Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen am 20. Dezember 2016 erteilte Abgrabungsgenehmigung zum Kiesabbau auf den FlNrn. 675 und 676 Gem. ... Die Beigeladene beabsichtigt auf diesen Grundstücken die Abgrabung zur Kiesgewinnung im Trockenabbau mit anschließender Wiederverfüllung und Rekultivierung. Das Abbaugebiet schließt westlich an ein bereits bestehendes Abbaugebiet der Beigeladenen (FlNr. 674) an, das wiederum an das Abbaugebiet eines anderen Betreibers angrenzt (FlNrn. 110/1 und 110/2). Für den Kiesabbau ist eine Fläche von 32.500 qm vorgesehen.

Die Klägerin ist Eigentümerin des westlich der geplanten Kiesgrube situierten Anwesens auf der FlNr. 486/1 Gem. ..., das sie zu Wohnzwecken nutzt. Aus den Genehmigungsvorgängen zu diesem Grundstück ergibt sich, dass der Voreigentümer der Klägerin u.a. auf dem Grundstück seit 1967 eine Gärtnerei betrieben hat, deren Betrieb mittlerweile eingestellt ist. Das durch die Klägerin zu Wohnzwecken genutzte Anwesen wurde aufgrund einer Baugenehmigung vom ... Oktober 1972 errichtet. Im Baugenehmigungsbescheid wird als Betreff „Errichtung eines Wohnhauses und eines Betriebsgebäudes“ genannt; die vom Rechtsvorgänger der Klägerin eingereichte Baubeschreibung vom ... Februar 1972 bezieht sich auf den „Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Landschaftsgärtnereibetrieb“.

Unter dem 2. Dezember 2013 reichte die Beigeladene einen Antrag auf Erteilung einer Abgrabungsgenehmigung für das streitgegenständliche Abbaugebiet ein.

Die Gemeinde ... erklärte am 23. Januar 2014 gegenüber dem Landratsamt Traunstein (im Folgenden: Landratsamt) aufgrund Gemeinderatsbeschlusses vom 3. Dezember 2013 ihr Einvernehmen mit dem Vorhaben.

Die Beigeladene legte im Antragsverfahren ein immissionsschutztechnisches Gutachten von „...“ vom 18. Juni 2015 vor, welches im Ergebnis konstatiert, dass der geplante Kiesabbau unter Beachtung bestimmter Auflagen zur Luftreinhaltung und zum Schallschutz in keinem Konflikt mit nachbarschützenden Rechtspositionen, insbesondere in Bezug auf anlagenbezogene Staub- und Lärmimmissionen, stehe.

Die zunächst unter dem 7. Juli 2015 erteilte abgrabungsrechtliche Genehmigung wurde durch den Beklagten aufgrund eines richterlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2016 über die gegen die Genehmigung gerichteten Klagen in den Verfahren M 1 K 15.3535 der Klägerin sowie M 1 K 15.3352 einer weiteren Nachbarin aufgehoben.

Am 30. September 2016, 22. November 2016 und 24. November 2016 ergänzte der Gutachter von „...“ seine Ausführungen.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 20. Dezember 2016, dem Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 28. Dezember 2016, wurde der Beigeladenen die beantragte Abgrabungsgenehmigung erteilt. Der Bescheid enthält im Verhältnis zu seiner vorhergehenden Fassung einen erweiterten immissionsschutzrechtlichen Auflagenkatalog und umfasst einen in Lage und Höhe veränderten Oberbodenwall in Richtung des Grundstücks der Klägerin sowie eine Eingrünung des Oberbodenwalls.

Mit Schriftsatz vom ... Januar 2017 – eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag – hat die Klägerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Klage erhoben und beantragt,

den Bescheid des Beklagten (LRA T.) vom 20.12.2016, Az. ... aufzuheben.

Zur Begründung wurde in der mündlichen Verhandlung auf die Begründung der Klagen in den Parallelverfahren M 1 K 17.265 und M 1 K 17.466 Bezug genommen. Insbesondere gehe der Bevollmächtigte der Klägerin von deren Klagebefugnis aus, da mit der ursprünglichen Baugenehmigung für ihr als Wohnhaus genutztes Gebäude eine vollwertige Wohnnutzung genehmigt worden sei.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klage bereits unzulässig sei. Für das klägerische Anwesen bestehe kein Bestandsschutz, die von der Klägerin ausgeübte allgemeine Wohnnutzung sei nicht genehmigt. Die Baugenehmigung vom ... Oktober 1972 genehmige nur ein Betriebsleiterwohnhaus für eine Gärtnerei. Die erfolgte Umnutzung des Betriebsleiterwohnhauses in eine reine Wohnnutzung sei im Außenbereich nicht genehmigungsfähig.

Am 10. Oktober 2017 ist zur Sache mündlich verhandelt worden.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, insbesondere die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 10. Oktober 2017, Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid vom 20. Dezember 2016 verletzt die Klägerin nicht in drittschützenden Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt.

Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Klage nur zulässig, wenn die Klagepartei geltend macht, durch den Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein. Ist sie nicht Adressat eines Verwaltungsakts, sondern lediglich als Dritte betroffen, so ist für die Klagebefugnis erforderlich, dass sie die Verletzung einer Vorschrift behauptet, die sie als Dritten zu schützen bestimmt ist und die Verletzung dieser Vorschrift zumindest möglich erscheint (BayVGH, B.v. 9.5.2017 – 9 CS 16.1241 – juris Rn. 17). Die Klagebefugnis ist also dann zu verneinen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die von der Klagepartei behaupteten Rechte bestehen oder ihr zustehen können (vgl. BayVGH, a.a.O.; BVerwG, B.v. 22.12.2016 – 4 B 13.16 – juris Rn. 7 m.w.N.).

Dies zugrunde gelegt ist die Klagebefugnis der Klägerin zu bejahen. Sie ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 486/1, das im Einwirkungsbereich der Kiesgrube liegt. Eine Verletzung in drittschützenden Rechten ist daher jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die formell baurechtswidrige Wohnnutzung im klägerischen Anwesen vermittelt der Klägerin keine Rechtsposition, aus der sie etwaige Abwehrrechte herleiten kann. Die baurechtswidrige Nutzung der Klägerin ist gegenüber Immissionen einer in ihrer Nachbarschaft rechtmäßigen und privilegierten Anlage nicht schutzwürdig (BVerwG, U.v. 24.9.1992 – 7 C 6/92 – juris Rn. 14).

Ein Nachbar kann sich als Dritter gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2001 – 1 ZS 00.3650 – juris Rn. 5; B.v. 29.4.2015 – 2 ZB 14.1164 – juris Rn. 4; VG München, U.v. 3.11.2015 – M 1 K 15.3173 – juris Rn. 21).

Der Klägerin fehlt eine entsprechende nachbarrechtliche Rechtsposition, da die von ihr ausgeübte allgemeine Wohnnutzung nicht genehmigt und damit formell baurechtswidrig ist (1.). Zugleich ist die ausgeübte Nutzung im Außenbereich materiell rechtswidrig und daher nicht genehmigungsfähig, weshalb die Klägerin auch keine entsprechende Rechtsposition aus dem materiellen Recht herleiten kann, die der Rechtmäßigkeit der angefochtenen abgrabungsrechtlichen Genehmigung entgegenstehen könnte (2.).

1. Die von der Klägerin ausgeübte allgemeine Wohnnutzung ist nicht bestandskräftig genehmigt. Der insoweit maßgebliche Regelungsgehalt der Baugenehmigung vom ... Oktober 1972 umfasst nach den Gesamtumständen der Genehmigungserteilung keine allgemeine Wohnnutzung, sondern lediglich ein Betriebsleiterwohnhaus des ehemaligen Gärtnereibetriebs.

