Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 17. Juli 2012 - 9 B 148/12

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2012:0717.9B148.12.0A
17.07.2012

Gründe

1

Der Eilrechtsschutzantrag ist zulässig und begründet.

2

Dem Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller steht - ausnahmenweise - nicht entgegen, dass - soweit dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannt - noch kein Bescheid des Bundesamtes über den Asylantrag der Antragsteller ergangen ist. Vielmehr wurde dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller unter dem 03.05.2012 mitgeteilt, dass die weitere Bearbeitung nunmehr im Referat 431 – Dublin-Referat – in Dortmund erfolge. Auch soweit die Antragsgegnerin dem Gericht unter dem 13.07.2012 mitteilte, dass noch keine Entscheidung getroffen sei und auch noch kein Entwurf vorliege, muss aufgrund der ständigen Entscheidungspraxis des Bundesamtes in den hier vorliegenden „Italien-Fällen“ nach der Dublin-II-Verordnung davon ausgegangen werden, dass der Asylantrag der Antragsteller als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wird. Denn es ist nicht erkennbar, dass das Bundesamt bzw. die politischen ministeriellen Entscheidungsträger, die nunmehr als herrschend zu bezeichnende, diesbezügliche der Entscheidungspraxis entgegenstehende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, umsetzt. Zudem ist dem Gericht bekannt, dass der entsprechende von dem Dublin-Referat in Dortmund erstellte ablehnende Bescheid, dem Asylbewerber erst am Tage seiner Überstellung durch die für die Abschiebung zuständige Ausländerbehörde persönlich zugestellt bzw. ausgehändigt wird (vgl. VG Stuttgart, Beschluss v. 02.07.2012, A 7 K 1877/12; juris) oder auch dem bestellten Verfahrensbevollmächtigten erst auf Nachfrage überhaupt bekannt gegeben wird (vgl. VG Augsburg, Beschluss v. 05.07.2011, Au 6 S 11.30264; juris). Allein diese bekannte Verfahrensweise lässt faktisch keinen geordneten einstweiligen Rechtsschutz im Falle der Abschiebung zu und begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken (so auch: VG Stuttgart, Beschluss v. 02.07.2012, A 7 K 1877/12; VG Gelsenkirchen, Beschluss v. 01.06.2011, 5a L 576/11.A; bereits früher: VG Hannover, Beschluss v. 10.12.2009, 13 B 6047/09; VG Schleswig, Beschluss v. 12.08.2009, 9 B 37/09; alle juris). Daher muss effektiver Eilrechtsschutz vorliegend auch schon vor Erlass eines Bescheides möglich sein.

3

Der Zulässigkeit des Antrags steht § 34 a Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) nicht entgegen. Danach darf die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat nicht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes ausgesetzt werden. Die vorläufige Untersagung der Abschiebung kommt nach § 123 VwGO jedoch in Betracht, wenn eine die konkrete Schutzgewährung nach § 60 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Frage stellende Sachlage im für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gegeben ist. Dies ergibt sich aus der gebotenen Verfassungskonformen Auslegung der Norm (vgl.: BVerfG, U. v. 14.05.1996, 2 BvR 1938, 2315 und Beschlüsse vom 08.09.2009, 2 BvQ 56/09, und vom 08.12.2009, 2 BvR 2780/09; VG Gelsenkirchen, B. v. 01.02.2011, 7 a L 85/11.A; juris.

4

Vorliegend bestehen im Sinne des vorläufigen Rechtsschutzes hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen auf Italien zutreffen könnten. Das Gericht nimmt in gefestigter ständiger Rechtsprechung an, dass Italien nicht die Kernanforderungen des EU-Flüchtlingsrechts zur Durchführung von Asylverfahren gewährleistet (vgl. nur: Urteil vom 21.11.2011, 9 A 100/11, m. w. Nachw.; juris). Es ist öffentlichkeits- und gerichtsbekannt, dass einige Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht hinnehmbare Probleme bei der Durchführung der tatsächlichen Asylantragsgewährung haben. Dazu zählt neben Griechenland und Bulgarien auch Italien.

5

Die Kammer hat zuletzt in Entscheidungen aus dem Mai/Juni 2012 das Bundesamt zur Durchführung von Asylverfahren in Deutschland verpflichtet. In dem Gerichtsbescheid vom 07.05.2012 (9 A 63/12) führt das Gericht aus:

6

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO prüfen die Mitgliedsstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates stellt, wobei grundsätzlich Kap. III, Art. 10 der Dublin II-VO der Staat zuständig ist, dessen Grenze illegal überschritten wurde. Dies wäre wohl vorliegend Italien. Trotz dessen kann nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO ein Mitgliedsstaat einen im Inland gestellten Asylantrag prüfen. Ein insoweit bestehendes Ermessen ist jedenfalls dann auf null reduziert, wenn ein Verweisen auf den Staat der Einreise die Durchführung eines richtlinienkonformen Asylverfahrens nicht gewährleistet. Denn anderenfalls läge ein Verstoß gegen Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vor. Nach Art. 18 der Charta wird das Recht auf Asyl nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28.07.1951 und des Protokolls vom 31.01.1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie gemäß den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gewährleistet. Aus diesem Grund muss jeder Mitgliedsstaat das Asylverfahren selbst durchführen, wenn das in Richtlinien statuierte formelle oder materielle Asylrecht in einem Mitgliedsstaat nicht zur Anwendung gelangt (vgl. ausführlich: VG Magdeburg, GB v. 21.11.2011, 9 A 100/11; Urt. v. 26.07.2011, 9 A 346/10 MD mit Verweis auf VG Frankfurt, Urt. v. 08.07.2009, 7 K 4376/07; alle juris).

7

Das Gericht ist – wie bereits im Urteil der Kammer vom 26.07.2011 in anderer Besetzung – davon überzeugt, dass – zumindest derzeitig – ein rechtsstaatliches Asylverfahrens in Italien nicht gewährleistet ist. Das Schutzniveau, welches die Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) insbesondere in Art. 28 (Sozialleistungen) und in Art. 31 (Zugang zu Wohnraum) festlegt, kann dort ebenso wenig gewährleistet werden wie ein richtlinienkonformes Asylverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003. Ferner wird gegen die Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2011) zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern verstoßen. Weiter bestehen erhebliche Bedenken, ob ein Zurückschicken des Klägers nicht ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellt. Dabei sind die derzeitigen augenblicklichen und tatsächlichen Verhältnisse des Mitgliedsstaates Italien zu bewerten.

8

Bereits in dem Beschluss vom 28.03.2011 (9 B 101/11 MD; juris) hat das Gericht im Zusammenhang mit der verfassungskonformen Auslegung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG (ähnlich wie in dem Beschluss vom 15.03.2011, 9 B 83/11; [juris] zu Bulgarien) darauf hingewiesen, dass die „Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht“ (Internet) im November 2009 darüber berichtete, dass die Aufnahmekapazitäten für Asylbewerber in Italien völlig überlastet seien. Ebenso berichtete „CARITAS Rom“ über dramatische Zustände der Aufnahmelager in Rom. Das Gericht hat ausgeführt, dass es nicht der Einschätzung der 5. Kammer des Gerichts (vgl. Beschl. v. 31.01.2011, 5 B 40/11; juris) teile, wonach der Inhalt des Berichts „zwar erdrückend“ sei, gleichwohl daraus „keine unzumutbaren humanitären oder administrativen Zustände“ abgeleitet werden könnten. Erkennbar stellt die genannte Entscheidung der 5. Kammer auf die im dortigen Verfahren vertretenen Antragsteller ab und dass sie selbst davon ausgingen, in Italien „nicht menschenrechtswidrig“ behandelt worden zu sein. Auf eine derartige individuelle Sichtweise kann es aber nicht ankommen. Mittlerweile ist es aufgrund der gegenwärtigen politischen Veränderungen in Nordafrika bekannt, dass gerade Italien einen besonders hohen Ansturm von Asylbewerbern zu verzeichnen hat. Dies auch deswegen, weil das Abkommen mit Libyen und die daraus resultierende fast vollständige Blockade des Seeweges für Bootsflüchtlinge aus Libyen nicht mehr bestehen wird. Maria Bethke und Dominik Bender berichten für Proasyl in ihrem Bericht vom 28.02.2011 „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“ (Internet), dass Folge der Knappheit an Aufnahmeplätzen sei, dass auch schutzberechtigte ausländische Staatsangehörige in aller Regel sich selbst überlassen blieben, ebenso diejenigen, deren Asylverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sei. Ein staatliches Sozialsystem, das zumindest Wohnraum und ein Existenzminimum garantieren würde, stehe ihnen nicht zur Verfügung. Den Betroffenen bleibe nur, sich selbst „durch das Leben zu schlagen“ (vgl. ausführlich: VG Magdeburg, Beschl. v. 28.03.2011, 9 B 101/11 MD; auch: VG Braunschweig, Beschl. v. 31.05.2011, 1 B 103/11 m. w. Nachw.; beide juris).

