Verwaltungsgericht Minden Urteil, 07. Mai 2014 - 3 K 1656/13
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherung in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Hausgrundstücks T.---------straße 4 in C. . An das Grundstück des Klägers grenzt ein 1,95 m breiter Gehweg. Derzeit befindet sich vor dem Nachbargrundstück T.---------straße 2 eine Bushaltestelle. Die Beklagte plant eine Verlagerung der Bushaltestelle vor das Grundstück des Klägers und zusätzlich den Bau einer in die Fahrbahn hineinragenden, ca. 1,85 bis 1,9 m breiten sog. Fahrgastaufstellfläche, die durch einen 18 cm hohen Hochbord von der Fahrbahn getrennt sein soll, ein Gefälle von ca. 2,5 % zum angrenzenden Grundstück des Klägers haben und mit dem vorhandenen Gehweg optisch eine einheitliche Fläche bilden soll. Die geplante Fahrgastaufstellfläche soll einen Abstand von mindestens 3 m zur Grundstückseinfahrt des Klägers haben. Die Fertigstellung dieses Vorhabens, das einen barrierefreien Zugang zu den Bussen ermöglichen und darüber hinaus eine Verkehrsberuhigung bewirken soll, ist für die 2. Hälfte des Jahres 2014 geplant.
3Nachdem die Beklagte den Kläger bereits mit Schreiben vom 04.02.2013 mitgeteilt hatte, dass sich seine satzungsmäßige Winterdienstpflicht auch auf die geplante Fahrgastaufstellfläche erstrecken werde, hat der Kläger am 26.04.2013 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sich gegen eine Verpflichtung zum Winterdienst auf der vor seinem Grundstück geplanten Fahrgastaufstellfläche wendet. Nach der Straßenreinigungssatzung der Beklagten sei der Winterdienst nur auf Gehwegen zu leisten, zu denen eine Fahrgastaufstellfläche aber schon begrifflich nicht gehöre. Dementsprechend sei in den Planungsunterlagen der Beklagten auch vom Gehweg und der Fahrgastaufstellfläche die Rede. Eine Erstreckung der Winterdienstpficht auf die geplante Fahrgastaufstellfläche würde insbesondere gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 der Straßenreinigungssatzung verstoßen, wonach sich die Verpflichtung zum Schneeräumen auf Gehwegen nur auf eine Breite von 1,5 m beziehe. Eine Einbeziehung der Fahrgastaufstellfläche in die Winterdienstpflicht würde unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 2 der Satzung den satzungsmäßig zu räumenden Bereich um mehr als das Doppelte erweitern und den Kläger in unzumutbarer Weise belasten. Dies sei nach dem Urteil des OVG Münster vom 03.12.2012 - 9 A 282/10 - unzulässig. Danach dürfe es eine "weitere", die Fahrgastaufstellfläche umfassende Räumpflicht des Klägers nicht geben, weil diesem ein "weiterer" Vorteil hinsichtlich der Erschließung seines Grundstücks durch die Fahrgastaufstellfläche nicht erwachse. Da die Last der Räumpflicht die Kehrseite des Vorteils der Erschließung sei, könne eine verschlechterte Erschließung nicht eine erweiterte Räumpflicht rechtfertigen. Außerdem wäre mit der Erstreckung der Räumpflicht auf die Fahrgastaufstellfläche, welche eine leichtes Gefälle aufweise, auch ein unkalkulierbares und daher unzumutbares Risiko verbunden. Im Übrigen sei nicht erkennbar, weshalb der Kläger für eine verkehrsflusssteuernde Maßnahme der Beklagten verantwortlich sein solle. Da die durch das Bauvorhaben beabsichtigte Verkehrsberuhigung die vorhandene Erschließung jedenfalls nicht verbessere, komme eine Abwälzung der durch diese Maßnahme verursachten erweiterten Schneeräumpflicht auf den Kläger nicht in Betracht. Darüber hinaus sei die Übertragung der Schneeräumpflicht auf der geplanten Fahrgastaufstellfläche auf den Kläger auch deshalb unwirksam, weil sie schlechthin unerfüllbar sei. Eine Ablagerung des geräumten Schnees auf der Straße scheide aus, weil dies das Anfahren der Busse erschweren würde. Eine Ablagerung am Rande der Fahrgastaufstellfläche