Verwaltungsgericht München Beschluss, 28. Feb. 2014 - 24 S 13.31410

bei uns veröffentlicht am28.02.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Antragsgegnerin vom ... Dezember 2013 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Der nach eigenen Angaben 1992 geborene Antragsteller ist nach seinen Angaben afghanischer Staatsangehöriger. Mit seinem vorliegenden Antrag begehrt er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Az.: M 24 K 13.31408) gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom ... Dezember 2013. Das Bundesamt hat darin die Unzulässigkeit des Asylantrags festgestellt und die Abschiebung des Antragstellers nach N. angeordnet.

Der Antragsteller reiste ausweislich der Akten am 16. Januar 2013, nach eigenen Angaben am 17. Januar 2013, in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 27. Februar 2013 Asyl.

Mit Telefax vom 6. März 2013 wurde dem Bundesamt vom Sozialdienst für Flüchtlinge, ... ein Attest der ..., Sozialreferat, für das Ausländeramt vom ... Februar 2013 vorgelegt (Bl. 47 f.). Nach dem Attest des Facharztes für Nervenheilkunde Dr. ... leidet der Antragsteller an einer PTSD und ist dringend behandlungsbedürftig. Wegen Suizidalität erscheine er nicht reisefähig. Es bestehe auch Behandlungsbedürftigkeit einer Stoffwechselstörung mit ständiger Gefahr der Nachbildung von Nierensteinen. Im Zusammenhang mit seiner psychischen Problematik vermöge der Antragsteller dieser Behandlungsbedürftigkeit offensichtlich nicht adäquat nachzukommen.

Die Regierung von ... wies den Antragsteller zum 4. April 2013 dem Landkreis ... unter der Anschrift ...straße in ... zu (Bescheid vom ... März 2013, Bl. 41 f. d. A.).

Zunächst bestellten sich die Rechtsanwälte ... (Schreiben vom 26. März 2013, Bl. 38 d. A.) und beantragten Akteneinsicht, die ihnen mit Übersendung der elektronischen Akte gewährt wurde (Schreiben vom 8. April 2013, Bl. 45 d. A.).

Danach bestellte sich auch der Prozessbevollmächtigte des hiesigen Verfahrens und erklärte, sein Mandant werde in der Anhörung am 13. September 2013 mehrere Arztberichte und die Unterlagen eines Vaterschaftstests vorlegen. Er wolle die werdende Mutter seines Kindes, eine syrische Staatsangehörige, heiraten. Nach Durchführung der Anhörung bitte er um Akteneinsicht (Schreiben vom 4. September 2013, Bl. 82). Das Bundesamt übersandte ihm einen kompletten Ausdruck der elektronischen Akte (Schreiben vom 2. Oktober 2013, Bl. 86).

Am 13. September 2013 fand die Anhörung vor dem Bundesamt (Bl. 52 ff.) statt. Die Niederschrift über die Anhörung wurde den Rechtsanwälten ... übersandt (Schreiben vom 30. September 2013, Bl. 84).

Im Rahmen der Anhörung erklärte der Antragsteller u.a., dass er damit einverstanden sei, dass die Anhörung durchgeführt werde, auch wenn sein Rechtsanwalt nicht geladen worden sei. Die ihm angebotene Verlegung des Termins lehnte er ausdrücklich ab. Er nehme Tabletten wegen Nierensteinen und Blasenentzündungen. Er sei schon zweimal an der Niere operiert worden, einmal in N. und ein zweites Mal in Deutschland. Er nehme auch Tabletten wegen psychischer Probleme. Momentan sei er mit den Tabletten wegen dieser psychischen Probleme „fertig“, er müsse noch einmal zum Arzt gehen und sich ein Rezept geben lassen. Es gehe um die Nerven, er habe zwei Arten von Tabletten bekommen.

2009 sei er schon einmal in Deutschland gewesen, dann aber vier Jahre in N.. Dort seien drei Asylanträge abgelehnt worden und zuletzt habe er eine Ausreiseaufforderung erhalten. Aus Angst, nach ... zurück zu müssen, sei er dann mit dem Bus nach Deutschland gekommen.

Zu seinem Familienstand befragt, gab der Antragsteller an, er sei verheiratet. Die Zeremonie habe aber nur zu Hause stattgefunden. Die Frau sei Asylbewerberin und im 5. Monat schwanger.

Sein eigenes Geburtsdatum könne er nicht nach dem afghanischen Kalender benennen, nur nach dem europäischen. Er sei jetzt 21 Jahre alt. Davon, dass er bei INPOL im Jahr 2009 mit dem Geburtsjahr 1989 registriert worden sei, habe er keine Ahnung.

Auf das ärztliche Attest vom ... Februar 2013 angesprochen, wonach der Antragsteller versucht habe, sich umzubringen, gab dieser an, das sei in N. gewesen. Er sei von seinem Leben so müde gewesen und habe auch in N. ohne Zukunft gelebt. Am Anfang sei es gut gewesen, er habe die Schule in N. besucht, aber dann habe man ihn woanders hin geschickt. Da habe es hinten Berge, vorne Wasser, Fluss und sonst nichts gegeben. Da habe er sich in einem Sportzimmer aufgehängt. Die anderen Jungs hätten ihn gerettet. Er sei mit einem Hubschrauber nicht in ein normales Krankenhaus, sondern in eine psychiatrische Abteilung gebracht worden.