Der Bauherr bestimmt durch seinen Bauantrag, was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll (BVerwG, B.v. 20.5.2014 – 4 B 21/14 – juris Rn. 13). Bei der Auslegung sind neben der textlichen Bezeichnung der Baumaßnahmen auch die entsprechenden Bauvorlagen heranzuziehen (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 20.2.2014 – 1 LB 189/11 – juris Rn. 20). In der Baubeschreibung vom ... Februar 1972, die der Rechtsvorgänger der Klägerin mit seinem Bauantrag zur Errichtung des klägerischen Anwesens als Bauvorlage eingereicht hat, war das Vorhaben als „Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Landschaftsgärtnereibetrieb“ bezeichnet. Aus der Verknüpfung („mit“) ergibt sich der objektive Erklärungsgehalt des Bauantrags und damit auch der Baugenehmigung vom 23. Oktober 1972, dass das Wohnhaus nicht als allgemeines Wohnhaus, sondern als Betriebsleiterwohnhaus beantragt und genehmigt wurde. Hierfür spricht neben der Bezeichnung in der Baubeschreibung auch der Umstand, dass ein allgemeines Wohngebäude im Außenbereich am maßgeblichen Standort auch nach der Rechtslage im Jahr 1972 nicht genehmigungsfähig war. Eine Genehmigungsfähigkeit konnte nur als Betriebsleiterhaus für den Gärtnereibetrieb herbeigeführt werden. Bauantrag und Baugenehmigung bezogen sich dementsprechend auch auf ein einheitliches Gesamtvorhaben der Landschaftsgärtnerei mit Wohnhaus des Betriebsinhabers. Es sind aus den Genehmigungsvorgängen keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass mit der Genehmigung vom 23. Oktober 1972 trotz materieller Baurechtswidrigkeit eine allgemeine Wohnnutzung genehmigt werden sollte.

Die fortbestehende Wohnnutzung im klägerischen Anwesen seit Aufgabe des Gärtnereibetriebs wird daher formell illegal ausgeübt und kann keine Abwehrrechte begründen.

2. Die durch die Klägerin ausgeübte Wohnnutzung im Außenbereich ist nicht genehmigungsfähig, weshalb die Klägerin auch keine entsprechende Rechtsposition aus dem materiellen Recht herleiten kann, die der Rechtmäßigkeit der angefochtenen abgrabungsrechtlichen Genehmigung entgegenstehen könnte.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Umnutzung eines ehemaligen für einen Gärtnereibetrieb errichteten Betriebsleiterwohnhauses im Außenbereich in eine reine Wohnnutzung beurteilt sich nach § 35 Abs. 2 BauGB. Der Genehmigungsfähigkeit der Umnutzung stehen sowohl die Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) als auch der Belang der Entstehung einer Splittersiedlung nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB entgegen. Der Flächennutzungsplan der Gemeinde ... sieht für das streitgegenständliche Grundstück eine Fläche für Landwirtschaft vor. Die Zulassung eines nicht-privilegierten Vorhabens im Anwesen der Klägerin würde eine Splittersiedung entstehen lassen. Es kann daher dahinstehen, ob die Wohnnutzung im Anwesen der Klägerin auch in Konflikt mit den Immissionen der im Außenbereich privilegierten Abgrabung der Beigeladenen stünde und daher auch der Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB entgegensteht.

Ein Fall der Teilprivilegierung gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB scheidet von vornherein deshalb aus, weil sich die Privilegierung von Gartenbaubetrieben wie auf dem auf dem Klägergrundstück genehmigten nicht aus § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, sondern aus § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB ergibt.

III.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgericht München Urteil, 10. Okt. 2017 - M 1 K 17.395 zitiert 7 §§.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es1.einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Bet

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

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Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

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Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wi

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Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.250 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 15. Februar 2016 erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes mit Getränkemarkt, Bäckerei und Stellplatzanlage auf den Grundstücken FlNrn. 842, 842/3 und 843 Gemarkung Bad Brückenau (K …). Sie ist Mieterin einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mit vier Wohnungen auf dem Grundstück FlNr. 857/7 Gemarkung Bad Brückenau (K …), das sich seitlich in nördlicher Richtung versetzt auf der dem Lebensmittelmarkt gegenüberliegenden Seite der K … befindet.

Die Antragstellerin hat am 23. Februar 2016 Klage gegen die Baugenehmigung vom 15. Februar 2016 erhoben, über die bislang noch nicht entschieden wurde (W 5 K 16.208).

Am 17. Mai 2016 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen. Mit Beschluss vom 6. Juni 2016 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag mangels Antragsbefugnis der Antragstellerin ab. Die Antragstellerin könne als Mieterin einer dem Bauvorhaben benachbarten Wohnung keine Abwehrrechte aus den Vorschriften des Bauplanungsrechts ableiten. Einen diesbezüglichen Nachbarschutz könne grundsätzlich nur der jeweilige Eigentümer eines benachbarten Grundstücks in Anspruch nehmen. Die Antragsbefugnis könne auch nicht aus einer etwaigen Verletzung von Grundrechten hergeleitet werden. Ein subjektives Abwehrrecht lasse sich schließlich nicht aus dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz oder dem Unionsrecht herleiten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht geltend, ihre Antragsbefugnis ergebe sich aus dem bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot und aus Art. 13 Abs. 2 BayBO. Sie sei als Nachbar im baurechtlichen Sinne anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehe auch das nur obligatorische Besitzrecht des Mieters unter dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Außerdem könne ihre Antragsbefugnis unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 GG hergeleitet werden. Schließlich ergebe sich ihre Antragsbefugnis daraus, dass im vorliegenden Fall eine UVP-Vorprüfung entgegen den gesetzlichen Bestimmungen nicht durchgeführt worden sei. § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG räume der Antragstellerin ein selbständig durchsetzbares, absolutes Verfahrensrecht ein. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. November 2015 (C-137/14). Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 2015 (7 C 15/13) sei insoweit auch eine Kehrtwendung in dessen Rechtsprechung zu erkennen.

Der Antrag sei auch begründet. Durch die Baugenehmigung werde nicht sichergestellt, dass die Lärmgrenzwerte am Wohnhaus der Antragstellerin durch die Verwirklichung des Vorhabens eingehalten werden könnten. Die für das Vorhaben erforderliche UVP-Vorprüfung mit entsprechender Dokumentation sei weder im Bauleitplanverfahren noch im Baugenehmigungsverfahren durchgeführt worden, woraus sich für die Antragstellerin ein Aufhebungsanspruch hinsichtlich der Baugenehmigung ergebe, den sie gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 UmwRG geltend machen könne.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 6. Juni 2016 die aufschiebende Wirkung der beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage der Antragstellerin gegen den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 15. Februar 2016 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe zutreffend auf die fehlende Antragsbefugnis eines Mieters abgestellt, wenn sich dieser gegen eine für ein Nachbargrundstück erteilte Baugenehmigung wende. Aus dem im Beschwerdevorbringen angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Mai 1993 (1 BvR 208/93) folge nichts anderes. Eine unmittelbare Heranziehung von Grundrechten komme nicht in Betracht. Ausreichende Anhaltspunkte für eine unerträgliche Immissionsbeeinträchtigung der Antragstellerin lägen nicht vor. Die Rüge einer fehlenden UVP-Vorprüfung setze voraus, dass der Betroffene aufgrund einer möglichen Betroffenheit in eigenen Rechten antragsbefugt sei.

Die Beigeladene beantragt gleichfalls,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antrag sei mangels Antragsbefugnis unzulässig. Die Antragstellerin sei als Mieterin bloß obligatorisch berechtigt. Der Verweis auf die angebliche Fehlerhaftigkeit der schalltechnischen Untersuchungen sei nicht geeignet, eine von der Antragstellerin behauptete konkrete Gesundheitsgefährdung nachzuweisen. Eine Verletzung eigener Rechte durch eine unterlassene UVP-Vorprüfung könne die Antragstellerin nach der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur nicht rügen. Dies sei mit Europarecht vereinbar, wie die Antragstellerin in ihren Ausführungen zum Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 15. November 2015 (C 137-14) selbst feststelle. Auch mit dem von der Antragstellerin zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 2015 (7 C 15/13) sei keine Änderung von dessen bisheriger Rechtsprechung eingetreten.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Die von der Antragstellerin innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu Recht verneint.

Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Ist der Kläger nicht Adressat eines Verwaltungsakts, sondern lediglich als Dritter betroffen, so ist für die Klagebefugnis erforderlich, dass er die Verletzung einer Vorschrift behauptet, die ihn als Dritten zu schützen bestimmt ist und die Verletzung dieser Vorschrift zumindest möglich erscheint. Dies ist allerdings dann nicht der Fall, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 22.12.2016 - 4 B 13.16 - juris Rn. 7 m.w.N.). Diese die Klagebefugnis betreffende Regelung ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a VwGO entsprechend anwendbar (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 42 Rn. 80 m.w.N.; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 80 Rn. 134). Davon ausgehend fehlt der Antragstellerin die Antragsbefugnis, weil ihr die behaupteten Abwehrrechte gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise zustehen können.

