Verwaltungsgericht München Beschluss, 16. März 2017 - M 9 S 17.50027

published on 16/03/2017 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 16. März 2017 - M 9 S 17.50027
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Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5. Januar 2017, Az. M 9 K 17.50026, gegen Ziffer 3. des Bescheids vom 16. Dezember 2016 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die laut eigener Aussage am 18. November 1991 geborene Antragstellerin (Bl. 5 d. Behördenakts - i.F.: BA -) reiste nach eigenen Angaben am 22. September 2016 von Italien kommend in das Bundesgebiet ein (Bl. 26f. d. BA). Sie beantragte am 4. Oktober 2016 Asyl (Bl. 5 d. BA). Die Antragstellerin ist laut eigener Aussage Staatsangehörige Nigerias (Bl. 5 d. BA).

Am 23. November 2016 wurde ein auf einen Eurodac Treffer Nr. „DE…“ gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Italien gerichtet (Bl. 58ff. des BA). Die italienischen Behörden haben bis dato nicht geantwortet.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2016 lehnte das Bundesamt für ... (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Ziff. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Ziff. 3) und befristete das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 4.).

Wegen des Bescheidinhalts wird auf diesen Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.

Die Bevollmächtigte der Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 5. Januar 2017, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Klage gegen den Bescheid erhoben. Vorliegend beantragt sie,

die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen Ziff. 3. des Bescheids der Antragsgegnerin anzuordnen.

Die Antragstellerin beziehe sich auf ihre Anhörung. Im Übrigen werde ein Internet-Auszug über die Problematik der Abschiebung nach Italien vorgelegt. Danach könne nicht ernsthaft davon ausgegangen werden, dass Italien in absehbarer Zeit noch weiter Flüchtlinge nach Dublin-III zurücknehmen werde.

Die Antragsgegnerin stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte.

II.

Der Antrag hat Erfolg.

Die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache sind nach jetzigem Stand in Bezug auf die für den vorläufigen Rechtsschutz allein relevante Abschiebungsanordnung offen. Das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung überwiegt hier das öffentliche Interesse an der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit.

Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung nach Italien ist voraussichtlich rechtswidrig, weil nicht feststeht, dass die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG vorliegen (1.). Im hiesigen Antragsverfahren kann keine abschließende Klärung erfolgen, weil zu den relevanten (Folge-) Fragen derzeit ein Vorabentscheidungsersuchen beim Europäischen Gerichtshof anhängig ist (2.). Die wegen der offenen Erfolgsaussichten erforderliche Interessenabwägung im Übrigen geht zugunsten des Suspensivinteresses der Antragstellerin aus (3.).

1. Es ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG hier nicht (mehr) vorliegen, da Italien im Zweifel nicht (mehr) für die Bearbeitung des Asylgesuchs zuständig ist. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat u.a. aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft, v.a. nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Aufgrund der Angaben der Antragstellerin (Bl. 26 d. BA) liegt zwar nahe, dass Italien entweder nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO oder nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ursprünglich für die inhaltliche Bearbeitung des Asylgesuchs zuständig war.

Es ist aber davon auszugehen, dass die Zuständigkeit mittlerweile auf die Antragsgegnerin übergegangen ist. Nach Aktenlage wurde zwar wohl in der Frist des Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO - die förmliche Antragstellung als wahrscheinlicher Zeitpunkt der Eurodac-Treffermeldung datiert vom 4. Oktober 2016, die 2-Monats-Frist lief damit bis zum 4. Dezember 2016 - ein Wiederaufnahmegesuch an Italien gerichtet. Dieses Wiederaufnahmegesuch war aber fälschlicherweise auf einen Eurodac-Treffer Nr. „DE…“ gestützt und damit fehlerhaft. Als Beweismittel für die Annahme, ein anderer Mitgliedstaat sei für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständig, kommen in erster Linie Angaben aus dem Eurodac-System in Betracht, Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 und 2, Art. 22 Abs. 3 Dublin III-VO (vgl. auch VG Cottbus, B.v. 21.10.2016 - 1 L 397/16.A - juris). Ein deutscher Eurodac-Treffer aber kann von vorn herein keinen Beweis für eine Zuständigkeit Italiens erbringen, auf den sich ein entsprechendes Übernahmeersuchen - mit den daran anknüpfenden Folgen - stützen könnte.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Behördenakte vorliegend keinen Nachweis darüber enthält, dass es überhaupt einen Eurodac-Treffer für Italien gibt. Nachfragen bei der Antragsgegnerin nach einem Nachweis für den angeblichen IT-Treffer blieben zunächst unbeantwortet; ein schließlich per Fax übermittelter Screenshot des Abfrageprogramms, der angeblich den IT-Treffer enthalte, aufgrund dessen Italien um die Übernahme ersucht werden sollte, war unleserlich. Auf eine Bitte um postalische Übermittlung eines leserlichen Exemplars erfolgte keine Reaktion.

