am Ort des internen Schutzes die entsprechende Person durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder der Teilnahme an Verbrechen besteht. Der Zumutbarkeitsmaßstab geht im Rahmen des internen Schutzes über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; OVG NRW, B.v. 6.6.2016 – 13 A 18182/15.A – juris).

Die diesbezügliche aktuelle Lage in Afghanistan und in der Hauptstadt Kabul stellen sich wie folgt dar: Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familienbzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 30. September 2016, Seite 24 ff.) führt aus, Afghanistan bleibe weiterhin eines der ärmsten Länder weltweit. Die bereits sehr hohe Arbeitslosenrate sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte Ende 2014 wegen des damit zusammenhängenden Nachfrageschwundes rasant angestiegen, das Wirtschaftswachstum betrage nur 1,5%. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Die Landwirtschaft beschäftige bis zu 80% der Bevölkerung, erziele jedoch nur etwa 25% des Bruttoinlandprodukts. Vor allem in Kabul gehöre wegen des dortigen großen Bevölkerungswachstums die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Auch die Beschäftigungsmöglichkeiten hätten sich dort rapide verschlechtert. Nur 46% der afghanischen Bevölkerung verfüge über Zugang zu sauberem Trinkwasser und lediglich 7,5% zu einer adäquaten Abwasserentsorgung. Unter Verweis auf den UNHCR sähen sich Rückkehrende beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan mit gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert. Geschätzte 40% seien verletzlich und verfügten nur über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwere die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr. Gemäß UNHCR verließen viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut. Sie wichen dann in die Städte aus, insbesondere nach Kabul.

Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist von dem Kläger vernünftigerweise zu erwarten, dass er sich in Kabul oder einer anderen größeren Stadt wie Herat niederlässt. Der Kläger ist in Afghanistan aufgewachsen und mit den dortigen Verhältnissen und Regeln vertraut. Er verfügt über eine Schulbildung sowie berufliche Erfahrung in verschiedenen Bereichen (Landwirtschaft, Autowerkstatt und Verkauf). Er ist jung und arbeitsfähig und hat außer seinem Vater noch weitere Familienangehörige in Afghanistan, zu denen er laut eigenen Angaben in der Anhörung vor dem Bundesamt auch noch Kontakt pflegt, so dass erwartet werden kann, dass diese ihn zumindest im Falle einer Notlage unterstützen würden. Er gehört darüber hinaus der ethnischen Mehrheit an. Unter Anlegung des dargelegten Maßstabs kann daher von dem Kläger erwartet werden, dass er sich in einer afghanischen Stadt außerhalb seiner Herkunftsprovinz, wie zum Beispiel Kabul oder Herat, niederlässt (vgl. auch BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 13a ZB 17.30099 – juris Rn. 12, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 20, unter Berufung auf den UNHCR; VG Ansbach, U.v. 13.1.2017 – AN 11 K 15.31065 – juris Rn. 29).

Es sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger in einer größeren Stadt außerhalb seiner Herkunftsprovinz einer Bedrohung seitens seines Vaters oder gar der Taliban ausgesetzt wäre, wie er sie in seinem Asylverfahren vorgetragen hat. Der Kläger ist von den Taliban selbst nie bedroht worden. Auch den Vater betreffend hält es das Gericht schon nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass dieser nach zweijähriger Abwesenheit des Klägers außerhalb seines Heimatortes gezielt nach ihm suchen oder dass er von seiner Rückkehr nach Afghanistan überhaupt erfahren würde. Auch ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Vater den Kläger, wenn er nicht mehr in seinem unmittelbaren Einflussbereich lebt, gezielt aufsuchen und ernsthaft bedrohen würde. Größere Städte wie Kabul und Herat bieten ein gewisses Maß an Anonymität, auch dann, wenn der Kläger zum Beispiel zwecks Arbeitsaufnahme Kontakte wird knüpfen müssen. Angaben zu einem etwaigen landesweiten Einflussbereich seines Vaters hat der Kläger im Verfahren nicht gemacht. Dem Kläger ist es auch zuzumuten, Kontakte zu Familienangehörigen oder Bekannten und Freunden aus der Heimatregion so einzuschränken bzw. zu gestalten, dass ein Rückschluss auf seinen (genauen) Aufenthaltsort und eine (bewusste oder unbewusste) Weitergabe dieses Ortes durch seine Kontaktpersonen nicht möglich bzw. nicht zu erwarten ist. Hieran müsste er ein ureigenes persönliches Interesse haben.

2.2. Die allgemeine Gefährdungslage in den Provinzen Kunduz, Kabul und Herat bzw. in Afghanistan landesweit erreicht keine Intensität, aufgrund der bereits ohne das Vorliegen individueller gefahrerhöhender Umstände von der Erfüllung des Tatbestands des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auszugehen wäre. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist nach den von der Rechtsprechung hierfür angelegten Maßstäben noch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2017 - 13a ZB 17.30756- juris; B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris, B.v. 8.2.2017 – 13a ZB 17.30016 – juris; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f., jeweils m.w.N.).

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) besteht und dass es für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte einer wertenden Gesamtbetrachtung auf der Grundlage einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos bedarf (vgl. BayVGH, U.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris Rn. 4 ff. m.w.N.). Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Betroffenen fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist somit ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (BayVGH, U.v. 17.1.2017 a.a.O. Rn. 5 m.w.N.). Zur Ermittlung der für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichenden Gefahrendichte ist dabei aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Herkunftsprovinz lebenden Zivilpersonen annäherungsweise zu ermitteln und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung zu setzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei ein Risiko von ca. 1:800 oder 0,125%, in der Herkunftsprovinz verletzt oder getötet zu werden, so weit von der Schwelle der für den subsidiären Schutz beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass sich das Fehlen einer wertenden Gesamtbetrachtung neben der rein quantitativen Ermittlung nicht auszuwirken vermag (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.; dazu auch BayVGH, U.v. 17.1.2017 a.a.O. Rn. 6 f. m.w.N.).

An diesen, in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung gefestigten Maßstäben gemessen, ist für den Kläger nicht davon auszugehen, dass die für die Feststellung einer individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erforderliche Gefahrendichte auch nur möglicherweise annähernd erreicht wäre:

Unter Zugrundelegung der Einwohnerzahlen für die einzelnen Provinzen Afghanistans im Jahr 2016 (Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, in der Fassung der letzten Einfügung am 11.05.2017, Nrn. 3.1 ff, S. 29 ff) und der (auf ein Jahr hochgerechneten) Opferzahlen für das erste Halbjahr 2017 (UNAMA, Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Midyear Report 2017, July 2017, S. 10 und Anlage 3, S. 72 ff) errechnen sich folgende Wahrscheinlichkeiten, innerhalb eines Jahres verletzt oder getötet zu werden: Provinz Kabul– 0,05%, Provinz Kunduz – 0,04%, Provinz Herat – 0,02%. Diese Zahlen sind bei Anlegung der dargelegten Maßstäbe auch unter Berücksichtigung einer gewissen Dunkelziffer weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt.

Auch ist nicht ersichtlich, dass eine im Wesentlichen zunehmende Tendenz der Opferwahrscheinlichkeit gegeben wäre. Insoweit muss zwar festgestellt werden, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan insgesamt seit Anfang 2016 deutlich verschlechtert hat und die Situation in Afghanistan als volatil anzusehen ist (vgl. Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern, Dezember 2016, S. 1; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19. Juni 2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 1). Nach der Dokumentation von UNAMA (UNAMA first quarter 2017 civilian casualty Data, vom 27.04.2017) ist jedoch für die ersten drei Monate im Jahr 2017 eine Anzahl ziviler Opfer in Höhe von 2.181 verzeichnet worden. Dies entspricht laut UNAMA einem Rückgang von vier Prozent im Vergleich zu den ersten drei Monaten des Vorjahres (2.268 zivile Opfer). Im ersten Halbjahr 2017 bewegten sich die Opferzahlen in etwa auf dem hohen Niveau des Vorjahres; laut den Daten von UNAMA (Afghanistan. Protection of civilians in armed conflict. Midyear Report 2017, July 2017, S. 3) sank die Anzahl der Opfer um etwa ein halbes Prozent im Vergleich zum Vorjahr (24 Opfer weniger / 5.267 Opfer im ersten Halbjahr 2016).

Eine wesentliche Steigerung für die Zukunft impliziert dies nicht.

Hieran ändert auch nichts, dass der Security Council der General Assembly der UN in den Berichten des Generalsekretärs „The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security” vom 03.03. und 15.06.2017 im Zeitraum vom 18.11.2016 bis 14.02.2017 5.160 security-related incidents (sicherheitsbezogene Vorfälle), von Januar bis einschließlich März 2017 5.687 security-related incidents und im Zeitraum vom 01.03. bis 31.05.2017 6.252 security-related incidents (S. 4) verzeichnete. Insoweit spricht er von einem zehnprozentigen Zuwachs im Zeitraum vom November 2016 bis Februar 2017 im Vergleich zur selben Periode im Jahr 2015 und einem dreiprozentigen Zuwachs im Vergleich zum Jahr 2014 sowie einem zweiprozentigen Zuwachs für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.05.2017 im Vergleich zum Vorjahr.

Auch soweit Organisationen wie UNHCR (s. Anmerkungen vom Dezember 2016) und Pro Asyl sowie Presseberichte auf die Zunahme von Anschlägen - vor allem in Kabul - verweisen, folgen sie eigenen Maßstäben, aber nicht den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an die Annahme von erheblichen Gefahren aufgrund eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2017 – 13a ZB 17.30756 – juris, U.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris).

Auch die medial sehr präsenten Anschläge in Afghanistan seit Mai 2017 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19.06.2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 4 ff; http://www.zeit.de/thema/afghanistan) vermögen es nicht, diese Einschätzung zu widerlegen (so etwa auch: OVG NW, B. v. 10.7.2017, Az. 13 A 1385 (17.A); s. auch AA, Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31.5.2017 vom 28.7.2017, Rn. 30 ff). Die aktuelle Entwicklung der Opferzahlen in Afghanistan lässt keine einheitliche Tendenz erkennen. Während die Opferzahlen für das erste Halbjahr 2017 in einigen Regionen gegenüber dem Vorjahr Steigerungen aufweisen, können in der Zentralregion, der östlichen, der südöstlichen, der nördlichen und der nordöstlichen Region Afghanistans leichte Rückgänge verzeichnet werden (vgl. UNAMA, United Nations Assistance Mission in Afghanistan, Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Midyear Report 2017, Juli 2017 S. 10).