1. Aus den hier im Baugenehmigungsverfahren nach Art. 2 Abs. 4 Nr. 4, Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfenden Vorschriften über die Zulässigkeit des Vorhabens nach den §§ 29 bis 38 BauGB lassen sich keine Abwehrrechte der Antragstellerin als Mieterin einer dem Bauvorhaben benachbarten Wohnung herleiten.

Es entspricht nach wie vor einheitlicher Rechtsprechung, dass Nachbarschutz aus den Vorschriften des Bauplanungsrechts grundsätzlich nur der jeweilige - zivilrechtliche - Eigentümer eines benachbarten Grundstücks oder der Inhaber vergleichbarer dinglicher Rechte an einem Grundstück in Anspruch nehmen kann. Das Bebauungsrecht ist grundstücks-, nicht personenbezogen. Wer dagegen lediglich ein obligatorisches Recht an einem Grundstück von dessen Eigentümer ableitet (Mieter, Pächter usw.), hat aus dieser Rechtsposition gegen die einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung grundsätzlich kein öffentlich-rechtliches Abwehrrecht. Er kann seine Rechtsposition gegenüber dem Eigentümer geltend machen (vgl. BVerwG; U.v. 11.5.1989 - 4 C 1/88 - BVerwGE 82, 61 = juris Rn. 43 m.w.N.; BayVGH, B.v. 2.9.2016 - 9 CS 16.1138 - juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 14.7.2015 - 15 ZB 14.1067 - juris Rn. 21; B.v. 11.8.2014 - 15 CS 14.740 - juris Rn. 17; NdsOVG, B.v. 10.10.2016 - 1 LA 142/15 - juris Rn. 13; SächsOVG, B.v. 22.12.2016 - 1 B 283/16 - juris Rn. 9; VGH BW, B.v. 27.6.2006 - 8 S 997/06 - juris Rn. 2).

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, gebietet auch die von der Antragstellerin im Beschwerdevorbringen angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Mai 1993 (1 BvR 208/93) keine andere Beurteilung (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 11.8.2014 - 15 CS 14.740 - juris Rn. 22; NdSOVG, B.v. 10.10. 2016 - 1 LA 142/15 - juris Rn. 23; SächsOVG, B.v. 22.12.2016 - 1 B 283/16 - juris Rn. 10). In das Mietrecht wird durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ebenso wenig eingegriffen wie in das aus dem Mietverhältnis folgende Besitzrecht der Antragstellerin (vgl. BVerwG, B.v. 20.4.1998 - 4 B 22.98 - juris Rn. 4).

Auch aus dem Immissionsschutzrecht lässt sich kein weitergehender Schutzanspruch für die Antragstellerin herleiten. Zwar ist bei der Frage, ob das Vorhaben der Beigeladenen den Anforderungen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots genügt, auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts - und damit auch auf die Anforderungen des § 22 BImSchG - zurückzugreifen und legt das Bundes-Immissionsschutzgesetz die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1999 - 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 = juris Rn. 22 m.w.N.; U.v. 29.11.2012 - 4 C 8.11 - BVerwGE 145, 145 = juris Rn. 19). Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der nachbarschützende Gehalt bauplanungsrechtlicher Vorschriften, der sich wegen der Grundstücksbezogenheit des Bebauungsrechts auf die Eigentümer der Nachbargrundstücke beschränkt, insoweit auch die nur obligatorisch zur Nutzung des Grundstücks Berechtigten erfasst (vgl. BVerwG, B.v. 20.4.1998 - 4 B 22/98 - juris Rn. 7). Das vor dieser Entscheidung ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Juli 1996 (4 C 31.84), auf das im Beschwerdevorbringen verwiesen wird, steht dem nicht entgegen. Dort wird „abschließend“ lediglich allgemein darauf hingewiesen, dass eine dem § 22 BImSchG zukommende drittschützende Wirkung nicht davon abhängt, in welchem Genehmigungsverfahren über die Einhaltung der Vorschrift zu entscheiden ist, ohne dass diese Problematik entscheidungserheblich war und ohne sich mit der Grundstücksbezogenheit des Bebauungsrechts näher auseinanderzusetzen. Im Übrigen können obligatorisch Berechtigten bei Beeinträchtigungen, die nicht im Bereich des bauplanungsrechtlichen Nachbarschutzes liegen, Abwehransprüche nach anderen Rechtsvorschriften zustehen. Dazu gehört auch ein im Wege der Verpflichtungsklage durchzusetzender Anspruch auf Erlass einer Anordnung nach § 24 BImSchG, jedenfalls aber auf fehlerfreie Ermessensbetätigung zur Durchführung der Anforderungen des § 22 BImSchG auch bei einer baurechtlich bereits genehmigten Anlage (vgl. BayVGH, B.v. 11.8.2014 - 15 CS 14.740 - juris Rn. 23; B.v. 14.7.2015 - 15 ZB 14.1067 - juris Rn. 16).

2. Auf eine Verletzung der bauordnungsrechtlichen Vorschrift des Art. 13 Abs. 2 Satz 2 BayBO, die hier nach Art. 2 Abs. 4 Nr. 4, Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO zum Prüfprogramm über die Zulässigkeit des Vorhabens gehört, kann sich die Antragstellerin ebenfalls nicht berufen. Zwar bezieht sich die Regelung des Art. 66 Abs. 3 Satz 3 BayBO, wonach der Eigentümer des Nachbargrundstücks auch die Rechte des Mieters oder Pächters wahrnimmt, die aus deren Eigentumsgrundrecht folgen, allein auf das bauordnungsrechtliche Verfahrensrecht und hat der Gesetzgeber insoweit eine abschließende Regelung getroffen (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand: August 2016, Art. 66 Rn. 100). Die Rechtstellung von Mietern, Pächtern oder sonstigen obligatorischen Berechtigten ist dadurch aber nicht verändert worden. Insofern ist auch für das Bauordnungsrecht davon auszugehen, dass solche obligatorisch Berechtigte nicht zum Kreis der öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarn gehören (vgl. Dirnberger, a.a.O., Art. 66 Rn. 98; Schwarzer/König, BayBO, 4. Auflage 2012, Art. 66 Rn. 9; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiss, die neue Bayerische Bauordnung, Stand: Okt. 2016, Art. 66 Rn. 17; Molodovsky/Famers, BayBO, Stand: November 2016, Art. 66 Rn. 25; vgl. auch BayVGH, B.v. 9.8.2006 - 1 CS 06.2014 - juris Rn. 91 ff.).

Davon abgesehen geht die materiell-rechtliche Regelung in Art. 13 Abs. 2 Satz 2 BayBO, die zum Zweck der - gegebenenfalls anlagenbezogenen - Lärmbekämpfung die Verpflichtung festlegt, Geräusche, die von ortsfesten Einrichtungen in baulichen Anlagen oder auf Baugrundstücken ausgehen, so zu dämmen, dass Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen, nicht über das für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG Gebotene hinaus (vgl. § 22 Abs. 2 BImSchG). Insoweit verbleibt es bei der Prüfung, ob das Vorhaben dem bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf die Anforderungen des § 22 BImSchG genügt. Soweit Art. 13 Abs. 2 Satz 2 BayBO auch dem „Schutz vor verhaltensbezogenen Lärm“ (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) dienen könnte, dürfte eine daraus folgende, dem Schutz vor bzw. der Gefahrenabwehr von Geräuschwirkungen dienende Handlungspflicht als solche wohl nicht der präventiven Zulässigkeitsprüfung des „Bauvorhabens“ im Baugenehmigungsverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO unterliegen.

3. Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ergibt sich auch nicht aus einer etwaigen Verletzung von Grundrechten.

Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, ist aus dem Beschwerdevorbringen der Antragstellerin nichts zu entnehmen, was ernstlich in Betracht ziehen lässt, dass sie vorliegend in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 26.5.1993 - 1 BvR 208/93 - BVerfGE 89, 1) verletzt sein könnte. Im Übrigen dürfte ein unmittelbarer Rückgriff auf Art. 14 GG zur Begründung eines Nachbarrechtsschutzes schon deswegen nicht in Betracht kommen, weil im öffentlichen Baurecht unter Einschluss des Grundsatzes des nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots ein einfach gesetzliches geschlossenes System des nachbarlichen Drittschutzes besteht (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2016 - 15 CS 16.244 - juris Rn. 24).