komme nicht in Betracht, da der dort aufgetürmte Schnee einen nahezu unüberwindbaren Wall beim Ein- und Ausstieg der Fahrgäste bilden würde. Auch eine Lagerung an der dem Grundstück des Klägers zugewandten Seite der Fahrgastaufstellfläche scheide aus, weil angesichts des geplanten Gefälles dieser Fläche und des erhöhten Fußgängeraufkommens der Einsatz auftauender Mittel erforderlich wäre und die Gefahr bestehe, dass der dadurch verunreinigte, geschmolzene Schnee auf das angrenzende Grundstück des Klägers gelangen und dort den Boden verunreinigen und die Bepflanzung schädigen könne. Schließlich werde bei der Ausführung der geplanten Fahrgastaufstellfläche durch den Höhenunterschied zwischen dem Hochbord (18 cm) und dem auf der Grundstückseinfahrt des Klägers befindlichen abgesenkten Bordstein von nur 2 cm ein erhebliches Gefälle entstehen, welches sich risikoerhöhend auf die Glättegefahr auf dem Gehweg auswirken würde.
4Der Kläger beantragt,
5festzustellen, dass eine Verpflichtung des Klägers zur Schneeräumung auf einer dem Gehweg (geplanten) vorgelagerten Fahrgastaufstellfläche der Bushaltestelle vor seinem Grundstück T.---------straße 4 in C. nicht besteht.
6Die Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Sie ist der Auffassung, dass die vorbeugende Feststellungsklage, soweit sie überhaupt zulässig sein sollte, jedenfalls unbegründet sei. Denn die noch zu erstellende Fahrgastaufstellfläche vor dem Grundstück des Klägers werde Teil des dort schon vorhandenen Gehweges werden, da sie durch einen Hochbord von der Fahrbahn getrennt und ausdrücklich für den Fußgängerverkehr vorgesehen sei und mit dem bereits vorhanden Gehweg auch optisch eine einheitliche Fläche bilden werde. Für den Winterdienst auf einer solchen Fahrgastaufstellfläche würden also die Regelungen des § 4 der Straßenreinigungssatzung für die Gehwegreinigung gelten. Gemäß § 4 Abs. 1 und 2 dieser Satzung würde der Kläger somit zusätzlich zu seiner bereits bestehenden Verpflichtung, den Gehweg vor seinem Grundstück im Winter auf einer Breite von 1,5 m von Schnee und Eis freizuhalten, lediglich verpflichtet, auf der Fahrgastaufstellfläche zwei Durchgänge für Ein- und Ausstieg der Fahrgäste in einer Breite von 1-1,50 m zu räumen, was - gemessen an den Belastungen in den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen - nicht unzumutbar wäre. Auch bestehe keine zwingende Notwendigkeit der Verwendung abtauender Mittel. Diese sei insbesondere nicht durch ein außergewöhnliches Gefälle der Fahrgastaufstellfläche bedingt. Auch im Bereich der Grundstückseinfahrt des Klägers werde kein unübliches Gefälle bestehen.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
10Entscheidungsgründe:
11Die Klage, bei der es sich um eine (vorbeugende) Feststellungsklage i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO handelt,
12zur Statthaftigkeit der Feststellungklage in Fällen der vorliegenden Art vgl. z.B. VG Minden, Urteil vom 26.03.2013 - 3 K 2684/11 - (rk), juris, Rdnr. 16
13ist jedenfalls unbegründet. Die Übertragung der Straßenreinigungspflicht (Sommerreinigung und Winterdienst) für den Gehweg vor dem Grundstück des Klägers T.---------straße 4 in C. ist wirksam. Diese Straßenreinigungspflicht würde auch die - hier streitige - Winterwartung auf einer noch in der Planung befindlichen, an den vorhandenen Gehweg unmittelbar angrenzenden Fahrgastaufstellfläche umfassen. Das ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:
14Die Zulässigkeit der Übertragung der Straßenreinigungspflicht folgt aus § 4 StrReinG NRW. Nach dem Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift kann die Gemeinde die Reinigung der Gehwege durch Satzung den Eigentümern der an die Gehwege angrenzenden und durch sie erschlossenen Grundstücke auferlegen.