Gefahrerhöhende Umstände sind in der Person des Klägers nicht festzustellen. Er ist keinen erhöhten Gefahren aufgrund seiner Berufsausübung ausgesetzt und gehört der ethnischen und religiösen Mehrheit an.

3. Für den Kläger besteht auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch insoweit wird auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dem das erkennende Gericht auch insoweit folgt, geht weiterhin davon aus, dass die Situation in der Zentralregion mit Kabul und auch sonst in Afghanistan nicht derart ist, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (BayVGH, B.v. 31.8.2017 – 13a ZB 17.30756 – juris m.w.N.). In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist auch geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige im Allgemeinen derzeit keine extreme Gefahrenlage anzunehmen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris m.w.N., U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris). Die persönlichen Verhältnisse und Umstände des Klägers rechtfertigen bzw. erfordern keine abweichende Beurteilung. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen unter 2.2. verwiesen.

4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3e Interner Schutz


(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag aus nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Dezember 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält folgende Fragen für klärungsbedürftig:

„1. Besteht für Angehörige der Zivilbevölkerung durch ihre Anwesenheit in Afghanistan aufgrund des Vorliegens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 4 I Satz 2 Nr. 3 AsylG in Verbindung mit Art. 15c RL 2004/83/EG?

2. Kann dieser Personenkreis internen Schutz im Sinne von § 3e AsylG in anderen Landesteilen, insbesondere den afghanischen Großstädten, finden?

3. Ist aufgrund der Situation in Afghanistan für Angehörige der Zivilbevölkerung von einem nationalen Abschiebeverbot im Sinne von § 60 V/VII Satz 1 AufenthG auszugehen?“

Aufgrund der sich zuspitzenden Sicherheitslage sei eine neue Risikobewertung angezeigt. Dies ergebe sich aus der Stellungnahme des UNHCR („Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Inneren Dezember 2016“). Danach habe sich die Sicherheitslage seit April 2016 nochmals deutlich verschlechtert. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum sei ein Anstieg an Opfern um 4% zu verzeichnen (gemäß dem dort zitierten Bericht von UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Mid-Year Report, Juli 2016). UNHCR halte deshalb das gesamte Staatsgebiet Afghanistans von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt für betroffen. Insbesondere sei die Lage der über 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge katastrophal. Im Beschluss vom 14. Dezember 2016 habe das Bundesverfassungsgericht die Frage, ob angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan Abschiebungen derzeit verfassungsrechtlich vertretbar seien, ausdrücklich offen gelassen.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt (UA S. 5 ff.), dass zwar landesweit ein bewaffneter Konflikt bestehe, dem Kläger aber bei einer Rückkehr in seine Heimatstadt Kabul keine Gefahr im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG drohe. Weder für das ganze Land noch für einzelne Gebiete einschließlich Kabul lasse sich ein Gefährdungsgrad feststellen, der zu einer erheblichen individuellen Gefahr führen würde. Es hat dabei auch auf die Opferzahlen Bezug genommen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat das Verwaltungsgericht ebenfalls verneint. Trotz der desolaten Sicherheits- und Versorgungslage sei weder von einem begründeten Ausnahmefall nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch von einer extremen Gefahrenlage im Sinn von § 60 Abs. 7 AufenthG in analoger Anwendung auszugehen.

Damit hat sich die Frage einer internen Schutzmöglichkeit (Nr. 2) für das Verwaltungsgericht nicht gestellt. Im Übrigen ist sie einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich, weil ihre Beantwortung wesentlich von den Umständen des Einzelfalls abhängt, insbesondere den individuellen Verhältnissen des Klägers.

Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts zur Lage in Kabul, der Heimatstadt des Klägers, entspricht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Es ist geklärt, dass in Afghanistan bzw. in Kabul in der Zentralregion die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) nicht vorliegen (BayVGH, B.v. 31.1.2017 - 13a ZB 16.31055; B.v. 17.8.2016 - 13a ZB 16.30090 - juris; B.v. 30.7.2015 - 13a ZB 15.30031 - juris; U.v. 1.2.2013 - 13a B 12.30045 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Auch geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Lage in Afghanistan nicht derart ist, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris - unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167, das wiederum verweist auf EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Ebenso ist hinsichtlich § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris; U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris).

Die klägerischen Ausführungen zur Verschlechterung der Sicherheitslage bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Die UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016 und die Anmerkungen hierzu vom Dezember 2016, wonach sich die Sicherheitslage deutlich verschlechtert habe, verfolgen eine andere Zielrichtung. Vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage werden dort Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt. Die dortige Bewertung beruht auf den vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben. Zudem verweist UNHCR (Anmerkungen S. 5) explizit darauf, dass eine umfassende Einzelfallprüfung erforderlich sei, um die humanitären Auswirkungen der sich verändernden Sicherheitssituation auf die Zivilbevölkerung berücksichtigen zu können. Das schließt eine grundsätzliche Klärung aus. Unabhängig davon sind aber auch nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (S. 10 der Richtlinien). Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 14.12.2016 - 2 BvR 2557/16 - Asylmagazin 2017, 46). Dort wurde zur hier maßgeblichen Frage, ob angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan Abschiebungen derzeit verfassungsrechtlich vertretbar sind, keine Aussage getroffen. Die Frage bedurfte keiner Entscheidung, weil die Abschiebung schon aus anderen Gründen untersagt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. März 2014 wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am 31. Dezember 1993 in Herat geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens und Hazara. Er reiste auf dem Landweg vom Iran über die Türkei, Griechenland, Italien und Österreich am 25. März 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. April 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 11. Juli 2012 gab der Kläger an, er spreche Dari, außerdem Farsi und ein wenig Englisch. Seit seinem zweiten Lebensjahr habe er mit seiner Familie im Iran gelebt. Die Familie stamme aus der Provinz Herat, Gebiet Guzara. Seine Eltern hätten sich zwar über Afghanistan unterhalten, aber er habe mit ihnen nicht darüber gesprochen. Sie seien wegen der schlechten Sicherheitslage, insbesondere für Hazara, geflohen. In Afghanistan habe er keine Verwandten. Er habe im Iran, in Bodjnord, fünf Jahre die Schule besucht und anschließend sowohl in Restaurants gearbeitet als auch Motorräder in Stand gesetzt. Er habe immer drei bis vier Monate in Teheran gearbeitet und sei dann wieder zur Familie zurückgekehrt. Wann er aus dem Iran ausgereist sei, wisse er nicht. Er sei seit über zweieinhalb Jahren unterwegs. Eineinhalb Jahre sei er in der Türkei gewesen, neun bis zehn Monate in Griechenland. Die Fahrt habe er mit seinem Verdienst in Teheran finanziert. In Griechenland habe er nicht gearbeitet, in der Türkei als Spüler in Restaurants. Den Iran habe er verlassen, weil die Afghanen dort unterdrückt würden. Die Familie habe auch keine offiziellen Dokumente und sei nicht einmal sozialversichert. Er habe eine Schwester mit elfeinhalb Jahren und einen Bruder mit ca. zehn Jahren.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt (1.), festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (2.) sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a. F. (3.) nicht vorliegen und dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan angedroht (4.). Zur Begründung ist ausgeführt, wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara liege keine Verfolgung vor. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Herat bestehe nicht. Auch die Voraussetzungen von nationalen Abschiebungsverboten lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine extreme Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Da der Kläger nach seinen Angaben bereits nach Beendigung der Schule in Restaurants gearbeitet und Motorräder repariert habe, könne er auch ohne den Rückhalt seiner Familie das erforderliche Einkommen erzielen.

Mit der hiergegen gerichteten Klage an das Verwaltungsgericht München verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 25. März 2014 erklärte der Kläger, Bodjnord sei etwa 17 bis 18 Stunden mit dem Bus von Teheran entfernt, wo er gearbeitet habe. In Deutschland habe er keine Schule besucht und keine Berufsausbildung gemacht. Derzeit arbeite er in einem Restaurant. Mit Urteil vom 25. März 2014 wurde der Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 antragsgemäß in Nr. 3 insoweit aufgehoben, als festgestellt wurde, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vorliegt. Zudem wurde er in Nr. 4 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen. Die allgemeine Gefahr in Afghanistan habe sich in der Person des Klägers trotz seiner Volljährigkeit ausnahmsweise zu einer extremen Gefahr verdichtet. Aufgrund der besonderen Umstände kommt das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass der Kläger, der bereits im Alter von zwei Jahren sein Herkunftsland dauerhaft mit seiner Familie verlassen habe, mit den Verhältnissen in Afghanistan nicht vertraut sei und zudem über keine Berufsausbildung verfüge, nicht dazu in der Lage wäre, die hohen Anforderungen so bewältigen zu können, dass er sich ohne die Hilfe eines aufnahmebereiten Familienverbands wenigstens ein Existenzminimum erwirtschaften könnte. Allein aufgrund seiner langjährigen Abwesenheit sei davon auszugehen, dass ihm die aktuellen Lebensumstände in Afghanistan fremd seien. Er sei mit den Gepflogenheiten der afghanischen Gesellschaft nicht vertraut, zumal dort während seiner Abwesenheit entscheidende Umbrüche und Veränderungen stattgefunden hätten. Erschwerend wirke sich die fehlende Berufsausbildung aus.

Auf Antrag der Beklagten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. August 2014 die Berufung zugelassen wegen Divergenz zur Rechtsprechung des Senats zur extremen Gefahrenlage in den Fällen, in denen der betreffende Ausländer Afghanistan bereits im Kleinkindalter verlassen hat (BayVGH, U. v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031 - juris). Unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Zulassungsantrag und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs führt die Beklagte aus, dass bei alleinstehenden, arbeitsfähigen und gesunden männlichen afghanischen Rückkehrern in aller Regel kein Abschiebungsschutz in Betracht käme, zumal Mittel der Rückkehrförderung in Anspruch genommen werden könnten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. März 2014 vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger geht davon aus, dass er gemessen an seiner persönlichen Situation ausnahmsweise alsbald nach der Rückkehr in eine extreme Gefahrenlage geraten würde. Er beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) nicht verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger ein national begründetes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Beim national begründeten Abschiebungsverbot handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand, weshalb alle entsprechenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen sind (BVerwG, U. v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Allerdings sind weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 noch diejenigen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig (EMRK) ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG(U. v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen („zielstaatsbezogene“ Abschiebungshindernisse). Dabei sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 unter Verweis auf EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung gebieten würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht erkennbar.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.

