Verwaltungsgericht München Urteil, 17. Feb. 2017 - M 17 K 16.34416

bei uns veröffentlicht am17.02.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25. Oktober 2016 wird in den Nrn. 2 bis 4 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Ungarn vorliegen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger sind Staatsangehörige Afghanistans. Sie reisten nach eigenen Angaben am … September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 24. November 2014 Asylantrag.

Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 teilte Ungarn mit, dass den Klägern am 5. Dezember 2013 subsidiärer Schutz zuerkannt worden war.

Bei der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … August 2015 gab der Kläger zu 1. unter anderem an, dass sie ca. 18 Monate in Ungarn gewesen seien und anschließend die Unterkunft hätten verlassen müssen. Die Klägerin zu 2. gab im Wesentlichen an, dass sie in der Nacht Angstzustände habe, nicht schlafen könne und Probleme mit dem Blutdruck habe. In Ungarn sei sie nicht behandelt worden, weil sie keine Versicherungskarte gehabt habe.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2). Die Kläger wurden aufgefordert, innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, anderenfalls wurde ihnen die Abschiebung nach Ungarn bzw. in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Die Kläger dürfen nicht nach Afghanistan abgeschoben werden (Nr. 3). Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).

Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig sei, da den Klägern bereits in Ungarn internationaler Schutz gewährt worden sei. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Ungarn sei als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein sicherer Herkunftsstaat. Die Kläger hätten nichts vorgetragen, dass ihnen in Ungarn Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohe. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Ungarn führten auch nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege und ihnen drohe keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben. Anerkannte Flüchtlinge und Personen mit einem Schutzstatus würden mit Ausnahme des Wahlrechts bzw. der Wählbarkeit ungarischen Staatsbürgern gleichgestellt und es gebe Integrationsunterstützung im Rahmen eines Integrationsvertrags. Der Kläger zu 1. gehöre zur Gruppe der arbeitsfähigen Männer, so dass davon auszugehen sei, dass er zumindest das erforderliche Existenzminimum für sich und seine Familie erlangen könne. Auch seien Erkrankungen in Ungarn grundsätzlich in gleicher Weise behandelbar wie in Deutschland, was auch für Asylbewerber und Schutzberechtigte gelte. Die Kosten trügen der ungarische Staat bzw. seine Gesundheitseinrichtungen.

Hiergegen erhoben die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schriftsatz vom 7. November 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht eingegangen am selben Tag, Klage und beantragten zuletzt,

den Bescheid vom 25. Oktober 2016 in Nrn. 2 bis 4 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Ungarn vorliegt.

Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, dass bei der Klägerin zu 2. eine psychische Erkrankung in der Form einer mittelgradigen depressiven Episode als gesichert festgestellt worden sei, ferner die Verdachtsdiagnose auf eine posttraumatische Belastungsstörung. Sie leide zudem an somatischen Beschwerden wie chronischen Kopfschmerzen und benötige eine psychotherapeutische Behandlung, die auf jeden Fall weitergeführt werden müsse. Ihre Reisefähigkeit sei schwer beeinträchtigt und bei einer Abschiebung wäre mit einer enormen Verschlechterung des psychischen und damit zusammenhängend des physischen Zustands zu rechnen. Eine Behandlung in Ungarn wäre nicht möglich, wie das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg in seinem Urteil vom 26. März 2015 festgestellt habe (Au 2 K 13.30209). Es handele sich zudem um eine Familie mit drei sehr kleinen Kindern, so dass in Ungarn besondere Schwierigkeiten im Hinblick auf Unterkunft und Sicherung des Lebensunterhalts bestünden. Eine Abschiebung sei ferner nicht möglich, da ein Antrag auf Übernahme nach Art. 5 des Rückübernahmeabkommens zwischen Ungarn und Deutschland innerhalb von vier Monaten gestellt werden müsse. Wegen objektiver Unmöglichkeit der Abschiebung dürfe auch keine Abschiebungsandrohung ausgesprochen werden.

Eine psychotherapeutische Stellungnahme von Frau … vom … Mai 2015, wonach bei der Klägerin zu 2. eine mittelgradige depressive Episode und der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurden, wurde übermittelt. Die psychotherapeutische Behandlung müsse weitergeführt werden, die Reisefähigkeit sei schwer beeinträchtigt, da dadurch mit enormer Verschlechterung ihres psychischen und damit zusammenhängend auch physischen Zustands zu rechnen sei. Weitere psychotherapeutische Stellungnahmen von Frau … vom … August 2016 und … November 2016, wonach die Diagnosen mittelgradige depressive Episode und posttraumatische Belastungsstörung mittlerweile gesichert seien, wurden vorgelegt. Der psychische und physische Zustand mit massiven Kopfschmerzen, hohem Blutdruck, Angstzuständen, innerer Unruhe, Schlafstörungen und Albträumen habe sich nicht verbessert. Die Angst vor Abschiebung bedeute einen erneuten Verlust ihrer Wurzeln in Deutschland. Dies gelte noch stärker für ihre Kinder, die sich in Deutschland unter anderem sprachlich gut integriert hätten. Die Patientin sei nicht reisefähig und bei einer Aufenthaltsbeendigung und eines Abbruchs der Therapie sei mit einer signifikanten Verschlechterung ihres psychischen und damit zusammenhängend auch ihres physischen Zustand zu rechnen. Eine Selbstgefährdung mit suizidaler Absicht sei derzeit nicht auszuschließen.

Ein gleichzeitig mit der Klage eingereichter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss vom 20. Januar 2017 abgelehnt (M 17 S. 16.34417).

Mit Schreiben vom 31. Januar 2017 und 9. Februar 2017 führten die Prozessbevollmächtigten weiter aus, dass die Klägerin zu 2. schwer krank sei. Ein Zusammenhang zwischen der psychischen Situation und Blutdruckkrisen sei feststellbar. So habe sie, als sie von der Ablehnung des Eilantrags erfahren habe, eine schwere Blutdruckkrise erlitten, habe zeitweise nicht mehr hören können und habe sofort ärztlich behandelt werden müssen. Bei einer Rückkehr nach Ungarn wäre weder die Behandlung der Klägerin noch die Unterbringung der 5-köpfigen Familie gewährleistet. Das Integrations- bzw. Unterstützungsprogramm für anerkannte Flüchtlinge und Begünstigte subsidiären Schutzes sei zum 1. Juni 2016 ausgelaufen, ohne durch alternative Maßnahmen ersetzt worden zu sein und die Unterstützungsperiode für gesundheitliche Versorgung sei auf sechs Monate reduziert worden. Zwar müssten Personen mit einem gültigen ungarischen Aufenthaltstitel nicht mit einer Inhaftierung rechnen, würden jedoch regelmäßig obdachlos, da es schlichtweg keine Unterbringungsstrukturen gebe. Höchstproblematisch sei zudem der Zugang zur Gesundheitsversorgung, vor allem, weil die Ausstellung einer Sozialversicherungsnummer eine Adresskarte voraussetze, für die wiederum eine Meldeadresse Voraussetzung sei. Die Kläger seien in Ungarn zunächst in Aufnahmeeinrichtungen in … und … sowie einem Flüchtlingsheim in … untergebracht gewesen. Am … September 2014 seien sie jedoch auf die Straße gesetzt worden. Auch eine ausreichende medizinische Versorgung hätte die Klägerin zu 2. nicht bekommen, da sie keine Versichertenkarte gehabt habe, so dass sich ihr gesundheitlicher Zustand verschlechtert habe. Bei einer Rückkehr würde daher eine Situation eintreten, die gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs genießen Kinder besonderen Schutz und die Aufnahmebedingungen müssten ihrem Alter und ihren Bedürfnissen angepasst seien.

Ein Attest von Dr. med. … vom … Januar 2017, wonach bei der Klägerin zu 2. eine posttraumatische Belastungsreaktion und ein schwer einstellbarer arterieller Hypertonus vorlägen, wurde beigefügt. Sie leide sehr unter der drohenden Abschiebung, was sich u.a. in einer Verschlechterung ihrer Psyche und in hypertensiven Blutdruckkrisen wiederspiegele. Eine Unterbrechung der psychiatrischen Begleitung könne zu einer Major Depression führen, die Klägerin wäre eventuell nicht mehr in der Lage, ihre Kinder zu versorgen. Ohne Einnahme der Blutdruckmedikamente könne dies zu Blutdruckkrisen führen, die zu Schlaganfällen, Herzinfarkten und irreversiblen Langzeitschäden im Herz-Kreislaufsystem führen könnten. Zudem wurde eine weitere psychotherapeutische Stellungnahme von Frau … vom … Januar 2017 vorgelegt, wonach eine Unterbrechung der Behandlung eine signifikante Verschlechterung ihres psychischen und physischen Zustands zur Folge haben werde. Eine Selbstgefährdung mit suizidaler Absicht wäre nicht auszuschließen. Es sei davon auszugehen, dass sie in Ungarn keine Psychotherapie in ihrer Muttersprache erhalten werde und eine rein medikamentöse Behandlung würde nicht ausreichen. Muttersprache sei jedoch unverzichtbare Voraussetzung für die Durchführung einer Psychotherapie.

