Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (A 4 K 2202/11) gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.08.2011 wird angeordnet.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Italien vorläufig nicht durchgeführt werden darf.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
A. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage (A 4 K 2202/11) gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25.08.2011, zugestellt am 02.11.2011, anzuordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG), ist zulässig.
I. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richtet sich vorliegend nach § 80 Abs. 5 VwGO. Der Antragsteller beantragt im Hauptsacheverfahren (A 4 K 2202/11) die isolierte Aufhebung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 25.08.2011, hat folglich eine isolierte Anfechtungsklage erhoben. Die Anfechtungsklage ist in Fällen der §§ 27a, 34a AsylVfG statthafte Klageart. Denn die antragsgemäße Entscheidung des Gerichts - Aufhebung der ablehnenden Entscheidung, mit der die Durchführung eines Asylverfahrens für unzulässig erklärt wurde - führt zu einer formellen und materiellen Prüfung des Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ohne dass dem Kläger eine mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattete Tatsachenentscheidung genommen wird (für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage in Fällen des § 27a AsylVfG auch VG Wiesbaden, Urteil vom 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -, juris, unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris; VG Neustadt, Urteil vom 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, juris; ohne nähere Begründung auch VG Braunschweig, Urteil vom 01.06.2010 - 1 A 47/10 -, juris; VG München, Urteil vom 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 08.11.2011 - AN 11 S 11.30508 -, juris; VG Frankfurt, Urteil vom 23.06.2010 - 7 K 2789/09.F.A. -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 01.02.2010  - Au 5 S 10.30014 -, juris; a.A. [Statthaftigkeit nur der Verpflichtungsklage] OVG NRW, Urteil vom 10.05.2010 - 3 A 133/10.A -, juris). Ist aber in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft, richtet sich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 5 VwGO allein nach § 80 Abs. 5 VwGO.
II. § 34a Abs. 2 AsylVfG, der seinem Wortlaut nach vorläufigen Rechtsschutz bei Abschiebungen nach § 34a Abs. 1 AsylVfG ausschließt, steht dem nicht entgegen. Zwar handelt es sich bei der geplanten Abschiebung des Antragstellers um eine solche nach § 34a Abs. 1 AsylVfG, denn der Antragsteller soll nach Italien als dem gemäß § 27a AsylVfG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 b und c, Art. 4 und Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 - Dublin II-VO - für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständigen Staat überstellt werden. Auch im Falle von Italien kommt jedoch angesichts der jüngsten Berichte zur Lage der Flüchtlinge dort eine im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG verfassungskonforme Auslegung bzw. Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG, wie sie das Bundesverfassungsgericht in Fällen der Abschiebung nach Griechenland annimmt (vgl. zul. Beschluss vom 15.07.2010 - 2 BvR 1460/10 -, juris), zum Tragen.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat im Hinblick auf § 26a AsylVfG (sicherer Drittstaat) bereits im Jahr 1996 entschieden (Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris), dass die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes trotz der in § 34a Abs. 2 AsylVfG enthaltenen Ausschlussregelung und trotz des der Drittstaatenreglung zugrundeliegenden Konzepts der normativen Vergewisserung gleichwohl statthaft und geboten sein kann, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Ausländer von einem Sonderfall betroffen ist, der vom Vergewisserungskonzept nicht aufgefangen wird. Auch in den Fällen, in denen Gegenstand des Eilrechtsschutzantrags eine beabsichtigte Abschiebung in einen nach der Dublin II-Verordnung zuständigen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, kann eine verfassungsrechtlich gebotene Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG in Betracht kommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.07.2010 - 2 BvR 1460/10 -, juris). Diese ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf § 27a AsylVfG dann geboten, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Ausländer von einem Sonderfall betroffen ist, der außerhalb des Konzepts normativer Vergewisserung über die Sicherheit im jeweiligen EU-Mitgliedstaat liegt. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen. Das Konzept normativer Vergewisserung bezieht sich darauf, dass diese Staaten Flüchtlingen den nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention gebotenen Schutz gewähren, was beinhaltet, dass es schutzsuchenden Ausländern nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen möglich ist, ein Schutzgesuch tatsächlich anzubringen und dadurch die Verpflichtung einer zuständigen Stelle zu begründen, hierüber nach vorgängiger Prüfung eine Entscheidung zu treffen. Ein Sonderfall kann daher ausnahmsweise dann vorliegen, wenn sich ein Staat von seinen mit seinem Beitritt zur Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK eingegangenen und von ihm auch generell eingehaltenen Verpflichtungen löst und Ausländern Schutz dadurch verweigert, dass er sich ihrer ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996., a.a.O.), oder wenn das Asylverfahren in einem Staat in der Praxis solche erheblichen strukturellen Mängel aufweist, dass Asylbewerber nur eine sehr geringe Chance haben, dass ihr Antrag ernsthaft geprüft wird (EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413). Auch der EuGH hat jüngst (Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10 -, juris) bekräftigt, grundsätzlich sei von einer Vermutung dahingehend auszugehen, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK stehe. Dessen ungeachtet ist nach Auffassung des EuGH jedoch die Überstellung eines Asylbewerbers in einen Staat mit Art. 4 Grundrechte-Charta unvereinbar, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Statuiert der EuGH für diesen Fall eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den im Sinne der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, muss in diesem Ausnahmefall in einschränkender Auslegung des § 34a AsylVfG die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes möglich sein.
2. Unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage bestehen erhebliche Zweifel an einer Befugnis der Antragsgegnerin zur Rücküberstellung des Antragstellers nach Italien auf Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Denn jedenfalls nach der im Eilverfahren gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung ist zweifelhaft, ob Italien gegenwärtig seinen übernommenen Verpflichtungen rechtlich und tatsächlich in ausreichendem Umfang nachkommt und die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass Ausländer, die dort einen Asyl- oder Schutzantrag gestellt haben bzw. im Falle ihrer Rücküberstellung noch stellen wollen, nicht von individuellen Gefährdungen i.S.d. Art. 4 Grundrechte-Charta, Art. 3 EMRK betroffen sind.
a) Die in Italien herrschenden Zustände für Asylbewerber, die im Rahmen einer Überstellung nach der Dublin II-Verordnung dorthin zurückkehren, waren bereits vor Beginn der Unruhen in der arabischen Welt im Februar vergangenen Jahres kritikwürdig: Der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe („Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011) deutet darauf hin, dass insbesondere die Richtlinie 2003/9/EG zum Flüchtlingsschutz, nach der die Mitgliedstaaten insbesondere solche materiellen Aufnahmebedingungen schaffen, die Lebensunterhalt einschließlich Unterbringung wie auch Gesundheit der Asylbewerber gewährleisten (vgl. Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 dieser Richtlinie), derzeit in vielen Bereichen nicht umgesetzt wird. Der ausführliche Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe schildert Obdachlosigkeit und fehlende existenzielle Versorgung der großen Mehrheit der Asylsuchenden: Zwar sollten Asylsuchende für die Dauer des Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen, den so genannten CARA (Centri di accoglienza per richiedenti asilo), untergebracht werden; hier seien etwa 2.000 Plätze verfügbar. In der Zeit zwischen dem Erstkontakt mit italienischen Behörden und der formellen Registrierung ihres Asylgesuchs (Verbalizzazione) durch die personell nicht ausreichend ausgestatteten Questura - ein Zeitraum, der einige Monate dauern könne - hätten Asylsuchende jedoch keinen Zugang zu Unterkünften und lebten meist auf der Straße; auch müssten Asylsuchende das CARA regelmäßig nicht nur in jedem Fall nach Erlass des erstinstanzlichen Entscheids, sondern auch dann, wenn das Asylverfahren nicht abgeschlossen ist, nach längstens sechs Monaten verlassen. Das staatliche Aufnahmesystem SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati), das italienweit die Unterbringung und Integration von Schutzberechtigten und teilweise auch Asylsuchenden gewährleisten solle, sei mit nur gut 3.000 Plätzen völlig überlastet. Die allermeisten Asylsuchenden hätten, auch wenn sie sich nach sechs Monaten um Arbeitsstellen bewerben dürften, aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in Italien keine Chance auf reguläre Arbeit, die es ihnen ermöglichte, sich selbst zu versorgen. Sie würden mit der Entlassung aus dem CARA in den meisten Fällen obdachlos und lebten unter freiem Himmel oder in besetzen Häusern unter unhaltbaren Lebensbedingungen; nachdem der Erhalt von Unterstützungsleistungen an den Aufenthalt in einem Zentrum geknüpft sei, habe die Obdachlosigkeit schwerwiegende Folgen nicht nur für ihre grundlegenden Menschenrechte, sondern auch für die weitere Durchführung ihres Asylverfahrens. Auch Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, hätten häufig Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu erhalten und seien für die Sicherstellung ihrer lebensnotwendigen Bedürfnisse auf Hilfsorganisationen und NGO’s angewiesen. Diese Bedingungen gälten im wesentlichen auch für auf Grundlage der Dublin II-Verordnung auf dem Luftweg nach Italien zurückgeführte Asylsuchende; die italienischen Behörden seien ebenso wenig wie bei sonstigen Asylsuchenden in der Lage, ihnen bei Rückkehr nach Italien würdige Lebensbedingungen zu gewährleisten, auch insoweit fehle es an Plätzen im staatlichen Aufnahmesystem SPRAR.
b) Mit dieser Einschätzung der Lage steht die Schweizerische Flüchtlingshilfe nicht allein. Vielmehr existieren mehrere in ihren inhaltlichen Aussagen im wesentlichen übereinstimmende Berichte von Nichtregierungsorganisationen, die ausweislich des EuGH geeignet sind, die Mitgliedstaten in die Lage zu versetzen, sich ein Bild über das Funktionieren des Asylsystems im zuständigen Mitgliedstaat zu machen (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.): Der ausführliche Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender („Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, Februar 2011; abrufbar unter http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/2011/Italienbericht_FINAL_15MAERZ2011.pdf) nach ihrer Recherchereise im Oktober 2010, der Bericht der Norwegian Organization für Asylum Seekers („The Italian approach to asylum: System and core problems“, April 2011; abrufbar unter http://www.noas.org/) und der aus dem November 2009 stammende Bericht der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht („Rückschaffung in den 'sicheren Drittstaat' Italien“; abrufbar unter http://www.beobachtungsstelle.ch/index.php?id=428&L=2%2F%2F%3F_SERVER%5BDOCUMENT_ROOT%5D%3D) vermitteln ein ganz ähnliches Bild der Situation von Flüchtlingen in Italien (vgl. zur Auswertung aktueller Quellen auch Maria Bethke, „Die Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten in Italien“, Stand 7/2011; abrufbar unter http://www.nds-fluerat.org/6521/aktuelles/infos-fuer-dublin-ii-verfahren-italien/). Im Bericht von Bethke/Bender (a.a.O.) sowie in der Quellenauswertung von Bethke wird insbesondere darauf hingewiesen, dass das Platz- und Obdachlosigkeitsproblem auch Rückkehrer im Rahmen von Dublin-II-Verfahren betreffe, die weder Anspruch auf Wohnraum noch auf existenzsichernde Sozialleistungen hätten; in den Jahren 2008 und 2009 seien nur etwa 12 % der Dublin-Rückkehrer in ein SPRAR-Projekt vermittelt worden, während die ganz überwiegende Mehrzahl der Obdachlosigkeit überlassen worden sei. Weiter verweisen Bethke/Bender (a.a.O.) ausdrücklich darauf, dass bei obdachlosen Personen oder solchen, die in besetzen Häusern wohnten, Postzustellungen nicht möglich seien, so dass amtliche Dokumente, etwa ein im italienischen Asylverfahren noch ausstehender Bescheid, sie nicht erreichen könnten; ebenso wenig sei es ihnen möglich, eine für ein in Deutschland ggf. noch laufendes Gerichtsverfahren notwendige ladungsfähige Anschrift anzugeben.
c) Für die Lagebeurteilung nicht außer Betracht gelassen werden darf weiter der Umstand, dass sich die zitierten Erkenntnismittel mit den Zuständen in Italien beschäftigen, wie sie sich im wesentlichen vor dem Frühjahr 2011 darstellten, zu einem Zeitpunkt also, zu dem die Zahl der Asylanträge in Italien rückläufig war; so wurden im Jahr 2008 30.145 Asylanträge gestellt, 2009 17.670 und 2010 (nur) noch 10.050 (zu den Zahlen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Entscheiderbrief 7/2011). Bereits diese vergleichsweise geringen Zahlen führten zu den in den zitierten Berichten beschriebenen massiven Schwierigkeiten der Asylbewerber, angesichts ihrer prekären Lebenssituation, aber auch angesichts der völlig überlasteten behördlichen Strukturen ein Asylverfahren zu betreiben. Seit Beginn der Unruhen in Nordafrika aber stieg die Zahl der Flüchtlinge, die Italien erreichen, sprunghaft an; nach Angaben des UNHCR (http://www.unhcr.de/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunderte-neuankoemmlinge-aus-libyen-und-tunesien-in-italien.html?L=0) hatten im Jahr 2011 bis Mitte August 52.000 Menschen im Zuge der nordafrikanischen Flüchtlingskrise Italien erreicht, italienische Quellen sprechen Ende September 2011 von über 60.000 Flüchtlingen, die seit Jahresbeginn die italienische Küste erreicht haben (http://www.interno.it/mininterno/export/sites/default/it/sezioni/sala_stampa/notizie/immigrazione/0000070_2011_09_29_informativa_Viale_al_Senato.html). Angesichts dieser Zahlen gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche Verbesserung der Situation der Flüchtlinge in Italien.
d) Diesen Berichten hat die Antragsgegnerin nichts substantiiert entgegengesetzt. Die - unbestrittene - Tatsache, dass es anders als bei Griechenland im Falle von Italien keine Empfehlung des UNHCR dahingehend gibt, Asylsuchende nicht an diesen Staat zu überstellen, genügt nach Auffassung der Kammer nicht; auch das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinen die Lage in Griechenland betreffenden Entscheidungen nicht isoliert auf eine entsprechende Stellungnahme des UNHCR, sondern auf die „umfangreichen Stellungnahmen verschiedener Organisationen zur Situation von Asylantragstellern in Griechenland“ berufen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 22.12.2009 - 2 BvR 2879/09 -, juris; Beschluss vom 13.11.2009 - 2 BvR 2603/09 -, juris). Der Hinweis der Antragsgegnerin darauf, aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ergebe sich keine Empfehlung, Flüchtlinge nicht nach Italien zurückzuschieben, ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Für bestimmte Personengruppen - verletzliche Personen sowie Asylsuchende, bei denen prima facie die Flüchtlingseigenschaft oder ein subsidiäres Schutzbedürfnis als bestehend betrachtet werden kann - fordert die Schweizerische Flüchtlingshilfe vielmehr explizit die Mitgliedstaaten auf, Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO (Souveränitätsklausel) anzuwenden, um eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu verhindern. Aber auch bei allen anderen Asylsuchenden fordert die Schweizerische Flüchtlingshilfe die Mitgliedstaaten ausdrücklich auf, vor der Überstellung der Betroffenen deren Situation sorgfältig abzuklären und dafür zu sorgen, von den italienischen Behörden eine verbindliche Zusage zu erhalten, dass sie in der Lage sind, die Rückkehrenden ab ihrer Ankunft angemessen zu unterstützen. Für eine sorgfältige Abklärung oder gar eine Kontaktaufnahme mit den italienischen Behörden bestehen vorliegend nach Aktenlage indes - insoweit in Übereinstimmung mit der gängigen Praxis der EU-Mitgliedstaaten - keine Anhaltspunkte; in einer solchen Situation aber sind die Empfehlungen, die die Schweizerische Flüchtlingshilfe ausgesprochen hat, durchaus dahingehend zu verstehen, dass eine Überstellung aus Gründen des Menschenrechtsschutzes unterbleiben solle. Ebenso wenig vermag die Kritik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Entscheiderbrief 7/2011) an den Erkenntnisquellen und den in der Rechtsprechung hieraus gezogenen Konsequenzen zu überzeugen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beruft sich in erster Linie, wie auch die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall, auf die von Gesetzes wegen in Italien bestehenden Rechte von Asylsuchenden auf Unterkunft, Arbeit und Sozialleistungen, setzt sich jedoch nicht auseinander mit den vielfältigen konkreten Hinweisen auf die erhebliche Diskrepanz zwischen den von Italien eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen, denen durch entsprechende Rechtsakte auf formeller Ebene Rechnung getragen worden sein mag, und ihrer Umsetzung in der Praxis. Das Auswärtige Amt und das Bundesamt stellen - soweit ersichtlich - keine eigenen Erkenntnisse zur Verfügung; auch im Übrigen fehlt es an jeglichen Erkenntnismitteln, die eine von den zitierten Auskünften abweichende - günstigere - Lagebeurteilung der Verhältnisse in Italien erlaubten.
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e) Nach Auffassung der Kammer nach der bisherigen Recherche und Lektüre der aktuellen Informationen zur Lage in Italien liegen damit aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der EuGH-Rechtsprechung (Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.) für die Annahme vor, der Antragsteller laufe tatsächlich Gefahr, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Angesichts der konkreten Umstände - insbesondere der unter Flüchtlingen verbreiteten Obdachlosigkeit, welche die Zustellung amtlicher Dokumente und damit auch das Betreiben behördlicher wie gerichtlicher Verfahren maßgeblich erschwert, wenn nicht unmöglich macht, aber auch der gerichtsbekannten langen Laufzeiten italienischer Gerichtsverfahren - bestehen nach Aktenlage auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, die Asylbewerber hätten faktisch die Möglichkeit, die ihnen ausweislich der von Italien unterzeichneten internationalen Abkommen wie auch nationalen Gesetze zustehenden (Menschen-)Rechte innerhalb eines überschaubaren Zeitraums einzuklagen. Daher ist der Antrag des Antragstellers in verfassungs- bzw. europarechtskonformer Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG zulässig (so für Fälle der Überstellung nach Italien auch VG Freiburg, Beschluss vom 20.10.2011 - A 1 K 1936/11 -; Beschluss vom 06.09.2011 A 3 K 1738/11 -; Beschluss vom 25.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Arnsberg, Beschluss vom 25.03.2011 - 12 L 165/11.A -, asyl.net; VG Minden, Beschluss vom 01.09.2011 - 3 L 427/11.A -, asyl.net; VG Stuttgart, Beschluss vom 01.08.2011 - A 6 K 2577/11 -, juris; VG Meiningen, Beschluss vom 21.09.2011 - 8 E 20262/11 -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2011 - 21 L 1083/11.A -, asyl.net; VG Osnabrück, Beschluss vom 23.05.2011 - 5 B 38/11 -, juris; i.Erg. auch VG Wiesbaden, Beschluss vom 12.04.3022 - 7 L 303/11.WI.A -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 08.07.2011 - Au 6 S 11.30229 -, juris (unter Verweis auf besondere Schutzbedürftigkeit des Antragstellers); a.A. VG Saarlouis, Beschluss vom 22.08.2011 - 5 L 744/11 -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 05.09.2011 - Au 6 E 11.1320 -, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 21.09.2011 - AN 11 S 11.30425 -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.2011 - 6 L 866/11.A -, juris; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 23.05.2011 - 9 L 1025/11.F.A. -, asyl.net; VG Bremen, Beschluss vom 24.01.2012 - 6 V 1549/11.A -, juris).
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B. Der Antrag ist auch begründet. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung hat das Gericht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Bescheids dem privaten Interesse des Betroffenen an einem Absehen von der sofortigen Vollziehung gegenüber zu stellen und abzuwägen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgeblich. Lassen sich die offensichtliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids und damit die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs im Rahmen der summarischen Prüfung nicht ohne weiteres feststellen, hat das Gericht eine Interessenabwägung zu treffen. Dabei hat es die Folgen abzuschätzen, die einträten, wenn der Bescheid sofort vollzogen würde, ein Hauptsacherechtsbehelf des Antragstellers hingegen später Erfolg hätte bzw. wenn der Bescheid nicht sofort vollzogen würde, aber der Hauptsacherechtsbehelf später erfolglos bliebe.
12 
I. Der vorliegende Antrag ist nicht schon deshalb begründet, weil, wie der Antragsteller meint, die zuständigen Behörden der Republik Italien die Übernahme des Asylverfahrens nicht angezeigt hätten und daher nicht feststehe, ob Italien die Übernahme des Antragstellers akzeptiere, so dass die Abschiebungsanordnung rechtswidrig sei. Denn nach Art. 20 Abs. 1 c) Dublin II-VO wird in Fällen, in denen - wie vorliegend - der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der Frist keine Antwort erteilt, davon ausgegangen, dass er die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert.
13 
II. Das Gericht kommt jedoch im Rahmen der ihm nach § 80 Abs. 5 VwGO obliegenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass das private Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben zu werden, das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Abschiebungsanordnung überwiegt.
14 
Im vorliegenden Fall bestehen, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die offensichtliche Begründetheit der Klage in der Hauptsache lässt sich jedoch wegen der schwierigen Sach- und Rechtsfragen im Rahmen der summarischen Prüfung nicht feststellen; hierzu bedarf es vielmehr einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, gegebenenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme. In der daher vorzunehmenden Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO gebührt dem Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Abschiebung der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der nach summarischer Prüfung rechtswidrigen Abschiebungsanordnung. Denn gegenüber dem Anspruch des Antragstellers auf Schutz entsprechend der europaweit vereinbarten Mindeststandards hat das öffentliche Interesse an der Umsetzung der Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-Verordnung zurückzutreten. Dies gilt umso mehr, als die Rückstellungsfristen des Art. 19 Abs. 3 Satz 1, Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu laufen beginnen dürften, weil die Klage hier ausnahmsweise nach nationalem Recht aufschiebende Wirkung hat, so dass eine Rücküberstellung des Antragstellers im Falle seines Unterliegens in der Hauptsache wohl immer noch möglich sein dürfte (Hess. VGH, Beschluss vom 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A. -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08 -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 08.07.2011 - Au 6 S 11.30229 -, juris, m.w.N.). Umgekehrt bestünde bei einer Überstellung nach Italien im laufenden Verfahren angesichts der dem Antragsteller dort drohenden Obdachlosigkeit die konkrete Gefahr, behördlich und gerichtlich unerreichbar zu sein mit der Folge, dass selbst im Falle seines Obsiegens in der Hauptsache die Folgen nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 20.10.2011 - A 1 K 1936/11 -).
15 
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Regierungspräsidium Karlsruhe - Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge - bereits die Abschiebungsanordnung übersandt hat, war der Antragsgegnerin zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes für den Antragsteller entsprechend § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO aufzugeben, dem Regierungspräsidium die Aussetzung der Abschiebung mitzuteilen.
16 
Der Antragsgegnerin bleibt es unbenommen, bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu stellen.
17 
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).
18 
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung seines Asylantrags als unzulässig sowie die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein 1982 geborener Staatsangehöriger Sri Lankas mit tamilischer Volks- und hinduistischer Glaubenszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 11.03.2011 ins Bundesgebiet ein und stellte am 12.04.2011 einen Asylantrag. Bereits im Rahmen seiner Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 06.05.2011 gab der Kläger an, er habe im Juni 2010 in Lecce / Italien Asyl beantragt. Von Januar 2010 bis Oktober 2010 habe er sich in Italien aufgehalten.
Am 20.06.2011 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) an die italienischen Behörden ein Übernahmeersuchen unter Berufung auf Art. 16 c) Dublin-II-VO. Die italienischen Behörden gaben hierzu keine Stellungnahme ab.
Mit Bescheid vom 25.08.2011, zugestellt nach dem 02.11.2011, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Italien an. Der Bescheid war auf § 27a AsylVfG, Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO gestützt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Der Kläger hat am 07.11.2011 Klage erhoben und wie folgt begründet: Eine Abschiebung erfolge gegenwärtig „ins Blaue hinein“, nachdem die italienischen Behörden das Übernahmeersuchen nicht beantwortet hätten. Er habe in Italien kein faires Asylverfahren erhalten; er habe bis heute keinen Ablehnungsbescheid bekommen, sondern sei ohne die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, unter Setzung einer kurzen Frist zur Ausreise aufgefordert worden. Auch der EGMR habe Bedenken an der Durchführung eines rechtsstaatlichen Mindestgrundsätzen genügenden Asylverfahrens in Italien. Die Ausführungen in der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes widersprächen der aktuellen Erkenntnislage sowie der praktisch einhelligen Rechtsprechung, wonach Überstellungen nach Italien aufgrund fehlender Gewährleistung des Flüchtlingsschutzes gegenwärtig unzulässig seien. Die Situation dort habe sich gerade nicht entscheidend verbessert. Die Überstellungsfristen nach Italien seien zwischenzeitlich wohl abgelaufen. Die Beklagte ignoriere die aktuelle Rechtsprechung, die zum Vorliegen systemischer Mängel komme. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich die Aufnahmesituation für zurückgeschobene Flüchtlinge verbessert habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.08.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Italien erfülle gegenüber Asylantragstellern die Mindeststandards. Es handele sich bei Italien um einen EU-Mitgliedstaat und damit um einen sicheren Drittstaat i.S.v. Art. 16a Abs. 2 GG, § 26 AsylVfG. Es sei daher aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt sei. Die Dublin-II-Verordnung beruhe auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung von GFK und EMRK in allen Mitgliedstaaten gesichert sei. Weder UNHCR noch SFH hätten Bedenken an einer Zurückschiebung von Flüchtlingen nach Italien geäußert. Die Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe die Situation wider, wie sie von zahlreichen Verwaltungsgerichten gesehen werde. Die Möglichkeit und der Ablauf des Asylverfahrens seien gesetzlich geregelt, Unterbringung werde Asylbewerbern in den Erstaufnahmeeinrichtungen und in den Aufnahmezentren gewährt. Es liege im Verantwortungsbereich des Antragstellers, dass ihn Zustellungen erreichten, wie es auch in Deutschland der Fall sei. In Italien liege der Fall im Gegensatz zu Griechenland offenbar eher so, dass sich ein großer Teil der Flüchtlinge unabhängig vom Asylverfahren dort aufhalte. Der daraus entstehende Eindruck schwieriger Lebensverhältnisse könne keinen Einfluss auf die Beurteilung haben, ob die Mindestanforderungen an das Asylverfahren erfüllt seien. Der EGMR sei der Auffassung, dass die Situation in Italien nicht mit der in Griechenland vergleichbar sei. Der EGMR habe das Vorliegen systemischer Mängel verneint. Auch das BVerfG habe in keinem einzigen Fall entschieden, dass eine Rückführung nach Italien im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens unzulässig sei. Dies sähen auch Obergerichte wie der OVG Sachsen-Anhalt im Verfahren 4 L 44/13 so. Die Auskunft des UNHCR bestätige die Rechtsauffassung, dass eine systemische Störung des Asylsystems in Italien nicht bestehe. Der UNHCR bestätige die positive Entwicklung im italienischen Verfahren. Die unentgeltliche Prozesskostenhilfe sei gesetzlich verankert, finanzielle Hilfen stünden prinzipiell zur Verfügung, wenn die Unterbringungskapazitäten der staatlichen Unterkünfte nicht ausreichten. Zur Gesundheitsversorgung und Ernährungssituation äußere sich der UNHCR positiv. Auch kurzzeitige und geringfügige Verschlechterungen und Verzögerungen erreichten nicht die Qualität einer menschenrechtswidrigen Behandlung. Die Zuständigkeit Italiens sei gemäß Art. 16 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 29 Abs. 1 Dublin-II-VO begründet; ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte sei später nicht erfolgt. Für Wiederaufnahmegesuche nach Art. 16 Abs. 1 c) bis e) Dublin-II-VO gebe es keinerlei Frist. Da der Kläger gegen seine Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO seine Überstellung nach Italien habe erfolgen können, einen Rechtsbehelf eingelegt habe, beginne gemäß Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 der Verordnung die sechsmonatige Frist im Zeitpunkt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung zu laufen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Gerichte - wie vorliegend - aufgrund der Annahme eines Ausnahmefalles tatsächlich vorläufigen Rechtsschutz gewährten.
11 
Mit Beschluss vom 24.04.2012 hat die Kammer Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes sowie eines Gutachtens des UNHCR zu verschiedenen Fragen betreffend die rechtlichen Grundlagen sowie die Praxis des Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen in Italien. Das Auswärtige Amt erteilte unter dem 11.07.2012 eine Auskunft, das Gutachten des UNHCR stammt vom 19.12.2013. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
12 
Mit Beschluss der Kammer vom 02.02.2013 ist die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Beklagten vom 25.08.2011 angeordnet und der Beklagten aufgegeben worden, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Klägers nach Italien vorläufig nicht durchgeführt werden darf.
13 
Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (1 Bd.) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten im Verfahren A 4 K 2203/11 und im vorliegenden Verfahren wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
A.
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.08.2011 hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig unter Berufung auf die fehlende Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre trotz fehlender Sachprüfung durch das Bundesamt nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Folglich ist im Falle des § 27a AsylVfG - wie auch in Konstellationen einer Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 - 10 C 1/13 -, juris; Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris) - nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten (so auch VG Stuttgart, Urteil vom 20.09.2012 - A 11 K 2519/12 -, juris; Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K 383/14 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2010 - A 4 K 4072/08 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -, juris, sowie jüngst VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; a.A. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris).
B.
15 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Bundesamt ist im angefochtenen Bescheid vom 25.08.2011 zu Recht davon ausgegangen, dass nicht die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des am 12.04.2011 gestellten Asylantrages des Klägers zuständig ist, sondern die Republik Italien, und hat daher auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet.
I.
16 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin-III-Verordnung 604/2013/EU ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin-II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin-II-VO -) anwendbar. Nach den hiernach anwendbaren Regelungen der Dublin-II-VO ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers auch dann zuständig, wenn das von ihm nach eigenen Angaben im Jahr 2011 in Lecce eingeleitete Asylverfahren, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, rechtskräftig abgeschlossen worden ist; insoweit ergibt sich eine Zuständigkeit der italienischen Behörden für die Prüfung des klägerischen Asyl(-folge-)antrags aus Art. 16 Abs. 1 e) Dublin-II-VO, nachdem diese innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO keine Antwort erteilt haben.
17 
Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Das knüpft an Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO an, welcher (u.a.) bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist ist hier noch nicht abgelaufen, wobei es maßgeblich auf die zweite Alternative der Regelung ("oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf") ankommt. Denn solange die Vollziehung der Überstellung - wie es vorliegend ausnahmsweise der Fall ist - weiter ausgesetzt ist, ist insoweit entscheidend auf die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzustellen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris).
II.
18 
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ausübt.
19 
1. Ein Hauptzweck der Verordnung VO (EG) Nr. 343/2003 besteht, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Allerdings kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO gemäß Absatz 2 der Vorschrift jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
20 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. -, juris sowie Slg. 2011, I-13905) kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen (vgl. zum Folgenden auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris). Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) aus.
21 
1.1 Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten. Im Rahmen seiner Ermessensausübung kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen; es gilt insoweit das sog. Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung (dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris). Daraus folgt die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.). Ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, kann infolgedessen entsprechend dem Konzept normativer Vergewisserung den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -, juris).
22 
1.2 Die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, ist jedoch nicht unwiderleglich. Nicht ausgeschlossen werden kann nämlich, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.).
23 
Eine Widerlegung der Vermutung wurde vom EuGH mit Blick auf die gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems indes an hohe Hürden geknüpft. Nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin-II-VO und nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts - wie etwa von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK - durch den zuständigen Mitgliedstaat vermag die Überstellung eines Asylbewerbers an den laut Dublin-II-VO eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln und das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage zu stellen. Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.; Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12 -, juris; Urteil vom 14.11.2013 - C 4/11 -, juris). Diese Rechtsprechung ist auch in die Neufassung von Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (v. 26.06.2013 - Dublin-III-VO) eingeflossen.
24 
Die sich aus dieser EuGH-Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an das deutsche verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris) dahingehend zusammengefasst, dass sich der Tatrichter im Rahmen der Amtsermittlung zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. (Nur) dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
25 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 -, NVwZ 2011, 413) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da Asylbewerber dort systematisch ohne Angabe von Gründen in Haftzentren untergebracht würden. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden. Art. 3 EMRK allein verpflichte die Vertragsstaaten zwar nicht, Flüchtlinge in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen, sie finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Etwas anderes gilt aber ausweislich des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie -), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen (so nun auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
26 
Aus dem Gesagten ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt im Hinblick auf die Asylverfahren nur dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin-II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, schon der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, dass das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass der Betroffene während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
27 
2. Trotz der in Teilen weiterhin defizitären Umsetzung der in Italien bestehenden asylrelevanten Regelungen durch die italienischen Behörden und der nach wie vor bestehenden Mängel in Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Italien sind zur Überzeugung der Kammer auf der Grundlage einer ausführlichen Auswertung der vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. zum Folgenden AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Consiglio Italiano per i Rifugiati / European Council on Refugees and Exiles, Asylum Information Database, National Country Report Italy, Mai 2013, Update November 2013, verfügbar unter http://www.asylumineurope.org/files/report-download/italy_aida_report_first_update_final_dec13.pdf - CIR/ecre, National Country Report Italy -; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, 07/2013 - UNHCR, Empfehlungen 2013 -; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione, Die derzeitige Situation von Asylbewerbern in Italien, 20.11.2012 - ASGI, Asylbewerber in Italien -) zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die strengen Voraussetzungen, die nach dem oben Gesagten für die Annahme einer Eintrittspflicht der Beklagten erfüllt sein müssten, nicht gegeben. Es steht nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen in Italien derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an Italien im Rahmen der Dublin-II-Verordnung überstellten Asylbewerber zu erwarten steht (in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo; Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 -, juris; Beschluss vom 18.03.2014 - 13 LA 75/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
28 
Denn Italien verfügt über ein ausdifferenziertes Asylverfahrensrecht und konkrete Regelungen betreffend die Aufnahme von Flüchtlingen (2.1). Auch wenn die diesbezüglichen Regelungen in der Praxis mitunter defizitär angewendet werden, sind die hierbei zutage tretenden Mängel jedenfalls gegenwärtig nicht von einer Tragweite, die das Vorliegen systemischer Mängel implizierte (2.2).
29 
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Anforderungen an das Vorliegen systemischer Mängel in den Fällen, in denen der Betroffene - wie hier der Kläger - in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Staat bereits ein Asylverfahren durchlaufen hat, sogar noch strengere Anforderungen zu stellen sind (in diese Richtung VG Potsdam, Beschluss vom 14.11.2013 - 6 L 767/13.A -, juris).
30 
2.1. Das italienische Rechtssystem sieht ein ausdifferenziertes Asylverfahren vor. Die italienische Verfassung kennt ein Grundrecht auf Asyl (Art. 10 Abs. 3); daneben bestehen verschiedene Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetze. Die gesetzlichen Regelungen gelten auch für - hier relevante und daher zuvörderst in die Betrachtungen einzubeziehende - Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung; Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
31 
2.1.1 Das Asylverfahren läuft in mehreren Schritten ab:
32 
2.1.1.1 Asylgesuche werden beim Polizeipräsidium (questura) oder bei dem Grenzschutz (polizia di frontiera) entgegengenommen; eine inhaltliche Überprüfung des Gesuchs, das an keine Form gebunden ist, findet nicht statt (ASGI, Asylbewerber in Italien). Im Zusammenhang mit der Stellung des Schutzersuchens findet eine erkennungsdienstliche Behandlung (fotosegnalamento) statt (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Antragsteller, deren Anträge vom Grenzschutz aufgenommen worden sind, erhalten ein Schreiben, in dem sie an die zuständige „Questura“ weiterverwiesen werden (verbale di invito).
33 
2.1.1.2 Die förmliche Erfassung des Asylantrags (verbalizzazione) mittels „C3-Formular“ (verbale) erfolgt durch die örtlich zuständige „Questura“, die dem Asylsuchenden eine Bescheinigung über den Erstantrag sowie eine Aufenthaltserlaubnis (permesso di soggiorno) ausstellt (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Eine gesetzliche Frist, innerhalb derer die Verbalizzazione zu erfolgen hat, existiert nicht (CIR/ecre, National Country Report Italy). Außerdem soll der Asylbewerber dort mit einer Informationsbroschüre in einer nach Möglichkeit für den Asylbewerber verständlichen Sprache über den Gang des Asylverfahrens, seine Rechte und Pflichten und den Zugang zum Gesundheitssystem informiert werden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Ferner ist dem Asylsuchenden in jeder Phase des Asylverfahrens der Kontakt zum UNHCR und Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen (CIR/ecre, National Country Report Italy).
34 
2.1.1.3 Nach der Verbalizzazione wird der Fall an die jeweilige für die Region verantwortliche, dem Innenministerium unterstehende Kommission (Commissione territoriale per il riconoscimento dello status di rifugiato) übergeben, deren Mitglieder sich aus zwei Bediensteten des Innenministeriums, einem Vertreter einer lokalen Behörde (Kommune, Provinz oder Region) sowie einem UNHCR-Vertreter zusammensetzen (UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Bestandteil des Verfahrens ist eine nicht-öffentliche persönliche Anhörung des Asylbewerbers, die laut Gesetz innerhalb von 30 Tagen stattfinden soll und zu der ein Dolmetscher hinzugezogen wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). In bestimmten Fällen (etwa offensichtlich begründeter Asylanträge) findet ein beschleunigtes Verfahren statt (esame prioritario). Die abschließende Entscheidung soll binnen drei, im beschleunigten Verfahren binnen zwei Tagen nach der Anhörung ergehen.
35 
Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf sprachliche und kulturelle Übersetzungsdienste. Sie haben das Recht, sich auf eigene Kosten von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
36 
2.1.1.4 Gegen einen ablehnenden Bescheid können Asylbewerber innerhalb von 30 Tagen, Bewohner von CIE (Centro di Identificazione ed Espulsione) und CARA (centro die accoglienza per richiedenti asilo) grundsätzlich innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung durch das hierfür zuständige Polizeipräsidium (questura) vor einem ordentlichen Gericht (Tribunale Ordinario) Widerspruch einlegen. Der Widerspruch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung; entfällt im Ausnahmefall, etwa bei als unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen, die aufschiebende Wirkung, kann der Antragsteller bei Gericht das Aussetzen der Rechtswirkung der erstinstanzlichen ablehnenden Entscheidung beantragen (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens ist eine (nicht-öffentliche) Anhörung des Asylbewerbers (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Das Gesamtverfahren einschließlich Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid soll nicht länger als sechs Monate dauern (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
37 
2.1.1.5 Gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist der Instanzenweg (Berufung, Revision) eröffnet (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); insoweit findet keine automatische Aussetzung der Wirksamkeit der richterlichen Entscheidung statt, eine solche kann jedoch auf Antrag vom angerufenen Gericht gewährt werden (ASGI, Asylbewerber in Italien).
38 
2.1.1.6 Während des Gerichtsverfahrens besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe; diese ist vom Nachweis der Vermögensverhältnisse sowie der Prüfung der Erfolgsaussichten des Prozesses durch das zuständige Gericht abhängig (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
39 