Auf eine individuelle erhebliche konkrete Gefahr i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat sich der Kläger, der sich nach seinen Angaben ab seinem zweiten Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan aufgehalten hat, nicht berufen. Vielmehr trägt er vor, dass seine Eltern Afghanistan wegen der damaligen schlechten Sicherheitslage - eine allgemeine Gefahr im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG - verlassen hätten. Diese kann auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (BVerwG, U. v. 8.12.1998 - 9 C 4.98 - BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Eine Abschiebestoppanordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht (mehr). Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat durch die Verwaltungsvorschriften zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) mit Rundschreiben vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15 bezüglich der Rückführungen nach Afghanistan verfügt, dass nach wie vor alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige, die volljährig sind, vorrangig zurückzuführen sind (s. BayVVAuslR Nr. C.3.2).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG; vgl. nur BVerwGE 99, 324; 102, 249; 108, 77; 114, 379; 137, 226). Diese Grundsätze über die Sperrwirkung bei allgemeinen Gefahren und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung in den Fällen, in denen dem Betroffenen im Abschiebezielstaat eine extrem zugespitzte Gefahr droht, sind auch für die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich (BVerwG, B. v. 23.8.2006 - 1 B 60.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19).

Im Hinblick auf die unzureichende Versorgungslage hat sich die allgemeine Gefahr in Afghanistan für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten wäre. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich aus den Erkenntnismitteln nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher afghanischer Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären (seit U. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris). Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Der Senat hat sich dabei im Urteil vom 30. Januar 2014 (a. a. O.) u. a. auf die Lageberichte des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: 4. Juni 2013) gestützt sowie auf die Stellungnahmen von Dr. Danesch vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof, von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren 6 A 11048/10.OVG) und von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012. Nach den dortigen Erkenntnissen geht der Senat davon aus, dass trotz großer Schwierigkeiten grundsätzlich auch für Rückkehrer durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts bestehen und jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr nicht zu befürchten sind.

Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Im Übrigen greift der Lagebericht 2014 mit Ausnahme der medizinischen Versorgung keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung - wie schon bisher - für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung sei. Die medizinische Versorgung habe sich in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle allerdings im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 18 ff. - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Die Analphabetenrate sei weiterhin hoch und die Anzahl der gut qualifizierten Fachkräfte sehr tief.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 [UNHCR-Richtlinien] und Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 vom August 2014 [UNHCR-2014]) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen.

Zusammenfassend lassen sich damit aus diesen Berichten keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen entnehmen. Aufgrund der in den Auskünften geschilderten Rahmenbedingungen sind insbesondere Rückkehrer aus dem Westen in einer vergleichsweise guten Position. Allein schon durch Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind, wesentlich höher. Hinzu kommt, dass eine extreme Gefahrenlage zwar auch dann besteht, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226), jedoch Mangelernährung, unzureichende Wohnverhältnisse und eine schwierige Arbeitssuche nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit „alsbald“ zu einer extremen Gefahr führen. Diese muss zwar nicht sofort, also noch am Tag der Ankunft eintreten. Erforderlich ist allerdings eine hinreichende zeitliche Nähe zwischen Rückkehr und unausweichlichem lebensbedrohenden Zustand. Die Gefahr muss sich alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies ist aus den genannten Erkenntnismitteln nicht ersichtlich. Nach der Beurteilung des Auswärtigen Amts in der Auskunft vom 2. Juli 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof (um Verfahren 8 A 2344/11.A) dürfte es unwahrscheinlich sein, dass besonders in der Hauptstadt Kabul Personen verhungern oder verdursten. Im Urteil vom 4. September 2014 (8 A 2434/11.A - juris) teilt der Hessische Verwaltungsgerichtshof die vorliegende Einschätzung (ebenso OVG NW, U. v. 27.1.2015 - 13 A 1201/12.A - juris). Demgegenüber stellt der Kläger lediglich die Vermutung auf, dass sich die Situation für Rückkehrer verschlechtert habe. Konkrete Anzeichen, die auf eine Verschlechterung hinweisen würden, benennt er nicht. Er beschränkt sich vielmehr auf Annahmen, ohne dass sich diese auf signifikante Veränderungen stützen würden.

Bei dieser Ausgangslage bedurfte es auch nicht der Einholung einer neuen Auskunft.

Die vorhandenen Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Im Hinblick auf den teilweisen Abzug der internationalen Truppen ergibt sich nichts anderes. Anhaltspunkte, dass sich bei der Versorgungs- und Sicherheitslage im jetzt maßgeblichen Zeitpunkt erhebliche Veränderungen ergeben hätten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Ob in Zukunft Verschlechterungen eintreten werden, lässt sich derzeit nicht beurteilen.

Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Kläger als Angehöriger der Minderheit der Hazara keine Chance hätte, sich als Tagelöhner oder Gelegenheitsarbeiter zu verdingen. Die vorliegenden Gutachten und Berichte enthalten keine entsprechenden Hinweise. Der Umstand, dass der Kläger seit seinem zweiten Lebensjahr mit seiner Familie im Iran gelebt hat, steht der Annahme, er könne sich in Kabul auf sich allein gestellt notfalls „durchschlagen“, ebenfalls nicht entgegen. Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Urteil vom 24. Oktober 2013 (13a B 13.30031 - juris) ausgeführt, dass eine Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich nicht am fehlenden vorherigen Aufenthalt im Heimatland scheitere. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. Ein spezielles „Vertrautsein mit den afghanischen Verhältnissen“ mag die Sicherung des Lebensunterhalts vereinfachen. Anhaltspunkte, dass dies erforderlich sein könnte, sind jedoch nicht ersichtlich. Damit liegt die für eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger alsbald existenzbedrohenden Mangellagen ausgesetzt wäre, nicht vor. Der Kläger ist im Iran, einer islamisch geprägten Umgebung, aufgewachsen und spricht Farsi sowie die hiermit sehr eng verwandte Landessprache Afghanistans Dari. Zudem hebt er sich bereits dadurch von der Masse der Arbeit suchenden Analphabeten ab, dass er im Iran fünf Jahre lang die Schule besucht hat. In Teheran hat er anschließend sowohl in Restaurants gearbeitet als auch Motorräder in Stand gesetzt. Damit konnte er nicht nur seinen Lebensunterhalt erwirtschaften, sondern auch die Ausreise sowie seinen neun- bis zehnmonatigen Aufenthalt in Griechenland, wo er nach seinen Angaben nicht gearbeitet hat, finanzieren. Während seines eineinhalb jährigen Aufenthalts in der Türkei hat er - ohne Kenntnis der Landessprache - als Spüler in Restaurants gearbeitet. Ebenso ist er derzeit in Deutschland in einem Gasthof als Küchenhilfe beschäftigt. In der mündlichen Verhandlung hat er zudem relativ gut Deutsch gesprochen. Mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer zwangsweisen Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten, etwa in Kabul, wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht komme (UNHCR-2014).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

1. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Antragsteller, nach eigenen Angaben am ... 1990 in ... geboren, ist afghanischer Staatsangehöriger, paschtunischer Volkszugehörigkeit. Er gab an, über den Iran, die Türkei und Griechenland auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland am .... April 2012 eingereist zu sein und stellte am .... Mai 2012 einen Asylantrag.

Bei seiner persönlichen Anhörung am .... Juli 2012 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) legte er eine Kopie seiner Geburtsurkunde vor, einen Drohbrief der Taliban sowie seine Heiratsurkunde. Diese Papiere waren ihm nach Deutschland gefaxt worden, nach eigenen Angaben vom Mann seiner Schwester. Der Kläger gab an, im Dorf ..., Landkreis ..., Provinz ... im Hause seiner Eltern gewohnt zu haben. Er habe dort bis zu seiner Ausreise gewohnt. Er habe im Jahr 1385 (2006/2007) geheiratet. Seine Frau lebe bei ihrem Vater. Er habe zwei Töchter, sie seien ein Jahr und zwei Jahre alt. Diese seien bei ihrer Mutter. Zum Schulbesuch befragt gab er an, fünf Jahre lang die Grundschule in ... besucht und ein Jahr lang in einer Werkstatt als Schweißer gelernt zu haben. Danach habe er sich als Schweißer selbstständig gemacht und diesen Beruf in ... bis zu seiner Ausreise ausgeübt.

Zu den unmittelbaren Gründen seiner Ausreise aus Afghanistan befragt, erklärte der Kläger, sein Bruder sei Taxifahrer gewesen und zwischen dem Dorf des Klägers und der Stadt ... gependelt. Die Taliban hätten seinem Bruder vorgeworfen, für die Regierung zu arbeiten. Die Taliban hätten seinem Bruder gesagt, er solle nicht mehr Taxi fahren. Dann haben die Taliban seinen Bruder festgenommen und verschleppt. Sie hätten ihn überall gesucht und später seine Leiche gefunden. Dies sei zwei bis drei Monate vor der Ausreise des Klägers gewesen. Der Kläger gab weiter an, nach dem Tod seines Bruders habe er einen Brief bekommen, worin behauptet wurde, sein Bruder habe für die Regierung gearbeitet und er müsse dafür nun Strafe zahlen. Dem Kläger sei gedroht worden, er werde umgebracht, sollte er nicht zahlen. In dem Drohbrief der Taliban habe gestanden, er müsse sich am ....1390 (....2011) melden. Laut Übersetzung durch den anwesenden Dolmetscher steht in dem Drohbrief „am ....1390 ist ... nicht erschienen und geflüchtet.“

Der Kläger sagte weiter aus, er sei zu seinem Schwiegervater nach ... gegangen, nachdem er den Drohbrief erhalten habe. Auf Vorhalt, er habe anfangs behauptet, bis zu seiner Ausreise im Elternhaus gewohnt zu haben, erklärte er, er habe gedacht, es sei gemeint, ob er in diesem Gebiet gewesen sei. Das Dorf seines Schwiegervaters sei nicht so weit von seinem Elternhaus entfernt. Die letzten drei Monate sei er bei seinem Schwiegervater gewesen und nur ab und zu heimlich nach Hause zu seiner Mutter gegangen.

Auf Frage, ob der Kläger andere persönliche und konkrete Probleme mit den Taliban gehabt habe, gab der Kläger an, ja, diese hätten immer Geld verlangt. Sie seien Diebe, die wollten immer auf irgendeine Weise Geld von den Leuten. Auf die Anhörung (S. 41-48 Bundesamtsakte - BA) wird im Übrigen Bezug genommen.