Auf die Frage, da es eine verspätete Aktenanlage gegeben habe, erklärte der Antragsteller zu dem fehlenden Zeitraum, dass er im Krankenhaus gewesen sei.

Der Antragsteller legte Unterlagen in vermutlich norwegischer Sprache vor.

Das Bundesamt ersuchte N. um Übernahme des Asylverfahrens des Antragstellers, da er am 14. April 2009 in N. einen Asylantrag gestellt habe, der abgelehnt worden sei (Schreiben vom 29. November 2013, Bl. 90 ff. d. A.).

Die Dublin Unit, Germany in Oslo erklärte mit Schreiben vom 6. Dezember 2013 (Bl. 96 d. A.), dass N. bereit sei, den Antragsteller in Übereinstimmung mit Art. 13, Art. 16 Abs. 1e der Dublin-II-Verordnung zurückzunehmen („Norway accepts to take back the above-mentioned alien, in accordance with Article 13 of the Dublin Regulation, cf Article 16 (1) e.“) Der Antragsteller habe am 4. April 2009 in N. Asyl beantragt, am 15. März 2011 seine abschließende ablehnende Entscheidung erhalten und sei am 3. Januar 2013 als verschwunden registriert worden („The alien applied for asylum in Norway on 14.04.2009. He received a final negative decision on 15.03.2011. The alien was registered as absconded on 03.01.2013.”).

Daraufhin stellte das Bundesamt mit streitgegenständlichem Bescheid vom ... Dezember 2013 (Bl. 111 ff. d. A.) fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach N. an (Nr. 2). Der Asylantrag sei nach § 27a AsylVfG unzulässig, da N. auf Grund des dort gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchstabe e) Dublin-II-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei und außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung auszuüben, nicht ersichtlich seien. Die Anordnung der Abschiebung nach N. beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Nach einem Aktenvermerk vom 20. Dezember 2013 wurde der Bescheid „ohne DM“ per PZU an den Antragsteller zugestellt (Bl. 123 d. A.). Nach dem Aktenvermerk habe der „RA“ eine Abschrift des Bescheids versendet (123 d. A.). Zustellungsnachweise befinden sich nicht in der Akte.

Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2013, bei Gericht per Telefax am folgenden Tag eingegangen, erhob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Anfechtungsklage gegen den ihm am 28. Dezember 2013 zugestellten Bescheid vom ... Dezember 2013 und beantragte,

die aufschiebende Wirkung der Klage - Anordnung der Abschiebung nach N. - wird angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2013 (richtig wohl 2014), bei Gericht am folgenden Tag eingegangen, trug der Bevollmächtigte vor, dass ein inländisches Vollstreckungshindernis vorliege, das das Bundesamt hätte berücksichtigen müssen. Der Antragsteller habe am 24. Juli 2013 die Vaterschaftsanerkennung für ein noch ungeborenes Kind mit dem Entbindungstermin 5. Februar 2014 abgeben. Seine Verlobte und werdende Mutter des Kindes sei syrische Staatsangehörige. Ihr Asylverfahren sei - zumindest teilweise - positiv unanfechtbar abgeschlossen. Der Kläger leide an PTBS mit latenter Suizidalität.

Die Verlobte sei am 18. Dezember 2013 wegen Familienzusammenführung aus dem Landkreis ... nach ... verlegt worden. Auch der Antragsteller habe zu diesem Zeitpunkt in die dann gemeinsame Unterkunft in der ...-Straße in ... gewechselt. Der Bescheid des Bundesamts habe ihn - wohl deshalb - bislang nicht erreicht.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2014, bei Gericht am 13. Januar 2014 eingegangen, legte die Antragsgegnerin die Behördenakten vor.

Mit Schreiben vom 25. Februar 2014 teilte der Prozessbevollmächtige mit, dass er nunmehr den Bescheid vom ... Dezember 2013 an den Antragsteller übermittelt habe. Das Kind des Klägers sei am ... Januar 2014 geboren worden. Es wurde eine Geburtsurkunde vorgelegt, in der ein Vater nicht benannt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Eilverfahrens und des Klageverfahrens (Az.: M 24 K 13.31408) sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet, weil das Gericht aufgrund summarischer Prü-fung der Sach- und Rechtslage davon ausgeht, dass die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache offen sind und die Interessenabwägung vorliegend zugunsten des privaten Aussetzungsinteresses des Antragstellers ausfällt.

1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft und rechtzeitig gestellt.

1.1. Der Antrag ist statthaft, da nach § 34a Abs. 2 Satz 1 des AsylVfG in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.8.20132013, BGBl. I S. 3474 geänderten und nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hier zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsanordnung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Satz 1 AsylVfG).

1.2. Der Eilantrag ist innerhalb einer Woche nach „Bekanntgabe“ (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) zu stellen. Dies ist vorliegend geschehen.

1.2.1. Dabei ist die Bekanntgabe noch nicht durch die mit Schreiben vom 20. Dezember 2013 erfolgte Übersendung des Bescheids an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers bewirkt worden. Denn der Prozessbevollmächtigte war insoweit kein Empfangsberechtigter des Antragstellers i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG. Wird ein Asylantrag - wie vorliegend - nur nach § 27a AsylVfG abgelehnt, ist nach § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG die Entscheidung zusammen mit der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG dem Ausländer persönlich zuzustellen und kommt mithin eine Empfangsvertretung durch den Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht. Dementsprechend soll, wenn der Ausländer durch einen Bevollmächtigten vertreten wird oder er einen Empfangsberechtigten benannt hat, diesem nach § 31 Abs. 1 Satz 6 AsylVfG auch lediglich ein „Abdruck“ der Entscheidung „zugeleitet“ werden.