2.1.1.7 Asylbewerber haben die Möglichkeit, nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens bei der Questura einen Folgeantrag zu stellen. Dieser wird nach der Verbalizzazione von derjenigen Commissione territoriale, die auch für den Erstantrag zuständig war, daraufhin überprüft, ob der Asylantragsteller neue Gesichtspunkte betreffend seine eigene Person oder die Umstände im Heimatland vorbringt. Ist dies nicht der Fall, wird der Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt; gegen die Ablehnungsentscheidung steht der Rechtsweg einschließlich der Möglichkeit des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes offen (CIR/ecre, National Country Report Italy). Andernfalls tritt die Commissione territoriale in eine erneute Prüfung ein. Hierfür enthält das italienische Recht keine besonderen Vorschriften, vielmehr gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen und Verfahrensgarantien wie für das Asylerstverfahren (CIR/ecre, National Country Report Italy; zur Möglichkeit, in Italien einen Folgeantrag zu stellen, vgl. auch VG Minden, Urteil vom 20.01.2014 - 10 K 1096/13.A -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 03.04.2014 - 7 L 165/14.A -, juris).
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2.1.2 Auch hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende enthält das italienische Recht umfangreiche Regelungen.
41 
2.1.2.1 Im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern ist geregelt, dass diese, falls sie nicht selbst ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familienangehörigen finanzieren können, einen entsprechenden Antrag stellen können, der von der Präfektur (prefettura) bearbeitet wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Die Präfektur weist den Asylbewerbern dann Plätze zu.
42 
Italien verfügt über unterschiedliche Unterbringungsmodalitäten für Asylbewerber (ausführlich dazu borderline-europe e.v., Gutachten an VG Darmstadt, 12/2012; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen (centro di accoglienza per richiedenti asilo) sind von Gesetzes wegen nur für den vorübergehenden (maximal 35 Tage) Aufenthalt von Asylbewerbern mit ungeklärter Identität in erster Linie zum Zwecke der Identitätsklärung vorgesehen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); ähnliche Funktionen erfüllen CIE (Centro die identificazione ed espulsione). Daneben gibt es CDAs (Centro di accoglienza per Richiedenti Asilo), die ebenfalls Erstaufnahmeeinrichtungen sind und dem kurzfristigen Aufenthalt u.a. auf dem Staatsterritorium aufgegriffenen Migranten dienen. CSPA (Centro di Soccorso e Prima Accoglienza) dienen nur der Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Für den längerfristigen (normalerweise bis zu 6-monatigen) Aufenthalt von Asylbewerbern vorgesehen sind die Unterkunftsplätze in SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), einem Netzwerk von durch Kommunen, Kirchen, kirchliche Einrichtungen sowie sonstige Hilfsorganisationen betriebenen Unterkünften, das seine Grundlage in einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Kommunen und den beteiligten nichtstaatlichen Organisationen hat.
43 
Ist in diesen Unterkünften kein Platz vorhanden, sieht das Gesetz vor, dass den Asylbewerbern bis zum Freiwerden eines Platzes finanzielle Unterstützung gewährt wird.
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Zugang zu den Einrichtungen besteht für Asylbewerber von Gesetzes wegen bereits ab dem Zeitpunkt des Asylgesuchs (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). In den Erstaufnahmeeinrichtungen (CARA, CDA, CSPA) werden den Asylbewerbern Essen, Unterkunft, Kleidung, erste Hilfe sowie grundlegende Informationen gewährt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); SPRARs sind besser ausgestattet und gewähren darüber hinaus etwa Dolmetscherdienste und Gesundheitsfürsorge (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Daneben wird den Asylbewerbern ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse gezahlt, das in CARA 2,50 Euro/Tag beträgt und in SPRAR in unterschiedlicher Höhe von etwa 2,00 Euro/Tag gewährt wird (CIR/ecre, National Country Report Italy). Unterstützungsleistungen können durch die Präfektur gestrichen werden, wenn sich der Asylberechtigte nicht in die zugewiesene Unterkunft begibt oder diese unerlaubt verlässt; hiergegen ist Rechtsschutz möglich (CIR/ecre, National Country Report Italy).
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Wird das Asylverfahren nicht binnen sechs Monaten abgeschlossen, erhalten Asylbewerber im Anschluss an ihren zunächst auf sechs Monate befristeten Aufenthaltstitel einen erneuten Aufenthaltstitel, der ihnen die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme gewährt und bis zum Ende des Asylverfahrens verlängert wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Unterbringung und Versorgungsleistungen werden ebenfalls entsprechend verlängert (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
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Legt der Asylbewerber Rechtsmittel gegen die Ablehnung seines Asylantrags ein, wird seine Aufenthaltserlaubnis verlängert (ASGI, Asylbewerber in Italien). Allerdings muss er die Aufnahmeeinrichtung verlassen, wenn er arbeitsfähig ist (borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
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Haben Dublin-Rückkehrer bereits während ihres ersten Asylverfahrens Platz in einer Aufnahmeeinrichtung gefunden, steht ihnen kein Recht zu, nach ihrer Rückführung nach Italien bis zum Abschluss des Asylerstverfahrens erneut dort untergebracht zu werden; dies schließt es nicht aus, dass sie bei freien Kapazitäten einen Platz etwa in einem SPRAR erhalten (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2102). Gleiches gilt für Folgeantragsteller (CIR/ecre, National Country Report Italy).
48 
2.1.2.2 Asylbewerber sind vom Zeitpunkt der Registrierung ihres Asylgesuchs zusammen mit ihren Familienmitgliedern über die gesetzliche Krankenversicherung versichert und sind italienischen Staatsbürgern gleichgestellt; sie haben Anspruch auf kostenlose Gesundheitsversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). Hierfür ist die Anmeldung mit Aufenthaltstitel, der Steuernummer sowie einer festen Adresse beim nationalen Gesundheitsdienst (Servizio Sanitario Nazionale) erforderlich, welcher einen zur ambulanten oder stationären Behandlung berechtigenden Gesundheitsausweis ausstellt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Diese kostenfreie medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft wohnen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
49 
2.1.2.3 Zur Durchsetzung einer Unterbringung und Mindestversorgung besteht möglicherweise (genau ist dies den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen) prinzipiell die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch (etwa mittels einstweiliger Anordnung) auf einen Unterbringungsplatz gibt es indes nicht (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013), und auch im Übrigen gibt es jedenfalls keine Informationen darüber, dass von Asylbewerbern Rechtsschutz zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Mindestversorgung in Anspruch genommen worden wäre (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
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2.1.2.4 Im Falle einer Abschiebung werden abgelehnte Asylbewerber zunächst aufgefordert, das Land zu verlassen; geschieht dies nicht, werden sie in eine Abschiebhaftanstalt verbracht. Vor der Abschiebung muss ein Richter auf Grundlage eines Gesprächs mit dem Häftling die Rechtmäßigkeit des Ausreisebescheids prüfen. Dem Häftling wird bei diesem Gespräch ein Rechtsanwalt und ein Dolmetscher zur Seite gestellt. Ferner besteht in der Abschiebehaft die Möglichkeit, rechtliche Informationen einzuholen und an Sprachkursen teilzunehmen. Psychologischer sowie ärztlicher Beistand werden gewährleistet (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
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2.1.3 Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die rechtlichen Regelungen, das Asylverfahren und die Aufnahme von Asylbewerbern betreffend, in Italien den an sie zu stellenden Anforderungen durchweg gerecht werden. Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit der aktuellen Erkenntnismittellage. Auch wenn hier die tatsächliche Situation mitunter sehr kritisch beurteilt wird, werden die bestehenden gesetzlichen Vorgaben nur vereinzelt und nur im Hinblick auf vergleichsweise wenig gewichtige Punkte - etwa recht kurze Rechtsmittelfristen (vgl. dazu etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien) - kritisiert. Es besteht daher keinerlei Anlass für die Annahme, bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen implizierten systemische Mängel, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass dort dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.
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2.2 Die rechtlichen Vorgaben werden in der Praxis jedoch nicht durchgängig eingehalten. Vielmehr verweisen etwa der UNHCR, die Schweizerische Flüchtlingshilfe, borderline-europe e.V., der European Council on Refugees and Exiles und das Consiglio italiano per i Rifugiati, in abgeschwächter Form auch das Auswärtige Amt auf verschiedene Mängel sowohl betreffend den Zugang Asylsuchender zum Asylverfahren und dessen Ablauf als auch betreffend die Aufnahmebedingungen, insbesondere die Unterbringung und (gesundheitliche) Versorgung der Asylbewerber in Italien.
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Rückblickend gesehen war das italienische Aufnahmesystem jedenfalls auf die erheblichen Flüchtlingsströme in den Jahren 2008 und 2011 nicht hinreichend vorbereitet; es gibt gravierende Hinweise darauf, dass in dieser Zeit wiederholt Asylbewerber ohne Prüfung ihres Asylbegehrens oder während noch laufender Rechtsmittelfristen und damit unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot in ihre Herkunftsländer abgeschoben wurden und ferner viele Asylbewerber in Italien keinen Zugang zu den völlig überlasteten Unterkünften hatten, der Obdachlosigkeit anheimfielen und keinerlei staatliche Unterstützung, etwa im Hinblick auf Nahrung und Kleidung oder Zugang zu medizinischer Versorgung, erlangen konnten (vgl. dazu etwa SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, 05/ 2011; Bethke/Bender, „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, 02/2011; Norwegian Organization für Asylum Seekers, The Italian approach to asylum: System and core problems“, 04/2011, sowie weitere, von der Kammer im Beschluss vom 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -, juris zitierte Quellen). Dem entspricht es, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, er habe während der Durchführung des Asylerstverfahrens zu keinem Zeitpunkt staatliche Unterstützung in irgend einer Form erhalten, ihm sei insbesondere nie ein Platz in einer Unterkunft zugewiesen worden, und er sei nur deshalb nicht obdach- und völlig mittellos gewesen, weil er auf eigene Initiative bei Landsleuten habe unterkommen und für diese zeitweise gegen Unterkunft und Mahlzeiten habe arbeiten und eine Adresse für die behördliche Erreichbarkeit habe angeben können.
54 
Die italienischen Behörden haben auf die teilweise chaotischen Zustände zwischenzeitlich jedoch, etwa durch Verbesserungen im Verfahren oder auch die massive Erweiterung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte (dazu im Einzelnen s.u.), reagiert. Auch die gegenwärtige Situation weist Mängel wie administrative Hürden, zeitliche Verzögerungen sowie Engpässe bei den Unterkünften auf, die allerdings als weniger schwerwiegend einzustufen sind und die Schwelle zum systemischen Mangel weder für sich genommen noch im Zusammenspiel überschreiten. Vielmehr ist in der Gesamtschau des vorliegenden Erkenntnismaterials davon auszugehen, dass das Asyl- und Aufnahmeverfahren im wesentlichen richtlinienkonform verläuft und grundsätzlich funktionsfähig ist und dabei insbesondere hinreichend sicherstellt, dass im Rahmen des Dublin-Verfahrens rücküberstellte Asylbewerber, die, wie der Kläger, nicht etwa aufgrund Alters, gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder sonstiger besonderer in ihrer Person liegender Umstände besonders schutzwürdig sind, bei normalem Verlauf der Dinge nicht mit schwerwiegenden Verstößen oder Rechtsbeeinträchtigungen im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen.
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Im Einzelnen:
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2.2.1 In jüngerer Zeit sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013) keine Fälle mehr bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden die Einreise nach Italien oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden oder Flüchtlinge und Asylsuchende ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, in ihren Herkunftsstaat oder ein Drittland zurückgeführt worden wären; auch sind dem Auswärtigen Amt keine Fälle neueren Datums bekannt, in denen Asylbewerber trotz laufender Asylverfahren abgeschoben worden wären. Jedenfalls gegenwärtig lässt sich daher nicht mehr feststellen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt würde (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo). Ebenso wenig lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln entnehmen, dass Asylbewerbern nach erfolglosem Abschluss ihres Asylerstverfahrens die Stellung eines Asylfolgeantrags verweigert worden wäre.
57 
2.2.2 Eine Feststellung, die in den vorliegenden Erkenntnismitteln fast durchgängig bemängelt wird, ist die oftmals lange Verfahrensdauer. Diese rechtfertigt jedoch gegenwärtig nicht (mehr) die Feststellung systemischer Mängel.
58 
2.2.2.1 Das Asylverfahren dauert in vielen Regionen regelmäßig etwa 6 bis 10 Monate, während die gesetzlichen Vorgaben vorsehen, dass die Anhörung des Asylbewerbers binnen 30 Tagen erfolgen, die behördliche Entscheidung binnen weiterer 3 Tagen ergehen soll (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Dieser Umstand hat indes auf die Asylbewerber regelmäßig keine gravierenden Auswirkungen, weil auch Unterbringung und Versorgungsleistungen sowie der Aufenthaltstitel entsprechend verlängert werden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
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2.2.2.2 Anders ist dies, wenn sich die Ausstellung der Verbalizzazione verzögert.
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2.2.2.2.1 Vom Asylgesuch bis zur Ausstellung der Verbalizzazione dauert es nach einhelliger Erkenntnislage (etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) nach wie vor oftmals mehrere Wochen, mitunter, insbesondere in größeren Städten wie Rom oder Mailand, auch mehrere Monate. Diese Verzögerung beruht mitunter auf fehlenden personellen Kapazitäten. Etwa in Mailand oder Rom liegt sie aber auch darin begründet, dass die dortigen Questure systematisch eine Wohnbestätigung oder den Nachweis einer Adresse als Voraussetzung für die Einreichung eines Asylgesuchs verlangen (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013), eine (gesetzlich nicht vorgesehene) Anforderung, die Asylbewerber mitunter nur dann erfüllen können, wenn ihnen Nichtregierungsorganisationen „virtuelle“ Adressen zur Verfügung stellen oder sie Leute dafür bezahlen, dass diese ihnen eine (fiktive) Wohnbestätigung ausstellen (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Diese Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione führt zu erheblichen Schwierigkeiten für die Asylbewerber. Denn in der Zwischenzeit haben sie Anspruch nur auf medizinische Notfallversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). In der Praxis haben sie ferner vor Ausstellung der Verbalizzazione keinen Zugang zu CARA- oder SPRAR-Unterkünften, auch wenn von Gesetzes wegen der Zugang zu Unterkunft ab dem Moment der Stellung des Asylgesuchs zu gewährleisten wäre (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013). In diesen Fällen sind alternative Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Asylsuchenden selten verfügbar, die Asylsuchenden sind vielmehr oftmals auf sich selbst gestellt und häufig obdachlos (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Allerdings wird dieses Problem von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Organisationen erkannt, die hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten, etwa durch die Vermittlung von provisorischen (Not-)Unterkünften, tätig werden (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013).
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Dass Asylbewerber diese Verzögerungen vor einem Gericht angefochten oder überhaupt vorläufigen Rechtsschutz beantragt hätten, ist weder dem Auswärtigen Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) noch dem UNHCR (Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013) bekannt. Die Praxis der Questura Mailand, eine Wohnbestätigung zu verlangen, wurde bereits von Hilfsorganisationen angefochten (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012), vom zuständigen Gericht jedoch gebilligt (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013).
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2.2.2.2.2 Von den Schwierigkeiten infolge der erheblichen Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione sind grundsätzlich auch Dublin-Rückkehrer betroffen. Diese treffen in der Regel auf dem Luftweg in Italien ein. Nach einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei erfolgt die Feststellung, welche Questura für die Person zuständig ist und wie der Stand des Verfahrens ist. Davon, ob der Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens Italien verlassen oder ob er in Italien nie ein Asylverfahren durchgeführt bzw., wie der Kläger, das Asylverfahren dort rechtskräftig abgeschlossen hat, hängt der weitere Ablauf ab:
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Dublin-Rückkehrer, die sich noch im Asylverfahren befinden, erhalten nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013) umgehend eine Unterkunft in einem entsprechenden Aufnahmezentrum zugewiesen, die ihnen von den auf dem Flughafen tätigen Nichtregierungsorganisationen vermittelt werde. Laut UNHCR hat diese Personengruppe in der Regel Zugang zu Transitunterbringungseinrichtungen (Auskunft an VG Freiburg, 12/2103). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe (Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013) erfolgt die Unterbringung in einem FER-Projekt, soweit freie Plätze bestehen. Sind für sie nicht die Präfekturen Rom bzw. Varese zuständig, gilt diese Unterkunftsmöglichkeit nur für wenige Tage, bis sie in die für sie zuständige Region weiterreisen, um sich dort bei der Questura zu melden und von dieser einen Berechtigungsschein für ein CARA zu erhalten. Laut borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) gibt es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten mit der Ausstellung dieses Scheins; auch stünden mitunter nicht genügend Plätze zur Verfügung. Plätze in einem SPRAR könnten außerdem nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Betreffende vor seiner Ausreise keinen Platz dort in Anspruch genommen habe.
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Für Dublin-Rückkehrer, die sich, wie der Kläger, noch nicht oder nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, etwa für diejenigen, die vor ihrer Asylantragstellung in einem anderen Land durch Italien gereist sind, ohne dort einen Asylantrag gestellt zu haben, erfolgt die Zuweisung der Unterkunft dagegen grundsätzlich, wie bei anderen Asylbewerbern auch, erst nach der Verbalizzazione, die auch für diese Gruppe mitunter erst nach Wochen oder Monaten erfolgt (so ausdrücklich UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); eine frühere Möglichkeit, in eine FER-Unterkunft oder ein CARA zugewiesen zu werden, hängt von freien Kapazitäten ab (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Borderline-europe (a.a.O.) berichtet davon, von den Dublin-Rückkehrern, die über Rom eingereist seien, hätten nur knapp 8% eine CARA- oder SPRAR-Unterkunft erhalten, weitere etwa 12% eine Kurzzeitunterkunft, um sich von dort aus zu den für sie zuständigen Questure zu begeben. Allerdings bemühen sich die am Flughafen zuständigen Hilfsorganisationen, dem Betreffenden zumindest eine Übergangs- oder Notunterkunft in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung zu besorgen; sollte dies nicht umgehend möglich sein, müssen Dublin-Rückkehrer unter Umständen einige Tage am Flughafen verbleiben und dort, zwar ohne besondere Schlafplätze, offenbar aber geduldet, übernachten (SFH, Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013; AA, Auskunft an OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2013). Nicht ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang indes, dass die Nichtregierungsorganisationen nicht rechtzeitig von der Ankunft von Dublin-Rückkehrern informiert werden und diese daher keine besondere Betreuung am Flughafen erfahren (SFH, a.a.O.).
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2.2.2.2.3 Der Umstand, dass der Zugang zu Unterkünften in der Praxis italienischer Behörden von der Ausstellung der Verbalizzazione abhängt und deren Ausstellung zeitlich jedenfalls in der Behördenpraxis (noch) nicht an das Asylgesuch geknüpft ist, ist sicherlich ein gravierender Mangel, der auch im System angelegt ist und grundsätzlich - wenn infolge der intensiveren Betreuung am Flughafen in möglicherweise geringerem Maße - auch Dublin-Rückkehrer wie den Kläger betrifft. Allerdings hat die italienische Regierung dieses Problem erkannt und sich dessen angenommen. So hat im Februar 2013 das italienische Innenministerium eine Weisung an die Questure herausgegeben, wonach die Verbalizzazione zeitlich mit der Asylgesuchsstellung zusammenfallen soll, und versucht, durch ein neues Onlinesystem (VESTANET) die Bearbeitung der Asylgesuche zu beschleunigen, die Bearbeitung von Einzelfällen im gesamten Verfahren zu verbessern, die Zeit zwischen dem erstmaligen Asylgesuch und der formalen Registrierung des Antrags zu überwachen und Verzögerungen umgehend entgegenzuwirken (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). Im Report von CIR/ecre (a.a.O.) heißt es, die italienischen Behörden hätten insoweit wichtige Anstrengungen unternommen, um den förmlichen Zugang zum Asylverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Auch der UNHCR (a.a.O.) spricht insoweit von „positiven Entwicklungen“. Seinen jüngsten Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (07/2013) lässt sich zwar entnehmen, dass es immer wieder zu wochen- oder auch monatelangen Verzögerungen bis zur Erstellung der Verbalizzazione kommt; wenn der UNHCR insoweit jedoch von „einigen Fällen“ oder auch Schwierigkeiten „in einigen regionalen Polizeidirektionen“ spricht, so handelt es sich gegenwärtig nicht mehr um größere Funktionsstörungen oder regelhafte Defizite, die das Asylverfahren in ihrer Gesamtheit prägen, sondern um - freilich in ihren Auswirkungen zulasten der Betroffenen keinesfalls zu unterschätzende - partielle Überlastungen oder verwaltungstechnische Missstände. Und auch insoweit ist davon auszugehen, dass sich die Situation, wenn die neuen Anweisungen und Verwaltungsvereinfachungen landesweit implementiert sind, weiter verbessern wird (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Insbesondere für Dublin-Rückkehrer und ihre im Vergleich zu anderweitig ins Land kommende Asylbewerber regelmäßig intensivere Betreuung durch Nichtregierungsorganisationen bereits am Flughafen lässt sich im Hinblick auf die Verzögerungen im Asylverfahren daher nicht (mehr) von einem systemischen Mangel sprechen.
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2.2.3 Weitere in vielen der vorliegenden Erkenntnismitteln beklagte Missstände sind die nach wie vor bestehende - und auch Dublin-Rückkehrer betreffende - Überlastung des Aufnahmesystems und die damit verbundenen Lebensbedingungen der Asylbewerber. Aber auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen ist auf Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel nicht (mehr) von strukturellen Mängeln auszugehen.
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2.2.3.1 Immer wieder in der Kritik steht die Zahl der Unterkünfte, die Asylsuchenden zur Verfügung gestellt werden.
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Die italienische Regierung hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Zahl verfügbarer Unterkünfte zu erhöhen. So gab es im Zusammenhang mit den sprunghaft angestiegenen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 ein Notstandskonzept „Nordafrika“, in dessen Rahmen Aufnahmestrukturen durch den Zivilschutz in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (SFH, Aufnahmebedingungen; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013 spricht sogar von 50.000 Plätzen). Daneben wurde insbesondere die Zahl der regulär verfügbaren Plätze in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Noch im Juli 2012 war das Auswärtige Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; vgl. auch Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2012) von (nur) je 3.000 Plätzen in CARA und SPRAR ausgegangen, während es im August 2013 bereits von insgesamt über 16.000 Plätzen in CARA, CIE, CDA und SPRAR ausging (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Die Entwicklung der verfügbaren Unterkünfte spiegelt sich auch in den von CIR/ecre erhobenen Zahlen wider: Während im Länderreport Stand Mai 2013 von insgesamt 4.007 Plätzen in CDA und CARA die Rede war, waren es ein halbes Jahr später bereits 6.866 Plätze; statt 151 SPRAR standen ausweislich CIR/ecre nun bereits 175 Einrichtungen zur Verfügung. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die SPRAR-Kapazität bis 2016 zudem auf 16.000 Plätze erhöht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen; CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch durch die Praxis, insbesondere die CARA entgegen ihrer Zweckbestimmung auch für den längerfristigen Aufenthalt zu nutzen, konnte der Überlastungssituation Rechnung getragen werden, und auch wenn das Notstandsprogramm „Nordafrika“ zwischenzeitlich ausgelaufen ist und (Stand September 2013) nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable Cases“ und Asylbewerber, die Widerspruch eingelegt haben, vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) dort lebten, zeigt es doch, dass Italien in der Lage ist, Unterbringungsplätze in erheblichem Umfang zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn dies durch den Zustrom von Flüchtlingen erneut erforderlich werden sollte. Um bestehende Lücken und Fehlentwicklungen aufzudecken, wurde ferner Ende 2012 im Rahmen des Präsidium-Projekts testweise ein Überwachungssystem in staatlichen Einrichtungen eingeführt (UNHCR, Empfehlungen 2013). Laut Auswärtigem Amt bestanden im öffentlichen System im August 2013 rund 8.000 Plätze in CARA-Aufnahmelagern, die in der Praxis dem längerfristigen Aufenthalt von Asylbewerbern dienen, nahezu 3.000 Plätze in CIE und CDA und über 5.000 Plätze in SPRAR (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Laut CIR/ecre, Stand November 2013, bestanden zu diesem Zeitpunkt in CARA, CIE und CPSA insgesamt deutlich weniger, nämlich nur gut 7.500 Plätze, dafür in SPRAR 3.000 reguläre sowie 9.500 zusätzliche Plätze.
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Finden Asylsuchende keinen Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung - sei es, weil die Kapazitäten erschöpft sind, sei es, dass sie etwa als Dublin-Rückkehrer, die bereits vor ihrer Ausreise aus Italien einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung beansprucht hatten, keinen erneuten Zugang zu öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen haben -, bekommen sie in der Praxis keine staatliche (finanzielle) Unterstützung, um sich selbst um eine Unterkunft kümmern zu können; die gesetzliche Regelung, wonach der Asylbewerber im Falle fehlender Unterbringungsmöglichkeiten eine finanzielle Unterstützung erhält, um sich selbst eine Unterkunft zu suchen, ist in der Praxis nicht umgesetzt worden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Für diesen Personenkreis gibt es kommunale, kirchliche und karitative Einrichtungen etwa der CARITAS, die die Asylantragsteller versorgen, ihnen Unterkunftsplätze besorgen und ihnen medizinischen, rechtlichen und psychologischen Beistand zur Verfügung stellen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Diese nicht-staatlichen Unterkünfte werden teilweise von der öffentlichen Hand finanziert und sind im Auftrag des Staates tätig. Sie sind bei der Frage, ob die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK aufgrund fehlender Unterbringungsmöglichkeiten besteht, mit einzubeziehen. Denn aus Sicht des Unionsrechts ist lediglich entscheidend, dass tatsächlich eine hinreichende Zahl an Unterkünften besteht; dies aber ist auch dann der Fall, wenn der Staat mit nichtstaatlichen Trägern zusammenarbeitet, die zuverlässig einen Teil der erforderlichen Plätze zur Verfügung stellen.
70 
Darüber, ob das verfügbare - im Übrigen je nach Auskunft deutlich differierende - Zahlenmaterial den tatsächlichen Bestand an Unterkünften widerspiegelt und wenn ja, ob die vorhandenen Unterkünfte ausreichend sind, um den Bedarf zu decken, gehen die Ansichten in den aktuellen Erkenntnismitteln auseinander. Das Auswärtige Amt stellt fest, dass - Stand August 2013 - alle Asylbewerber / Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden könnten. Lokalen oder regionalen Überbelegungen stünden freie Kapazitäten in anderen Regionen, etwa in Norditalien, gegenüber, und landesweit seien genügend Plätze vorhanden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013; mit dem gleichen Tenor auch bereits AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Auch nach Auffassung des UNHCR ist Italien in der Lage, den Aufnahmebedarf jedenfalls einer erheblichen Zahl an Asylsuchenden zu decken (Empfehlungen 2013; ähnlich auch bereits im Gutachten an VG Braunschweig vom 24.04.2012). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeichnet ein etwas düstereres Bild und berichtet - Stand Oktober 2013 - davon, zurzeit seien die Kapazitäten der Erstaufnahmezentren CARA ausgeschöpft und neu ankommende Flüchtlinge könnten dort nicht untergebracht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Auch anderen Auskünften lässt sich entnehmen, dass die verfügbaren Plätze immer noch nicht ausreichten und die bestehenden Einrichtungen daher oft deutlich überbelegt seien (CIR/ecre, National Country Report Italy), bzw. dass nicht alle Asylbewerber einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung finden (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) oder mitunter aufgrund fehlender Kapazitäten erst nach Wochen oder Monaten Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen bekommen können (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Viele Auskünfte berichten davon, dass Asylbewerber unter schlechten Bedingungen in überfüllten Privatunterkünften, die teilweise in besetzten Häusern eingerichtet worden seien, unterkommen müssten (CIR/ecre, National Country Report Italy) oder obdachlos seien (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
71 
Tatsächlich dürfte eine genaue Ermittlung, ob die vorhandenen Plätze rechnerisch gesehen landesweit ausreichend sind, um den Bedarf an Wohnraum zu decken, nur sehr schwer seriös möglich sein. Insoweit ist nicht nur von Bedeutung, dass die vorhandenen Einrichtungen mitunter deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als die Anzahl, für die sie ausgelegt sind; so sollen etwa im November 2013 9.771 Asylsuchende in CDA/CARA untergebracht gewesen sein, die nur 6.866 reguläre Plätze boten (CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch bedürfte es für die Frage, ob die Anzahl an Plätzen ausreichend ist, belastbarem statistischem Material nicht nur zu der Frage, wie lang die durchschnittliche Belegungszeit eines Platzes in einer Unterkunft ist, sondern auch dazu, wie viele Asylbewerber aus eigenem Antrieb keinen Platz in Anspruch nehmen, sondern entweder untertauchen oder in ein anderes europäisches Land weiterreisen. Belastbare Zahlen gibt es jedoch insoweit nicht (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Ferner fehlt es auch an methodisch korrekten statistischen Erhebungen zu der Frage, welcher Prozentsatz an Asylsuchenden tatsächlich Interesse an der Zuweisung einer öffentlichen Unterkunft hätte. Vor diesem Hintergrund haben insbesondere die Prozentzahlen der in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Dublin-Rückgeführten, die borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; hierzu ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris) nennt, eine nur sehr begrenzte Aussagekraft. Denn diesen Zahlen lässt sich weder entnehmen, wie viele der Rückgeführten bereits über einen Aufenthaltstitel etwa aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien verfügen (und daher keinen Anspruch mehr auf Aufnahme in eine der Unterkünfte haben), noch, wie viele von ihnen überhaupt Interesse an einem Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung gehabt hätten. Insoweit wäre im Hinblick auf fehlendes Interesse an einer öffentlichen Unterkunft nicht nur an Rückkehrer zu denken, die auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens von vornherein verzichten, sondern auch an solche, die bei ihrem letzten Aufenthalt in Italien bereits ein soziales Netzwerk aufgebaut haben, das sie von öffentlichen Unterkünften unabhängig macht, oder solche, die ein Leben in Rom oder Mailand, wo die Wohnraumkapazitäten bekanntermaßen erschöpft sind, auch um den Preis schlechterer Unterbringungsverhältnisse bewusst einem Aufenthalt in einem anderen Landesteil, in dem ihnen eine Unterkunft zugewiesen werden könnte, vorziehen.
72 
Aber auch wenn unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel davon auszugehen ist, dass insbesondere in Großstädten wie Rom oder Mailand die vorhandenen Aufnahmekapazitäten in staatlichen wie privat betriebenen Einrichtungen erschöpft und die Unterkünfte überfüllt sind und es daher Asylsuchende gibt, die keinen Platz in einer Unterkunft finden und daher ohne Obdach sind oder unter völlig unzureichenden Wohn- und Lebensverhältnissen leben, lässt sich doch den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass dieses Schicksal für Asylbewerber gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachte; vielmehr handelt es sich hierbei um drastische Einzelschicksale, die keiner Verallgemeinerung zugänglich sind (darauf hinweisend auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris, sowie nunmehr VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris). Auf Grundlage der genannten Zahlen von mutmaßlich deutlich mehr als 16.000 Plätzen allein in den öffentlichen Unterkünften ist jedenfalls gegenwärtig nicht (mehr) davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Unterbringungssituation dauerhafte erhebliche Missstände vorlägen, aufgrund dessen Asylbewerber quasi typischerweise und in signifikanter Zahl der Obdachlosigkeit überlassen würden (so i.Erg. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/10 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo, geht davon aus, alle Asylbewerber fänden Platz in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen).
73 
2.2.3.2 Es lässt sich nach den vorliegenden Auskünften auch nicht davon ausgehen, dass systematische Mängel im Hinblick auf die Schwierigkeiten derjenigen Asylsuchenden, die keinen Platz in einer staatlichen Unterkunft gefunden haben, bestünden bei der Zustellung offizieller Schreiben, etwa ablehnender Asylbescheide. Denn auch wenn für Flüchtlinge außerhalb staatlicher Unterkünfte, insbesondere für Obdachlose, der Zugang offizieller Schreiben typischerweise größeren Schwierigkeiten begegnet als für Flüchtlinge in staatlichen Unterkünften, haben sich auch insoweit Strukturen gebildet, die die Situation der Betroffenen erleichtern. Inzwischen bieten Hilfsorganisationen wie die CARITAS Sammeladressen für Personen ohne festen Wohnsitz an, die gegenüber öffentlichen Stellen verwendet werden und an die Poststücke zugestellt werden können (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Derartige Möglichkeiten „virtueller Wohnsitznahme“ gibt es zwar nur in wenigen Städten Italiens, insbesondere in Rom; da es hier aber auch die größten Engpässe in der Wohnraumversorgung gibt, dürfte Dank des den Behörden bekannten und von ihnen akzeptierten Konzepts der virtuellen Wohnsitznahme jedenfalls im Regelfall die Zustellung von Schreiben an den Empfänger gewährleistet sein.
74 
2.2.3.3 Die vorliegenden Erkenntnismittel lassen auch nicht den Rückschluss darauf zu, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und kultureller Prägung häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte, zumal in einer Situation, die oftmals von überstandenen Leiden und ungewisser Zukunft geprägt ist. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegenwirken können. Auch ist der Kammer bewusst, dass die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein dürften. Andererseits gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte, dass die Zustände in den Unterkünften nicht nur in Einzelfällen, sondern regelhaft unzumutbar und unhaltbar sind, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Die Verhältnisse im Einzelnen unterscheiden sich und hängen von den jeweiligen Trägern der Unterkünfte ab (CIR/ecre, National Country Report Italy). Laut Auswärtigem Amt stellen sich die hygienischen Verhältnisse aber nicht regelmäßig oder überwiegend in der Weise dar, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Es seien durchgehend kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden, die auch einer ausreichenden Zahl an Toiletten- und Waschräumen sowie zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt. Es gebe zwar mitunter gewaltsame Überfälle, hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle. Darüber hinaus würden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien seien in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert worden (vgl. dazu auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo).
75 
2.2.3.4 Ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln, wie gesehen, davon auszugehen, dass jedenfalls die meisten Flüchtlinge Platz in einer staatlichen Unterkunft erhalten, so ist dort ihr Lebensunterhalt - wenn auch auf niedrigem Niveau - gesichert. Es lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass den Flüchtlingen dort entgegen der Gesetzeslage keine Kleidung, Nahrung oder Hygieneartikel zur Verfügung gestellt würden.
76 
Nach Auskunft des Auswärtigen Amts (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) werden auch diejenigen Flüchtlinge, die außerhalb staatlicher Einrichtungen, etwa in karitativen oder kirchlichen Unterkünften, leben, teilweise unter Einbeziehung privater Dienstleister, mit Nahrung und Kleidung versorgt. Dagegen berichtet etwa borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), Asylsuchende, die in keinem Zentrum untergebracht seien, erhielten weder Sach- noch Geldleistungen zur Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse wie Nahrung oder Kleidung. Geklärt sein dürfte jedoch, dass für diese Gruppe der Flüchtlinge Hilfsorganisationen die notwendige grundlegende Versorgung der bei ihnen lebenden Flüchtlinge übernehmen. Auch für diesen Personenkreis dürfte daher nicht festzustellen sein, dass dieser regelhaft in einem menschenrechtlichen Mindeststandards widersprechenden Zustand leben müsse. Dies schließt es nicht aus, dass einzelne Asylbewerber in prekären Verhältnissen extremer Armut und Obdachlosigkeit leben; dieser Umstand ist aber für die Annahme, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sein (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, juris), nicht ausreichend.
77 
2.2.3.5 Schließlich ist nach aktueller Auskunftslage auch nicht davon auszugehen sein, dass Flüchtlinge regelhaft von medizinischen Leistungen ausgeschlossen sind.
78 
Zwar mag es im Einzelfall auch bei Bewohnern öffentlicher Unterkünfte - sei es durch fehlende Informationen, sei es durch fehlerhaft arbeitende oder überlastete Verwaltungen - zu Schwierigkeiten kommen, in den Besitz einer Gesundheitskarte zu gelangen. Dies ist aber offenbar der Ausnahmefall.
79 
Für Asylbewerber, auch Dublin-Rückkehrer, die keinen festen Wohnsitz vorweisen können, hat dieser Umstand allerdings Konsequenzen. Der Erhalt der Gesundheitskarte ist an das Erfordernis eines festen Wohnsitzes geknüpft. Während das Auswärtige Amt davon ausgeht, es genüge insoweit die Angabe des Asylbewerbers, berichtet borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), die Anmeldung eines Wohnsitzes werde durch die Behörde überprüft. Die Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione (Asylbewerber in Italien, Bericht vom 20.11.2012) berichtet darüber hinaus davon, viele Flüchtlinge würden aufgrund von bürokratischen und restriktiven Interpretationen seitens der Gemeinden nicht im Einwohnermelderegister eingetragen. Selbst wenn dies so wäre, führte dieser Umstand jedoch nicht dazu, dass diese Flüchtlinge vom Erhalt der Gesundheitskarte ausgeschlossen würden. Denn vor allem in Rom - wo die Wohnungsnot, wie gesehen, und daher auch der Anteil der nicht in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Flüchtlinge vermutlich am größten ist - besteht, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit einer von den Behörden anerkannten, durch Hilfsorganisationen wie die CARITAS zur Verfügung gestellten „virtuellen Wohnsitznahme“ (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. dazu auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Davon abgesehen ist jedenfalls die medizinische Notfallversorgung in Italien auch ohne Gesundheitskarte gewährleistet.
80 
2.2.3.6 Vor diesem Hintergrund lässt sich trotz nach wie vor bestehender Defizite in den Aufnahmebedingungen und auch unter Berücksichtigung der gravierenden Folgen, die das Fehlen einer zumutbaren Unterkunft für den hiervon Betroffenen im Einzelfall hat, nicht feststellen, dass die bestehenden Engpässe und Mängel die Funktionsfähigkeit des Aufnahmesystems insgesamt in Frage stellen und so gravierend sind, dass sie das Asylverfahren regelhaft seiner Funktion berauben.
81 
2.3 Im Ergebnis lässt sich daher auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnismittel feststellen, dass Asylsuchende, die nach den Regelungen der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden sollen, derzeit jedenfalls dann, wenn in ihrer Person keine besonderen (etwa gesundheitlichen) Gründe gegeben sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen. Dies scheint der Auffassung des UNHCR zu entsprechen, der sich - anders als seinerzeit im Falle Griechenlands - trotz deutlicher Worte in Bezug auf bestehende Defizite und Mängel im italienischen Asyl- und Aufnahmesystem nicht veranlasst gesehen hat, sich gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien auszusprechen.
82 
Vorliegend aber sind keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien entgegen der allgemeinen Lageeinschätzung eine mit Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK nicht vereinbare Behandlung drohte. Der Kläger hat nach seiner Ankunft in Italien die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens hat er, da er nach eigenen Angaben während des Asylerstverfahrens nie einen Platz in einer Unterkunft zugewiesen bekommen hat, die Möglichkeit, in einer öffentlichen Einrichtung unterzukommen, wo neben der Unterkunft auch Essen, Bekleidung und sonstige persönliche Bedürfnisse sichergestellt sind. Sollte sich der Kläger dagegen dafür entscheiden, nach seiner Rückkehr keinen erneuten Asylantrag zu stellen, bestünden zu seinen Gunsten - nachdem das Asylerstverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist - keine Verfahrensgarantien nach der Genfer Flüchtlingskonvention, und auch die Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG) fände auf ihn gemäß Art. 3 Abs. 1 keine Anwendung (mehr). Er wäre vielmehr, wenn sein Aufenthalt nicht behördlicherseits legalisiert wird, verpflichtet, Italien zu verlassen, und hätte keinen Anspruch auf Unterstützung mehr (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Kommt er seiner Ausreisepflicht nicht nach, kann er kein Mehr an Unterstützung verlangen, als dies italienischen Staatsangehörigen zuteil wird. Ein staatliches Sozialhilfesystem aber existiert in Italien nur sehr eingeschränkt; vielmehr sind auch italienische Staatsangehörige grundsätzlich verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen, was naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden, für einen gesunden, arbeitsfähigen Mann wie den Kläger aber, wie er bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Italien bewiesen hat, nicht unmöglich ist. Der Umstand, dass es in Italien anders als in Deutschland kein System staatlicher Unterstützung auch für ausreisepflichtige, jedoch tatsächlich noch nicht abgeschobene Ausländer gibt, reicht, nachdem, wie bereits gesehen, aus Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh nicht die Verpflichtung erwächst, jemandem finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihm einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen, nicht für die Annahme aus, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh ausgesetzt sein.
III.
83 
Die Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides ist hiernach ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien keine Einwände gegen seine Zuständigkeit erhoben hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Das Gericht sieht von einem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach Ermessen ab.