15Von dieser gesetzlichen Befugnis hat die Beklagte in grundsätzlich zulässiger Weise in § 2 Abs. 1 der Satzung über die Straßenreinigung und die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren in der Stadt C. (Straßenreinigungs- und Gebührensatzung - SGS -) vom 23.11.1978 in der hier maßgeblichen Fassung der 33. Änderungssatzung vom 16.12.2013 in Verbindung mit dem zugehörigen Straßenreinigungsverzeichnis Gebrauch gemacht. Nach diesem Straßenreinigungsverzeichnis gehört die T.---------straße zur Reinigungsklasse 10. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 SGS obliegt den Eigentümern (u.a.) in der Reinigungsklasse 10 die Reinigungspflicht einschließlich der Winterwartung für die Gehwege vor ihrem Grundstück.
16Die in der Planung befindliche Fahrgastaufstellfläche (sog. Buskap) vor dem Grundstück des Klägers wird - entgegen der Ansicht des Klägers - nach ihrer Fertigstellung tatsächlich und rechtlich Teil des Gehweges sein.
17Gehwege im reinigungsrechtlichen Sinn sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz SGS selbstständige Gehwege sowie alle Straßenteile, die erkennbar von der Fahrbahn abgesetzt sind und deren Benutzung durch Fußgänger und Fußgängerinnen vorgesehen oder geboten ist. Ein Gehweg in diesem Sinne ist danach jedenfalls dann gegeben, wenn der Bürgersteig durch einen Bordstein erkennbar zur Nutzung für Fußgänger von der Fahrbahn abgegrenzt ist.
18Vgl. z.B. Jürgen Müller, "Zur Zumutbarkeit der Übertragung der Gehwegsreinigung insbesondere bei Bushaltestellen nach nordrhein-westfälischem Straßenreinigungsrecht", in: KStZ 2013, Seite 186.
19Nach den Planungen der Beklagten wird die Fahrgastaufstellfläche, die im Zuge der Verlagerung der Bushaltestelle vor dem Grundstück des Klägers errichtet werde soll, durch einen 18 cm hohen Bordstein (sog. Buskapstein) von der Fahrbahn abgegrenzt sein und mit dem bereits vorhandenen Bürgersteig eine optisch einheitliche Fläche bilden. Die Fahrgastaufstellfläche (Buskap) wird daher nach ihrer Fertigstellung Bestandteil des Gehweges sein, auch wenn sie in den Planungsunterlagen der Beklagten nicht als solcher bezeichnet wird.
20Vgl.: Wichmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 7. Auflage 2013, Rdnr. 80.
21Auch die weiteren Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 StrReinG NRW für die Übertragung der Straßenreinigungspflicht sind hier erfüllt, weil der in Frage stehende Gehweg an das Grundstück des Klägers angrenzt und dieses auch erschließt, indem von ihm rechtlich und tatsächlich eine zumindest fußläufige Zugangsmöglichkeit zum Grundstück besteht und dadurch die Möglichkeit einer innerhalb geschlossener Ortslagen üblichen und sinnvollen wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks eröffnet wird. Der Begriff der Erschließung im straßenreinigungsrechtlichen Sinne ist nicht identisch mit dem gleichlautenden Begriff in anderen Gesetzen und setzt eine Zufahrtsmöglichkeit für Fahrzeuge nicht voraus.
22Ständige Rechtsprechung des zuständigen 9. Senats des OVG NRW, vgl. Beschluss vom 26.09.2013 - 9 A 1809/11 - m.w.N. und Urteil vom 03.12.2012 - 9 A 282/10 - juris, Rdnr. 26; ebenso VG Minden, Urteil vom 02.01.2013 - 3 K 1217/12 - (rk).