Gleiches gilt für ihr Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Für eine die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle überschreitende Immissionsbelastung der Antragstellerin durch Lärm ergeben sich auch aus der Beschwerdebegründung keine belastbaren Anhaltspunkte. Nach der von der Beigeladenen im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Fortschreibung des Schallgutachtens der B … vom 27. Mai 2016, zu der sich die Antragstellerin jedenfalls im Beschwerdeverfahren äußern konnte, ergeben sich durch das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen an der Wohnung der Antragstellerin Lärmbeurteilungspegel von 45,9 dB(A) tags und 31,9 dB(A) nachts. Wenn für den Betrieb die Ansätze der Parkplatzlärmstudie angenommen werden, wie die Antragstellerin unter Hinweis auf die Stellungnahme des Dipl.-Ing. (FH) M … (Firma W …) vom 27. Juni 2016 vorbringt, mag das zwar dazu führen, dass am IP 1 (F. Straße 46) die nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm reduzierten Immissionsrichtwerte der TA Lärm nicht eingehalten werden und die Beurteilungspegel an den weiteren untersuchten Immissionspunkten ansteigen. Nach der o.g. Fortschreibung des Schallgutachtens vom 27. Mai 2016 werden diese Immissionsrichtwerte allerdings an der Wohnung der Antragstellerin um mehr als 8 dB(A) tagsüber und mehr als 7 dB(A) nachts unterschritten. Diese Lärmbelastung liegt so deutlich unter der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts für Wohnnutzungen (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2016 - 3 U 5/15 - juris Rn. 54), dass auch unter Berücksichtigung einer von der Antragstellerin nur pauschal behaupteten erheblichen Vorbelastung diese Schwelle hier bei weitem nicht erreicht werden dürfte.

4. Schließlich kann die Antragstellerin nicht aus § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 UmwRG eine Antragsbefugnis mit der Rüge herleiten, dass hier eine UVP-Vorprüfung entgegen der gesetzlichen Bestimmungen nicht durchgeführt wurde.

Die Fehlerfolgenregelung des § 4 Abs. 1 UmwRG gilt in erster Linie für die umweltrechtliche Verbandsklage. Indem diese Regelung gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO Anwendung findet, betrifft dies nur die Sachprüfung im Rahmen eines zulässigen Rechtsbehelfsverfahrens, hat jedoch für die Beurteilung der Klagebefugnis keine Bedeutung. Die Norm eröffnet lediglich solchen Personen, die aufgrund einer möglichen Betroffenheit in einem materiellen Recht klagebefugt sind, eine weitergehende Berufung auf die in Rede stehenden Verfahrensfehler im Rahmen der Begründetheitsprüfung. Sie lässt aber insbesondere nicht den Rückschluss auf ein selbständig durchsetzbares Verfahrensrecht zu (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 20.12.2011 - 9 A 30.10 - juris Rn. 20 f; B.v. 27.6.2013 - 4 B 37.12 - juris Rn. 10; U.v. 2.10.2013 - 9 A 23/12 - juris Rn. 21; VGH BW, U.v. 15.12.2016 - 5 S 987/15 - Rn. 35; HessVGH, B.v. 4.8.2016 - 9 B 2744/15 - juris Rn. 9; OVG Berlin-Bbg, U.v. 20.1.2016 - OVG 6 A 2.14 - juris Rn. 21; OVG RhPf, U.v. 15.2.2017 - 8 A 10717/16 - juris Rn. 33; BayVGH, B.v. 14.7.2015 - 15 ZB 14.1067 - Rn. 7). Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union (vgl. U.v. 15.10.2015 - C-137/14 - NVwZ 2015, 765 = juris Rn. 28ff.) bestätigt hat, dass ein Mitgliedsstaat nach den Bestimmungen der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen Einzelner gegen Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, von Voraussetzungen wie dem Erfordernis einer Verletzung eines subjektiven Rechts abhängig machen kann, sieht der Senat auch vor dem Hintergrund des in der Beschwerdebegründung zitierten Urteils des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 2015 (8 A 959/10) keine Veranlassung, von der weiterhin aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der weit überwiegenden Mehrzahl der Obergerichte abzuweichen (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.2016 - 4 B 13/16 - juris Rn. 19; VGH BW, U.v. 15.12.2016, a.a.O. Rn. 35; HessVGH, B.v. 4.8.2016 a.a.O. Rn. 11).

Aus der von der Antragstellerin angeführten, auf die Frage der Fehlerhaftigkeit einer UVP-Vorprüfung bezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2015 (7 C 15/13), ergibt sich nichts anderes. Auch danach ist eine Genehmigungsentscheidung, die ohne die hierfür erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung getroffen worden ist, (nur) auf die Klage eines gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugten Dritten nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwRG allein wegen dieses Fehlers aufzuheben. Ob der Verzicht auf den nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit der Genehmigungsentscheidung und der Verletzung in eigenen Rechten unionsrechtlich geboten ist, ist angesichts der in § 4 Abs. 3 UmwRG getroffenen Grundentscheidung des nationalen Gesetzgebers für die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO ohne Bedeutung (BVerwG, U.v. 22.10.2015 - 7 C 15.13 - juris Rn. 23).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO bleibt ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Der Senat hält die Klage bereits für unzulässig. Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) setzt voraus, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, über deren Einhaltung im Genehmigungsverfahren entschieden wird, dem Nachbarn Rechte verleihen. In räumlicher Hinsicht erfasst der Drittschutz die von dem Rechtsverstoß betroffenen Grundstücke. Wessen Grundstück außerhalb des räumlichen Schutzbereichs der Norm liegt, kann nicht in seinen Rechten verletzt sein. Im vorliegenden Fall ist der Kläger nicht unmittelbarer Nachbar des Vorhabensgrundstücks. Angesichts der konkreten örtlichen Verhältnisse hält der Senat einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot sowie eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs für fernliegend.

Der Senat teilt im Übrigen die Auffassung des Erstgerichts, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung keine drittschützenden Vorschriften verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger kann eine Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch seinem Schutz dienen. Dies ist hier nicht der Fall.

a) Der Kläger rügt, dass das Bestimmtheitsgebot verletzt sei, weil die Baubeschreibung unklar sei, eine oberverwaltungsgerichtliche Entscheidung unberücksichtigt geblieben sei, falsche Angaben des Beigeladenen nicht berücksichtigt und nachweislich keine Überprüfung möglich sei.

Eine Baugenehmigung muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Dieser Anforderung entspricht eine Genehmigung, wenn die mit dem Bescheid getroffene Regelung (Art. 35 BayVwVfG) für die Beteiligten des Verfahrens (Art. 13 BayVwVfG) - gegebenenfalls nach Auslegung - eindeutig zu erkennen und damit einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U. v. 22.01.1993 - 8 C 57/91 - juris). Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft (vgl. BayVGH, B. v. 22.4.2009 - 1 CS 09.221 - juris). Nichts anderes entnimmt der Senat dem vom Kläger zitierten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. August 2011 (Az. 2 A 38/10).

Vor diesem Hintergrund ist für den Senat nicht ersichtlich, wieso die Baubeschreibung in nachbarrechtsverletzender Weise unklar sein soll. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass bereits die Baubeschreibung des Bauherrn, die das zur Prüfung gestellte Vorhaben konkretisiert, eine hinreichende Bestimmtheit bezüglich der Art der baulichen Nutzung erkennen lässt. Der Beigeladene beantragte am 10. April 2012 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Umbau eines 7-Familienhauses zu einer Wohngruppe. Das zur Umnutzung vorgesehene Wohngebäude soll im Erdgeschoss im Wesentlichen Büros, Küchen und einen Therapieraum aufnehmen. Im ersten Obergeschoss sollen vier Zimmer mit dazugehörigen Bädern und eine Gemeinschaftsküche untergebracht werden. Für das zweite Obergeschoss sind die gleichen Räumlichkeiten vorgesehen. Im Dachgeschoss sind zwei weitere Zimmer mit Bädern und eine Hausmeisterwohnung geplant. Die „Betriebsbeschreibungen“ vom 2. Mai 2012 und 18. Mai 2012 konkretisieren den Baugenehmigungsantrag. Unter Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 19. Oktober 2012 ist geregelt, dass die Genehmigung unter der Bedingung erteilt wird, dass in der geplanten Wohngruppe ausschließlich Patienten aus dem Bezirkskrankenhaus B... (Klinik für forensische Psychiatrie) aufgenommen werden, die dort nach Maßgabe des § 64 StGB untergebracht waren und für die ein richterlicher Bewährungsbeschluss vorliegt. Damit ist die Nutzungsart hinreichend konkretisiert. Es würde die Anforderungen an die Bestimmtheit überspannen, wenn man angesichts des breiten Spektrums der der Resozialisierung dienenden Maßnahmen eine genauere Beschreibung in den Bauvorlagen fordern würde.