9

Dabei ist der Mangel an Unterkünften und die daraus resultierende fehlende Gewährleistung der Sicherung elementarer Lebensbedürfnisse besonders erschreckend. Hier stehen zur Überzeugung der Kammer Theorie und Praxis einer menschenwürdigen Behandlung der einem Staat anvertrauten Asylbewerbern in einem krassen Widerspruch. Theoretisch haben Asylsuchende auch in Italien einen rechtlich gesicherten Anspruch auf Unterkunft. Indes sieht die Praxis so aus, dass Asylsuchende – auch Rückkehrer – in der Obdachlosigkeit enden. So führt die Schweizerische Flüchtlingshilfe mit Verweis auf den Bericht einer EU-Kommission aus, dass dies an den viel zu geringen Aufnahmekapazitäten liege. So sind auch die Aufnahmekapazitäten der Sozialdienste der Gemeinden oder kirchlicher Organisationen äußerst beschränkt. Die Berichte beschreiben anschaulich, dass in der Folge viele Flüchtlinge in Kartonunterlagen schlafen, weder Toilette noch Wasser zur Verfügung hätten, ihre Habseligkeiten in Plastiksäcken mit sich trugen und in der ständigen Angst lebten, nachts ausgeraubt oder vergewaltigt zu werden. Der Bericht führt weiter aus, dass in jedem Fall ein Anspruch auf Unterkunft ohnehin nur bis zum erstinstanzlichen Bescheid bestehe; Menschen mit einem Schutzstatus hätten solche Ansprüche erst gar nicht. Nach der Einschätzung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe würden Flüchtlinge und Asylsuchende in Italien Gefahr laufen, in extremer Armut zu leben und ihre grundlegenden Lebensbedürfnisse nicht decken zu können. Demnach bestünde eine ähnliche Lage wie in Belgien und Griechenland festgestellt worden sei und als Verstoß gegen Art. 3 EMRK gewertet worden sei. Auch werde den italienischen Behörden bescheinigt, sie ließen keine Bemühungen zur Verbesserung der Situation erkennen.

10

Der Bericht von Bethke und Bender zeichnet ein ebenso erschreckendes Bild von der Asylbewerberlage in Italien. 98 % der Dublin II-Rückkehrer seien der Obdachlosigkeit überlassen und seien insbesondere nächtlichen Überfällen und sexuellen Übergriffen schutzlos ausgeliefert. Der Bericht verweist auf umfangreiches Zahlenmaterial italienischer Stellen. Wieso der Bericht überholt sein soll, wovon das Bundesamt anscheinend ausgeht, ist nicht ersichtlich.

11

Auch aus einer Stellungnahme der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht vom November 2009 zur „Rückschaffung in den sicheren Drittstaat Italien“ gehen die tatsächlichen Verhältnisse in Italien hervor. Dort wird berichtet, dass die Zahl der Asylsuchenden das Zehnfache der Aufnahmekapazität überschreite.

12

Mit dem VG Gießen (Beschluss v. 10.03.2011, 1 L 468/11.GI.A; juris) erscheint auch die Qualität der Asylverfahren bedenklich. Das VG Gießen verweist auf das in Italien durchgeführte beschleunigte Verfahren und dortige Mängel bei der Bereitstellung von Rechtsbeiständen und Dolmetschern.

13

Dem erkennenden Gericht ist bewusst, dass die überwiegende Anzahl der Gerichte in Deutschland nicht von einem Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse in Italien ausgeht. Diese Rechtsprechung setzt sich jedoch - zur Überzeugung des Gerichts - nicht hinreichend mit der Erkenntnislage auseinander und beachtet teilweise die anders lautende – und gerade vom erkennenden Gericht vertretene - Rechtsauffassung nicht einmal.

14

Das VG Düsseldorf führt in seinem Beschluss vom 12.09.2011 (6 L 866/11.A; juris) mit Verweis auf den zitierten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus, dass diesbezüglich in Italien durchaus „prekäre“ Verhältnisse bestünden diese sich aber auf den dortigen Antragsteller nicht auswirken würden. Das VG München versucht in seinem Beschluss vom 17.08.2011 (M 16 E 11.30637; juris) die in Italien herrschende Asylverfahrenspraxis als grundsätzlich zulässig anzusehen und die Probleme vielmehr auf die in Booten über das Mittelmeer nach Italien gelangenden Asylbewerber zu beschränken. Deren Situation sei mit Asylsuchenden, die im Rahmen des Dublin II-Verfahrens in ein anderes EU-Land überstellt werden würden, nicht zu vergleichen. Eine Begründung für diese Unterscheidung ist jedoch nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht des Saarlandes (Beschluss v. 22.08.2011, 5 L 744/11; juris) geht pauschal davon aus, dass eine Rückführung nach Italien trotz gewisser Mängel generell zulässig sei. Auch das Urteil des VG Saarlands vom 07.03.2012 (5 K 502/11; juris) hilft nicht weiter. Das Gericht verweist selbst darauf, dass es sich um die Einschätzung der Beklagten handele und führt aus, dass der Kläger keine Gegenargumente vorgetragen habe. Zudem handele es sich um ein „Paradebeispiel“ für das „Funktionieren des Verfahrens in Italien“. Zur Überzeugung des Gerichts vermögen derartige Fälle die systematischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien nicht in Frage zu stellen.

15

Für das Gericht ist nicht erkennbar, dass sie diese Einschätzung hinsichtlich Italien geändert haben soll. Die gegenteilige Ansicht des Bundesamtes ist nicht überzeugend und setzt sich nicht mit der anderslautenden, vom erkennenden Gericht in ständiger Rechtsprechung wiederholt geäußerten und bekannten Rechtsprechung auseinander. Zuletzt hat das VG Freibug mit Beschluss vom 02.02.2012 (A 4 K 2203/11; juris) aufgrund der „aktuellen Auskunftslage“ Zweifel daran geäußert, dass Italien gegenwärtig seinen Verpflichtungen nachkommt. Dabei weist das VG Freiburg auch darauf hin, dass anders als bei Griechenland im Falle Italien keine Empfehlung des UNHCR vorliegt, dies aber allein nicht ausschlaggebend sein kann. Auch das VG Freibug stellt darauf ab, dass sich das Bundesamt nicht mit den konkreten Hinweisen auf die erhebliche Diskrepanz zwischen den von Italien eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen und der Umsetzung in der Praxis auseinandersetzt. Das erkennende Gericht verweist ausdrücklich auf diese jüngste und ausführliche Zusammenfassung der Rechtsprechung und der diesbezüglichen Argumentation der Freiburger Entscheidung, welcher sich das Gericht anschließt.“

16

Diese Rechtsauffassung vertritt die Kammer nach wie vor. Schließlich hat das OVG NRW mit Beschluss vom 01.03.2012 (1 B 234/12.A; juris) die Abschiebung nach Italien unter ausdrücklichem Verweis auf die Rechtsprechung der 9. Kammer des VG Magdeburg untersagt. Diese nunmehr als herrschend zu bezeichnende Rechtsprechung ignoriert das Bundesamt beharrlich und setzt sich nicht damit auseinander.

17

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.


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Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung der Antragsteller nach Italien vorläufig auszusetzen, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen und die Asylverfahren der Antragsteller fortzusetzen.

Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt ..., beigeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
I.
Die Antragsteller, nach ihren Angaben staatenlose Palästinenser aus Syrien, reisten nach ihren Angaben am 3.5. bzw. 9.6.2011 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag. Bei ihrer Anhörung vom 7.6.2011 gab die Antragstellerin zu 2 an, sie seien von Syrien über die Türkei nach Griechenland gereist. Dort hätten sie sich ca. 2 Wochen aufgehalten, bevor sie mit einem Boot nach Italien gefahren seien. In Italien seien sie von der Polizei aufgegriffen worden, die sie erkennungsdienstlich behandelt habe. Einen Asylantrag hätten sie nicht gestellt. Sie hätten einen Zettel bekommen mit der Aufforderung, so schnell wie möglich das Land zu verlassen. Sie hätten sich einen Tag in einem Asylbewerberheim aufgehalten. Eine Anhörung habe nicht stattgefunden. Der Antragsteller zu 1 gab bei seiner Anhörung am 23.8.2011 an, seine Familie habe Syrien am 1.4.2011 verlassen. Sie seien über die Türkei nach Griechenland gereist, wo sie sich ca. zwei Wochen aufgehalten hätten. Dort seien sie nicht gemeldet gewesen. Sie seien weiter mit einem Boot nach Italien gereist. Dort seien sie von der Polizei aufgegriffen, jedoch nicht angehört worden. Sie hätten eine Aufforderung erhalten, das Land zu verlassen. Sie hätten sich einen Tag in einem Lager aufgehalten. Danach seien sie nach Mailand gereist. Zunächst seien seine Frau und die Kinder ausgereist, ca. einen Monat später sei er ihnen gefolgt. Zu seinen Asylgründen gab er an, sie hätten als staatenlose Palästinenser in Syrien keinerlei Rechte gehabt. Außerdem habe er an Demonstrationen in Damaskus teilgenommen und sei dabei von Sicherheitskräften erkannt worden.
Die Antragsteller ließen in der Folgezeit weitere Unterlagen über ihren Prozessbevollmächtigten an die Antragsgegnerin überreichen. Unter anderem ließen sie von einem ihrer in Deutschland lebenden Verwandten schriftlich darlegen, dass sie am 20.4.2011 in Italien „festgehalten“ worden seien. Morgens seien ihnen Fingerabdrücke genommen worden. Sie hätten an dem Tag im Lager nur einmal zu essen bekommen. Danach seien sie abends mit einem Bus drei Stunden in eine andere Stadt gebracht worden. Ein Dolmetscher sei ihnen nicht zur Verfügung gestellt worden. Im Lager hätten sie ein kleines Zimmer mit einer anderen Familie teilen müssen. Ihnen hätten weder Platz zum Schlafen, noch Decken oder Kopfkissen zur Verfügung gestanden. Sie hätten nur auf dem Boden liegen können und nichts zu essen bekommen. Am nächsten Morgen hätten sie jemanden kennengelernt, der ihnen geholfen habe, nach Deutschland zu reisen.
Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller bat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29.5.2012 von einer Überstellung nach Italien abzusehen und von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Mit Schreiben vom 2.6.2012 bat er die Antragsgegnerin um Mitteilung, wie im Falle der Antragsteller weiter verfahren werden solle.
Am 11.6.2012 haben die Antragsteller einen Antrag auf Eilrechtsschutz und Gewährung von Prozesskostenhilfe stellen lassen. Zur Begründung führte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller aus, der Eilantrag sei geboten, nachdem er am 22.5.2012 bei einem Telefonat mit dem Bundesamt in Dortmund - Dublin-Referat - erfahren habe, dass ein Übernahmegesuch nach Italien gestellt worden sei und Italien der Übernahme am 6.3.2012 zugestimmt habe. Zudem sei ihm mitgeteilt worden, dass ein Rückführungsbescheid in den nächsten Wochen erlassen werde. Am 11.6.2012 habe er in einem Telefonat erfahren, dass ein Rückführungsbescheid noch nicht fertig gestellt sei. Ein Zusage, dass ihm der Bescheid zugeleitet werde und ein Rechtmittel rechtzeitig erhoben werde könne, sei ihm nicht gemacht worden. Hinsichtlich Italien bestünden Zweifel, dass Asylverfahren den vorgegebenen Standards der Genfer Flüchtlingskonvention, der Qualitätsrichtlinie bzw. der Richtlinie 2004/83 genügten. Diese seien nicht nur wegen der inzwischen allgemein bekannten Mängel im Asylverfahren begründet, sondern insbesondere durch die konkreten Erfahrungen der Antragsteller bei ihrer Aufnahme. Eine Familie mit drei kleinen Kindern bedürfe gefestigter Aufnahmebedingungen, damit sie keinen Schaden erleide.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Maßnahmen zur Verbringung der Antragsteller nach Italien vorläufig auszusetzen, von ihrem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen und die Asylverfahren der Antragsteller fortzusetzen,
sowie den Antragstellern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. H., K. Str. …, … K., zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
10 
Sie führt aus, vorläufiger Rechtsschutz sei vorliegend nicht zulässig. § 34 a Abs. 2 AsylVfG schließe vorläufigen Rechtsschutz gegen Entscheidungen des Bundesamtes nach § 27 a AsylVfG aus. Nur in Ausnahmefällen sei vorläufiger Rechtsschutz zulässig. Ein solcher liege hinsichtlich Italien nicht vor. Italien erfülle die Mindeststandards gegenüber Ausländern, die dort einen Asylantrag gestellt hätten. Dies belege der Bericht der schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Mai 2011. Nach diesem Bericht stehe ebenfalls fest, dass Asylsuchende in Italien einen Anspruch auf freie staatliche Gesundheitsversorgung hätten. Der Bericht von Bethke/Bender über eine Recherchereise im Oktober 2010 sei demgegenüber weniger umfassend und befasse sich insbesondere nicht flächendeckend mit der Situation von Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen in Italien. Auch wenn es vereinzelt zu Problemen bei der Unterbringung von Schutzsuchenden in Italien komme und die medizinische Versorgung nicht immer optimal sei, sei die Situation in Italien nach der überwiegenden Rechtsprechung nicht mit der in Griechenland vergleichbar. Alle im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Italien zurückgeführten Personen bekämen von der zuständigen Questura eine Unterkunft zugeteilt und erhielten eine Fahrkarte dorthin mit der Auflage, sich an der zugewiesenen Adresse zu melden. Es sei jedoch bekannt, dass eine Vielzahl dieser Aufforderung nicht Folge leiste. Sollte das Asylverfahren in Italien noch nicht abgeschlossen sein, werde der Asylbewerber in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht und das Asylverfahren fortgesetzt. Entsprechend erfolge eine Unterbringung in einem CARA oder in den Einrichtungen des SPRAR. Unterkunftsplätze stünden jedoch oftmals nur für einen befristeten Zeitraum zur Verfügung. In italienischen Aufnahmeeinrichtung seien IOM, UNHCR, Caritas und andere humanitäre Organisationen vor Ort, um sicher zu stellen, dass Flüchtlinge angemessen untergebracht, medizinisch versorgt und ihre Rechte gewahrt würden. Dem Bundesamt sei kein Mitgliedstaat bekannt, der derzeit die Dublin-Überstellungen nach Italien ausgesetzt oder eingeschränkt habe.
11 
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
12 
Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 AsylVfG durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin.
13 
Dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war zu entsprechen, weil die Antragsteller die Kosten der Prozessführung nicht aus eigenen Mitteln aufbringen können und der Antrag aus nachfolgend genannten Gründen Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
14 
Der Antrag ist zulässig und begründet.
15 
Die Zulässigkeit des Antrags scheitert nicht daran, dass das Bundesamt über den Asylantrag der Antragsteller - soweit hier bekannt - noch nicht entschieden hat. Im Hinblick auf die gängige Praxis des Bundesamtes, dem Asylbewerber einen entsprechenden Bescheid erst am Tage seiner Überstellung durch die für die Abschiebung zuständige Ausländerbehörde persönlich zuzustellen, lässt faktisch keinen einstweiligen Rechtsschutz zu (vgl. hierzu UNHCR, Stellungnahme an das BVerfG zur Verfassungsbeschwerde - 2 BvR 2015/09 - vom Februar 2010, S. 38; VG Gelsenkirchen, B.v. 1.6.2011 - 5a L 576/11.A -, zit. nach juris; Bay VG Regensburg, B.v. 14.6.2011 -RN 7 E 11.30189 - zit. nach juris). Daher muss vorläufiger Rechtsschutz auch schon vor Erlass eines Bescheids möglich sein.
16 
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin eine Rückführung der Antragsteller nach Italien beabsichtigt. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller hat auf telefonische Nachfrage bei der Antragsgegnerin erfahren, dass eine Rückübernahmeersuchen an Italien gestellt wurde und Italien diesem Ersuchen zugestimmt hat. Zwar war nach telefonischer Auskunft des „Dublin-Referats“ der Antragsgegnerin ein Bescheid bei Antragstellung vor Gericht noch nicht ergangen. Aufgrund der aufgezeigten Sachlage ist es jedoch jederzeit möglich, dass die Antragsteller einen ablehnenden Bescheid mit einer Abschiebungsandrohung nach § 34 a AsylVfG erhalten und umgehend abgeschoben werden. Da es den Antragstellern bzw. ihrem Bevollmächtigten nicht zuzumuten ist, sich immer wieder bei der Antragsgegnerin nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen, um rechtzeitig einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen zu können, besteht in diesen Fällen ein Rechtsschutzbedürfnis für Eilrechtsschutz.
17 
Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht § 34 a Abs. 2 AsylVfG entgegen, wonach eine Abschiebungsanordnung in den Fällen des § 26 a AsylVfG und jenen des § 27 a AsylVfG nicht ausgesetzt werden darf.
18 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, BVerfGE 94, 49) kann ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurückverbracht werden soll, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat zwar grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Deswegen kommen für ihn entsprechend dem mit Art. 16 a Abs. 2 GG verfolgten „Konzept normativer Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann, nicht in Betracht. Vergleichbares gilt nach dem Willen des Gesetzgebers, wenn es um die Rückführung eines Ausländers in den für seinen Asylantrag zuständigen Staat im Sinne des § 27 a AsylVfG geht.
19 
Die Bundesrepublik Deutschland hat allerdings dann Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des „Konzepts normativer Vergewisserung“ durch Gesetz berücksichtigt werden können. Ausnahmen sind nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts u.a. dann geboten, wenn der Drittstaat gegenüber dem Schutzsuchenden selbst zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird, und wenn offen zu Tage tritt, dass der Drittstaat sich von seinen Schutzverpflichtungen lösen und einem bestimmten Ausländer den Schutz dadurch verweigern wird, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird.
20 
Den vom Bundesverfassungsgericht angeführten Sonderfällen liegt die Zielsetzung zugrunde, dem Asylsuchenden den gebotenen Schutz nicht durch die Rückführung in den Drittstaat zu versagen. Ob dies auf einzelfallbezogenen Erwägungen beruht oder auf den allgemeinen Bedingungen in dem jeweiligen Staat, ist insoweit nicht von maßgeblicher Bedeutung. Mit Blick auf die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung auf der Grundlage einer verfassungskonformen Auslegung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG dann möglich, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der nach Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG in dem Drittstaat europarechtlich zu gewährleistender Schutz tatsächlich nicht zumindest im Kern sichergestellt ist.
21 