Gründe

 
A.
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.08.2011 hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig unter Berufung auf die fehlende Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre trotz fehlender Sachprüfung durch das Bundesamt nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Folglich ist im Falle des § 27a AsylVfG - wie auch in Konstellationen einer Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 - 10 C 1/13 -, juris; Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris) - nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten (so auch VG Stuttgart, Urteil vom 20.09.2012 - A 11 K 2519/12 -, juris; Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K 383/14 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2010 - A 4 K 4072/08 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -, juris, sowie jüngst VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; a.A. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris).
B.
15 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Bundesamt ist im angefochtenen Bescheid vom 25.08.2011 zu Recht davon ausgegangen, dass nicht die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des am 12.04.2011 gestellten Asylantrages des Klägers zuständig ist, sondern die Republik Italien, und hat daher auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet.
I.
16 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin-III-Verordnung 604/2013/EU ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin-II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin-II-VO -) anwendbar. Nach den hiernach anwendbaren Regelungen der Dublin-II-VO ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers auch dann zuständig, wenn das von ihm nach eigenen Angaben im Jahr 2011 in Lecce eingeleitete Asylverfahren, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, rechtskräftig abgeschlossen worden ist; insoweit ergibt sich eine Zuständigkeit der italienischen Behörden für die Prüfung des klägerischen Asyl(-folge-)antrags aus Art. 16 Abs. 1 e) Dublin-II-VO, nachdem diese innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO keine Antwort erteilt haben.
17 
Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Das knüpft an Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO an, welcher (u.a.) bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist ist hier noch nicht abgelaufen, wobei es maßgeblich auf die zweite Alternative der Regelung ("oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf") ankommt. Denn solange die Vollziehung der Überstellung - wie es vorliegend ausnahmsweise der Fall ist - weiter ausgesetzt ist, ist insoweit entscheidend auf die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzustellen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris).
II.
18 
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ausübt.
19 
1. Ein Hauptzweck der Verordnung VO (EG) Nr. 343/2003 besteht, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Allerdings kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO gemäß Absatz 2 der Vorschrift jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
20 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. -, juris sowie Slg. 2011, I-13905) kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen (vgl. zum Folgenden auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris). Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) aus.
21 
1.1 Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten. Im Rahmen seiner Ermessensausübung kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen; es gilt insoweit das sog. Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung (dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris). Daraus folgt die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.). Ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, kann infolgedessen entsprechend dem Konzept normativer Vergewisserung den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -, juris).
22 
1.2 Die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, ist jedoch nicht unwiderleglich. Nicht ausgeschlossen werden kann nämlich, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.).
23 
Eine Widerlegung der Vermutung wurde vom EuGH mit Blick auf die gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems indes an hohe Hürden geknüpft. Nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin-II-VO und nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts - wie etwa von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK - durch den zuständigen Mitgliedstaat vermag die Überstellung eines Asylbewerbers an den laut Dublin-II-VO eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln und das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage zu stellen. Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.; Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12 -, juris; Urteil vom 14.11.2013 - C 4/11 -, juris). Diese Rechtsprechung ist auch in die Neufassung von Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (v. 26.06.2013 - Dublin-III-VO) eingeflossen.
24 
Die sich aus dieser EuGH-Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an das deutsche verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris) dahingehend zusammengefasst, dass sich der Tatrichter im Rahmen der Amtsermittlung zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. (Nur) dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
25 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 -, NVwZ 2011, 413) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da Asylbewerber dort systematisch ohne Angabe von Gründen in Haftzentren untergebracht würden. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden. Art. 3 EMRK allein verpflichte die Vertragsstaaten zwar nicht, Flüchtlinge in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen, sie finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Etwas anderes gilt aber ausweislich des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie -), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen (so nun auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
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Aus dem Gesagten ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt im Hinblick auf die Asylverfahren nur dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin-II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, schon der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, dass das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass der Betroffene während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
27 
2. Trotz der in Teilen weiterhin defizitären Umsetzung der in Italien bestehenden asylrelevanten Regelungen durch die italienischen Behörden und der nach wie vor bestehenden Mängel in Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Italien sind zur Überzeugung der Kammer auf der Grundlage einer ausführlichen Auswertung der vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. zum Folgenden AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Consiglio Italiano per i Rifugiati / European Council on Refugees and Exiles, Asylum Information Database, National Country Report Italy, Mai 2013, Update November 2013, verfügbar unter http://www.asylumineurope.org/files/report-download/italy_aida_report_first_update_final_dec13.pdf - CIR/ecre, National Country Report Italy -; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, 07/2013 - UNHCR, Empfehlungen 2013 -; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione, Die derzeitige Situation von Asylbewerbern in Italien, 20.11.2012 - ASGI, Asylbewerber in Italien -) zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die strengen Voraussetzungen, die nach dem oben Gesagten für die Annahme einer Eintrittspflicht der Beklagten erfüllt sein müssten, nicht gegeben. Es steht nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen in Italien derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an Italien im Rahmen der Dublin-II-Verordnung überstellten Asylbewerber zu erwarten steht (in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo; Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 -, juris; Beschluss vom 18.03.2014 - 13 LA 75/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
28 
Denn Italien verfügt über ein ausdifferenziertes Asylverfahrensrecht und konkrete Regelungen betreffend die Aufnahme von Flüchtlingen (2.1). Auch wenn die diesbezüglichen Regelungen in der Praxis mitunter defizitär angewendet werden, sind die hierbei zutage tretenden Mängel jedenfalls gegenwärtig nicht von einer Tragweite, die das Vorliegen systemischer Mängel implizierte (2.2).
29 
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Anforderungen an das Vorliegen systemischer Mängel in den Fällen, in denen der Betroffene - wie hier der Kläger - in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Staat bereits ein Asylverfahren durchlaufen hat, sogar noch strengere Anforderungen zu stellen sind (in diese Richtung VG Potsdam, Beschluss vom 14.11.2013 - 6 L 767/13.A -, juris).
30 
2.1. Das italienische Rechtssystem sieht ein ausdifferenziertes Asylverfahren vor. Die italienische Verfassung kennt ein Grundrecht auf Asyl (Art. 10 Abs. 3); daneben bestehen verschiedene Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetze. Die gesetzlichen Regelungen gelten auch für - hier relevante und daher zuvörderst in die Betrachtungen einzubeziehende - Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung; Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
31 
2.1.1 Das Asylverfahren läuft in mehreren Schritten ab:
32 
2.1.1.1 Asylgesuche werden beim Polizeipräsidium (questura) oder bei dem Grenzschutz (polizia di frontiera) entgegengenommen; eine inhaltliche Überprüfung des Gesuchs, das an keine Form gebunden ist, findet nicht statt (ASGI, Asylbewerber in Italien). Im Zusammenhang mit der Stellung des Schutzersuchens findet eine erkennungsdienstliche Behandlung (fotosegnalamento) statt (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Antragsteller, deren Anträge vom Grenzschutz aufgenommen worden sind, erhalten ein Schreiben, in dem sie an die zuständige „Questura“ weiterverwiesen werden (verbale di invito).
33 
2.1.1.2 Die förmliche Erfassung des Asylantrags (verbalizzazione) mittels „C3-Formular“ (verbale) erfolgt durch die örtlich zuständige „Questura“, die dem Asylsuchenden eine Bescheinigung über den Erstantrag sowie eine Aufenthaltserlaubnis (permesso di soggiorno) ausstellt (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Eine gesetzliche Frist, innerhalb derer die Verbalizzazione zu erfolgen hat, existiert nicht (CIR/ecre, National Country Report Italy). Außerdem soll der Asylbewerber dort mit einer Informationsbroschüre in einer nach Möglichkeit für den Asylbewerber verständlichen Sprache über den Gang des Asylverfahrens, seine Rechte und Pflichten und den Zugang zum Gesundheitssystem informiert werden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Ferner ist dem Asylsuchenden in jeder Phase des Asylverfahrens der Kontakt zum UNHCR und Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen (CIR/ecre, National Country Report Italy).
34 
2.1.1.3 Nach der Verbalizzazione wird der Fall an die jeweilige für die Region verantwortliche, dem Innenministerium unterstehende Kommission (Commissione territoriale per il riconoscimento dello status di rifugiato) übergeben, deren Mitglieder sich aus zwei Bediensteten des Innenministeriums, einem Vertreter einer lokalen Behörde (Kommune, Provinz oder Region) sowie einem UNHCR-Vertreter zusammensetzen (UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Bestandteil des Verfahrens ist eine nicht-öffentliche persönliche Anhörung des Asylbewerbers, die laut Gesetz innerhalb von 30 Tagen stattfinden soll und zu der ein Dolmetscher hinzugezogen wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). In bestimmten Fällen (etwa offensichtlich begründeter Asylanträge) findet ein beschleunigtes Verfahren statt (esame prioritario). Die abschließende Entscheidung soll binnen drei, im beschleunigten Verfahren binnen zwei Tagen nach der Anhörung ergehen.
35 
Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf sprachliche und kulturelle Übersetzungsdienste. Sie haben das Recht, sich auf eigene Kosten von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
36 
2.1.1.4 Gegen einen ablehnenden Bescheid können Asylbewerber innerhalb von 30 Tagen, Bewohner von CIE (Centro di Identificazione ed Espulsione) und CARA (centro die accoglienza per richiedenti asilo) grundsätzlich innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung durch das hierfür zuständige Polizeipräsidium (questura) vor einem ordentlichen Gericht (Tribunale Ordinario) Widerspruch einlegen. Der Widerspruch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung; entfällt im Ausnahmefall, etwa bei als unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen, die aufschiebende Wirkung, kann der Antragsteller bei Gericht das Aussetzen der Rechtswirkung der erstinstanzlichen ablehnenden Entscheidung beantragen (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens ist eine (nicht-öffentliche) Anhörung des Asylbewerbers (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Das Gesamtverfahren einschließlich Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid soll nicht länger als sechs Monate dauern (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
37 
2.1.1.5 Gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist der Instanzenweg (Berufung, Revision) eröffnet (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); insoweit findet keine automatische Aussetzung der Wirksamkeit der richterlichen Entscheidung statt, eine solche kann jedoch auf Antrag vom angerufenen Gericht gewährt werden (ASGI, Asylbewerber in Italien).
38 
2.1.1.6 Während des Gerichtsverfahrens besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe; diese ist vom Nachweis der Vermögensverhältnisse sowie der Prüfung der Erfolgsaussichten des Prozesses durch das zuständige Gericht abhängig (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
39 
2.1.1.7 Asylbewerber haben die Möglichkeit, nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens bei der Questura einen Folgeantrag zu stellen. Dieser wird nach der Verbalizzazione von derjenigen Commissione territoriale, die auch für den Erstantrag zuständig war, daraufhin überprüft, ob der Asylantragsteller neue Gesichtspunkte betreffend seine eigene Person oder die Umstände im Heimatland vorbringt. Ist dies nicht der Fall, wird der Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt; gegen die Ablehnungsentscheidung steht der Rechtsweg einschließlich der Möglichkeit des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes offen (CIR/ecre, National Country Report Italy). Andernfalls tritt die Commissione territoriale in eine erneute Prüfung ein. Hierfür enthält das italienische Recht keine besonderen Vorschriften, vielmehr gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen und Verfahrensgarantien wie für das Asylerstverfahren (CIR/ecre, National Country Report Italy; zur Möglichkeit, in Italien einen Folgeantrag zu stellen, vgl. auch VG Minden, Urteil vom 20.01.2014 - 10 K 1096/13.A -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 03.04.2014 - 7 L 165/14.A -, juris).
40 
2.1.2 Auch hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende enthält das italienische Recht umfangreiche Regelungen.
41 
2.1.2.1 Im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern ist geregelt, dass diese, falls sie nicht selbst ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familienangehörigen finanzieren können, einen entsprechenden Antrag stellen können, der von der Präfektur (prefettura) bearbeitet wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Die Präfektur weist den Asylbewerbern dann Plätze zu.
42 
Italien verfügt über unterschiedliche Unterbringungsmodalitäten für Asylbewerber (ausführlich dazu borderline-europe e.v., Gutachten an VG Darmstadt, 12/2012; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen (centro di accoglienza per richiedenti asilo) sind von Gesetzes wegen nur für den vorübergehenden (maximal 35 Tage) Aufenthalt von Asylbewerbern mit ungeklärter Identität in erster Linie zum Zwecke der Identitätsklärung vorgesehen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); ähnliche Funktionen erfüllen CIE (Centro die identificazione ed espulsione). Daneben gibt es CDAs (Centro di accoglienza per Richiedenti Asilo), die ebenfalls Erstaufnahmeeinrichtungen sind und dem kurzfristigen Aufenthalt u.a. auf dem Staatsterritorium aufgegriffenen Migranten dienen. CSPA (Centro di Soccorso e Prima Accoglienza) dienen nur der Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Für den längerfristigen (normalerweise bis zu 6-monatigen) Aufenthalt von Asylbewerbern vorgesehen sind die Unterkunftsplätze in SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), einem Netzwerk von durch Kommunen, Kirchen, kirchliche Einrichtungen sowie sonstige Hilfsorganisationen betriebenen Unterkünften, das seine Grundlage in einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Kommunen und den beteiligten nichtstaatlichen Organisationen hat.
43 
Ist in diesen Unterkünften kein Platz vorhanden, sieht das Gesetz vor, dass den Asylbewerbern bis zum Freiwerden eines Platzes finanzielle Unterstützung gewährt wird.
44 
Zugang zu den Einrichtungen besteht für Asylbewerber von Gesetzes wegen bereits ab dem Zeitpunkt des Asylgesuchs (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). In den Erstaufnahmeeinrichtungen (CARA, CDA, CSPA) werden den Asylbewerbern Essen, Unterkunft, Kleidung, erste Hilfe sowie grundlegende Informationen gewährt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); SPRARs sind besser ausgestattet und gewähren darüber hinaus etwa Dolmetscherdienste und Gesundheitsfürsorge (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Daneben wird den Asylbewerbern ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse gezahlt, das in CARA 2,50 Euro/Tag beträgt und in SPRAR in unterschiedlicher Höhe von etwa 2,00 Euro/Tag gewährt wird (CIR/ecre, National Country Report Italy). Unterstützungsleistungen können durch die Präfektur gestrichen werden, wenn sich der Asylberechtigte nicht in die zugewiesene Unterkunft begibt oder diese unerlaubt verlässt; hiergegen ist Rechtsschutz möglich (CIR/ecre, National Country Report Italy).
45 
Wird das Asylverfahren nicht binnen sechs Monaten abgeschlossen, erhalten Asylbewerber im Anschluss an ihren zunächst auf sechs Monate befristeten Aufenthaltstitel einen erneuten Aufenthaltstitel, der ihnen die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme gewährt und bis zum Ende des Asylverfahrens verlängert wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Unterbringung und Versorgungsleistungen werden ebenfalls entsprechend verlängert (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
46 
Legt der Asylbewerber Rechtsmittel gegen die Ablehnung seines Asylantrags ein, wird seine Aufenthaltserlaubnis verlängert (ASGI, Asylbewerber in Italien). Allerdings muss er die Aufnahmeeinrichtung verlassen, wenn er arbeitsfähig ist (borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
47 
Haben Dublin-Rückkehrer bereits während ihres ersten Asylverfahrens Platz in einer Aufnahmeeinrichtung gefunden, steht ihnen kein Recht zu, nach ihrer Rückführung nach Italien bis zum Abschluss des Asylerstverfahrens erneut dort untergebracht zu werden; dies schließt es nicht aus, dass sie bei freien Kapazitäten einen Platz etwa in einem SPRAR erhalten (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2102). Gleiches gilt für Folgeantragsteller (CIR/ecre, National Country Report Italy).
48 
2.1.2.2 Asylbewerber sind vom Zeitpunkt der Registrierung ihres Asylgesuchs zusammen mit ihren Familienmitgliedern über die gesetzliche Krankenversicherung versichert und sind italienischen Staatsbürgern gleichgestellt; sie haben Anspruch auf kostenlose Gesundheitsversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). Hierfür ist die Anmeldung mit Aufenthaltstitel, der Steuernummer sowie einer festen Adresse beim nationalen Gesundheitsdienst (Servizio Sanitario Nazionale) erforderlich, welcher einen zur ambulanten oder stationären Behandlung berechtigenden Gesundheitsausweis ausstellt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Diese kostenfreie medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft wohnen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
49 
2.1.2.3 Zur Durchsetzung einer Unterbringung und Mindestversorgung besteht möglicherweise (genau ist dies den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen) prinzipiell die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch (etwa mittels einstweiliger Anordnung) auf einen Unterbringungsplatz gibt es indes nicht (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013), und auch im Übrigen gibt es jedenfalls keine Informationen darüber, dass von Asylbewerbern Rechtsschutz zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Mindestversorgung in Anspruch genommen worden wäre (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
50 
2.1.2.4 Im Falle einer Abschiebung werden abgelehnte Asylbewerber zunächst aufgefordert, das Land zu verlassen; geschieht dies nicht, werden sie in eine Abschiebhaftanstalt verbracht. Vor der Abschiebung muss ein Richter auf Grundlage eines Gesprächs mit dem Häftling die Rechtmäßigkeit des Ausreisebescheids prüfen. Dem Häftling wird bei diesem Gespräch ein Rechtsanwalt und ein Dolmetscher zur Seite gestellt. Ferner besteht in der Abschiebehaft die Möglichkeit, rechtliche Informationen einzuholen und an Sprachkursen teilzunehmen. Psychologischer sowie ärztlicher Beistand werden gewährleistet (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
51 
2.1.3 Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die rechtlichen Regelungen, das Asylverfahren und die Aufnahme von Asylbewerbern betreffend, in Italien den an sie zu stellenden Anforderungen durchweg gerecht werden. Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit der aktuellen Erkenntnismittellage. Auch wenn hier die tatsächliche Situation mitunter sehr kritisch beurteilt wird, werden die bestehenden gesetzlichen Vorgaben nur vereinzelt und nur im Hinblick auf vergleichsweise wenig gewichtige Punkte - etwa recht kurze Rechtsmittelfristen (vgl. dazu etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien) - kritisiert. Es besteht daher keinerlei Anlass für die Annahme, bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen implizierten systemische Mängel, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass dort dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.
52 
2.2 Die rechtlichen Vorgaben werden in der Praxis jedoch nicht durchgängig eingehalten. Vielmehr verweisen etwa der UNHCR, die Schweizerische Flüchtlingshilfe, borderline-europe e.V., der European Council on Refugees and Exiles und das Consiglio italiano per i Rifugiati, in abgeschwächter Form auch das Auswärtige Amt auf verschiedene Mängel sowohl betreffend den Zugang Asylsuchender zum Asylverfahren und dessen Ablauf als auch betreffend die Aufnahmebedingungen, insbesondere die Unterbringung und (gesundheitliche) Versorgung der Asylbewerber in Italien.
53 
Rückblickend gesehen war das italienische Aufnahmesystem jedenfalls auf die erheblichen Flüchtlingsströme in den Jahren 2008 und 2011 nicht hinreichend vorbereitet; es gibt gravierende Hinweise darauf, dass in dieser Zeit wiederholt Asylbewerber ohne Prüfung ihres Asylbegehrens oder während noch laufender Rechtsmittelfristen und damit unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot in ihre Herkunftsländer abgeschoben wurden und ferner viele Asylbewerber in Italien keinen Zugang zu den völlig überlasteten Unterkünften hatten, der Obdachlosigkeit anheimfielen und keinerlei staatliche Unterstützung, etwa im Hinblick auf Nahrung und Kleidung oder Zugang zu medizinischer Versorgung, erlangen konnten (vgl. dazu etwa SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, 05/ 2011; Bethke/Bender, „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, 02/2011; Norwegian Organization für Asylum Seekers, The Italian approach to asylum: System and core problems“, 04/2011, sowie weitere, von der Kammer im Beschluss vom 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -, juris zitierte Quellen). Dem entspricht es, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, er habe während der Durchführung des Asylerstverfahrens zu keinem Zeitpunkt staatliche Unterstützung in irgend einer Form erhalten, ihm sei insbesondere nie ein Platz in einer Unterkunft zugewiesen worden, und er sei nur deshalb nicht obdach- und völlig mittellos gewesen, weil er auf eigene Initiative bei Landsleuten habe unterkommen und für diese zeitweise gegen Unterkunft und Mahlzeiten habe arbeiten und eine Adresse für die behördliche Erreichbarkeit habe angeben können.
54 
Die italienischen Behörden haben auf die teilweise chaotischen Zustände zwischenzeitlich jedoch, etwa durch Verbesserungen im Verfahren oder auch die massive Erweiterung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte (dazu im Einzelnen s.u.), reagiert. Auch die gegenwärtige Situation weist Mängel wie administrative Hürden, zeitliche Verzögerungen sowie Engpässe bei den Unterkünften auf, die allerdings als weniger schwerwiegend einzustufen sind und die Schwelle zum systemischen Mangel weder für sich genommen noch im Zusammenspiel überschreiten. Vielmehr ist in der Gesamtschau des vorliegenden Erkenntnismaterials davon auszugehen, dass das Asyl- und Aufnahmeverfahren im wesentlichen richtlinienkonform verläuft und grundsätzlich funktionsfähig ist und dabei insbesondere hinreichend sicherstellt, dass im Rahmen des Dublin-Verfahrens rücküberstellte Asylbewerber, die, wie der Kläger, nicht etwa aufgrund Alters, gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder sonstiger besonderer in ihrer Person liegender Umstände besonders schutzwürdig sind, bei normalem Verlauf der Dinge nicht mit schwerwiegenden Verstößen oder Rechtsbeeinträchtigungen im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen.
55 
Im Einzelnen:
56 
2.2.1 In jüngerer Zeit sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013) keine Fälle mehr bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden die Einreise nach Italien oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden oder Flüchtlinge und Asylsuchende ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, in ihren Herkunftsstaat oder ein Drittland zurückgeführt worden wären; auch sind dem Auswärtigen Amt keine Fälle neueren Datums bekannt, in denen Asylbewerber trotz laufender Asylverfahren abgeschoben worden wären. Jedenfalls gegenwärtig lässt sich daher nicht mehr feststellen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt würde (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo). Ebenso wenig lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln entnehmen, dass Asylbewerbern nach erfolglosem Abschluss ihres Asylerstverfahrens die Stellung eines Asylfolgeantrags verweigert worden wäre.
57 
2.2.2 Eine Feststellung, die in den vorliegenden Erkenntnismitteln fast durchgängig bemängelt wird, ist die oftmals lange Verfahrensdauer. Diese rechtfertigt jedoch gegenwärtig nicht (mehr) die Feststellung systemischer Mängel.
58 
2.2.2.1 Das Asylverfahren dauert in vielen Regionen regelmäßig etwa 6 bis 10 Monate, während die gesetzlichen Vorgaben vorsehen, dass die Anhörung des Asylbewerbers binnen 30 Tagen erfolgen, die behördliche Entscheidung binnen weiterer 3 Tagen ergehen soll (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Dieser Umstand hat indes auf die Asylbewerber regelmäßig keine gravierenden Auswirkungen, weil auch Unterbringung und Versorgungsleistungen sowie der Aufenthaltstitel entsprechend verlängert werden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
59 
2.2.2.2 Anders ist dies, wenn sich die Ausstellung der Verbalizzazione verzögert.
60 
2.2.2.2.1 Vom Asylgesuch bis zur Ausstellung der Verbalizzazione dauert es nach einhelliger Erkenntnislage (etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) nach wie vor oftmals mehrere Wochen, mitunter, insbesondere in größeren Städten wie Rom oder Mailand, auch mehrere Monate. Diese Verzögerung beruht mitunter auf fehlenden personellen Kapazitäten. Etwa in Mailand oder Rom liegt sie aber auch darin begründet, dass die dortigen Questure systematisch eine Wohnbestätigung oder den Nachweis einer Adresse als Voraussetzung für die Einreichung eines Asylgesuchs verlangen (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013), eine (gesetzlich nicht vorgesehene) Anforderung, die Asylbewerber mitunter nur dann erfüllen können, wenn ihnen Nichtregierungsorganisationen „virtuelle“ Adressen zur Verfügung stellen oder sie Leute dafür bezahlen, dass diese ihnen eine (fiktive) Wohnbestätigung ausstellen (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Diese Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione führt zu erheblichen Schwierigkeiten für die Asylbewerber. Denn in der Zwischenzeit haben sie Anspruch nur auf medizinische Notfallversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). In der Praxis haben sie ferner vor Ausstellung der Verbalizzazione keinen Zugang zu CARA- oder SPRAR-Unterkünften, auch wenn von Gesetzes wegen der Zugang zu Unterkunft ab dem Moment der Stellung des Asylgesuchs zu gewährleisten wäre (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013). In diesen Fällen sind alternative Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Asylsuchenden selten verfügbar, die Asylsuchenden sind vielmehr oftmals auf sich selbst gestellt und häufig obdachlos (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Allerdings wird dieses Problem von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Organisationen erkannt, die hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten, etwa durch die Vermittlung von provisorischen (Not-)Unterkünften, tätig werden (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013).
61 
Dass Asylbewerber diese Verzögerungen vor einem Gericht angefochten oder überhaupt vorläufigen Rechtsschutz beantragt hätten, ist weder dem Auswärtigen Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) noch dem UNHCR (Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013) bekannt. Die Praxis der Questura Mailand, eine Wohnbestätigung zu verlangen, wurde bereits von Hilfsorganisationen angefochten (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012), vom zuständigen Gericht jedoch gebilligt (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013).
62 
2.2.2.2.2 Von den Schwierigkeiten infolge der erheblichen Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione sind grundsätzlich auch Dublin-Rückkehrer betroffen. Diese treffen in der Regel auf dem Luftweg in Italien ein. Nach einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei erfolgt die Feststellung, welche Questura für die Person zuständig ist und wie der Stand des Verfahrens ist. Davon, ob der Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens Italien verlassen oder ob er in Italien nie ein Asylverfahren durchgeführt bzw., wie der Kläger, das Asylverfahren dort rechtskräftig abgeschlossen hat, hängt der weitere Ablauf ab:
63 
Dublin-Rückkehrer, die sich noch im Asylverfahren befinden, erhalten nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013) umgehend eine Unterkunft in einem entsprechenden Aufnahmezentrum zugewiesen, die ihnen von den auf dem Flughafen tätigen Nichtregierungsorganisationen vermittelt werde. Laut UNHCR hat diese Personengruppe in der Regel Zugang zu Transitunterbringungseinrichtungen (Auskunft an VG Freiburg, 12/2103). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe (Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013) erfolgt die Unterbringung in einem FER-Projekt, soweit freie Plätze bestehen. Sind für sie nicht die Präfekturen Rom bzw. Varese zuständig, gilt diese Unterkunftsmöglichkeit nur für wenige Tage, bis sie in die für sie zuständige Region weiterreisen, um sich dort bei der Questura zu melden und von dieser einen Berechtigungsschein für ein CARA zu erhalten. Laut borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) gibt es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten mit der Ausstellung dieses Scheins; auch stünden mitunter nicht genügend Plätze zur Verfügung. Plätze in einem SPRAR könnten außerdem nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Betreffende vor seiner Ausreise keinen Platz dort in Anspruch genommen habe.
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Für Dublin-Rückkehrer, die sich, wie der Kläger, noch nicht oder nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, etwa für diejenigen, die vor ihrer Asylantragstellung in einem anderen Land durch Italien gereist sind, ohne dort einen Asylantrag gestellt zu haben, erfolgt die Zuweisung der Unterkunft dagegen grundsätzlich, wie bei anderen Asylbewerbern auch, erst nach der Verbalizzazione, die auch für diese Gruppe mitunter erst nach Wochen oder Monaten erfolgt (so ausdrücklich UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); eine frühere Möglichkeit, in eine FER-Unterkunft oder ein CARA zugewiesen zu werden, hängt von freien Kapazitäten ab (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Borderline-europe (a.a.O.) berichtet davon, von den Dublin-Rückkehrern, die über Rom eingereist seien, hätten nur knapp 8% eine CARA- oder SPRAR-Unterkunft erhalten, weitere etwa 12% eine Kurzzeitunterkunft, um sich von dort aus zu den für sie zuständigen Questure zu begeben. Allerdings bemühen sich die am Flughafen zuständigen Hilfsorganisationen, dem Betreffenden zumindest eine Übergangs- oder Notunterkunft in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung zu besorgen; sollte dies nicht umgehend möglich sein, müssen Dublin-Rückkehrer unter Umständen einige Tage am Flughafen verbleiben und dort, zwar ohne besondere Schlafplätze, offenbar aber geduldet, übernachten (SFH, Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013; AA, Auskunft an OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2013). Nicht ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang indes, dass die Nichtregierungsorganisationen nicht rechtzeitig von der Ankunft von Dublin-Rückkehrern informiert werden und diese daher keine besondere Betreuung am Flughafen erfahren (SFH, a.a.O.).
65 
2.2.2.2.3 Der Umstand, dass der Zugang zu Unterkünften in der Praxis italienischer Behörden von der Ausstellung der Verbalizzazione abhängt und deren Ausstellung zeitlich jedenfalls in der Behördenpraxis (noch) nicht an das Asylgesuch geknüpft ist, ist sicherlich ein gravierender Mangel, der auch im System angelegt ist und grundsätzlich - wenn infolge der intensiveren Betreuung am Flughafen in möglicherweise geringerem Maße - auch Dublin-Rückkehrer wie den Kläger betrifft. Allerdings hat die italienische Regierung dieses Problem erkannt und sich dessen angenommen. So hat im Februar 2013 das italienische Innenministerium eine Weisung an die Questure herausgegeben, wonach die Verbalizzazione zeitlich mit der Asylgesuchsstellung zusammenfallen soll, und versucht, durch ein neues Onlinesystem (VESTANET) die Bearbeitung der Asylgesuche zu beschleunigen, die Bearbeitung von Einzelfällen im gesamten Verfahren zu verbessern, die Zeit zwischen dem erstmaligen Asylgesuch und der formalen Registrierung des Antrags zu überwachen und Verzögerungen umgehend entgegenzuwirken (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). Im Report von CIR/ecre (a.a.O.) heißt es, die italienischen Behörden hätten insoweit wichtige Anstrengungen unternommen, um den förmlichen Zugang zum Asylverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Auch der UNHCR (a.a.O.) spricht insoweit von „positiven Entwicklungen“. Seinen jüngsten Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (07/2013) lässt sich zwar entnehmen, dass es immer wieder zu wochen- oder auch monatelangen Verzögerungen bis zur Erstellung der Verbalizzazione kommt; wenn der UNHCR insoweit jedoch von „einigen Fällen“ oder auch Schwierigkeiten „in einigen regionalen Polizeidirektionen“ spricht, so handelt es sich gegenwärtig nicht mehr um größere Funktionsstörungen oder regelhafte Defizite, die das Asylverfahren in ihrer Gesamtheit prägen, sondern um - freilich in ihren Auswirkungen zulasten der Betroffenen keinesfalls zu unterschätzende - partielle Überlastungen oder verwaltungstechnische Missstände. Und auch insoweit ist davon auszugehen, dass sich die Situation, wenn die neuen Anweisungen und Verwaltungsvereinfachungen landesweit implementiert sind, weiter verbessern wird (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Insbesondere für Dublin-Rückkehrer und ihre im Vergleich zu anderweitig ins Land kommende Asylbewerber regelmäßig intensivere Betreuung durch Nichtregierungsorganisationen bereits am Flughafen lässt sich im Hinblick auf die Verzögerungen im Asylverfahren daher nicht (mehr) von einem systemischen Mangel sprechen.
66 
2.2.3 Weitere in vielen der vorliegenden Erkenntnismitteln beklagte Missstände sind die nach wie vor bestehende - und auch Dublin-Rückkehrer betreffende - Überlastung des Aufnahmesystems und die damit verbundenen Lebensbedingungen der Asylbewerber. Aber auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen ist auf Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel nicht (mehr) von strukturellen Mängeln auszugehen.
67 
2.2.3.1 Immer wieder in der Kritik steht die Zahl der Unterkünfte, die Asylsuchenden zur Verfügung gestellt werden.
68 
Die italienische Regierung hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Zahl verfügbarer Unterkünfte zu erhöhen. So gab es im Zusammenhang mit den sprunghaft angestiegenen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 ein Notstandskonzept „Nordafrika“, in dessen Rahmen Aufnahmestrukturen durch den Zivilschutz in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (SFH, Aufnahmebedingungen; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013 spricht sogar von 50.000 Plätzen). Daneben wurde insbesondere die Zahl der regulär verfügbaren Plätze in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Noch im Juli 2012 war das Auswärtige Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; vgl. auch Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2012) von (nur) je 3.000 Plätzen in CARA und SPRAR ausgegangen, während es im August 2013 bereits von insgesamt über 16.000 Plätzen in CARA, CIE, CDA und SPRAR ausging (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Die Entwicklung der verfügbaren Unterkünfte spiegelt sich auch in den von CIR/ecre erhobenen Zahlen wider: Während im Länderreport Stand Mai 2013 von insgesamt 4.007 Plätzen in CDA und CARA die Rede war, waren es ein halbes Jahr später bereits 6.866 Plätze; statt 151 SPRAR standen ausweislich CIR/ecre nun bereits 175 Einrichtungen zur Verfügung. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die SPRAR-Kapazität bis 2016 zudem auf 16.000 Plätze erhöht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen; CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch durch die Praxis, insbesondere die CARA entgegen ihrer Zweckbestimmung auch für den längerfristigen Aufenthalt zu nutzen, konnte der Überlastungssituation Rechnung getragen werden, und auch wenn das Notstandsprogramm „Nordafrika“ zwischenzeitlich ausgelaufen ist und (Stand September 2013) nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable Cases“ und Asylbewerber, die Widerspruch eingelegt haben, vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) dort lebten, zeigt es doch, dass Italien in der Lage ist, Unterbringungsplätze in erheblichem Umfang zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn dies durch den Zustrom von Flüchtlingen erneut erforderlich werden sollte. Um bestehende Lücken und Fehlentwicklungen aufzudecken, wurde ferner Ende 2012 im Rahmen des Präsidium-Projekts testweise ein Überwachungssystem in staatlichen Einrichtungen eingeführt (UNHCR, Empfehlungen 2013). Laut Auswärtigem Amt bestanden im öffentlichen System im August 2013 rund 8.000 Plätze in CARA-Aufnahmelagern, die in der Praxis dem längerfristigen Aufenthalt von Asylbewerbern dienen, nahezu 3.000 Plätze in CIE und CDA und über 5.000 Plätze in SPRAR (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Laut CIR/ecre, Stand November 2013, bestanden zu diesem Zeitpunkt in CARA, CIE und CPSA insgesamt deutlich weniger, nämlich nur gut 7.500 Plätze, dafür in SPRAR 3.000 reguläre sowie 9.500 zusätzliche Plätze.
69 
Finden Asylsuchende keinen Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung - sei es, weil die Kapazitäten erschöpft sind, sei es, dass sie etwa als Dublin-Rückkehrer, die bereits vor ihrer Ausreise aus Italien einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung beansprucht hatten, keinen erneuten Zugang zu öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen haben -, bekommen sie in der Praxis keine staatliche (finanzielle) Unterstützung, um sich selbst um eine Unterkunft kümmern zu können; die gesetzliche Regelung, wonach der Asylbewerber im Falle fehlender Unterbringungsmöglichkeiten eine finanzielle Unterstützung erhält, um sich selbst eine Unterkunft zu suchen, ist in der Praxis nicht umgesetzt worden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Für diesen Personenkreis gibt es kommunale, kirchliche und karitative Einrichtungen etwa der CARITAS, die die Asylantragsteller versorgen, ihnen Unterkunftsplätze besorgen und ihnen medizinischen, rechtlichen und psychologischen Beistand zur Verfügung stellen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Diese nicht-staatlichen Unterkünfte werden teilweise von der öffentlichen Hand finanziert und sind im Auftrag des Staates tätig. Sie sind bei der Frage, ob die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK aufgrund fehlender Unterbringungsmöglichkeiten besteht, mit einzubeziehen. Denn aus Sicht des Unionsrechts ist lediglich entscheidend, dass tatsächlich eine hinreichende Zahl an Unterkünften besteht; dies aber ist auch dann der Fall, wenn der Staat mit nichtstaatlichen Trägern zusammenarbeitet, die zuverlässig einen Teil der erforderlichen Plätze zur Verfügung stellen.