Für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass die Angaben des Beigeladenen falsch sein sollen. Er ist mit dem Erstgericht der Auffassung, dass es ausgeschlossen ist, dass hier eine Art „Etikettenschwindel“ betrieben wird.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Einhaltung der genehmigten Nutzungsart im Übrigen von der Baugenehmigungsbehörde jederzeit überprüfbar wäre. Der Kläger zieht dies mit dem Argument in Zweifel, dass es der Beigeladene und das Bezirkskrankenhaus B... abgelehnt haben, eine namentliche Aufstellung der in der Wohngemeinschaft aufgenommenen Patienten und eine Kopie der Bewährungsbeschlüsse zu diesen Patienten zu übersenden. Vom Bezirkskrankenhaus B... wurde bestätigt (Schreiben vom 31.3.2014), dass nur Patienten aus dem Bezirkskrankenhaus in das Bauvorhaben aufgenommen wurden, die dort nach Maßgabe des § 64 StGB untergebracht waren und für die ein richterlicher Bewährungsbeschluss (bis zum Zeitpunkt der Aufnahme in der Wohngemeinschaft) vorlag. Ausdrücklich wurde ausgeführt, dass weder Personen eingezogen sind, die nach § 63 StGB untergebracht waren, noch Personen, die sich im Maßregelvollzug nach § 64 StGB befinden. Das Bezirkskrankenhaus befindet sich in öffentlicher Trägerschaft. Angesichts der Konsequenzen, die falsche Angaben in beamten-/arbeitsrechtlicher Hinsicht haben können und angesichts des Umstands, dass auch der Kläger keinerlei Anhaltspunkte dafür vortragen konnte, dass die Angaben unzutreffend sein könnten, bestehen für den Senat keine Zweifel hinsichtlich der Annahme des Erstgerichts.

b) Ob ernstliche Zweifel an dem Urteil deshalb bestehen, weil das Verwaltungsgericht einen Sonderbau zu Unrecht verneint habe, kann offen bleiben. Denn das Verwaltungsgericht hat sein Urteil auch dahingehend begründet, dass nicht erkennbar ist, gegen welche drittschützenden Vorschriften das Bauvorhaben verstoßen würde, wenn man einen Sonderbau und in dessen Folge das vollumfängliche bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren im Sinn des Art. 60 BayBO annehmen wollte. Dies ist nicht zu beanstanden.

Der Senat erkennt keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris). Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten der Kläger nicht vor.

Soweit der Kläger das Rücksichtnahmegebot dadurch verletzt sieht, dass keine Kontrollmechanismen gegeben seien, ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen. Der Kläger rügt weiter, dass eine negative Gefahrprognose gegeben sei. Jedoch wurden durch den Bescheid Personen ausgeschlossen, für die zwar auch ein richterlicher Bewährungsbeschluss vorliegt, die aber vor ihrer Entlassung nach § 63 StGB untergebracht waren. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass damit sichergestellt ist, dass keine Personen in die gegenständliche Wohnanlage einziehen, die als für die Allgemeinheit gefährlich eingestuft wurden.

Aus dem Stellplatzerfordernis (Art. 47 BayBO) lässt sich grundsätzlich kein nachbarrechtliches Abwehrrecht ableiten (vgl. BayVGH, B. v. 26.04.2012 - 2 ZB 10.3147 - juris). Die Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Zahl an Stellplätzen soll nicht den Nachbarn schützen, die Vorschrift dient vielmehr ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsfläche vom ruhenden Verkehr. Die Anzahl der Stellplätze auf dem Grundstück des Beigeladenen lässt keine für den Kläger unzumutbaren Auswirkungen erwarten. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liegt nicht deswegen vor, weil das Vorhaben einen zusätzlichen Stellplatzbedarf auslöst (vgl. BayVGH, B. v. 15.11.2010 - 2 ZB 09.2191 - juris). Rechte des Nachbarn werden nur verletzt, wenn die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führt, die den Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind. Dies ist hier nicht ersichtlich. Insbesondere ist für den Senat nicht erkennbar, dass der Park-Such-Verkehr quasi vor die Haustür des Klägers kanalisiert würde. Denn das Vorhabensgrundstück kann nicht nur von der J...straße, sondern auch von der F...-...-...straße angefahren werden.

Der Kläger macht geltend, dass der Gebietserhaltungsanspruch verletzt sei. Der Gebietserhaltungsanspruch wurde in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes begründet (vgl. BVerwG, U. v. 16. 9. 1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151). Er gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung den Nachbarn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht (vgl. Stühler, BauR 2011, 1576/1577; Decker, JA 2007, 55/56). Denn die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (vgl. BVerwG, U. v. 16.9.1993 a. a. O.). Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können.

Der Grundsatz, dass sich ein Nachbar im Plangebiet auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden kann, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird, lässt sich auf den Nachbarschutz im faktischen Baugebiet übertragen (vgl. BVerwG, U. v. 16.9.1993 a. a. O.). In einem faktischen Baugebiet ist der Anspruch in räumlicher Hinsicht jedoch auf die Grundstücke begrenzt, die zur näheren Umgebung des Baugrundstücks im Sinn von § 34 Abs. 2 Satz 1 BauGB zählen. Nur so weit reichen die rechtliche Schicksalsgemeinschaft und das sich daraus ergebende wechselseitige Austauschverhältnis.

Unstreitig ist, dass die Umgebungsbebauung im Sinn des § 34 Abs. 2 BauGB von der Art der baulichen Nutzung her als allgemeines Wohngebiet im Sinn des § 4 BauNVO anzusehen ist. Das Bauvorhaben entspricht den in einem allgemeinen Wohngebiet zulässigen Nutzungsarten. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar dargelegt, dass die streitgegenständliche Nutzung den Anforderungen des erweiterten Wohnbegriffs des § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO entspricht. Auch wenn im Einzelfall ein Bewohner wieder in das Bezirkskrankenhaus zurückgeschickt wurde, weil bei ihm positiv Drogen gezogen worden sind, kann damit nicht bestritten werden, dass die Bewohner grundsätzlich ein häusliches, im Wesentlichen selbstbestimmtes Leben führen. Die auf eine gewisse Dauerhaftigkeit angelegte eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens kann nicht damit in Zweifel gezogen werden, dass das Projekt als „Zwischenschritt“ zwischen der Unterbringung auf einer geschlossenen Station und dem anschließenden alleinigen Wohnen in der eigenen Wohnung zu sehen ist. Für den erweiterten Wohnbegriff ist es auch nicht erforderlich, dass sich die Mieter ohne jegliche Betreuung in den Räumen aufhalten (§ 3 Abs. 4 BauNVO).

Würde man aber eine Wohnnutzung ablehnen, wäre im vorliegenden Fall eine Anlage für soziale Zwecke anzunehmen. Diese ist in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Auch von daher ist die Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs ausgeschlossen.

Die durch den angefochtenen Bescheid auch genehmigte Änderung zur Nutzung als Büroräume ist entgegen der Auffassung des Klägers im allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO ebenso zulässig. Ob es sich bei dem beabsichtigten Nutzungszweck der Büroräume um eine gewöhnliche Arbeitnehmerüberlassung handelt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Weiter ist im Zusammenhang mit dem Gebietserhaltungsanspruch unerheblich, ob die Nutzungsänderung in Büroräume im Wesentlichen der Wohnnutzung im ersten und zweiten Obergeschoss zuzurechnen ist oder nicht. Denn wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, wäre es bei der Nutzung für soziale Zwecke auch unbedenklich, wenn die Beigeladene die beiden Büroräume für anderweitige Vereinszwecke nutzen sollte.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d. h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird (vgl. BayVGH, B. v. 12.4.2000 - 23 ZB 00.643 - juris). Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Im Rahmen dieses Zulassungsgrunds ist nicht die Richtigkeit des Ersturteils Gegenstand der Zulassungsentscheidung, sondern die mögliche „abstrakte“ Fehleranfälligkeit wegen der besonderen Schwierigkeiten der Fallbehandlung (vgl. Berkemann, DVBl 1998, 446). Diese ist nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht gegeben. Dies gilt insbesondere für die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Gebietserhaltungsanspruch gegeben ist und das Rücksichtnahmegebot verletzt wird.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Der Kläger möchte die Frage der Zulässigkeit eines sogenannten „Forensikerwohnhauses“ grundsätzlich geklärt haben. Er legt jedoch bereits nicht dar, im Hinblick auf welche Rechtsvorschrift die Klärung erfolgen soll. Die Zulässigkeit des Vorhabens lässt sich im Übrigen anhand des bauplanungsrechtlichen Begriffs des „Wohnens“, wie oben dargelegt wurde, klären und ist insofern nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Auf die Ausführungen unter Ziffer 1. wird verwiesen.

