Verwaltungsgericht München Beschluss, 21. Mai 2015 - M 16 S 15.50329

bei uns veröffentlicht am21.05.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 11. März 2015 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Der am ... 1980 geborene Antragsteller ist Staatsangehöriger Senegals. Er reiste im November 2014 erstmals in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. Januar 2015 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag. Am selben Tag erfolgte durch das Bundesamt ein persönliches Gespräch mit dem Antragsteller zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens. Der Antragsteller gab dort unter anderem an, er habe ca. im September 2014 in Ungarn einen Asylantrag gestellt, den er aber zurückgezogen habe.

Mit Bescheid vom ... März 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei am 26. Februar 2015 ein Übernahmeersuchen nach der sog. Dublin-III-VO an Ungarn gerichtet worden. Die ungarischen Behörden hätten mit Schreiben vom 11. März 2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO erklärt. Der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gem. Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Das Bundesamt gehe davon aus, dass in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorlägen. Daher werde der Asylantrag nicht materiell geprüft. Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, die Überstellung nach Ungarn als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Dublin-III-VO festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Am 20. März 2015 erhoben die Bevollmächtigten des Antragstellers gegen diesen Bescheid Klage und beantragten zudem,

hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Ungarn die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsteller wohne seit dem 18. März 2015 unter der genannten Adresse. Im Bescheid sei noch die vorherige Adresse aufgeführt, so dass dieser möglicherweise dorthin geschickt worden sei. Dem Antragsteller sei der Bescheid am 20. März 2015 durch einfachen Brief der Regierung von Oberbayern zugestellt worden. Rein vorsorglich werde Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Der Antragsteller habe in Ungarn keinen Asylantrag gestellt. Der Bescheid sei aufzuheben, da die Antragsgegnerin sämtliche Fristen habe verstreichen lassen. Es sei bereits am 24. November 2014 ein Eurodac-Treffer für Ungarn vorgelegen. Weiterhin bestünden im Asylsystem Ungarns systemische Mängel.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 13. Mai 2015, bei Gericht eingegangen am 18. Mai 2015, die Behördenakte vor. Ein Antrag wurde nicht gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 K 15.50328 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist begründet.

Da sich aus der Behördenakte derzeit nichts Gegenteiliges ergibt, ist davon auszugehen, dass der Vortrag des Antragstellers über den Zeitpunkt der Bekanntgabe des angefochtenen Bescheids (bzw. seiner Kenntnisnahme hiervon) zutreffend ist. Die Antragsfrist des § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ist daher als gewahrt anzusehen.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ablehnenden Bescheids und dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom ... März 2015 als offen anzusehen. In Anbetracht der dem Antragsteller möglicherweise drohenden Rechtsverletzungen überwiegt vorliegend sein Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.

Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft im Sinne von § 27a AsylVfG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-VO), die am 30. Juni 2013 in Kraft getreten ist.

Im Fall des Antragstellers ist derzeit davon auszugehen, dass zunächst Ungarn, das seiner Wiederaufnahme zugestimmt hat, für die Prüfung seines Asylantrags zuständig ist (vgl. Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO).

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f.). Daraus hat der Gerichtshof der Europäischen Union die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 80). Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der EU-Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 86 und 94). Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der (damals maßgeblichen) Dublin-II-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003) zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 106 und LS 2; ebenso U. v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11 - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung zugrunde (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 5ff.). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR (GK), U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens („systemic failure“) abgestellt (vgl. hierzu BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 8.).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 27.4. 2010 -10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - Slg. 2011, I-13905 Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung bzw. Dublin-III-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 9; B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris Rn. 5).

Es ist derzeit nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nur summarisch vorzunehmenden Prüfung als offen anzusehen, ob der Antragsteller einen Rechtsanspruch darauf hat, dass die Antragsgegnerin von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO geregelten Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht, d. h. das dort geregelte Ermessen aufgrund eines drohenden erheblichen Eingriffs in Art. 4 EU-GR-Charta auf Null reduziert ist.

Der Umstand, dass UNHCR die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht ausdrücklich aufgefordert hat, von Überstellungen Asylsuchender nach Ungarn gemäß den Dublin-Verordnungen abzusehen, lässt nicht den unmittelbaren Rückschluss zu, dass das ungarische Asylsystem keine systemischen Mängel aufweist (vgl. VG Bremen, B. v. 1.4.2015 - 3 V 145/15 - juris Rn. 38). Der UNHCR habe in seiner Auskunft vom 30. September 2014 an das Verwaltungsgericht Bremen klargestellt, dass aus der Tatsache, dass in einem UNHCR-Papier keine Äußerung dazu enthalten sei, ob bestimmte Mängel einer Überstellung in den betreffenden Staat entgegenstünden, nicht geschlossen werden könne, dass UNHCR die Auffassung vertrete, dass keine solchen Umstände vorlägen oder im Einzelfall vorliegen könnten. Dies sei nicht zuletzt deshalb der Fall, weil sich die betreffenden Papiere zumeist in erster Linie mit Empfehlungen zur Verbesserung des Flüchtlingsschutzes an die betreffenden Regierungen richten würden (vgl. VG Bremen, B. v. 1.4.2015 - 3 V 145/15 - juris Rn. 39).

Die Frage, ob in Ungarn „systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - und B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - jeweils juris) vorliegen und ob eine Überstellung nach Ungarn einen Verstoß gegen Art. 4 der EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK darstellt, wird in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet (vgl. in diesem Sinne z. B. VG München, U. v. 29.8.2014 - M 24 K 13.31294; VG Stuttgart, U. v. 26.6.2014 - A 11 K 387/14 - juris; VG Bremen, B. v. 1.4.2015 - 3 V 145/15 - juris; a.A. z. B. VG Würzburg, B. v. 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris; VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris; VG Hamburg, B. v. 18.2.2015 - 2 AE 354/15 - juris). In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird diese Frage vor dem Hintergrund der neueren Erkenntnismittel auch vielfach als zumindest offen angesehen (vgl. z. B. VG Gelsenkirchen, B. v. 2.10.2014 - 10a L 1415/14.A; VG Oldenburg, B. v. 18.6.2014 - 12 B 1238/14 - juris; VG Sigmaringen, B. v. 22.4.2014 - A 5 K 972/14 - juris; VG Freiburg, B. v. 7.3.2014 - A 5 K 93/14 - juris; VG Hannover, B. v. 5.2.2015 - 6 B 13190/14 - juris). Auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat im Hinblick auf die divergierende erstinstanzliche Rechtsprechung in einem Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO dem Antrag im Rahmen einer zugelassenen Berufung stattgegeben (vgl. B. v. 24.7.2014 - A 1 B 131/14 - juris).

Weitere obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage liegt bislang, soweit ersichtlich, nach wie vor nur mit den Beschlüssen des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 31. Mai 2013 (4 L 169/12 - juris) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. August 2013 (12 S 675/13 - juris) vor, in denen das Vorliegen „systemischer Mängel“ jeweils verneint wurde. Nicht bzw. nur teilweise berücksichtigt werden konnten dabei allerdings die zwischenzeitlich vorliegenden neueren Erkenntnisse, wonach in Ungarn insbesondere zum 1. Juli 2013 eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten ist, bei der Inhaftierungen von Asylbewerbern für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten vorgesehen sind.

Sowohl UNHCR als auch der Europäische Flüchtlingsrat sowie das ungarische Helsinki Komitee warnen, dass die Rechtsgrundlagen für eine Inhaftierung von Personen, die internationalen Schutz suchen, zu weit gefasst seien und daher ein erhebliches Risiko einer umfassenden Inhaftierung von Asylbewerbern bestehe (vgl. UNHCR, UNHCR Comments and Recommendations on the Draft Modification of certain migration-related Legislative Acts for the Purpose of Legal Harmonisation, 12.4.2013, S. 7 f, S. 10; European Council on Refugees and Exiles - ECRE Weekly Bulletin, 14.6.2013, S. 3; Hungarian Helsinki Committee, Brief Information Note on the Main Asylum-Relates Legal Changes in Hungary as of 1 July 2013, S. 2 unter www.helsinki.hu). Die Gesetzesänderung sieht - neben anderen Gründen - als Grund für die Inhaftierung von Asylbewerbern die Feststellung ihrer Identität oder Nationalität vor, und wenn ernstliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Asylsuchende das Asylverfahren verzögert oder vereitelt oder Fluchtgefahr bei ihm besteht (vgl. Hungarian Helsinki Committee, a. a. O., S. 2). UNHCR äußert dabei in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf die Vermutung, dass Hauptziel dieser (zeitlich vorgezogenen) Gesetzesänderung eine Senkung der Zahl der Asylanträge sei. Inhaftierung würde als Instrument zur Kontrolle von Migration eingesetzt, um illegale Einreise zu pönalisieren und unrechtmäßige Weiterwanderung zu verhindern (vgl. UNHCR, a. a. O., S. 7 f). Weiterhin berichtet das ungarische Helsinki Komitee davon, dass im Hinblick auf die steigende Zahl der Asylsuchenden in Ungarn (mehr als 10.000 Asylbewerber seien im Zeitraum von Januar bis Juni 2013 registriert worden) die Hauptaufnahmeeinrichtung in Debrecen deutlich überbelegt sei (über 1.300 Asylsuchende Mitte Juni), was zu ernsthaften Problemen geführt habe, insbesondere zu einer eklatanten Verschlechterung der hygienischen Bedingungen. Auch der Bericht der Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierungen des „United Nations Human Rights Office of the High Commissioner“ über einen Besuch in Ungarn vom 23. September bis 2. Oktober 2013 kritisiert die Inhaftierungspraxis in Ungarn, insbesondere auch die fehlenden effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten und mahnt solide Verbesserungen an (vgl. United Nations Human Rights Office of the High Commissioner - Working Group on Arbitrary Detention, Statement upon conclusion of its visit to Hungary - 23 September - 2 October 2013 - S. 4, unter http://www.ohchr.org). Auch der aktualisierte Bericht des ungarischen Helsinki Komitees (Hungarian Helsinki Committee, „Information Note On Asylum-Seekers In Detention And In Dublin Procedures In Hungary”, Stand: Mai 2014, http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-Hungary-info-update-May-2014.pdf) sowie die Stellungnahme des UNHCR vom 9. Mai 2014 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf (vgl. B. v. 28.5.2014 - 13 L 172/14.A - juris ) bestätigen diese erheblichen Bedenken. In einem Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarates vom 16. Dezember 2014 werden ebenfalls Umsetzungsdefizite hinsichtlich der Neuregelung der Haft für Asylbewerber festgestellt (vgl. http://www.coe.int/en/web/commissioner/country-report/hungary). In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA - Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Ungarn vom Feburar 2015 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/hungary) wird auf die im Jahr 2014 gegenüber dem Vorjahr verdoppelte Zahl von Asylbewerbern in Ungarn hingewiesen. Die langfristigen Probleme des ungarischen Asylsystems bestünden unverändert fort, ohne ein Anzeichen für Bemühungen, diese Probleme zu lösen.