1.2.2. Dieser Mangel der förmlichen Zustellung wurde aber vorliegend gemäß § 8 VwZG geheilt. Danach gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt, oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist.

Empfangsberechtigter ist dabei derjenige, an den die Zustellung nach dem Gesetz zu richten war (vgl. BVerwG, U. v. 18.4.1997, Az.: 8 C 43/95, BVerwGE 104, 301, juris Rn. 27) vorliegend also nach § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG der Antragsteller selbst. Der Empfangsberechtigte hat das Schriftstück i. S. v. § 8 VwZG erhalten, wenn es ihm vorgelegen hat und er die Möglichkeit hatte, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen (vgl. BVerwG, U. v. 18.4.1997, a. a. O., juris Rn. 27). Darüber hinaus setzt die Heilung von Zustellungsmängeln voraus, dass die Behörde den Willen hatte, den Bescheid bekannt zu geben (BVerwG, U. v. 18.4.1997, a. a. O., juris Rn. 29).

Nach diesen Maßstäben gilt der Bescheid des Bundesamts vom ... Dezember 2013 als dem Antragsteller mit heilender Wirkung im Sinne von § 8 VwZG zugestellt. Denn der Prozessbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 25. Februar 2014 mitgeteilt, dass er dem Antragsteller den Bescheid übermittelt habe. Damit wurde diesem nicht nur der Inhalt des Bescheids, sondern eine Kopie des Schriftstücks übermittelt. Dies reicht aus, um dem Empfangsberechtigten die nach § 8 VwZG erforderliche zuverlässige Kenntnis des zuzustellenden Schriftstücks zu verschaffen. Auf den exakten Zeitpunkt der Zustellung kommt es vorliegend nicht an, da mit dem Antrag vom 30. Dezember 2013 die einwöchige Antragsfrist in jedem Fall gewahrt ist. Auch die Frage, ob eine fehlerhafte Zustellung überhaupt Fristen in Lauf setzen kann, bedarf deshalb keiner Erörterung.

Die Antragsgegnerin hatte auch Bekanntgabewillen.

Der Antrag ist somit zulässig.

2. Der Eilantrag ist in der Sache auch begründet, weil die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach der hier gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung offen sind (2.1.) und das Suspensivinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse vorliegend überwiegt (2.2.).

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen (BVerwG, B. v. 25.3.1993, Az.: 1 ER 301/92, NJW 1993, 3213, juris Rn. 3).

Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angegriffene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit „ernstliche“ Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. dazu eingehend VG Trier, B. v. 18.9.2013, Az.: 5 L 1234/13.TR, juris Rn 5 ff.; VG Göttingen, B. v. 9.12.2013, Az.: 2 B 869/13, juris Rn. 16; VG München, B. v. 27.1.2014, Az.: M 4 S 14.30066). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

2.1. Rechtsgrundlage der angegriffenen Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

2.1.1. Vorliegend ist N. der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat i. S. v. § 27a AsylVfG.

Die Bestimmung des § 27a AsylVfG ist anwendbar, weil die - nach Art. 49 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26 Juni 2013 (Dublin-III-Verordnung) noch anwendbare - Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Dezember 2003 (Dublin-II-Verordnung) aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages seit 1. Mai 2006 auch für N. gilt (Bergmann in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 27a AsylVfG Rn. 3). Denn mit Beschluss Nr. 2001/258/EG des Rates vom 15. März 2001 über den Abschluss des Übereinkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Island und dem Königreich N. über die Kriterien und Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in Island oder in N. gestellten Asylantrags (ABl. EG v. 3.4.2001 Nr. L 93 S. 38 f. und S. 40 ff.), erweitert durch den Beschluss Nr. 2006/167/EG des Rates vom 21. Februar 2006 über den Abschluss eines Protokolls zum Übereinkommen zwischen der europäischen Gemeinschaft und der Republik Island und dem Königreich N. über die Kriterien und Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedsstaat oder in Island oder N. gestellten Asylantrags (ABl. EG vom 28.2.2006 Nr. L 57 S. 15 und 16 ff.) finden die Dublin-II-Verordnung und die angenommenen Durchführungsbestimmungen auch auf die Beziehungen mit N. Anwendung (siehe Art. 2 des Protokolls ABl. EG vom 28.2.2006 Nr. L 57 S. 16, 17).

2.1.2 Fraglich ist, ob i. S. v. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

2.1.2.1 Zwar hat N. dem Wiederaufnahmegesuch des Bundesamts vom 29. November 2013 mit Schreiben vom 6. Dezember 2013 gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) Dublin-II-Verordnung zugestimmt, so dass insofern feststeht, dass die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 27a AsylVfG zuständigen Staat grundsätzlich durchgeführt werden kann.

2.1.2.2. Ob jedoch das Bundesamt darüber hinaus die Reisefähigkeit als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG im Rahmen seiner Entscheidung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zu prüfen hat, wird in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet (vgl. VG Trier, B. v. 19.7.2011, Az.: 5 L 971/11.TR, juris Rn. 5 ff. zum Streitstand, VG Hannover, U. v. 7.11.2013, Az.: 2 A 4696/12, juris Rn. 53 ff. m. w. N.).