Unabhängig davon bliebe es auch bei Nachreichen eines leserlichen IT-Treffernachweises dabei, dass sich das - fristgerecht, Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO, zu stellende - Wiederaufnahmegesuch auf eine fehlerhafte Beweismittellage, nämlich auf einen DE-Treffer stützte. Das nach den sog. sekundären Zuständigkeitsvorschriften, Kapitel VI. der Dublin III-VO ablaufende Verfahren aber hängt ersichtlich von einem korrekten Übernahmeersuchen ab und setzt dieses denknotwendig voraus, wie u.a. Art. 22 Abs. 3, Art. 23 Abs. 2, Abs. 4 Dublin III-VO zeigen; es ist zwingend erforderlich, dass der maßgebliche Sachverhalt in dem Wiederaufnahmeersuchen umfassend und zutreffend dargelegt wird, damit der ersuchte Mitgliedstaat tatsächlich in die Lage versetzt wird, die Einhaltung der Frist des Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO in eigener Zuständigkeit zu überprüfen (vgl. auch VG Köln, B.v. 16.8.2016 - 20 L 1609/16.A - juris). Dabei wird darauf hingewiesen, dass es vorliegend nicht nur um eine „Unvollständigkeit“ des Übernahmeersuchens geht, sondern darum, dass dieses gänzlich falsch ist, da das einzige darin benannte Beweismittel keinerlei Beweiswert für den Sachverhalt - nämlich: die angebliche Zuständigkeit Italiens - besitzt. Auch dass die italienischen Behörden auf das zugegangene fehlerhafte Übernahmeersuchen nicht reagierten, kann ungeachtet Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO nicht die Prüfungszuständigkeit Italiens begründen, da auch der Eintritt der Stattgabefiktion von einem fehlerfreien (Wieder-) Aufnahmegesuch abhängt. Die fehlende Reaktionsbereitschaft einzelner Mitgliedstaaten würde - unabhängig vom Wortlautargument und von Sinn und Zweck der Dublin-Regelungen - ansonsten dazu führen, dass z.B. auch erfundene bzw. ins Blaue hinein behauptete Eurodac-Treffer die Umverteilung eventuell nicht gewünschter Asylbewerber ermöglichten, solange der angerufene Mitgliedstaat nur nicht reagiert. Wollte man die Zuständigkeit Italiens - die nicht (mehr) gegeben ist - vorliegend annehmen, so wäre wegen des fehlerhaften Übernahmeersuchens jedenfalls davon auszugehen, dass nicht feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, § 34a Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO, da die italienischen Behörden die Übernahme mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ablehnen würden.

Für den Fall, dass tatsächlich ein IT-Treffer existiert, wäre mittlerweile die Frist aus Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO verstrichen, sodass kein (weiteres) fristgerechtes Übernahmeersuchen erfolgen könnte.

2. Die Frage(n) aber, ob ein Ersuchen wie das hiesige dennoch geeignet ist, die Frist des Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO zu wahren - quasi als reine Formalhandlung ungeachtet ihres Inhalts - oder aber gänzlich „unwirksam“ ist, und ob sich ein Antragsteller im Übrigen auf das Verstreichen der - ungenutzten, weil nicht mittels korrekten Übernahmeersuchens erfüllten - Frist berufen könnte, sind derzeit Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens des VG Minden an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV (VG Minden, Vorlagebeschlussv. 22.12.2016 - 10 K 5476/16.A - juris). Letzterer hat in dieser Rechtssache, die mittlerweile kraft Beschlusses vom 15. Februar 2017 dem in Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgesehenen beschleunigten Verfahren unterworfen ist (EuGH, B.v. 15.2.2017 - C-670/16 - BeckRS 2017, 102164), noch nicht entschieden. Insbesondere die Vorlagefragen 1 und 8 (a.a.O.) beschäftigen sich mit den auch hier streitentscheidenden Fragen.

3. Daher ist bis zur Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen offen, ob ein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin eingetreten ist. Vor diesem Hintergrund fällt die anzustellende Interessenabwägung zwischen dem Suspensivinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin zugunsten der Antragstellerin aus. Denn eine spätere Überstellung, sollte sich deren Rechtmäßigkeit ergeben, ist dann ohne weiteres und wesentlich einfacher möglich als eine Rückholung der Antragstellerin, sollte sie jetzt überstellt werden, sich aber anlässlich der Entscheidung des EuGH die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung herausstellen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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published on 16/08/2016 00:00

Tenor 1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. 2. Die aufschiebende Wirkung der Klage 20 K 5833/16.A gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.06.2016 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahre
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published on 27/06/2018 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen. Gründe I. Der laut eigener Aussage am 1. Januar 1995 geborene Antragsteller (Bl.
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.