Verwaltungsgericht München Urteil, 24. Sept. 2015 - M 23 K 14.30400

published on 24/09/2015 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 24. Sept. 2015 - M 23 K 14.30400
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Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14. Februar 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der nach eigenen Angaben am 1986 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 26. bzw. 28. November 2013 in das Bundesgebiet ein und stellte am 9. Dezember 2013 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Aufgrund eines Eurodac-Treffers der Kategorie I bezüglich des Klägers für Ungarn sandte das Bundesamt am 13. Januar 2014 ein Wiederaufnahmeersuchen an die ungarischen Behörden. Diese teilten mit Schreiben vom 20. Januar 2014 mit, dass der Kläger am 19. Mai 2013 einen Asylantrag in Ungarn gestellt habe; kurz darauf sei der Kläger verschwunden. Des Weiteren erklärten die ungarischen Behörden die Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers.

Mit Bescheid vom 14. Februar 2014, zugestellt am 18. Februar 2014, stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig sei, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst, c Dublin IIA/O für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin Il-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft; Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Ungarn als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb der in Art. 19 Abs. 3, 4 bzw. Art. 20 Abs. 2 Dublin Il-VO festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Am 25. Februar 2014 erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragten:

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Az. 5700804-461) vom 14. Februar 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte wird verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und das Asylverfahren des Klägers in eigener Zuständigkeit durchzuführen und zu verbescheiden.

Weiterhin beantragten sie, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (M 23 S 14.30401).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger sei in Ungarn im Lager für Asylbewerber in Debrecen untergebracht gewesen. Unter Bezugnahme auf die dort von ihm erlebten Zustände habe er in Ungarn eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung zu befürchten. Bei Ungarn liege eine Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf das Selbsteintrittsrecht vor aufgrund eines drohenden erheblichen Eingriffs in Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Ungarn sei kein sicherer Drittstaat. Die normierten Mindeststandards und ein effektiver Zugang zum Asylverfahren würden in Ungarn derzeit nicht gewährleistet. In Ungarn bestünden systemische Mängel hinsichtlich des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen. Ferner sei zu befürchten, dass der Kläger von den ungarischen Behörden nach Serbien abgeschoben werde, da Ungarn Serbien als sicheren Drittstaat ansehe.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 27. Februar und 6. März 2014 die Akte vor. Eine Antragstellung erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 5. März 2014 ordnete das Gericht im Verfahren M 23 S 14.30401 die aufschiebende Wirkung der Klage an.

Das Bundesamt gab mit Schreiben vom 24. Juni 2015 gegenüber dem Verwaltungsgericht München eine allgemeine Prozesserklärung ab, in der für asylrechtliche Verfahren u. a. generell auf mündliche Verhandlung verzichtet wurde.

Durch Beschluss der Kammer vom 21. August 2015 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).

Mit Schriftsatz vom 17. September 2015 trugen die Bevollmächtigten des Klägers unter Verweis auf die Änderung der ungarischen Asylgesetze zum 1. August 2015 sowie auf umfangreiche Rechtsprechung ergänzend vor, dass in Ungarn systemische Mängel vorlägen, welche im Falle der Abschiebung die Gefahr einer unmenschlichen und unwürdigen Behandlung des Klägers mit sich bringen würden.

Mit Schreiben vom 23. September 2015 verzichteten die Bevollmächtigten des Klägers auf mündliche Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 S 14.30401 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 14. Februar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er war daher aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Nach § 88 VwGO legt das Gericht den Klageantrag in Ziff. 1 und 2 dahingehend aus, dass allein die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom 14. Februar 2014 begehrt wird, da schon dadurch das Rechtsschutzinteresse des Klägers erfüllt wird. Eines darüber hinausgehenden Verpflichtungsausspruchs - wie von den Bevollmächtigten des Klägers beantragt - bedurfte es nicht, da das Bundesamt mit der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids bereits von Gesetzes wegen zur Durchführung des Asylverfahrens, d. h. zur inhaltlichen Prüfung des Schutzbegehrens, verpflichtet ist, vgl. § 31 Abs. 2 und 3 AsylVfG (vgl. VG München, GB v. 23.12.2014 » M 9 K 14.50234 - juris).

Maßgeblich für die Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Vorliegend wurde der Antrag auf internationalen Schutz nach Inkrafttreten der Dublin lll-VO gestellt, so dass diese Anwendung findet. Gemäß Art. 49 Abs. 2 Dublin lll-VO gilt diese ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten (= 1. Januar 2014) für alle Anträge auf internationalen Schutz; lediglich die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates richtet sich im Falle eines früher gestellten Antrags weiter nach den Kriterien der Dublin ll-VO.

Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Unrecht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt.

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Fall kann das Bundesamt gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Vorliegend hat der Kläger zunächst in Ungarn Asyl beantragt; Ungarn hat auch mit Schreiben vom 20. Januar 2014 der Wiederaufnahme des Klägers gemäß Art, 18 Abs. 1 Buchst, b Dublin lll-VO zugestimmt. Damit wäre grundsätzlich Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.

Allerdings bestimmt Art. 3 Abs. 2 Unterabsätze 2 und 3 Dublin lll-VO in Umsetzung des Urteils des EuGH vom 21. Dezember 2011 (EuGH, U. v. 21. Dezember 2011 -C-411/10, C-493/10 - juris), dass dann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zur Prüfung verpflichtet ist, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann oder, soweit dies nicht möglich ist, er selbst die Zuständigkeit zu übernehmen hat.

Nach der zur Rechtslage unter der Dublin ll-VO ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 21.12.2011 -C-411/10 und C-493/10 - juris) gilt eine widerlegbare Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat mit den Erfordernissen der EUGRCh sowie der Genfer Flüchtlingskonvention - GF - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK -in Einklang steht. Die Vermutung ist dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsmängel regelhaft so defizitär sind, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl, BVetwG, B. v. 19.03.2014 - 10 B 6.14 -juris). An diese Feststellung sind hohe Anforderungen zu stellen (OVG Lüneburg, B. v. 18.03.2014 - 13 LA 75/13 - juris). Einzelne Missstände stellen noch keine systemischen Schwachstellen dar. Diese liegen vielmehr erst dann vor, wenn dem Betroffenen in dem Mitgliedsstaat, in den er überstellt werden soll, der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder wenn der Mitgliedsstaat während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. OVG NW, U. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris). Es besteht allerdings keine allgemeine Verpflichtung, jedermann mit einer Wohnung zu versorgen, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (OVG NW, a. a. O. m. w. N.).

Die Rechtsprechung beurteilte die Frage des Vorliegens systemischer Mängel im oben beschriebenen Sinn im ungarischen Asylsystem bis zur letzten Änderung der ungarischen Asylgesetze unterschiedlich (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 15.5.2015 - 8 LA 85/15; zuletzt ablehnend VG München, U. v. 1.7.2015 -M 12 K 15. 50491, VG Augsburg, U. v. 20.7.2015 - Au 5 K 15.50316, VG Düsseldorf, U. v. 26.6.2015 - 13 K 787/14.A; zuletzt bejahend VG Köln, U. v. 15.7.2015 - 3 K 2005/15.A; VG Münster, B. v. 7.7.15 - 2 L 858/15.A; VG Bremen, B. v. 1.4.15 - 3 V 145/15 - jeweils juris m. w. N.).

Insbesondere aufgrund der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen - und damit bei der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigenden - Änderung des ungarischen Asylrechts gibt es nach Überzeugung des erkennenden Gerichts wesentliche Gründe für die Annahme, dass in Ungarn systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, vorliegen; das erkennende Gericht folgt insoweit der soweit erkennbar überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung (vgl. VG Augsburg, U. v. 18.8.2015 -Au 6 K 15,50155 - bisher unveröffentlicht; VG Düsseldorf, B. v. 20.8.2015 -15 L2556715.A; VG Saarland, B. v. 12.8.2015 - 3 L 816/15; VG Kassel, B. v. 7.8.2015 - 3 L 1303/15,KS.A - jeweils juris). Obergerichtliche Rechtsprechung zu der seit 1. August 2015 geänderten ungarischen Rechtslage existiert hierzu soweit ersichtlich nicht.

Nach den vorliegenden aktuellen Erkenntnissen sind mit dieser Gesetzesänderung sowohl die Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeiten nach der Dublin lll-VO als auch zur Prüfung eines Asylgesuchs in Zuständigkeit des ungarischen Staates vor den ungarischen Behörden wie vor den ungarischen Gerichten etwa durch die Verkürzung von Fristen und die an Fristversäumnisse angeknüpften Sanktionen sowie neu gefasste Beweislastregeln in einer Weise verändert worden, die die Einhaltung der Mindestanforderungen nicht mehr gewährleisten (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 20.8.2015- 15 L 2556/15.A).