Die Beklagte stellte keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 S. 16.34417 sowie auf die vorgelegte Behördenakte und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2017 Bezug genommen

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2017 entschieden werden, obwohl die Beklagtenseite nicht erschienen war. Denn in der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die Klage ist begründet, da die Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG haben. Die Nrn. 2 bis 4 des angegriffenen Bescheids sind somit rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

1. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst zwar nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis kann aber gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich eine vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 - 10 B 13/11 u.a. - juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 - 13a B 11.30064 - juris Rn. 34). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NRW, B.v. 30.12.2004 - 13 A 1250/04.A - juris Rn. 56).

Diese Rechtsprechung hat nunmehr auch in § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4 AufenthG seinen Niederschlag gefunden, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vorliegt bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.

2. Demnach kann im vorliegenden Fall von einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis ausgegangen werden:

2.1 Die Klägerseite hat psychotherapeutische Stellungnahmen vom … Mai 2015, … August 2016, … November 2016 und … Januar 2017 vorgelegt, wonach bei der Klägerin zu 2. eine mittelgradige depressive Episode und posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurden. Sie habe massive Kopfschmerzen, hohen Blutdruck, Angstzustände, innere Unruhe, Schlafstörungen und Albträume und sei nicht reisefähig. Es sei davon auszugehen, dass sie in Ungarn keine Psychotherapie in ihrer Muttersprache erhalten werde und eine rein medikamentöse Behandlung würde nicht ausreichen. Muttersprache sei jedoch unverzichtbare Voraussetzung für die Durchführung einer Psychotherapie und eine Unterbrechung der Behandlung werde eine signifikante Verschlechterung ihres psychischen und physischen Zustands zur Folge haben. Eine Selbstgefährdung mit suizidaler Absicht sei nicht auszuschließen. Zudem wurde ein Attest von Dr. med. … vom … Januar 2017 übermittelt, wonach bei der Klägerin zu 2. eine posttraumatische Belastungsreaktion und ein schwer einstellbarer arterieller Hypertonus vorlägen. Sie leide sehr unter der drohenden Abschiebung, was sich u.a. in einer Verschlechterung ihrer Psyche und in hypertensiven Blutdruckkrisen wiederspiegele. Eine Unterbrechung der psychiatrischen Begleitung könne zu einer Major Depression führen, die Klägerin wäre eventuell nicht mehr in der Lage, ihre Kinder zu versorgen. Ohne Einnahme der Blutdruckmedikamente könne dies zu Blutdruckkrisen führen, die zu Schlaganfällen, Herzinfarkten und irreversiblen Langzeitschäden im Herz-Kreislaufsystem führen könnten.

2.2 Es ist davon auszugehen, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Ungarn obdachlos wären und die Klägerin zu 2. in absehbarer Zeit weder eine psychiatrische noch die erforderliche internistische Behandlung erhalten würde.

a) Zwar genießen Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge und unter subsidiärem Schutz Stehende in Ungarn grundsätzlich freie Gesundheitsfürsorge, Rehabilitation, psychologische Behandlung und Psychotherapie und zwar im gleichen Maße wie ungarische Staatsangehörige, soweit der Bedarf von einem Mediziner festgestellt wird. In den offenen und geschlossenen Aufnahmeeinrichtungen wird die ärztliche Grundversorgung durch Ärzte und Medikamente sichergestellt. In schwerwiegenden Fällen, in denen die Behandlung vor Ort nicht ausreichend ist, kann eine Zuweisung in die Allgemein- oder Spezialeinrichtungen des ungarischen Gesundheitssystems durch den behandelnden Arzt erfolgen, wenn er dies aus medizinischen Gründen für notwendig erachtet. Die Kosten der Behandlung tragen in diesen Fällen der ungarische Staat bzw. seine Gesundheitseinrichtungen. In einigen Aufnahmeeinrichtungen wird zudem psychologische Betreuung durch Spezialisten und Psychologen der Cordelia Stiftung (vgl. www.cordelia.hu) gewährt (vgl. VG Stade, B.v. 4.11.2015 - 1 B 1749/15 - juris Rn. 9 m.w.N.; vgl. a. VG München, U.v. 16.8.2016 - M 12 K 16.50464 - S. 18).

b) Das Gericht ist aber davon überzeugt, dass es den Klägern in ihrer besonderen Situation faktisch nicht gelingen wird, in Ungarn Arbeit, Wohnraum und/oder medizinische Behandlung zu erhalten. Die Kläger, die mittellos sind, haben in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar geschildert, dass sie in Ungarn keinerlei staatliche Unterstützung erhalten haben und ihnen niemand Wohnraum zur Verfügung stellen bzw. Arbeit geben wollte. Bestätigt wird diese Schilderung durch den Umstand, dass Ungarn durch Gesetzesänderungen vom 1. April 2016 und 1. Juni 2016 sämtliche Unterstützungsleistungen für anerkannte Asylbewerber, Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte eingestellt hat (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 15.11.2016 - 8 LB 92/15 - juris Rn. 62; aida, country report: Hungary, 2016 update, S. 92). Laut Helsinki Komitee (s. Information vom 15. Juni 2016) drohen diesen damit Obdachlosigkeit und Verelendung. Die Mieten in Ungarn seien für den genannten Personenkreis zu hoch und Vermieter überließen ihren Wohnraum lieber an Ungarn. Entsprechendes gelte für Arbeitgeber, zumal die ungarische Sprache insoweit ein großes Hindernis für eine Anstellung sei (aida, country report: Hungary, 2016 update, S. 93; vgl. a. OVG Lüneburg, U.v. 15.11.2016 - 8 LB 92/15 - juris Rn. 62).

Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Kläger eine Arbeit und eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt finden können, zumal sie in Ungarn über keine finanzielle Unterstützung durch Angehörige oder Freunde verfügen (vgl. a. VG Düsseldorf, U.v. 14.11.2016 - 12 K 5984/16.A - UA S. 7). Den Klägern zu 1. und 2. und ihren drei kleinen Kindern (2 ½, 5 und 6 Jahre alt) ist es nicht zumutbar, auf der Straße zu leben. Zudem ist der Erhalt einer Gesundheitskarte in Ungarn von einer Adresskarte abhängig, die in der Praxis, insbesondere bei Betroffenen ohne festen Wohnsitz, mit vielen, allenfalls erschwert überwindbaren Hürden verbunden ist (vgl. VG Augsburg, U.v.26.3.2015 - Au 2 K 13.30329 - beck-bayernrecht Rn.37). Nach den vorliegenden Attesten wird sich aber der psychische und physische Gesundheitszustand der Klägerin zu 2. ohne die erforderliche Behandlung alsbald signifikant verschlechtern und es drohen schwerwiegende Erkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt und irreversible Schäden am Herz-Kreislaufsystem. Damit ist aber eine erhebliche und konkrete Gefahr im Sinne der o.g. Rechtsprechung und damit ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG zu bejahen.

Nach alledem war der Klage daher hinsichtlich der Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG stattzugeben (Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids). Dementsprechend waren auch die Abschiebungsandrohung sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben (Nrn. 5 und 6 des Bescheids).

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 AsylG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts vom 19. Juni 2013 (Gz. 5436864 - 273) wird in Nummer 2 aufgehoben.

II.

Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 hinsichtlich Ungarn vorliegen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III.

Die Beteiligten tragen die Kosten Verfahrens je zur Hälfte.

IV.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge somalischer Staatsangehöriger und dem Clan der Madiban zugehörig. Nach seinem Vorbringen reiste er im Juli 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 9. August 2010 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Anerkennung als Asylberechtigter.

