Verwaltungsgericht München Beschluss, 29. Dez. 2014 - M 16 S 14.50532

published on 29/12/2014 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 29. Dez. 2014 - M 16 S 14.50532
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Gericht

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Tenor

I.

Die Anträge werden abgelehnt.

II.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind Staatsangehörige der Ukraine. Sie reisten nach eigenen Angaben am 10. April 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 8. Mai 2014 Asylanträge.

Auf das Ersuchen des Bundesamts vom 15. Juli 2014 hin, haben die polnischen Behörden mit Schreiben vom 17. und 18. Juli 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-Verordnung erklärt.

Mit Bescheid vom ... August 2014, zugestellt am 29. August 2014, lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Antragsteller als unzulässig ab und ordnete unter Hinweis auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ihre Abschiebung nach Polen an. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Asylanträge seien wegen § 27a AsylVfG unzulässig, da Polen aufgrund der erteilten Visa gemäß Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-Verordnung für deren Behandlung zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Am 4. September 2014 erhob die Bevollmächtigte der Antragsteller Klage (M 16 K 14.50531). Bereits am 3. September 2014 wurde beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Im Wesentlichen wurde vorgetragen, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Das polnische Asylsystem und das Aufnahmeverfahren wiesen systemische Mängel auf und entsprächen nicht europarechtlichen Standards. Hinzu komme, dass die Antragstellerin zu 2 durch ihre deutsche Abstammung Spätaussiedlerin sei, weshalb sie beim Bundesverwaltungsamt in ... einen Antrag auf Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz gestellt habe. Außerdem sei sie schwanger.

Das Bundesamt legte die Behördenakte vor. Eine Äußerung erfolgte nicht.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die nach § 34a Abs. 2 AsylVfG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO zulässigen Anträgen bleiben in der Sache ohne Erfolg.

An der Rechtsmäßigkeit der auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen keine Zweifel. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Da die Antragsteller auf Grundlage der von Polen erteilten Visa nach Polen eingereist sind, ist Polen für die Durchführung der Asylverfahren zuständig (Art. 12 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 der Verordnung (EG) 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-VO). Dementsprechend haben die polnischen Behörden auch ihre Bereitschaft zur Rückübernahme der Antragsteller erklärt.

Gründe, die die Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichten könnten, sind nicht ersichtlich. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Grundrechte-Charta (GR-Charta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a. a. O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris; BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht anzunehmen, dass die Antragsteller in Polen aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. VG Augsburg, U. v. 24.7.2014 - Au 5 K 14.50069 - juris, m. w. N.; VG München, B. v. 14.4.2014 - M 16 S 14.30395 - juris, m. w. N.). Diese Einschätzung wird auch nicht durch den von der Antragstellerseite in Bezug genommenen Bericht der Association for Legal Intervention und der Helsinki Foundation für Human Rights mit dem Titel „Migration Is not a Crime“ aus dem Jahr 2013 erschüttert (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 1.4.2014 - 13 LA 22/14 - juris, Rn. 11). Die aktuell vorliegenden Erkenntnisse über die Situation von Asylbewerbern in Polen belegen vielmehr, dass die Aufnahmebedingungen in Polen den grund- und menschenrechtlichen Standards genügen (vgl. VG Gelsenkirchen, B. v. 26.8.2014 - 6a L 1234/14.A - juris, Rn. 13).

Der Abschiebung der Antragsteller stehen auch keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse entgegen, zu deren Prüfung das Bundesamt in Fällen der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG verpflichtet ist (vgl. BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris). Insbesondere ergibt sich aus der Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2 keine Reiseunfähigkeit. Das Vorliegen einer Risikoschwangerschaft ist weder vorgetragen noch fachärztlich bescheinigt. Das Gericht geht allerdings davon aus, dass eine Abschiebung der Antragsteller nicht unmittelbar vor bzw. nach der Entbindung erfolgen wird.

Die Antragsteller können sich auch nicht mit Erfolg auf das von der Antragstellerin zu 2 betriebene Aufnahmeverfahren nach dem Bundesvertriebenengesetz berufen. Ein solches Verfahren ist grundsätzlich vom Ausland aus zu betreiben und kann deshalb einer Rückführung nach Polen nicht entgegenstehen.

Die Anträge waren daher mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO abzulehnen. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylVfG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. (2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Ma
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.