Maßstab dafür, ob die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in den Fällen des § 26 a AsylVfG gegen den Willen des Gesetzgebers ausgesetzt werden kann, ist demnach die Frage, ob der Eintritt einer der vom Bundesverfassungsgericht genannten Fallgruppe konkret zu befürchten ist.
22 
Vorliegend dürften die Antragsteller bei einer Rückführung nach Italien einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein. Italien ist zwar als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gemäß § 26 a Abs. 2 AsylVfG ein sicherer Drittstaat und hat als solcher die Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der Charta der Grundrechte der europäischen Union anerkannt. Angesichts der aktuellen Situation von Flüchtlingen in Italien bestehen aber Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Vorschriften derzeit nicht umfassend berücksichtigt werden. Es ist deshalb eine verfassungskonforme einschränkende Auslegung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG geboten.
23 
Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-492/10 -, juris, Rn. 80, 86). Danach gilt zunächst die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Ist dagegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber i.S. von Art. 4 der Grundrechtscharta implizieren, so wäre die Rücküberstellung von Asylbewerbern mit dieser Bestimmung unvereinbar.
24 
Vorliegend bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass Italien die von ihm eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht erfüllt (vgl. OVG NRW, B.v. 1.3.2012 - 1 B 234/12.A -, juris; VG Darmstadt, B.v. 25.4.2012 - 4 L 488/12.DA.A -, juris; VG Regensburg, U.v. 27.3.2012 - RN 9 K 11.30441 -, juris; VG Karlsruhe, U.v. 6.3.2012 - A 3 K 3069/11 -, juris; VG Freiburg, B.v 2.2.2012 - A 4 K 2203/11 -, juris; VG Magdeburg, U.v. 21.11.2011 - 9 A 100/11 -, juris; VG Düsseldorf, , B.v. 29.7.2011 - 21 L 1127/11.A - zit. nach juris; Bay VG Regensburg, B.v. 14.6.2011 - RN 7 E 11.30189 - zit. nach juris; VG Gelsenkirchen, B.v. 1.6.2011 - 5a L 576/11.A -, zit. nach juris; VG Osnabrück, B.v. 23.5.2011 - 5 B 38/11 -, zit. nach juris; VG Darmstadt, B.v. 4.5.2011 - 2 L 382/11.DA.A - zit. nach juris; VG Wiesbaden, B.v. 12.4.2011 - 7 L 303/11.WI.A - zit. nach juris).
25 
Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingung in Italien, Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin- Rückkehrende, vom Mai 2011; Antwort der Bundesregierung vom 18.4.2011 auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 17/5579; Bethke und Bender, Zur Situation von Flüchtlingen in Italien, vom 28.2.2011; Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht, Nov. 2009, Rückschaffung in den „sicheren Drittstaat“ Italien; Bender, Warum Italien ein „Dublin-Thema“ ist, Asylmagazin 2012, S. 11 ff.) ergibt sich, dass die Aufnahmekapazitäten für Flüchtlinge in Italien völlig überlastet sind. Die große Mehrheit der Asylsuchenden muss ohne Obdach und ohne gesicherten Zugang zu Nahrung, Wasser und Elektrizität leben. Auch die Gesundheitsversorgung ist nicht ausreichend sichergestellt, da diese teilweise nur mit einer festen Wohnadresse beansprucht werden kann. Nach dem Stellen eines Asylgesuchs sollen Asylsuchende in Italien bis zu einem Asylentscheid an sich in einem CARA (Empfangszentrum für Asylsuchende) aufgenommen werden. Viele Asylsuchende finden keinen Aufnahmeplatz, insbesondere in Süditalien und in den großen Städten sind die Strukturen völlig überlastet. Nach der ersten Registrierungsphase ist vorgesehen, dass Asylsuchende in ein anderes Zentrum verlegt werden, das mehr auf Integration ausgerichtet ist. Diese Zentren sind Teil des SPRAR-Systems (Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge). Hier soll den Flüchtlingen der Zugang zur Arbeit und zur Landessprache erleichtert werden. Landesweit bestehen aber nur 3.000 Plätze, die eine Aufnahme von jeweils maximal 6 Monaten ermöglicht. In Italien wurden im Jahr 2009 17.603 und im Jahr 2008 31.000 Asylsuchende verzeichnet. Die große Mehrheit der Asylsuchenden ist damit ungeschützt, ohne Obdach, Integrationshilfe und gesicherten Zugang zu Nahrung, Wasser und Elektrizität. Die Betroffenen übernachten in Parks, leerstehenden Häusern und überleben nur Dank der Hilfe karitativer Organisationen. In der kalten und feuchten Jahreszeit wird ihre Lage noch schwieriger. In Rom warten über 2.300 Personen auf einen SPRAR Platz, von denen es in Rom nur 200 gibt. Viele melden sich wegen der langen Warteliste gar nicht erst an (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingung in Italien, a.a.O.). „Dublin-Rückkehrer“ werden zwar in Bezug auf Aufnahmeplätze bevorzugt behandelt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingung in Italien, a.a.O.). Wenn jedoch kein Platz vorhanden ist, werden auch sie lediglich auf eine Warteliste gesetzt, was dazu führt, dass die meisten nach Italien zurückgeführten Asylsuchenden obdachlos sind. Nach dem Bericht von Bethke und Bender (Zur Situation von Flüchtlingen in Italien, vom 28.2.2011) gibt es keine bevorzugte Behandlung von „Dublin-Rückkehrern“. Danach seien nach offiziellem Bericht des SPRAR lediglich 12 % der „Dublin-Rückkehrer“ in den Jahren 2008 und 2009 in ein SPRAR-Projekt vermittelt worden; 88% seien der Obdachlosigkeit überlassen worden. Im Jahr seien von insgesamt 1.308 Rückkehrern 148 in ein SPRAR-Projekt aufgenommen worden. Im Jahr 2009 hätten 315 Personen von 2.658 zurückgeführten Flüchtlingen einen Platz in einer Unterkunft erhalten. Auch für das Jahr 2010 gilt nichts anderes: Von 2739 aus anderen Dublin-Staaten zurückgeschobenen Personen haben 343, als ca 12%, einen SPRAR-Platz erhalten (vgl. Bender, Warum Italien ein „Dublin-Thema“ ist, Asylmagazin 2012, S. 11, 16/17, m.w.N.). Nach Schätzungen von Flüchtlingsorganisationen hat etwa die Hälfte der alleinstehenden männlichen Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen keine Unterkunft (vgl. Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht, Nov. 2009, Rückschaffung in den „sicheren Drittstaat“ Italien).
26 
Soweit sich aus der Antwort der Bundesregierung zur Kleinen Anfrage (BT-Drs. 17/5579) ergibt, dass Asylbewerber in Italien einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Unterkunft haben, ist dies jedoch schon dadurch relativiert, dass zugleich angegeben wird, das belastbare und detaillierte eigene Erkenntnisse über die Unterbringung von Asylbewerbern in Italien nicht vorliegen.
27 
Angesichts der durch die kriegerischen Auseinandersetzungen und der damit einhergehenden instabilen Verhältnisse in Nordafrika zu erwartenden weiteren Flüchtlingsströmen von Afrika nach Italien wird sich die Entwicklung in Italien in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht verbessern, sondern eher noch verschlechtern. Nach einer Stellungnahme des UNHCR vom 16.8.2011 (Thousands still arriving on Italy’s shores from Libya and Tunisia - UN Agency, www.unhcr.org) seien seit den Unruhen in Nordafrika 52.000 Personen von Libyen und Tunesien nach Italien gekommen.
28 
Nach dieser Sachlage wären die Antragsteller gezwungen, ein Leben unterhalb des Existenzminimums zu führen. Auch aus ihrem eigenen Vortrag ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Durchführung eines Asylverfahrens in Italien nicht erwünscht und die Versorgung mangelhaft war. Die Antragstellerin zu 2 und der Antragsteller zu 1 berichteten bei ihren Anhörungen vor dem Bundesamt davon, sie seien in Italien nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung aufgefordert worden, das Land zu verlassen. Zudem habe man sie in eine Unterkunft eingewiesen, wo sie weder Bett noch Decken erhalten hätten. Sie seien zusammen mit einer weiteren Familie in einem kleinem Zimmer untergebracht gewesen. Es habe auch nur einmal am Tag eine Mahlzeit gegeben.
29 
Darüber hinaus wären die Antragsteller nach dem oben Ausgeführten im Falle einer Abschiebung nach Italien mit hoher Wahrscheinlichkeit auch von Obdachlosigkeit bedroht. Bei einer Rückführung der Antragsteller nach Italien würde daher die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens gegen einen noch zu erlassenden entsprechenden Bescheid des Bundesamts schon an ihrer mangelnden Erreichbarkeit in Italien scheitern (vgl. BVerfG, B.v. 8.9.2009 - 2 BvQ 56.09 -, juris; OVG NRW, B.v. 1.3.2012 - 1 B 234/12.A -, juris).
30 
Die Antragsteller dürften darüber hinaus einen Anspruch darauf haben, dass die Antragsgegnerin von ihrem sog. Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 343/2003 vom 18.2.2003 (Dublin-II-VO) Gebrauch macht. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO gibt den Antragstellern grundsätzlich nur ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung (vgl. VG Frankfurt/M., B.v. 11.6.2012 - 1 L 1994/12.F.A. - juris; VG Würzburg, B.v. 24.5.2012 - W 3 E 12.30017 -, juris; VG Regensburg, U.v. 27.3.2012 - RN 9 K 11.30441 -, juris; VG Karlsruhe, U.v. 6.3.2012 - A 3 K 3069/11 -, juris; VG Magdeburg, U.v. 21.11.2011 - 9 A 100/11 -, juris). Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29.5.2012 gebeten, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-OII-VO Gebrauch zu machen. Über diesen Antrag hat die Antragsgegnerin nach Kenntnis des Gerichts noch nicht entschieden. Nach den oben gemachten Ausführungen zur Lage in Italien ist das Gericht der Überzeugung, dass im Sinne der EuGH-Rechtsprechung (U.v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, a.a.O.) ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür vorliegen, dass die Antragsteller aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingung für Asylbewerber in Italien im Falle einer Überstellung in dieses Land Gefahr laufen würden, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (Art. 3 EMRK, Art. 4 Europäische Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden und sich deshalb die Rücküberstellung als rechtswidrig darstellt. Diese schwerwiegenden Beeinträchtigung dürften zu der rechtlichen Schlussfolgerung führen, dass dem Anspruch der Antragsteller auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung durch die Antragsgegnerin nur dadurch genügt werden kann, im Hinblick auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen mit der Folge, dass die Asylverfahren der Antragsteller fortzusetzen sind (vgl. VG Regensburg, U.v. 27.3.2012 - RN 9 K 11.30441 -, juris, m.w.N.).
31 
Der einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegnerin aufgegeben wird, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen, steht nicht entgegen, dass mit der einstweiligen Anordnung der Vorläufigkeit dieses Verfahrens entsprechend keine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgen soll (vgl. Kopp/Schenke, 17. Aufl., 2011, § 123 Rn. 14). Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nämlich dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h., wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für die Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen sind (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O.). Dies trifft hier zu.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt die von ihr geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Beschwerde den Darlegungsanforderungen genügt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), die verlangen, dass die Beschwerde eine konkrete verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage formuliert, die grundsätzlicher Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). In jedem Fall fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit bzw. Entscheidungserheblichkeit der in der Beschwerdebegründung angesprochenen Fragen.