Bei seiner Anhörung am 27. März 2013 trug er vor, im März/April 2009 aus Angst vor Al-Shaabab Milizen Somalia verlassen zu haben. Er sei über Äthiopien, Syrien und die Türkei nach Griechenland gekommen. Dort habe er keinen Asylantrag gestellt und sich versteckt. Die Somalier hätten sich gegenseitig unterstützt. Nach ca. einem Jahr sei er über Serbien nach Ungarn gelangt. Eigentliches Ziel sei aber Deutschland gewesen.

In Ungarn habe er mehr Probleme gehabt als in Somalia. Er habe dort eigentlich keinen Asylantrag stellen wollen. Er sei letztlich als Flüchtling anerkannt worden und habe einen Pass erhalten. Nach der Anerkennung habe er aber das Asylheim Debrecen verlassen und auf der Straße leben müssen. Er habe keine Arbeit gehabt und auch keine Sozialhilfe erhalten. Den ungarischen Pass habe er inzwischen weggeworfen. Er wolle nun weder zurück nach Somalia noch nach Ungarn. Er besitze keinerlei Ausweisdokumente.

Mit Schreiben vom 11. April 2013 bestätigten die ungarischen Asylbehörden gegenüber dem Bundesamt, dass der Kläger bereits am 17. März 2010 als Flüchtling anerkannt worden sei. Einer Aufnahme des Klägers wurde mit Schreiben vom 10. Juni 2013 zugestimmt.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2013 stellte das Bundesamt fest, dass dem Kläger wegen seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an.

Am 8. Juli 2013 ließ der Kläger gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 19. Juni 2013 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben. Für ihn ist zuletzt beantragt:

1. Der Bescheid des Bundesamtes vom 19. Juni 2013 wird in Nummer 2 aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hinblick auf Ungarn vorliegen.

Gleichzeitig ließ er einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen, mit dem er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragte (Az. Au 7 S 13.30210).

Zur Begründung ließ er im Wesentlichen vortragen, dass die Abschiebungsanordnung rechtswidrig sei, weil schon nicht feststehe, dass die Abschiebung durchgeführt werden könne. Eine Rücknahmezusicherung der ungarischen Behörden liege nicht vor. Weiter sei von einem Ausnahmefall des Konzepts der normativen Vergewisserung hinsichtlich Ungarns auszugehen. Ungarn sei kein sicherer Drittstaat. Die Situation von anerkannten Flüchtlingen in Ungarn sei nicht besser als diejenige von Schutzsuchenden, hinsichtlich derer inzwischen Gerichte Eilrechtschutz aufgrund systemischer Mängel gewähren würden. Anerkannte Flüchtlinge erhielten zwar Abschiebungsschutz, aber nicht einmal die minimalsten Lebensgrundlagen. Sie würden spätestens nach einem halben Jahr in ihrer Existenz gefährdet sein. Dies gelte erst recht für dunkelhäutige Flüchtlinge. Die Flüchtlingsanerkennung habe dem Kläger in Ungarn wenig geholfen, da er das Asylheim habe verlassen müssen und ein halbes Jahr auf der Straße ohne Arbeit und Sozialhilfe gelebt habe. Es habe Angriffe von Rechtsradikalen gegeben. Der Kläger habe nur durch Betteln und Spenden der Kirche überleben können.

Die Situation stelle sich derart dar, dass einem anerkannten Flüchtling zunächst für die Dauer von sechs Monaten ein Anspruch auf Verpflegung und Unterkunft sowie Integrationsdienstleistungen zustehe. Weitergehende Unterstützung bei der Arbeitssuche und Integration gebe es kaum. Als weiteres Problem trete die verbreitete Fremdenfeindlichkeit hinzu. Der Kläger sei selbst von diesen Problemen konkret betroffen gewesen.

Im Übrigen werde der Kläger durch die angeordnete Abschiebung in seinen Menschenrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 EMRK verletzt, da ihm in Ungarn nur ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums bevorstehe.

Als Konsequenz der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides habe in Deutschland eine inhaltliche Prüfung des Antrags des Klägers zu erfolgen. Es sei ein Abschiebungsverbot festzustellen, wozu auf die Entscheidungspraxis zu Somalia verwiesen werde. Da die Kritik an den ungarischen Verhältnissen bisher lediglich im Hinblick auf Dublin-Il-Rückkehrer judiziert sei und es keine ausführlichen Darstellungen oder Untersuchungen zur Situation anerkannter Flüchtlinge in Ungarn gebe, seien jedenfalls in der Hauptsache vertiefende Auskünfte hierüber einzuholen. Es wurde ein dahingehender Beweisantrag schriftlich gestellt. Aufgrund dieser nötigen Beweiserhebung sei dem Kläger aber Eilrechtsschutz zu gewähren.

Die Beklagte legte am 24. Juli 2013 die Behördenakten vor.

Mit Beschluss vom 25. Juli 2013 wurde der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Mit weiterem Beschluss vom 30. Juli 2013 wurde die Streitsache auf den Einzelrichter übertragen.

Unter dem 20. August 2013 ließ der Kläger mitteilen, wegen akuter Suizidalität von der Polizei in die Bezirkskliniken Schwaben eingeliefert worden zu sein. Der Kläger sei wegen der Hautfarbe und des offenen Rassismus in Ungarn sowie aufgrund seiner psychischen Labilität besonders schutzbedürftig. Der Zugang zur medizinischen Versorgung sei für den Kläger von existentieller Bedeutung, sei aber für ihn nicht gegeben. Er habe aber nach dem Verlassen der Asylaufnahmelager keinen Zugang mehr zum Sozial- und Gesundheitssystem.

Nach dem vorläufigen Arztbrief der Bezirkskliniken Schwaben vom 12. August 2013 wurde beim Kläger eine Anpassungsstörung und v.a. eine depressive Episode, mittelgradig, diagnostiziert. Er sei durch den Tod seines Vaters vor einigen Wochen sehr belastet gewesen. Auf Station habe sich der Kläger unter Medikation rasch stabil gezeigt. Er sei affektiv ausgeglichen und von akuter Suizidalität durchgehend klar distanziert. Es werde eine ambulante psychiatrische Weiterbehandlung sowie eine Fortführung der Medikation empfohlen.

Am 13. September und 15. Oktober 2013 führte der Kläger ergänzend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte Hannover und Sigmaringen aus, dass anerkannte Asylberechtigte in Ungarn kein Leben in Würde und oberhalb des Existenzminimums führen könnten und daher eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 GR-Charta ernsthaft zu befürchten sei. Sie hätten nur nach dem Asylgesetz dieselben Rechte wie ungarische Flüchtlinge, tatsächlich aber hätten sie keinen Zugang zu Beschäftigung, Sozialhilfeleistungen, medizinischer Versorgung und Wohnraum.

Laut Aktenvermerk vom 3. Dezember 2013 sicherte die Ausländerbehörde im Benehmen mit der Beklagten zu, bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig von einer Rückführung des Klägers nach Ungarn abzusehen.

Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2013 führte die Beklagte aus, dass weder der aktualisierte Bericht zur Lage in Ungarn von Pro Asyl von Oktober 2013 noch die vorgetragenen gesundheitlichen Probleme eine Abhilfeentscheidung zu rechtfertigen vermögen. Anerkannte Flüchtlinge seien in Ungarn ungarischen Staatsbürgern hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten gleichgestellt. Zudem hätten sie für einen Übergangszeitraum von sechs bis zwölf Monate Anspruch auf Unterbringung in einer sogenannten Vorintegrationseinrichtung und anschließend könnten sie verschiedene Unterstützungsleistungen beantragen, beispielsweise finanzielle Starthilfen beim Verlassen der Einrichtung, Mietbeihilfen, Arbeitslosenhilfe, Schulstarthilfe und Sprachunterricht.

Hierzu entgegnete der Kläger am 9. Januar 2014, dass Gesetzeslage und Realität nicht selten differierten und nach der objektiven Lage anerkannte Flüchtlinge die in den Gesetzen versprochenen Rechte nicht erlangten, was besonders für vulnerable Personen wie dem Klägerfremdsprachig, dunkle Hautfarbe, psychisch belastet und behandlungsbedürftig - gelte. Allein die Tatsache, dass die Gerichte aus den Berichten des UNHCR und von Pro Asyl eine unterschiedliche tatsächliche Lage herauslesen würden, gebiete eine weitere Aufklärung.