Diese rechtliche Frage wird abschließend im Rahmen der Hauptsache zu klären sein. Da das Bundesamt inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse nicht geprüft hat, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, sind die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache schon aus diesem Grund als offen zu betrachten.

Vorliegend hätte nach Auffassung des Gerichts Anlass zur Prüfung der Reisefähigkeit des Antragstellers bestanden. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der Beklagten lagen nach Auffassung des Gerichts genügend Hinweise auf eine evtl. fehlende Reisefähigkeit des Antragstellers vor. Zwar stammt das einzige bislang vorgelegte Attest eines Facharztes vom ... Februar 2013 und entspricht u. U. nicht vollumfänglich den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Substantiierung eines fachärztlichen Gutachtens hinsichtlich einer PTBS (vgl. BVerwGE 129, 251 ff.). Auch hat der Antragsteller im Rahmen seiner Anhörung selbst nur darauf hingewiesen, dass er auch wegen psychischer Probleme Tabletten nehme.

Jedoch gibt es außer dem Zeitablauf keine Anhaltspunkte dafür, dass die Reisefähigkeit des Antragstellers wieder hergestellt ist. Eine diesbezügliche positive Stellungnahme existiert nicht. Der Antragsteller hat sich darüber hinaus im Zeitraum zwischen der Stellung seines Asylantrags und seiner Anhörung wieder im Krankenhaus aufgehalten. Dieser Umstand spricht nicht für eine wieder hergestellte Reisefähigkeit. Der Antragsteller befindet sich weiter wegen mehrfacher gesundheitlicher Einschränkungen in ärztlicher Behandlung. In N. hat er bereits einen Suizidversuch unternommen und war danach in psychiatrischer Behandlung. Zu berücksichtigen ist ferner, dass es sich bei dem Antragsteller nach eigenen Worten um einen Analphabeten handelt.

Bei einer Gesamtschau dieser Umstände des Einzelfalls kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Frage der Reisefähigkeit des Antragstellers vorliegend weiterer Aufklärung bedarf, sofern man eine Prüfungspflicht des Bundesamt hinsichtlich inlandsbezogener Abschiebungshindernisse im Rahmen von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bejaht. Somit sind auch bezüglich dieser sich evtl. ergebenden weiteren Frage die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache offen.

2.2. Da die Erfolgsaussichten in der Hauptsache somit offen sind, hat das Gericht eine allgemeine Interessenabwägung vorzunehmen. Diese fällt vorliegend zugunsten des Antragstellers aus.

Für das öffentliche Vollzugsinteresse spricht, dass das europäische Recht effektiv durchgesetzt werden soll. Auf Seiten des Antragstellers ist jedoch eine mögliche, schwer wiegende Verletzung seines Rechts auf körperliche Unversehrtheit - insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass er bereits einen Suizidversuch unternommen hat - ernsthaft zu befürchten. Davon geht das Gericht nach dem Eindruck, den es aufgrund der Aktenlage gewonnen hat, aus. Diese Abwägung ergibt unter Berücksichtigung der Bedeutung des bedrohten Rechtsguts vorliegend das Überwiegen des privaten Suspensivinteresses des Antragstellers.

3. Nach alldem ist dem Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Zustellungen können an den allgemeinen oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten gerichtet werden. Sie sind an ihn zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Ist ein Bevollmächtigter für mehrere Beteiligte bestellt, so genügt die Zustellung eines Dokuments an ihn für alle Beteiligten.

(2) Einem Zustellungsbevollmächtigten mehrerer Beteiligter sind so viele Ausfertigungen oder Abschriften zuzustellen, als Beteiligte vorhanden sind.

(3) Auf § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung beruhende Regelungen und § 183 der Abgabenordnung bleiben unberührt.

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist, im Fall des § 5 Abs. 5 in dem Zeitpunkt, in dem der Empfänger das Empfangsbekenntnis zurückgesendet hat.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

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Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache unter dem Aktenzeichen 5 K 1233/13.TR bei dem beschließenden Gericht anhängigen Klage des Antragstellers wird angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

1

Der am 6. September 2013 gestellte Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. August 2013 anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO – in Verbindung mit §§ 34a Abs. 2, 75 Satz 1 Asylverfahrensgesetz – AsylVfG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), geändert durch den insoweit gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG seit dem 6. September 2013 anwendbaren Artikel 1 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474), zulässig.

2

Mit dem vorgenannten Bescheid hat die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG und Art. 16 Abs. 1e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet. Gegen beide Entscheidungen ist in der Hauptsache eine Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO statthaft, da die Antragsgegnerin mit ihrem Bescheid das Asylverfahren des Antragstellers ohne Sachprüfung abgeschlossen hat (vgl. insoweit BVerwG, Urteile vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 - und vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 -, juris; Bayerischer VGH, Urteil vom 14. Januar 2013 - 20 B 12.30348 -, juris; Urteil der erkennenden Kammer vom 30. Mai 2012 - 5 K 967/11.TR -, ESOVGRP), so dass § 80 VwGO anwendbar ist.

3

Des Weiteren wurde der Antrag ungeachtet der Frage, welche Frist für eine Antragstellung bei bereits vor Inkrafttreten der Änderung des § 34a AsylVfG bekannt gegebenen Bescheiden gilt, jedenfalls fristgerecht gestellt.