Insbesondere im Hinblick auf diese neueren Erkenntnisquellen sind die Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung derzeit als offen anzusehen. Eine eingehendere Prüfung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Im Eilrechtsschutzverfahren ist jedenfalls bei der Abwägung das Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung über seine Klage nicht zwangsweise nach Ungarn rücküberstellt zu werden, angesichts der ihm nicht ausschließbar drohenden Gefahr einer menschenunwürdigen Behandlung höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an einer möglichst umgehenden Rückführung des Antragstellers aufgrund der Dublin-III-Verordnung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

13

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

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Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

3

Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."

4

Damit in Zusammenhang stehe die Frage,

"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."

5

Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:

"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."

6

Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

13

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

3

Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."

4

Damit in Zusammenhang stehe die Frage,

"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."

5

Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:

"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."

6

Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.01.2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten über die Unzulässigkeit des von ihm gestellten Asylantrags.
Der am ... 1991 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 27.05.2013 in das Bundesgebiet ein. Am 12.06.2013 beantragte er die Gewährung von Asyl.
Auf ein entsprechendes Übernahmeersuchen der Beklagten stimmte Ungarn mit Schreiben vom 17.12.2013 einer Überstellung des Klägers nach Ungarn zu.
Mit Bescheid vom 22.01.2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei unzulässig, da Ungarn auf Grund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 c Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Vom Selbsteintrittsrecht werde kein Gebrauch gemacht. Systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn bestünden nicht.
Am 29.01.2014 hat der Kläger Klage erhoben und auf systemische Mängel im Asylverfahren in Ungarn hingewiesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.01.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Sie verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.
11 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
12 
Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
13 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 22.01.2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 16.04.2014 - A 11 K 1721/13 - juris; OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
14 
Die im Übrigen zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
15 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
16 
Zwar ist Ungarn aufgrund der Zustimmung gemäß Art. 16 Abs. 1c Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Ungarn indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
17 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris -). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
18 
Der Kläger hat im Hinblick auf Ungarn systemische Mängel geltend gemacht. Auch nach der Auskunftslage erfüllt Ungarn die eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht.
19 
In der Vergangenheit erfüllte Ungarn die unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich des Asylverfahrens nicht. Aus dem UNHCR Positionspapier vom 24.04.2012 und dem Bericht von Pro Asyl vom 15.03.2012 ergab sich, dass Misshandlungen in der Haft und eine Ruhigstellung von Flüchtlingen mittels Medikamente an der Tagesordnung waren. Die nach der Dublin II-VO nach Ungarn überstellten Asylbewerber mussten mit ihrer Inhaftierung und Abschiebung rechnen.
20 
Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinigten Nationen (UNHCR) führte allerdings in einem Bericht vom Dezember 2012 aus, das ungarische Parlament habe im November 2012 Gesetzesänderungen verabschiedet, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine abgeschoben und nicht inhaftiert würden, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichten; Dublin-Rückkehrer würden nicht inhaftiert und erhielten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen.
21 
Diese Entwicklung ist aber mittlerweile überholt durch die Änderung des ungarischen Asylrechts zum 01. Juli 2013. Seit dem 01. Juli 2013 ist nach dem ungarischen Asylgesetz die Verhängung von Asylhaft möglich. Als Haftgründe gelten u.a., dass der Antragsteller untergetaucht ist oder die Durchführung des Asylverfahrens auf andere Art und Weise behindert oder um Informationen zu erhalten, die zur Durchführung des Asylverfahrens notwendig sind, wenn gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller die Durchführung des Asylverfahrens verzögern oder behindern oder untertauchen würde oder der Antragsteller wiederholt seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen und damit die Durchführung des Dublin-Verfahrens behindert. Aufgrund dieser geänderten Rechtslage ist erneut mit steigenden Inhaftierungszahlen zu rechnen. Dies wird bestätigt durch den Bericht der Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierungen des "United Nations Human Rights Office of the High Commissioner“ über einen Besuch in Ungarn vom 23.09. bis zum 02.10.2013. In diesem Bericht stellt die Arbeitsgruppe eine signifikante Konzentration auf die Inhaftierung von Asylbewerbern fest, die Besorgnis erregend sei. Weiter wird berichtet von einem System der Verlängerung der Haft ohne angemessene Berücksichtigung der Eingaben des Rechtsanwalts und der individuellen Verhältnisse des Häftlings. Die Arbeitsgruppe kritisiert weiter fehlende effektive Rechtsschutzmöglichkeiten.
22 
Der Kläger ist nach der Stellungnahme der ungarischen Behörden vom 17.12.2013 während des laufenden Asylverfahrens aus Ungarn nach Deutschland weitergereist. Es ist deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die ungarischen Behörden dies als Verzögerung oder Vereitelung des Asylverfahrens in Ungarn ansehen und den Kläger aufgrund der neuen Gesetzeslage im Falle der Überstellung in Haft nehmen. Hinzukommt, dass der Kläger keine Ausreisedokumente vorlegen kann, so dass auch eine Inhaftierung zur Feststellung der Identität beachtlich wahrscheinlich ist.
23 
Die neue Gesetzeslage in Ungarn begründet hinreichend deutlich die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn weiterhin systemische Mängel aufweisen mit der daraus resultierenden Gefahr für den Kläger, dort im Falle der Überstellung einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein.
24 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Ungarns aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
25 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Gründe

 
12 
Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
13 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 22.01.2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 16.04.2014 - A 11 K 1721/13 - juris; OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
14 
Die im Übrigen zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
15 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
16 
Zwar ist Ungarn aufgrund der Zustimmung gemäß Art. 16 Abs. 1c Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Ungarn indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
17 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris -). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
18 
Der Kläger hat im Hinblick auf Ungarn systemische Mängel geltend gemacht. Auch nach der Auskunftslage erfüllt Ungarn die eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht.
19 
In der Vergangenheit erfüllte Ungarn die unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich des Asylverfahrens nicht. Aus dem UNHCR Positionspapier vom 24.04.2012 und dem Bericht von Pro Asyl vom 15.03.2012 ergab sich, dass Misshandlungen in der Haft und eine Ruhigstellung von Flüchtlingen mittels Medikamente an der Tagesordnung waren. Die nach der Dublin II-VO nach Ungarn überstellten Asylbewerber mussten mit ihrer Inhaftierung und Abschiebung rechnen.
20 
Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinigten Nationen (UNHCR) führte allerdings in einem Bericht vom Dezember 2012 aus, das ungarische Parlament habe im November 2012 Gesetzesänderungen verabschiedet, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine abgeschoben und nicht inhaftiert würden, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichten; Dublin-Rückkehrer würden nicht inhaftiert und erhielten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen.
21 
Diese Entwicklung ist aber mittlerweile überholt durch die Änderung des ungarischen Asylrechts zum 01. Juli 2013. Seit dem 01. Juli 2013 ist nach dem ungarischen Asylgesetz die Verhängung von Asylhaft möglich. Als Haftgründe gelten u.a., dass der Antragsteller untergetaucht ist oder die Durchführung des Asylverfahrens auf andere Art und Weise behindert oder um Informationen zu erhalten, die zur Durchführung des Asylverfahrens notwendig sind, wenn gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller die Durchführung des Asylverfahrens verzögern oder behindern oder untertauchen würde oder der Antragsteller wiederholt seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen und damit die Durchführung des Dublin-Verfahrens behindert. Aufgrund dieser geänderten Rechtslage ist erneut mit steigenden Inhaftierungszahlen zu rechnen. Dies wird bestätigt durch den Bericht der Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierungen des "United Nations Human Rights Office of the High Commissioner“ über einen Besuch in Ungarn vom 23.09. bis zum 02.10.2013. In diesem Bericht stellt die Arbeitsgruppe eine signifikante Konzentration auf die Inhaftierung von Asylbewerbern fest, die Besorgnis erregend sei. Weiter wird berichtet von einem System der Verlängerung der Haft ohne angemessene Berücksichtigung der Eingaben des Rechtsanwalts und der individuellen Verhältnisse des Häftlings. Die Arbeitsgruppe kritisiert weiter fehlende effektive Rechtsschutzmöglichkeiten.
22 
Der Kläger ist nach der Stellungnahme der ungarischen Behörden vom 17.12.2013 während des laufenden Asylverfahrens aus Ungarn nach Deutschland weitergereist. Es ist deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die ungarischen Behörden dies als Verzögerung oder Vereitelung des Asylverfahrens in Ungarn ansehen und den Kläger aufgrund der neuen Gesetzeslage im Falle der Überstellung in Haft nehmen. Hinzukommt, dass der Kläger keine Ausreisedokumente vorlegen kann, so dass auch eine Inhaftierung zur Feststellung der Identität beachtlich wahrscheinlich ist.
23 
Die neue Gesetzeslage in Ungarn begründet hinreichend deutlich die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn weiterhin systemische Mängel aufweisen mit der daraus resultierenden Gefahr für den Kläger, dort im Falle der Überstellung einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein.
24 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Ungarns aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
25 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 353/15, gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen, wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe

I.

1

Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe folgt daraus, dass der Antragsteller bis zur Entscheidung über den Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2, Abs. 4 ZPO erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hat.

II.

2

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 75 Abs. 1, 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 353/15, gegen die Abschiebungsanordnung nach Ungarn im Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 anzuordnen, hat in der Sache keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes überwiegt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.

3

Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens hat die Antragsgegnerin durch den mit der Klage angefochtenen Bescheid zu Recht die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeordnet. Soll der Ausländer, der gemäß § 13 AsylVfG in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, in einen für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 27a AsylVfG zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor. Ungarn ist für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (1.). Der Abschiebung nach Ungarn stehen keine Hindernisse entgegen (2.).

4

1. Die Zuständigkeit Ungarns i.S.d. § 27a AsylVfG ergibt sich aus der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (v. 26.6.2013 Amtsbl. EU Nr. L 180 S. 31 – Dublin-III-VO).

5

Die durch Anhang I Dublin-III-VO aufgehobene Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Unterzeichnerstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Unterzeichnerstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (v. 18.2.2003, Amtsbl. EG Nr. 50 S. 1 – Dublin-II-VO) findet keine Anwendung, da der Antragsteller nicht vor dem sich aus Art. 49 UAbs. 2 Dublin-III-VO ergebenden Stichtag 1. Januar 2014 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Nach seinen gegenüber der Antragsgegnerin am 23. Dezember 2014 gemachten Angaben hat der am … 1984 in Syrien geborene Antragsteller als staatenloser palästinensischer Volkszugehöriger sunnitischer Konfession sein Herkunftsland am 18. August 2013 verlassen. Ausweislich der Erklärung der ungarischen Behörden vom 13. Januar 2015 hat er in Ungarn am 2. Dezember 2014 einen Asylantrag gestellt.

6

Ungarn hat am 13. Januar 2015 gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO das Gesuch der Antragsgegnerin vom 6. Januar 2015 um Wiederaufnahme des Antragstellers angenommen. Die gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-VO erklärte Annahme des Wiederaufnahmegesuchs ist für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 27a AsylVfG maßgebend.