Laut eines vorläufigen Arztbriefs der Bezirkskliniken Schwaben vom 5. November 2013 wurde beim Kläger eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome diagnostiziert. Der Kläger sei freiwillig und selbsteinweisend zur zweiten stationären Aufnahme gelangt, welche vom 17. September bis 5. November 2013 angedauert habe. Nach Durchführung eines multimodalen Behandlungssettings und unter Medikation sei es zu einer deutlichen affektiven Stabilisierung gekommen. Zum Zeitpunkt der Entlassung seien keine Hinweise auf Eigen- oder Fremdgefährdung vorgelegen, von akuter Suizidalität habe sich der Kläger klar und glaubhaft distanziert.

Die Beklagte führte am 24. April 2014 ergänzend aus, dass sich nach der Rechtsprechung des EGMR allein aus der mit der Rücküberstellung in einen Mitgliedstaat verbundenen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse kein Verstoß gegen Art. 3 EMRK ableiten lasse. Nach den vorliegenden Erkenntnissen wäre der Kläger in Ungarn nicht Lebensbedingungen ausgesetzt, die auf unabsehbare Zeit eine Lage extremer materieller Armut befürchten ließen. Es ergebe sich keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen. Nach Abschluss des Asylverfahrens sei der Kläger wie ungarische Staatsangehörige auch auf den Einsatz seiner Arbeitskraft zur Sicherung seines Lebensunterhalts zu verweisen. Es gebe kein Menschenrecht auf Vollalimentation ohne eigene Arbeitsleistung. Eine beachtliche Unterschreitung der vom Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen könne nicht ausgemacht werden. Angesichts dessen dränge sich daher eine Durchbrechung des „Konzepts der normativen Vergewisserung" bzw. des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens" und der darauf beruhenden Zuständigkeitsordnung bezüglich Ungarns nicht auf.

Mit Schreiben vom 3. Februar 2015 legte der Kläger seine Arbeitsverträge seit 2012 bis Ende 2015 vor, woraus sich ergibt, dass er in den Jahren 2012 (April bis Dezember) rund 8.111,- EUR, 2013 (Januar bis August) knapp 10.000,- EUR und 2014 (November und Dezember) rund 2.228,- verdient hat, wobei er bis September 2014 wegen psychischer Erkrankung und Aufenthalts im Bezirkskrankenhaus seine Arbeit abgebrochen habe. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werde die Klage nur noch gegen die Abschiebungsanordnung und auf Feststellung von Abschiebungsverboten gerichtet.

Nach den vorgelegten ärztlichen Attesten der Bezirkskliniken Schwaben vom 8. Juli 2014 und 3. Februar 2015 habe sich der Kläger seit 27. November 2013 bis 13. Oktober 2014 in ambulantpsychiatrischer Behandlung durch die Institutsambulanz des BKH befunden. Diagnostisch bestehe eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert (ICD-10: F33.4) und eine soziale Phobie (ICD-10: F40.1). Der Kläger nehme seine Arzttermine regelmäßig und gewissenhaft wahr. Bei der ersten stationärpsychiatrischen Aufnahme aufgrund eines Suizidversuchs durch Strangulation habe der Kläger als Grund u. a. die Angst vor einer Abschiebung angegeben. Seit Oktober 2014 habe der Kläger die medikamentöse und ambulantpsychiatrische Behandlung eingestellt. Als Grund hierfür habe er eine ausreichende affektive Stabilität genannt, welche er durch die bisherige Behandlung und den Erwerb einer Arbeitsstelle erreicht habe. Im Falle einer Destabilisierung der psychosozialen Verhältnisse durch eine Abschiebung aus Deutschland müsse aus fachärztlicher Sicht mit einer erneuten Verschlechterung des psychischen Zustandes mit Wiederauftreten von Suizidalität gerechnet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. März 2015 verwiesen.

Gründe

Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist nach der Änderung der Antragstellung mit Schriftsatz vom 3. Februar 2015 nur noch die Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Die zulässige Klage ist, soweit mit ihr die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird, begründet (1.). Hinsichtlich des Begehrens auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG erweist sich die Klage hingegen als unbegründet (2.).

1. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Ungarns festzustellen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insoweit war der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2013 aufzuheben.

Da der Kläger in erster Linie Krankheitsgründe als Prüfungsmaßstab zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote geltend macht, kommt allein ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht. Dessen Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen - zielstaatsbezogenen - Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und aufweichen Ursachen sie beruht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, die diesem alsbald nach seiner Rückkehr in die Heimat droht (BVerwG, U. v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris; B. v. 23.7.2007 - 10 B 85.07 - juris).

Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann sich daraus ergeben, dass die Gefahr der Verschlimmerung einer Krankheit, unter welcher der Ausländer bereits in Deutschland leidet, in seinem Heimatstaat besteht, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind (BVerwG, U. v. 29.10.2002- 1 C 1.02-juris Rn. 9). Für die Bestimmung der „Gefahr" gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, das heißt die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Eine Gefahr ist „erheblich", wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Zuständen (BVerwG, U. v. 24.05.2006 - 1 B 118.05 - juris; OVG Lüneburg, U. v. 10.11.2011 - 8 LB 108/10 - juris). Dies ist dann der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, U. v. 29.7.1999 - 9 C 2.99 - juris). Dabei muss sich der Ausländer grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende schwerwiegende Gefährdung verbunden ist (OVG NW, B. v. 10.1.2007- 13 A 1138/04.A-juris).

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG können aber auch dann vorliegen, wenn im Herkunftsland zwar geeignete Behandlungsmöglichkeiten bestehen, die für den betreffenden Rückkehrer aber im Einzelfall aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht erreichbar sind (BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - juris Rn. 9; BayVGH, U.V. 23.11.2012 - 13a B 12.30061 -juris Rn. 18).

Dies ist hier der Fall. Das Gericht ist nach den vorliegenden medizinischen Feststellungen, die von der Beklagten nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden sind, davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr binnen kurzer Zeit einer erheblichen individuellen Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt wäre. Das aktuelle fachärztliche Attest von Frau Gabriele Einsiedler, Bezirkskliniken Schwaben, vom 3. Februar 2015 belegt, dass der Kläger an einer rezidivierenden depressiven Störung und einer sozialen Phobie leidet. Aufgrund der Vorgeschichte gelangt sie zu der fachärztlichen Einschätzung, dass bei einer Abschiebung aus Deutschland wegen der Destabilisierung der psychosozialen Verhältnisse mit einer erneuten Verschlechterung des psychischen Zustandes mit Wiederauftreten von Suizidalität gerechnet werden müsse. Die den Kläger zuletzt behandelnde Ärztin führte hierzu in der mündlichen Verhandlung aus, dass sie eine erneute depressive Episode für nicht unwahrscheinlich halte, auch mit einem erneuten Suizidversuch. Aufgrund der Anamnese müsse beim Kläger wegen der vorangegangenen psychischen Probleme mit einem erneuten Auftreten von Suizidalität gerechnet werden. An der Richtigkeit dieser Ausführungen hegt das Gericht keine Zweifel. Die Feststellungen in den vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen sind eindeutig, in sich widerspruchsfrei und wurden in der mündlichen Verhandlung für das Gericht nachvollziehbar erläutert. Aus den Attesten geht hervor, auf welcher Grundlage die behandelnden Ärzte ihre Diagnose gestellt haben und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Der Kläger befand sich u. a. aufgrund eines Suizidversuchs für zehn Tage bzw. für rund sieben Wochen in stationärer Behandlung. Nach der Entlassung aus der letzten stationären Behandlung wegen eines depressivsuizidalen Syndroms Anfang November 2013 war der Kläger noch knapp ein Jahr bis Mitte Oktober 2014 in ambulantpsychiatrischer Behandlung in der Institutsambulanz am Bezirkskrankenhaus Augsburg. Es wurde dort monatlich ein Therapiegespräch geführt. Die den Kläger zuletzt behandelnde Ärztin hat den Kläger in dem Zeitraum elf Mal gesehen.

Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen wird der Kläger bei seiner Rückkehr nach Ungarn nicht in der Lage sein, eine dauerhafte und spezielle Behandlung der bei ihm diagnostizierten Krankheiten zu erreichen.