4

Der Antrag ist auch in der Sache begründet.

5

Bei der Entscheidung darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist, ist das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des Betroffenen an einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzuwägen. Insoweit finden die in den Fällen der vorliegenden Art in der Vergangenheit geltenden Einschränkungen, die darauf gründeten, dass aufgrund der bislang geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine angeordnete Abschiebung in einen anderen EU-Mitgliedstaat kraft Gesetzes nicht nach §§ 80, 123 VwGO ausgesetzt werden durfte, keine Anwendung mehr, so dass die allgemeinen Grundsätze gelten, zumal der Gesetzgeber insoweit die für offensichtlich unbegründete Asylanträge geltende Bestimmung des § 36 Abs. 4 AsylVfG, der zufolge eine Aussetzung der Abschiebung nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes angeordnet werden darf, nicht für entsprechend anwendbar erklärt hat und die Gesetzesmaterialen keine Anhaltspunkte für eine abweichende Gesetzauslegung bieten.

6

Die Bundestags-Drucksache 17/13556, die der Änderung des § 34a AsylVfG zugrunde liegt, enthält keine Angaben zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden kann. In der Bundestagssitzung vom 7. Juni 2013 (vgl. Plenarprotokoll 17/244 S. 30891 ff, insbesondere S. 30895) wurde alsdann vor der Beschlussfassung in 2. und 3. Lesung ausdrücklich auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eingegangen und darauf hingewiesen, dass nur noch entscheidend sei, ob dem Aussetzungsinteresse des Schutzsuchenden Vorrang vor dem Vollzugsinteresse der Behörde einzuräumen sei.

7

Die Materialien über die Beteiligung des Bundesrats am Gesetzgebungsverfahren ergeben ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 AsylVfG.

8

In der Bundesratsdrucksache 495/1/13 vom 21. Juni 2013 ist festgehalten, dass der Bundesratsausschuss für Innere Angelegenheiten dem Bundesrat gegenüber unter 3. eine Empfehlung folgenden Inhalts abgegeben hat:

9

„Der Bundesrat stellt aber fest, dass die Änderungen in § 34a AsylVfG ergänzungsbedürftig sind, weil sie das verwaltungsgerichtliche Verfahren bei Anträgen nach § 80 Absatz 5 VwGO ungeregelt lassen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, bei dem nächsten Gesetzentwurf zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes vorzusehen, dass im beschleunigten Verfahren bei Unbeachtlichkeit und offensichtlicher Unbegründetheit von Asylanträgen (§ 36 AsylVfG) entsprechende Bestimmungen ergänzt werden. Die Aussetzung der Überstellung darf nur angeordnet werden, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber erkennbar sind, sodass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH vom 21. Dezember 2011, Rs. C-411/10 und C-493/10).“

10

In der Sitzung des Bundesrates vom 5. Juli 2013 (vgl. Stenografischer Bericht, Plenarprotokoll 912, S. 401, 429 - Anlage 19) gab alsdann die rheinland-pfälzische Staatsministerin Margit Conrad eine Erklärung dahingehend zu Protokoll, dass die vorstehend zitierte Entschließung aus dem Innenausschuss nicht mitgetragen werden könne, weil sie den gerade wieder eingeführten einstweiligen Rechtsschutz wieder relativieren würde.

11

Bei der anschließenden Beschussfassung des Bundesrates schloss sich alsdann nur eine Minderheit des Bundesrates der dargestellten Beschlussempfehlung an (vgl. Plenarprotokoll 912, S. 401 zu Punkt 14, Ziffer 3).

12

Demnach kommt eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 AsylVfG nicht in Betracht, so dass die bei der Anwendung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 VwGO für kraft Gesetzes sofort vollziehbare Verwaltungsakte allgemein geltenden Grundsätze Anwendung finden müssen. Danach haben die Gerichte die Erfolgsaussichten der in der in der Hauptsache erhobenen Klage zu prüfen. Zu einer weitergehenden Einzelfallbetrachtung sind sie grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris).

13

Ausgehend hiervon erscheint es der Kammer interessengerecht, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, weil sie die Erfolgsaussichten der Klage unter Berücksichtigung der Gründe des den Beteiligten bekannten Beschlusses des OVG Rheinland-Pfalz vom 19. Juni 2013 - 10 B 10627/13.OVG –, auf die die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen in entsprechender Anwendung des § 77 Abs. 2 AsylVfG verweist, als zumindest offen einstuft, da der dortige Sachverhalt – insbesondere im Hinblick auf die vom Antragsteller geltend gemachten gesundheitlichen Probleme - mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar erscheint, und in dem von dem Antragsteller vorgelegten fachärztlichen Attest, auf das die Antragsgegnerin in ihrer ausführlichen Antragserwiderung nicht eingegangen ist, nachvollziehbar dargelegt ist, warum bei dem Antragsteller aufgrund besonderer Umstände seines Einzelfalles in Italien eine Verschlimmerung seiner gesundheitlichen Lage zu befürchten sei, so dass die vorzunehmende Interessenabwägung zu seinen Gunsten auszufallen hat.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.