Das Verwaltungsgericht Augsburg (U. v. 18.8.2015 - Au 6 K 15.50155 - bisher unveröffentlicht), dem das erkennende Gericht vollumfänglich folgt, führt hierzu aus:

„Sowohl das Hungarian Helsinki Committee als auch der UNHCR erklären sich nach der Änderung der ungarischen Gesetzeslage zum 1. August 2015 und der tatsächlichen Aufnahmebedingungen zu tiefst besorgt („deeply concerned“) über die Entwicklung und Verschärfung des Asylrechts in Ungarn und fordern Ungarn auf, ihr Asylrecht unter Beachtung der Flüchtlingsrechte, des EU-Rechts und des internationalen Rechts zu handhaben. Das Hungarian Helsinki Committee führt zu der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderung des ungarischen Asylrechts in seiner Stellungnahme vom 7. August 2015 (abrufbar unter: HYPERLINK http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-HU-asylum-law-amendment-2015-August-info-note.pdf) aus, dass Ungarn eine Liste von sicheren Drittstaaten beschlossen habe, zu denen unter anderem auch Serbien zähle. Diese Einschätzung stehe in Widerspruch zu der aktuell gültigen Position des UNHCR, des Helsinki Committees selbst und Amnesty International. Kein anderes Land in der EU betrachte Serbien für Asylsuchende als sicheres Drittland. Aufgrund dieser Festlegung sei es der ungarischen Immigrationsbehörde (Office of Immigration and Nationality (OIN) möglich, alle Asylsuchenden, die über Serbien nach Ungarn einreisen, das seien ca. 99% der Asylbewerber, ohne Prüfung und Anhörung ihrer Fluchtsituation abzulehnen. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn der Asylbewerber beweisen könne, dass es ihm in Serbien nicht möglich gewesen sei, Asyl zu beantragen. Ein Nachweis sei dem Asylbewerber in der Praxis jedoch aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, zudem hätten Asylsuchende regelmäßig keinen Zugang zu professioneller Rechtsberatung, die jedoch für die Nachweisführung notwendig sei. Zudem existiere in Serbien in der Realität kein funktionierendes Asylsystem. Weiterhin werde auch Griechenland als sicheres Drittland angesehen, ein Land, in das die EU-Mitgliedstaaten seit 2011 wegen der dort herrschenden Verhältnisse keine Dublin-Übersteliungen mehr durchführen. Mit dieser Haltung verstoße Ungarn in der Praxis gegen das Gebot des „non-refoulement“, das in der Flüchtiingskonvention von 1951, in Art. 3 der EMRK und in Art. 18 und 19 der EU-GRCharta verankert sei (HHC, Stellungnahme vom 7.8.2015, a. a. O. S. 2). Gegen eine ablehnende Entscheidung als unzulässig, die z. B. bereits bei einer Einreise über einen sicheren Drittstaat (wie Serbien) erfolge, könne eine gerichtliche Überprüfung nur innerhalb einer Frist von drei Tagen erfolgen, eine Frist, die sowohl gegen EU-Recht, als auch gegen die gefestigte Rechtsprechung des EGMR verstoße, die beide eine Mindestfrist von einer Woche vorsähen (HHC, Stellungnahme vom 7.8.2015, a. a. O. S. 4 m. w. N.). Auch die Möglichkeiten einer Inhaftierung insbesondere in den sog. Dublin-Fällen sei im Verhältnis zur vorherigen Rechtslage wieder verschärft worden. Zudem sollen Flüchtlinge bis zum Ende ihres Asylverfahrens inhaftiert werden dürfen. Die neue Gesetzeslage entspricht somit in weiten Teilen der Rechtlage, die im Jahr 2012 den UNHCR zu seiner Empfehlung veranlasste, nach den Dublin Ii-Bestimmungen keine Asyibewerber nach Ungarn zu überstellen.

Auch das UNHCR, dessen Wertungen im Rahmen der Prüfung des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin Ill-VO maßgebliches Gewicht zukommt (vgl. EuGH, U.V. 30.5.2013 - C-528/11, juris Rn. 44), hatte bereits in seiner Stellungnahme vom 3. Juli 2015 im Vorfeld der zwischenzeitlich beschlossenen Gesetzesänderungen Bedenken angemeldet und sich insoweit als „tief besorgt“ (deeply concerned) bezeichnet (abrufbar unter: http://www.unhcr.org/559641846.html). Das Asylsystem Ungarns sei bereits vor der Novelle immer restriktiver geworden und es werde befürchtet, dass die neuen Vorschläge es Flüchtlingen unmöglich machen wird, in diesem Land Sicherheit zu suchen. Rund 80% der Asylsuchenden kämen aus den Konfliktzonen Syrien, Afghanistan, Irak und bedürften internationalen Schutz. Hier ist anzufügen, dass nach österreichischen Angaben von den im Jahr 2013 in Ungarn gestellten 44.000 Asylanfragen nur 550 positiv verbeschieden worden sind (http://www.sueddeutsche.de/poiitik/fluecht!inge-in-europa-ungarn-schottet-sich-ab-1.2534693).“