70 
Darüber, ob das verfügbare - im Übrigen je nach Auskunft deutlich differierende - Zahlenmaterial den tatsächlichen Bestand an Unterkünften widerspiegelt und wenn ja, ob die vorhandenen Unterkünfte ausreichend sind, um den Bedarf zu decken, gehen die Ansichten in den aktuellen Erkenntnismitteln auseinander. Das Auswärtige Amt stellt fest, dass - Stand August 2013 - alle Asylbewerber / Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden könnten. Lokalen oder regionalen Überbelegungen stünden freie Kapazitäten in anderen Regionen, etwa in Norditalien, gegenüber, und landesweit seien genügend Plätze vorhanden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013; mit dem gleichen Tenor auch bereits AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Auch nach Auffassung des UNHCR ist Italien in der Lage, den Aufnahmebedarf jedenfalls einer erheblichen Zahl an Asylsuchenden zu decken (Empfehlungen 2013; ähnlich auch bereits im Gutachten an VG Braunschweig vom 24.04.2012). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeichnet ein etwas düstereres Bild und berichtet - Stand Oktober 2013 - davon, zurzeit seien die Kapazitäten der Erstaufnahmezentren CARA ausgeschöpft und neu ankommende Flüchtlinge könnten dort nicht untergebracht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Auch anderen Auskünften lässt sich entnehmen, dass die verfügbaren Plätze immer noch nicht ausreichten und die bestehenden Einrichtungen daher oft deutlich überbelegt seien (CIR/ecre, National Country Report Italy), bzw. dass nicht alle Asylbewerber einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung finden (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) oder mitunter aufgrund fehlender Kapazitäten erst nach Wochen oder Monaten Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen bekommen können (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Viele Auskünfte berichten davon, dass Asylbewerber unter schlechten Bedingungen in überfüllten Privatunterkünften, die teilweise in besetzten Häusern eingerichtet worden seien, unterkommen müssten (CIR/ecre, National Country Report Italy) oder obdachlos seien (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
71 
Tatsächlich dürfte eine genaue Ermittlung, ob die vorhandenen Plätze rechnerisch gesehen landesweit ausreichend sind, um den Bedarf an Wohnraum zu decken, nur sehr schwer seriös möglich sein. Insoweit ist nicht nur von Bedeutung, dass die vorhandenen Einrichtungen mitunter deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als die Anzahl, für die sie ausgelegt sind; so sollen etwa im November 2013 9.771 Asylsuchende in CDA/CARA untergebracht gewesen sein, die nur 6.866 reguläre Plätze boten (CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch bedürfte es für die Frage, ob die Anzahl an Plätzen ausreichend ist, belastbarem statistischem Material nicht nur zu der Frage, wie lang die durchschnittliche Belegungszeit eines Platzes in einer Unterkunft ist, sondern auch dazu, wie viele Asylbewerber aus eigenem Antrieb keinen Platz in Anspruch nehmen, sondern entweder untertauchen oder in ein anderes europäisches Land weiterreisen. Belastbare Zahlen gibt es jedoch insoweit nicht (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Ferner fehlt es auch an methodisch korrekten statistischen Erhebungen zu der Frage, welcher Prozentsatz an Asylsuchenden tatsächlich Interesse an der Zuweisung einer öffentlichen Unterkunft hätte. Vor diesem Hintergrund haben insbesondere die Prozentzahlen der in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Dublin-Rückgeführten, die borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; hierzu ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris) nennt, eine nur sehr begrenzte Aussagekraft. Denn diesen Zahlen lässt sich weder entnehmen, wie viele der Rückgeführten bereits über einen Aufenthaltstitel etwa aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien verfügen (und daher keinen Anspruch mehr auf Aufnahme in eine der Unterkünfte haben), noch, wie viele von ihnen überhaupt Interesse an einem Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung gehabt hätten. Insoweit wäre im Hinblick auf fehlendes Interesse an einer öffentlichen Unterkunft nicht nur an Rückkehrer zu denken, die auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens von vornherein verzichten, sondern auch an solche, die bei ihrem letzten Aufenthalt in Italien bereits ein soziales Netzwerk aufgebaut haben, das sie von öffentlichen Unterkünften unabhängig macht, oder solche, die ein Leben in Rom oder Mailand, wo die Wohnraumkapazitäten bekanntermaßen erschöpft sind, auch um den Preis schlechterer Unterbringungsverhältnisse bewusst einem Aufenthalt in einem anderen Landesteil, in dem ihnen eine Unterkunft zugewiesen werden könnte, vorziehen.
72 
Aber auch wenn unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel davon auszugehen ist, dass insbesondere in Großstädten wie Rom oder Mailand die vorhandenen Aufnahmekapazitäten in staatlichen wie privat betriebenen Einrichtungen erschöpft und die Unterkünfte überfüllt sind und es daher Asylsuchende gibt, die keinen Platz in einer Unterkunft finden und daher ohne Obdach sind oder unter völlig unzureichenden Wohn- und Lebensverhältnissen leben, lässt sich doch den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass dieses Schicksal für Asylbewerber gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachte; vielmehr handelt es sich hierbei um drastische Einzelschicksale, die keiner Verallgemeinerung zugänglich sind (darauf hinweisend auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris, sowie nunmehr VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris). Auf Grundlage der genannten Zahlen von mutmaßlich deutlich mehr als 16.000 Plätzen allein in den öffentlichen Unterkünften ist jedenfalls gegenwärtig nicht (mehr) davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Unterbringungssituation dauerhafte erhebliche Missstände vorlägen, aufgrund dessen Asylbewerber quasi typischerweise und in signifikanter Zahl der Obdachlosigkeit überlassen würden (so i.Erg. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/10 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo, geht davon aus, alle Asylbewerber fänden Platz in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen).
73 
2.2.3.2 Es lässt sich nach den vorliegenden Auskünften auch nicht davon ausgehen, dass systematische Mängel im Hinblick auf die Schwierigkeiten derjenigen Asylsuchenden, die keinen Platz in einer staatlichen Unterkunft gefunden haben, bestünden bei der Zustellung offizieller Schreiben, etwa ablehnender Asylbescheide. Denn auch wenn für Flüchtlinge außerhalb staatlicher Unterkünfte, insbesondere für Obdachlose, der Zugang offizieller Schreiben typischerweise größeren Schwierigkeiten begegnet als für Flüchtlinge in staatlichen Unterkünften, haben sich auch insoweit Strukturen gebildet, die die Situation der Betroffenen erleichtern. Inzwischen bieten Hilfsorganisationen wie die CARITAS Sammeladressen für Personen ohne festen Wohnsitz an, die gegenüber öffentlichen Stellen verwendet werden und an die Poststücke zugestellt werden können (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Derartige Möglichkeiten „virtueller Wohnsitznahme“ gibt es zwar nur in wenigen Städten Italiens, insbesondere in Rom; da es hier aber auch die größten Engpässe in der Wohnraumversorgung gibt, dürfte Dank des den Behörden bekannten und von ihnen akzeptierten Konzepts der virtuellen Wohnsitznahme jedenfalls im Regelfall die Zustellung von Schreiben an den Empfänger gewährleistet sein.
74 
2.2.3.3 Die vorliegenden Erkenntnismittel lassen auch nicht den Rückschluss darauf zu, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und kultureller Prägung häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte, zumal in einer Situation, die oftmals von überstandenen Leiden und ungewisser Zukunft geprägt ist. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegenwirken können. Auch ist der Kammer bewusst, dass die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein dürften. Andererseits gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte, dass die Zustände in den Unterkünften nicht nur in Einzelfällen, sondern regelhaft unzumutbar und unhaltbar sind, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Die Verhältnisse im Einzelnen unterscheiden sich und hängen von den jeweiligen Trägern der Unterkünfte ab (CIR/ecre, National Country Report Italy). Laut Auswärtigem Amt stellen sich die hygienischen Verhältnisse aber nicht regelmäßig oder überwiegend in der Weise dar, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Es seien durchgehend kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden, die auch einer ausreichenden Zahl an Toiletten- und Waschräumen sowie zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt. Es gebe zwar mitunter gewaltsame Überfälle, hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle. Darüber hinaus würden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien seien in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert worden (vgl. dazu auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo).
75 
2.2.3.4 Ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln, wie gesehen, davon auszugehen, dass jedenfalls die meisten Flüchtlinge Platz in einer staatlichen Unterkunft erhalten, so ist dort ihr Lebensunterhalt - wenn auch auf niedrigem Niveau - gesichert. Es lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass den Flüchtlingen dort entgegen der Gesetzeslage keine Kleidung, Nahrung oder Hygieneartikel zur Verfügung gestellt würden.
76 
Nach Auskunft des Auswärtigen Amts (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) werden auch diejenigen Flüchtlinge, die außerhalb staatlicher Einrichtungen, etwa in karitativen oder kirchlichen Unterkünften, leben, teilweise unter Einbeziehung privater Dienstleister, mit Nahrung und Kleidung versorgt. Dagegen berichtet etwa borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), Asylsuchende, die in keinem Zentrum untergebracht seien, erhielten weder Sach- noch Geldleistungen zur Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse wie Nahrung oder Kleidung. Geklärt sein dürfte jedoch, dass für diese Gruppe der Flüchtlinge Hilfsorganisationen die notwendige grundlegende Versorgung der bei ihnen lebenden Flüchtlinge übernehmen. Auch für diesen Personenkreis dürfte daher nicht festzustellen sein, dass dieser regelhaft in einem menschenrechtlichen Mindeststandards widersprechenden Zustand leben müsse. Dies schließt es nicht aus, dass einzelne Asylbewerber in prekären Verhältnissen extremer Armut und Obdachlosigkeit leben; dieser Umstand ist aber für die Annahme, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sein (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, juris), nicht ausreichend.
77 
2.2.3.5 Schließlich ist nach aktueller Auskunftslage auch nicht davon auszugehen sein, dass Flüchtlinge regelhaft von medizinischen Leistungen ausgeschlossen sind.
78 
Zwar mag es im Einzelfall auch bei Bewohnern öffentlicher Unterkünfte - sei es durch fehlende Informationen, sei es durch fehlerhaft arbeitende oder überlastete Verwaltungen - zu Schwierigkeiten kommen, in den Besitz einer Gesundheitskarte zu gelangen. Dies ist aber offenbar der Ausnahmefall.
79 
Für Asylbewerber, auch Dublin-Rückkehrer, die keinen festen Wohnsitz vorweisen können, hat dieser Umstand allerdings Konsequenzen. Der Erhalt der Gesundheitskarte ist an das Erfordernis eines festen Wohnsitzes geknüpft. Während das Auswärtige Amt davon ausgeht, es genüge insoweit die Angabe des Asylbewerbers, berichtet borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), die Anmeldung eines Wohnsitzes werde durch die Behörde überprüft. Die Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione (Asylbewerber in Italien, Bericht vom 20.11.2012) berichtet darüber hinaus davon, viele Flüchtlinge würden aufgrund von bürokratischen und restriktiven Interpretationen seitens der Gemeinden nicht im Einwohnermelderegister eingetragen. Selbst wenn dies so wäre, führte dieser Umstand jedoch nicht dazu, dass diese Flüchtlinge vom Erhalt der Gesundheitskarte ausgeschlossen würden. Denn vor allem in Rom - wo die Wohnungsnot, wie gesehen, und daher auch der Anteil der nicht in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Flüchtlinge vermutlich am größten ist - besteht, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit einer von den Behörden anerkannten, durch Hilfsorganisationen wie die CARITAS zur Verfügung gestellten „virtuellen Wohnsitznahme“ (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. dazu auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Davon abgesehen ist jedenfalls die medizinische Notfallversorgung in Italien auch ohne Gesundheitskarte gewährleistet.
80 
2.2.3.6 Vor diesem Hintergrund lässt sich trotz nach wie vor bestehender Defizite in den Aufnahmebedingungen und auch unter Berücksichtigung der gravierenden Folgen, die das Fehlen einer zumutbaren Unterkunft für den hiervon Betroffenen im Einzelfall hat, nicht feststellen, dass die bestehenden Engpässe und Mängel die Funktionsfähigkeit des Aufnahmesystems insgesamt in Frage stellen und so gravierend sind, dass sie das Asylverfahren regelhaft seiner Funktion berauben.
81 
2.3 Im Ergebnis lässt sich daher auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnismittel feststellen, dass Asylsuchende, die nach den Regelungen der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden sollen, derzeit jedenfalls dann, wenn in ihrer Person keine besonderen (etwa gesundheitlichen) Gründe gegeben sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen. Dies scheint der Auffassung des UNHCR zu entsprechen, der sich - anders als seinerzeit im Falle Griechenlands - trotz deutlicher Worte in Bezug auf bestehende Defizite und Mängel im italienischen Asyl- und Aufnahmesystem nicht veranlasst gesehen hat, sich gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien auszusprechen.
82 
Vorliegend aber sind keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien entgegen der allgemeinen Lageeinschätzung eine mit Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK nicht vereinbare Behandlung drohte. Der Kläger hat nach seiner Ankunft in Italien die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens hat er, da er nach eigenen Angaben während des Asylerstverfahrens nie einen Platz in einer Unterkunft zugewiesen bekommen hat, die Möglichkeit, in einer öffentlichen Einrichtung unterzukommen, wo neben der Unterkunft auch Essen, Bekleidung und sonstige persönliche Bedürfnisse sichergestellt sind. Sollte sich der Kläger dagegen dafür entscheiden, nach seiner Rückkehr keinen erneuten Asylantrag zu stellen, bestünden zu seinen Gunsten - nachdem das Asylerstverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist - keine Verfahrensgarantien nach der Genfer Flüchtlingskonvention, und auch die Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG) fände auf ihn gemäß Art. 3 Abs. 1 keine Anwendung (mehr). Er wäre vielmehr, wenn sein Aufenthalt nicht behördlicherseits legalisiert wird, verpflichtet, Italien zu verlassen, und hätte keinen Anspruch auf Unterstützung mehr (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Kommt er seiner Ausreisepflicht nicht nach, kann er kein Mehr an Unterstützung verlangen, als dies italienischen Staatsangehörigen zuteil wird. Ein staatliches Sozialhilfesystem aber existiert in Italien nur sehr eingeschränkt; vielmehr sind auch italienische Staatsangehörige grundsätzlich verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen, was naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden, für einen gesunden, arbeitsfähigen Mann wie den Kläger aber, wie er bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Italien bewiesen hat, nicht unmöglich ist. Der Umstand, dass es in Italien anders als in Deutschland kein System staatlicher Unterstützung auch für ausreisepflichtige, jedoch tatsächlich noch nicht abgeschobene Ausländer gibt, reicht, nachdem, wie bereits gesehen, aus Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh nicht die Verpflichtung erwächst, jemandem finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihm einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen, nicht für die Annahme aus, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh ausgesetzt sein.
III.
83 
Die Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides ist hiernach ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien keine Einwände gegen seine Zuständigkeit erhoben hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Das Gericht sieht von einem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach Ermessen ab.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung seines Asylantrags als unzulässig sowie die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein 1982 geborener Staatsangehöriger Sri Lankas mit tamilischer Volks- und hinduistischer Glaubenszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 11.03.2011 ins Bundesgebiet ein und stellte am 12.04.2011 einen Asylantrag. Bereits im Rahmen seiner Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 06.05.2011 gab der Kläger an, er habe im Juni 2010 in Lecce / Italien Asyl beantragt. Von Januar 2010 bis Oktober 2010 habe er sich in Italien aufgehalten.
Am 20.06.2011 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) an die italienischen Behörden ein Übernahmeersuchen unter Berufung auf Art. 16 c) Dublin-II-VO. Die italienischen Behörden gaben hierzu keine Stellungnahme ab.
Mit Bescheid vom 25.08.2011, zugestellt nach dem 02.11.2011, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Italien an. Der Bescheid war auf § 27a AsylVfG, Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO gestützt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Der Kläger hat am 07.11.2011 Klage erhoben und wie folgt begründet: Eine Abschiebung erfolge gegenwärtig „ins Blaue hinein“, nachdem die italienischen Behörden das Übernahmeersuchen nicht beantwortet hätten. Er habe in Italien kein faires Asylverfahren erhalten; er habe bis heute keinen Ablehnungsbescheid bekommen, sondern sei ohne die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, unter Setzung einer kurzen Frist zur Ausreise aufgefordert worden. Auch der EGMR habe Bedenken an der Durchführung eines rechtsstaatlichen Mindestgrundsätzen genügenden Asylverfahrens in Italien. Die Ausführungen in der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes widersprächen der aktuellen Erkenntnislage sowie der praktisch einhelligen Rechtsprechung, wonach Überstellungen nach Italien aufgrund fehlender Gewährleistung des Flüchtlingsschutzes gegenwärtig unzulässig seien. Die Situation dort habe sich gerade nicht entscheidend verbessert. Die Überstellungsfristen nach Italien seien zwischenzeitlich wohl abgelaufen. Die Beklagte ignoriere die aktuelle Rechtsprechung, die zum Vorliegen systemischer Mängel komme. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich die Aufnahmesituation für zurückgeschobene Flüchtlinge verbessert habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.08.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Italien erfülle gegenüber Asylantragstellern die Mindeststandards. Es handele sich bei Italien um einen EU-Mitgliedstaat und damit um einen sicheren Drittstaat i.S.v. Art. 16a Abs. 2 GG, § 26 AsylVfG. Es sei daher aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt sei. Die Dublin-II-Verordnung beruhe auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung von GFK und EMRK in allen Mitgliedstaaten gesichert sei. Weder UNHCR noch SFH hätten Bedenken an einer Zurückschiebung von Flüchtlingen nach Italien geäußert. Die Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe die Situation wider, wie sie von zahlreichen Verwaltungsgerichten gesehen werde. Die Möglichkeit und der Ablauf des Asylverfahrens seien gesetzlich geregelt, Unterbringung werde Asylbewerbern in den Erstaufnahmeeinrichtungen und in den Aufnahmezentren gewährt. Es liege im Verantwortungsbereich des Antragstellers, dass ihn Zustellungen erreichten, wie es auch in Deutschland der Fall sei. In Italien liege der Fall im Gegensatz zu Griechenland offenbar eher so, dass sich ein großer Teil der Flüchtlinge unabhängig vom Asylverfahren dort aufhalte. Der daraus entstehende Eindruck schwieriger Lebensverhältnisse könne keinen Einfluss auf die Beurteilung haben, ob die Mindestanforderungen an das Asylverfahren erfüllt seien. Der EGMR sei der Auffassung, dass die Situation in Italien nicht mit der in Griechenland vergleichbar sei. Der EGMR habe das Vorliegen systemischer Mängel verneint. Auch das BVerfG habe in keinem einzigen Fall entschieden, dass eine Rückführung nach Italien im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens unzulässig sei. Dies sähen auch Obergerichte wie der OVG Sachsen-Anhalt im Verfahren 4 L 44/13 so. Die Auskunft des UNHCR bestätige die Rechtsauffassung, dass eine systemische Störung des Asylsystems in Italien nicht bestehe. Der UNHCR bestätige die positive Entwicklung im italienischen Verfahren. Die unentgeltliche Prozesskostenhilfe sei gesetzlich verankert, finanzielle Hilfen stünden prinzipiell zur Verfügung, wenn die Unterbringungskapazitäten der staatlichen Unterkünfte nicht ausreichten. Zur Gesundheitsversorgung und Ernährungssituation äußere sich der UNHCR positiv. Auch kurzzeitige und geringfügige Verschlechterungen und Verzögerungen erreichten nicht die Qualität einer menschenrechtswidrigen Behandlung. Die Zuständigkeit Italiens sei gemäß Art. 16 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 29 Abs. 1 Dublin-II-VO begründet; ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte sei später nicht erfolgt. Für Wiederaufnahmegesuche nach Art. 16 Abs. 1 c) bis e) Dublin-II-VO gebe es keinerlei Frist. Da der Kläger gegen seine Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO seine Überstellung nach Italien habe erfolgen können, einen Rechtsbehelf eingelegt habe, beginne gemäß Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 der Verordnung die sechsmonatige Frist im Zeitpunkt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung zu laufen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Gerichte - wie vorliegend - aufgrund der Annahme eines Ausnahmefalles tatsächlich vorläufigen Rechtsschutz gewährten.
11 
Mit Beschluss vom 24.04.2012 hat die Kammer Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes sowie eines Gutachtens des UNHCR zu verschiedenen Fragen betreffend die rechtlichen Grundlagen sowie die Praxis des Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen in Italien. Das Auswärtige Amt erteilte unter dem 11.07.2012 eine Auskunft, das Gutachten des UNHCR stammt vom 19.12.2013. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
12 
Mit Beschluss der Kammer vom 02.02.2013 ist die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Beklagten vom 25.08.2011 angeordnet und der Beklagten aufgegeben worden, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Klägers nach Italien vorläufig nicht durchgeführt werden darf.
13 
Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (1 Bd.) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten im Verfahren A 4 K 2203/11 und im vorliegenden Verfahren wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
A.
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.08.2011 hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig unter Berufung auf die fehlende Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre trotz fehlender Sachprüfung durch das Bundesamt nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Folglich ist im Falle des § 27a AsylVfG - wie auch in Konstellationen einer Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 - 10 C 1/13 -, juris; Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris) - nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten (so auch VG Stuttgart, Urteil vom 20.09.2012 - A 11 K 2519/12 -, juris; Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K 383/14 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2010 - A 4 K 4072/08 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -, juris, sowie jüngst VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; a.A. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris).
B.
15 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Bundesamt ist im angefochtenen Bescheid vom 25.08.2011 zu Recht davon ausgegangen, dass nicht die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des am 12.04.2011 gestellten Asylantrages des Klägers zuständig ist, sondern die Republik Italien, und hat daher auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet.
I.
16 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin-III-Verordnung 604/2013/EU ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin-II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin-II-VO -) anwendbar. Nach den hiernach anwendbaren Regelungen der Dublin-II-VO ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers auch dann zuständig, wenn das von ihm nach eigenen Angaben im Jahr 2011 in Lecce eingeleitete Asylverfahren, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, rechtskräftig abgeschlossen worden ist; insoweit ergibt sich eine Zuständigkeit der italienischen Behörden für die Prüfung des klägerischen Asyl(-folge-)antrags aus Art. 16 Abs. 1 e) Dublin-II-VO, nachdem diese innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO keine Antwort erteilt haben.
17 
Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Das knüpft an Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO an, welcher (u.a.) bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist ist hier noch nicht abgelaufen, wobei es maßgeblich auf die zweite Alternative der Regelung ("oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf") ankommt. Denn solange die Vollziehung der Überstellung - wie es vorliegend ausnahmsweise der Fall ist - weiter ausgesetzt ist, ist insoweit entscheidend auf die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzustellen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris).
II.
18 
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ausübt.
19 
1. Ein Hauptzweck der Verordnung VO (EG) Nr. 343/2003 besteht, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Allerdings kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO gemäß Absatz 2 der Vorschrift jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
20 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. -, juris sowie Slg. 2011, I-13905) kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen (vgl. zum Folgenden auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris). Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) aus.
21 
1.1 Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten. Im Rahmen seiner Ermessensausübung kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen; es gilt insoweit das sog. Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung (dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris). Daraus folgt die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.). Ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, kann infolgedessen entsprechend dem Konzept normativer Vergewisserung den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -, juris).
22 
1.2 Die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, ist jedoch nicht unwiderleglich. Nicht ausgeschlossen werden kann nämlich, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.).
23 
Eine Widerlegung der Vermutung wurde vom EuGH mit Blick auf die gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems indes an hohe Hürden geknüpft. Nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin-II-VO und nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts - wie etwa von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK - durch den zuständigen Mitgliedstaat vermag die Überstellung eines Asylbewerbers an den laut Dublin-II-VO eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln und das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage zu stellen. Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.; Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12 -, juris; Urteil vom 14.11.2013 - C 4/11 -, juris). Diese Rechtsprechung ist auch in die Neufassung von Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (v. 26.06.2013 - Dublin-III-VO) eingeflossen.
24 
Die sich aus dieser EuGH-Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an das deutsche verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris) dahingehend zusammengefasst, dass sich der Tatrichter im Rahmen der Amtsermittlung zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. (Nur) dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
25 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 -, NVwZ 2011, 413) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da Asylbewerber dort systematisch ohne Angabe von Gründen in Haftzentren untergebracht würden. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden. Art. 3 EMRK allein verpflichte die Vertragsstaaten zwar nicht, Flüchtlinge in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen, sie finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Etwas anderes gilt aber ausweislich des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie -), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen (so nun auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
26 
Aus dem Gesagten ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt im Hinblick auf die Asylverfahren nur dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin-II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, schon der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, dass das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass der Betroffene während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
27 
2. Trotz der in Teilen weiterhin defizitären Umsetzung der in Italien bestehenden asylrelevanten Regelungen durch die italienischen Behörden und der nach wie vor bestehenden Mängel in Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Italien sind zur Überzeugung der Kammer auf der Grundlage einer ausführlichen Auswertung der vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. zum Folgenden AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Consiglio Italiano per i Rifugiati / European Council on Refugees and Exiles, Asylum Information Database, National Country Report Italy, Mai 2013, Update November 2013, verfügbar unter http://www.asylumineurope.org/files/report-download/italy_aida_report_first_update_final_dec13.pdf - CIR/ecre, National Country Report Italy -; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, 07/2013 - UNHCR, Empfehlungen 2013 -; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione, Die derzeitige Situation von Asylbewerbern in Italien, 20.11.2012 - ASGI, Asylbewerber in Italien -) zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die strengen Voraussetzungen, die nach dem oben Gesagten für die Annahme einer Eintrittspflicht der Beklagten erfüllt sein müssten, nicht gegeben. Es steht nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen in Italien derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an Italien im Rahmen der Dublin-II-Verordnung überstellten Asylbewerber zu erwarten steht (in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo; Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 -, juris; Beschluss vom 18.03.2014 - 13 LA 75/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
28 
Denn Italien verfügt über ein ausdifferenziertes Asylverfahrensrecht und konkrete Regelungen betreffend die Aufnahme von Flüchtlingen (2.1). Auch wenn die diesbezüglichen Regelungen in der Praxis mitunter defizitär angewendet werden, sind die hierbei zutage tretenden Mängel jedenfalls gegenwärtig nicht von einer Tragweite, die das Vorliegen systemischer Mängel implizierte (2.2).
29 
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Anforderungen an das Vorliegen systemischer Mängel in den Fällen, in denen der Betroffene - wie hier der Kläger - in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Staat bereits ein Asylverfahren durchlaufen hat, sogar noch strengere Anforderungen zu stellen sind (in diese Richtung VG Potsdam, Beschluss vom 14.11.2013 - 6 L 767/13.A -, juris).
30 
2.1. Das italienische Rechtssystem sieht ein ausdifferenziertes Asylverfahren vor. Die italienische Verfassung kennt ein Grundrecht auf Asyl (Art. 10 Abs. 3); daneben bestehen verschiedene Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetze. Die gesetzlichen Regelungen gelten auch für - hier relevante und daher zuvörderst in die Betrachtungen einzubeziehende - Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung; Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
31 
2.1.1 Das Asylverfahren läuft in mehreren Schritten ab:
32 
2.1.1.1 Asylgesuche werden beim Polizeipräsidium (questura) oder bei dem Grenzschutz (polizia di frontiera) entgegengenommen; eine inhaltliche Überprüfung des Gesuchs, das an keine Form gebunden ist, findet nicht statt (ASGI, Asylbewerber in Italien). Im Zusammenhang mit der Stellung des Schutzersuchens findet eine erkennungsdienstliche Behandlung (fotosegnalamento) statt (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Antragsteller, deren Anträge vom Grenzschutz aufgenommen worden sind, erhalten ein Schreiben, in dem sie an die zuständige „Questura“ weiterverwiesen werden (verbale di invito).
33 
2.1.1.2 Die förmliche Erfassung des Asylantrags (verbalizzazione) mittels „C3-Formular“ (verbale) erfolgt durch die örtlich zuständige „Questura“, die dem Asylsuchenden eine Bescheinigung über den Erstantrag sowie eine Aufenthaltserlaubnis (permesso di soggiorno) ausstellt (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Eine gesetzliche Frist, innerhalb derer die Verbalizzazione zu erfolgen hat, existiert nicht (CIR/ecre, National Country Report Italy). Außerdem soll der Asylbewerber dort mit einer Informationsbroschüre in einer nach Möglichkeit für den Asylbewerber verständlichen Sprache über den Gang des Asylverfahrens, seine Rechte und Pflichten und den Zugang zum Gesundheitssystem informiert werden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Ferner ist dem Asylsuchenden in jeder Phase des Asylverfahrens der Kontakt zum UNHCR und Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen (CIR/ecre, National Country Report Italy).
34 
2.1.1.3 Nach der Verbalizzazione wird der Fall an die jeweilige für die Region verantwortliche, dem Innenministerium unterstehende Kommission (Commissione territoriale per il riconoscimento dello status di rifugiato) übergeben, deren Mitglieder sich aus zwei Bediensteten des Innenministeriums, einem Vertreter einer lokalen Behörde (Kommune, Provinz oder Region) sowie einem UNHCR-Vertreter zusammensetzen (UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Bestandteil des Verfahrens ist eine nicht-öffentliche persönliche Anhörung des Asylbewerbers, die laut Gesetz innerhalb von 30 Tagen stattfinden soll und zu der ein Dolmetscher hinzugezogen wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). In bestimmten Fällen (etwa offensichtlich begründeter Asylanträge) findet ein beschleunigtes Verfahren statt (esame prioritario). Die abschließende Entscheidung soll binnen drei, im beschleunigten Verfahren binnen zwei Tagen nach der Anhörung ergehen.
35 
Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf sprachliche und kulturelle Übersetzungsdienste. Sie haben das Recht, sich auf eigene Kosten von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
36 
2.1.1.4 Gegen einen ablehnenden Bescheid können Asylbewerber innerhalb von 30 Tagen, Bewohner von CIE (Centro di Identificazione ed Espulsione) und CARA (centro die accoglienza per richiedenti asilo) grundsätzlich innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung durch das hierfür zuständige Polizeipräsidium (questura) vor einem ordentlichen Gericht (Tribunale Ordinario) Widerspruch einlegen. Der Widerspruch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung; entfällt im Ausnahmefall, etwa bei als unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen, die aufschiebende Wirkung, kann der Antragsteller bei Gericht das Aussetzen der Rechtswirkung der erstinstanzlichen ablehnenden Entscheidung beantragen (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens ist eine (nicht-öffentliche) Anhörung des Asylbewerbers (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Das Gesamtverfahren einschließlich Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid soll nicht länger als sechs Monate dauern (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
37 
2.1.1.5 Gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist der Instanzenweg (Berufung, Revision) eröffnet (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); insoweit findet keine automatische Aussetzung der Wirksamkeit der richterlichen Entscheidung statt, eine solche kann jedoch auf Antrag vom angerufenen Gericht gewährt werden (ASGI, Asylbewerber in Italien).
38 
2.1.1.6 Während des Gerichtsverfahrens besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe; diese ist vom Nachweis der Vermögensverhältnisse sowie der Prüfung der Erfolgsaussichten des Prozesses durch das zuständige Gericht abhängig (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
39 
2.1.1.7 Asylbewerber haben die Möglichkeit, nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens bei der Questura einen Folgeantrag zu stellen. Dieser wird nach der Verbalizzazione von derjenigen Commissione territoriale, die auch für den Erstantrag zuständig war, daraufhin überprüft, ob der Asylantragsteller neue Gesichtspunkte betreffend seine eigene Person oder die Umstände im Heimatland vorbringt. Ist dies nicht der Fall, wird der Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt; gegen die Ablehnungsentscheidung steht der Rechtsweg einschließlich der Möglichkeit des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes offen (CIR/ecre, National Country Report Italy). Andernfalls tritt die Commissione territoriale in eine erneute Prüfung ein. Hierfür enthält das italienische Recht keine besonderen Vorschriften, vielmehr gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen und Verfahrensgarantien wie für das Asylerstverfahren (CIR/ecre, National Country Report Italy; zur Möglichkeit, in Italien einen Folgeantrag zu stellen, vgl. auch VG Minden, Urteil vom 20.01.2014 - 10 K 1096/13.A -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 03.04.2014 - 7 L 165/14.A -, juris).
40 
2.1.2 Auch hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende enthält das italienische Recht umfangreiche Regelungen.
41 
2.1.2.1 Im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern ist geregelt, dass diese, falls sie nicht selbst ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familienangehörigen finanzieren können, einen entsprechenden Antrag stellen können, der von der Präfektur (prefettura) bearbeitet wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Die Präfektur weist den Asylbewerbern dann Plätze zu.
42 
Italien verfügt über unterschiedliche Unterbringungsmodalitäten für Asylbewerber (ausführlich dazu borderline-europe e.v., Gutachten an VG Darmstadt, 12/2012; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen (centro di accoglienza per richiedenti asilo) sind von Gesetzes wegen nur für den vorübergehenden (maximal 35 Tage) Aufenthalt von Asylbewerbern mit ungeklärter Identität in erster Linie zum Zwecke der Identitätsklärung vorgesehen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); ähnliche Funktionen erfüllen CIE (Centro die identificazione ed espulsione). Daneben gibt es CDAs (Centro di accoglienza per Richiedenti Asilo), die ebenfalls Erstaufnahmeeinrichtungen sind und dem kurzfristigen Aufenthalt u.a. auf dem Staatsterritorium aufgegriffenen Migranten dienen. CSPA (Centro di Soccorso e Prima Accoglienza) dienen nur der Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Für den längerfristigen (normalerweise bis zu 6-monatigen) Aufenthalt von Asylbewerbern vorgesehen sind die Unterkunftsplätze in SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), einem Netzwerk von durch Kommunen, Kirchen, kirchliche Einrichtungen sowie sonstige Hilfsorganisationen betriebenen Unterkünften, das seine Grundlage in einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Kommunen und den beteiligten nichtstaatlichen Organisationen hat.
43 
Ist in diesen Unterkünften kein Platz vorhanden, sieht das Gesetz vor, dass den Asylbewerbern bis zum Freiwerden eines Platzes finanzielle Unterstützung gewährt wird.
44 