4. Der Kläger macht den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO geltend. Er zitiert in diesem Zusammenhang lediglich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg. Mit einer erstgerichtlichen Entscheidung kann jedoch eine Divergenz nicht begründet werden.

5. Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Nach § 86 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist dabei an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Werden notwendige Ermittlungen aber nicht angestellt, insbesondere erforderliche Beweise nicht erhoben, liegt darin ein wesentlicher Verfahrensfehler, der einem Rechtsmittel zum Erfolg verhelfen kann. Jedoch muss das Verwaltungsgericht für seine Überzeugungsbildung nur die vernünftigerweise zu Gebote stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt zu klären (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2013, § 86 Rn. 5; Geiger in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 86 Rn. 11). Dem ist das Verwaltungsgericht nachgekommen. Auf den Auffangtatbestand des Art. 2 Abs. 4 Nr. 11 BayBO kommt es, wie unter Ziffer 1. B ) dargelegt wurde, nicht an. Gleiches gilt für die Frage, ob im Rahmen des Gebietserhaltungsanspruchs die Büroräume im Erdgeschoss der Wohnnutzung oder sozialen Zwecken zuzurechnen sind. Hinsichtlich der Frage der autonomen Lebensführung und der bauordnungsrechtlichen Stellplatzfrage gilt das unter Ziffer 1. b) Ausgeführte. Weitere Ermittlungen durch das Erstgericht waren hier nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B. v. 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - BayVBl 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 1 K 15.3173

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 3. November 2015

1. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte:

Baugenehmigung für Wohnhaus am Waldrand;

Nachbarklage des Waldbesitzers;

Rücksichtnahmegebot im Außenbereich;

Baumwurfgefahr

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Kläger -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Freistaat Bayern vertreten durch: Landratsamt Altötting Bahnhofstr. 38, 84503 Altötting

- Beklagter -

beigeladen:

1. ...

2. ...

zu 1 und 2 bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

wegen Baugenehmigung für Einfamilienwohnhaus - Nachbarklage -

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer,

durch den Richter am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. November 2015 am 3. November 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Baugenehmigung für ein Einfamilienwohnhaus, die der Beklagte den Beigeladenen erteilt hat.

Der Kläger ist Eigentümer des bewaldeten Grundstücks FlNr. 1287 Gemarkung ..., an das nördlich und nördöstlich Wohnbebauung angrenzt. Am nördlichen Teil seiner westlichen Grundstücksgrenze liegt das Grundstück FlNr. 1294/15 der Beigeladenen. Diese beantragten am ... Juni 2015 beim Landratsamt Altötting (Landratsamt) die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus mit Garage mit einer Grundfläche von ca. 210 qm und einer Wandhöhe von 6 m. Der Abstand der nordöstlichen Wandseite des Bauvorhabens der Beigeladenen zur Grundstücksgrenze des Klägers beträgt 11,20 m. Die Stadt ... erteilte am ... Juni 2015 mit Hinweis auf die das Grundstück der Beigeladenen umfassenden Innenbereichssatzung das Einvernehmen. Mit Bescheid vom ... Juli 2015 erteilte das Landratsamt Altötting (Landratsamt) den Beigeladenen im vereinfachten Verfahren die beantragte Baugenehmigung. In diesem Bescheid waren keine Auflagen oder Hinweise in Bezug zum angrenzenden Wald des Klägers enthalten.

Der Kläger erhob am ... Juli 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte zunächst die Aufhebung des Bescheids des Landratsamts vom ... Juli 2015. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, das genehmigte Bauvorhaben halte die notwendigen Abstandsflächen zu seinem Wald nicht ein. Die auf seinem Grundstück stehenden Bäume seien 50 bis 55 Jahre alt und ca. 25 m hoch. Jedenfalls in der Nähe zum Grundstück der Beigeladenen werde die Waldbewirtschaftung auf Dauer eingeschränkt, wenn das Vorhaben der Beigeladenen verwirklicht werde. Er befürchte Beschwerden über Schatten, Laub und Äste sowie über umstürzende Bäume seitens der Beigeladenen. Deren Grundstück liege planerisch im Außenbereich und sei bislang unbewohnt. Bislang sei dort auch Wald gewesen, der jetzt abgeholzt worden sei. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei mit Baumwurf auf das Wohngebäude der Beigeladenen zu rechnen.

Das vom Landratsamt beteiligte Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... (Forstamt) führt in einer Stellungnahme vom ... Juli 2015 im Wesentlichen aus, auf dem Grundstück des Klägers befänden sich in der Nähe des Grundstücks der Beigeladenen vor allem ca. 15 m hohe, gesunde Lärchenbäume, ferner auch Ahorn, Eiche und Birke. Der sandig-kiesige Lehmboden sei in diesem Bereich mittel- bis tiefgründig gut durchwurzelbar und auch mit Wasser und Nährstoffen gut versorgt. Mit einer Baumhöhe von bis zu 30 m sei in Zukunft zu rechnen. In absehbarer Zeit werde deshalb das Bauvorhaben der Beigeladenen im unmittelbaren Gefährdungsbereich von Baumwurf liegen, doch spreche sowohl Baum- und Bodenart als auch die dort vorherrschende Hauptwindrichtung (Südwest bis Nordwest) eher gegen eine Waldwurfgefahr, auch wenn diese nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne. Zudem würden die Geschosse des geplanten Hauses mit Betondecken versehen. Langfristig steige wohl der Gefährdungsgrad, dann bestehe die Notwendigkeit, einzelne gefährdete Randbäume zu beseitigen. Aus forstlicher Sicht werde dem Waldbesitzer durch waldrandnahe Bebauung die Waldbewirtschaftung deutlich erschwert, insbesondere durch ein erhöhtes Gefährdungs- und Haftungsrisiko.

Daraufhin erließ das Landratsamt gegenüber den Beigeladenen einen Ergänzungsbescheid vom ... September 2015, worin dem ursprünglichen Bescheid folgende Auflage 4 hinzugefügt wurde: „Das Gebäude muss so konstruiert und die einzelnen Bauteile so dimensioniert werden, dass bei einem Baumwurf auf das Gebäude sich darin aufhaltende Personen ausreichend geschützt sind. Dies ist durch eine Bescheinigung eines Sachverständigen gemäß PrüfVBau über die Vollständigkeit und Richtigkeit des zu erstellenden Standsicherheitsnachweises und die in Bezug auf die Standsicherheit ordnungsgemäße Bauausführung nachzuweisen.“ Das Landratsamt begründete den Ergänzungsbescheid, der von den Beigeladenen nicht angefochten wurde, im Wesentlichen mit der Stellungnahme des Forstamts vom ... Juli 2015.

Hierauf erweiterte der Kläger seine Klage und beantragt nunmehr,

den Bescheid des Landratsamts Altötting vom ... Juli 2015 sowie den Änderungsbescheid vom ... September 2015 aufzuheben.