7

Es kommt nicht darauf an, ob Ungarn vor der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs nach den Regelungen der Dublin-III-VO für den Antrag auf internationalen Schutz zuständig war. Im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung des abgebenden Mitgliedstaats ist nicht zu prüfen, ob der aufnehmende Mitgliedstaat zu Recht seine Zuständigkeit nach der Dublin-III-VO angenommen hat. Für die Aufnahme oder Wiederaufnahme nach der Dublin-III-VO gilt nichts anderes als vormals für die Aufnahme oder Wiederaufnahme nach den Vorgängervorschriften der Dublin-II-VO. Nach der Dublin-II-VO hat der Asylbewerber grundsätzlich kein subjektives Recht darauf, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird (VGH Mannheim, Beschl. v. 6.8.2013, 12 S 675/13, InfAuslR 2014, 29, juris Rn. 13; VG Hamburg, Urt. v. 15.3.2012, 10 A 227/11, juris Rn. 24; Hailbronner, AuslR, Stand Februar 2010, § 27a AsylVfG Rn. 26 ff. m.w.N.; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand November 2013, § 27a Rn. 40).

8

Dies bestätigt ein Umkehrschluss zu der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Danach kann in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach der Dublin-II-VO zugestimmt hat, der Asylbewerber dem nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (v. 12.12.2007, ABl. EU Nr. C 303 S. 1 – GR-Charta) ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 10.12.2013, C-394/12, juris Rn. 52 ff. – Abdullahi./.Österreich). Diese Rechtsprechung zur Dublin-II-VO hat ihren Niederschlag im Normtext des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO gefunden. Danach setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III der Dublin-III-VO bestimmten Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen. Wesentliche Gründe für die Annahme einer solchen Gefahr bestehen nach den vorliegenden Umständen nicht. Im Einzelnen:

9

Dem durch Art. 4 GR-Charta gewährleisteten Unionsgrundrecht ist gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite verliehen wie dem entsprechenden Recht, das in Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (v. 4.11.1950, BGBl. II 1952 S. 686 – EMRK) völkerrechtlich verbürgt ist. Ebenso wie nach Art. 4 GR-Charta darf nach Art. 3 EMRK niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist die Abschiebung eines Asylbewerbers am Maßstab des Art. 3 EMRK zu prüfen (EGMR, Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 93 m.w.N., juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz). Folter, unmenschliche und erniedrigende Behandlung bezeichnen drei Stufen unterschiedlicher Eingriffsintensität (vgl. EGMR, Urt. v. 18.1.1978, Nr. 5310/71, Rn. 162 ff., EuGRZ 1979, 149 – Irland./.Vereinigtes Königreich). Folter ist die vorsätzliche Zufügung großer körperlicher oder seelischer Schmerzen oder Leiden, in der Absicht auf den Willen des Gefolterten oder eines Dritten einzuwirken, um ein Geständnis zu erlangen oder um Dritte zu terrorisieren; eine unmenschliche Behandlung ist die absichtliche Zufügung schwerer physischer oder psychischer Leiden oder Schmerzen, die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine ausreichende Schwere aufweisen; eine erniedrigende Behandlung kennzeichnet, dass bei dem Opfer Gefühle der Angst, des Schmerzes und der Unterlegenheit erweckt werden, die geeignet sind, es zu demütigen und seinen körperlichen und moralischen Widerstand zu brechen (Jarass, GR-Charta, 2. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 8 f. m.w.N.). Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, kann dabei auch davon abhängen, wieweit die Maßnahmen zur Verfolgung legitimer Zeile geboten sind (Jarass, GR-Charta, 2. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 11). Da das Recht aus Art. 3 EMRK als einzige der Gewährleistungen der EMRK auch im Notstand keinen Einschränkungen unterliegt, gilt dies auch für das ihm entsprechende Recht aus Art. 4 GR-Charta (Höfling, in Tettinger/Stern, GR-Charta, 1. Aufl. 2006, Art. 4 Rn. 15 ff.). Um dem Verbot des Art. 3 EMRK zu unterfallen muss die Schwere der Misshandlung ein Mindestniveau erreichen, wobei die Bemessung dieses Mindestniveaus von allen Umständen des Falles abhängt, wie der Dauer der Behandlung und ihren körperlichen und geistigen Folgen, in geeigneten Fällen auch von Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, Urt. v. 5.2.2015, Nr. 51428/10, Rn. 28 – A.M.E../.Niederlande; Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 94, juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz; Urt. v. 18.1.1978, Nr. 5310/71, Rn. 162, EuGRZ 1979, 149 – Irland./.Vereinigtes Königreich).

10

Für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, NVwZ 2014, 1039, juris Rn. 9) das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u. C-493/10, Slg. 2011, I-13905, Rn. 88 ff. – N.S. u.a.), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war; derartige individuelle Erfahrungen sind vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen (BVerwG, Beschl. v. 6.6.2014, 10 B 35/14, InfAuslR 2014, 352, juris Rn. 6; a.A. United Kingdom Supreme Court, Urt. v. 19.2.2014, <2014> UKSC 12, https://www.supremecourt.uk).

11

Eine tragfähige Grundlage für die Annahme systemischer Mängel liegt dabei erst dann vor, wenn hierfür kompetente Stellen wie der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und das durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (v. 29.5.2010, ABl. EU Nr. L 132 S. 11) errichtete Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) derartige Mängel feststellen (VG Hamburg, Urt. v. 22.10.2014, 10 A 3085/14, n.v.; das VG Ansbach, Beschl. v. 3.12.2013, AN 11 S 13.31074, Rn. 22 verweist insoweit auf die Erwägungsgründe 22 f. Dublin-III-VO). So hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darauf abgestellt, dass es an einem Positionspapier des UNHCR fehlte, das die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausdrücklich aufforderte, von einer Überstellung nach Ungarn im Dublin-System abzusehen (EGMR. Urt. v. 6.6.2013, Nr. 2283/12, Rn. 105, http://hudoc.echr.coe.int – Mohammed./.Österreich).

12

Nach diesen Maßstäben sind keine systemischen Mängel anzunehmen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung eines Dublin-Rückkehrers in Ungarn erwarten ließe (ebenso EGMR, Urt. v. 3.7.2014, Nr. 71932/12, Rn. 60 ff., http://hudoc.echr.coe.int – Mohammadi./.Österreich; VG Hamburg, Beschl. v. 13.2.2015, 7 AE 240/15, n.v.; Beschl. v. 6.1.2015, 10 AE 154/15, n.v.; Beschl. v. 30.10.2014, 8 AE 2529/14, n.v.; VG Augsburg, Beschl. v. 26.1.2015, Au 7 S 15.50015, juris Rn. 24 ff.; Beschl. v. 21.1.2015, Au 2 S 14.50360, juris Rn. 19 ff.; VG Düsseldorf, Beschl. v. 15.1.2015, 7 L 2975/14.A, juris Rn. 13; VG Regensburg, Beschl. v. 12.12.2014, RN 5 S 14.50306, juris Rn. 25 ff.; VG Stade, Beschl. v. 14.7.2014, 1 B 862/14, juris Rn. 8 f.; VG Bremen, Urt. v. 25.4.2014, 4 K 2131/13.A, juris Rn. 16 ff.; österreichisches Bundesverwaltungsgericht, Spruch v. 10.11.2014, W212 1438158-2/11E, http://www.ris.bka.gv.at; insofern auch VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 7 f.; im Ansatz auch VG Würzburg, Beschl. v. 2.1.2015, W 1 S 14.50120, juris Rn. 29).

13

Zwar kann nach allgemeinen Grundsätzen ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs auch dann Erfolg haben, wenn die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gegen den Verwaltungsakt eingelegten Rechtsbehelfs offen sind. Doch liegt dieser Fall nicht vor. Die Erfolgsaussichten einer Klage gegen eine Abschiebungsanordnung sind nicht bereits dann offen, wenn die Frage systemischer Mängel in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beurteilt wird (so aber OVG Bautzen, Beschl. v. 24.7.2014, A 1 B 131/14, juris Rn. 4; VG München, Beschl. v. 31.10.2014, M 16 S 14.50535, juris Rn. 16). Die Erfolgsaussichten sind allenfalls dann offen, wenn eine nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens im Hauptsacheverfahren konkret anstehende weitere Aufklärung zu der für einen Erfolg der Klage führenden Überzeugungsgewissheit führen könnte, was hier nicht der Fall ist. Denn nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit von einer mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eintretenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung erlangen (BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, NVwZ 2014, 1039, juris Rn. 9). Für eine Offenheit der Erfolgsaussichten genügt deshalb nicht, dass es im Zeitpunkt der Entscheidung an verlässlichen Informationsquellen fehlt (dies implizierend aber VG Bremen, Beschl. v. 17.1.2014, 4 V 2132/13.A, juris Rn. 13 f.).

14

Die gesetzliche Neuregelung der Asylhaftgründe im ungarischen Recht allein lässt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erwarten (so aber implizit VG Stuttgart, Urt. v. 26.6.2014, 26.6.2014, A 11 K 387/14, juris Rn. 21). Wie in einer Auskunft des Auswärtigen Amtes (an das VG Düsseldorf v. 19.11.2014, S. 2 f., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn 2014/1) ausgeführt ist, findet sich die gesetzliche Regelung über die Asylhaft in Art. 31/A Abs. 1 des ungarischen Asylgesetzes. Danach besteht ein Haftgrund insbesondere dann, wenn die asylsuchende Person sich den Feststellungen der Behörde entzogen oder das Asylverfahren anderweitig behindert hat oder hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Asylbewerber das Verfahren verzögert oder zu vereiteln sucht oder Fluchtgefahr besteht, um die notwendigen Feststellungen zur Durchführung des Asylverfahrens treffen zu können. Die Haftgründe stimmen mit den in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (v. 29.6.2013, Amtsbl. EU Nr. L 180 S. 96 – AufnahmeRL) weitgehend überein, so dass die ungarische Gesetzesregelung als solche keine Verletzung des Unionsrechts darstellt (insofern auch VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8).

15

Auch kann aus der Anwendungspraxis der gesetzlichen Neuregelung der Asylhaft in Ungarn kein systemischer Mangel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen hergeleitet werden (a.A. VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8; VG Köln, Beschl. v. 19.12.2014, 20 L 2345/14.A, juris Rn. 18; VG Sigmaringen, Beschl. v. 1.12.2014, 2 K 422/14, http://bordermonitoring.eu; das Vorliegen systemischer Mängel für offen haltend VG Magdeburg, Beschl. v. 11.12.2014, 9 B 449/14, juris Rn. 19). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO nicht nur dem Wortlaut nach, sondern auch nach dem verfolgten Sinn und Zweck, der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Dublin-System im Normtext Ausdruck zu verschaffen, auf drohende Verletzungen des Art. 4 GR-Charta beschränkt ist. Wenngleich der überstellende Mitgliedstaat nach der Dublin-III-VO (ebenso wie nach der Dublin-II-VO, dazu EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u.a., juris Rn. 64 ff.) wegen Art. 51 GR-Charta die Überstellungsentscheidung unter Beachtung der Unionsgrundrechte trifft, folgt daraus nicht, dass der überstellende Mitgliedstaat gegen Unionsgrundrechte verstößt, sobald nicht ausgeschlossen ist, dass der aufnehmende Mitgliedstaat dies tun wird. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union hat den Maßstab zur Überprüfung der Überstellungsentscheidung dem Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Art. 4 GR-Charta entnommen (EuGH, Urt. v. 10.12.2013, C-394/12, juris Rn. 52 ff. – Abdullahi./.Österreich). Somit ist für den überstellenden Mitgliedstaat das Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 6 GR-Charta ebenso wenig Maßstab (a.A. VG Berlin, Beschl. v. 15.1.2015, 23 L 899.14 A, juris Rn. 8) wie dies allgemein an den aufnehmenden Mitgliedstaat gerichtete „unionsrechtliche Vorgaben“ sind (a.A. VG Stuttgart, Urt. v. 26.6.2014, 26.6.2014, A 11 K 387/14, juris Rn. 17).