2

Wie die Beschwerde selbst anerkennt, entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass - anders als bei der Heranziehung zu einem endgültigen Erschließungsbeitrag - die Rechtmäßigkeit eines Vorausleistungsbescheides nicht davon abhängt, ob eine Anbaustraße bereits dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist (Urteile vom 14. Juni 1968 - BVerwG 4 C 65.66 - Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 3 S. 7, vom 12. Dezember 1969 - BVerwG 4 C 100.68 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 34 S. 10 und vom 22. Februar 1985 - BVerwG 8 C 114.83 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 90 S. 49). Soweit die Beschwerde die Frage stellt, ob dies nicht nur beim völligen Fehlen eines Widmungsaktes gilt, sondern auch wenn ein ergangener Widmungsakt fälschlicherweise lediglich einen Teil der Wegeparzellen einer Erschließungsanlage erfasst, ergibt sich daraus kein Klärungsbedarf. Es ist ohne weiteres einsichtig, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, dass die dargestellte Rechtsprechung auch bei einer lediglich in ihrem Umfang fehlerhaften Widmung Geltung beansprucht. Denn ist das Vorliegen einer Widmung nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Erhebung einer Vorausleistung, kann es keinen Unterschied machen, ob die Widmung gänzlich fehlt oder ob sie lediglich in ihrem Umfang fehlerhaft ist (und die Gemeinde später die Widmung auf weitere Wegeparzellen erstreckt).