Er führt ergänzend aus, die vom Landratsamt im Ergänzungsbescheid verfügten Auflagen seien ungeeignet, die Risiken des drohenden Baumfalls zu beseitigen. Auf der Terrasse und auch ansonsten im Freien seien Personen nach wie vor gefährdet. Die Baugenehmigung sei insgesamt rechtswidrig und beeinträchtige den Kläger, für den ansonsten ein erhebliches Haftungsrisiko bestehe, in seinen Rechten. Die Ortsabrundungssatzung sei unwirksam. Schon der Voreigentümer des Grundstücks der Beigeladenen habe Probleme mit der Baugenehmigung gehabt. Die Beigeladenen müssten das Haftungsrisiko übernehmen. Die forstliche Stellungnahme des Landwirtschaftsamts vom ... Juli 2015 belege eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Baumwurfgefahr und auch auf die deutliche Bewirtschaftungserschwerung im Waldrandbereich.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids und führt ergänzend aus, nach der obergerichtlichen Rechtsprechung bestehe kein Anspruch eines Waldeigentümers auf Freihaltung eines Baumwurfbereichs von jeglicher Bebauung. Die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sei aufgrund der Stellungnahme des Forstamts vom ... Juli 2015 um eine Auflage 4 zur Konstruktion des Gebäudes und Dimensionierung der Bauteile erweitert worden.

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor, für eine Drittrechtsverletzung des Klägers durch die Baugenehmigung gebe es keine Rechtsgrundlage. Ihr Grundstück liege nicht im Außenbereich, sondern innerhalb der Ortsabrundungssatzung. Schon 1998 sei dort ein Einfamilienhaus mit nur 3 m Abstand zum Wald des Klägers genehmigt worden. Auch andere Gebäude auf anderen Grundstücken stünden in der Nähe von dessen Waldes. Die bauordnungsrechtlichen Abstände zur Grundstücksgrenze seien eingehalten. Bauvorhaben in Waldnähe seien zulässig. Auch in anderen Baugebieten, etwa in Innenbereichslagen, gebe es hohe Bäume.

Mit Beschluss vom 21. September 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Hinsichtlich der Sach- und Rechtslage im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

1. Die Klageerweiterung des Klägers ist als Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig, da die Einbeziehung des Ergänzungsbescheids in das Klageverfahren gegen den ursprünglichen Bescheid sachdienlich ist. Die Erledigung des Verfahrens im Ganzen wird hierdurch nicht verzögert.

2. Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften durch Erlass der angefochtenen Bescheide sind nicht erkennbar. Ficht ein Dritter den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt an, hängt der Erfolg seiner Klage davon ab, ob die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt ist (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 18 m. w. N., „Schutznormtheorie“). Eine Rechtsverletzung des Klägers durch die angefochtene Baugenehmigung kommt daher nur in Betracht, soweit die darin getroffene Feststellung zur Zulässigkeit des Vorhabens gegen den nachbarschützenden Gehalt der im Baugenehmigungsverfahren geprüften Normen verstößt. Dies ist nicht der Fall.

2.1. Der Kläger kann als Eigentümer eines Grundstücks im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 Baugesetzbuch (BauGB) kein auf Einhaltung bauplanungsrechtlicher Vorschriften gestütztes Abwehrrecht gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen geltend machen, selbst wenn dieses Bauvorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig sein sollte. Vielmehr ist insoweit allein das in den öffentlichen Belangen des § 35 Abs. 3 BauGB enthaltene drittschützende Rücksichtnahmegebot maßgebend (BayVGH, B.v. 29.11.2010 - 9 CS 10.2197 - BayVBl 2011, 698 - juris Rn. 12, m. w. N.). Deshalb kann offen bleiben, ob die Ortsabrundungssatzung der Stadt ... vom ... Oktober 1994 wirksam ist. Wäre sie unwirksam und läge das Grundstück der Beigeladenen deshalb im Außenbereich, wo Wohnnutzung grundsätzlich unzulässig ist, so läge gleichwohl keine Verletzung einer nachbarschützenden Bestimmung vor.

2.2. Bestimmungen zur Einhaltung von Abstandsflächen nach Art. 6 Bayerische Bauordnung (BayBO) sind zwar grundsätzlich nachbarschützend, hier aber vom Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO und daher auch von der Feststellungswirkung der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung nicht umfasst.

2.3. Eine unmittelbare Eigentumsverletzung (Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz - GG) liegt beim Kläger ebenfalls nicht vor, da durch das den Beigeladenen genehmigte Bauvorhaben in den Bestand seines Grundeigentums nicht in der von Art. 14 Abs. 1 GG geforderten substantiellen Weise eingegriffen wird. Eine Rodungspflicht des Klägers auf seinem Grundstück in Vorhabensnähe besteht nicht. Das Entstehen von Haftungsrisiken stellt ebenso wenig einen solchen Eingriff dar wie die Sorge vor Beschwerden der Beigeladenen über Laub oder Äste.

2.4. Die Baugenehmigung verstößt auch nicht gegen das oben genannte Gebot der Rücksichtnahme. Diesem Gebot kommt eine drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, und die vorzunehmende Interessenabwägung ist daran auszurichten, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge billigerweise zuzumuten ist. Das Gebot der Rücksichtnahme schützt einen Nachbarn in denjenigen Ausnahmefällen, in denen die tatsächlichen Umstände handgreiflich ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen ist und in denen eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist. Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, sind dann gegeneinander abzuwägen. Dabei ist es möglich, dass einzelne nachteilige Auswirkungen eines Vorhabens, jeweils für sich betrachtet, noch nicht das Rücksichtnahmegebot verletzen; maßgeblich ist die Gesamtheit der Auswirkungen (BVerwG, U.v. 5.8.1983 - 4 C 96.79 - BauR 1983, 543 - juris Rn. 26; VGH BW, U.v. 7.12.1988 - 3 S 2993/88 - BauR 1989, 441 - juris Rn. 23).

Die vom Kläger angefochtenen Bescheide verstoßen gegenüber diesem nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme, da ihm die mit der Genehmigung des Bauvorhabens der Beigeladenen verbundenen Auswirkungen zumutbar sind. Dafür spricht zum einen der Abstand des Gebäudes zum Wald von 11,20 m. Bei der derzeitigen Höhe der im Randbereich stehenden Bäume ist nach den nachvollziehbaren und plausiblen Aussagen in der Stellungnahme des Forstamts vom ... Juli 2015 eine Beeinträchtigung des Gebäudes und der sich darin aufhaltenden Personen derzeit kaum wahrscheinlich. Dafür spricht auch die dort vom Forstamt festgestellte Bodenbeschaffenheit, da eine Bodenschicht aus Lehm, Sand und Kies mit guter mittel- und tiefgründiger Durchwurzelbarkeit sowie mit guter Versorgung der Wurzeln mit Wasser und Nährstoffen eine gute Standfestigkeit der dort anzutreffenden Bäume (Lärche, Ahorn, Eiche, Birke) gewährleistet. Auch die vom Forstamt genannte, über das Anwesen der Beigeladenen hinweg in Richtung des Waldes des Klägers weisende Hauptwindrichtung spricht gegen die aktuelle Wahrscheinlichkeit eines Baumwurfs in Richtung des Grundstücks der Beigeladenen.

Auch bei zukünftig zu erwartendem Wachstum der Bäume im Randbereich verstößt die Genehmigung des Bauvorhabens nicht gegen das gegenüber dem Kläger zu beachtende Rücksichtnahmegebot. Zwar bestätigt das Forstamt in seiner Stellungnahme vom ... Juli 2015 eine dann steigende Wahrscheinlichkeit, dass einseitig geneigte Randbäume bei zunehmender Höhe und Dichte der Baumkronen (insbesondere bei lichtbedürftigen Lärchen) auch entgegen der Hauptwindrichtung auf das Grundstück der Beigeladenen fallen können. Das Forstamt weist auf ein damit für den Kläger verbundenes erhöhtes Haftungsrisiko hin. Jedoch besteht für einen Waldeigentümer trotz dieses Risikos kein Anspruch darauf, dass der um ein Waldgrundstück herum gelegene Baumwurfbereich von jeglicher Bebauung freizuhalten ist (BayVGH, U.v. 10.3.1987 - 1 B 86.02710 - BRS 47 Nr. 183). Anders als gegebenenfalls bei einer Wochenendhausbebauung mit 3 m Abstand zum Wald (hierzu VGH BW, U.v. 7.12.1988 - 3 S 2993/88 - BauR 1989, 441 - juris Rn. 33) gilt das jedenfalls bei einem Wohnbauvorhaben eines Einfamilienhauses mit mehr als 11 m Abstand (BayVGH, U.v. 10.3.1987 a. a. O., dort mit bis zu 80 m hohem Baumbestand), verbunden mit einer vom Bauvorhaben weg in Richtung Wald weisenden Hauptwindrichtung (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2001 - 2 ZS 01.1525 - juris Rn. 6 zum Fall einer zum Bauvorhaben weisenden Hauptwindrichtung). Hinzu kommt, dass die Beigeladenen durch die im Ergänzungsbescheid enthaltenen Auflagen verpflichtet sind, für eine erhöhte Standsicherheit ihres Hauses Sorge zu tragen. Der Kläger kann dem nicht entgegenhalten, dass auch dann gleichwohl Personen außerhalb des Hauses gefährdet seien, da diese Nutzung von der Feststellungswirkung der Baugenehmigung nicht mitumfasst ist. Im Übrigen kann er das von ihm befürchtete Haftungsrisiko durch durch einzelne Baumschneidearbeiten im Randbereich minimieren. Die Vermeidung einer Baumwurfgefahr fällt in aller Regel in den Verantwortungsbereich des insoweit verkehrssicherungspflichtigen Waldbesitzers (VG Augsburg, u.v. 16.5.2013 - Au 5 K 11.1663 - juris Rn. 78). Auch in Anbetracht der Größe seines übrigen Waldgrundstücks ist das dem Kläger zuzumuten.

3. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladenen einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, dass der Kläger auch ihre außergerichtlichen Kosten trägt (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Der Streitwert wird auf 10.000,- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - in Verbindung mit Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2014 für das Berufungsverfahren auf jeweils 25 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.

3

a) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Sachverhalt aktenwidrig festgestellt, ist unbegründet.

4

Der Kläger entnimmt dem angefochtenen Urteil die Feststellung, dass sein Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung vom 14. Januar 1985 mit einem Genehmigungsvermerk des Beklagten versehen sei. Diese Feststellung hält er für unvereinbar mit dem Inhalt der behördlichen Verfahrensakte, in der (dort Bl. 1 bis 5) der Bauantrag im Original abgeheftet sei.

5

Dem Kläger ist entgegenzuhalten, dass das Oberverwaltungsgericht die behauptete Feststellung bei sachgerechtem Verständnis nicht getroffen hat. Die vom Kläger in Bezug genommene Aussage der Vorinstanz, als Hilfe zur Auslegung einer Baugenehmigung sei danach insbesondere der Inhalt eines Bauvorbescheides geeignet, auf den der Bauherr in seinem - seinerseits mit Genehmigungsvermerk versehenen - Bauantrag Bezug nehme (UA S. 8), hat die Qualität eines Rechtssatzes. Indes hat das Oberverwaltungsgericht weder im Rahmen der nachfolgenden Subsumtion des Sachverhalts unter diesen Rechtssatz noch zuvor im Tatbestand des Urteils festgestellt, dass der Bauantrag einen Genehmigungsvermerk trägt. Der Rechtssatz ist vielmehr missverständlich formuliert, weil nicht der Bauantrag einen Genehmigungsvermerk erhält, sondern die von der Baugenehmigungsbehörde bestätigten Bauvorlagen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 10. März 2008 - 1 LA 38/07 - BauR 2009, 481). Das Oberverwaltungsgericht hat sagen wollen, dass als Auslegungshilfe insbesondere der Inhalt eines Bauvorbescheides geeignet sei, auf den der Bauherr in seinem - später durch Erteilung der Baugenehmigung entsprochenen - Antrag Bezug genommen habe.

6

b) Die Rüge des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe den Inhalt der ihm erteilten Baugenehmigung falsch ausgelegt, betrifft kein Verfahrensrecht, sondern ist dem sachlichen Recht zuzuordnen (vgl. Beschluss vom 2. November 1999 - BVerwG 4 BN 41.99 - ).

7

2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.

8

a) Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die Fragen,

ob bei der Bestimmung des Inhalts eines mitwirkungs- und formbedürftigen Verwaltungsakts (hier: Baugenehmigung) auch solche Umstände herangezogen werden dürfen, die selbst nicht Gegenstand des formbedürftigen Verwaltungsakts, immerhin aber schriftlich dokumentiert sind und zu denen im Verwaltungsakt (hier: Genehmigung sowie genehmigte Bauvorlagen) ein Bezug hergestellt ist, und

ob bei der Bestimmung des Inhalts des Verwaltungsakts über die konkret benannten Dokumente hinaus auch diesen wiederum zugrunde liegende Umstände berücksichtigt werden können (hier: Umstände aus den zum Vorbescheid führenden Verwaltungsverfahren).

9

Keine der Fragen, die auf das - revisible - Bestimmtheitsgebot gemünzt sind, führt zur Zulassung der Revision. Auf sie lässt sich antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Eine Genehmigung oder Erlaubnis muss klar erkennen lassen, was genau genehmigt wurde und welchen Umfang die gestattende Wirkung der Genehmigung hat (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 37 Rn. 28). Wird in der Genehmigung auf den Antrag oder Antragsunterlagen verwiesen - was zulässig ist (Urteil vom 29. November 2012 - BVerwG 4 C 8.11 - juris Rn. 13 ), ist die Genehmigung hinreichend bestimmt, wenn es der Antrag oder die Antragsunterlagen sind.

10

Diesen Ansatz hat auch das Oberverwaltungsgericht gewählt. Nach seiner tatrichterlichen Würdigung, an die der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, hat der Kläger seine Auffassung, ein Vorhaben, wie es Gegenstand der Bauvoranfrage gewesen sei, zur Genehmigung zu stellen, bereits durch den Hinweis auf die Erteilung des Bauvorbescheids in seinem Bauantrag hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht (UA S. 8). Von dem Nutzungszweck - Betriebsleiterwohnhaus - habe er sich nicht lösen wollen, auch wenn das zur Genehmigung gestellte Vorhaben hinsichtlich des Maßes der Nutzung erheblich von dem Vorhaben abweiche, dessen Genehmigung durch den Bauvorbescheid zugesagt sei (UA S. 9). Der Beklagte habe dem Antrag entsprochen und damit das Gebäude als Betriebsleiterwohnhaus genehmigt (UA S. 8).

11

3. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Der Kläger legt nicht dar, dass das Oberverwaltungsgericht einen Rechtssatz aufgestellt hat, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht.

12

Der Kläger zitiert den Ansatz des Oberverwaltungsgerichts, dass der Gegenstand einer Baugenehmigung durch den Bauantrag des Bauherrn bestimmt wird und neben der textlichen Bezeichnung der Baumaßnahme (bei der Auslegung des Bauantrags) auch die grün gestempelten Bauvorlagen heranzuziehen sind. Er sieht darin eine Divergenz zu dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 7. Januar 1997 - BVerwG 4 B 240.96 - (juris Rn. 3), dass die Bauaufsichtsbehörde Inhalt und Reichweite der von ihr erteilten Baugenehmigung bestimmt und es Teil dieser Entscheidung ist, anhand der vom Bauherrn eingereichten Bauvorlagen den Genehmigungsgegenstand im Einzelnen zu bezeichnen.

13

Die gerügte Divergenz liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hätte sich dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widersetzt, wenn es einen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt hätte, dass der Bauherr Inhalt und Reichweite der ihm erteilten Baugenehmigung bestimmt. Das hat es nicht getan. Sein Rechtssatz, dass der Gegenstand der Baugenehmigung durch den Bauantrag des Bauherrn bestimmt wird, besagt in verkürzter Form, dass der Bauherr durch seinen Bauantrag bestimmt, was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll, und die Baugenehmigungsbehörde kein vom Bauantrag abweichendes Vorhaben genehmigen darf. Dieser Standpunkt ist richtig (vgl. Urteil vom 4. Juli 1980 - BVerwG 4 C 99.77 - Buchholz 406.11 § 29 BBauG Nr. 26 S. 17; Große-Suchsdorf, Niedersächsische Bauordnung, 9. Aufl. 2013, § 67 Rn. 8 und § 70 Rn. 18).

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat orientiert sich bei der Streitwertfestsetzung im Ausgangspunkt am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, der in Nr. 9.1.1.1 für eine Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus einen Streitwert von 20 000 € vorschlägt. Dieser Betrag ist moderat auf 25 000 € zu erhöhen. Zwar ist das Wohnhaus, um dessen Nutzungsmöglichkeit gestritten wird, mehr als doppelt so groß wie ein übliches Einfamilienhaus, Streitgegenstand ist aber nicht die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern die Auslegung einer bereits erteilten Genehmigung. Die Befugnis des Senats, die vorinstanzliche Streitwertentscheidung zu ändern, ergibt sich aus § 63 Abs. 3 GKG.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.