Mit Schreiben vom .... Januar 2013 reichte der Kläger beim Bundesamt Dokumente, die er als Originaldokumente aus Afghanistan bezeichnete, für sein Asylverfahren ein. Der übersetzte Drohbrief lautet: „Islamische Bewegung der afghanischen Taliban, Oberhaupt der Gläubigen ... .... Der genannte ..., Sohn des ..., sein Großvater ..., muss wissen, dass laut Anzeige der Taliban der Bruder des ... mit den Behörden der jetzigen Regierung in Verbindung stand, und die Talban hatten ihn gewarnt, seinen Bruder zu den Taliban zu bringen. Aber sein Bruder flüchtete und verschwand aus der Szene, und der ... selbst erschien auch nicht, und in dem Jahr ....1390 flüchtete er. An diesem Datum erschien auch ... nicht. Nun wird ... zu 3.500.000 Afghanis Geldstrafe verurteilt, wenn er diese Strafe nicht zahlt, hat er keinen Grund zur Beschwerde“. Ein weiterer Brief lautet: „Nach der Begrüßung wird die Person ..., Sohn des ..., Enkel des ..., seitens der für den Distrikt ... verantwortlichen Taliban darüber informiert, im Jahre 1390 nach Sonnenkalender am Samstagmorgen um 9 Uhr zum Distrikt zu kommen. Im Falle eines Nichterscheinens, hast du kein Recht auf Beschwerde. Grüße“. Auf die verschiedenen Dokumente wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom .... Juli 2015, zugestellt am .... Juli 2015, wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1), sein Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziffer 2), der subsidiäre Schutzstatus ihm nicht zuerkannt (Ziffer 3) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). In Ziffer 5 des Bescheides wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen 30 Tagen zu verlassen, andernfalls wurde ihm die Abschiebung, zuvorderst nach Afghanistan, angedroht.

Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger habe seine Furcht vor Verfolgung durch die Taliban nicht glaubhaft gemacht. Sein Sachvortrag sei in sich nicht stimmig. Wichtige Einzelheiten, wie vor allem der zeitliche Ablauf der Geschehnisse seien bis zum Schluss unklar geblieben und auch auf mehrere Nachfragen des anhörenden Entscheiders hätten diese Unklarheiten nicht ausgeräumt werden können. Der Kläger habe sich in seinem Vortrag zunächst nur auf die Verschleppung und den Tod seines Bruders bezogen und auf Nachfrage erklärt, er habe einen Drohbrief bekommen, in dem gestanden habe, er solle sich am ... 2011 melden. Dies wäre jedoch bereits vor dem Tod des Bruders gewesen. Der Kläger habe vorgetragen, er sei zu seinem Schwager nach ... geflohen, nachdem er den Drohbrief erhalten habe. Eingangs sei der Kläger jedoch ausdrücklich nach seinem Aufenthaltsort bis zu seiner Ausreise gefragt worden. Dort habe er zunächst angegeben, er habe sich bis zu seiner Ausreise im Haus seiner Eltern in ... aufgehalten. Später habe er jedoch angegeben, sich zuletzt bei seinem Schwiegervater aufgehalten zu haben.

Das Bundesamt führt in dem Bescheid weiter aus, die Echtheit des vorgelegten Drohbriefes müsse bezweifelt werden, da die Angaben über den Großvater nicht übereinstimmten.

Selbst wenn man den Sachvortrag als wahr unterstellte, bestünde für den Kläger die Möglichkeit, sich in einem anderen Landesteil Afghanistans niederzulassen. Auf den Bescheid (S. 68-78 BA) wird im Übrigen Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 3. August 2015, bei Gericht eingegangen per Telefax am 5. August 2015, ließ der Kläger Klage erheben und beantragen:

I.

Der Bescheid der Beklagten vom ....07.2015 Gz: ... wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen.

III.

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, der subsidiäre Schutz nach § 4 AsylVfG und die nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Mit Schriftsatz vom 14. August 2015 wurde die Klage dahingehend begründet, dass der Kläger verheiratet sei und zwei Kinder habe, die noch in der Heimat lebten. Grund für die Flucht des Klägers sei, dass er von den Taliban unter Druck gesetzt worden sei, sich ihnen anzuschließen und für sie zu kämpfen. Dies habe der Kläger nicht gewollt und hatte daher nur die Möglichkeit zu fliehen. Die Taliban hätten bereits den Bruder des Klägers, der Taxifahrer gewesen sei, bedroht und gewollt, dass er aufhöre, Taxi zu fahren. Da er nicht gehorcht habe, sei er von den Taliban entführt, verschleppt und getötet worden. Dies sei zwei bis drei Monate vor der Flucht des Klägers geschehen. Nach dem Tod des Bruders hätten die Taliban angefangen, den Kläger zu bedrohen, zunächst Geld zu fordern und dann verlangt, dass er vorspreche. Dem sei der Kläger nicht nachgekommen, sondern zunächst zu seinem Schwiegervater und dann aus dem Lande geflohen.

Mit Schriftsatz vom 12. August 2015 beantragte die Beklagte

Klageabweisung.

In der mündlichen Verhandlung stellte die Klägervertreterin folgenden unbedingten Antrag:

Zum Beweis der Echtheit der Dokumente Blatt 53-56 der Bundesamtsakte Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Auswahl der Gerichts.

Das Gericht lehnte den Antrag mit in der mündlichen Verhandlung verkündetem Beschluss ab und begründete dies mit dessen Ungeeignetheit.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts-, die beigezogene Behördenakte sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2017 Bezug genommen.

Gründe

Über die Verwaltungsstreitsache konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2017 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Die Parteien wurden zur Verhandlung ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.

I.

Einzustellen war das Verfahren hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhaltenen Primärantrags auf Verpflichtung, den Kläger als Asylberechtigen anzuerkennen. Dieses Abstandnehmen von der schriftsätzlich beantragten Zielsetzung diesbezüglich stellt sich als teilweise Klagerücknahme dar, so dass das Verfahren insoweit einzustellen ist, § 92 Abs. 1 und 3 VwGO.

II.

Soweit die Klage aufrechterhalten wurde, ist sie zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom .... Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs.1 Satz 1 VwGO. Ihm steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG (Hauptantrag) noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG (Hilfsanträge) zu.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, § 60 Abs. 1 AufenthG, da sich sein Vorbringen insgesamt als unglaubwürdig erweist, da es in sich höchst widersprüchlich ist. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Eine Verfolgung im Sinne dieser Bestimmung kann nach § 3 c AsylG ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Eine entsprechende Verfolgung konnte der Kläger nicht glaubhaft machen.

a) Es bestehen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers. Das Vorbringen des Klägers ist insgesamt nicht glaubhaft. Die Angaben vor dem Bundesamt und im Rahmen der mündlichen Verhandlung weichen teilweise gravierend voneinander ab. Seine unterschiedlichen Aussagen lassen sich nicht miteinander in Einklang bringen. So hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, es seien zwischen der Verschleppung seines Bruders und dem Auffinden seiner Leiche drei Tage und drei Nächte vergangen. Vor Gericht hingegen gab er einen Zeitraum von etwa zwei Monaten an. Auch wenn man dem Hinweis der Klägervertreterin folgt, man könne die vom Kläger angegebenen Zeiträume nicht an unseren Maßstäben messen, so ist der Unterschied zwischen drei Tagen und zwei Monaten doch so gravierend, dass hier von einer reinen Ungenauigkeit/Unkenntnis über Zeiträume bzw. Zeitangaben nicht ausgegangen werden kann, wie dies evtl. bei wenigen Tagen Differenz der Fall sein könnte. Vor dem Bundesamt sagte der Kläger, nach dem Tod seines Bruders habe er einen Drohbrief von den Taliban bekommen. Vor Gericht hingegen behauptete er, er habe den Brief nach der Verschleppung seiner Bruders aber noch vor dessen Tod bekommen. Zum Inhalt des Briefes gab der Kläger beim Bundesamt noch an, darin habe gestanden, er müsse sich am ...1390 (....2011) bei den Taliban melden. Vor Gericht sagte er aus, in dem Brief stehe nicht, wann er sich melden solle. Tatsächlich ist der Brief insoweit nicht genau gefasst. Dennoch ist der Kläger vor dem Bundesamt noch davon ausgegangen, dass er sich an dem im Brief genannten Datum melden solle, vor Gericht hingegen hat er das Datum nicht mehr so aufgefasst. Diese unterschiedlichen Aussagen zeigen nach Auffassung des Gerichts, dass der Kläger diese vor dem Bundesamt gemachte Aussage abzuändern versuchte, weil das in dem Brief genannte Datum vom Bundesamt unter anderem als wichtiges Indiz für die Unglaubwürdigkeit der klägerischen Vortrags gewertet wurde, weil es sich nicht in die Chronologie der vorgetragenen Abläufe einfügte. Der Kläger machte auch bei weiteren Angaben widersprüchliche Aussagen. So hat er vor dem Bundesamt zuerst angegeben, bis zu seiner Ausreise bei der Mutter gewohnt zu haben. Später sagte er dann, er habe bei seinem Schwiegervater gewohnt. In der mündlichen Verhandlung widersprach er sich ebenfalls. Zuerst sagte er, er sei nach Erhalt des Drohbriefes bei seiner Mutter geblieben, nach Vorhalt des Gerichts, vor dem Bundesamt habe er am Ende gesagt, er sei bei seinem Schwiegervater gewesen, bestätigte er, bei seinem Schwiegervater gewesen zu sein. Gleichzeitig gab er an, tagsüber bei seiner Mutter gewesen zu sein, wohingegen er vor dem Bundesamt gesagt hatte, nur ab und zu nach Hause zu seiner Mutter gegangen zu sein. Auch den Wohnort seiner Frau und seiner Kinder hat er vor dem Bundesamt und vor dem Gericht unterschiedlich angegeben.