3

Soweit die Beschwerde die Frage aufwirft, "ob die Kommune berechtigt ist, durch die ggf. erforderliche Konkretisierung einer zunächst inhaltlich unbestimmten Widmung das endgültige Entstehen der Beitragspflicht stets aufs Neue hinauszuzögern", fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit dieser Frage. Denn das Oberverwaltungsgericht geht davon aus, dass im Streitfall der zur Entstehung der sachlichen Beitragspflichten notwendige Grunderwerb erst am 17. September 2008 mit dem Eigentumserwerb der Wegeparzelle 21/3 durch die Beklagte abgeschlossen wurde (UA S. 6), mithin kurz vor der zweiten Widmungsverfügung vom 2. Februar 2009, auf die sich die Beschwerde mit der vorstehenden Frage bezieht. Im Übrigen geht die Beschwerde von einem Sachverhalt aus, nämlich dass die Beklagte das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten "stets aufs Neue verzögert" hat, den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat, und formuliert damit eine Rechtsfrage, die sich weder dem Oberverwaltungsgericht gestellt hat noch sich in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde. Dem angefochtenen Urteil ist vielmehr zu entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht jedenfalls die Widmung vom 2. Februar 2009 für wirksam hält.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (A 4 K 2202/11) gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.08.2011 wird angeordnet.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Italien vorläufig nicht durchgeführt werden darf.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
A. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage (A 4 K 2202/11) gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25.08.2011, zugestellt am 02.11.2011, anzuordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG), ist zulässig.
I. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richtet sich vorliegend nach § 80 Abs. 5 VwGO. Der Antragsteller beantragt im Hauptsacheverfahren (A 4 K 2202/11) die isolierte Aufhebung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 25.08.2011, hat folglich eine isolierte Anfechtungsklage erhoben. Die Anfechtungsklage ist in Fällen der §§ 27a, 34a AsylVfG statthafte Klageart. Denn die antragsgemäße Entscheidung des Gerichts - Aufhebung der ablehnenden Entscheidung, mit der die Durchführung eines Asylverfahrens für unzulässig erklärt wurde - führt zu einer formellen und materiellen Prüfung des Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ohne dass dem Kläger eine mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattete Tatsachenentscheidung genommen wird (für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage in Fällen des § 27a AsylVfG auch VG Wiesbaden, Urteil vom 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -, juris, unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris; VG Neustadt, Urteil vom 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, juris; ohne nähere Begründung auch VG Braunschweig, Urteil vom 01.06.2010 - 1 A 47/10 -, juris; VG München, Urteil vom 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 08.11.2011 - AN 11 S 11.30508 -, juris; VG Frankfurt, Urteil vom 23.06.2010 - 7 K 2789/09.F.A. -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 01.02.2010  - Au 5 S 10.30014 -, juris; a.A. [Statthaftigkeit nur der Verpflichtungsklage] OVG NRW, Urteil vom 10.05.2010 - 3 A 133/10.A -, juris). Ist aber in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft, richtet sich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 5 VwGO allein nach § 80 Abs. 5 VwGO.
II. § 34a Abs. 2 AsylVfG, der seinem Wortlaut nach vorläufigen Rechtsschutz bei Abschiebungen nach § 34a Abs. 1 AsylVfG ausschließt, steht dem nicht entgegen. Zwar handelt es sich bei der geplanten Abschiebung des Antragstellers um eine solche nach § 34a Abs. 1 AsylVfG, denn der Antragsteller soll nach Italien als dem gemäß § 27a AsylVfG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 b und c, Art. 4 und Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 - Dublin II-VO - für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständigen Staat überstellt werden. Auch im Falle von Italien kommt jedoch angesichts der jüngsten Berichte zur Lage der Flüchtlinge dort eine im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG verfassungskonforme Auslegung bzw. Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG, wie sie das Bundesverfassungsgericht in Fällen der Abschiebung nach Griechenland annimmt (vgl. zul. Beschluss vom 15.07.2010 - 2 BvR 1460/10 -, juris), zum Tragen.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat im Hinblick auf § 26a AsylVfG (sicherer Drittstaat) bereits im Jahr 1996 entschieden (Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris), dass die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes trotz der in § 34a Abs. 2 AsylVfG enthaltenen Ausschlussregelung und trotz des der Drittstaatenreglung zugrundeliegenden Konzepts der normativen Vergewisserung gleichwohl statthaft und geboten sein kann, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Ausländer von einem Sonderfall betroffen ist, der vom Vergewisserungskonzept nicht aufgefangen wird. Auch in den Fällen, in denen Gegenstand des Eilrechtsschutzantrags eine beabsichtigte Abschiebung in einen nach der Dublin II-Verordnung zuständigen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, kann eine verfassungsrechtlich gebotene Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG in Betracht kommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.07.2010 - 2 BvR 1460/10 -, juris). Diese ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf § 27a AsylVfG dann geboten, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Ausländer von einem Sonderfall betroffen ist, der außerhalb des Konzepts normativer Vergewisserung über die Sicherheit im jeweiligen EU-Mitgliedstaat liegt. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen. Das Konzept normativer Vergewisserung bezieht sich darauf, dass diese Staaten Flüchtlingen den nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention gebotenen Schutz gewähren, was beinhaltet, dass es schutzsuchenden Ausländern nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen möglich ist, ein Schutzgesuch tatsächlich anzubringen und dadurch die Verpflichtung einer zuständigen Stelle zu begründen, hierüber nach vorgängiger Prüfung eine Entscheidung zu treffen. Ein Sonderfall kann daher ausnahmsweise dann vorliegen, wenn sich ein Staat von seinen mit seinem Beitritt zur Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK eingegangenen und von ihm auch generell eingehaltenen Verpflichtungen löst und Ausländern Schutz dadurch verweigert, dass er sich ihrer ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996., a.a.O.), oder wenn das Asylverfahren in einem Staat in der Praxis solche erheblichen strukturellen Mängel aufweist, dass Asylbewerber nur eine sehr geringe Chance haben, dass ihr Antrag ernsthaft geprüft wird (EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413). Auch der EuGH hat jüngst (Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10 -, juris) bekräftigt, grundsätzlich sei von einer Vermutung dahingehend auszugehen, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK stehe. Dessen ungeachtet ist nach Auffassung des EuGH jedoch die Überstellung eines Asylbewerbers in einen Staat mit Art. 4 Grundrechte-Charta unvereinbar, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Statuiert der EuGH für diesen Fall eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den im Sinne der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, muss in diesem Ausnahmefall in einschränkender Auslegung des § 34a AsylVfG die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes möglich sein.
2. Unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage bestehen erhebliche Zweifel an einer Befugnis der Antragsgegnerin zur Rücküberstellung des Antragstellers nach Italien auf Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Denn jedenfalls nach der im Eilverfahren gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung ist zweifelhaft, ob Italien gegenwärtig seinen übernommenen Verpflichtungen rechtlich und tatsächlich in ausreichendem Umfang nachkommt und die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass Ausländer, die dort einen Asyl- oder Schutzantrag gestellt haben bzw. im Falle ihrer Rücküberstellung noch stellen wollen, nicht von individuellen Gefährdungen i.S.d. Art. 4 Grundrechte-Charta, Art. 3 EMRK betroffen sind.