15

Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

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Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird unter entsprechender Abänderung des Beschlusses der Kammer vom 11. April 2011 - 5 L 425/11.TR - einstweilen untersagt, eine Rücküberstellung des Antragstellers nach Ungarn gemäß §§ 27 a, 34 a Asylverfahrensgesetz zu betreiben.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten, in seinem Asylverfahren von ihrem Selbsteintrittsrecht nach der Dublin II - Verordnung gegenüber Ungarn Gebrauch zu machen und von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen, ist zulässig und hat insoweit Erfolg, als der Antragsgegnerin einstweilen eine Rücküberstellung des Antragstellers nach Ungarn zu untersagen ist. Ein derartiger Ausspruch entspricht auch letztlich dem Begehren des Antragstellers und erfordert keine teilweise Antragsablehnung, da das Gericht gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO nicht an den Wortlaut des gestellten Antrags gebunden ist und mit seinem Ausspruch nicht über das - entsprechend auszulegende - Begehren des Antragstellers hinausgeht.

2

Dabei steht dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers nicht der rechtkräftige Beschluss der Kammer vom 11. April 2011 - 5 L 425/11.TR - entgegen, mit dem es die Kammer abgelehnt hat, die Antragsgegnerin durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, im Asylverfahren des Antragstellers von ihrem Selbsteintrittsrecht nach der Dublin II - Verordnung gegenüber Ungarn Gebrauch zu machen. Insoweit kann es dahingestellt bleiben, ob die Abänderung eines im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen rechtskräftigen Beschlusses nach § 123 VwGO auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts wegen analog § 80 Abs. 7 VwGO (so OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. Mai 2010 - 8 ME 111/10 -, juris) oder aber analog § 927 ZPO (so OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. Dezember 1990 - 1 D 12325/90.OVG -) möglich ist, denn ungeachtet der Frage, aufgrund welcher Rechtsgrundlage grundsätzlich eine Abänderung eines im Verfahren nach § 123 VwGO ergangenen Beschlusses erfolgen kann (vgl. hierzu auch Kopp/Schenle, VwGO-Kommentar, 16. Auflage, § 123 Rdnr. 35), sieht die Kammer vorliegend Veranlassung, ihren Beschluss vom 11. April 2011 abzuändern und nunmehr der Antragsgegnerin aufzugeben, gegenüber dem Antragsteller bis auf Weiteres von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.

3

Ferner hindert § 123 Abs. 5 VwGO nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO, denn der bei den Akten befindliche Bescheid vom 26. Mai 2011, mit dem die Antragsgegnerin ausführt, dass der Asylantrag des Antragstellers unzulässig ist, und seine Abschiebung nach Ungarn anordnet, ist mangels Bekanntgabe an den Antragsteller ihm gegenüber noch nicht gemäß § 43 VwVfG in Verbindung mit § 31 AsylVfG wirksam geworden.

4

Schließlich steht § 34a Abs. 2 AsylVfG der Statthaftigkeit des vorliegenden Antrags nicht entgegen. Zwar hat die Kammer bislang in ständiger Rechtsprechung hinsichtlich der Rückführung von Ausländern nach Ungarn die Auffassung vertreten, dass Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 34 a Abs. 2 AsylVfG unstatthaft seien, wenn Ungarn gemäß § 27 a AsylVfG für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig sei. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteile vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -), da einer der dort aufgeführten Ausnahmefälle oder ein vergleichbarer Fall, der zur Unanwendbarkeit des § 34 a Abs. 2 AsylVfG führe, nicht generell bei Rückführungen nach Ungarn anzunehmen sei. Grundsätzlich sei vielmehr davon auszugehen, dass Ungarn als Vertragsstaat nach dem Dubliner Übereinkommen den notwendigen Schutz für Asylsuchende gewähre, so dass lediglich erhebliche individuelle Gründe einen Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründen könnten (vgl. Beschluss der Kammer vom 20. Dezember 2010 - 5 L 1482/10.TR -). An dieser Rechtsprechung hält die Kammer weiterhin fest, ist aber der Überzeugung, dass vorliegend erhebliche individuelle Gründe einen Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründen, weil der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, dass derzeit bei ihm ein inländisches Abschiebungshindernis besteht, nachdem das Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie dem Antragsteller unter dem 12. Juli 2011 eine bis auf Weiteres bestehende Reise- und Transportunfähigkeit attestiert hat.

5

Zur Berücksichtigung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse durch die Antragsgegnerin hat das OVG Hamburg in einem Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris, ausgeführt:

6

"Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt in Fällen, in denen der Ausländer in einen sicheren Drittstaat oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. ...

7

Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann die Abschiebung (nur) durchgeführt werden, wenn sie rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist; andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (§ 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Zwar dürfte der Gesetzgeber mit der Formulierung in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, ("... sobald feststeht, dass sie [die Abschiebung] durchgeführt werden kann"), vorrangig darauf abgestellt haben, dass das Bundesamt zunächst die Übernahmebereitschaft des Zielstaates zu klären und insbesondere die Fragen zu prüfen hat, ob eine Rückführung in allernächster Zeit (alsbald) auch möglich sein wird und ob ansonsten die technischen Details einer Überstellung des Drittstaatsangehörigen in den übernahmebereiten Staat geregelt sind. Weitere Voraussetzung einer Abschiebungsanordnung ist aber, dass die Abschiebung nicht aus subjektiven, in der Person des Ausländers liegenden Gründen - auch nur vorübergehend - rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist. Denn im Gegensatz zur Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG, die das Bundesamt mit der Entscheidung über den Asylantrag erlässt und bei der es nur so genannte zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu berücksichtigen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.11.1997, BVerwGE 105, 323 ff, juris Rn. 8, 9, und Urt. v. 25.11.1997, BVerwGE 105, 383 ff., juris Rn. 9 ff.), muss das Bundesamt bei Erlass der Abschiebungsanordnung feststellen, dass alle Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Abschiebung erfüllt sind und die Abschiebung durchgeführt werden kann. Ist eine Abschiebung aus in der Person des Ausländers liegenden Gründen aber rechtlich oder tatsächlich nicht möglich - weil der Aufenthaltsbeendigung insoweit ein innerstaatliches Abschiebungshindernis entgegen steht -, ist die Abschiebungsanordnung rechtswidrig.