16

Wenngleich eine willkürliche Inhaftnahme im Einzelfall mit einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 4 GR-Charta einhergehen kann, ist nicht zu erwarten, dass die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt werden. Es liegt kein Positionspapier des UNHCR vor, das die Staaten dazu auffordert, von Überstellungen nach Ungarn im Dublin-System abzusehen. Wie in drei Auskünften der Vertretung in Deutschland des UNHCR (v. 30.9.2014 an das VG Bremen, das VG Düsseldorf bzw. das VG Freiburg, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn G 4 bis 6/14) ausgeführt, werden praktisch alle Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen, ausgenommen Familien und besonders vulnerable Asylsuchende. Hat ein dem Dublin-System unterliegender Asylbewerber den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat verlassen, um in einem nicht zuständigen Mitgliedstaat erneut Asyl zu beantragen, so erscheint eine Inhaftnahme bei Rückkehr in den zuständigen Mitgliedstaat nicht willkürlich, so dass auch im Hinblick auf den Schutz und die Achtung der elementaren Rechtsgleichheit aller Menschen (dazu Höfling, in Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 1 Rn. 19 ff.) eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung nicht ersichtlich ist. Die Praxis, dass regelmäßige Haftprüfungstermine im Halbstundentakt und für Gruppen von fünf bis 15 Personen gleichzeitig stattfinden (Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 30.9.2014 an das VG Düsseldorf, S. 7., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G 5/14), lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, dass eine Fortdauer der mit Fluchtgefahr begründeten Haft willkürlich bestimmt werde.

17

Es ist auch nicht ersichtlich, dass inhaftierte Asylsuchende regelmäßig durch eine lange Haftdauer ohne Aussicht auf Entlassung gedemütigt würden. Die Asylhaft ist gesetzlich auf maximal sechs Monate beschränkt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 19.11.2014, S. 2 f., Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, 2014/1). Für Überschreitungen der gesetzliche Höchstdauer ist nichts ersichtlich.

18

Die näheren Bedingungen einer etwaigen Haft lassen für einen ohne seine Familie geflohenen gesunden jungen, aber volljährigen Mann, wie den Antragsteller, ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrige Behandlung erwarten. Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (EGMR, Urt. v. 21.1.2011, Nr. 30696/09, Rn. 221, http://hudoc.echr.coe – M.S.S../.Belgien und Griechenland). Einen Verstoß dagegen nimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für die Überstellung nach Ungarn nicht an (EGMR, Urt. v. 3.7.2014, Nr. 71932/12, Rn. 60 ff., http://hudoc.echr.coe.int – Mohammadi./.Österreich). Ausgehend vom Gewährleistungsgehalt der Menschenwürde (vgl. Höfling, in Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 1 Rn. 19 ff.) wären die Bedingungen der Haft dann menschenunwürdig, wenn die körperliche Integrität, menschengerechte Lebensgrundlagen, elementare Rechtsgleichheit, personale Identität und Integrität bedroht wären. In tatsächlicher Hinsicht legt das Gericht ein Gutachten von Pro Asyl e.V. (an das VG Düsseldorf v. 31.10.2014, S. 3 ff., juris) zugrunde. Danach wird die Asylhaft getrennt von der Immigrations- oder der Strafhaft durchgeführt. Überbelegungen finden nicht statt. Die Inhaftierten werden tagsüber nicht in Zellen eingesperrt. Eine medizinische Grundversorgung ist gewährleistet. Sanitäter bzw. Krankenschwestern sind permanent anwesend. Von nachhaltigen oder durchgehenden hygienischen oder Versorgungsmängeln wird nicht berichtet, wenngleich es in einzelnen Hafteinrichtungen in der Vergangenheit zu Mängeln in der Reinigung einzelner Waschräume gekommen ist.

19

Sofern es zum Einsatz von Handfesseln und Leinen bei Außenterminen inhaftierter Asylbewerber bei einer Behörde, einem Gericht oder dem Arzt kommt (so Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 9.5.2014 an VG Düsseldorf, S. 4, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G/14), kann darin im Einzelfall dann ein Mangel in den Haftbedingungen nur gesehen werden, wenn es sich nicht um eine notwendige Sicherheitsvorkehrung handelt. Eine gegen Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung kommt darin jedoch nicht zum Ausdruck. Die inhaftierten Asylbewerber werden durch die Behandlung deshalb nicht herabgewürdigt oder stigmatisiert, weil die Behandlung der ungarischen Rechtspraxis nicht fremd ist und etwa auch auf Angeklagte angewandt wird (dazu Auskunft der Vertretung in Deutschland des UNHCR v. 9.5.2014 an das VG Düsseldorf, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn, G 1/14), die gemäß Art. 48 Abs. 1 GR-Charta und Art. 6 Abs. 2 EMRK bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig gelten.

20

Sofern in dem Gutachten von Pro Asyl e.V. (v. 31.10.2014 an das VG Düsseldorf, S. 4 f., juris) ein Bericht eines aus einer Hafteinrichtung entlassenen Asylbewerbers wiedergegeben wird, wonach in der Hafteinrichtung „immer die selben Tabletten“ verabreicht würden, kann dem Gericht keinen Hinweis aus einen systemischen Mangel des Haftbedingungen entnehmen.

21

Die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betrifft nicht die Bedingungen in Ungarn für die Aufnahme eines erwachsenen Asylsuchenden, sondern die Bedingungen in Italien für die Aufnahme von asylsuchenden Personen in Italien mit sechs minderjährigen Kindern (EGMR, Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 100 ff., 121 f., juris, nichtamtliche auszugsweise Übersetzung unter www.asyl.net – Tarakhel./.Schweiz). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Verletzung von Art. 3 EMRK für den Fall angenommen, dass die Beschwerdeführer nach Italien zurückgeführt würden, ohne dass die schweizerischen Behörden zuvor individuelle Garantien von den italienischen Behörden dafür erlangen, dass die Beschwerdeführer in einer Weise übernommen werden würden, die dem Alter der Kinder angemessen ist, und dafür, dass die Familie zusammenbleiben würde. Ein solches Erfordernis der vorherigen individuellen Garantie hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch im Hinblick auf Italien nicht verlangt, wenn es sich um einen gesunden jungen Mann ohne Angehörige handelt (EGMR, Urt. v. 5.2.2015, Nr. 51428/10, Rn. 28 – A.M.E../.Niederlande; Urt. v. 4.11.2014, Nr. 29217/12, Rn. 34, juris). Eben dies trifft auf den Antragsteller zu, dessen Familie sich noch in seinem Herkunftsland befindet.

22

2. Die weitere Voraussetzung des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist gegeben, dass die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist. Zu prüfen sind objektive und in der Person des Ausländers liegende subjektive, rechtliche oder tatsächliche Hindernisse der Abschiebung. Über auf den Zielstaat der Abschiebung bezogene Hindernisse hinaus sind auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 2.5.2012, 13 MC 22/12, InfAuslR 2012, 298, juris Rn. 27; VGH Mannheim, Beschl. v. 31.5.2011, A 11 S 1523/11, InfAuslR 2011, 310, juris Rn. 4; OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2010, 4 Bs 223/10, NVwZ 2011, 512 , juris Rn. 10 ff.; OVG Greifswald, Beschl. v. 29.11.2004, 2 M 299/04, juris Rn. 9). Für solche Hindernisse ist nichts ersichtlich. Die Ehefrau und die knapp anderthalbjährige Tochter des Antragstellers befinden sich noch im Herkunftsland Syrien, so dass eine Familienzusammenführung nicht nur, was der Antragsteller hervorhebt, in Ungarn als nicht möglich erscheint, sondern allgemein innerhalb der Dublin-Staaten.