Zugang zu den Einrichtungen besteht für Asylbewerber von Gesetzes wegen bereits ab dem Zeitpunkt des Asylgesuchs (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). In den Erstaufnahmeeinrichtungen (CARA, CDA, CSPA) werden den Asylbewerbern Essen, Unterkunft, Kleidung, erste Hilfe sowie grundlegende Informationen gewährt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); SPRARs sind besser ausgestattet und gewähren darüber hinaus etwa Dolmetscherdienste und Gesundheitsfürsorge (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Daneben wird den Asylbewerbern ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse gezahlt, das in CARA 2,50 Euro/Tag beträgt und in SPRAR in unterschiedlicher Höhe von etwa 2,00 Euro/Tag gewährt wird (CIR/ecre, National Country Report Italy). Unterstützungsleistungen können durch die Präfektur gestrichen werden, wenn sich der Asylberechtigte nicht in die zugewiesene Unterkunft begibt oder diese unerlaubt verlässt; hiergegen ist Rechtsschutz möglich (CIR/ecre, National Country Report Italy).
45 
Wird das Asylverfahren nicht binnen sechs Monaten abgeschlossen, erhalten Asylbewerber im Anschluss an ihren zunächst auf sechs Monate befristeten Aufenthaltstitel einen erneuten Aufenthaltstitel, der ihnen die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme gewährt und bis zum Ende des Asylverfahrens verlängert wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Unterbringung und Versorgungsleistungen werden ebenfalls entsprechend verlängert (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
46 
Legt der Asylbewerber Rechtsmittel gegen die Ablehnung seines Asylantrags ein, wird seine Aufenthaltserlaubnis verlängert (ASGI, Asylbewerber in Italien). Allerdings muss er die Aufnahmeeinrichtung verlassen, wenn er arbeitsfähig ist (borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
47 
Haben Dublin-Rückkehrer bereits während ihres ersten Asylverfahrens Platz in einer Aufnahmeeinrichtung gefunden, steht ihnen kein Recht zu, nach ihrer Rückführung nach Italien bis zum Abschluss des Asylerstverfahrens erneut dort untergebracht zu werden; dies schließt es nicht aus, dass sie bei freien Kapazitäten einen Platz etwa in einem SPRAR erhalten (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2102). Gleiches gilt für Folgeantragsteller (CIR/ecre, National Country Report Italy).
48 
2.1.2.2 Asylbewerber sind vom Zeitpunkt der Registrierung ihres Asylgesuchs zusammen mit ihren Familienmitgliedern über die gesetzliche Krankenversicherung versichert und sind italienischen Staatsbürgern gleichgestellt; sie haben Anspruch auf kostenlose Gesundheitsversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). Hierfür ist die Anmeldung mit Aufenthaltstitel, der Steuernummer sowie einer festen Adresse beim nationalen Gesundheitsdienst (Servizio Sanitario Nazionale) erforderlich, welcher einen zur ambulanten oder stationären Behandlung berechtigenden Gesundheitsausweis ausstellt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Diese kostenfreie medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft wohnen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
49 
2.1.2.3 Zur Durchsetzung einer Unterbringung und Mindestversorgung besteht möglicherweise (genau ist dies den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen) prinzipiell die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch (etwa mittels einstweiliger Anordnung) auf einen Unterbringungsplatz gibt es indes nicht (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013), und auch im Übrigen gibt es jedenfalls keine Informationen darüber, dass von Asylbewerbern Rechtsschutz zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Mindestversorgung in Anspruch genommen worden wäre (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
50 
2.1.2.4 Im Falle einer Abschiebung werden abgelehnte Asylbewerber zunächst aufgefordert, das Land zu verlassen; geschieht dies nicht, werden sie in eine Abschiebhaftanstalt verbracht. Vor der Abschiebung muss ein Richter auf Grundlage eines Gesprächs mit dem Häftling die Rechtmäßigkeit des Ausreisebescheids prüfen. Dem Häftling wird bei diesem Gespräch ein Rechtsanwalt und ein Dolmetscher zur Seite gestellt. Ferner besteht in der Abschiebehaft die Möglichkeit, rechtliche Informationen einzuholen und an Sprachkursen teilzunehmen. Psychologischer sowie ärztlicher Beistand werden gewährleistet (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
51 
2.1.3 Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die rechtlichen Regelungen, das Asylverfahren und die Aufnahme von Asylbewerbern betreffend, in Italien den an sie zu stellenden Anforderungen durchweg gerecht werden. Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit der aktuellen Erkenntnismittellage. Auch wenn hier die tatsächliche Situation mitunter sehr kritisch beurteilt wird, werden die bestehenden gesetzlichen Vorgaben nur vereinzelt und nur im Hinblick auf vergleichsweise wenig gewichtige Punkte - etwa recht kurze Rechtsmittelfristen (vgl. dazu etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien) - kritisiert. Es besteht daher keinerlei Anlass für die Annahme, bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen implizierten systemische Mängel, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass dort dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.
52 
2.2 Die rechtlichen Vorgaben werden in der Praxis jedoch nicht durchgängig eingehalten. Vielmehr verweisen etwa der UNHCR, die Schweizerische Flüchtlingshilfe, borderline-europe e.V., der European Council on Refugees and Exiles und das Consiglio italiano per i Rifugiati, in abgeschwächter Form auch das Auswärtige Amt auf verschiedene Mängel sowohl betreffend den Zugang Asylsuchender zum Asylverfahren und dessen Ablauf als auch betreffend die Aufnahmebedingungen, insbesondere die Unterbringung und (gesundheitliche) Versorgung der Asylbewerber in Italien.
53 
Rückblickend gesehen war das italienische Aufnahmesystem jedenfalls auf die erheblichen Flüchtlingsströme in den Jahren 2008 und 2011 nicht hinreichend vorbereitet; es gibt gravierende Hinweise darauf, dass in dieser Zeit wiederholt Asylbewerber ohne Prüfung ihres Asylbegehrens oder während noch laufender Rechtsmittelfristen und damit unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot in ihre Herkunftsländer abgeschoben wurden und ferner viele Asylbewerber in Italien keinen Zugang zu den völlig überlasteten Unterkünften hatten, der Obdachlosigkeit anheimfielen und keinerlei staatliche Unterstützung, etwa im Hinblick auf Nahrung und Kleidung oder Zugang zu medizinischer Versorgung, erlangen konnten (vgl. dazu etwa SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, 05/ 2011; Bethke/Bender, „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, 02/2011; Norwegian Organization für Asylum Seekers, The Italian approach to asylum: System and core problems“, 04/2011, sowie weitere, von der Kammer im Beschluss vom 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -, juris zitierte Quellen). Dem entspricht es, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, er habe während der Durchführung des Asylerstverfahrens zu keinem Zeitpunkt staatliche Unterstützung in irgend einer Form erhalten, ihm sei insbesondere nie ein Platz in einer Unterkunft zugewiesen worden, und er sei nur deshalb nicht obdach- und völlig mittellos gewesen, weil er auf eigene Initiative bei Landsleuten habe unterkommen und für diese zeitweise gegen Unterkunft und Mahlzeiten habe arbeiten und eine Adresse für die behördliche Erreichbarkeit habe angeben können.
54 
Die italienischen Behörden haben auf die teilweise chaotischen Zustände zwischenzeitlich jedoch, etwa durch Verbesserungen im Verfahren oder auch die massive Erweiterung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte (dazu im Einzelnen s.u.), reagiert. Auch die gegenwärtige Situation weist Mängel wie administrative Hürden, zeitliche Verzögerungen sowie Engpässe bei den Unterkünften auf, die allerdings als weniger schwerwiegend einzustufen sind und die Schwelle zum systemischen Mangel weder für sich genommen noch im Zusammenspiel überschreiten. Vielmehr ist in der Gesamtschau des vorliegenden Erkenntnismaterials davon auszugehen, dass das Asyl- und Aufnahmeverfahren im wesentlichen richtlinienkonform verläuft und grundsätzlich funktionsfähig ist und dabei insbesondere hinreichend sicherstellt, dass im Rahmen des Dublin-Verfahrens rücküberstellte Asylbewerber, die, wie der Kläger, nicht etwa aufgrund Alters, gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder sonstiger besonderer in ihrer Person liegender Umstände besonders schutzwürdig sind, bei normalem Verlauf der Dinge nicht mit schwerwiegenden Verstößen oder Rechtsbeeinträchtigungen im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen.
55 
Im Einzelnen:
56 
2.2.1 In jüngerer Zeit sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013) keine Fälle mehr bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden die Einreise nach Italien oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden oder Flüchtlinge und Asylsuchende ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, in ihren Herkunftsstaat oder ein Drittland zurückgeführt worden wären; auch sind dem Auswärtigen Amt keine Fälle neueren Datums bekannt, in denen Asylbewerber trotz laufender Asylverfahren abgeschoben worden wären. Jedenfalls gegenwärtig lässt sich daher nicht mehr feststellen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt würde (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo). Ebenso wenig lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln entnehmen, dass Asylbewerbern nach erfolglosem Abschluss ihres Asylerstverfahrens die Stellung eines Asylfolgeantrags verweigert worden wäre.
57 
2.2.2 Eine Feststellung, die in den vorliegenden Erkenntnismitteln fast durchgängig bemängelt wird, ist die oftmals lange Verfahrensdauer. Diese rechtfertigt jedoch gegenwärtig nicht (mehr) die Feststellung systemischer Mängel.
58 
2.2.2.1 Das Asylverfahren dauert in vielen Regionen regelmäßig etwa 6 bis 10 Monate, während die gesetzlichen Vorgaben vorsehen, dass die Anhörung des Asylbewerbers binnen 30 Tagen erfolgen, die behördliche Entscheidung binnen weiterer 3 Tagen ergehen soll (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Dieser Umstand hat indes auf die Asylbewerber regelmäßig keine gravierenden Auswirkungen, weil auch Unterbringung und Versorgungsleistungen sowie der Aufenthaltstitel entsprechend verlängert werden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
59 
2.2.2.2 Anders ist dies, wenn sich die Ausstellung der Verbalizzazione verzögert.
60 
2.2.2.2.1 Vom Asylgesuch bis zur Ausstellung der Verbalizzazione dauert es nach einhelliger Erkenntnislage (etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) nach wie vor oftmals mehrere Wochen, mitunter, insbesondere in größeren Städten wie Rom oder Mailand, auch mehrere Monate. Diese Verzögerung beruht mitunter auf fehlenden personellen Kapazitäten. Etwa in Mailand oder Rom liegt sie aber auch darin begründet, dass die dortigen Questure systematisch eine Wohnbestätigung oder den Nachweis einer Adresse als Voraussetzung für die Einreichung eines Asylgesuchs verlangen (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013), eine (gesetzlich nicht vorgesehene) Anforderung, die Asylbewerber mitunter nur dann erfüllen können, wenn ihnen Nichtregierungsorganisationen „virtuelle“ Adressen zur Verfügung stellen oder sie Leute dafür bezahlen, dass diese ihnen eine (fiktive) Wohnbestätigung ausstellen (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Diese Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione führt zu erheblichen Schwierigkeiten für die Asylbewerber. Denn in der Zwischenzeit haben sie Anspruch nur auf medizinische Notfallversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). In der Praxis haben sie ferner vor Ausstellung der Verbalizzazione keinen Zugang zu CARA- oder SPRAR-Unterkünften, auch wenn von Gesetzes wegen der Zugang zu Unterkunft ab dem Moment der Stellung des Asylgesuchs zu gewährleisten wäre (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013). In diesen Fällen sind alternative Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Asylsuchenden selten verfügbar, die Asylsuchenden sind vielmehr oftmals auf sich selbst gestellt und häufig obdachlos (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Allerdings wird dieses Problem von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Organisationen erkannt, die hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten, etwa durch die Vermittlung von provisorischen (Not-)Unterkünften, tätig werden (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013).
61 
Dass Asylbewerber diese Verzögerungen vor einem Gericht angefochten oder überhaupt vorläufigen Rechtsschutz beantragt hätten, ist weder dem Auswärtigen Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) noch dem UNHCR (Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013) bekannt. Die Praxis der Questura Mailand, eine Wohnbestätigung zu verlangen, wurde bereits von Hilfsorganisationen angefochten (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012), vom zuständigen Gericht jedoch gebilligt (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013).
62 
2.2.2.2.2 Von den Schwierigkeiten infolge der erheblichen Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione sind grundsätzlich auch Dublin-Rückkehrer betroffen. Diese treffen in der Regel auf dem Luftweg in Italien ein. Nach einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei erfolgt die Feststellung, welche Questura für die Person zuständig ist und wie der Stand des Verfahrens ist. Davon, ob der Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens Italien verlassen oder ob er in Italien nie ein Asylverfahren durchgeführt bzw., wie der Kläger, das Asylverfahren dort rechtskräftig abgeschlossen hat, hängt der weitere Ablauf ab:
63 
Dublin-Rückkehrer, die sich noch im Asylverfahren befinden, erhalten nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013) umgehend eine Unterkunft in einem entsprechenden Aufnahmezentrum zugewiesen, die ihnen von den auf dem Flughafen tätigen Nichtregierungsorganisationen vermittelt werde. Laut UNHCR hat diese Personengruppe in der Regel Zugang zu Transitunterbringungseinrichtungen (Auskunft an VG Freiburg, 12/2103). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe (Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013) erfolgt die Unterbringung in einem FER-Projekt, soweit freie Plätze bestehen. Sind für sie nicht die Präfekturen Rom bzw. Varese zuständig, gilt diese Unterkunftsmöglichkeit nur für wenige Tage, bis sie in die für sie zuständige Region weiterreisen, um sich dort bei der Questura zu melden und von dieser einen Berechtigungsschein für ein CARA zu erhalten. Laut borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) gibt es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten mit der Ausstellung dieses Scheins; auch stünden mitunter nicht genügend Plätze zur Verfügung. Plätze in einem SPRAR könnten außerdem nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Betreffende vor seiner Ausreise keinen Platz dort in Anspruch genommen habe.
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Für Dublin-Rückkehrer, die sich, wie der Kläger, noch nicht oder nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, etwa für diejenigen, die vor ihrer Asylantragstellung in einem anderen Land durch Italien gereist sind, ohne dort einen Asylantrag gestellt zu haben, erfolgt die Zuweisung der Unterkunft dagegen grundsätzlich, wie bei anderen Asylbewerbern auch, erst nach der Verbalizzazione, die auch für diese Gruppe mitunter erst nach Wochen oder Monaten erfolgt (so ausdrücklich UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); eine frühere Möglichkeit, in eine FER-Unterkunft oder ein CARA zugewiesen zu werden, hängt von freien Kapazitäten ab (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Borderline-europe (a.a.O.) berichtet davon, von den Dublin-Rückkehrern, die über Rom eingereist seien, hätten nur knapp 8% eine CARA- oder SPRAR-Unterkunft erhalten, weitere etwa 12% eine Kurzzeitunterkunft, um sich von dort aus zu den für sie zuständigen Questure zu begeben. Allerdings bemühen sich die am Flughafen zuständigen Hilfsorganisationen, dem Betreffenden zumindest eine Übergangs- oder Notunterkunft in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung zu besorgen; sollte dies nicht umgehend möglich sein, müssen Dublin-Rückkehrer unter Umständen einige Tage am Flughafen verbleiben und dort, zwar ohne besondere Schlafplätze, offenbar aber geduldet, übernachten (SFH, Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013; AA, Auskunft an OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2013). Nicht ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang indes, dass die Nichtregierungsorganisationen nicht rechtzeitig von der Ankunft von Dublin-Rückkehrern informiert werden und diese daher keine besondere Betreuung am Flughafen erfahren (SFH, a.a.O.).
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2.2.2.2.3 Der Umstand, dass der Zugang zu Unterkünften in der Praxis italienischer Behörden von der Ausstellung der Verbalizzazione abhängt und deren Ausstellung zeitlich jedenfalls in der Behördenpraxis (noch) nicht an das Asylgesuch geknüpft ist, ist sicherlich ein gravierender Mangel, der auch im System angelegt ist und grundsätzlich - wenn infolge der intensiveren Betreuung am Flughafen in möglicherweise geringerem Maße - auch Dublin-Rückkehrer wie den Kläger betrifft. Allerdings hat die italienische Regierung dieses Problem erkannt und sich dessen angenommen. So hat im Februar 2013 das italienische Innenministerium eine Weisung an die Questure herausgegeben, wonach die Verbalizzazione zeitlich mit der Asylgesuchsstellung zusammenfallen soll, und versucht, durch ein neues Onlinesystem (VESTANET) die Bearbeitung der Asylgesuche zu beschleunigen, die Bearbeitung von Einzelfällen im gesamten Verfahren zu verbessern, die Zeit zwischen dem erstmaligen Asylgesuch und der formalen Registrierung des Antrags zu überwachen und Verzögerungen umgehend entgegenzuwirken (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). Im Report von CIR/ecre (a.a.O.) heißt es, die italienischen Behörden hätten insoweit wichtige Anstrengungen unternommen, um den förmlichen Zugang zum Asylverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Auch der UNHCR (a.a.O.) spricht insoweit von „positiven Entwicklungen“. Seinen jüngsten Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (07/2013) lässt sich zwar entnehmen, dass es immer wieder zu wochen- oder auch monatelangen Verzögerungen bis zur Erstellung der Verbalizzazione kommt; wenn der UNHCR insoweit jedoch von „einigen Fällen“ oder auch Schwierigkeiten „in einigen regionalen Polizeidirektionen“ spricht, so handelt es sich gegenwärtig nicht mehr um größere Funktionsstörungen oder regelhafte Defizite, die das Asylverfahren in ihrer Gesamtheit prägen, sondern um - freilich in ihren Auswirkungen zulasten der Betroffenen keinesfalls zu unterschätzende - partielle Überlastungen oder verwaltungstechnische Missstände. Und auch insoweit ist davon auszugehen, dass sich die Situation, wenn die neuen Anweisungen und Verwaltungsvereinfachungen landesweit implementiert sind, weiter verbessern wird (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Insbesondere für Dublin-Rückkehrer und ihre im Vergleich zu anderweitig ins Land kommende Asylbewerber regelmäßig intensivere Betreuung durch Nichtregierungsorganisationen bereits am Flughafen lässt sich im Hinblick auf die Verzögerungen im Asylverfahren daher nicht (mehr) von einem systemischen Mangel sprechen.
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2.2.3 Weitere in vielen der vorliegenden Erkenntnismitteln beklagte Missstände sind die nach wie vor bestehende - und auch Dublin-Rückkehrer betreffende - Überlastung des Aufnahmesystems und die damit verbundenen Lebensbedingungen der Asylbewerber. Aber auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen ist auf Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel nicht (mehr) von strukturellen Mängeln auszugehen.
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2.2.3.1 Immer wieder in der Kritik steht die Zahl der Unterkünfte, die Asylsuchenden zur Verfügung gestellt werden.
68 
Die italienische Regierung hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Zahl verfügbarer Unterkünfte zu erhöhen. So gab es im Zusammenhang mit den sprunghaft angestiegenen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 ein Notstandskonzept „Nordafrika“, in dessen Rahmen Aufnahmestrukturen durch den Zivilschutz in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (SFH, Aufnahmebedingungen; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013 spricht sogar von 50.000 Plätzen). Daneben wurde insbesondere die Zahl der regulär verfügbaren Plätze in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Noch im Juli 2012 war das Auswärtige Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; vgl. auch Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2012) von (nur) je 3.000 Plätzen in CARA und SPRAR ausgegangen, während es im August 2013 bereits von insgesamt über 16.000 Plätzen in CARA, CIE, CDA und SPRAR ausging (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Die Entwicklung der verfügbaren Unterkünfte spiegelt sich auch in den von CIR/ecre erhobenen Zahlen wider: Während im Länderreport Stand Mai 2013 von insgesamt 4.007 Plätzen in CDA und CARA die Rede war, waren es ein halbes Jahr später bereits 6.866 Plätze; statt 151 SPRAR standen ausweislich CIR/ecre nun bereits 175 Einrichtungen zur Verfügung. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die SPRAR-Kapazität bis 2016 zudem auf 16.000 Plätze erhöht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen; CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch durch die Praxis, insbesondere die CARA entgegen ihrer Zweckbestimmung auch für den längerfristigen Aufenthalt zu nutzen, konnte der Überlastungssituation Rechnung getragen werden, und auch wenn das Notstandsprogramm „Nordafrika“ zwischenzeitlich ausgelaufen ist und (Stand September 2013) nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable Cases“ und Asylbewerber, die Widerspruch eingelegt haben, vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) dort lebten, zeigt es doch, dass Italien in der Lage ist, Unterbringungsplätze in erheblichem Umfang zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn dies durch den Zustrom von Flüchtlingen erneut erforderlich werden sollte. Um bestehende Lücken und Fehlentwicklungen aufzudecken, wurde ferner Ende 2012 im Rahmen des Präsidium-Projekts testweise ein Überwachungssystem in staatlichen Einrichtungen eingeführt (UNHCR, Empfehlungen 2013). Laut Auswärtigem Amt bestanden im öffentlichen System im August 2013 rund 8.000 Plätze in CARA-Aufnahmelagern, die in der Praxis dem längerfristigen Aufenthalt von Asylbewerbern dienen, nahezu 3.000 Plätze in CIE und CDA und über 5.000 Plätze in SPRAR (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Laut CIR/ecre, Stand November 2013, bestanden zu diesem Zeitpunkt in CARA, CIE und CPSA insgesamt deutlich weniger, nämlich nur gut 7.500 Plätze, dafür in SPRAR 3.000 reguläre sowie 9.500 zusätzliche Plätze.
69 
Finden Asylsuchende keinen Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung - sei es, weil die Kapazitäten erschöpft sind, sei es, dass sie etwa als Dublin-Rückkehrer, die bereits vor ihrer Ausreise aus Italien einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung beansprucht hatten, keinen erneuten Zugang zu öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen haben -, bekommen sie in der Praxis keine staatliche (finanzielle) Unterstützung, um sich selbst um eine Unterkunft kümmern zu können; die gesetzliche Regelung, wonach der Asylbewerber im Falle fehlender Unterbringungsmöglichkeiten eine finanzielle Unterstützung erhält, um sich selbst eine Unterkunft zu suchen, ist in der Praxis nicht umgesetzt worden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Für diesen Personenkreis gibt es kommunale, kirchliche und karitative Einrichtungen etwa der CARITAS, die die Asylantragsteller versorgen, ihnen Unterkunftsplätze besorgen und ihnen medizinischen, rechtlichen und psychologischen Beistand zur Verfügung stellen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Diese nicht-staatlichen Unterkünfte werden teilweise von der öffentlichen Hand finanziert und sind im Auftrag des Staates tätig. Sie sind bei der Frage, ob die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK aufgrund fehlender Unterbringungsmöglichkeiten besteht, mit einzubeziehen. Denn aus Sicht des Unionsrechts ist lediglich entscheidend, dass tatsächlich eine hinreichende Zahl an Unterkünften besteht; dies aber ist auch dann der Fall, wenn der Staat mit nichtstaatlichen Trägern zusammenarbeitet, die zuverlässig einen Teil der erforderlichen Plätze zur Verfügung stellen.
70 
Darüber, ob das verfügbare - im Übrigen je nach Auskunft deutlich differierende - Zahlenmaterial den tatsächlichen Bestand an Unterkünften widerspiegelt und wenn ja, ob die vorhandenen Unterkünfte ausreichend sind, um den Bedarf zu decken, gehen die Ansichten in den aktuellen Erkenntnismitteln auseinander. Das Auswärtige Amt stellt fest, dass - Stand August 2013 - alle Asylbewerber / Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden könnten. Lokalen oder regionalen Überbelegungen stünden freie Kapazitäten in anderen Regionen, etwa in Norditalien, gegenüber, und landesweit seien genügend Plätze vorhanden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013; mit dem gleichen Tenor auch bereits AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Auch nach Auffassung des UNHCR ist Italien in der Lage, den Aufnahmebedarf jedenfalls einer erheblichen Zahl an Asylsuchenden zu decken (Empfehlungen 2013; ähnlich auch bereits im Gutachten an VG Braunschweig vom 24.04.2012). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeichnet ein etwas düstereres Bild und berichtet - Stand Oktober 2013 - davon, zurzeit seien die Kapazitäten der Erstaufnahmezentren CARA ausgeschöpft und neu ankommende Flüchtlinge könnten dort nicht untergebracht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Auch anderen Auskünften lässt sich entnehmen, dass die verfügbaren Plätze immer noch nicht ausreichten und die bestehenden Einrichtungen daher oft deutlich überbelegt seien (CIR/ecre, National Country Report Italy), bzw. dass nicht alle Asylbewerber einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung finden (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) oder mitunter aufgrund fehlender Kapazitäten erst nach Wochen oder Monaten Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen bekommen können (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Viele Auskünfte berichten davon, dass Asylbewerber unter schlechten Bedingungen in überfüllten Privatunterkünften, die teilweise in besetzten Häusern eingerichtet worden seien, unterkommen müssten (CIR/ecre, National Country Report Italy) oder obdachlos seien (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
71 
Tatsächlich dürfte eine genaue Ermittlung, ob die vorhandenen Plätze rechnerisch gesehen landesweit ausreichend sind, um den Bedarf an Wohnraum zu decken, nur sehr schwer seriös möglich sein. Insoweit ist nicht nur von Bedeutung, dass die vorhandenen Einrichtungen mitunter deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als die Anzahl, für die sie ausgelegt sind; so sollen etwa im November 2013 9.771 Asylsuchende in CDA/CARA untergebracht gewesen sein, die nur 6.866 reguläre Plätze boten (CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch bedürfte es für die Frage, ob die Anzahl an Plätzen ausreichend ist, belastbarem statistischem Material nicht nur zu der Frage, wie lang die durchschnittliche Belegungszeit eines Platzes in einer Unterkunft ist, sondern auch dazu, wie viele Asylbewerber aus eigenem Antrieb keinen Platz in Anspruch nehmen, sondern entweder untertauchen oder in ein anderes europäisches Land weiterreisen. Belastbare Zahlen gibt es jedoch insoweit nicht (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Ferner fehlt es auch an methodisch korrekten statistischen Erhebungen zu der Frage, welcher Prozentsatz an Asylsuchenden tatsächlich Interesse an der Zuweisung einer öffentlichen Unterkunft hätte. Vor diesem Hintergrund haben insbesondere die Prozentzahlen der in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Dublin-Rückgeführten, die borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; hierzu ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris) nennt, eine nur sehr begrenzte Aussagekraft. Denn diesen Zahlen lässt sich weder entnehmen, wie viele der Rückgeführten bereits über einen Aufenthaltstitel etwa aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien verfügen (und daher keinen Anspruch mehr auf Aufnahme in eine der Unterkünfte haben), noch, wie viele von ihnen überhaupt Interesse an einem Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung gehabt hätten. Insoweit wäre im Hinblick auf fehlendes Interesse an einer öffentlichen Unterkunft nicht nur an Rückkehrer zu denken, die auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens von vornherein verzichten, sondern auch an solche, die bei ihrem letzten Aufenthalt in Italien bereits ein soziales Netzwerk aufgebaut haben, das sie von öffentlichen Unterkünften unabhängig macht, oder solche, die ein Leben in Rom oder Mailand, wo die Wohnraumkapazitäten bekanntermaßen erschöpft sind, auch um den Preis schlechterer Unterbringungsverhältnisse bewusst einem Aufenthalt in einem anderen Landesteil, in dem ihnen eine Unterkunft zugewiesen werden könnte, vorziehen.
72 
Aber auch wenn unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel davon auszugehen ist, dass insbesondere in Großstädten wie Rom oder Mailand die vorhandenen Aufnahmekapazitäten in staatlichen wie privat betriebenen Einrichtungen erschöpft und die Unterkünfte überfüllt sind und es daher Asylsuchende gibt, die keinen Platz in einer Unterkunft finden und daher ohne Obdach sind oder unter völlig unzureichenden Wohn- und Lebensverhältnissen leben, lässt sich doch den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass dieses Schicksal für Asylbewerber gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachte; vielmehr handelt es sich hierbei um drastische Einzelschicksale, die keiner Verallgemeinerung zugänglich sind (darauf hinweisend auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris, sowie nunmehr VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris). Auf Grundlage der genannten Zahlen von mutmaßlich deutlich mehr als 16.000 Plätzen allein in den öffentlichen Unterkünften ist jedenfalls gegenwärtig nicht (mehr) davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Unterbringungssituation dauerhafte erhebliche Missstände vorlägen, aufgrund dessen Asylbewerber quasi typischerweise und in signifikanter Zahl der Obdachlosigkeit überlassen würden (so i.Erg. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/10 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo, geht davon aus, alle Asylbewerber fänden Platz in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen).
73 
2.2.3.2 Es lässt sich nach den vorliegenden Auskünften auch nicht davon ausgehen, dass systematische Mängel im Hinblick auf die Schwierigkeiten derjenigen Asylsuchenden, die keinen Platz in einer staatlichen Unterkunft gefunden haben, bestünden bei der Zustellung offizieller Schreiben, etwa ablehnender Asylbescheide. Denn auch wenn für Flüchtlinge außerhalb staatlicher Unterkünfte, insbesondere für Obdachlose, der Zugang offizieller Schreiben typischerweise größeren Schwierigkeiten begegnet als für Flüchtlinge in staatlichen Unterkünften, haben sich auch insoweit Strukturen gebildet, die die Situation der Betroffenen erleichtern. Inzwischen bieten Hilfsorganisationen wie die CARITAS Sammeladressen für Personen ohne festen Wohnsitz an, die gegenüber öffentlichen Stellen verwendet werden und an die Poststücke zugestellt werden können (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Derartige Möglichkeiten „virtueller Wohnsitznahme“ gibt es zwar nur in wenigen Städten Italiens, insbesondere in Rom; da es hier aber auch die größten Engpässe in der Wohnraumversorgung gibt, dürfte Dank des den Behörden bekannten und von ihnen akzeptierten Konzepts der virtuellen Wohnsitznahme jedenfalls im Regelfall die Zustellung von Schreiben an den Empfänger gewährleistet sein.
74 
2.2.3.3 Die vorliegenden Erkenntnismittel lassen auch nicht den Rückschluss darauf zu, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und kultureller Prägung häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte, zumal in einer Situation, die oftmals von überstandenen Leiden und ungewisser Zukunft geprägt ist. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegenwirken können. Auch ist der Kammer bewusst, dass die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein dürften. Andererseits gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte, dass die Zustände in den Unterkünften nicht nur in Einzelfällen, sondern regelhaft unzumutbar und unhaltbar sind, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Die Verhältnisse im Einzelnen unterscheiden sich und hängen von den jeweiligen Trägern der Unterkünfte ab (CIR/ecre, National Country Report Italy). Laut Auswärtigem Amt stellen sich die hygienischen Verhältnisse aber nicht regelmäßig oder überwiegend in der Weise dar, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Es seien durchgehend kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden, die auch einer ausreichenden Zahl an Toiletten- und Waschräumen sowie zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt. Es gebe zwar mitunter gewaltsame Überfälle, hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle. Darüber hinaus würden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien seien in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert worden (vgl. dazu auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo).
75 
2.2.3.4 Ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln, wie gesehen, davon auszugehen, dass jedenfalls die meisten Flüchtlinge Platz in einer staatlichen Unterkunft erhalten, so ist dort ihr Lebensunterhalt - wenn auch auf niedrigem Niveau - gesichert. Es lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass den Flüchtlingen dort entgegen der Gesetzeslage keine Kleidung, Nahrung oder Hygieneartikel zur Verfügung gestellt würden.
76 
Nach Auskunft des Auswärtigen Amts (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) werden auch diejenigen Flüchtlinge, die außerhalb staatlicher Einrichtungen, etwa in karitativen oder kirchlichen Unterkünften, leben, teilweise unter Einbeziehung privater Dienstleister, mit Nahrung und Kleidung versorgt. Dagegen berichtet etwa borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), Asylsuchende, die in keinem Zentrum untergebracht seien, erhielten weder Sach- noch Geldleistungen zur Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse wie Nahrung oder Kleidung. Geklärt sein dürfte jedoch, dass für diese Gruppe der Flüchtlinge Hilfsorganisationen die notwendige grundlegende Versorgung der bei ihnen lebenden Flüchtlinge übernehmen. Auch für diesen Personenkreis dürfte daher nicht festzustellen sein, dass dieser regelhaft in einem menschenrechtlichen Mindeststandards widersprechenden Zustand leben müsse. Dies schließt es nicht aus, dass einzelne Asylbewerber in prekären Verhältnissen extremer Armut und Obdachlosigkeit leben; dieser Umstand ist aber für die Annahme, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sein (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, juris), nicht ausreichend.
77 
2.2.3.5 Schließlich ist nach aktueller Auskunftslage auch nicht davon auszugehen sein, dass Flüchtlinge regelhaft von medizinischen Leistungen ausgeschlossen sind.
78 
Zwar mag es im Einzelfall auch bei Bewohnern öffentlicher Unterkünfte - sei es durch fehlende Informationen, sei es durch fehlerhaft arbeitende oder überlastete Verwaltungen - zu Schwierigkeiten kommen, in den Besitz einer Gesundheitskarte zu gelangen. Dies ist aber offenbar der Ausnahmefall.
79 
Für Asylbewerber, auch Dublin-Rückkehrer, die keinen festen Wohnsitz vorweisen können, hat dieser Umstand allerdings Konsequenzen. Der Erhalt der Gesundheitskarte ist an das Erfordernis eines festen Wohnsitzes geknüpft. Während das Auswärtige Amt davon ausgeht, es genüge insoweit die Angabe des Asylbewerbers, berichtet borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), die Anmeldung eines Wohnsitzes werde durch die Behörde überprüft. Die Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione (Asylbewerber in Italien, Bericht vom 20.11.2012) berichtet darüber hinaus davon, viele Flüchtlinge würden aufgrund von bürokratischen und restriktiven Interpretationen seitens der Gemeinden nicht im Einwohnermelderegister eingetragen. Selbst wenn dies so wäre, führte dieser Umstand jedoch nicht dazu, dass diese Flüchtlinge vom Erhalt der Gesundheitskarte ausgeschlossen würden. Denn vor allem in Rom - wo die Wohnungsnot, wie gesehen, und daher auch der Anteil der nicht in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Flüchtlinge vermutlich am größten ist - besteht, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit einer von den Behörden anerkannten, durch Hilfsorganisationen wie die CARITAS zur Verfügung gestellten „virtuellen Wohnsitznahme“ (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. dazu auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Davon abgesehen ist jedenfalls die medizinische Notfallversorgung in Italien auch ohne Gesundheitskarte gewährleistet.
80 
2.2.3.6 Vor diesem Hintergrund lässt sich trotz nach wie vor bestehender Defizite in den Aufnahmebedingungen und auch unter Berücksichtigung der gravierenden Folgen, die das Fehlen einer zumutbaren Unterkunft für den hiervon Betroffenen im Einzelfall hat, nicht feststellen, dass die bestehenden Engpässe und Mängel die Funktionsfähigkeit des Aufnahmesystems insgesamt in Frage stellen und so gravierend sind, dass sie das Asylverfahren regelhaft seiner Funktion berauben.
81 
2.3 Im Ergebnis lässt sich daher auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnismittel feststellen, dass Asylsuchende, die nach den Regelungen der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden sollen, derzeit jedenfalls dann, wenn in ihrer Person keine besonderen (etwa gesundheitlichen) Gründe gegeben sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen. Dies scheint der Auffassung des UNHCR zu entsprechen, der sich - anders als seinerzeit im Falle Griechenlands - trotz deutlicher Worte in Bezug auf bestehende Defizite und Mängel im italienischen Asyl- und Aufnahmesystem nicht veranlasst gesehen hat, sich gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien auszusprechen.
82 
Vorliegend aber sind keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien entgegen der allgemeinen Lageeinschätzung eine mit Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK nicht vereinbare Behandlung drohte. Der Kläger hat nach seiner Ankunft in Italien die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens hat er, da er nach eigenen Angaben während des Asylerstverfahrens nie einen Platz in einer Unterkunft zugewiesen bekommen hat, die Möglichkeit, in einer öffentlichen Einrichtung unterzukommen, wo neben der Unterkunft auch Essen, Bekleidung und sonstige persönliche Bedürfnisse sichergestellt sind. Sollte sich der Kläger dagegen dafür entscheiden, nach seiner Rückkehr keinen erneuten Asylantrag zu stellen, bestünden zu seinen Gunsten - nachdem das Asylerstverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist - keine Verfahrensgarantien nach der Genfer Flüchtlingskonvention, und auch die Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG) fände auf ihn gemäß Art. 3 Abs. 1 keine Anwendung (mehr). Er wäre vielmehr, wenn sein Aufenthalt nicht behördlicherseits legalisiert wird, verpflichtet, Italien zu verlassen, und hätte keinen Anspruch auf Unterstützung mehr (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Kommt er seiner Ausreisepflicht nicht nach, kann er kein Mehr an Unterstützung verlangen, als dies italienischen Staatsangehörigen zuteil wird. Ein staatliches Sozialhilfesystem aber existiert in Italien nur sehr eingeschränkt; vielmehr sind auch italienische Staatsangehörige grundsätzlich verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen, was naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden, für einen gesunden, arbeitsfähigen Mann wie den Kläger aber, wie er bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Italien bewiesen hat, nicht unmöglich ist. Der Umstand, dass es in Italien anders als in Deutschland kein System staatlicher Unterstützung auch für ausreisepflichtige, jedoch tatsächlich noch nicht abgeschobene Ausländer gibt, reicht, nachdem, wie bereits gesehen, aus Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh nicht die Verpflichtung erwächst, jemandem finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihm einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen, nicht für die Annahme aus, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh ausgesetzt sein.
III.
83 
Die Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides ist hiernach ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien keine Einwände gegen seine Zuständigkeit erhoben hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Das Gericht sieht von einem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach Ermessen ab.