Den von der Klägervertreterin gestellten Beweisantrag hat das Gericht mit in der mündlichen Verhandlung verkündetem Beschluss wegen Ungeeignetheit abgelehnt. Es wurde im Beweisantrag nicht ausgeführt und ist dem Gericht auch nicht klar, wo der Sachverständige mit seinen Untersuchungen anknüpfen soll. Die Taliban haben kein spezielles Papier oder eine spezielle Schrift oder ähnliches, an der sich die Echtheit eines Drohbriefes eruieren lassen könnte. Es ist kein Vergleichsmaterial vorhanden, das hier zugrunde gelegt werden kann. Der Beweisantrag war daher abzulehnen.

b) Nur ergänzend ist auszuführen, dass für den Kläger jedenfalls eine inländische Fluchtalternative bestünde. Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, sind gemäß § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG die im sicheren Teil des Herkunftslandes vorhandenen allgemeinen Gegebenheiten sowie die persönlichen Umstände des Klägers zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Die Beurteilung erfordert dabei eine Einzelfallprüfung (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 13A ZB 13.30185 -). Dabei sind die individuellen Besonderheiten wie Sprache, Bildung, persönliche Fähigkeiten, vorangegangene Aufenthalte des Klägers in dem in Betracht kommenden Landesteil, örtliche und familiäre Bindungen, Geschlecht, Alter, ziviler Status, Lebenserfahrung, soziale Einrichtungen, gesundheitliche Versorgung und verfügbares Vermögen zu berücksichtigen. Entscheidend dafür, ob eine inländische Fluchtalternative als zumutbar angesehen werden kann, ist dabei insbesondere auch die Frage, ob an dem verfolgungssicheren Ort das wirtschaftliche Existenzminimum des Asylsuchenden gewährleistet ist. Dies in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann.

Gemessen an diesen Grundsätzen geht das Gericht davon aus, dass für den Kläger eine inländische Fluchtalternative besteht. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich der Kläger für ihn zumutbar in Kabul niederlassen kann, wo er aufgrund der Anonymität der Großstadt und unter Berücksichtigung des Zeitablaufs sowie der Entfernung zu seinem Heimatort von den Taliban nicht aufgefunden würde, da dort auch die Gebietsgewalt beim afghanischen Staat liegt und nicht bei den Taliban. Diese Einschätzung entspricht auch der aktuellen Auskunftslage. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes bieten größere Städte aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleinere Städte oder Dorfgemeinschaften (Lagebericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 19. Oktober 2016 - Stand September 2016 - S. 16). Daher könnte sich der erwerbsfähige Kläger in Kabul niederlassen, ohne einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Dem Kläger ist es auch möglich, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, da er bereits in Afghanistan als Schweißer gearbeitet hat. Gegen die Fluchtalternative spricht auch nicht, dass der Kläger in Afghanistan eine Frau und zwei Kinder hat. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass seine Frau zu Hause Näharbeiten ausführt. Einer derartigen Arbeit könnte sie auch in Kabul nachgehen und gleichzeitig in der Nähe der Kinder sein. Da diese nach wie vor in Afghanistan leben, kennen sie auch die Sprache und Gewohnheiten, so dass es der Familie insgesamt zumutbar ist, in eine andere Umgebung zu ziehen.

2. Im Hinblick auf die weiterhin geltend gemachte Feststellung der subsidiären Schutzberechtigung sowie der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AsylG nimmt das Gericht Bezug auf die obigen Ausführungen, die auch für diese Aspekte gelten. Darüber hinaus bezieht sich das Gericht nach § 77 Abs. 2 AsylG auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid, denen es insoweit folgt.

3. Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung unter Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen des §§ 34 AsylG, 59 AufenthG liegen vor.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 83 b AsylG bezüglich des streitig zu entscheidenden Antrags, bezüglich der Klagerücknahme aus § 155 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 83 b AsylG.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 23. Januar 2017 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob ihm „aufgrund der stark verschlechterten Sicherheitslage und den stark gestiegenen Opferzahlen seit 2016 nun ein ernsthafter Schaden infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht“, und ob für ihn „eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bzw. die Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung bei einer Rückkehr nach Afghanistan besteht, weil sich die Sicherheits- und Existenzsicherungssituation auch aufgrund der gestiegenen Anzahl von Binnenvertriebenen und Rückkehrern und der wirtschaftlichen Situation in Afghanistan seit 2016 grundlegend und massiv verschlechtert hat“. Das Verwaltungsgericht habe die neueren Berichte hierzu nicht gewürdigt. Nach den „Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Inneren“ vom Dezember 2016 habe sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert. UNAMA (Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report, Februar 2017) beziffere den Anstieg ziviler Opfer in Afghanistan auf 11.408, was einer Zunahme von 3% entspreche. Von den Zivilopfern durch Suizid- und komplexe Angriffe entfielen allein auf Kabul 77%. Zudem sei bei interner Flucht und Vertreibung ein Rekordniveau erreicht (UNHCR a.a.O.). Hinzu komme die sehr große Anzahl von Rückkehrern aus Iran und Pakistan. Dies führe zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten. Das Wirtschaftswachstum in Afghanistan liege nach den Prognosen der Weltbank nur im 1-Prozent-Bereich.

Das Verwaltungsgericht hat zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgeführt, dem Kläger drohe bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts. Zwar sei von einem landesweiten bewaffneten Konflikt auszugehen, trotz der Zunahme der Gewalt könne aber weder für das ganze Land noch für einzelne Gebiete auf eine Extremgefahr im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG geschlossen werden (UA S. 7 f.). Es hat dabei insbesondere auf die Opferzahlen Bezug genommen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hat das Verwaltungsgericht ebenfalls verneint (UA S. 10 f.). Für den Kläger ergebe sich keine extreme allgemeine Gefahrenlage.

Dies entspricht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der hinsichtlich § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F., der Vorgängerregelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, für die in der Zentralregion gelegene Stadt Kabul die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts verneint hat (BayVGH, B.v. 4.4.2017 - 13a ZB 17.30231; B.v. 17.8.2016 - 13a ZB 16.30090 - juris; B.v. 30.7.2015 - 13a ZB 15.30031 - juris; U.v. 1.2.2013 - 13a B 12.30045 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Hierauf hat das Verwaltungsgericht abgestellt. Auch geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Lage in Afghanistan nicht derart ist, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris - unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167, das wiederum verweist auf EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris; BayVGH, U.v. 12.2.2015 a.a.O.; U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris).

Die klägerischen Ausführungen zur Verschlechterung der Sicherheitslage bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Sie berücksichtigen nicht die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, wann eine für die Gewährung subsidiären Schutzes notwendige erhebliche individuelle Gefährdung anzunehmen sein kann (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 = NVwZ 2011, 56). Danach bedarf es für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte einer wertenden Gesamtbetrachtung auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos (BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487; U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454). Ausgehend von mindestens 27 Millionen Einwohnern (vielfach wird eine höhere Bevölkerungszahl angenommen) und von (entsprechend den klägerischen Angaben) hochgerechnet ca. 11.500 Opfern in Afghanistan ergibt sich für das Jahr 2016 eine Gefahrendichte, die weit unter der vom Bundesverwaltungsgericht gebilligten Wahrscheinlichkeit von 0,12% oder 1:800 liegt.

Aus den Anmerkungen des UNHCR vom Dezember 2016, die sich auf die UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016 beziehen, wonach sich die Sicherheitslage nochmals deutlich verschlechtert habe, ergibt sich nichts anderes. Vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage werden dort Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, ohne dass Zahlen genannt würden, die die bisherige Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs in Frage stellen könnten. Die dortige Bewertung beruht zudem auf den vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben. Des Weiteren sind auch nach dessen Auffassung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (Richtlinien vom 19.4.2016 S. 10). Aus den weiteren Ausführungen im Zulassungsantrag ergeben sich ebenfalls keine anderen Ausgangsdaten, die darauf schließen ließen, dass die vom Verwaltungsgericht und vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären. Dies gilt sowohl hinsichtlich des subsidiären wie des nationalen Abschiebungsschutzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag aus nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 28. November 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob „in Nangarhar, der Heimatprovinz …, seit Beginn des Jahres 2016 ein bewaffneter Konflikt im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG herrscht und praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt ist“ und „dass für (alleinstehende) männliche afghanische Staatsangehörige keine interne Schutzalternative besteht, insbesondere auch nicht in der Hauptstadt Kabul.“ Die Lage in Afghanistan habe sich seit 2015 drastisch verschlechtert. Die Anzahl der Anschläge habe sich signifikant erhöht. Es komme zu einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen. Aus zahlreichen, im Einzelnen aufgeführten Berichten u.a. der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, des Auswärtigen Amts, von UNAMA, Pro Asyl und anderen Medien ergebe sich ein massiver Anstieg der Gewalt. Dabei sei Kabul in besonderer Weise betroffen. Auch gebe es keinen funktionierenden Staat, der Schutz leisten könne.

Das Verwaltungsgericht hat zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (der § 60 Abs. 7 Satz 2 AsylVfG a.F. entsprechenden Norm) ausgeführt, dem Kläger drohe bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine ernsthafte individuelle Gefahr im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts und insoweit auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. August 2016 verwiesen (UA S. 15). Dieses hat für keine der afghanischen Provinzen einen Gefährdungsgrad angenommen, der die Feststellung einer erheblichen individuellen Gefahr rechtfertigen würde. Es hat dabei auch auf die Opferzahlen Bezug genommen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat das Verwaltungsgericht ebenfalls verneint (UA S. 15 ff.). Für den Kläger ergebe sich keine extreme allgemeine Gefahrenlage.

Dies entspricht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der hinsichtlich der Provinz Nangarhar, der Herkunftsregion des Klägers, eine kritische Gefahrendichte verneint hat (B.v. 19.12.2014 - 13a ZB 14.30065 - juris; U.v. 22.3.2013 - 13a B 12.30044 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AsylVfG a.F.). Auch hinsichtlich § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris; U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris).

Die klägerischen Ausführungen zur Verschlechterung der Sicherheitslage bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Sie betreffen zunächst Afghanistan allgemein, ohne auf die Provinz Nangarhar einzugehen. Auch entsprechen sie nicht den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, wann eine erhebliche individuelle Gefährdung anzunehmen sein kann (s. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360). Aus den vom Kläger nicht genannten, aber vom Verwaltungsgericht herangezogenen UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016, wonach sich die Sicherheitslage verschlechtert habe, ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage werden dort Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, ohne dass neuere Daten genannt würden, die die bisherige Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs in Frage stellen könnten. Die dortige Bewertung beruht zudem auf den vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben. Des Weiteren sind auch nach dessen Auffassung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (S. 10). Die im Zulassungsantrag angeführten Publikationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und anderen Organisationen bewerten ebenfalls nur die Sicherheitslage nach eigenen Maßstäben, ohne andere Ausgangsdaten zu nennen, die darauf schließen ließen, dass die vom Verwaltungsgericht und vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären. Schließlich geben auch die Materialien des Auswärtigen Amts zu Afghanistan keinen Anlass zu einer Neubewertung der bekanntlich angespannten Sicherheitslage.