III.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 83b AsylVfG, 154 Abs. 1 VwGO.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage - A 5 K 971/14 - gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25.03.2014 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
Der Antragsteller wendet sich mit dem vorliegenden Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Durchführung seiner Überstellung nach Italien auf der Basis von § 34 a AsylVfG und begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage A 5 K 971/14 gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Anordnung der Abschiebung nach Ungarn in Ziffer 2 des am 04.04.2014 zugestellten Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25.03.2014.
Dieser Antrag, über den der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet (§ 76 Abs. 4 Satz 1 VwGO), ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben (§ 34 a Abs. 2 AsylVfG), und auch begründet.
Das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheids überwiegt nicht das Interesse des Antragstellers, hiervon vorläufig, bis zu einer Entscheidung über seine Klage, verschont zu bleiben. Denn die Entscheidung des Bundesamts, den Asylantrag des Antragstellers gemäß § 27a AsylVfG für unzulässig zu erklären und gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seine Abschiebung nach Ungarn anzuordnen, könnte rechtswidrig sein und den Kläger in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Klärung kann insoweit nur das Hauptsacheverfahren bringen. Bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss ist es dem Antragsteller wegen der aktuell in Ungarn wohl gegebenen Lebensbedingungen und Gefahren für Flüchtlinge - auch für sogenannte Dublin-Rückkehrer - nicht zuzumuten, sich vorerst dorthin überstellen zu lassen.
Das Gericht folgt dabei der bislang zu § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Absatz 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Absatz 2 AsylVfG - bewusst - gerade nicht geregelt (vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens VG Trier, Beschluss vom 18.09.2013 - 5 L 1234/13.TR -, Juris, m.w.N.; VG Göttingen, Beschluss vom 17.10.2013 - 2 B 844/13 -, juris).
Rechtsgrundlage für die hier streitige Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 AsylVfG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Ungarn, das Zielstaat der vorliegenden Abschiebungsanordnung ist, hat sich am 17.03.2014 nach Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers für zuständig erachtet und seiner Übernahme ausdrücklich zugestimmt.
Der Antragsteller dürfte zwar nicht den geltend gemachten Anspruch darauf haben, dass die Antragsgegnerin von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht. Der Asylbewerber hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Ausübung des mitgliedsstaatlichen Selbsteintrittsrechts (Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO; vgl. EuGH, Urteil vom 14.11.2013 - C-4/11 -, Puid) oder auf Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz gerade in einem bestimmten Dublin-Staat; Dublin-Verfahrensvorschriften ohne grundrechtlichen Gehalt kommt grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zu (vgl. nur VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K 383/14 -, Juris). Ohnehin gäbe der diesbezügliche Vortrag hierzu wohl auch keine Veranlassung. Es wäre nicht ersichtlich, warum der Antragsteller in Ungarn keine Hilfe und Unterstützung sollte finden können.
Der Antragsteller kann aber derzeit aus anderen Gründen einstweilen nicht nach Ungarn rücküberstellt werden.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist grundsätzlich von der Vermutung auszugehen, dass die Behandlung der Flüchtlinge in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem Mitgliedstaat stößt, sodass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. Falls ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinn von Art. 4 GrCh implizierten, so ist die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. Art. 4 GrCh ist dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Dublin II-VO zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/19 u.a. -, Juris; Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12 - Abdullahi, NVwZ 2014, 208; EGMR, Entscheidung vom 02.04.2013 - Nr. 27725/10 - Mohammed Hussein ./. Niederlande und Italien).
Zum Schutzbereich von Art. 4 GrCh gehören insbesondere beklagenswerte Haftbedingungen für Asylbewerber sowie eine erniedrigende Behandlung in der Weise, dass Asylbewerber in extremer Armut leben müssen, sich nicht ernähren und waschen können, obdachlos sind, in der ständigen Furcht leben, angegriffen oder bestohlen zu werden, und das ohne jede Aussicht auf Verbesserung ihrer Lage (EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09 - MSS gg. Griechenland, NVwZ 2011, 413).
10 
Systemische Mängel im vorbezeichneten Sinn ergeben sich jedoch nicht ohne Weiteres bereits bei jeder im Einzelfall ggf. festzustellenden Grundrechtsverletzung. Vielmehr müssen sie entweder bereits im System angelegt sein, sodass Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar von ihnen betroffen sind; daneben können auch tatsächliche Umstände ausreichen, die dazu führen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem faktisch in weiten Teilen funktionsunfähig wird (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris).
11 
Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist hinsichtlich des Vorliegens derartiger systemischer Mängel in Ungarn bei der Aufnahme von Asylbewerbern einschließlich der Aufnahme von Personen, die aufgrund der Dublin-Regeln dorthin rücküberstellt werden, jedenfalls derzeit von offenen Erfolgsaussichten auszugehen.
12 
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat zwar mit Beschluss vom 06.08.2013 - 12 S 675/13 - (InfAuslR 2014, 29; vgl. auch EGMR, Entscheidung vom 06.06.2013 - Nr. 2283/12 -, Mohammed ./. Österreich) das Vorliegen solcher systemischer Mängel in Ungarn verneint und zur Begründung Folgendes ausgeführt:
13 
„(...) Ungarn unterliegt als Mitgliedstaat der EU dessen Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards eines gemeinsamen Asylsystems verpflichtet und somit ein sicherer Drittstaat im Sinne von Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG. Es ist demnach im Grundsatz davon auszugehen, dass in Ungarn die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GK) und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt ist. Das ungarische Asylrecht steht im Allgemeinen im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards und enthält die wichtigsten Garantien. Für die im Eilverfahren nur mögliche summarische Prüfung ist dabei davon auszugehen, dass trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens durch die ungarischen Behörden diese Verpflichtungen jedenfalls soweit eingehalten werden, dass eine Rückführung nach Ungarn als zuständigen Staat zumutbar ist. Zwar ergibt sich aus den vorliegenden Quellen (Bericht des ungarischen Helsinki-Komitees vom April 2011) durchaus, dass Aufnahme- und Lebensbedingungen sowie die Unterbringungsbedingungen beanstandenswert und teilweise unzureichend waren. Ebenso wurden in der Vergangenheit regelmäßige Inhaftierungen von Asylbewerbern geschildert. Auch in der Anwendungspraxis zeigten sich einige Mängel (UNHCR, Ungarn als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn, April 2012 - im Folgenden: UNHCR-Bericht - S. 6). Unregelmäßigkeiten tauchten vermehrt bei Flüchtlingen auf, die im Rahmen der Dublin II-VO nach Ungarn rücküberstellt wurden. Der UNHCR bewertete den Zugang zum ungarischen Asylverfahren für Dublin II-Rückkehrer als problematisch (UNHCR-Bericht S. 9). Diese hätten nur eingeschränkt Zugang zu einem Asylverfahren, weil sie nicht automatisch als Antragsteller behandelt würden. Ihr Asylantrag würde nach der Rücküberstellung als Folgeantrag gewertet (UNHCR-Bericht S. 9; Amnesty International, Positionspapier zu Rücküberstellungen nach Ungarn, 22.10.2012, S. 1). In den meisten Fällen folge bei einer Rückkehr nach Ungarn die Verhängung von Verwaltungshaft (UNHCR-Bericht, S. 10). Die Asylsuchenden hätten im Verfahren zur Prüfung von Folgeanträgen keinen Anspruch auf dieselben Leistungen wie Personen, die einen Erstantrag gestellt haben, selbst wenn ihre Anträge inhaltlich noch nicht geprüft worden seien (UNHCR-Bericht, S. 14).
14 
In einem aktuelleren Bericht vom Dezember 2012 führt der UNHCR aber aus, dass das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet habe, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrags nach Serbien oder die Ukraine zurückgeschoben und nicht inhaftiert werden, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. Dublin-Rückkehrer werden nicht inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Diese Erkenntnisse decken sich mit den Angaben von Liaisonmitarbeitern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung, die sowohl vom OVG Magdeburg (Beschluss vom 31.05.2013 - 4 L 169/12 - juris) als auch vom VG Augsburg (Beschluss vom 22.04.2013 - Au 6 S 13.3009 - juris) angeführt werden. Ausgehend von der Äußerung des UNHCR ist im konkreten Fall der Antragsteller nicht zu erkennen, dass derart eklatante Missstände vorliegen, die derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass sie in Ungarn der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt würden (ebenso: OVG Magdeburg, Beschluss vom 31.05.2013, a. a. O.; VG Augsburg, Beschluss vom 22.04.2013, a. a. O.; Beschluss vom 27.03.2013 - Au 6 S 13.30051 - juris; Urteil vom 27.02.2013 - Au 7 K 12.30299 - juris; VG Regensburg, Urteil vom 08.02.2013 - RO 4 K 11.30204 - juris; Beschluss vom 12.04.2013 - RO 9 S 13.30114 - juris; VG Potsdam, Beschluss vom 26.02.2013 - 6 L 50/13.A - juris; VG Trier, Beschluss vom 15.01.2013 - 5 L 51/13.Tr - juris; VG Saarlouis, Beschluss vom 19.02.2013 - 3 L 397/13 - juris m. w. N.; VG Ansbach, Urteil vom 08.07.2011 - AN 11 K 30215 - juris Rn. 31 ff. m. w. N.). (...)“