Der Kläger ist ein in Ungarn anerkannter Flüchtling. Als solcher genießt er dieselben Rechte und Pflichten wie ungarische Staatsbürger. Die Einbürgerung ist erleichtert. Die medizinische Versorgung ist in Ungarn in Notfällen kostenlos, auch für Ausländer. Anerkannte Flüchtlinge werden hinsichtlich der ärztlichen Versorgung wie ungarische Bürger behandelt. In Ungarn werden sowohl in der Hauptstadt wie auch in den Komitatshauptstädten alle überlebensnotwendigen medizinischen Maßnahmen durchgeführt (Auskunft, Auswärtiges Amt vom 2.3.2015 an das VG München). Auch chronische Krankheiten aus dem Bereich der inneren Medizin und der Psychiatrie können hier behandelt werden (VG Kassel, U. v. 31.10.2013 - 6 K 1167/12.KS.A - n. v.). Hiervon ausgehend gelangt das Gericht zu der Einschätzung, dass allenfalls in engen Ausnahmen und nur bei besonders schutzbedürftigen Rückkehrern einzelfallbezogene Gründe vorliegen können, die ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot zu begründen vermögen. Dies ist etwa der Fall bei schweren oder schwersten psychischen Erkrankungen, wenn die Betroffenen angesichts der schwierigen Lebensbedingungen sowie der Unterbringungsmöglichkeiten für anerkannte Flüchtlinge in Ungarn den Zugang zum Arbeitsmarkt und zu einer medizinischen Versorgung nicht erlangen können. Insofern weist Pro Asyl in seinem Bericht vom Oktober 2013 „Ungarn, Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit" (im Internet abrufbar, S. 20 f.) darauf hin, dass viele Rückkehrer nach Ablauf der Integrationsleistungen nur unter erschwerten Bedingungen Zugang zur staatlichen Gesundheitsversorgung haben. Denn in der Praxis gestaltet es sich oftmals schwierig, eine staatliche Gesundheitskarte ausgestellt zu bekommen, für deren Beantragung wiederum eine Adresskarte vorzulegen ist. Dies hängt in erster Linie davon ab, ob der/die Betroffene über einen festen Wohnsitz verfügt. Wenn der Betroffene über einen festen Wohnsitz verfügt, kann die Sozialversicherungskarte ohne weiteres beantragt werden. Ohne festen Wohnsitz müsse auf der Adresskarte eine Gemeinde bzw. ein Stadtbezirk eingetragen werden, um eine Sozialversicherungskarte beantragen zu können. Ohne diesen Zusatz könne die Sozialversicherungskarte nicht beantragt werden. Allerdings würden gerade die Bezirksämter in Budapest bei Wohnsitzlosen eine Meldung in ihrem Bezirk teilweise nicht akzeptieren, um die Anzahl der Leistungsempfänger in „ihrem" Gebiet einzuschränken. Im Ergebnis ist zwar der Erhalt der Gesundheitskarten nicht ausgeschlossen, ist aber in der Praxis mit vielen, für die Betroffenen nur unter erschwerten Bedingungen überwindbaren Hürden, verbunden.

Da der Kläger aufgrund seiner Erkrankung als besonders schutzbedürftige Person einzustufen ist, wird er noch größere Probleme haben, überhaupt einen Arbeitsplatz zu erhalten, der es ihm ermöglicht, eine eigene Wohnung zu begründen, die wiederum grundsätzlich Voraussetzung ist für die Registrierung und damit für eine Teilhabe am Fürsorgesystem. Ist es bereits für gesunde und belastbare Rückkehrer nur unter Überwindung oben dargestellter Hürden möglich, effektiven Zugang zum Gesundheitssystem zu erhalten, wird dies dem Kläger als besonders schutzbedürftige Person nach Überzeugung des Gerichts erst recht nicht gelingen können, so dass eine zeitnahe medizinische Behandlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden kann (vgl. VG Kassel, a. a. O.). Allein die Versorgung der Klägers mit den notwendigen Medikamenten, welche in Ungarn grundsätzlich erhältlich sind (vgl. BVwG Österreich, Entscheidung vom 30.7.2014 - W211 2010073-1 - im Internet abrufbar), genügt nach insofern überzeugender Darstellung der den Kläger behandelnden Fachärztin nicht, die beim Kläger vorhandenen psychischen Erkrankungen effektiv zu stabilisieren bzw. die diese auslösenden Faktoren wirksam zu eliminieren. Hierfür spricht auch die Krankheitsgeschichte des Klägers, der trotz der erforderlichen Medikation insgesamt rund acht Wochen stationär und anschließend fast ein Jahr lang ambulantpsychiatrisch behandelt werden musste. In den Arztbriefen vom 12. August und vom 5. November 2013 wurde beim Kläger u. a. aufgrund seines Suizidversuchs (noch) eine schwere depressive Episode diagnostiziert, deren Wiederauftreten ohne Behandlung der die Krankheit auslösenden Faktoren seitens der Fachärztin auch derzeit als wahrscheinlich eingestuft wird.

Unter zusammenfassender Betrachtung aller relevanten Umstände und Aspekte, insbesondere in Anbetracht der Erkenntnisse zur Versorgungslage in Ungarn sowie des durch die ärztlichen Berichte dokumentierten, von der Beklagtenseite nicht bestrittenen besonderen Krankheitsbilds des Klägers, ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass für den Kläger ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Es besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers im Falle seiner Rückkehr nach Ungarn aufgrund der dort vorhandenen Verhältnisse erheblich verschlechtern wird, insbesondere ein Wiederauftreten der Suizidalität wahrscheinlich ist.

2. Soweit der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG begehrt, war die Klage abzuweisen. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in der Fassung vom 22. Oktober 2010 (BGBl II S. 1198) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Der sachliche Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK ist dabei weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über dieses nicht hinaus (BVerwG, U. v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8). Eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung droht dem Kläger nach obigen Ausführungen insbesondere aufgrund der rechtlichen Gleichbehandlung mit ungarischen Staatsangehörigen nicht. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten dabei nicht dazu, Flüchtlingen ein Recht auf Unterkunft zu geben oder sie finanziell zu unterstützen (EGMR, U. v. 21.1.2011 -M.S.S./Belgien u. Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413 Rn. 249). Es ist zu berücksichtigen, dass die vom Kläger angeführten Punkte Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit aufgrund der allgemein schwierigen Lebenssituation in Ungarn (vgl. UNHCR, „Ungarn als Asylland" vom April 2012, Fn. 80/81 zu Ziffer 69) auch ungarische Staatsangehörige betrifft. Ein Ausländer hat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Allgemeinen kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK (EGMR, v. 2.5.1997 -30240/96, D.A/ereinigtes Königreich; v. 27.5.2008 - 26565/05 - N./Vereinigtes Königreich Rn. 42 ff.; v. 22.6.2010 - 50068/08, Al-Zawatia/Schweden). Solche liegen hier nicht vor, da in Ungarn zumindest eine Notversorgung garantiert ist, die die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst (vgl. BVwG, v. 30.7.2014, a. a. O.).

Soweit mit den hilfsweise gestellten Beweisanträgen zum einen die Rückkehrsituation von anerkannten Flüchtlingen, insbesondere im Hinblick auf die allgemeine Versorgung, wie auch auf die medizinische Versorgung, Zugang zum Arbeitsmarkt usw. vertiefend ermittelt werden sollte, drängte sich für das Gericht eine weitere Einholung von Auskünften nicht auf, da weder dargetan noch zu erwarten ist, dass die beantragten Auskünfte andere oder bessere Erkenntnisse bringen als die bereits in das Verfahren eingeführten Stellungnahmen. Der weitere, hilfsweise gestellte Beweisantrag zur anzunehmenden Rechtsstellung des Klägers als Ausländer ohne Aufenthaltsstatus wurde nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 2 AsylVfG gestellt. Die Verspätung wurde nicht genügend entschuldigt, obwohl über die Verpflichtung nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG und die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist. Im Übrigen ist der unter Beweis gestellte Sachvortrag unerheblich. Auf ihn kommt es für die Entscheidung des Gerichts nicht an.

Nach alledem ist die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2. des Bescheides vom 19. Juni 2013 rechtswidrig, da wegen der Zuerkennung des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG nicht mehr vorliegen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylVfG.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Rechtsschutz gegen die Überstellung nach Ungarn im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.

Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge ein am … geborener afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste am … Januar 2016 ins Bundesgebiet ein.

Es ergaben sich EURODAC-Treffer für Ungarn (HU1 …; Bl. 4 der Behördenakte und HU2 …, Bl. 5 BA).

Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten vom 29. Februar 2016 (Bl. 20 der Behördenakte) hat Ungarn nicht geantwortet.

Mit Bescheid vom 27. April 2016 ordnete das Bundesamt die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 1) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 2).

Ungarn sei für den Asylantrag des Klägers gem. Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO zuständig.