Gründe

 
A.
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.08.2011 hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig unter Berufung auf die fehlende Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre trotz fehlender Sachprüfung durch das Bundesamt nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Folglich ist im Falle des § 27a AsylVfG - wie auch in Konstellationen einer Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 - 10 C 1/13 -, juris; Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris) - nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten (so auch VG Stuttgart, Urteil vom 20.09.2012 - A 11 K 2519/12 -, juris; Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K 383/14 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2010 - A 4 K 4072/08 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -, juris, sowie jüngst VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; a.A. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris).
B.
15 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Bundesamt ist im angefochtenen Bescheid vom 25.08.2011 zu Recht davon ausgegangen, dass nicht die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des am 12.04.2011 gestellten Asylantrages des Klägers zuständig ist, sondern die Republik Italien, und hat daher auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet.
I.
16 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin-III-Verordnung 604/2013/EU ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin-II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin-II-VO -) anwendbar. Nach den hiernach anwendbaren Regelungen der Dublin-II-VO ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers auch dann zuständig, wenn das von ihm nach eigenen Angaben im Jahr 2011 in Lecce eingeleitete Asylverfahren, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, rechtskräftig abgeschlossen worden ist; insoweit ergibt sich eine Zuständigkeit der italienischen Behörden für die Prüfung des klägerischen Asyl(-folge-)antrags aus Art. 16 Abs. 1 e) Dublin-II-VO, nachdem diese innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO keine Antwort erteilt haben.
17 
Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Das knüpft an Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO an, welcher (u.a.) bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist ist hier noch nicht abgelaufen, wobei es maßgeblich auf die zweite Alternative der Regelung ("oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf") ankommt. Denn solange die Vollziehung der Überstellung - wie es vorliegend ausnahmsweise der Fall ist - weiter ausgesetzt ist, ist insoweit entscheidend auf die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzustellen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris).
II.
18 
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ausübt.
19 
1. Ein Hauptzweck der Verordnung VO (EG) Nr. 343/2003 besteht, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Allerdings kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO gemäß Absatz 2 der Vorschrift jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
20 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. -, juris sowie Slg. 2011, I-13905) kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen (vgl. zum Folgenden auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris). Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) aus.
21 
1.1 Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten. Im Rahmen seiner Ermessensausübung kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen; es gilt insoweit das sog. Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung (dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris). Daraus folgt die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.). Ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, kann infolgedessen entsprechend dem Konzept normativer Vergewisserung den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -, juris).
22 
1.2 Die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, ist jedoch nicht unwiderleglich. Nicht ausgeschlossen werden kann nämlich, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.).
23 
Eine Widerlegung der Vermutung wurde vom EuGH mit Blick auf die gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems indes an hohe Hürden geknüpft. Nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin-II-VO und nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts - wie etwa von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK - durch den zuständigen Mitgliedstaat vermag die Überstellung eines Asylbewerbers an den laut Dublin-II-VO eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln und das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage zu stellen. Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.; Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12 -, juris; Urteil vom 14.11.2013 - C 4/11 -, juris). Diese Rechtsprechung ist auch in die Neufassung von Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (v. 26.06.2013 - Dublin-III-VO) eingeflossen.
24 
Die sich aus dieser EuGH-Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an das deutsche verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris) dahingehend zusammengefasst, dass sich der Tatrichter im Rahmen der Amtsermittlung zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. (Nur) dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
25 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 -, NVwZ 2011, 413) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da Asylbewerber dort systematisch ohne Angabe von Gründen in Haftzentren untergebracht würden. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden. Art. 3 EMRK allein verpflichte die Vertragsstaaten zwar nicht, Flüchtlinge in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen, sie finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Etwas anderes gilt aber ausweislich des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie -), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen (so nun auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
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Aus dem Gesagten ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt im Hinblick auf die Asylverfahren nur dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin-II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, schon der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, dass das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass der Betroffene während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
27 
2. Trotz der in Teilen weiterhin defizitären Umsetzung der in Italien bestehenden asylrelevanten Regelungen durch die italienischen Behörden und der nach wie vor bestehenden Mängel in Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Italien sind zur Überzeugung der Kammer auf der Grundlage einer ausführlichen Auswertung der vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. zum Folgenden AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Consiglio Italiano per i Rifugiati / European Council on Refugees and Exiles, Asylum Information Database, National Country Report Italy, Mai 2013, Update November 2013, verfügbar unter http://www.asylumineurope.org/files/report-download/italy_aida_report_first_update_final_dec13.pdf - CIR/ecre, National Country Report Italy -; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, 07/2013 - UNHCR, Empfehlungen 2013 -; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione, Die derzeitige Situation von Asylbewerbern in Italien, 20.11.2012 - ASGI, Asylbewerber in Italien -) zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die strengen Voraussetzungen, die nach dem oben Gesagten für die Annahme einer Eintrittspflicht der Beklagten erfüllt sein müssten, nicht gegeben. Es steht nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen in Italien derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an Italien im Rahmen der Dublin-II-Verordnung überstellten Asylbewerber zu erwarten steht (in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo; Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 -, juris; Beschluss vom 18.03.2014 - 13 LA 75/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
28 
Denn Italien verfügt über ein ausdifferenziertes Asylverfahrensrecht und konkrete Regelungen betreffend die Aufnahme von Flüchtlingen (2.1). Auch wenn die diesbezüglichen Regelungen in der Praxis mitunter defizitär angewendet werden, sind die hierbei zutage tretenden Mängel jedenfalls gegenwärtig nicht von einer Tragweite, die das Vorliegen systemischer Mängel implizierte (2.2).
29 
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Anforderungen an das Vorliegen systemischer Mängel in den Fällen, in denen der Betroffene - wie hier der Kläger - in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Staat bereits ein Asylverfahren durchlaufen hat, sogar noch strengere Anforderungen zu stellen sind (in diese Richtung VG Potsdam, Beschluss vom 14.11.2013 - 6 L 767/13.A -, juris).
30 
2.1. Das italienische Rechtssystem sieht ein ausdifferenziertes Asylverfahren vor. Die italienische Verfassung kennt ein Grundrecht auf Asyl (Art. 10 Abs. 3); daneben bestehen verschiedene Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetze. Die gesetzlichen Regelungen gelten auch für - hier relevante und daher zuvörderst in die Betrachtungen einzubeziehende - Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung; Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
31 
2.1.1 Das Asylverfahren läuft in mehreren Schritten ab:
32 
2.1.1.1 Asylgesuche werden beim Polizeipräsidium (questura) oder bei dem Grenzschutz (polizia di frontiera) entgegengenommen; eine inhaltliche Überprüfung des Gesuchs, das an keine Form gebunden ist, findet nicht statt (ASGI, Asylbewerber in Italien). Im Zusammenhang mit der Stellung des Schutzersuchens findet eine erkennungsdienstliche Behandlung (fotosegnalamento) statt (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Antragsteller, deren Anträge vom Grenzschutz aufgenommen worden sind, erhalten ein Schreiben, in dem sie an die zuständige „Questura“ weiterverwiesen werden (verbale di invito).
33 
2.1.1.2 Die förmliche Erfassung des Asylantrags (verbalizzazione) mittels „C3-Formular“ (verbale) erfolgt durch die örtlich zuständige „Questura“, die dem Asylsuchenden eine Bescheinigung über den Erstantrag sowie eine Aufenthaltserlaubnis (permesso di soggiorno) ausstellt (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Eine gesetzliche Frist, innerhalb derer die Verbalizzazione zu erfolgen hat, existiert nicht (CIR/ecre, National Country Report Italy). Außerdem soll der Asylbewerber dort mit einer Informationsbroschüre in einer nach Möglichkeit für den Asylbewerber verständlichen Sprache über den Gang des Asylverfahrens, seine Rechte und Pflichten und den Zugang zum Gesundheitssystem informiert werden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Ferner ist dem Asylsuchenden in jeder Phase des Asylverfahrens der Kontakt zum UNHCR und Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen (CIR/ecre, National Country Report Italy).
34 
2.1.1.3 Nach der Verbalizzazione wird der Fall an die jeweilige für die Region verantwortliche, dem Innenministerium unterstehende Kommission (Commissione territoriale per il riconoscimento dello status di rifugiato) übergeben, deren Mitglieder sich aus zwei Bediensteten des Innenministeriums, einem Vertreter einer lokalen Behörde (Kommune, Provinz oder Region) sowie einem UNHCR-Vertreter zusammensetzen (UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Bestandteil des Verfahrens ist eine nicht-öffentliche persönliche Anhörung des Asylbewerbers, die laut Gesetz innerhalb von 30 Tagen stattfinden soll und zu der ein Dolmetscher hinzugezogen wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). In bestimmten Fällen (etwa offensichtlich begründeter Asylanträge) findet ein beschleunigtes Verfahren statt (esame prioritario). Die abschließende Entscheidung soll binnen drei, im beschleunigten Verfahren binnen zwei Tagen nach der Anhörung ergehen.
35 
Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf sprachliche und kulturelle Übersetzungsdienste. Sie haben das Recht, sich auf eigene Kosten von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
36 
2.1.1.4 Gegen einen ablehnenden Bescheid können Asylbewerber innerhalb von 30 Tagen, Bewohner von CIE (Centro di Identificazione ed Espulsione) und CARA (centro die accoglienza per richiedenti asilo) grundsätzlich innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung durch das hierfür zuständige Polizeipräsidium (questura) vor einem ordentlichen Gericht (Tribunale Ordinario) Widerspruch einlegen. Der Widerspruch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung; entfällt im Ausnahmefall, etwa bei als unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen, die aufschiebende Wirkung, kann der Antragsteller bei Gericht das Aussetzen der Rechtswirkung der erstinstanzlichen ablehnenden Entscheidung beantragen (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens ist eine (nicht-öffentliche) Anhörung des Asylbewerbers (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Das Gesamtverfahren einschließlich Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid soll nicht länger als sechs Monate dauern (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
37 
2.1.1.5 Gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist der Instanzenweg (Berufung, Revision) eröffnet (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); insoweit findet keine automatische Aussetzung der Wirksamkeit der richterlichen Entscheidung statt, eine solche kann jedoch auf Antrag vom angerufenen Gericht gewährt werden (ASGI, Asylbewerber in Italien).
38 
2.1.1.6 Während des Gerichtsverfahrens besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe; diese ist vom Nachweis der Vermögensverhältnisse sowie der Prüfung der Erfolgsaussichten des Prozesses durch das zuständige Gericht abhängig (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
39 
2.1.1.7 Asylbewerber haben die Möglichkeit, nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens bei der Questura einen Folgeantrag zu stellen. Dieser wird nach der Verbalizzazione von derjenigen Commissione territoriale, die auch für den Erstantrag zuständig war, daraufhin überprüft, ob der Asylantragsteller neue Gesichtspunkte betreffend seine eigene Person oder die Umstände im Heimatland vorbringt. Ist dies nicht der Fall, wird der Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt; gegen die Ablehnungsentscheidung steht der Rechtsweg einschließlich der Möglichkeit des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes offen (CIR/ecre, National Country Report Italy). Andernfalls tritt die Commissione territoriale in eine erneute Prüfung ein. Hierfür enthält das italienische Recht keine besonderen Vorschriften, vielmehr gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen und Verfahrensgarantien wie für das Asylerstverfahren (CIR/ecre, National Country Report Italy; zur Möglichkeit, in Italien einen Folgeantrag zu stellen, vgl. auch VG Minden, Urteil vom 20.01.2014 - 10 K 1096/13.A -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 03.04.2014 - 7 L 165/14.A -, juris).
40 
2.1.2 Auch hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende enthält das italienische Recht umfangreiche Regelungen.
41 
2.1.2.1 Im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern ist geregelt, dass diese, falls sie nicht selbst ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familienangehörigen finanzieren können, einen entsprechenden Antrag stellen können, der von der Präfektur (prefettura) bearbeitet wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Die Präfektur weist den Asylbewerbern dann Plätze zu.
42 
Italien verfügt über unterschiedliche Unterbringungsmodalitäten für Asylbewerber (ausführlich dazu borderline-europe e.v., Gutachten an VG Darmstadt, 12/2012; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen (centro di accoglienza per richiedenti asilo) sind von Gesetzes wegen nur für den vorübergehenden (maximal 35 Tage) Aufenthalt von Asylbewerbern mit ungeklärter Identität in erster Linie zum Zwecke der Identitätsklärung vorgesehen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); ähnliche Funktionen erfüllen CIE (Centro die identificazione ed espulsione). Daneben gibt es CDAs (Centro di accoglienza per Richiedenti Asilo), die ebenfalls Erstaufnahmeeinrichtungen sind und dem kurzfristigen Aufenthalt u.a. auf dem Staatsterritorium aufgegriffenen Migranten dienen. CSPA (Centro di Soccorso e Prima Accoglienza) dienen nur der Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Für den längerfristigen (normalerweise bis zu 6-monatigen) Aufenthalt von Asylbewerbern vorgesehen sind die Unterkunftsplätze in SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), einem Netzwerk von durch Kommunen, Kirchen, kirchliche Einrichtungen sowie sonstige Hilfsorganisationen betriebenen Unterkünften, das seine Grundlage in einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Kommunen und den beteiligten nichtstaatlichen Organisationen hat.
43 
Ist in diesen Unterkünften kein Platz vorhanden, sieht das Gesetz vor, dass den Asylbewerbern bis zum Freiwerden eines Platzes finanzielle Unterstützung gewährt wird.
44 
Zugang zu den Einrichtungen besteht für Asylbewerber von Gesetzes wegen bereits ab dem Zeitpunkt des Asylgesuchs (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). In den Erstaufnahmeeinrichtungen (CARA, CDA, CSPA) werden den Asylbewerbern Essen, Unterkunft, Kleidung, erste Hilfe sowie grundlegende Informationen gewährt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); SPRARs sind besser ausgestattet und gewähren darüber hinaus etwa Dolmetscherdienste und Gesundheitsfürsorge (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Daneben wird den Asylbewerbern ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse gezahlt, das in CARA 2,50 Euro/Tag beträgt und in SPRAR in unterschiedlicher Höhe von etwa 2,00 Euro/Tag gewährt wird (CIR/ecre, National Country Report Italy). Unterstützungsleistungen können durch die Präfektur gestrichen werden, wenn sich der Asylberechtigte nicht in die zugewiesene Unterkunft begibt oder diese unerlaubt verlässt; hiergegen ist Rechtsschutz möglich (CIR/ecre, National Country Report Italy).
45 
Wird das Asylverfahren nicht binnen sechs Monaten abgeschlossen, erhalten Asylbewerber im Anschluss an ihren zunächst auf sechs Monate befristeten Aufenthaltstitel einen erneuten Aufenthaltstitel, der ihnen die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme gewährt und bis zum Ende des Asylverfahrens verlängert wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Unterbringung und Versorgungsleistungen werden ebenfalls entsprechend verlängert (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
46 
Legt der Asylbewerber Rechtsmittel gegen die Ablehnung seines Asylantrags ein, wird seine Aufenthaltserlaubnis verlängert (ASGI, Asylbewerber in Italien). Allerdings muss er die Aufnahmeeinrichtung verlassen, wenn er arbeitsfähig ist (borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
47 
Haben Dublin-Rückkehrer bereits während ihres ersten Asylverfahrens Platz in einer Aufnahmeeinrichtung gefunden, steht ihnen kein Recht zu, nach ihrer Rückführung nach Italien bis zum Abschluss des Asylerstverfahrens erneut dort untergebracht zu werden; dies schließt es nicht aus, dass sie bei freien Kapazitäten einen Platz etwa in einem SPRAR erhalten (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2102). Gleiches gilt für Folgeantragsteller (CIR/ecre, National Country Report Italy).
48 
2.1.2.2 Asylbewerber sind vom Zeitpunkt der Registrierung ihres Asylgesuchs zusammen mit ihren Familienmitgliedern über die gesetzliche Krankenversicherung versichert und sind italienischen Staatsbürgern gleichgestellt; sie haben Anspruch auf kostenlose Gesundheitsversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). Hierfür ist die Anmeldung mit Aufenthaltstitel, der Steuernummer sowie einer festen Adresse beim nationalen Gesundheitsdienst (Servizio Sanitario Nazionale) erforderlich, welcher einen zur ambulanten oder stationären Behandlung berechtigenden Gesundheitsausweis ausstellt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Diese kostenfreie medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft wohnen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
49 
2.1.2.3 Zur Durchsetzung einer Unterbringung und Mindestversorgung besteht möglicherweise (genau ist dies den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen) prinzipiell die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch (etwa mittels einstweiliger Anordnung) auf einen Unterbringungsplatz gibt es indes nicht (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013), und auch im Übrigen gibt es jedenfalls keine Informationen darüber, dass von Asylbewerbern Rechtsschutz zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Mindestversorgung in Anspruch genommen worden wäre (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
50 
2.1.2.4 Im Falle einer Abschiebung werden abgelehnte Asylbewerber zunächst aufgefordert, das Land zu verlassen; geschieht dies nicht, werden sie in eine Abschiebhaftanstalt verbracht. Vor der Abschiebung muss ein Richter auf Grundlage eines Gesprächs mit dem Häftling die Rechtmäßigkeit des Ausreisebescheids prüfen. Dem Häftling wird bei diesem Gespräch ein Rechtsanwalt und ein Dolmetscher zur Seite gestellt. Ferner besteht in der Abschiebehaft die Möglichkeit, rechtliche Informationen einzuholen und an Sprachkursen teilzunehmen. Psychologischer sowie ärztlicher Beistand werden gewährleistet (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
51 
2.1.3 Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die rechtlichen Regelungen, das Asylverfahren und die Aufnahme von Asylbewerbern betreffend, in Italien den an sie zu stellenden Anforderungen durchweg gerecht werden. Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit der aktuellen Erkenntnismittellage. Auch wenn hier die tatsächliche Situation mitunter sehr kritisch beurteilt wird, werden die bestehenden gesetzlichen Vorgaben nur vereinzelt und nur im Hinblick auf vergleichsweise wenig gewichtige Punkte - etwa recht kurze Rechtsmittelfristen (vgl. dazu etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien) - kritisiert. Es besteht daher keinerlei Anlass für die Annahme, bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen implizierten systemische Mängel, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass dort dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.
52 
2.2 Die rechtlichen Vorgaben werden in der Praxis jedoch nicht durchgängig eingehalten. Vielmehr verweisen etwa der UNHCR, die Schweizerische Flüchtlingshilfe, borderline-europe e.V., der European Council on Refugees and Exiles und das Consiglio italiano per i Rifugiati, in abgeschwächter Form auch das Auswärtige Amt auf verschiedene Mängel sowohl betreffend den Zugang Asylsuchender zum Asylverfahren und dessen Ablauf als auch betreffend die Aufnahmebedingungen, insbesondere die Unterbringung und (gesundheitliche) Versorgung der Asylbewerber in Italien.
53 
Rückblickend gesehen war das italienische Aufnahmesystem jedenfalls auf die erheblichen Flüchtlingsströme in den Jahren 2008 und 2011 nicht hinreichend vorbereitet; es gibt gravierende Hinweise darauf, dass in dieser Zeit wiederholt Asylbewerber ohne Prüfung ihres Asylbegehrens oder während noch laufender Rechtsmittelfristen und damit unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot in ihre Herkunftsländer abgeschoben wurden und ferner viele Asylbewerber in Italien keinen Zugang zu den völlig überlasteten Unterkünften hatten, der Obdachlosigkeit anheimfielen und keinerlei staatliche Unterstützung, etwa im Hinblick auf Nahrung und Kleidung oder Zugang zu medizinischer Versorgung, erlangen konnten (vgl. dazu etwa SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, 05/ 2011; Bethke/Bender, „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, 02/2011; Norwegian Organization für Asylum Seekers, The Italian approach to asylum: System and core problems“, 04/2011, sowie weitere, von der Kammer im Beschluss vom 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -, juris zitierte Quellen). Dem entspricht es, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, er habe während der Durchführung des Asylerstverfahrens zu keinem Zeitpunkt staatliche Unterstützung in irgend einer Form erhalten, ihm sei insbesondere nie ein Platz in einer Unterkunft zugewiesen worden, und er sei nur deshalb nicht obdach- und völlig mittellos gewesen, weil er auf eigene Initiative bei Landsleuten habe unterkommen und für diese zeitweise gegen Unterkunft und Mahlzeiten habe arbeiten und eine Adresse für die behördliche Erreichbarkeit habe angeben können.
54 
Die italienischen Behörden haben auf die teilweise chaotischen Zustände zwischenzeitlich jedoch, etwa durch Verbesserungen im Verfahren oder auch die massive Erweiterung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte (dazu im Einzelnen s.u.), reagiert. Auch die gegenwärtige Situation weist Mängel wie administrative Hürden, zeitliche Verzögerungen sowie Engpässe bei den Unterkünften auf, die allerdings als weniger schwerwiegend einzustufen sind und die Schwelle zum systemischen Mangel weder für sich genommen noch im Zusammenspiel überschreiten. Vielmehr ist in der Gesamtschau des vorliegenden Erkenntnismaterials davon auszugehen, dass das Asyl- und Aufnahmeverfahren im wesentlichen richtlinienkonform verläuft und grundsätzlich funktionsfähig ist und dabei insbesondere hinreichend sicherstellt, dass im Rahmen des Dublin-Verfahrens rücküberstellte Asylbewerber, die, wie der Kläger, nicht etwa aufgrund Alters, gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder sonstiger besonderer in ihrer Person liegender Umstände besonders schutzwürdig sind, bei normalem Verlauf der Dinge nicht mit schwerwiegenden Verstößen oder Rechtsbeeinträchtigungen im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen.
55 
Im Einzelnen:
56 
2.2.1 In jüngerer Zeit sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013) keine Fälle mehr bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden die Einreise nach Italien oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden oder Flüchtlinge und Asylsuchende ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, in ihren Herkunftsstaat oder ein Drittland zurückgeführt worden wären; auch sind dem Auswärtigen Amt keine Fälle neueren Datums bekannt, in denen Asylbewerber trotz laufender Asylverfahren abgeschoben worden wären. Jedenfalls gegenwärtig lässt sich daher nicht mehr feststellen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt würde (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo). Ebenso wenig lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln entnehmen, dass Asylbewerbern nach erfolglosem Abschluss ihres Asylerstverfahrens die Stellung eines Asylfolgeantrags verweigert worden wäre.
57 
2.2.2 Eine Feststellung, die in den vorliegenden Erkenntnismitteln fast durchgängig bemängelt wird, ist die oftmals lange Verfahrensdauer. Diese rechtfertigt jedoch gegenwärtig nicht (mehr) die Feststellung systemischer Mängel.
58 
2.2.2.1 Das Asylverfahren dauert in vielen Regionen regelmäßig etwa 6 bis 10 Monate, während die gesetzlichen Vorgaben vorsehen, dass die Anhörung des Asylbewerbers binnen 30 Tagen erfolgen, die behördliche Entscheidung binnen weiterer 3 Tagen ergehen soll (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Dieser Umstand hat indes auf die Asylbewerber regelmäßig keine gravierenden Auswirkungen, weil auch Unterbringung und Versorgungsleistungen sowie der Aufenthaltstitel entsprechend verlängert werden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
59 
2.2.2.2 Anders ist dies, wenn sich die Ausstellung der Verbalizzazione verzögert.
60 
2.2.2.2.1 Vom Asylgesuch bis zur Ausstellung der Verbalizzazione dauert es nach einhelliger Erkenntnislage (etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) nach wie vor oftmals mehrere Wochen, mitunter, insbesondere in größeren Städten wie Rom oder Mailand, auch mehrere Monate. Diese Verzögerung beruht mitunter auf fehlenden personellen Kapazitäten. Etwa in Mailand oder Rom liegt sie aber auch darin begründet, dass die dortigen Questure systematisch eine Wohnbestätigung oder den Nachweis einer Adresse als Voraussetzung für die Einreichung eines Asylgesuchs verlangen (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013), eine (gesetzlich nicht vorgesehene) Anforderung, die Asylbewerber mitunter nur dann erfüllen können, wenn ihnen Nichtregierungsorganisationen „virtuelle“ Adressen zur Verfügung stellen oder sie Leute dafür bezahlen, dass diese ihnen eine (fiktive) Wohnbestätigung ausstellen (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Diese Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione führt zu erheblichen Schwierigkeiten für die Asylbewerber. Denn in der Zwischenzeit haben sie Anspruch nur auf medizinische Notfallversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). In der Praxis haben sie ferner vor Ausstellung der Verbalizzazione keinen Zugang zu CARA- oder SPRAR-Unterkünften, auch wenn von Gesetzes wegen der Zugang zu Unterkunft ab dem Moment der Stellung des Asylgesuchs zu gewährleisten wäre (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013). In diesen Fällen sind alternative Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Asylsuchenden selten verfügbar, die Asylsuchenden sind vielmehr oftmals auf sich selbst gestellt und häufig obdachlos (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Allerdings wird dieses Problem von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Organisationen erkannt, die hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten, etwa durch die Vermittlung von provisorischen (Not-)Unterkünften, tätig werden (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013).