Soweit der Kläger die ergangenen Entscheidungen zur Gefahrendichte kritisiert, ist festzustellen, dass bereits nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine wertende Gesamtbetrachtung Gegenstand der zu prüfenden Voraussetzungen ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 Rn. 23; U.v. 27.4.2010 a.a.O. Rn. 33). Danach bedarf es neben der quantitativen Ermittlung des Risikos, in der Rückkehrprovinz verletzt oder getötet zu werden, auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (BVerwG, U.v. 17.11.2011 a.a.O. Rn. 23; U.v. 27.4.2010 a.a.O. Rn. 33). Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Ist allerdings die Höhe des quantitativ festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, vermag sich das Unterbleiben einer wertenden Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht auszuwirken (BVerwG, U.v. 17.11.2011 a.a.O. Rn. 23). Allerdings betont das Bundesverwaltungsgericht, dass die wertende Gesamtbetrachtung erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte möglich ist (BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 24).

Der weiteren Frage, ob in Afghanistan Schutzalternativen bestehen, kommt bereits deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich ist. Ihre Beantwortung hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den individuellen Verhältnisse des Klägers ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 2. Mai 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG - ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts wie derzeit in Afghanistan - nicht statt auf eine sogenannte beachtliche Wahrscheinlichkeit vielmehr auf andere Kriterien wie etwa eine wertende Gesamtbetrachtung abzustellen ist.“ Das Verwaltungsgericht habe sich den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Urteil vom 21. November 2014 (Az. 13a B 14.30107) angeschlossen und zu § 4 AsylG judiziert, die Gefährdungswahrscheinlichkeit in der Provinz Herat liege im unteren Promillebereich, im Jahr 2012 bei 0,05% pro Person und Jahr. Eine Gefahrendichte von weniger als 1:1000 liege weit unter der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454). Nach Ansicht des Klägers ist der Begriff der sog. beachtlichen Wahrscheinlichkeit völlig nichtssagend, weil er die Frage offen lasse, welche Wahrscheinlichkeit beachtlich sein solle. Das Bundesverwaltungsgericht setze den Begriff der beachtlichen Wahrscheinlichkeit mit dem der überwiegenden Wahrscheinlichkeit gleich, was mehr als 50% bedeute. Unter Hinweis auf einen Aufsatz (Tiedemann, ZAR 2016, 53) führt der Kläger weiter aus, dass bei Vornahme einer statistischen Analyse des Bombenkriegs während des Zweiten Weltkriegs festzustellen sei, dass die Bewohner von Coventry, Stalingrad, Hamburg, Frankfurt oder Dresden keiner ernsthaften Bedrohung von Leib und Leben ausgesetzt gewesen wären, was aber nicht ernsthaft vertreten werden könne.

Der vom Kläger aufgeworfenen Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtsgrundsätzlich geklärt ist, dass und unter welchen Voraussetzungen eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F., nunmehr § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) besteht (BVerwG, B. v. 27.6.2013 - 10 B 11.13 - juris Rn. 7; U. v. 17.11.2011 a. a. O.; U. v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360; U. v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198) und dass es für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte u. a. einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos bedarf (BVerwG, B. v. 27.6.2013 a. a. O.).

In seinem Urteil vom 17. November 2011 hat das Bundesverwaltungsgericht zum damaligen, inhaltlich mit dem nunmehr maßgeblichen unionsrechtlichen subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG übereinstimmenden (vgl. BVerwG, U. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 = juris Rn. 23) unionsrechtlichen Abschiebungsschutz in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F. entschieden, dass für die Frage, ob der Kläger bei Rückkehr in sein Heimatland einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, zu prüfen ist, ob von einem bewaffneten Konflikt in der Zielregion für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr darstellt (10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 = juris Rn. 17). Denn auch eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F. und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllen. Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, U. v. 17.11.2011 a. a. O. Rn. 19; U. v. 14.7.2009 - 10 C 9.08 - BVerwGE 134,188 Rn. 15 mit Verweis auf EuGH, U. v. 17.2.2009 - Elgafaji, C-465/07 - Slg. 2009, I-921 = NVwZ 2009, 705). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (BVerwG, U. v. 17.11.2011 a. a. O. Rn. 19; U. v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 33). In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F. für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht, was sich aus dem Tatbestandsmerkmal „... tatsächlich Gefahr liefe ...“ in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG ergibt (BVerwG, U. v. 17.11.2011 a. a. O. Rn. 20). Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“; BVerwG, U. v. 17.11.2011 a. a. O. Rn. 20 unter Anführung von EGMR, U. v. 28.2.2008 - Saadi/Italien, Nr. 37201/06 - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125 ff.), was dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht (U. v. 27.4.2010 a. a. O. Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG).

Zur Ermittlung einer für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichenden Gefahrendichte ist - in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts (vgl. dazu U. v. 18.7.2006 - 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 20 ff.) - aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Herkunftsprovinz lebenden Zivilpersonen annäherungsweise zu ermitteln und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung zu setzen. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht das vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ermittelte Risiko für das Jahr 2009 von ca. 1:800 oder 0,12%, in der Herkunftsprovinz verletzt oder getötet zu werden, sowie die auf der Grundlage dieser Feststellungen gezogene Schlussfolgerung, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt sei, im Ergebnis revisionsgerichtlich nicht beanstandet (BVerwG, U. v. 17.11.2011 a. a. O. Rn. 22).

Soweit der Kläger statt auf eine quantitative Ermittlung des Risikos auf eine wertende Gesamtbetrachtung abstellen will, ohne die seines Erachtens hierfür relevanten Kriterien zu benennen, ist darauf hinzuweisen, dass eine wertende Gesamtbetrachtung bereits Gegenstand der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu prüfenden Voraussetzungen ist (vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2011 a. a. O. Rn. 23; U. v. 27.4.2010 a. a. O. Rn. 33). Danach bedarf es neben der quantitativen Ermittlung des Risikos, in der Rückkehrprovinz verletzt oder getötet zu werden, auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (BVerwG, U. v. 17.11.2011 a. a. O. Rn. 23; U. v. 27.4.2010 a. a. O. Rn. 33). Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Ist allerdings die Höhe des quantitativ festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, vermag sich das Unterbleiben einer wertenden Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht auszuwirken (BVerwG, U. v. 17.11.2011 a. a. O. Rn. 23). Allerdings betont das Bundesverwaltungsgericht, dass die wertende Gesamtbetrachtung erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte möglich ist (BVerwG, U. v. 13.2.2014 a. a. O. Rn. 24).

Die vom Kläger letztendlich in der Sache kritisierte erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer individuellen Bedrohung aufgrund der Gefahrendichte liegt darin begründet, dass eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr zwar auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers fehlen, eintreten kann. Allerdings kann dies nur ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, U. v. 17.11.2011 a. a. O. Rn. 19). Hieraus folgt, dass ohne gefahrerhöhende persönliche Umstände ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich ist (BVerwG, U. v. 17.11.2011 a. a. O. Rn. 19), das selbst bei den vom Kläger als Vergleich herangezogenen Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg in quantitativer Hinsicht zum Teil nicht erreicht worden wäre. Der vom Kläger angeführte Wahrscheinlichkeitsgrad von mehr als 50% aufgrund einer Gleichsetzung des Begriffs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit mit dem der überwiegenden Wahrscheinlichkeit dürfte allerdings für die erforderliche Gefahrendichte in Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht zutreffen, zumal das Bundesverwaltungsgericht auch in seiner Rechtsprechung zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG mittlerweile statt auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit auf das Kriterium der Zumutbarkeit abstellt (vgl. BVerwG, U. v. 5.11.1991 - 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 = juris Rn. 17; U. v. 17.1.1989 - 9 C 62.87 - NVwZ 1989, 776 = juris Rn. 6; U. v. 15.3.1988 - 9 C 278.86 - BVerwGE 79, 143 = juris Rn. 23; vgl. hierzu Randelzhofer in Maunz/Dürig, GG, Stand September 2016, Art. 16a Rn. 43 f.). Ein weitergehende Klärung dieser Frage wäre im vorliegenden Verfahren nicht zu erwarten, da die vom Verwaltungsgericht ermittelte Wahrscheinlichkeit von 0,05% oder weniger als 1:1000 nochmals deutlich unterhalb der vom Bundesverwaltungsgericht und vom erkennenden Senat gebilligten Wahrscheinlichkeit von 0,12% oder 1:800 liegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 23. Januar 2017 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob ihm „aufgrund der stark verschlechterten Sicherheitslage und den stark gestiegenen Opferzahlen seit 2016 nun ein ernsthafter Schaden infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht“, und ob für ihn „eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bzw. die Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung bei einer Rückkehr nach Afghanistan besteht, weil sich die Sicherheits- und Existenzsicherungssituation auch aufgrund der gestiegenen Anzahl von Binnenvertriebenen und Rückkehrern und der wirtschaftlichen Situation in Afghanistan seit 2016 grundlegend und massiv verschlechtert hat“. Das Verwaltungsgericht habe die neueren Berichte hierzu nicht gewürdigt. Nach den „Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Inneren“ vom Dezember 2016 habe sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert. UNAMA (Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report, Februar 2017) beziffere den Anstieg ziviler Opfer in Afghanistan auf 11.408, was einer Zunahme von 3% entspreche. Von den Zivilopfern durch Suizid- und komplexe Angriffe entfielen allein auf Kabul 77%. Zudem sei bei interner Flucht und Vertreibung ein Rekordniveau erreicht (UNHCR a.a.O.). Hinzu komme die sehr große Anzahl von Rückkehrern aus Iran und Pakistan. Dies führe zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten. Das Wirtschaftswachstum in Afghanistan liege nach den Prognosen der Weltbank nur im 1-Prozent-Bereich.

Das Verwaltungsgericht hat zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgeführt, dem Kläger drohe bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts. Zwar sei von einem landesweiten bewaffneten Konflikt auszugehen, trotz der Zunahme der Gewalt könne aber weder für das ganze Land noch für einzelne Gebiete auf eine Extremgefahr im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG geschlossen werden (UA S. 7 f.). Es hat dabei insbesondere auf die Opferzahlen Bezug genommen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hat das Verwaltungsgericht ebenfalls verneint (UA S. 10 f.). Für den Kläger ergebe sich keine extreme allgemeine Gefahrenlage.