a) Die in Italien herrschenden Zustände für Asylbewerber, die im Rahmen einer Überstellung nach der Dublin II-Verordnung dorthin zurückkehren, waren bereits vor Beginn der Unruhen in der arabischen Welt im Februar vergangenen Jahres kritikwürdig: Der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe („Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011) deutet darauf hin, dass insbesondere die Richtlinie 2003/9/EG zum Flüchtlingsschutz, nach der die Mitgliedstaaten insbesondere solche materiellen Aufnahmebedingungen schaffen, die Lebensunterhalt einschließlich Unterbringung wie auch Gesundheit der Asylbewerber gewährleisten (vgl. Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 dieser Richtlinie), derzeit in vielen Bereichen nicht umgesetzt wird. Der ausführliche Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe schildert Obdachlosigkeit und fehlende existenzielle Versorgung der großen Mehrheit der Asylsuchenden: Zwar sollten Asylsuchende für die Dauer des Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen, den so genannten CARA (Centri di accoglienza per richiedenti asilo), untergebracht werden; hier seien etwa 2.000 Plätze verfügbar. In der Zeit zwischen dem Erstkontakt mit italienischen Behörden und der formellen Registrierung ihres Asylgesuchs (Verbalizzazione) durch die personell nicht ausreichend ausgestatteten Questura - ein Zeitraum, der einige Monate dauern könne - hätten Asylsuchende jedoch keinen Zugang zu Unterkünften und lebten meist auf der Straße; auch müssten Asylsuchende das CARA regelmäßig nicht nur in jedem Fall nach Erlass des erstinstanzlichen Entscheids, sondern auch dann, wenn das Asylverfahren nicht abgeschlossen ist, nach längstens sechs Monaten verlassen. Das staatliche Aufnahmesystem SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati), das italienweit die Unterbringung und Integration von Schutzberechtigten und teilweise auch Asylsuchenden gewährleisten solle, sei mit nur gut 3.000 Plätzen völlig überlastet. Die allermeisten Asylsuchenden hätten, auch wenn sie sich nach sechs Monaten um Arbeitsstellen bewerben dürften, aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in Italien keine Chance auf reguläre Arbeit, die es ihnen ermöglichte, sich selbst zu versorgen. Sie würden mit der Entlassung aus dem CARA in den meisten Fällen obdachlos und lebten unter freiem Himmel oder in besetzen Häusern unter unhaltbaren Lebensbedingungen; nachdem der Erhalt von Unterstützungsleistungen an den Aufenthalt in einem Zentrum geknüpft sei, habe die Obdachlosigkeit schwerwiegende Folgen nicht nur für ihre grundlegenden Menschenrechte, sondern auch für die weitere Durchführung ihres Asylverfahrens. Auch Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, hätten häufig Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu erhalten und seien für die Sicherstellung ihrer lebensnotwendigen Bedürfnisse auf Hilfsorganisationen und NGO’s angewiesen. Diese Bedingungen gälten im wesentlichen auch für auf Grundlage der Dublin II-Verordnung auf dem Luftweg nach Italien zurückgeführte Asylsuchende; die italienischen Behörden seien ebenso wenig wie bei sonstigen Asylsuchenden in der Lage, ihnen bei Rückkehr nach Italien würdige Lebensbedingungen zu gewährleisten, auch insoweit fehle es an Plätzen im staatlichen Aufnahmesystem SPRAR.
b) Mit dieser Einschätzung der Lage steht die Schweizerische Flüchtlingshilfe nicht allein. Vielmehr existieren mehrere in ihren inhaltlichen Aussagen im wesentlichen übereinstimmende Berichte von Nichtregierungsorganisationen, die ausweislich des EuGH geeignet sind, die Mitgliedstaten in die Lage zu versetzen, sich ein Bild über das Funktionieren des Asylsystems im zuständigen Mitgliedstaat zu machen (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.): Der ausführliche Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender („Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, Februar 2011; abrufbar unter http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/2011/Italienbericht_FINAL_15MAERZ2011.pdf) nach ihrer Recherchereise im Oktober 2010, der Bericht der Norwegian Organization für Asylum Seekers („The Italian approach to asylum: System and core problems“, April 2011; abrufbar unter http://www.noas.org/) und der aus dem November 2009 stammende Bericht der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht („Rückschaffung in den 'sicheren Drittstaat' Italien“; abrufbar unter http://www.beobachtungsstelle.ch/index.php?id=428&L=2%2F%2F%3F_SERVER%5BDOCUMENT_ROOT%5D%3D) vermitteln ein ganz ähnliches Bild der Situation von Flüchtlingen in Italien (vgl. zur Auswertung aktueller Quellen auch Maria Bethke, „Die Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten in Italien“, Stand 7/2011; abrufbar unter http://www.nds-fluerat.org/6521/aktuelles/infos-fuer-dublin-ii-verfahren-italien/). Im Bericht von Bethke/Bender (a.a.O.) sowie in der Quellenauswertung von Bethke wird insbesondere darauf hingewiesen, dass das Platz- und Obdachlosigkeitsproblem auch Rückkehrer im Rahmen von Dublin-II-Verfahren betreffe, die weder Anspruch auf Wohnraum noch auf existenzsichernde Sozialleistungen hätten; in den Jahren 2008 und 2009 seien nur etwa 12 % der Dublin-Rückkehrer in ein SPRAR-Projekt vermittelt worden, während die ganz überwiegende Mehrzahl der Obdachlosigkeit überlassen worden sei. Weiter verweisen Bethke/Bender (a.a.O.) ausdrücklich darauf, dass bei obdachlosen Personen oder solchen, die in besetzen Häusern wohnten, Postzustellungen nicht möglich seien, so dass amtliche Dokumente, etwa ein im italienischen Asylverfahren noch ausstehender Bescheid, sie nicht erreichen könnten; ebenso wenig sei es ihnen möglich, eine für ein in Deutschland ggf. noch laufendes Gerichtsverfahren notwendige ladungsfähige Anschrift anzugeben.
c) Für die Lagebeurteilung nicht außer Betracht gelassen werden darf weiter der Umstand, dass sich die zitierten Erkenntnismittel mit den Zuständen in Italien beschäftigen, wie sie sich im wesentlichen vor dem Frühjahr 2011 darstellten, zu einem Zeitpunkt also, zu dem die Zahl der Asylanträge in Italien rückläufig war; so wurden im Jahr 2008 30.145 Asylanträge gestellt, 2009 17.670 und 2010 (nur) noch 10.050 (zu den Zahlen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Entscheiderbrief 7/2011). Bereits diese vergleichsweise geringen Zahlen führten zu den in den zitierten Berichten beschriebenen massiven Schwierigkeiten der Asylbewerber, angesichts ihrer prekären Lebenssituation, aber auch angesichts der völlig überlasteten behördlichen Strukturen ein Asylverfahren zu betreiben. Seit Beginn der Unruhen in Nordafrika aber stieg die Zahl der Flüchtlinge, die Italien erreichen, sprunghaft an; nach Angaben des UNHCR (http://www.unhcr.de/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunderte-neuankoemmlinge-aus-libyen-und-tunesien-in-italien.html?L=0) hatten im Jahr 2011 bis Mitte August 52.000 Menschen im Zuge der nordafrikanischen Flüchtlingskrise Italien erreicht, italienische Quellen sprechen Ende September 2011 von über 60.000 Flüchtlingen, die seit Jahresbeginn die italienische Küste erreicht haben (http://www.interno.it/mininterno/export/sites/default/it/sezioni/sala_stampa/notizie/immigrazione/0000070_2011_09_29_informativa_Viale_al_Senato.html). Angesichts dieser Zahlen gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche Verbesserung der Situation der Flüchtlinge in Italien.
d) Diesen Berichten hat die Antragsgegnerin nichts substantiiert entgegengesetzt. Die - unbestrittene - Tatsache, dass es anders als bei Griechenland im Falle von Italien keine Empfehlung des UNHCR dahingehend gibt, Asylsuchende nicht an diesen Staat zu überstellen, genügt nach Auffassung der Kammer nicht; auch das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinen die Lage in Griechenland betreffenden Entscheidungen nicht isoliert auf eine entsprechende Stellungnahme des UNHCR, sondern auf die „umfangreichen Stellungnahmen verschiedener Organisationen zur Situation von Asylantragstellern in Griechenland“ berufen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 22.12.2009 - 2 BvR 2879/09 -, juris; Beschluss vom 13.11.2009 - 2 BvR 2603/09 -, juris). Der Hinweis der Antragsgegnerin darauf, aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ergebe sich keine Empfehlung, Flüchtlinge nicht nach Italien zurückzuschieben, ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Für bestimmte Personengruppen - verletzliche Personen sowie Asylsuchende, bei denen prima facie die Flüchtlingseigenschaft oder ein subsidiäres Schutzbedürfnis als bestehend betrachtet werden kann - fordert die Schweizerische Flüchtlingshilfe vielmehr explizit die Mitgliedstaaten auf, Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO (Souveränitätsklausel) anzuwenden, um eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu verhindern. Aber auch bei allen anderen Asylsuchenden fordert die Schweizerische Flüchtlingshilfe die Mitgliedstaaten ausdrücklich auf, vor der Überstellung der Betroffenen deren Situation sorgfältig abzuklären und dafür zu