61 
Dass Asylbewerber diese Verzögerungen vor einem Gericht angefochten oder überhaupt vorläufigen Rechtsschutz beantragt hätten, ist weder dem Auswärtigen Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) noch dem UNHCR (Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013) bekannt. Die Praxis der Questura Mailand, eine Wohnbestätigung zu verlangen, wurde bereits von Hilfsorganisationen angefochten (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012), vom zuständigen Gericht jedoch gebilligt (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013).
62 
2.2.2.2.2 Von den Schwierigkeiten infolge der erheblichen Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione sind grundsätzlich auch Dublin-Rückkehrer betroffen. Diese treffen in der Regel auf dem Luftweg in Italien ein. Nach einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei erfolgt die Feststellung, welche Questura für die Person zuständig ist und wie der Stand des Verfahrens ist. Davon, ob der Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens Italien verlassen oder ob er in Italien nie ein Asylverfahren durchgeführt bzw., wie der Kläger, das Asylverfahren dort rechtskräftig abgeschlossen hat, hängt der weitere Ablauf ab:
63 
Dublin-Rückkehrer, die sich noch im Asylverfahren befinden, erhalten nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013) umgehend eine Unterkunft in einem entsprechenden Aufnahmezentrum zugewiesen, die ihnen von den auf dem Flughafen tätigen Nichtregierungsorganisationen vermittelt werde. Laut UNHCR hat diese Personengruppe in der Regel Zugang zu Transitunterbringungseinrichtungen (Auskunft an VG Freiburg, 12/2103). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe (Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013) erfolgt die Unterbringung in einem FER-Projekt, soweit freie Plätze bestehen. Sind für sie nicht die Präfekturen Rom bzw. Varese zuständig, gilt diese Unterkunftsmöglichkeit nur für wenige Tage, bis sie in die für sie zuständige Region weiterreisen, um sich dort bei der Questura zu melden und von dieser einen Berechtigungsschein für ein CARA zu erhalten. Laut borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) gibt es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten mit der Ausstellung dieses Scheins; auch stünden mitunter nicht genügend Plätze zur Verfügung. Plätze in einem SPRAR könnten außerdem nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Betreffende vor seiner Ausreise keinen Platz dort in Anspruch genommen habe.
64 
Für Dublin-Rückkehrer, die sich, wie der Kläger, noch nicht oder nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, etwa für diejenigen, die vor ihrer Asylantragstellung in einem anderen Land durch Italien gereist sind, ohne dort einen Asylantrag gestellt zu haben, erfolgt die Zuweisung der Unterkunft dagegen grundsätzlich, wie bei anderen Asylbewerbern auch, erst nach der Verbalizzazione, die auch für diese Gruppe mitunter erst nach Wochen oder Monaten erfolgt (so ausdrücklich UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); eine frühere Möglichkeit, in eine FER-Unterkunft oder ein CARA zugewiesen zu werden, hängt von freien Kapazitäten ab (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Borderline-europe (a.a.O.) berichtet davon, von den Dublin-Rückkehrern, die über Rom eingereist seien, hätten nur knapp 8% eine CARA- oder SPRAR-Unterkunft erhalten, weitere etwa 12% eine Kurzzeitunterkunft, um sich von dort aus zu den für sie zuständigen Questure zu begeben. Allerdings bemühen sich die am Flughafen zuständigen Hilfsorganisationen, dem Betreffenden zumindest eine Übergangs- oder Notunterkunft in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung zu besorgen; sollte dies nicht umgehend möglich sein, müssen Dublin-Rückkehrer unter Umständen einige Tage am Flughafen verbleiben und dort, zwar ohne besondere Schlafplätze, offenbar aber geduldet, übernachten (SFH, Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013; AA, Auskunft an OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2013). Nicht ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang indes, dass die Nichtregierungsorganisationen nicht rechtzeitig von der Ankunft von Dublin-Rückkehrern informiert werden und diese daher keine besondere Betreuung am Flughafen erfahren (SFH, a.a.O.).
65 
2.2.2.2.3 Der Umstand, dass der Zugang zu Unterkünften in der Praxis italienischer Behörden von der Ausstellung der Verbalizzazione abhängt und deren Ausstellung zeitlich jedenfalls in der Behördenpraxis (noch) nicht an das Asylgesuch geknüpft ist, ist sicherlich ein gravierender Mangel, der auch im System angelegt ist und grundsätzlich - wenn infolge der intensiveren Betreuung am Flughafen in möglicherweise geringerem Maße - auch Dublin-Rückkehrer wie den Kläger betrifft. Allerdings hat die italienische Regierung dieses Problem erkannt und sich dessen angenommen. So hat im Februar 2013 das italienische Innenministerium eine Weisung an die Questure herausgegeben, wonach die Verbalizzazione zeitlich mit der Asylgesuchsstellung zusammenfallen soll, und versucht, durch ein neues Onlinesystem (VESTANET) die Bearbeitung der Asylgesuche zu beschleunigen, die Bearbeitung von Einzelfällen im gesamten Verfahren zu verbessern, die Zeit zwischen dem erstmaligen Asylgesuch und der formalen Registrierung des Antrags zu überwachen und Verzögerungen umgehend entgegenzuwirken (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). Im Report von CIR/ecre (a.a.O.) heißt es, die italienischen Behörden hätten insoweit wichtige Anstrengungen unternommen, um den förmlichen Zugang zum Asylverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Auch der UNHCR (a.a.O.) spricht insoweit von „positiven Entwicklungen“. Seinen jüngsten Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (07/2013) lässt sich zwar entnehmen, dass es immer wieder zu wochen- oder auch monatelangen Verzögerungen bis zur Erstellung der Verbalizzazione kommt; wenn der UNHCR insoweit jedoch von „einigen Fällen“ oder auch Schwierigkeiten „in einigen regionalen Polizeidirektionen“ spricht, so handelt es sich gegenwärtig nicht mehr um größere Funktionsstörungen oder regelhafte Defizite, die das Asylverfahren in ihrer Gesamtheit prägen, sondern um - freilich in ihren Auswirkungen zulasten der Betroffenen keinesfalls zu unterschätzende - partielle Überlastungen oder verwaltungstechnische Missstände. Und auch insoweit ist davon auszugehen, dass sich die Situation, wenn die neuen Anweisungen und Verwaltungsvereinfachungen landesweit implementiert sind, weiter verbessern wird (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Insbesondere für Dublin-Rückkehrer und ihre im Vergleich zu anderweitig ins Land kommende Asylbewerber regelmäßig intensivere Betreuung durch Nichtregierungsorganisationen bereits am Flughafen lässt sich im Hinblick auf die Verzögerungen im Asylverfahren daher nicht (mehr) von einem systemischen Mangel sprechen.
66 
2.2.3 Weitere in vielen der vorliegenden Erkenntnismitteln beklagte Missstände sind die nach wie vor bestehende - und auch Dublin-Rückkehrer betreffende - Überlastung des Aufnahmesystems und die damit verbundenen Lebensbedingungen der Asylbewerber. Aber auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen ist auf Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel nicht (mehr) von strukturellen Mängeln auszugehen.
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2.2.3.1 Immer wieder in der Kritik steht die Zahl der Unterkünfte, die Asylsuchenden zur Verfügung gestellt werden.
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Die italienische Regierung hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Zahl verfügbarer Unterkünfte zu erhöhen. So gab es im Zusammenhang mit den sprunghaft angestiegenen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 ein Notstandskonzept „Nordafrika“, in dessen Rahmen Aufnahmestrukturen durch den Zivilschutz in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (SFH, Aufnahmebedingungen; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013 spricht sogar von 50.000 Plätzen). Daneben wurde insbesondere die Zahl der regulär verfügbaren Plätze in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Noch im Juli 2012 war das Auswärtige Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; vgl. auch Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2012) von (nur) je 3.000 Plätzen in CARA und SPRAR ausgegangen, während es im August 2013 bereits von insgesamt über 16.000 Plätzen in CARA, CIE, CDA und SPRAR ausging (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Die Entwicklung der verfügbaren Unterkünfte spiegelt sich auch in den von CIR/ecre erhobenen Zahlen wider: Während im Länderreport Stand Mai 2013 von insgesamt 4.007 Plätzen in CDA und CARA die Rede war, waren es ein halbes Jahr später bereits 6.866 Plätze; statt 151 SPRAR standen ausweislich CIR/ecre nun bereits 175 Einrichtungen zur Verfügung. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die SPRAR-Kapazität bis 2016 zudem auf 16.000 Plätze erhöht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen; CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch durch die Praxis, insbesondere die CARA entgegen ihrer Zweckbestimmung auch für den längerfristigen Aufenthalt zu nutzen, konnte der Überlastungssituation Rechnung getragen werden, und auch wenn das Notstandsprogramm „Nordafrika“ zwischenzeitlich ausgelaufen ist und (Stand September 2013) nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable Cases“ und Asylbewerber, die Widerspruch eingelegt haben, vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) dort lebten, zeigt es doch, dass Italien in der Lage ist, Unterbringungsplätze in erheblichem Umfang zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn dies durch den Zustrom von Flüchtlingen erneut erforderlich werden sollte. Um bestehende Lücken und Fehlentwicklungen aufzudecken, wurde ferner Ende 2012 im Rahmen des Präsidium-Projekts testweise ein Überwachungssystem in staatlichen Einrichtungen eingeführt (UNHCR, Empfehlungen 2013). Laut Auswärtigem Amt bestanden im öffentlichen System im August 2013 rund 8.000 Plätze in CARA-Aufnahmelagern, die in der Praxis dem längerfristigen Aufenthalt von Asylbewerbern dienen, nahezu 3.000 Plätze in CIE und CDA und über 5.000 Plätze in SPRAR (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Laut CIR/ecre, Stand November 2013, bestanden zu diesem Zeitpunkt in CARA, CIE und CPSA insgesamt deutlich weniger, nämlich nur gut 7.500 Plätze, dafür in SPRAR 3.000 reguläre sowie 9.500 zusätzliche Plätze.
69 
Finden Asylsuchende keinen Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung - sei es, weil die Kapazitäten erschöpft sind, sei es, dass sie etwa als Dublin-Rückkehrer, die bereits vor ihrer Ausreise aus Italien einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung beansprucht hatten, keinen erneuten Zugang zu öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen haben -, bekommen sie in der Praxis keine staatliche (finanzielle) Unterstützung, um sich selbst um eine Unterkunft kümmern zu können; die gesetzliche Regelung, wonach der Asylbewerber im Falle fehlender Unterbringungsmöglichkeiten eine finanzielle Unterstützung erhält, um sich selbst eine Unterkunft zu suchen, ist in der Praxis nicht umgesetzt worden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Für diesen Personenkreis gibt es kommunale, kirchliche und karitative Einrichtungen etwa der CARITAS, die die Asylantragsteller versorgen, ihnen Unterkunftsplätze besorgen und ihnen medizinischen, rechtlichen und psychologischen Beistand zur Verfügung stellen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Diese nicht-staatlichen Unterkünfte werden teilweise von der öffentlichen Hand finanziert und sind im Auftrag des Staates tätig. Sie sind bei der Frage, ob die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK aufgrund fehlender Unterbringungsmöglichkeiten besteht, mit einzubeziehen. Denn aus Sicht des Unionsrechts ist lediglich entscheidend, dass tatsächlich eine hinreichende Zahl an Unterkünften besteht; dies aber ist auch dann der Fall, wenn der Staat mit nichtstaatlichen Trägern zusammenarbeitet, die zuverlässig einen Teil der erforderlichen Plätze zur Verfügung stellen.
70 
Darüber, ob das verfügbare - im Übrigen je nach Auskunft deutlich differierende - Zahlenmaterial den tatsächlichen Bestand an Unterkünften widerspiegelt und wenn ja, ob die vorhandenen Unterkünfte ausreichend sind, um den Bedarf zu decken, gehen die Ansichten in den aktuellen Erkenntnismitteln auseinander. Das Auswärtige Amt stellt fest, dass - Stand August 2013 - alle Asylbewerber / Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden könnten. Lokalen oder regionalen Überbelegungen stünden freie Kapazitäten in anderen Regionen, etwa in Norditalien, gegenüber, und landesweit seien genügend Plätze vorhanden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013; mit dem gleichen Tenor auch bereits AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Auch nach Auffassung des UNHCR ist Italien in der Lage, den Aufnahmebedarf jedenfalls einer erheblichen Zahl an Asylsuchenden zu decken (Empfehlungen 2013; ähnlich auch bereits im Gutachten an VG Braunschweig vom 24.04.2012). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeichnet ein etwas düstereres Bild und berichtet - Stand Oktober 2013 - davon, zurzeit seien die Kapazitäten der Erstaufnahmezentren CARA ausgeschöpft und neu ankommende Flüchtlinge könnten dort nicht untergebracht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Auch anderen Auskünften lässt sich entnehmen, dass die verfügbaren Plätze immer noch nicht ausreichten und die bestehenden Einrichtungen daher oft deutlich überbelegt seien (CIR/ecre, National Country Report Italy), bzw. dass nicht alle Asylbewerber einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung finden (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) oder mitunter aufgrund fehlender Kapazitäten erst nach Wochen oder Monaten Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen bekommen können (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Viele Auskünfte berichten davon, dass Asylbewerber unter schlechten Bedingungen in überfüllten Privatunterkünften, die teilweise in besetzten Häusern eingerichtet worden seien, unterkommen müssten (CIR/ecre, National Country Report Italy) oder obdachlos seien (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
71 
Tatsächlich dürfte eine genaue Ermittlung, ob die vorhandenen Plätze rechnerisch gesehen landesweit ausreichend sind, um den Bedarf an Wohnraum zu decken, nur sehr schwer seriös möglich sein. Insoweit ist nicht nur von Bedeutung, dass die vorhandenen Einrichtungen mitunter deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als die Anzahl, für die sie ausgelegt sind; so sollen etwa im November 2013 9.771 Asylsuchende in CDA/CARA untergebracht gewesen sein, die nur 6.866 reguläre Plätze boten (CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch bedürfte es für die Frage, ob die Anzahl an Plätzen ausreichend ist, belastbarem statistischem Material nicht nur zu der Frage, wie lang die durchschnittliche Belegungszeit eines Platzes in einer Unterkunft ist, sondern auch dazu, wie viele Asylbewerber aus eigenem Antrieb keinen Platz in Anspruch nehmen, sondern entweder untertauchen oder in ein anderes europäisches Land weiterreisen. Belastbare Zahlen gibt es jedoch insoweit nicht (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Ferner fehlt es auch an methodisch korrekten statistischen Erhebungen zu der Frage, welcher Prozentsatz an Asylsuchenden tatsächlich Interesse an der Zuweisung einer öffentlichen Unterkunft hätte. Vor diesem Hintergrund haben insbesondere die Prozentzahlen der in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Dublin-Rückgeführten, die borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; hierzu ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris) nennt, eine nur sehr begrenzte Aussagekraft. Denn diesen Zahlen lässt sich weder entnehmen, wie viele der Rückgeführten bereits über einen Aufenthaltstitel etwa aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien verfügen (und daher keinen Anspruch mehr auf Aufnahme in eine der Unterkünfte haben), noch, wie viele von ihnen überhaupt Interesse an einem Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung gehabt hätten. Insoweit wäre im Hinblick auf fehlendes Interesse an einer öffentlichen Unterkunft nicht nur an Rückkehrer zu denken, die auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens von vornherein verzichten, sondern auch an solche, die bei ihrem letzten Aufenthalt in Italien bereits ein soziales Netzwerk aufgebaut haben, das sie von öffentlichen Unterkünften unabhängig macht, oder solche, die ein Leben in Rom oder Mailand, wo die Wohnraumkapazitäten bekanntermaßen erschöpft sind, auch um den Preis schlechterer Unterbringungsverhältnisse bewusst einem Aufenthalt in einem anderen Landesteil, in dem ihnen eine Unterkunft zugewiesen werden könnte, vorziehen.
72 
Aber auch wenn unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel davon auszugehen ist, dass insbesondere in Großstädten wie Rom oder Mailand die vorhandenen Aufnahmekapazitäten in staatlichen wie privat betriebenen Einrichtungen erschöpft und die Unterkünfte überfüllt sind und es daher Asylsuchende gibt, die keinen Platz in einer Unterkunft finden und daher ohne Obdach sind oder unter völlig unzureichenden Wohn- und Lebensverhältnissen leben, lässt sich doch den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass dieses Schicksal für Asylbewerber gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachte; vielmehr handelt es sich hierbei um drastische Einzelschicksale, die keiner Verallgemeinerung zugänglich sind (darauf hinweisend auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris, sowie nunmehr VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris). Auf Grundlage der genannten Zahlen von mutmaßlich deutlich mehr als 16.000 Plätzen allein in den öffentlichen Unterkünften ist jedenfalls gegenwärtig nicht (mehr) davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Unterbringungssituation dauerhafte erhebliche Missstände vorlägen, aufgrund dessen Asylbewerber quasi typischerweise und in signifikanter Zahl der Obdachlosigkeit überlassen würden (so i.Erg. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/10 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo, geht davon aus, alle Asylbewerber fänden Platz in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen).
73 
2.2.3.2 Es lässt sich nach den vorliegenden Auskünften auch nicht davon ausgehen, dass systematische Mängel im Hinblick auf die Schwierigkeiten derjenigen Asylsuchenden, die keinen Platz in einer staatlichen Unterkunft gefunden haben, bestünden bei der Zustellung offizieller Schreiben, etwa ablehnender Asylbescheide. Denn auch wenn für Flüchtlinge außerhalb staatlicher Unterkünfte, insbesondere für Obdachlose, der Zugang offizieller Schreiben typischerweise größeren Schwierigkeiten begegnet als für Flüchtlinge in staatlichen Unterkünften, haben sich auch insoweit Strukturen gebildet, die die Situation der Betroffenen erleichtern. Inzwischen bieten Hilfsorganisationen wie die CARITAS Sammeladressen für Personen ohne festen Wohnsitz an, die gegenüber öffentlichen Stellen verwendet werden und an die Poststücke zugestellt werden können (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Derartige Möglichkeiten „virtueller Wohnsitznahme“ gibt es zwar nur in wenigen Städten Italiens, insbesondere in Rom; da es hier aber auch die größten Engpässe in der Wohnraumversorgung gibt, dürfte Dank des den Behörden bekannten und von ihnen akzeptierten Konzepts der virtuellen Wohnsitznahme jedenfalls im Regelfall die Zustellung von Schreiben an den Empfänger gewährleistet sein.
74 
2.2.3.3 Die vorliegenden Erkenntnismittel lassen auch nicht den Rückschluss darauf zu, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und kultureller Prägung häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte, zumal in einer Situation, die oftmals von überstandenen Leiden und ungewisser Zukunft geprägt ist. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegenwirken können. Auch ist der Kammer bewusst, dass die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein dürften. Andererseits gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte, dass die Zustände in den Unterkünften nicht nur in Einzelfällen, sondern regelhaft unzumutbar und unhaltbar sind, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Die Verhältnisse im Einzelnen unterscheiden sich und hängen von den jeweiligen Trägern der Unterkünfte ab (CIR/ecre, National Country Report Italy). Laut Auswärtigem Amt stellen sich die hygienischen Verhältnisse aber nicht regelmäßig oder überwiegend in der Weise dar, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Es seien durchgehend kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden, die auch einer ausreichenden Zahl an Toiletten- und Waschräumen sowie zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt. Es gebe zwar mitunter gewaltsame Überfälle, hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle. Darüber hinaus würden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien seien in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert worden (vgl. dazu auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo).
75 
2.2.3.4 Ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln, wie gesehen, davon auszugehen, dass jedenfalls die meisten Flüchtlinge Platz in einer staatlichen Unterkunft erhalten, so ist dort ihr Lebensunterhalt - wenn auch auf niedrigem Niveau - gesichert. Es lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass den Flüchtlingen dort entgegen der Gesetzeslage keine Kleidung, Nahrung oder Hygieneartikel zur Verfügung gestellt würden.
76 
Nach Auskunft des Auswärtigen Amts (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) werden auch diejenigen Flüchtlinge, die außerhalb staatlicher Einrichtungen, etwa in karitativen oder kirchlichen Unterkünften, leben, teilweise unter Einbeziehung privater Dienstleister, mit Nahrung und Kleidung versorgt. Dagegen berichtet etwa borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), Asylsuchende, die in keinem Zentrum untergebracht seien, erhielten weder Sach- noch Geldleistungen zur Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse wie Nahrung oder Kleidung. Geklärt sein dürfte jedoch, dass für diese Gruppe der Flüchtlinge Hilfsorganisationen die notwendige grundlegende Versorgung der bei ihnen lebenden Flüchtlinge übernehmen. Auch für diesen Personenkreis dürfte daher nicht festzustellen sein, dass dieser regelhaft in einem menschenrechtlichen Mindeststandards widersprechenden Zustand leben müsse. Dies schließt es nicht aus, dass einzelne Asylbewerber in prekären Verhältnissen extremer Armut und Obdachlosigkeit leben; dieser Umstand ist aber für die Annahme, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sein (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, juris), nicht ausreichend.
77 
2.2.3.5 Schließlich ist nach aktueller Auskunftslage auch nicht davon auszugehen sein, dass Flüchtlinge regelhaft von medizinischen Leistungen ausgeschlossen sind.
78 
Zwar mag es im Einzelfall auch bei Bewohnern öffentlicher Unterkünfte - sei es durch fehlende Informationen, sei es durch fehlerhaft arbeitende oder überlastete Verwaltungen - zu Schwierigkeiten kommen, in den Besitz einer Gesundheitskarte zu gelangen. Dies ist aber offenbar der Ausnahmefall.
79 
Für Asylbewerber, auch Dublin-Rückkehrer, die keinen festen Wohnsitz vorweisen können, hat dieser Umstand allerdings Konsequenzen. Der Erhalt der Gesundheitskarte ist an das Erfordernis eines festen Wohnsitzes geknüpft. Während das Auswärtige Amt davon ausgeht, es genüge insoweit die Angabe des Asylbewerbers, berichtet borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), die Anmeldung eines Wohnsitzes werde durch die Behörde überprüft. Die Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione (Asylbewerber in Italien, Bericht vom 20.11.2012) berichtet darüber hinaus davon, viele Flüchtlinge würden aufgrund von bürokratischen und restriktiven Interpretationen seitens der Gemeinden nicht im Einwohnermelderegister eingetragen. Selbst wenn dies so wäre, führte dieser Umstand jedoch nicht dazu, dass diese Flüchtlinge vom Erhalt der Gesundheitskarte ausgeschlossen würden. Denn vor allem in Rom - wo die Wohnungsnot, wie gesehen, und daher auch der Anteil der nicht in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Flüchtlinge vermutlich am größten ist - besteht, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit einer von den Behörden anerkannten, durch Hilfsorganisationen wie die CARITAS zur Verfügung gestellten „virtuellen Wohnsitznahme“ (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. dazu auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Davon abgesehen ist jedenfalls die medizinische Notfallversorgung in Italien auch ohne Gesundheitskarte gewährleistet.
80 
2.2.3.6 Vor diesem Hintergrund lässt sich trotz nach wie vor bestehender Defizite in den Aufnahmebedingungen und auch unter Berücksichtigung der gravierenden Folgen, die das Fehlen einer zumutbaren Unterkunft für den hiervon Betroffenen im Einzelfall hat, nicht feststellen, dass die bestehenden Engpässe und Mängel die Funktionsfähigkeit des Aufnahmesystems insgesamt in Frage stellen und so gravierend sind, dass sie das Asylverfahren regelhaft seiner Funktion berauben.
81 
2.3 Im Ergebnis lässt sich daher auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnismittel feststellen, dass Asylsuchende, die nach den Regelungen der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden sollen, derzeit jedenfalls dann, wenn in ihrer Person keine besonderen (etwa gesundheitlichen) Gründe gegeben sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen. Dies scheint der Auffassung des UNHCR zu entsprechen, der sich - anders als seinerzeit im Falle Griechenlands - trotz deutlicher Worte in Bezug auf bestehende Defizite und Mängel im italienischen Asyl- und Aufnahmesystem nicht veranlasst gesehen hat, sich gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien auszusprechen.
82 
Vorliegend aber sind keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien entgegen der allgemeinen Lageeinschätzung eine mit Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK nicht vereinbare Behandlung drohte. Der Kläger hat nach seiner Ankunft in Italien die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens hat er, da er nach eigenen Angaben während des Asylerstverfahrens nie einen Platz in einer Unterkunft zugewiesen bekommen hat, die Möglichkeit, in einer öffentlichen Einrichtung unterzukommen, wo neben der Unterkunft auch Essen, Bekleidung und sonstige persönliche Bedürfnisse sichergestellt sind. Sollte sich der Kläger dagegen dafür entscheiden, nach seiner Rückkehr keinen erneuten Asylantrag zu stellen, bestünden zu seinen Gunsten - nachdem das Asylerstverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist - keine Verfahrensgarantien nach der Genfer Flüchtlingskonvention, und auch die Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG) fände auf ihn gemäß Art. 3 Abs. 1 keine Anwendung (mehr). Er wäre vielmehr, wenn sein Aufenthalt nicht behördlicherseits legalisiert wird, verpflichtet, Italien zu verlassen, und hätte keinen Anspruch auf Unterstützung mehr (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Kommt er seiner Ausreisepflicht nicht nach, kann er kein Mehr an Unterstützung verlangen, als dies italienischen Staatsangehörigen zuteil wird. Ein staatliches Sozialhilfesystem aber existiert in Italien nur sehr eingeschränkt; vielmehr sind auch italienische Staatsangehörige grundsätzlich verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen, was naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden, für einen gesunden, arbeitsfähigen Mann wie den Kläger aber, wie er bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Italien bewiesen hat, nicht unmöglich ist. Der Umstand, dass es in Italien anders als in Deutschland kein System staatlicher Unterstützung auch für ausreisepflichtige, jedoch tatsächlich noch nicht abgeschobene Ausländer gibt, reicht, nachdem, wie bereits gesehen, aus Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh nicht die Verpflichtung erwächst, jemandem finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihm einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen, nicht für die Annahme aus, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh ausgesetzt sein.
III.
83 
Die Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides ist hiernach ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien keine Einwände gegen seine Zuständigkeit erhoben hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Das Gericht sieht von einem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach Ermessen ab.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2008 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger ist 1983 in Kabul/Afghanistan geboren, er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an.