23Dass sich - wie der Kläger meint - durch die geplante Fahrgastaufstellfläche eine "Verschlechterung" der vorhandenen Erschließung seines Grundstücks ergeben werde, schließt die festgestellte Erschließung im straßenreinigungsrechtlichen Sinn als Voraussetzung für die Wirksamkeit der Übertragung der Straßenreinigungspflicht für den Gehweg auf den Kläger jedenfalls nicht aus. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die mit dem Bau des Buskaps verbundene und beabsichtigte Verkehrsberuhigung sich auf das Grundstück des Klägers durchaus auch vorteilhaft auswirken dürfte.
24Danach sind im vorliegenden Fall die Satzungsbestimmungen über die Gehwegreinigung anwendbar. Dies gilt auch für die Winterwartung auf einem Buskap.
25Ebenso: Wichmann, a.a.O., Rdnr. 80.
26Entgegen der Ansicht des Klägers wird auf dem Buskap nach seiner Fertigstellung eine satzungskonforme Winterwartung möglich sein. Zu beachten sind insoweit insbesondere die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 SGS. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 SGS ist die Pflicht zur Winterwartung auf Gehwegen auf eine Breite von 1,5 m begrenzt. Gemäß § 4 Abs. 2 SGS müssen an Haltestellen für öffentliche Verkehrsmittel die Gehwege zusätzlich so von Schnee freigehalten und bei Glätte bestreut werden, dass ein möglichst gefahrloser Zu- und Abgang gewährleistet ist. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 SGS ist der Schnee auf dem an die Fahrbahn angrenzenden Teil des Gehwegs oder - wo dies nicht möglich ist - auf dem Fahrbahnrand so zu lagern, dass der Fahr- und Fußgängerverkehr hierdurch nicht mehr als unvermeidbar gefährdet oder behindert wird. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit dieser Satzungsbestimmungen bestehen nicht. Insbesondere verstößt die Vorschrift des § 4 Abs. 2 SGS trotz des überwiegenden Allgemeininteresses des Winterdienstes auf Gehwegen an Bushaltestellen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.08.1993 - 9 A 3294/91 -.
28Die vorgenannten Satzungsbestimmungen regeln auch den Winterdienst auf dem geplanten Buskap. Diese Satzungsbestimmungen lassen dem Kläger eine gewisse Gestaltungsfreiheit bei der Ausübung seiner zukünftigen Räumpflichten. So stünde es ihm frei, auf dem Buskap parallel zur Fahrbahn in einem Abstand von etwa 0,75 bis 1 m von der Bordsteinkante bis zu der auf dem Buskap markierten Haltelinie für die Busse den gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 SGS vorgeschriebenen 1,5 m breiten Streifen von Schnee zu räumen bzw. mit abstumpfenden Stoffen zu bestreuen und ab dieser Linie diesen Streifen in Form eines zu seinem Grundstück ansteigenden Parallelogramms bis zu dem bisherigen Gehweg fortzuführen. An den Stellen, an denen üblicherweise die Fahrertür und die (breitere) Mitteltür der Busse zum Stehen kommen, wären gemäß § 4 Abs. 2 SGS von dem geräumten Streifen aus ein etwa 0,75 breiter Durchlass zur Fahrertür und ein etwa 1,5 m breiter Durchlass zur Mitteltür zu schaffen. Bei einem Bus mit mehr als zwei Türen würde bei Schneefall jedenfalls die Öffnung von zwei Türen, nämlich der Fahrer- und der Mitteltür, ausreichen.
29nach Müller, a.a.O., S. 191 wäre bei extremen Schneelagen sogar nur ein geräumter Bereich zur Fahrertür ausreichend.
30Der geräumte Schnee könnte gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 SGS auf der ca. 0,75 bis 1 m breiten, nicht geräumten Fläche zur Fahrbahn hin gelagert werden. Die satzungsgemäße Erfüllung der Winterdienstpflicht auf dem Buskap in der vorbeschriebenen Weise wäre für den Kläger - verglichen mit seinen gegenwärtigen Anliegerpflichten - nur mit einem geringen zusätzlichen Mehraufwand an Zeit und Arbeit, nämlich einer zusätzlich zu räumenden Fläche von weniger als 3 m², verbunden und wäre daher für ihn zumutbar.