Der Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 4. Mai 2016 zugestellt (Bl. 59 BA). Ein weiteres Mal wurde der Bescheid dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 23. Juni 2016 zugestellt (Bl. 61 BA).

Am … Juni 2016 erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen den Bescheid vom 27. April 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag,

den Bescheid der Beklagten vom 27. April 2016 aufzuheben.

Die Klage wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: In Italien (gemeint wohl Ungarn) bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens.

Die Beklagte übersandte die Akte und stellte keinen Antrag.

Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Zur mündlichen Verhandlung am 16. August 2016 ist niemand erschienen. Der Klägerbevollmächtigte teilte am … August 2016 mit, dass er auf mündliche Verhandlung verzichte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Über die Verwaltungsstreitsache konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2016 entschieden werden, obwohl kein Beteiligter zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die Parteien wurden zur Verhandlung ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte darüber hinaus am … August 2016 mit, er verzichte auf mündliche Verhandlung.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 27. April 2016, mit dem die Abschiebung nach Ungarn angeordnet (Nr. 1) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 6 Monate ab der Abschiebung befristet wurde (Nr. 2).

Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 27. April 2016 zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Abl. L 180 v. 19. Juni 2013, S.31; Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.

Da der Kläger in Deutschland bisher keinen Asylantrag gestellt hat, wird sein Fall als sog. Aufgriffsfall vom Anwendungsbereich des § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG erfasst. Im Rahmen der Änderung des Asylverfahrensgesetzes im Jahr 2013 wurde zur Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) in § 34a AsylG Satz 2 in seiner auch jetzt geltenden Fassung ausdrücklich mit der Begründung eingefügt, dass diese Vorschrift eine gesetzliche Aufgabenzuweisung für das Bundesamt darstellt und der Erfassung der sog. „Aufgriffsfälle“ dienen soll, in denen ein Ausländer im Inland angetroffen wird, der in einem anderen Staat - in dem die Dublin-VO Anwendung findet - einen Asylantrag gestellt hat, nicht aber in Deutschland.

Geht man daher davon aus, dass die so genannten „Aufgriffsfälle“ über § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG erfasst sind, obwohl das AsylG an sich nur auf Personen Anwendung findet, die in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben (vgl. Müller in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 34a AsylVfG/AsylG, Rn. 10), so ist weiter zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer entsprechenden Abschiebungsanordnung vorliegen. Voraussetzung ist hiernach, dass der Kläger einen Asylantrag in Ungarn gestellt hat und es muss feststehen, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

Der Kläger hat in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ist gem. Art. 3 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1b) Dublin III-VO Ungarn zuständig. Dass der Kläger illegal nach Ungarn eingereist ist und dort einen Asylantrag gestellt hat, ergibt sich aus den festgestellten EURODAC-Treffern. Danach hat der Kläger in Ungarn illegal die Grenze überschritten (EURODAC-Treffer HU2 … beginnt mit Ziffer „2“: Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 4 Sätze 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung von Eurodac; im Folgenden: EURODAC-VO) und hat in Ungarn auch einen Asylantrag gestellt (EURODAC-Treffer HU1 … beginnt mit Ziffer „1“: Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EURODAC-VO).

Die nach Art. 3 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO zuständige ungarische Behörde hat auf das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen reagiert, so dass Ungarn gem. Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig ist.

Die Überstellung des Klägers nach Ungarn ist auch rechtlich möglich, § 34a AsylG.

Ist der ersuchte Mitgliedsstaat mit der Aufnahme des Klägers einverstanden, kann der Kläger einer Überstellung dorthin nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (EuGH, U.v. 10. 12. 2013 - C-394/12). Dasselbe gilt, wenn der Mitgliedsstaat auf das Wiederaufnahmeersuchen nicht reagiert, da dann die Fiktion des Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO eintritt.

Es liegen auch keine Umstände vor, die die Zuständigkeit Ungarns in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen ließen.

Dem gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Abl. C 83/389 v. 30. März 2010, des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v. 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S.559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S.685 in der Fassung der Bekanntmachung v. 20. Oktober 2010 (BGBl. II S.1198) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - zukommt.

Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, U. v. 21. Dezember 2011 - C - 411/10 und C - 493/10, NVwZ 2012, S.417 und juris; U. v. 14. November 2013 - C - 4/11, NVwZ 2014, S.129 und juris) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, U.v. 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 und 2315/93, BverfGE 94, Seite 49 = NJW 1996, S,1665 und juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn den Mitgliedsstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem Mitgliedsstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, U. v. 21. Dezember 2011, a.a.O.; U. v. 14. November 2013,a.a.O.). In einem solchen Fall ist die Prüfung anhand der der Dublin-Verordnungen fortzuführen, um festzustellen, ob anhand der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedsstaat als für die Prüfung des Asylantrags bestimmt werden kann; ist zu befürchten, dass durch ein unangemessen langes Verfahren eine Situation, in der Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, verschlimmert wird, muss der angegangene Mitgliedsstaat selbst prüfen (EuGH, U. v. 21: Dezember 2011, a.a.O.; U. v. 14. November 2013, a.a.O.).

Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 21. Februar 2014 - 10 A 10656 - juris).

Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR- Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu (ABl. C 303/17 v. 14. Dezember 2007) i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 EUV v. 7. Februar 1992 (ABl. C 191, S.1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Vertrages von Lissabon vom13. Dezember 2007 (Abl. C 306, S.1, ber. Abl. 2008 C 111, S. 56 und Abl. 2009 C 290, S.1) an Art. 3 EMRK auszurichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urteil v. 21. Januar 2011 - 30696/09, EuGRZ 2011, 243) ist eine Behandlung dann unmenschlich, wenn sie absichtlich über Stunden erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder seelische Leiden verursacht. Als erniedrigend ist eine Behandlung dann anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt oder fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu treffen.

Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insb. von der Dauer der Behandlung und ihrer physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers. Art. 3 EMRK kann allerdings nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass er die Vertragsparteien verpflichtete, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, U. v. 21. Januar 2011, a.a.O.; B. v. 2. April 2013 - 27725/10 -Mohammed Hussein u. a. gegen die Niederlande und Italien, ZAR 2013, S.336 und juris).

Gleichwohl sind die in der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2014 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen - Aufnahmerichtlinie - (Abl. L 180 S. 96) genannten Mindeststandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen. Asylsuchende werden in einem Mitgliedsstaat unmenschlich oder erniedrigend behandelt, wenn ihnen nicht die Leistungen der Daseinsvorsorge gewährt werden, die ihnen nach den Aufnahmerichtlinie zustehen. Ihnen müssen während der Dauer des Asylverfahrens die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, mit denen sie die elementaren Bedürfnisse (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) in zumutbarer Weise befriedigen können. Als Maßstab sind die Art. 17 und 18 der Aufnahmerichtlinie mit den dort geregelten zeitlich beschränkten Einschränkungsmöglichkeiten bei vorübergehenden Unterbringungsengpässen und der Verpflichtung, auch in diesen Fällen die Grundbedürfnisse zu decken, heranzuziehen (OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7. 3. 2014 - 1 a 21/12.A - juris; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16. April 2014 - A 11 S 1721/13, InfAuslR 2014, 293 und juris).

Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Fall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19. März 2014 - 10 B 6.14 - juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH Bad.-Württ., U. v. 16. April 2014, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7. März 2014, a.a.O., OVG Sachsen-Anhalt, B. v.14. November 2013 - 4 L 44/13 - juris; BVerwG, U v. 20. Februar 2013 - 10 C 23/12 - juris).

Der Mitgliedsstaat, der die Überstellung des Asylsuchenden vornehmen muss, ist im Fall der Widerlegung der Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat im Einklang mit den Erfordernissen der GFK und der EMRK steht, verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.

Gründe, die der Überstellung des Klägers nach Ungarn entgegenstehen, sind nicht anzunehmen.

Es liegt kein - der Rückführung entgegenstehender - Fall vor, in dem der zuständige Drittstaat, in den der Schutzsuchende zurückgeführt werden soll, hier die Republik Ungarn, die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 4 EuGrdRch) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (vgl. Art. 3 EMRK) nicht erfüllt bzw. es durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in diesem Mitgliedsstaat in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz vor Verfolgung gewährt wird.