Ergänzend hierzu führt das Gericht aus, dass das Hungarian Helsinki Committee in seiner Stellungnahme des Weiteren bemängelt, dass in den meisten Fällen ein beschleunigtes Verfahren zulässig werde, in dem innerhalb von 15 Tagen eine Entscheidung erfolgen solle. Es bestehe ein hohes Risiko, dass dieses Verfahren aufgrund der benannten Voraussetzungen zum Regelfall würde. Die 15-Tages-Frist sei ein Verstoß gegen EU-Recht, da sie keinen effektiven Zugang zu Asylverfahren mehr gewähre (HHC, Stellungnahme vom 7.8.2015, .a. a. O., S. 3f). Auch der gerichtliche Schutz für diese - bis zu 99% aller Asylverfahren betreffenden - beschleunigten Verfahren sei, insbesondere auch durch die nicht mehr zwingend vorgesehene persönliche Anhörung, unzureichend und Verstoße gegen EU-Recht (HHC, Stellungnahme vom 7.8.2015, a. a. O., S. 4).

Darüber hinaus bestehen in Ungarn massive Kapazitätsprobleme aufgrund der enormen Zunahme von Flüchtlingszahlen. Während in Ungarn im Jahre 2012 lediglich 2.157 Asylanträge gestellt wurden, stieg die Anzahl der Asylbewerber im Jahre 2013 auf 18.900 an und verdoppelte sich im Jahre 2014 auf 42.777. Vom 1. Januar 2015 bis zum 1. März 2015 registrierten die ungarischen Behörden bereits eine Anzahl von 28.535 Personen (vgl. Hungarian Helsinki Committee, Bericht vom 4. März 2015, abrufbar unter http://helsinki.hu/wp-content/upIoads/Asylum-2015-Hungary-press-info-4March2015.pdf.). Bis zu 72.000 Flüchtlinge sollen bereits in diesem Jahr nach Angaben der ungarischen Regierung in das Land gelangt sein. Demgegenüber stehen in ganz Ungarn weniger als 2.500 Aufnahmeplätze in staatlichen Unterbringungseinrichtungen zur Verfügung. Hinzu kommt die ablehnende Haltung der ungarischen Regierung gegenüber dem Dublin-System (vgl. hierzu VG Münster, B. v. 7.7.2015 - 2 L 858/15.A - juris), so dass auch mit einer entsprechend zügigen Erweiterung der Aufnahmekapazitäten mit zumutbarer Ausstattung nicht zu rechnen ist. Auch kann das Gericht keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die ungarische behördliche und gerichtliche Praxis die verschärften gesetzlichen Vorgaben nicht befolgen wird.

Das Gericht macht sich ergänzend die Einschätzungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (B. v. 20.8.2015 - 15 L 2556/15.A - juris), des Verwaltungsgerichts Saarland (B. v. 12.8.2015 - 3 L 816/15 - juris) sowie des Verwaltungsgerichts Kassel (B. v. 7.8.2015 - 3 L 1303/15.KS.A -juris) zu Eigen. Demnach bestehen (zumindest) bei der Zusammenschau der in jüngerer Zeit entstandenen Kapazitätsprobleme einerseits und der gegenüber der bisherigen Rechtslage zulasten der Asylbewerber im Asylverfahrensablauf sowie bei den Inhaftierungsmöglichkeiten vorgenommenen Verschlechterungen andererseits derzeit systemische Schwachsteiien des ungarischen Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) bergen.

Angesichts der somit wegen Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin lll-VO anzunehmenden Unzuständigkeit Ungarns ist sowohl die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ausgesprochene Ablehnung des Asylantrags als unzulässig als auch die Abschiebungsandrohung nach Ungarn in Nr. 2 des Bescheids rechtswidrig und damit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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published on 23/12/2014 00:00

Tenor I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ** Mai 2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens tragen Klagepartei und Beklagte je zur Hälfte. III.
published on 18/08/2015 00:00

Gründe VG Augsburg Au 6 K 15.50155 Urteil vom 18.08.2015 6. Kammer Tenor I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. März 2015 wird aufgehoben. II. Die Beklagte trägt
published on 20/07/2015 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestan
published on 20/08/2015 00:00

Tenor Die aufschiebende Wirkung der Klage 15 K 5237/15.A gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 20. Juli 2015 wird angeordnet, soweit dort unter Ziffer 2 die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeor
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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.