31Vgl. auch dazu: OVG NRW, Urteil vom 11.08.1993 - 9 A 3294/91 -.
32Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich aus dem Urteil des OVG NRW vom 03.12.2012 - 9 A 282/10 - nicht, dass die Übertragung der Winterdienstpflicht für den Buskap auf den Kläger wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unwirksam wäre. Zwar hat die Übertragung der Gehwegreinigung auf den Anlieger den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips Rechnung zu tragen. Der Gedanke der Zumutbarkeit stellt gleichsam eine Art ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 1 Satz 1 StrReinG NRW dar. Aus dem Fehlen eines dem § 4 Abs. 1 Satz 2 StrReinG NRW entsprechenden Halbsatzes in Bezug auf die Übertragung der Gehwegreinigung in § 4 Abs. 1 Satz 1 StrReinG NRW folgt allerdings, dass der Gesetzgeber die Übertragung der Gehwegreinigung - unter verkehrlichen Gesichtspunkten - ohne Weiteres für Zumutbar hält. Die Übertragung von Reinigungs- und Winterdienstpflichten erfordert aber in jedem Fall eine sorgfältige Prüfung der Zumutbarkeit und Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse.
33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 03.12.2012 - 9 A 282/10 -, juris, Rdnr. 38 ff.; VG Minden, Urteil vom 20.03.2013 - 3 K 2684/11 - (rk), juris, Rdnr. 34, 38 - 40;
34Wichmann, a.a.O., Rdnr. 189 f. (S. 303 ff.).
35So kann sich die Unzumutbarkeit der Gehwegreinigung aus einer besonderen Gefährdung für Leib und Leben des räumpflichtigen Anliegers
36vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.05.1988 - 3 A 142/87 -
37oder auch daraus ergeben, dass der Umfang der Reinigungspflicht maßgeblich durch Umstände geprägt ist, die mit der normalen Erschließungsfunktion der Straße und einem darauf stattfindenden Verkehr nichts zu tun haben, sodass die Durchführung der Straßenreinigung eine vorwiegend im Allgemeininteresse liegende Aufgabe ist, hinter der die grundstücksbezogenen Interessen der Anlieger zurücktreten.
38Vgl. OVG NRW, Urteile vom 03.12.2012, a.a.O. und vom 18.11.1996 - 9 A 5584/94 -; OVG Lüneburg, Urteil vom 14.02.2007 - 12 KN 399/05 -, OVGE MüLü 50, 424; VG Minden, Urteil vom 20.03.2013, a.a.O.
39Solche Ausnahmefälle, in denen die Übertragung der Gehwegreinigung unzumutbar und damit auch unverhältnismäßig wäre, liegen hier aber nicht vor.
40Durch die Einbeziehung der Fahrgastaufstellfläche in die Winterdienstpflicht des Klägers ergäbe sich zunächst keine besondere Gefährdung für Leib und Leben des Klägers. Die geplante Neigung dieser zusätzlichen Fläche wird nach der Planung der Beklagten ca. 2,5 % betragen, sich damit im Normalbereich bewegen und kaum wahrnehmbar sein. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einem Gehweg mit "normalem" Gefälle die Durchführung des Winterdienstes für den räumungspflichtigen Anlieger nicht mit einer unzumutbaren Gefährdung und im Übrigen auch nicht mit einem unzumutbaren Haftungsrisiko verbunden ist.
41vgl. VG Freiburg, Urteil vom 14.11.2007 - 1 K 762/07 -, juris, Rdnr. 20; ebenso: Jürgen Müller, a.a.O., Seite 188; Wichmann, a.a.O., Rdnr. 190.
42Im Bereich der Grundstückseinfahrt des Klägers, die nach den aktuellen Planungen der Beklagten mindestens 3 m vom Buskap entfernt sein soll, würde sich baulich gegenüber dem jetzigen Zustand keine wesentliche Veränderung und damit für den Kläger auch keine erhöhte Gefährdung bei der Durchführung des Winterdienstes ergeben. Entsprechendes gilt auch für sein Haftungsrisiko, das ebenfalls nicht erhöht wäre.