Dies entspricht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der hinsichtlich § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F., der Vorgängerregelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, für die in der Zentralregion gelegene Stadt Kabul die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts verneint hat (BayVGH, B.v. 4.4.2017 - 13a ZB 17.30231; B.v. 17.8.2016 - 13a ZB 16.30090 - juris; B.v. 30.7.2015 - 13a ZB 15.30031 - juris; U.v. 1.2.2013 - 13a B 12.30045 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Hierauf hat das Verwaltungsgericht abgestellt. Auch geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Lage in Afghanistan nicht derart ist, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris - unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167, das wiederum verweist auf EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris; BayVGH, U.v. 12.2.2015 a.a.O.; U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris).

Die klägerischen Ausführungen zur Verschlechterung der Sicherheitslage bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Sie berücksichtigen nicht die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, wann eine für die Gewährung subsidiären Schutzes notwendige erhebliche individuelle Gefährdung anzunehmen sein kann (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 = NVwZ 2011, 56). Danach bedarf es für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte einer wertenden Gesamtbetrachtung auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos (BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487; U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454). Ausgehend von mindestens 27 Millionen Einwohnern (vielfach wird eine höhere Bevölkerungszahl angenommen) und von (entsprechend den klägerischen Angaben) hochgerechnet ca. 11.500 Opfern in Afghanistan ergibt sich für das Jahr 2016 eine Gefahrendichte, die weit unter der vom Bundesverwaltungsgericht gebilligten Wahrscheinlichkeit von 0,12% oder 1:800 liegt.

Aus den Anmerkungen des UNHCR vom Dezember 2016, die sich auf die UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016 beziehen, wonach sich die Sicherheitslage nochmals deutlich verschlechtert habe, ergibt sich nichts anderes. Vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage werden dort Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, ohne dass Zahlen genannt würden, die die bisherige Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs in Frage stellen könnten. Die dortige Bewertung beruht zudem auf den vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben. Des Weiteren sind auch nach dessen Auffassung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (Richtlinien vom 19.4.2016 S. 10). Aus den weiteren Ausführungen im Zulassungsantrag ergeben sich ebenfalls keine anderen Ausgangsdaten, die darauf schließen ließen, dass die vom Verwaltungsgericht und vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären. Dies gilt sowohl hinsichtlich des subsidiären wie des nationalen Abschiebungsschutzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 16. Februar 2017 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob

– ihm „aufgrund der stark verschlechterten Sicherheitslage und den stark gestiegenen Opferzahlen seit 2016 nun ein ernsthafter Schaden infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht“,

– für ihn „eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bzw. die Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung bei einer Rückkehr nach Afghanistan besteht, weil sich die Sicherheits- und Existenzsicherungssituation auch aufgrund der gestiegenen Anzahl von Binnenvertriebenen und Rückkehrern und der wirtschaftlichen Situation in Afghanistan seit 2016 grundlegend und massiv verschlechtert hat“,

-„für einzelne Regionen bzw. einzelne Personengruppen, insbesondere für aus dem westlichen Ausland als abgelehnte Asylbewerber zurückkehrende Personen, besondere Risiken bestehen, die zu einer erhöhten Gefährdung führen“,

-„einzelne Zivilperson, insbesondere ein aus dem westlichen Ausland zurückkehrender abgelehnter Asylbewerber, einen sicheren Landesteil erreichen und sich dort auf Dauer rechtmäßig niederlassen und sein Existenzminimum sichern kann“,

-„aufgrund individueller Besonderheiten aus dem westlichen Ausland zurückkehrender Asylbewerber im gesamten Gebiet von Afghanistan eine besondere individuelle Gefährdung angenommen werden kann“

-„das Zahlenmaterial, das die zivilen Opfer von Kriegshandlungen im Rahmen des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erfasst, valide ist“ und

-„eine alleinstehende Person in den von der Beklagten als sicher angenommenen Provinzen Kabul, Pandijr, Bamyan, Mazar-e-Sharif oder Herat ohne familiäre Hilfe eine Arbeitsstelle und eine Unterkunft finden und mit der Arbeit finanzieren kann“.

Das Verwaltungsgericht habe die neueren Berichte hierzu nicht bzw. nicht angemessen gewürdigt. Nach den „Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Inneren“ vom Dezember 2016 habe sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert. UNAMA (Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report, Februar 2017) beziffere den Anstieg ziviler Opfer in Afghanistan auf 11.408, was einer Zunahme von 3% entspreche. Von den Zivilopfern durch Suizid- und komplexe Angriffe entfielen allein auf Kabul 77%. Zudem sei nach UNAMA bei interner Flucht und Vertreibung ein Rekordniveau erreicht. Hinzu komme die sehr große Anzahl von Rückkehrern aus Iran und Pakistan. Dies führe zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten. Das Wirtschaftswachstum in Afghanistan liege nach den Prognosen der Weltbank nur im 1-Prozent-Bereich. Auch Amnesty International gehe davon aus, dass die Sicherheit rückgeführter Afghanen aufgrund der sehr schlechten und sehr instabilen Sicherheitslage nicht gewährleistet werden könne. In einem Aufsatz einer Afghanistan-Expertin (Asylmagazin 2017, 73) werde der massive Einbruch der Wirtschaft in Afghanistan und die humanitäre Lage von Rückkehrern geschildert. Die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, sei durch die derzeitige humanitäre Lage grundlegend in Frage gestellt.

Die Fragen zielen ohne Differenzierung darauf ab, ob hinsichtlich Afghanistan die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes, insbesondere nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, oder nationalen Schutzes nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG angenommen werden können. Das Verwaltungsgericht hat zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgeführt, dem Kläger drohe bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts. Zwar sei von einem landesweiten bewaffneten Konflikt auszugehen, trotz der Zunahme der Gewalt könne aber weder für das ganze Land noch für einzelne Gebiete auf eine Extremgefahr im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG geschlossen werden (UA S. 6 f.). Es hat dabei insbesondere auf die Opferzahlen Bezug genommen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hat das Verwaltungsgericht ebenfalls verneint (UA S. 7 ff.). Für den Kläger ergebe sich keine extreme allgemeine Gefahrenlage.

Dies entspricht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der hinsichtlich § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F., der Vorgängerregelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, für die Zentralregion mit der Heimatprovinz des Klägers, Parwan, die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts verneint hat (U.v. 1.2.2013 - 13a B 12.30045 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.) und hieran auch angesichts der aktuellen Auskünfte weiter festhält (BayVGH, B.v. 28.3.2017 - 13a ZB 17.30212 - juris; B.v. 30.1.2017 - 13a ZB 16.30824 - juris; B.v. 30.7.2015 - 13a ZB 15.30031 - juris). Zudem geht der Verwaltungsgerichtshof weiterhin davon aus, dass auch angesichts der aktuellen Auskunftslage die Situation in Afghanistan nicht derart ist, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige im Allgemeinen eine extreme Gefahrenlage anzunehmen wäre, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 11.4.2017 - 13a ZB 17.30294 - juris; B.v. 22.12.2016 - 13a ZB 16.30684 - juris; BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris). Ebenso wenig stellt eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK dar (BayVGH, U.v. 12.2.2015 a.a.O. unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167, das wiederum verweist auf EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952).

Die klägerischen Ausführungen zur Verschlechterung der Sicherheitslage bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Sie berücksichtigen nicht die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, wann eine für die Gewährung subsidiären Schutzes notwendige erhebliche individuelle Gefährdung anzunehmen sein kann (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 = NVwZ 2011, 56). Danach bedarf es für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte einer wertenden Gesamtbetrachtung auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos (BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487; U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454). Ausgehend von mindestens 27 Millionen Einwohnern (vielfach wird eine höhere Bevölkerungszahl angenommen) und von (nach der vom Kläger selbst genannten Bezifferung von UNAMA) 11.408 Opfern in Afghanistan ergibt sich für das Jahr 2016 eine Gefahrendichte, die weit unter der vom Bundesverwaltungsgericht gebilligten Wahrscheinlichkeit von 0,12% oder 1:800 liegt. Anhaltspunkte, dass das von UNAMA genannte Zahlenmaterial nicht valide ist, werden vom Kläger nicht genannt.

Aus den Anmerkungen des UNHCR vom Dezember 2016, die sich auf die UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016 beziehen, wonach sich die Sicherheitslage nochmals deutlich verschlechtert habe, ergibt sich nichts anderes. Vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage werden dort Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, ohne dass Zahlen genannt würden, die die bisherige Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs in Frage stellen könnten. Die dortige Bewertung beruht zudem auf den vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben. Des Weiteren sind auch nach dessen Auffassung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (Richtlinien vom 19.4.2016 S. 10). Soweit Stahlmann (Asylmagazin 2017, 73) die schwierige humanitäre Lage von Rückkehrern beschreibt, hängt auch nach ihren Ausführungen die Überlebenssicherung in Afghanistan von verschiedenen Faktoren ab, die sich nicht allgemein festlegen lassen. Die weiteren Ausführungen im Zulassungsantrag geben ebenfalls nicht hinreichend Anlass zu einer grundlegenden anderen Beurteilung. Dies gilt sowohl hinsichtlich des subsidiären wie des nationalen Abschiebungsschutzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. März 2014 wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am 31. Dezember 1993 in Herat geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens und Hazara. Er reiste auf dem Landweg vom Iran über die Türkei, Griechenland, Italien und Österreich am 25. März 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. April 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 11. Juli 2012 gab der Kläger an, er spreche Dari, außerdem Farsi und ein wenig Englisch. Seit seinem zweiten Lebensjahr habe er mit seiner Familie im Iran gelebt. Die Familie stamme aus der Provinz Herat, Gebiet Guzara. Seine Eltern hätten sich zwar über Afghanistan unterhalten, aber er habe mit ihnen nicht darüber gesprochen. Sie seien wegen der schlechten Sicherheitslage, insbesondere für Hazara, geflohen. In Afghanistan habe er keine Verwandten. Er habe im Iran, in Bodjnord, fünf Jahre die Schule besucht und anschließend sowohl in Restaurants gearbeitet als auch Motorräder in Stand gesetzt. Er habe immer drei bis vier Monate in Teheran gearbeitet und sei dann wieder zur Familie zurückgekehrt. Wann er aus dem Iran ausgereist sei, wisse er nicht. Er sei seit über zweieinhalb Jahren unterwegs. Eineinhalb Jahre sei er in der Türkei gewesen, neun bis zehn Monate in Griechenland. Die Fahrt habe er mit seinem Verdienst in Teheran finanziert. In Griechenland habe er nicht gearbeitet, in der Türkei als Spüler in Restaurants. Den Iran habe er verlassen, weil die Afghanen dort unterdrückt würden. Die Familie habe auch keine offiziellen Dokumente und sei nicht einmal sozialversichert. Er habe eine Schwester mit elfeinhalb Jahren und einen Bruder mit ca. zehn Jahren.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt (1.), festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (2.) sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a. F. (3.) nicht vorliegen und dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan angedroht (4.). Zur Begründung ist ausgeführt, wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara liege keine Verfolgung vor. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Herat bestehe nicht. Auch die Voraussetzungen von nationalen Abschiebungsverboten lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine extreme Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Da der Kläger nach seinen Angaben bereits nach Beendigung der Schule in Restaurants gearbeitet und Motorräder repariert habe, könne er auch ohne den Rückhalt seiner Familie das erforderliche Einkommen erzielen.