8

Eine "Ausblendung" solcher innerstaatlicher Abschiebungshindernisse bei Erlass der auf die unmittelbare Aufenthaltsbeendigung gerichteten Maßnahme nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist auch nicht durch Art. 16a Abs. 2 GG gerechtfertigt. Solche Hindernisse, die in der Person des Ausländers begründet sind, können ihrer Eigenart nach nicht im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung, das generell die Annahme der Sicherheit vor politischer Verfolgung in bestimmten Drittstaaten betrifft, von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden. Deshalb erfasst der Ausschluss vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nach Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG, § 34 a Abs. 2 AsylVfG inlandsbezogene Abschiebungshindernisse nicht (vgl. BVerfG, Urt, v. 14.5.1996, BVerGE 94, 49 ff., juris, Rn. 189; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Januar 2010, § 34 a AsylVfG, Rn. 15; Müller, HK-AusIR, 1. Aufl. 2008, § 34 a AsylVfG, Rn. 18).

9

Schon aus dem Vorstehenden folgt, dass inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Rahmen des Erlasses einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG, für die ausschließlich das Bundesamt zuständig ist, ausnahmsweise (auch) vom Bundesamt und nicht - wie grundsätzlich im Asylverfahrens- und im Ausländerrecht geregelt- von der Ausländerbehörde zu prüfen sind (wie hier: OVG Greifswald, Beschl. v. 29.11.2004, 2 M 299/04, juris, Rn. 9; VG Aachen, Beschl. v. 28.10.2010, 7 L 419/10.A, juris Rn. 14 ff.; VG Saarlouis, Beschl. v. 20.9.2010, 6 L 919/10, juris; , VG Weimar, Beschl. v. 11.12.2009, 7 E 20173/09, juris; VG Karlsruhe, Beschl. v. 9.12.2008, 4 K 39116/08, juris; VG Würzburg, Urt. V. 26.7.2007, W 5 K 07.30121, juris; VG Freiburg, Beschl. v. 30.10.2006, A 3 K 710/06; juris; VG Oldenburg, Urt. v. 28.9,2005, 11 A 3134/04, juris; VG Hamburg, Beschl. v. 22.9.2005, 13 AE 555/05; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Januar 2010, § 34a AsylVfG, Rn. 15; Hailbronner, AusIR, 48. Aktualisierung August 2006, § 43a AsylVfG Rn. 45; indifferent Müller, HK-AusIR, 1. Aufl. 2008, § 34 a AsylVfG, Rn. 18: Eilantrag [auch] gegen Bundesamt; a.A. VG Düsseldorf, Urt. v. 30.7.2010, 13 K 3075/10.A, juris; VG Frankfurt, Beschl. v. 1.8.2002, 5 G 2082/02.A, juris; VG Gießen, Urt. v. 22.8.2003, 2 E 2152/03.A).

10

Für eine "Gesamtzuständigkeit" des Bundesamtes zur Feststellung inlandsbezogener und zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse sprechen ferner Sinn- und Zweck des § 34a AsylVfG und die dadurch umgesetzten gemeinschaftsrechtlichen Regelungen. In den Fällen des § 27a AsylVfG schließt diese Zuständigkeit neben der Prüfung etwaiger Abschiebungshindernisse und dem Erlass der Abschiebungsanordnung auch die Entscheidung des Bundesamtes ein, gegebenenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO auszuüben. Einer vom Gesetzgeber beabsichtigten möglichst kurzfristigen Überstellung eines Asylantragstellers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen (Aufnahme-)Staat würde es entgegen stehen, im Rahmen der Anordnung der Abschiebung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die Prüfungskompetenz für inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und für zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse aufzuspalten und unterschiedlich Behörden mit entsprechenden Feststellungen zu beauftragen.

11

Dazu im Einzelnen:

12

Das Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, soll nach den Regelungen der Dublin II VO zügig durchgeführt und durch die Überstellung des Asylantragstellers in den aufnahmebereiten Mitgliedstaat möglichst kurzfristig abgeschlossen werden. Dieses Beschleunigungsgebot ergibt sich unter anderem aus den relativ kurzen Fristen, die sowohl dem um die Aufnahme des Drittstaatsangehörigen ersuchten Mitgliedstaat für eine entsprechende Antwort gegenüber dem ersuchenden Staat gesetzt sind (vgl. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Dublin II VO) als auch aus der Frist, innerhalb derer ein Asylantragsteller in den Mitgliedstaat, der seiner Aufnahme zugestimmt hat, zu überstellen ist (vgl. Art. 19 Abs. 3 Dublin II VO). Dementsprechend sieht auch das nationale Recht eine im Regelfall beschleunigte Durchführung des Überstellungsverfahrens vor. Nach § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG bedarf es weder einer vorherigen Androhung (der Abschiebung) noch einer Fristsetzung. Weiter darf nach Absatz 2 dieser Norm im Regelfall die Abschiebung nicht nach § 80 VwGO oder § 123 VwGO ausgesetzt werden.