Systemische Mängel sind zu dem gem. § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlicher Entscheidung hinsichtlich der Verhältnisse ein Ungarn nicht anzunehmen (vgl. Lagebericht zum Mitgliedsstaat Ungarn des Liaisonmitarbeiters des Bundesamtes beim ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft vom 13.1.2016). Jedenfalls muss der Kläger derzeit nicht ernsthaft befürchten, dass in Ungarn systemische Mängel vorliegen.

Das Gericht teilt insoweit die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3. 7. 2014 - 71932/12 - UA Rn.68 ff.; U. v. 6. 6. 2013 - 2283/12 - Asylmagazin 2013, 342 ff.) sowie anderer deutscher Verwaltungsgerichte, die systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn verneinen (VGH BW, B. v. 6. 8. 2013 - 12 S 675/13 - juris Rn.4; OVG LSA, B. v. 31. 5. 2013 - 4 L 169/12 - juris Rn. 23; VG Würzburg, B. v. 2. 1. 2015 - W 1 S. 14.50120 - juris, Rn.28 ff., VG Düsseldorf, B. v. 2. 9. 2014 - 6 L 1235/14.A - juris, Rn. 8 ff.; VG München, B. v. 26. 6. 2014 - M 24 S. 14. 50325 - juris Rn.31 ff., VG Düsseldorf, B. v. 27. 8. 2014 - 14 L 1786/14.A - juris, Rn. 24 ff; VG Augsburg, B. v. 21. 1. 2015, Au 2 S. 14.50360 - juris, Rn. 19 ff.; VG Regensburg, U. v. 5. 12. 2014, RN 6 K 14.50089 - juris, Rn. 24 ff.; VG Bayreuth, B. v. 13. 1. 2015 - B 3 S. 14.50129 - juris, Rn. 14 ff.; VG Augsburg, B. v. 26. 1. 2015 - Au 7 S. 15.50015 - juris, Rn. 21 ff.; VG Regensburg, B. v. 4. 2. 2015 - RO 1 S. 15.50021 - juris, Rn. 24 ff.; VG Würzburg, B.v.3.12.2015 - W 6 S. 15.50390- juris; VG Würzburg, B. v. 11.12. 2015 - W 4 S. 15.50418 - juris; VG Bayreuth, B.v. 18.11.2015 - B 3 S. 15.50292 - juris; VG Greifswald, B.v. 14.3.2016 - 4 B 649/16 As HGW - juris; Sächs. OVG, B.v. 1.6.2016 - 1 A 291/15.A - juris; BayVGH, B.v. 9.5.2016 - 20 ZB 16.50036 und 20 ZB 16.50037 - beide juris; BayVGH, B.v.25.5.2016 - 20 ZB 16.50046 - juris; VG Osnabrück, U.v. 18.5.2016 - 5 A 68/16 - juris; VG Ansbach, B.v. 3.5.2016 - AN 3 S. 16.50118 - juris; BayVGH v. 27.6.2016 - 20 ZB 16.50021 - juris; VG Ansbach, B.v. 28.6.2016 - AN 3 S. 16.50214 - juris; VG München, B.v. 18.7.2016 - M 12 S. 16.50473 - juris; und andere).

Nach der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland Ungarn vom Dezember 2012 hat das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet. Danach werden Asylsuchende nicht mehr ohne sachliche Prüfung ihres Asylantrags zurückgeschoben und nicht inhaftiert, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. „Dublin-Rückkehrer“ werden nicht automatisch inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Bestätigt werden diese Verbesserungen durch das Hungarian Helsinki Committee (HHC, Brief Information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013, Seite 1; in englischer Sprache im Internet abrufbar).

Festzuhalten ist, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Das Fehlen einer generellen Empfehlung des UNHCR, von einer Überstellung nach Ungarn abzusehen, kommt besondere Bedeutung zu, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Drittstaat, der nach den Kriterien der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant sind (vgl. EuGH, U.v.30.5.2013 - C 528/11 - NVwZ-RR 2013,660).

Anzumerken ist, dass der UNHCR zwar in seiner Stellungnahme vom 3. Juli 2015 mit Blick auf die Inhaftierungsmöglichkeiten in Ungarn seine tiefe Besorgnis geäußert hat, jedoch sind seitdem über 12 Monate vergangen, ohne dass sich der UNHCR zu einer generellen Empfehlung durchgerungen hat, obwohl er die Situation in Ungarn kritisch beobachtet (VG Stade, B. v. 4.11.2015 - 1 B 1749/15 - juris; BayVGH, B.v.12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris; VG Ansbach, B.v. 28.6.2016 - AN 3 S. 16.50214 - juris).

Auch die Europäische Kommission hat in einer Stellungnahme vom 30. Oktober 2015 an das VG Köln ausdrücklich darauf verwiesen, dass der UNHCR noch keine Stellungnahme abgegeben hat, Überstellungen nach Ungarn wegen der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auszusetzen. Die Europäische Kommission hat weiter darauf hingewiesen, dass sie die im Juli und September 2015 vorgenommenen Änderungen der nationalen Rechtslage im Bereich des Asylrechts, des Strafrechts und des Rechts der Grenzsicherung, des Polizeirechts und des Rechts zur nationalen Verteidigung mit dem Recht der Union prüft und zu diesem Zweck mit den ungarischen Behörden in direkten Kontakt tritt. Des Weiteren hat die europäische Kommission gegen Ungarn ein Vertragsverletzungsverfahren wegen asylrechtlicher Verstöße eingeleitet (vgl. Pressemitteilung vom 10.12.2015). Dieses Vorgehen spricht nicht für die Annahme systemischer Mängel, sondern infolge der Kontrolle seitens der EU-Kommission für eine frühzeitige Prüfung zur Bekämpfung etwaiger Missstände, um dem Aufkommen von systemischen Mängeln von vornherein zu begegnen (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 17.2.2016 - AN 3 S. 16.50035 - juris).

Mögliche systemische Mängel des ungarischen Asylsystems wurden primär auf die im Juli 2013 in Ungarn in Kraft getretene Gesetzesnovelle gestützt, wonach die Inhaftierung von Asylsuchenden für bis zu sechs Monate möglich ist (z.B. VG Frankfurt/Oder, B. v. 24. 7. 2013 - VG 1 L 213/13.A; VG München, B. v. 4. 10. 2013 - M 23 S. 13.30926). Auch dieser Umstand begründet nach Auffassung des Gerichts keine systemischen Mängel. So entsprechen die in Art. 31 A Abs. 1 des ungarischen Gesetzes (eine englische Version dieses Gesetzes befindet sich in dem in englischer Sprache verfassten Bericht: UNHCR comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts für the purpose of legal harmonisation, Internet) genannten Haftgründe ganz überwiegend denen des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2013/33/EU. Entsprechend den Vorgaben der Richtlinie darf nach Art. 31 A Abs. 3 des ungarischen Gesetzes eine solche Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen (vgl. Art. 8 Abs. 2 RL 2013/33/EU). Auch darf eine solche Inhaftierung nach Art. 31 B Abs. 1 des ungarischen Gesetzes nicht alleine deswegen erfolgen, weil der Kläger einen Asylantrag gestellt hat (Art. 8 Abs. 1 RL 2013/33/EU). Dass allein aufgrund dieser Neuregelungen das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zur Folge hätten, ist damit nicht ersichtlich. Bemängelt wurde diesbezüglich, dass die ungarischen Regelungen zum Teil zu unbestimmt gefasst seien und damit die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung bestünde (so HHC, Brief Information Note, S. 2; UNHCR comments and recommendations, S.9).

Nach dem Bericht der Asylum Information Database (aida) mit Berichtsstand zum 30. April 2014 mit deutscher Übersetzung erfolgt keine Inhaftierung von nach der Dublin-Verordnung überstellten Asylbewerber, wenn das Asylverfahren ablehnend beschieden wurde. Zu rechnen war nach der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2013 damit, dass der Asylbewerber bei Stellung eines Asylfolgeantrags in Einwanderungshaft genommen wird (aida, a.a.O., Inhaftierung von Asylbewerbern, B. Haftgründe). Nunmehr erfolgt dies aber nur noch bei den Folgeantragsstellern, deren Antrag als offensichtlich unzulässig oder unbegründet abgelehnt wurde. Alle anderen Inhaftierungen erfolgen nur noch im Rahmen von Asylhaft mit wesentlich moderateren Bedingungen (aida, a.a.O., C Haftbedingungen; vgl. VG Regensburg, B. v. 4. 2. 2015 - RO 1 S. 15.50021 - juris).