43Auch der weitere, vom OVG Münster im Urteil vom 03.12.2012, a.a.O. (juris, Rdnr. 50) genannte, Ausnahmefall liegt hier - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht vor. Wie das erkennende Gericht bereits in seinem Urteil vom 20.03.2013 - 3 K 2684/11 -, juris, Rdnr. 49, ausgeführt hat, setzt dieser Ausnahmefall ausweislich des vom OVG Münster im Urteil vom 03.12.2012 zitierten Urteils desselben Senats vom 18.11.1996 - 9 A 5984/94 - voraus, dass Umstände vorliegen müssen, die in einem besonderen Maße zur Verschmutzung des Weges beitragen und die mit der Funktion des Weges als Erschließungsstraße und der normalen Verschmutzung einer solchen Straße durch die Anlieger und des durch sie veranlassten Verkehrs nichts zu tun haben.
44Vgl. auch Wichmann, a.a.O., Rdnr. 191.
45Solche zur Unzumutbarkeit der Lastenübertragung führenden besonderen Umstände hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen. Allein sein Hinweis, dass die Gehwegreinigung von Buskaps im überwiegenden Allgemeininteresse erfolge, reicht insoweit jedenfalls nicht aus. In der Rechtsprechung und Literatur ist nämlich anerkannt, dass der Winterdienst auf Gehwegen an Bushaltestellen trotz eines größeren Allgemeininteresses dem Anlieger zumutbar ist.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.08.1993 - 9 A 3249/91 -; ebenso: Jürgen Müller, a.a.O., Seite 190; Wichmann, a.a.O., Rdnr. 189; vgl. dazu auch VG Minden, Urteil vom 20.03.2013 - 3 K 2684/11 -, juris, Rdnr. 57 - 61.
47Ein Buskap ist aber unter dem Gesichtspunkt der Erschließungsfunktion einer Straße nicht anders zu beurteilen als eine „normale“ Bushaltestelle, weil er insoweit keine wesentliche Veränderung herbeiführt.
48Dem Kläger werden nach Fertigstellung der Fahrgastaufstellfläche durch § 4 SGS auch keine Pflichten aufgebürdet, die für ihn nicht erfüllbar wären.
49Vgl. dazu: OVG NRW, Urteil vom 03.12.2012 - 9 A 282/10 -, juris, Rdnr. 63; VG Minden, Urteil vom 20.03.2013, a.a.O., juris, Rdnr. 62.
50Insbesondere wäre der Kläger nach Fertigstellung des Buskaps sehr wohl in der Lage, die Verpflichtung aus § 4 Abs. 3 Satz 1 SGS zu erfüllen, indem er den geräumten Schnee auf einer etwa 0,75 bis 1 m breiten Fläche auf dem Buskap zwischen dem geräumten Streifen und der Fahrbahn lagert. Diese Vorgehensweise bei Durchführung der Winterwartung wäre (tatsächlich) möglich und auch satzungskonform.
51Der Kläger wäre ebenfalls zu einer satzungsgemäßen Verwendung von Streumitteln in der Lage. Zwar dürfen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 SGS grundsätzlich nur abstumpfende Stoffe benutzt werden. Jedoch ist gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 6 und 7 SGS ausnahmsweise der Einsatz abtauender Streumittel erlaubt, wenn durch abstumpfende Mittel keine hinreichende Wirkung zu erzielen ist. Sollte sich etwa durch Glatteis oder durch eine besonders hohe Frequentierung der Bushaltestelle eine solche Situation und damit die Notwendigkeit des Einsatzes auftauender Mittel ergeben, so wäre der Kläger also auch in diesem Fall in der Lage, die in der Satzung geregelten Vorgaben zur Art und Weise des Winterdienstes zu erfüllen.
52Die vom Kläger problematisierte Frage der Entwässerung auf dem Gehweg vor seinem Grundstück ist straßenreinigungsrechtlich ohne Belang und berührt daher nicht die Wirksamkeit der Übertragung der Gehwegreinigung auf den Kläger.
53Die Klage war nach alledem abzuweisen.
54Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Anordnungen zu ihrer vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.