13

Mit dem aus diesen gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Regelung ersichtlichen Beschleunigungsgebot wäre schwerlich zu vereinbaren, dass das Bundesamt zwar für die Anordnung der Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zuständig ist, dass aber vor einer Überstellung des Drittstaatsangehörigen in den aufnahmebereiten Drittstaat nicht das Bundesamt, sondern die Ausländerbehörde zu prüfen hätte, ob gegebenenfalls tatsächliche und/oder rechtliche Hindernisse einer Aufenthaltsbeendigung entgegen stehen (vgl. auch zu dem mit Dublin II VO verfolgten Ziel einer zügigen Bearbeitung von Asylanträgen EuGH [Vierte Kammer], Urt. v. 29.1.2009, NJW 2009, 639 ff.).

14

Schließlich spricht die Möglichkeit gegenläufiger Entscheidungen gegen ein Auseinanderfallen der Zuständigkeit für die Prüfung von inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen einerseits und für den Erlass der Abschiebungsandrohung andererseits. Dazu könnte es kommen, wenn die Ausländerbehörde in Bezug auf einen Asylantragsteller ein (tatsächliches oder rechtliches) Abschiebungshindernis von unbestimmter Dauer feststellt (etwa wegen dauernder Reiseunfähigkeit, familienbedingter Notwendigkeit des Daueraufenthalts im Bundesgebiet u.ä.) und deshalb die Überstellung des Drittstaatsangehörigen in den für das Asylverfahren zuständigen Staat trotz Vorliegens einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG dauerhaft aussetzt, das Bundesamt gleichwohl an seiner Anordnung festhält und insbesondere sein Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO nicht wahrnimmt. Dann könnte der Drittstaatsangehörige zwar für nicht absehbare Zeit nicht aus dem Bundesgebiet abgeschoben werden, er wäre zugleich aber auch (wegen seines hiesigen Aufenthalts) dauerhaft an der Verfolgung seines - gegebenenfalls begründeten - Anspruchs auf Anerkennung als asylberichtigt bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gehindert. Dieses Ziel könnte er in diesem Fall nur nach dem Verlassen Deutschlands - was ihm im Fall der Feststellung eines dauerhaften inlandsbezogene Abschiebungshindernisse etwa aus familiären Gründen gerade nicht zumutbar ist - in dem Zielstaat der Abschiebungsanordnung des Bundesamt (hier Rumänien) weiter verfolgen.

15

Ein solcher - durch nicht abgestimmte Entscheidungen der Ausländerbehörde und des Bundesamtes gegebenenfalls drohender - "Zielkonflikt" könnte vermieden werden, wenn das Bundesamt sowohl die Feststeilung trifft, ob in Bezug auf die Person des Drittstaatsangehörigen gegebenenfalls inlandsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen, als auch im Anschluss an diese Prüfung die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erlässt (Entscheidung aus "einer Hand"). Damit wird gewährleistet, dass bei Vorliegen eines dauerhaften inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses das durch den Asylantrag geltend gemachte, gegebenenfalls begründete Begehren des Drittstaatsangehörigen nicht leerläuft, Schutz vor politischer Verfolgung durch Anerkennung als Asylberechtigter bzw. durch Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu finden. Insoweit könnte sich in einem Einzelfall für das Bundesamt aus Verfassungsrecht, insbesondere Art. 6 Abs. 1 GG ergeben, zum Schutz einer im Bundesgebiet gelebten familiären Lebensgemeinschaft, deren Unterbrechung zum Zweck der (zeitlich nicht absehbaren) Durchführung eines Asylverfahrens in einem anderen Staat dem Asylantragsteller unzumutbar ist, sowohl von der Durchsetzung der Abschiebung des Drittstaatsangehörigen abzusehen als auch die Bearbeitung seines Asylgesuchs entsprechend Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO in eigener Zuständigkeit zu übernehmen (vgl. zur Frage einer gegebenenfalls einklagbaren Verpflichtung des Bundesamt zum Selbsteintritt OVG Koblenz, Beschl. v. 10.12.2008, 10 A 10918/08, juris; VG Frankfurt, Urt. v. 8.7.2009, NVwZ 2009, 1176 ff). Eine insoweit gegebenenfalls geboten erscheinende Harmonisierung berechtigter Aufenthaltsziele ließe sich - wie die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde zutreffend eingewandt hat - schwerlich erreichen, wenn dem Bundesamt im Rahmen des § 34a AsylVfG die Feststellung von inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse abgesprochen würde."

16

Diese Ausführungen des OVG Hamburg macht sich die Kammer zu Eigen und ist daher der Auffassung, dass die Antragsgegnerin in den Fällen des § 34a AsylVfG auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu berücksichtigen hat.

17

Da der Antragsteller indessen durch Vorlage einer von einer anerkannten Fachklinik - das Pfalzklinikum ist ein Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz - ausgestellten fachärztlichen Bescheinigung, die ihm Reise- und Transportunfähigkeit attestiert, das Vorliegen eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses glaubhaft gemacht hat, sieht sich die Kammer veranlasst, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis auf Weiteres eine Überstellung des Antragstellers nach Ungarn zu untersagen.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

19

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.