2

Er wurde am 25. Dezember 2007 in einem Reisezug an der belgisch-deutschen Grenze angetroffen, festgenommen und zu den Umständen seiner illegalen Einreise nach Deutschland vernommen. Dabei gab er an, Asyl beantragen zu wollen. Einen Asylantrag stellte er zunächst in Dortmund und dann am 15. Januar 2008 förmlich in Trier. Bei der Anhörung gem. § 25 AsylVfG am selben Tag machte er Angaben zum Reiseweg und zu den persönlichen Gründen für seine Ausreise aus Afghanistan. Dabei ergab sich, dass er über Iran und die Türkei zunächst nach Griechenland gereist war, wo er sich auch zwei Monate aufgehalten hatte, bevor er über Italien nach Deutschland kam. Als Fluchtgrund gab er im Wesentlichen an, er habe ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau gehabt und fürchte die Rache des Ehemannes bzw. dessen Familie. Der Ehemann sei dahinter gekommen und habe ihn umbringen wollen.

3

Die Beklagte richtete am 11. Februar 2008 ein Aufnahmegesuch an Griechenland mit dem Ziel, den Kläger zur Durchführung des Asylverfahrens dorthin zu überstellen (sog. Dublin-Verfahren). Griechenland antwortete zunächst bis 15. April 2008 nicht und bestätigte dann mit Schreiben vom 4. Juni 2008 den vorgesehenen Transfer.

4

Am 14. Mai 2008 erließ die Außenstelle Dortmund der Beklagten die Entscheidung, dass der Asylantrag des Klägers gem. § 27 a AsylVfG unzulässig sei, weil Griechenland auf Grund Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 S. 1) – sog. Dublin II VO − für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei und Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland nicht vorlägen. Die Abschiebung des Klägers nach Griechenland wurde gem. § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnet. Der Bescheid wurde erst am 7. Oktober 2008 durch die Ausländerbehörde in Ludwigshafen dem Klägerbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

5

Zwei Versuche der Ausländerbehörde, die Abschiebung durchzuführen, mussten abgebrochen werden, zunächst um noch das rheinland-pfälzische Ministerium des Innern und für Sport einzuschalten, dann, weil der Kläger vor dem vorgesehenen Flug nach Griechenland am 10. Oktober 2008 nicht greifbar war. Er hatte Ende September 2008 versucht, mit dem Zug nach Dänemark auszureisen, wurde aber bei der Einreise festgehalten und alsbald nach Deutschland überstellt.

6

Am 15. bzw. 16. Oktober 2008 wurde für den Kläger Klage erhoben und ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt (Az.: 5 L 1167/08.NW). Letzterem hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 24. November 2008 stattgegeben, indem es die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage angeordnet hat. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen. Die sog. außerordentliche Beschwerde hiergegen hat das OVG Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 19. Januar 2009 als unstatthaft verworfen.

7

Zur Begründung der Klage hat der Kläger zunächst vorgetragen, er habe sich zwar in Griechenland einige Zeit aufgehalten, dort aber keinen Asylantrag gestellt. Es seien ihm lediglich dort Fingerabdrücke abgenommen worden. Außerdem lägen wohl außergewöhnliche humanitäre Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO vor. Die Eltern der Frau, mit der er in Afghanistan eine außereheliche Beziehung hatte, seien inzwischen schon in Griechenland gewesen, um ihn zur Verantwortung zu ziehen. Schließlich sei nicht bekannt, ob Griechenland dem Übernahmeersuchen der Beklagten stattgegeben habe.

8

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger noch angegeben, er sei aus Angst vor einer Abschiebung nach Griechenland Ende September 2008 nach Dänemark gefahren, von dort aber nach wenigen Tagen nach Ludwigshafen zurückgekommen und dann zu seinem Rechtsanwalt gegangen. Am 1.Dezember 2008 habe ihm die Stadt seine derzeitige Aufenthaltsgestattung ausgestellt.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren fortzusetzen.

11

Hilfsweise stellt er den in der Klageschrift vom 15. Oktober 2008 angekündigten Verpflichtungsantrag.

12

Höchst hilfsweise wird weiter beantragt,

13

die Beklagte – unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Mai 2008 – zu verpflichten, über die Fortsetzung des Asylverfahrens aufgrund eines Selbsteintritts unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie hält die Klage für unzulässig, weil der Bescheid vom 14. Mai 2008 dem Kläger nicht zugestellt worden sei bzw. weil der Kläger untergetaucht sei und daher kein Rechtsschutzinteresse habe. In der Sache habe sie das Verfahren zu Recht an Griechenland abgegeben. Daher sei der Asylantrag gem. § 27 a AsylVfG unzulässig.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren und im Verfahren 5 L 1167/08.NW sowie auf die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist zulässig und hat in der Sache mit dem Hauptantrag Erfolg.

19

Es fehlt dem Kläger zunächst nicht am Rechtsschutzinteresse. Es trifft zwar zu, dass er Ende September bis Anfang Oktober 2008, möglicherweise auch bis Ende November 2008 insofern „untergetaucht“ war, als er ohne Genehmigung und ohne Wissen der Ausländerbehörde nach Dänemark gefahren war und versucht hatte, dort ein Asylverfahren einzuleiten. Nachdem das fehlgeschlagen war, kehrte er aber nach einigen Tagen wieder nach Ludwigshafen zurück, setzte sich dort erstmals mit seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten in Verbindung und betrieb dann das Eilrechtsschutzverfahren sowie das Klageverfahren. Jedenfalls seit 1. Dezember 2008, dem Zeitpunkt, in dem ihm eine weitere Aufenthaltsgestattung ausgestellt wurde, und erst recht zum nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgebenden Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung hielt sich der Kläger wieder rechtskonform im Bereich der für ihn zuständigen Ausländerbehörde auf.

20

Da der Bescheid vom 14. Mai 2008 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers von der Ausländerbehörde noch vor Klageerhebung, nämlich am 7. Oktober 2009, gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde, scheitert die Zulässigkeit der Klage auch nicht etwa an dessen mangelnder Wirksamkeit. Im Übrigen wäre die Klage mit dem zunächst angekündigten Verpflichtungsantrag auch bei fehlender Zustellung als Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO zulässig gewesen.

21

Dass der Kläger den angekündigten Verpflichtungsantrag nunmehr nur noch hilfsweise stellt und sich mit dem Hauptantrag auf eine Anfechtungsklage beschränkt, ist jedenfalls als sachdienliche Klageänderung (§ 91 Abs. 1 VwGO) anzusehen. Sachdienlich ist sie aus verschiedenen Gründen: Die vorrangige Frage, welcher Staat über den Asylantrag des Klägers zu entscheiden hat, kann ohne Weiteres im Wege der Anfechtungsklage geklärt werden. Wegen der seit Klageerhebung vergangenen Zeit ist die Frage der Zuständigkeit für das Asylverfahren des Klägers inzwischen auch nach anderen Kriterien als bei Klageerhebung zu beurteilen (dazu im Einzelnen noch unten). Eine stattgebende Entscheidung über den reinen Anfechtungsantrag ermöglicht außerdem der Beklagten die Befassung mit dem Asylantragsvorbringen, die bisher unterblieben ist, und erhält dem Kläger im Falle einer ablehnenden Entscheidung des Bundesamts zur Sache noch den Klageweg zum Gericht. Sachdienlich ist die Beschränkung auch deshalb, weil dem Gericht zum Verfolgungsschicksal des Klägers bisher keine Stellungnahme der Beklagten vorliegt; auch hat es dazu noch keine Erkenntnismittel ins Verfahren eingeführt.

22

Auf den Anfechtungsantrag hin ist der Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2009 auch aufzuheben. Dabei kann offen bleiben, ob er von Anfang an rechtswidrig war, weil – wovon das Gericht nach summarischer Prüfung im Eilbeschluss vom 23. November 2008 ausgegangen ist − eine Überstellung des Klägers an Griechenland wegen der dortigen Verhältnisse (z.B. stark erschwerter tatsächlicher Zugang von Asylsuchenden zur zuständigen Stelle, unzumutbare soziale Lage der Asylsuchenden) unzumutbar war mit der Folge, dass das Bundesamt im Wege des Selbsteintritts über den Asylantrag des Klägers in Deutschland zu entscheiden gehabt hätte. Unabhängig davon haben sich inzwischen die Umstände jedenfalls rechtserheblich verändert. Auch wenn durch das Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland vom Februar 2008 in Verbindung mit dem Ablauf der Zwei-Monats-Frist nach Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 S. 1) – sog. Dublin II VO − zunächst Griechenland für das Asylverfahren zuständig war, ist die Zuständigkeit in der Zwischenzeit gem. Art. 19 Abs. 4 Dublin II VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift geht die Zuständigkeit nämlich auf den Mitgliedsstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung in den zunächst zuständigen ersuchten Mitgliedsstaat nicht „innerhalb der Frist von sechs Monaten“ durchgeführt wurde. Diese Frist – das ergibt sich aus Art. 19 Abs. 3 Dublin II VO – beginnt grundsätzlich mit der Annahme des Antrags auf Aufnahme durch den ersuchten Mitgliedsstaat. Alternativ läuft die Frist ab der Entscheidung über einen Rechtsbehelf des Asylbewerbers, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat (Art. 19 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz Dublin II VO).

23

Im vorliegenden Fall begann die Frist mit der Annahme des Übernahmeersuchens der Beklagten vom 11. Februar 2008 zu laufen. Diese Annahme ist hier – weil Griechenland bis dahin nicht geantwortet hatte − gem. Art. 18 Abs. 7 Dublin II VO nach Ablauf von zwei Monaten nach Übermittlung des Ersuchens, also frühestens am 11., jedenfalls Mitte April 2008 fiktiv geschehen. Die 6-Monats-Frist wäre daher schon Mitte Oktober 2008 abgelaufen gewesen, wenn der Kläger nicht gerade in diesem Zeitraum untergetaucht gewesen wäre. Gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 2. Alt. Dublin II VO „kann diese Frist verlängert werden“, und zwar „höchstens auf achtzehn Monate, wenn der Asylbewerber flüchtig ist“. Aus den Akten ergibt sich nichts dafür, dass vorliegend eine solche Fristverlängerung im Zusammenhang mit dem fehlgeschlagenen Überstellungsversuch vom 10. Oktober 2008 – der gerade noch innerhalb der Frist lag − stattgefunden hätte. Die Ausländerbehörde hat das Bundesamt zwar informiert, und es ist wohl von dort auch Griechenland von dem fehlgeschlagenen Überstellungsversuch unterrichtet worden. Eine Reaktion Griechenlands lässt sich den Akten aber nicht entnehmen. Die Beklagte hat dazu im Verlaufe des Verfahrens auch nichts mehr vorgetragen oder vorgelegt.

24

Anders als im L-Beschluss noch angenommen, ist die Fristverlängerung wohl auch nicht allein und sozusagen automatisch aufgrund des Umstands eingetreten, dass der Kläger bei dem Abschiebungsversuch am 10. Oktober und anscheinend – so die Aktenlage – auch noch bis in den November hinein nicht greifbar war. Die Vorschrift ist ihrem Wortlaut und ihrem Sinn nach vielmehr so zu verstehen, dass über die notwendige Fristverlängerung zu entscheiden ist, und zwar sinnvoller Weise nur durch den zur Aufnahme verpflichteten Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit und Aufnahmebereitschaft perpetuiert werden soll. Die Frist darf zudem nach den allgemeinen Grundsätzen, die für rechtserhebliche Fristen gelten, vor ihrer Verlängerung noch nicht abgelaufen sein. Außerdem setzt Art. 19 Abs. 3 Satz 2 Dublin II VO voraus, dass der Asylbewerber bei Verlängerung tatsächlich (noch immer) flüchtig i s t. Da der Kläger spätestens ab dem 1. Dezember 2008 nicht mehr als flüchtig angesehen werden konnte, war nach diesem Datum eine erstmalige Entscheidung, die Frist gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin II VO zu verlängern, nicht mehr möglich. Dass eine Verlängerung vor dem 11. Oktober vorgenommen worden wäre, hätte die Beklagte vorzutragen und zu belegen. Das ist nicht geschehen. Im Übrigen ergibt sich aus der Formulierung „kann auf höchstens achtzehn Monate verlängert werden“ außerdem, dass die Länge der Verlängerungsfrist variabel ist, im Ermessen der verlängernden Stelle steht und sich also nicht automatisch um achtzehn Monate verlängert, sobald ein Asylbewerber – und sei es auch nur für kurze Zeit – „flüchtig“ war (a.A. ohne nähere Begründung VG Cottbus, Urt. vom 20.02.2009 – juris -).

25

Eine längere Frist lief vorliegend auch nicht im Hinblick darauf, dass das erkennende Gericht entgegen § 34a Abs. 2 AsylVfG unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 (BVerfGE 94, 49) dem Antrag des Klägers auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG mit Beschluss vom 24. November 2008 stattgegeben hat. Diese Frage braucht hier zwar nicht mehr vertieft zu werden, nachdem zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache am 16. Juni 2009 seit Zustellung dieses Beschlusses am 26. bzw. 27. November 2008 ebenfalls schon mehr als sechs Monate verstrichen waren. Selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, wäre aber die Vorschrift des Art. 19 Abs. 3 letzter Halbsatz Dublin II VO vorliegend nicht anwendbar, weil im deutschen innerstaatlichen Asylrecht – wegen § 34 a Abs.2 AsylVfG − gesetzlich kein mit aufschiebender Wirkung versehener Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung zulässig ist, wie es Art. 19 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 Dublin II VO fordert. Insoweit schließt sich das Gericht der Argumentation von Hruschka (EuGH-Rechtsprechung zur Überstellungsfrist in Dublin-Verfahren, Asylmagazin 3/2009, S. 6 ff.) an. Dieser kommt in Interpretation des Urteils des EuGH vom 29. Januar 2009 in der Rechtssache Petrosian (C-19/08 – juris) zu dem Ergebnis, dass auch in den Fällen, in denen deutsche Asylgerichte trotz § 34 a Abs. 2 AsylVfG die Abschiebungsanordnung gem. § 123 oder § 80 Abs. 5 VwGO aussetzen, kein Fall eines nach innerstaatlichem Recht zulässigen Rechtsbehelfs mit aufschiebender Wirkung vorliege (ebenso VG Ansbach, Urteil vom 16. April 2009, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 26. März 2009, juris − bezogen auf Entscheidungen nach § 123 VwGO −; aA: VG Würzburg, Urteil vom 10.März 2009, Asylmagazin 6/09, S. 30 ff).

26

Wenn aber nach alledem die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Asylantrag des Klägers nunmehr bei der Bundesrepublik Deutschland liegt, kann der Bescheid vom 14. Mai 2008, wonach der Asylantrag gem. § 27 a AsylVfG unzulässig sei, keinen Bestand haben.

27

Auf die Hilfsanträge war daher nicht mehr einzugehen.

28

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.