sorgen, von den italienischen Behörden eine verbindliche Zusage zu erhalten, dass sie in der Lage sind, die Rückkehrenden ab ihrer Ankunft angemessen zu unterstützen. Für eine sorgfältige Abklärung oder gar eine Kontaktaufnahme mit den italienischen Behörden bestehen vorliegend nach Aktenlage indes - insoweit in Übereinstimmung mit der gängigen Praxis der EU-Mitgliedstaaten - keine Anhaltspunkte; in einer solchen Situation aber sind die Empfehlungen, die die Schweizerische Flüchtlingshilfe ausgesprochen hat, durchaus dahingehend zu verstehen, dass eine Überstellung aus Gründen des Menschenrechtsschutzes unterbleiben solle. Ebenso wenig vermag die Kritik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Entscheiderbrief 7/2011) an den Erkenntnisquellen und den in der Rechtsprechung hieraus gezogenen Konsequenzen zu überzeugen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beruft sich in erster Linie, wie auch die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall, auf die von Gesetzes wegen in Italien bestehenden Rechte von Asylsuchenden auf Unterkunft, Arbeit und Sozialleistungen, setzt sich jedoch nicht auseinander mit den vielfältigen konkreten Hinweisen auf die erhebliche Diskrepanz zwischen den von Italien eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen, denen durch entsprechende Rechtsakte auf formeller Ebene Rechnung getragen worden sein mag, und ihrer Umsetzung in der Praxis. Das Auswärtige Amt und das Bundesamt stellen - soweit ersichtlich - keine eigenen Erkenntnisse zur Verfügung; auch im Übrigen fehlt es an jeglichen Erkenntnismitteln, die eine von den zitierten Auskünften abweichende - günstigere - Lagebeurteilung der Verhältnisse in Italien erlaubten.
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e) Nach Auffassung der Kammer nach der bisherigen Recherche und Lektüre der aktuellen Informationen zur Lage in Italien liegen damit aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der EuGH-Rechtsprechung (Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.) für die Annahme vor, der Antragsteller laufe tatsächlich Gefahr, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Angesichts der konkreten Umstände - insbesondere der unter Flüchtlingen verbreiteten Obdachlosigkeit, welche die Zustellung amtlicher Dokumente und damit auch das Betreiben behördlicher wie gerichtlicher Verfahren maßgeblich erschwert, wenn nicht unmöglich macht, aber auch der gerichtsbekannten langen Laufzeiten italienischer Gerichtsverfahren - bestehen nach Aktenlage auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, die Asylbewerber hätten faktisch die Möglichkeit, die ihnen ausweislich der von Italien unterzeichneten internationalen Abkommen wie auch nationalen Gesetze zustehenden (Menschen-)Rechte innerhalb eines überschaubaren Zeitraums einzuklagen. Daher ist der Antrag des Antragstellers in verfassungs- bzw. europarechtskonformer Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG zulässig (so für Fälle der Überstellung nach Italien auch VG Freiburg, Beschluss vom 20.10.2011 - A 1 K 1936/11 -; Beschluss vom 06.09.2011 A 3 K 1738/11 -; Beschluss vom 25.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Arnsberg, Beschluss vom 25.03.2011 - 12 L 165/11.A -, asyl.net; VG Minden, Beschluss vom 01.09.2011 - 3 L 427/11.A -, asyl.net; VG Stuttgart, Beschluss vom 01.08.2011 - A 6 K 2577/11 -, juris; VG Meiningen, Beschluss vom 21.09.2011 - 8 E 20262/11 -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2011 - 21 L 1083/11.A -, asyl.net; VG Osnabrück, Beschluss vom 23.05.2011 - 5 B 38/11 -, juris; i.Erg. auch VG Wiesbaden, Beschluss vom 12.04.3022 - 7 L 303/11.WI.A -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 08.07.2011 - Au 6 S 11.30229 -, juris (unter Verweis auf besondere Schutzbedürftigkeit des Antragstellers); a.A. VG Saarlouis, Beschluss vom 22.08.2011 - 5 L 744/11 -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 05.09.2011 - Au 6 E 11.1320 -, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 21.09.2011 - AN 11 S 11.30425 -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.2011 - 6 L 866/11.A -, juris; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 23.05.2011 - 9 L 1025/11.F.A. -, asyl.net; VG Bremen, Beschluss vom 24.01.2012 - 6 V 1549/11.A -, juris).
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B. Der Antrag ist auch begründet. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung hat das Gericht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Bescheids dem privaten Interesse des Betroffenen an einem Absehen von der sofortigen Vollziehung gegenüber zu stellen und abzuwägen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgeblich. Lassen sich die offensichtliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids und damit die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs im Rahmen der summarischen Prüfung nicht ohne weiteres feststellen, hat das Gericht eine Interessenabwägung zu treffen. Dabei hat es die Folgen abzuschätzen, die einträten, wenn der Bescheid sofort vollzogen würde, ein Hauptsacherechtsbehelf des Antragstellers hingegen später Erfolg hätte bzw. wenn der Bescheid nicht sofort vollzogen würde, aber der Hauptsacherechtsbehelf später erfolglos bliebe.
12 
I. Der vorliegende Antrag ist nicht schon deshalb begründet, weil, wie der Antragsteller meint, die zuständigen Behörden der Republik Italien die Übernahme des Asylverfahrens nicht angezeigt hätten und daher nicht feststehe, ob Italien die Übernahme des Antragstellers akzeptiere, so dass die Abschiebungsanordnung rechtswidrig sei. Denn nach Art. 20 Abs. 1 c) Dublin II-VO wird in Fällen, in denen - wie vorliegend - der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der Frist keine Antwort erteilt, davon ausgegangen, dass er die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert.
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II. Das Gericht kommt jedoch im Rahmen der ihm nach § 80 Abs. 5 VwGO obliegenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass das private Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben zu werden, das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Abschiebungsanordnung überwiegt.
14 
Im vorliegenden Fall bestehen, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die offensichtliche Begründetheit der Klage in der Hauptsache lässt sich jedoch wegen der schwierigen Sach- und Rechtsfragen im Rahmen der summarischen Prüfung nicht feststellen; hierzu bedarf es vielmehr einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, gegebenenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme. In der daher vorzunehmenden Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO gebührt dem Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Abschiebung der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der nach summarischer Prüfung rechtswidrigen Abschiebungsanordnung. Denn gegenüber dem Anspruch des Antragstellers auf Schutz entsprechend der europaweit vereinbarten Mindeststandards hat das öffentliche Interesse an der Umsetzung der Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-Verordnung zurückzutreten. Dies gilt umso mehr, als die Rückstellungsfristen des Art. 19 Abs. 3 Satz 1, Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu laufen beginnen dürften, weil die Klage hier ausnahmsweise nach nationalem Recht aufschiebende Wirkung hat, so dass eine Rücküberstellung des Antragstellers im Falle seines Unterliegens in der Hauptsache wohl immer noch möglich sein dürfte (Hess. VGH, Beschluss vom 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A. -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08 -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 08.07.2011 - Au 6 S 11.30229 -, juris, m.w.N.). Umgekehrt bestünde bei einer Überstellung nach Italien im laufenden Verfahren angesichts der dem Antragsteller dort drohenden Obdachlosigkeit die konkrete Gefahr, behördlich und gerichtlich unerreichbar zu sein mit der Folge, dass selbst im Falle seines Obsiegens in der Hauptsache die Folgen nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 20.10.2011 - A 1 K 1936/11 -).
15 
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Regierungspräsidium Karlsruhe - Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge - bereits die Abschiebungsanordnung übersandt hat, war der Antragsgegnerin zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes für den Antragsteller entsprechend § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO aufzugeben, dem Regierungspräsidium die Aussetzung der Abschiebung mitzuteilen.
16 
Der Antragsgegnerin bleibt es unbenommen, bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu stellen.
17 
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).
18 
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.