15 
Zwischenzeitlich liegen allerdings neuere Erkenntnismittel vor, die eine Neubewertung der Sachlage erfordern und die die vom Verwaltungsgerichtshof herangezogenen gesetzgeberischen Maßnahmen aus dem Jahr 2012 und die Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2012 als überholt erscheinen lassen könnten. Das Bayerische Verwaltungsgericht München (Beschluss vom 23.12.2013 - M 23 S 13.31303 -, juris; ebenso Beschluss vom 17.02.2014 - M 23 S 14.30172 -) stellt diese wie folgt dar:
16 
„(...) Nicht bzw. nur teilweise berücksichtigt werden konnten dabei allerdings die zwischenzeitlich vorliegenden neueren Erkenntnisse, wonach in Ungarn insbesondere zum 1. Juli 2013 eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten ist, bei der Inhaftierungen von Asylbewerbern für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten vorgesehen sind. Sowohl UNHCR als auch der Europäische Flüchtlingsrat sowie das ungarische Helsinki Komitee warnen, dass die Rechtsgrundlagen für eine Inhaftierung von Personen, die internationalen Schutz suchen, zu weit seien und daher ein erhebliches Risiko einer umfassenden Inhaftierung von Asylbewerbern bestehe (vgl. UNHCR, UNHCR Comments and Recommendations on the Draft Modification of certain migration-related Legislative Acts for the Purpose of Legal Harmonisation, 12.4.2013, S. 7 f, S. 10; European Council on Refugees and Exiles – ECRE Weekly Bulletin, 14.6.2013, S. 3; Hungarian Helsinki Committee, Brief Information Note on the Main Asylum-Relates Legal Changes in Hungary as of 1 July 2013, S. 2 unter www.helsinki.hu). Die Gesetzesänderung sieht – neben anderen Gründen – als Grund für die Inhaftierung von Asylbewerbern die Feststellung ihrer Identität oder Nationalität vor, und wenn ernstliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Asylsuchende das Asylverfahren verzögert oder vereitelt oder Fluchtgefahr bei ihm besteht (vgl. Hungarian Helsinki Committee, a.a.O., S. 2). UNHCR äußert dabei in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf die Vermutung, dass Hauptziel dieser (zeitlich vorgezogenen) Gesetzesänderung eine Senkung der Zahl der Asylanträge sei. Inhaftierung würde als Instrument zur Kontrolle von Migration eingesetzt, um illegale Einreise zu pönalisieren und unrechtmäßige Weiterwanderung zu verhindern (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 7 f). Weiterhin berichtet das ungarische Helsinki Komitee davon, dass im Hinblick auf die steigende Zahl der Asylsuchenden in Ungarn (mehr als 10.000 Asylbewerber seien im Zeitraum von Januar bis Juni 2013 registriert worden) die Hauptaufnahmeeinrichtung in Debrecen deutlich überbelegt sei (über 1.300 Asylsuchende Mitte Juni), was zu ernsthaften Problemen geführt habe, insbesondere zu einer eklatanten Verschlechterung der hygienischen Bedingungen. Auch der aktuelle Bericht der Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierungen des „United Nations Human Rights Office of the High Commissioner“ über einen Besuch in Ungarn vom 23. September bis 2. Oktober 2013 kritisiert die Inhaftierungspraxis in Ungarn, insbesondere auch die fehlenden effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten und mahnt solide Verbesserungen an (vgl. United Nations Human Rights Office of the High Commissioner – Working Group on Arbitrary Detention, Statement upon conclusion of its visit to Hungary – 23 September – 2 October 2013 – S. 4, unter http://www.ohchr.org). Ebenso kommt der aktualisierte und ergänzte Bericht von Pro Asyl „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“, zu dem Ergebnis, dass in Ungarn derzeit von „systematischen Mängeln“ in den Aufnahmeeinrichtungen auszugehen sei. Es sei aufgrund des massiven Anstiegs von Asylanträgen davon auszugehen, dass die „systemischen Mängel“ noch weiter zunehmen würden. Sollte der Großteil der Asylantragsteller, die sich derzeit in anderen EU-Staaten aufhielten, zurück nach Ungarn überstellt werden, so wären die vorhandenen Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende keinesfalls in der Lage, eine menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten (vgl. Pro Asyl, Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“, Stand Oktober 2013 (http://bordermonitoring.eu/files/2013/10/Ungarn_Update_Oktober_2013. pdf, S. 35f). (...)“
17 
Das Verwaltungsgericht Freiburg (Beschluss vom 29.01.2014 - A 3 K 2631/13 -, juris) führt weiter aus:
18 
„(...) Inzwischen ist aber - jedenfalls was die Frage der Inhaftierung von Asylbewerbern angeht - eine Änderung eingetreten. Denn zum 01.07.2013 ist nach dem ungarischen Asylgesetz die Verhängung von sog. Asylhaft möglich (vgl. Pro Asyl vom Oktober 2013: „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“, S. 8 ff.). In Anlehnung an die EU-Aufnahmerichtlinie wurde eine neue Form der Haft für Asylsuchende eingeführt, die sich rechtlich gesehen von Abschiebungshaft unterscheidet und bis zu sechs Monate dauern kann. Als Haftgründe sind dem Schriftsatz des Bundesamts vom 08.01.2014 u. a. aufgeführt,
19 
- dass sich der Antragsteller vor der Behörde versteckt hat oder die Durchführung des Asylverfahrens auf andere Art und Weise behindert oder
- eine begründete Annahme besteht, dass der Antragsteller die Durchführung des Asylverfahrens verzögert oder vereitelt bzw. Fluchtgefahr besteht, zwecks Feststellung der erforderlichen Daten zur Durchführung des Asylverfahrens, oder
- der Antragsteller der ihm vorgeschriebenen Erscheinungspflicht nach Aufforderung nicht nachgekommen ist und damit die Durchführung des Dublin-Verfahrens behindert.
20 
Pro Asyl (a.a.O., S. 10) hat sich nicht in der Lage gesehen zu beurteilen, ob aufgrund dieser neuen Gesetzeslage tatsächlich mit einer Inhaftierung von Dublin-II-Rückkehrern zu rechnen sei. Allerdings hat es zu Recht zu bedenken gegeben, dass Dublin-II-Rückkehrer (zumindest wenn sie sich - wie auch die Antragsteller - noch in einem laufenden Verfahren befinden) das Inhaftierungskriterium des „Untertauchens“ bzw. der „Behinderung/der Verzögerung des Asylverfahrens“ erwiesenermaßen erfüllt haben. Nach dem - soweit ersichtlich nur in englischer Sprache verfügbaren - Bericht der Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierungen des „United Nations Human Rights Office of the High Comissioner“ über einen Besuch in Ungarn vom 23.09. bis 02.10.2013 (siehe unter http: //www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=13816&Lang/D=E) spricht auch viel dafür, dass die Inhaftierungspraxis (auch) bei Asylbewerbern mit erheblichen Mängeln behaftet ist. Die Arbeitsgruppe erkennt zwar die erheblichen Schwierigkeiten an, die sich aus dem starken Anstieg der Asylbewerberzahlen in Ungarn ergeben. Nachdem im Jahr 2012 2157 Asylanträge registriert worden waren, schätzt die Arbeitsgruppe die Zahl im Jahr 2013 auf 15.000. Sie erkennt auch positive Verbesserungen in der Gesetzesänderung ab Juli 2013 an. Gleichwohl stellt es eine signifikante Konzentration auf die Inhaftierung von Asylbewerbern fest, die besorgniserregend sei, und berichtet von vielen Bedenken wegen Verletzung der Rechte trotz der neuen Gesetzeslage. Auch ist die Rede von einem System der Verlängerung der Haft ohne angemessene Berücksichtigung der Eingaben des Rechtsanwalts und der individuellen Verhältnisse des Häftlings. Haft solle nicht das allgemeine und erste Mittel sein. Die Arbeitsgruppe kritisiert auch fehlende effektive Rechtsschutzmöglichkeiten und mahnt solide Verbesserungen an. Ein abschließender Bericht wurde für das Jahr 2014 zugesagt. Damit bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass Ungarn zu der von UNHCR im April 2012 (UNHCR, Ungarn als Asylland, Bericht vom April 2012 zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn) festgestellten systematischen Inhaftierung von Asylsuchenden zurückgekehrt ist. (...)“
21 
Jedenfalls unter Berücksichtigung dieser neueren Erkenntnismittel erscheinen die Erfolgsaussichten der Klage als offen (ebenso VG Sigmaringen, Beschlüsse vom 25.03.2014 - A 8 K 198/14 und vom 25.02.2014 - A 3 K 4971/13 -; vgl. auch VG Freiburg, Beschluss vom 07.03.2014 - A 5 K 93/14 -, juris; VG München, Beschluss vom 20.01.2014 - M 21 S 14.30036 -; VG Leipzig, Beschluss vom 30.12.2013 - A 5 L 1147/13 -; a.A. VG Karlsruhe, Beschluss vom 10.12.2013 - A 9 K 315/13 -, juris; VG Regensburg, Beschluss vom 28.02.2014 - RN 5 S 14.30203 -, juris). Bei der danach gebotenen Interessenabwägung hält es das Gericht einstweilen nicht für zumutbar, den Antragsteller im Fall einer Rückführung nachträglich nicht wieder rückgängig zu machenden Rechtsbeeinträchtigungen, u.a. womöglich der Gefahr einer mehrmonatigen Inhaftierung, auszusetzen. Daher muss das öffentliche Interesse an einem sofortigen Vollzug der Abschiebungsanordnung hinter dem Interesse des Antragstellers, bis zu Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben zu werden, zurücktreten.
22 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtsgebühren werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
23 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 09.01.2014 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.