Grundsätzlich stellt die Möglichkeit der Haft keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens dar. Dies könnte nur angenommen werden, wenn die Haft eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nach Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK wäre. Dies ist dem Grunde nach nicht der Fall, wenn sie nicht nur wegen der Durchführung des Asylverfahrens erfolgt, Art. 8 Abs. 1 RL 2013/33/EU. Die Haftgründe entsprechen im Wesentlichen den in der Europäischen Union zulässigen Haftgründen in Art. 8 Abs. 3 RL 2013/33/EU und sind damit dem Grunde nach zulässig.

Die zu erwartende Haft ist auch nicht nach der Haftdauer und den Haftbedingungen unmenschlich oder erniedrigend. Die Asylhaft beträgt zunächst maximal 72 Stunden und kann verlängert werden. Häufig wird die Haftanordnung nicht mit hinreichend individueller Prüfung verlängert (aida, a.a.O., Inhaftierung von Asylbewerbern, B Haftgründe), so dass maximal zulässige Haft von sechs Monaten nicht ausgeschlossen werden kann. Die durchschnittliche Haftdauer betrug zwar in den Jahren 2010 bis Ende 2012 vier bis fünf Monate. Nach Wiedereinführung der Haft waren von Juli 2013 bis Dezember 2013 bei 532 Plätzen in Asylhaftanstalten und 268 Plätzen in Einwanderungshaftanstalten 1762 Asylbewerber in Haft, am 5. März 2014 waren es 369 Asylbewerber (aida, a.a.O., Inhaftierung von Asylbewerbern, A. Allgemeines). Aus diesen Zahlen kann zwar keine durchschnittliche Haftdauer errechnet werden, auch können keine konkreten Folgerungen für die erwartete Haftdauer eines einzelnen Asylbewerbers gezogen werden.

Nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28. September 2015 an das VG Magdeburg wird Asylhaft immer nur nach einer Prüfung im Einzelfall angeordnet. Die Wahrscheinlichkeit, in Asylhaft genommen zu werden, ist für Dublin-Rückkehrer gegenüber Neuankömmlingen erhöht. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2015 wurden in Ungarn 492 Personen in Asylhaft genommen. Dies entspricht einer Quote von 0,7% aller Kläger. Die Inhaftierungsquote dürfte bei Dublin-Rückkehrern laut der Auskunft des Auswärtigen Amtes höher sein, offizielle statistische Informationen gibt es aber nicht (Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an VG Augsburg v. 27.1.2016).

Im Ergebnis hält das Gericht nach summarischer Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung trotz einer zu erwartenden Asylhaft nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass dem Kläger die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung droht. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH (U. v. 3. 7. 2013, 71932/122) sowie der überwiegenden Rechtsprechung (vgl. oben). Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in zwei Entscheidungen ausgeführt, allein die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthalte und Ungarn auf dieser Grundlage Dublin-Rückkehrer inhaftiere, sei für sich genommen noch kein begründeter Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems. Er stützt sich weiterhin maßgeblich darauf, dass der UNHCR sich bisher nicht generell gegen Rücküberstellungen nach Ungarn ausgesprochen habe (BayVGH, B.v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris; BayVGH, B.v. 27.4.2015 - 14 ZB 13.30076 - juris).

Hinsichtlich der Anwendung der seit 1. August 2015 in Ungarn geltenden Rechtslage, wonach Serbien nun sicherer Drittstaat sei, die Asylverfahren verkürzt und Anträge abgelehnt würden, wenn sich ein Asylbewerber unentschuldigt länger als 48 Stunden aus der ihm zugewiesenen Unterkunft entfernt, ergibt sich nichts anderes. Es liegen dem Gericht für die Behandlung von Rückkehrern im Dublin-Verfahren keine auf Tatsachen gestützte Erkenntnisse vor, die Anlass dazu gäben, Mängel in der Qualität des Asylverfahrens oder in den Aufnahmebedingungen anzunehmen. Die mögliche Überstellung von Asylbewerbern nach Serbien bedeutet nicht gleichzeitig, dass dessen Asyl- und Aufnahmesystem nicht den europäischen Mindeststandards genügt. Auch das deutsche Asylrecht kennt einschränkende Bestimmungen, wenn der Asylsuchende über einen sicheren Transitstaat eingereist ist (§ 26a AsylG). Dass dem Kläger, der eigenen Angaben zu Folge über Serbien nach Ungarn eingereist ist, als Dublin-Rückkehrer konkret eine Überstellung nach Serbien drohen würde, kann den aktuellen Berichten nicht entnommen werden. Es liegen derzeit keine auf Tatsachen beruhenden Erkenntnisse darüber vor, dass Dublin-Rückkehrer systematisch von Ungarn nach Serbien abgeschoben würden. Tatsächlich lehnt Serbien derzeit die Übernahme von Drittstaatsangehörigen aus Ungarn ab, da aus serbischer Sicht nicht nachgewiesen werden könne, dass die Kläger tatsächlich über Serbien nach Ungarn eingereist seien (vgl. Lagebericht zum Mitgliedsstaat Ungarn des Liaisonmitarbeiters des Bundesamtes beim ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft vom 13.1.2016; Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 27.1.2016 an das VG Augsburg.). Eine theoretische Möglichkeit der Abschiebung begründet keinen systemischen Mangel des ungarischen Asyl- und Aufnahmesystems in Bezug auf Dublin-Rückkehrer (VG Stade, B.v.4.11.2015 - 1 B 1749/15 - juris; VG München, B.v. 17.3.2016 - M 1 S. 16.50032 - bisher unveröffentlicht).

Auch die derzeit in vielen Ländern der EU anzutreffenden Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge stellen für sich keinen systemischen Mangel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO dar. Denn hierbei handelt es sich um rein tatsächliche Probleme, die der unerwartete Zustrom so vieler Menschen mit sich bringt.

Von einem schwierigen Arbeitsmarkt sind die ungarischen Staatsangehörigen gleichermaßen betroffen. Asylbewerber haben in Ungarn im Rahmen der materiellen Aufnahmeleistungen Zugang zur medizinischen Versorgung (§ 26 des ungarischen Asylgesetzes; aida, dt. Übersetzung, C. Medizinische Versorgung). Dadurch werden notwendige medizinische Behandlungen abgedeckt; der Umfang entspricht der medizinischen Gratisversorgung für legal im Land lebende ausländische Staatsangehörige. Asylbewerber haben ein Recht darauf, von Allgemeinärzten untersucht und behandelt zu werden. Das Gesetz (§ 34 des staatlichen Dekrets 301/2007) sieht vor, dass Asylbewerber mit besonderen Bedürfnissen medizinische Versorgung, Rehabilitationsmaßnahmen, ambulante und stationäre psychologische Versorgung oder psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch nehmen können, die gesundheitlich geboten sind. In der Praxis gibt es keine Richtlinie, anhand derer besonders schutzwürdige Asylbewerber identifiziert werden, und es mangelt an einer spezialisierten medizinischen Versorgung. Asylbewerber, die in Aufnahmezentren untergebracht sind, erhalten Unterkunft und Verpflegung sowie einen monatlichen Geldbetrag für Körperpflegeprodukte und Taschengeld (aida, dt. Übersetzung, A. Aufnahmebedingungen).

Die Anordnung der Abschiebung nach § 34a AsylG ist somit rechtmäßig.

Soweit sich der Kläger mit seiner Klage gegen die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 6 Monate wendet, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg. Die Beklagte war nach § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG zur Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) berufen. Die Entscheidung, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist auch ermessensfehlerfrei innerhalb der von § 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG aufgezeigten gesetzlichen Grenzen getroffen worden. Das Vorliegen besonderer Umstände ist vom Kläger weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar, § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Streitigkeiten nach diesem Gesetz sollen in besonderen Spruchkörpern zusammengefasst werden.

(2) Die Landesregierungen können bei den Verwaltungsgerichten für Streitigkeiten nach diesem Gesetz durch Rechtsverordnung besondere Spruchkörper bilden und deren Sitz bestimmen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf andere Stellen übertragen. Die nach Satz 1 gebildeten Spruchkörper sollen ihren Sitz in räumlicher Nähe zu den Aufnahmeeinrichtungen haben.

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung einem Verwaltungsgericht für die Bezirke mehrerer Verwaltungsgerichte Streitigkeiten nach diesem Gesetz hinsichtlich bestimmter Herkunftsstaaten zuzuweisen, sofern dies für die Verfahrensförderung dieser Streitigkeiten sachdienlich ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf andere Stellen übertragen.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.