Mit der hiergegen gerichteten Klage an das Verwaltungsgericht München verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 25. März 2014 erklärte der Kläger, Bodjnord sei etwa 17 bis 18 Stunden mit dem Bus von Teheran entfernt, wo er gearbeitet habe. In Deutschland habe er keine Schule besucht und keine Berufsausbildung gemacht. Derzeit arbeite er in einem Restaurant. Mit Urteil vom 25. März 2014 wurde der Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 antragsgemäß in Nr. 3 insoweit aufgehoben, als festgestellt wurde, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vorliegt. Zudem wurde er in Nr. 4 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen. Die allgemeine Gefahr in Afghanistan habe sich in der Person des Klägers trotz seiner Volljährigkeit ausnahmsweise zu einer extremen Gefahr verdichtet. Aufgrund der besonderen Umstände kommt das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass der Kläger, der bereits im Alter von zwei Jahren sein Herkunftsland dauerhaft mit seiner Familie verlassen habe, mit den Verhältnissen in Afghanistan nicht vertraut sei und zudem über keine Berufsausbildung verfüge, nicht dazu in der Lage wäre, die hohen Anforderungen so bewältigen zu können, dass er sich ohne die Hilfe eines aufnahmebereiten Familienverbands wenigstens ein Existenzminimum erwirtschaften könnte. Allein aufgrund seiner langjährigen Abwesenheit sei davon auszugehen, dass ihm die aktuellen Lebensumstände in Afghanistan fremd seien. Er sei mit den Gepflogenheiten der afghanischen Gesellschaft nicht vertraut, zumal dort während seiner Abwesenheit entscheidende Umbrüche und Veränderungen stattgefunden hätten. Erschwerend wirke sich die fehlende Berufsausbildung aus.

Auf Antrag der Beklagten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. August 2014 die Berufung zugelassen wegen Divergenz zur Rechtsprechung des Senats zur extremen Gefahrenlage in den Fällen, in denen der betreffende Ausländer Afghanistan bereits im Kleinkindalter verlassen hat (BayVGH, U. v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031 - juris). Unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Zulassungsantrag und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs führt die Beklagte aus, dass bei alleinstehenden, arbeitsfähigen und gesunden männlichen afghanischen Rückkehrern in aller Regel kein Abschiebungsschutz in Betracht käme, zumal Mittel der Rückkehrförderung in Anspruch genommen werden könnten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. März 2014 vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger geht davon aus, dass er gemessen an seiner persönlichen Situation ausnahmsweise alsbald nach der Rückkehr in eine extreme Gefahrenlage geraten würde. Er beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) nicht verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger ein national begründetes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Beim national begründeten Abschiebungsverbot handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand, weshalb alle entsprechenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen sind (BVerwG, U. v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Allerdings sind weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 noch diejenigen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig (EMRK) ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG(U. v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen („zielstaatsbezogene“ Abschiebungshindernisse). Dabei sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 unter Verweis auf EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung gebieten würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht erkennbar.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.

Auf eine individuelle erhebliche konkrete Gefahr i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat sich der Kläger, der sich nach seinen Angaben ab seinem zweiten Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan aufgehalten hat, nicht berufen. Vielmehr trägt er vor, dass seine Eltern Afghanistan wegen der damaligen schlechten Sicherheitslage - eine allgemeine Gefahr im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG - verlassen hätten. Diese kann auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (BVerwG, U. v. 8.12.1998 - 9 C 4.98 - BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Eine Abschiebestoppanordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht (mehr). Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat durch die Verwaltungsvorschriften zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) mit Rundschreiben vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15 bezüglich der Rückführungen nach Afghanistan verfügt, dass nach wie vor alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige, die volljährig sind, vorrangig zurückzuführen sind (s. BayVVAuslR Nr. C.3.2).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG; vgl. nur BVerwGE 99, 324; 102, 249; 108, 77; 114, 379; 137, 226). Diese Grundsätze über die Sperrwirkung bei allgemeinen Gefahren und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung in den Fällen, in denen dem Betroffenen im Abschiebezielstaat eine extrem zugespitzte Gefahr droht, sind auch für die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich (BVerwG, B. v. 23.8.2006 - 1 B 60.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19).

Im Hinblick auf die unzureichende Versorgungslage hat sich die allgemeine Gefahr in Afghanistan für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten wäre. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich aus den Erkenntnismitteln nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher afghanischer Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären (seit U. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris). Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Der Senat hat sich dabei im Urteil vom 30. Januar 2014 (a. a. O.) u. a. auf die Lageberichte des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: 4. Juni 2013) gestützt sowie auf die Stellungnahmen von Dr. Danesch vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof, von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren 6 A 11048/10.OVG) und von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012. Nach den dortigen Erkenntnissen geht der Senat davon aus, dass trotz großer Schwierigkeiten grundsätzlich auch für Rückkehrer durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts bestehen und jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr nicht zu befürchten sind.

Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Im Übrigen greift der Lagebericht 2014 mit Ausnahme der medizinischen Versorgung keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung - wie schon bisher - für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung sei. Die medizinische Versorgung habe sich in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle allerdings im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 18 ff. - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Die Analphabetenrate sei weiterhin hoch und die Anzahl der gut qualifizierten Fachkräfte sehr tief.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 [UNHCR-Richtlinien] und Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 vom August 2014 [UNHCR-2014]) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen.

Zusammenfassend lassen sich damit aus diesen Berichten keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen entnehmen. Aufgrund der in den Auskünften geschilderten Rahmenbedingungen sind insbesondere Rückkehrer aus dem Westen in einer vergleichsweise guten Position. Allein schon durch Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind, wesentlich höher. Hinzu kommt, dass eine extreme Gefahrenlage zwar auch dann besteht, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226), jedoch Mangelernährung, unzureichende Wohnverhältnisse und eine schwierige Arbeitssuche nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit „alsbald“ zu einer extremen Gefahr führen. Diese muss zwar nicht sofort, also noch am Tag der Ankunft eintreten. Erforderlich ist allerdings eine hinreichende zeitliche Nähe zwischen Rückkehr und unausweichlichem lebensbedrohenden Zustand. Die Gefahr muss sich alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies ist aus den genannten Erkenntnismitteln nicht ersichtlich. Nach der Beurteilung des Auswärtigen Amts in der Auskunft vom 2. Juli 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof (um Verfahren 8 A 2344/11.A) dürfte es unwahrscheinlich sein, dass besonders in der Hauptstadt Kabul Personen verhungern oder verdursten. Im Urteil vom 4. September 2014 (8 A 2434/11.A - juris) teilt der Hessische Verwaltungsgerichtshof die vorliegende Einschätzung (ebenso OVG NW, U. v. 27.1.2015 - 13 A 1201/12.A - juris). Demgegenüber stellt der Kläger lediglich die Vermutung auf, dass sich die Situation für Rückkehrer verschlechtert habe. Konkrete Anzeichen, die auf eine Verschlechterung hinweisen würden, benennt er nicht. Er beschränkt sich vielmehr auf Annahmen, ohne dass sich diese auf signifikante Veränderungen stützen würden.

Bei dieser Ausgangslage bedurfte es auch nicht der Einholung einer neuen Auskunft.

Die vorhandenen Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Im Hinblick auf den teilweisen Abzug der internationalen Truppen ergibt sich nichts anderes. Anhaltspunkte, dass sich bei der Versorgungs- und Sicherheitslage im jetzt maßgeblichen Zeitpunkt erhebliche Veränderungen ergeben hätten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Ob in Zukunft Verschlechterungen eintreten werden, lässt sich derzeit nicht beurteilen.

Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Kläger als Angehöriger der Minderheit der Hazara keine Chance hätte, sich als Tagelöhner oder Gelegenheitsarbeiter zu verdingen. Die vorliegenden Gutachten und Berichte enthalten keine entsprechenden Hinweise. Der Umstand, dass der Kläger seit seinem zweiten Lebensjahr mit seiner Familie im Iran gelebt hat, steht der Annahme, er könne sich in Kabul auf sich allein gestellt notfalls „durchschlagen“, ebenfalls nicht entgegen. Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Urteil vom 24. Oktober 2013 (13a B 13.30031 - juris) ausgeführt, dass eine Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich nicht am fehlenden vorherigen Aufenthalt im Heimatland scheitere. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. Ein spezielles „Vertrautsein mit den afghanischen Verhältnissen“ mag die Sicherung des Lebensunterhalts vereinfachen. Anhaltspunkte, dass dies erforderlich sein könnte, sind jedoch nicht ersichtlich. Damit liegt die für eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger alsbald existenzbedrohenden Mangellagen ausgesetzt wäre, nicht vor. Der Kläger ist im Iran, einer islamisch geprägten Umgebung, aufgewachsen und spricht Farsi sowie die hiermit sehr eng verwandte Landessprache Afghanistans Dari. Zudem hebt er sich bereits dadurch von der Masse der Arbeit suchenden Analphabeten ab, dass er im Iran fünf Jahre lang die Schule besucht hat. In Teheran hat er anschließend sowohl in Restaurants gearbeitet als auch Motorräder in Stand gesetzt. Damit konnte er nicht nur seinen Lebensunterhalt erwirtschaften, sondern auch die Ausreise sowie seinen neun- bis zehnmonatigen Aufenthalt in Griechenland, wo er nach seinen Angaben nicht gearbeitet hat, finanzieren. Während seines eineinhalb jährigen Aufenthalts in der Türkei hat er - ohne Kenntnis der Landessprache - als Spüler in Restaurants gearbeitet. Ebenso ist er derzeit in Deutschland in einem Gasthof als Küchenhilfe beschäftigt. In der mündlichen Verhandlung hat er zudem relativ gut Deutsch gesprochen. Mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer zwangsweisen Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten, etwa in Kabul, wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht komme (UNHCR-2014).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.