Gründe

 
Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende als Einzelrichter (§ 76 Abs. 4 Satz 1 VwGO).
Der Antrag ist statthaft (§ 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 AsylVfG in der Fassung von Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der unionsrechtlichen Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013 ) und auch sonst zulässig.
Er ist auch begründet. Das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheids überwiegt nicht das Interesse des Antragstellers, hiervon vorläufig, bis zu einer Entscheidung über seine Klage, verschont zu bleiben. Denn die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, den Asylantrags des Antragstellers gemäß § 27a AsylVfG für unzulässig zu erklären und gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seine Abschiebung nach Ungarn anzuordnen, könnte rechtswidrig sein und den Kläger in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Klärung kann insoweit nur das Hauptsacheverfahren bringen. Bis zu dessen rechtskräftigen Abschluss ist es dem Antragsteller wegen der in Ungarn wohl gegebenen Lebensbedingungen für Flüchtlinge, auch für sogenannte Dublin-Rückkehrer, nicht zuzumuten, sich vorerst dorthin überstellen zu lassen.
Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 AsylVfG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Der Antragsteller soll in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Ungarn, das Zielstaat der vorliegenden Abschiebungsanordnung ist, ist nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig; es hat dem Überstellungsersuchen des Bundesamts auch stattgegeben.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist grundsätzlich von der Vermutung auszugehen, dass die Behandlung der Flüchtlinge in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. Falls ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinn von Art. 4 GrCh implizierten, so ist die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. Art. 4 GrCh ist dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Dublin II-VO zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/19 u.a. - juris, Rdnr. 86, bestätigt durch EuGH, Urt. v. 10.12.2013 - C-394/12 - , NVwZ 2014, 208; EGMR, Entsch. v. 02.04.2013 - Nr. 27725/10 - ).
Zum Schutzbereich von Art. 4 GrCh gehören insbesondere beklagenswerte Haftbedingungen für Asylbewerber sowie eine erniedrigende Behandlung in der Weise, dass Asylbewerber in extremer Armut leben müssen, sich nicht ernähren und waschen können, obdachlos sind, in der ständigen Furcht leben, angegriffen oder bestohlen zu werden, und das ohne jede Aussicht auf Verbesserung ihrer Lage (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - Nr. 30696/09 - , NVwZ 2011, 413 Rdnr. 254).
Ist die Überstellung eines Antragstellers an einen anderen Mitgliedstaat nach alledem nicht möglich, so hat der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, vorbehaltlich der Befugnis, den Antrag im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst zu prüfen (Selbsteintrittsrecht), die Prüfung der Kriterien des genannten Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob anhand eines der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden könne. Davon wird nun auch für die Dublin III-VO ausgegangen (vgl. Erwägungsgrund 8 sowie Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO; vgl. auch Art. 33, wo ein Mechanismus zur Frühwarnung, Vorsorge und Krisenbewältigung bei Überforderung eines Aufnahmestaates geregelt wird).
Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist von solchen systemischen Mängeln in Ungarn bei der Aufnahme von Asylbewerbern einschließlich der Aufnahme von Personen, die aufgrund der Dublin-Regeln dorthin rücküberstellt werden, auszugehen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
In zahlreichen Erkenntnismitteln wurde in den Jahren 2011 und 2012 umfassend dargelegt, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn systemische Mängel aufweisen und damit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh und Art. 3 EMRK darstellen.
10 
Zu diesen Erkenntnismitteln gehören insbesondere UNHCR, „Ungarn als Asylland, April 2012“, S. 26 ff., auch unter Hinweis auf einen Bericht des Parlamentarischen Menschenrechtsbeauftragen vom August 2011, sowie pro asyl und bordermonitoring.eu, „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012“, S. 27 ff., auch mit zahlreichen Hinweisen auf ungarische Nichtregierungsorganisationen. Dass die dort angeführten Tatsachen und Bewertungen für systemische Mängel zum damaligen Zeitpunkt sprachen, wird von der Antragsgegnerin nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Hinweise darauf enthält selbst der Bericht des Verbindungsbeamten beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung vom 13.12.2012, den das Bundesamt der Kammer in der Zwischenzeit in einem anderen Verfahren vorgelegt hat.
11 
Diese und weitere Umstände haben die Kammer schon Anfang des Jahres 2013 bewogen, eine Rücküberstellung nach Ungarn nach dem Dublin II Verfahren vorläufig für unzulässig zu halten (VG Freiburg, Beschl. v. 25.03.2013 - 5 K 345/13 - m.w.N.). Aus den gleichen Gründen hält die Kammer jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Rücküberstellung von in Ungarn anerkannten Flüchtlingen nach Ungarn gegenwärtig für nicht möglich (Beschl. v. 28.08.2013 - A 5 K 1406/13 -; Beschl. v. 11.10.2013 - A 5 K 1863/13 -; Beschl. v. 19.12.2013 - A 5 K 2329/13 -; Beschl. v. 13.01.2014 - A 5 K 2552/13 -).
12 
Dass die Erkenntnismittellage in jüngerer Zeit möglicherweise weniger eindeutig erscheint, geht nicht zu Lasten des Antragstellers.
13 
Allein schon in dem begründeten (und letztlich unwidersprochenen) Vortrag, dass in der jüngeren Vergangenheit systemische Mängel in dem oben genannten Sinn vorlagen, liegen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür, dass dieser Zustand andauert. Daraus folgt in rechtlicher Hinsicht:
14 
Haben in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in der Vergangenheit systemische Mängel aufgewiesen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinn von Art. 4 GrCh implizierten, kommt eine Überstellung von Asylbewerbern nach den Dublin-Regeln in diesen Mitgliedstaat nur in Betracht, wenn festgestellt werden kann, dass diese Mängel behoben sind. Für eine solche Feststellung reicht es nicht aus, dass die aktuelle Erkenntnismittellage weniger eindeutig ist als in der Vergangenheit. Jedenfalls in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes obliegt es dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die von ihm angenommene Verbesserung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Aufnahmestaat substantiiert zu belegen und dabei neben eigenen aktuellen Erkenntnissen (z.B. gewonnen durch Verbindungsbeamte) auch die aktuellen Erkenntnisse von UNHCR und insbesondere auch der Europäischen Kommission vorzutragen.
15 
Soweit in der Rechtsprechung insoweit von einer anderen Beweislastverteilung ausgegangen wird, folgt die Kammer dem jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht (vgl. aber VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 06.08.2013 - 12 S 675/13 - m.w.N. und die dort zitierte jüngere Rechtsprechung des Österreichischen Asylgerichtshofs; vgl. auch dessen Entscheidung vom 14.08.2013 - S 21 410.909-2/2013 -, nachgewiesen im Rechtsinformationssystem des Österreichischen Bundeskanzleramts).
16 
Die Vermutung, dass die mit einiger Wahrscheinlichkeit jedenfalls noch im Jahr 2011 bestehenden systemischen Mängel in Ungarn weiter fortbestehen, hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren nicht entkräftet. Ihre Behauptung, Ungarn erfülle nunmehr die international geforderten Kriterien und Standards für die Durchführung von Asylverfahren und Rückkehrer, insbesondere solche afghanischer Staatsangehörigkeit hätten dort nicht erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCH und Art. 3 EMRK zu erwarten, hat sie nicht hinreichend belegt.
17 
Die Antragsgegnerin hat zwar in diesem Verfahren wie auch in weiteren gleichgelagerten Verfahren umfassend dazu vorgetragen, dass die von Ungarn für die Aufnahme von Asylbewerbern geschaffenen gesetzlichen Regelungen den Vorwurf systemischer Mängel nicht begründeten, einschließlich der Gesetzesänderung zum 01.07.2013, die vom UNHCR und von Nichtregierungsorganisationen nicht beanstandet worden sei.
18 
Die Antragsgegnerin befasst sich aber nicht hinreichend mit der Frage, ob diese Regelungen in der Wirklichkeit so umgesetzt werden, dass die zuvor mit einiger Wahrscheinlichkeit gegebenen systemischen Mängel nunmehr im Wesentlichen ausgeschlossen sind. Es ist nach wie vor unbekannt, ob insoweit eine Evaluation durch die Kommission der Europäischen Union oder auch durch das Europäische Unterstützungsbüro (EASO; vgl. VO Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.05.2010) überhaupt erfolgt oder ob jedenfalls eine hinreichend substantiierte, auf Beobachtungen in Ungarn gründende Bewertung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge selbst vorliegt. Insoweit hat die Antragsgegnerin zwar in der Zwischenzeit der Kammer in einem anderen Verfahren die Stellungnahme seines Verbindungsbeamten beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung vom 13.12.2012 vorgelegt. Diese Stellungnahme umfasst aber im Wesentlichen nur eine Auswertung von jüngeren Gesetzesänderungen, trägt aber wenig zu der Frage bei, inwieweit diese in der Praxis auch umgesetzt werden; die aktuellen Berichte des Verbindungsbeamten liegen der Kammer überdies nicht vor.
19 
Der Antragsteller selbst hat beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgetragen, dass er während seiner vorübergehenden Festnahme in Ungarn geschlagen und dass ihm während der Haft ein Medikament gegen Asthma vorenthalten worden sei.
20 
Dass die Zustände in Ungarn für Asylbewerber und für an Ungarn nach den Dublin-Regeln überstellte Personen keineswegs nach den oben genannten Maßstaben nunmehr als systemisch mängelfrei zu beurteilen sind, legt etwa der jüngste einschlägige Bericht vom Oktober 2013 von pro asyl und bordermonitoring.eu, „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Aktualisierung und Ergänzung des Berichts vom März 2012“ nahe.
21 
Insbesondere die Gefahr willkürlicher Verhaftung von Asylbewerbern und an Ungarn nach den Regeln der Dublin-II Verordnung überstellte Personen erscheint nach wie vor beachtlich (VG München, Beschl. v. 28.10.2013 - M 23 S 13.31082 - InfAuslR 2014, 33; VG Freiburg, Beschl. v. 29.01.2014 - A 3 K 2631/13 - juris, jeweils unter Hinweis auf weitere aktuelle Erkenntnismittel, u.a. eines Berichts einer UNHCR-Arbeitsgruppe im Anschluss an einen Ungarn-Besuch vom 23.09. bis 02.10.2013). Dass auch aus ungarischer Sicht bei der Inhaftierung von Asylbewerbern immer noch Einiges im Argen liegt, wird auch daraus deutlich, dass sich das Oberste Ungarische Gericht (Kurie) im Anschluss an die diesbezügliche Kritik des UNHCR (unverbindlich) Änderungen der Gerichtspraxis angemahnt haben soll (vgl. Pester Lloyd, online-Ausgabe vom 14.10.2013).
22 
Dass der UNHCR selbst in jüngerer Zeit systemische Mängel für Ungarn im Sinne der oben genannten Rechtsprechung ansonsten nicht mehr umfassend ausdrücklich beanstandet hat, belegt noch nicht, dass sie nunmehr im Wesentlichen ausgeräumt sind. Im Übrigen heißt es in seinem jüngsten zusammenfassenden Bericht für Nord-, West-, Zentral- und Südeuropa: „However, discrepances in implementation persist, leading to protection gaps in some countries and posing challenges to he functioning oft he CEAS.“ Damit dürfte nicht nur die Flüchtlingsaufnahme in Griechenland angesprochen sein, sondern auch die in einigen weiteren Mitgliedstaaten, neben Bulgarien insbesondere auch Ungarn.
23 
Entsprechende substantiierte Bewertungen insbesondere der Europäischen Kommission müssten sich auch mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit das in Ungarn nach vielen Presseberichten herrschende politische Klima insbesondere hinsichtlich des Umgangs mit Ausländern und Obdachlosen einer effektiven Umsetzung der gesetzlichen Regelungen zur Aufnahme von Asylbewerbern und zu ihrem weiteren Verbleib in Ungarn (etwa im Falle einer Ablehnung des Asylantrags wie beim Antragsteller) im Wege steht. Auch müssten sie sich mit der Frage befassen, ob die ggf. zwischenzeitlich in Ungarn geschaffenen Strukturen hinreichen, um der im letzten Jahr stark gestiegenen Zahl von Asylbewerbern in Ungarn (2012: 2.157 Asylanträge; 2013: ca. 15.000 Asylanträge) ohne systemische Mängel gerecht zu werden. Eine entsprechende Kontrolle und Information obliegt in erster Linie der Europäischen Union selbst und kann nicht Nichtregierungsorganisationen mit ihren beschränkten personellen und sachlichen Kapazitäten und ihrem beschränkten Instrumentarium überantwortet werden. Es geht nicht an, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte durch eine Zurückhaltung von Informationen daran gehindert werden, das Vorliegen systemischer Mängel der Flüchtlingsaufnahme in anderen Mitgliedstaaten zu prüfen.
24 
Soweit die Antragsgegnerin nunmehr (in anderen Verfahren) auch darauf verweist, dass das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 31.05.2013 (OVG 4 L 169/12) bestätigt habe, in der systemische Mängel für Ungarn verneint worden sind, übersieht sie, dass das Bundesverwaltungsgericht insoweit nicht etwa die Verhältnisse in Ungarn selbst beurteilt, sondern gemäß seiner Aufgabe als Revisionsgericht lediglich die in jenem Verfahren vorgebrachte Grundsatzrüge zur Frage des vom Oberverwaltungsgerichts angewandten Wahrscheinlichkeitsmaßstabs geprüft hat (BVerwG, Beschl. v. 11.09.2013 - 10 B 17.13 -).
25 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste von Serbien nach Ungarn ein und stellte dort am 17. November 2011 einen Asylfolgeantrag. Nachdem er zunächst in Abschiebehaft genommen worden war, wurde er ab Dezember 2011 in einer offenen Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Der Asylantrag wurde nach Durchführung einer persönlichen Anhörung des Klägers am 16. Dezember 2011 abgelehnt, da er über einen sicheren Drittstaat eingereist sei. Der Kläger verließ daraufhin die Aufnahmeeinrichtung und reiste am 2. Januar 2012 über Österreich nach Deutschland. Nachdem die Beklagte am 9. Januar 2012 ein entsprechendes Übernahmeersuchen gestellt hatte, erklärte die zuständige ungarische Behörde mit Schreiben vom 16. Januar 2012 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages des Klägers. Dieser stellte dann am 30. Januar 2012 in Deutschland einen Asylantrag.

2

Mit Bescheid vom 19. April 2012 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers für unzulässig und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an. Außergewöhnliche humanitäre Gründe zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts seien nicht ersichtlich. Mit Beschluss vom 30. Mai 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht Magdeburg die Beklagte bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Wege der einstweiligen Anordnung, Maßnahmen zu unterlassen, welche eine Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn ermöglichen sollten (- 5 B 136/12 MD -).

3

Der Kläger hat am 6. Juli 2012 beim Verwaltungsgericht Magdeburg zunächst im Wege einer Untätigkeitsklage eine Verpflichtungsklage erhoben und mit Schriftsatz vom 16. Juli 2012 die Klage auf eine Anfechtungsklage umgestellt.

4

Mit Urteil vom 6. August 2012 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-Verordnung auszuüben, auch wenn der Kläger nicht zu den besonders schutzbedürftigen Personen zähle. Das Gericht erkenne im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erhebliche systemische Mängel von Asylverfahren in Ungarn, speziell in Bezug auf die Behandlung von "Dublin-Rückkehrern". Zwar stünde das ungarische Asylrecht im Allgemeinen mit den internationalen und europäischen Standards in Einklang und enthalte die wichtigsten Garantien. Jedoch gäbe es in der Anwendungspraxis schwerwiegende Mängel. Dies ergebe sich aus einem Bericht des UNHCR zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn ("Ungarn als Asylland") von April 2012 sowie einer Veröffentlichung von Pro Asyl mit dem Titel "Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012". Der Kläger stünde danach in Gefahr, bei einer Abschiebung nach Ungarn einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

5

Auf den Antrag der Beklagten hat der beschließende Senat die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.

6

Die Beklagte hat fristgerecht Berufung eingelegt und trägt vor, das ungarische Ausländergesetz und das ungarische Asylgesetz seien mit Wirkung vom 1. Januar 2013 novelliert worden, entsprechende Änderungen des Verfahrens habe es schon seit Juni 2012 gegeben. Die Gefahr, dass Dublin-Rückkehrern auf Grund unzureichender Aufnahmebedingungen und nicht ausreichendem Schutzzugang für Asylsuchende im Falle einer Rücküberstellung nach Ungarn eine erniedrigende Behandlung drohe, könne damit nicht (mehr) festgestellt werden. Insoweit verweise er auf Berichte eines Mitarbeiters des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der seit Januar 2012 als Liasonmitarbeiter in der Asyldirektion des Ungarischen Amtes für Staatsbürgerschaft und Einwanderung eingesetzt sei. Nach Auskünften der zuständigen Mitarbeiter in der Ungarischen Asyldirektion würde der Kläger automatisch als Asylfolgeantragsteller behandelt, ohne dass es einer förmlichen zweiten Antragstellung bedürfe. In dem durchzuführenden Asylfolgeverfahren würden sämtliche individuellen Fluchtgründe berücksichtigt, ohne dass auf die Einreise aus Serbien abgestellt werde. Ein Ausweisungsverfahren würde nicht eingeleitet werden und der Kläger zunächst ein auf ein Jahr beschränktes temporäres Aufenthaltsrecht erhalten. Während des Verfahrens würde er einer offenen Aufnahmeeinrichtung zugewiesen werden.

7

Die Beklagte beantragt,

8

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Er macht geltend, es bestünde die Gefahr seiner Inhaftierung und verweist auf eine auf ihn zugeschnittene Stellungnahme des ungarischen Helsinki-Kommitees vom 8. April 2013, eine Stellungnahme des UNHCR zu einem aktuellen ungarischen Gesetzgebungsverfahren im Bereich des Migrationsrechts vom 12. April 2013 sowie auf die Ausführungen in dem Bericht von Pro Asyl zu dem Haftregime in Ungarn. Am 1. Juli 2013 solle eine neue Gesetzgebung in Ungarn in Kraft treten, welche die Inhaftierung von Asylbewerbern für maximal sechs Monate vorsehe und auch auf laufende Fälle Anwendung finden solle. Möglicherweise werde ihm nach geplanten Regelungen dieser Gesetzgebung vorgehalten, dass er sich im Dezember 2011 nach Ablehnung seines Asylantrages aus der Aufnahmeeinrichtung abgesetzt habe. Der UNHCR führe in seinem Bericht aus, dass er mit Besorgnis registriert habe, dass die Novellierung der EU-Richtlinie zu den Aufnahmebedingungen zuerst im Hinblick auf die Bestimmungen zur Inhaftierung von Asylbewerbern umgesetzt würden. Nach dem Bericht seien die Inhaftierungsgründe auch viel zu unbestimmt und es bestünde der Verdacht, dass das vorrangige Ziel der Gesetzesänderung die Verringerung der Zahl der Asylanträge sei. Ein weiterer Grund für Besorgnis sei, dass Asylbewerber nach den neuen Bestimmungen bezüglich ihrer Inhaftierung schärferen gesetzlichen Bedingungen als Personen in Migrationshaft ausgesetzt seien, die kein Asyl beantragt hätten. Schließlich werde große Besorgnis im Hinblick auf die Effizienz der gerichtlichen Kontrolle in Ungarn bezüglich der Verhängung und Verlängerung von Abschiebungshaft zum Ausdruck gebracht. Weiterhin sei auch zu beachten, dass ihm nach dem Bericht von Pro Asyl bei Erlangung eines Schutzstatus längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit und das Ausscheiden aus dem Sozialleistungssystem drohe. Die entsprechenden Ausführungen stünden in Einklang mit denjenigen des UNHCR in seinem Bericht von April 2012.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

13

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

14

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund des Schriftsatzes des Klägers vom 10. Mai 2013 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 -, jeweils zit. nach JURIS). Eine solche erhebliche Änderung der Sachvortrags lag nicht vor.

15

Die Anfechtungsklage des Klägers ist nicht begründet. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Klägern nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

16

Der Asylantrag des Klägers ist gem. § 27a AsylVfG unzulässig. Ungarn ist nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Abl Nr. L 50 S. 1) Dublin-II-VO - in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 (ABl Nr. L 222 S. 3) der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat.

17

Die Verpflichtung Ungarns ist unstreitig weder nach den einschlägigen Regelungen der Dublin-II-VO erloschen noch hat nach diesen Regelungen ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte oder einen anderen Staat stattgefunden.

18

Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO zuständig.

19

Danach kann abweichend von Absatz 1 jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Satz 1). Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen (Satz 2). Der Europäische Gerichtshof - EuGH - hat zu der Reduzierung des in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO enthaltenen Ermessensspielraums entschieden, dass zwar die Vermutung gelte, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention stehe. Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass eine ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar sei. Nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat oder jeder Verstoß gegen einzelne Bestimmungen der einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien berühre die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten. Wenn dagegen dem Mitgliedstaat einschließlich der nationalen Gerichte nicht unbekannt sein könne, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden, obliege es ihnen, keine Überstellung vorzunehmen. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, sei in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden könne (so EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 -, zit. nach JURIS, Rdnr. 80 ff.).

20

Es ist aber nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asyl(folge)verfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren (vgl. auch VG Augsburg, Beschl. v. 22. April 2013 - Au 6 S 13.30099 -; VG Regensburg, Urt. v. 8. Februar 2013 - RO 4 K 11.30204 -; VG Potsdam, Beschl. v. 26. Februar 2013 - 6 L 50/13.A -; VG Trier, Beschl. v. 15. Januar 2013 - 5 L 51/13.Tr -, jeweils zit. nach JURIS).

21

Die vom Verwaltungsgericht angenommenen Mängel in der Anwendung des einschlägigen ungarischen Asyl- und Ausländerrechts, insbesondere hinsichtlich der Behandlung sog. Dublin-Rückkehrer, sind durch die im November 2012 erfolgte Verabschiedung umfangreicher Gesetzesänderungen in hinreichender Weise abgestellt worden. Der Senat folgt insoweit den detaillierten Angaben des Mitarbeiters des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, der als Liaisonmitarbeiter beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung eingesetzt ist, und denen der Kläger nicht widersprochen hat. Auch in einem Bericht vom Dezember 2012 führt der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen - UNHCR - aus, dass Dublin-Rückkehrer nicht inhaftiert werden und die Möglichkeit erhielten, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Soweit das VG Hannover in einem Beschluss vom 18. März 2013 (- 1 B 2448/13 -) eine abweichende Einschätzung vorgenommen hat, verwies das Gericht unter Bezugnahme auf eine ältere Entscheidung des VG Ansbach vom 7. Januar 2013 (- AN 11 E 13.30006 -) lediglich darauf, es handele sich bei den Gesetzesänderungen nach einem Bericht des UNHCR von April 2012 um einen Regelungsentwurf und damit sei erst recht noch keine Änderung in der Praxis eingetreten. Diese Einschätzung, der auch das Verwaltungsgericht (Beschl. v. 11. April 2013 - 9 B 140/13 -, zit. nach JURIS) folgt, ist inzwischen überholt.

22

Die Einwendungen des Klägers im Berufungsverfahren führen zu keiner anderen Beurteilung.

23

Ohne Erfolg macht er geltend, ab 1. Juli 2013 in Ungarn geltende Bestimmungen führten möglicherweise zu seiner Inhaftierung für bis zu sechs Monaten. Abgesehen davon, dass diese Bestimmungen noch nicht in Kraft getreten sind und nicht hinreichend feststeht ist, ob sie auf den Kläger überhaupt anwendbar sind, ist schon nach den insoweit maßgebenden Kriterien zum Ausmaß der Beeinträchtigungen von Grundrechten der Asylbewerber (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 81, 87 89; Schlussanträge in dem Verfahren C-411/10, zit. nach JURIS, Rdnr. 113 sowie in dem Verfahren C-4/11, zit. nach CURIA, Rdnr. 61; Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408) und dem dazu zu fordernden Umfang der Erkennbarkeit (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 89, 106; Schlussanträge in dem Verfahren C4/11, zit. nach EU-CURIA, Rdnr. 61) weder dargelegt noch sonst hinreichend ersichtlich, dass die geplanten Regelungen zu systemischen Mängeln i.S.d. Rechtsprechung des EuGH führen. Weder in der vom Kläger übermittelten Stellungnahme des Helsinki-Komitees noch in dem von ihm angeführten Bericht des UNHCR von April 2013 wird geltend gemacht, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern nach den geplanten Regelungen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass Ungarn damit gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK verstoßen würde. Auch wurde nicht behauptet, dass es sich dabei um eine Verletzung des Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft handelt, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Asylbewerber ist. Vielmehr wird in dem Bericht des UNHCR gerade darauf verwiesen, dass Ungarn mit den Gesetzesänderungen teilweise Vorgaben einer (geplanten) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern umsetzen wolle. Hinreichende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht daraus, dass der UNHCR hinsichtlich der Unbestimmtheit der Regelungen, der Effizienz der gerichtlichen Kontrolle und der Vergleichbarkeit mit Personen in Migrationshaft, die kein Asyl beantragt hätten, (große) Besorgnis zum Ausdruck bringt. Dass Haftbedingungen bestehen, welche die auf Grund der geplanten Regelungen inhaftierte Asylbewerber einer erniedrigenden Behandlung aussetzen (vgl. auch EGMR, Urt. v. 21. Januar 2011 30696/0 -, NVwZ 2011, 413, 414), ist ebenfalls weder dargelegt noch sonst ersichtlich, insbesondere nicht in den vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen. Berichte zu Haftbedingungen aus der Vergangenheit bezogen sich auf Fälle der automatischen Inhaftierung von Asylbewerbern und Dublin-Rückkehrern. Eine solche automatische Inhaftierung findet gerade nicht mehr statt.

24

Soweit der Kläger darauf verweist, es drohten "bei Erlangung eines Schutzstatus in Ungarn längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit und das Ausscheiden aus dem Sozialleistungssystem", ergibt sich schon aus den von ihm angeführten Stellungnahmen des UNHCR und von Pro Asyl nicht, dass derart eklatante Missstände vorliegen, die derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass Asylbewerber in Ungarn insoweit der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (vgl. auch EGMR, Entscheidung v. 2. April 2013 - 27725/10 -, zit. nach HUDOC zu Italien) ausgesetzt sind.

25

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit seinen Einwendungen geltend machen will, ihm selbst drohe bei einer Überstellung nach Ungarn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, und eine solche Einzelfallbetrachtung im Rahmen der Prüfung eines Selbsteintritts gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-VO für notwendig erachtet (vgl. dazu Schlussanträge in dem Verfahren C-411/10, a.a.O., Rdnr. 112; Marx, NVwZ 2011, 409, 411 ff.; vgl. auch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Angesichts der vom EuGH dargelegten Bedeutung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und des diesem zugrunde liegenden Vertrauensgrundsatzes (vgl. Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 75, 83 ff.) müsste eine solche Einzelfallbetrachtung denselben Prüfungsmaßstäben genügen wie der Nachweis systemischer Mängel. Nach den oben getroffenen Feststellungen ist aber die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auch im (Einzel)Fall des Klägers weder hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich.

26

Offen bleiben kann danach, welche subjektiven Ansprüche der Kläger überhaupt aus Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO herleiten kann (vgl. dazu Schlussanträge in dem Verfahren C-4/11, a.a.O.. Rdnr. 72 ff.).

27

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

28

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

29

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.