Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 07. Mai 2015 - 1 B 120/15

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2015:0507.1B120.15.0A
07.05.2015

Gründe

1

Der Antrag ist gemäß § 88 VwGO dahingehend sachdienlich auszulegen, dass der Antragsteller gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Aussetzung der im Bescheid der Antragsgegnerin enthaltenen angedrohten Abschiebung begehrt.

2

Der so verstandene Antrag hat Erfolg.

3

Im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrages. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Antrag nicht innerhalb der gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG eine Woche betragenden Frist erhoben worden ist. Der Eilantrag ist am 15.04.2015 bei Gericht eingegangen. Dem unwidersprochenen Vortrag des Antragstellers zufolge ist ihm der Änderungsbescheid vom 18.03.2015 am 08.04.2015 zugestellt worden.

4

Der Antrag ist auch begründet.

5

Es bestehen gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 18.03.2015. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält. Entscheidend ist dabei das Gewicht an Fakten, die Anlass zu Zweifeln geben.

6

Der Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 18.03.2015, mit dem der Überstellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 28.04.2014 umgedeutet wird, kann einer rechtlichen Prüfung nicht stand halten. Er kann auch nicht wegen Unzulässigkeit der Asylanträge bei Vorliegen ausländischer Anerkennungsentscheidungen oder aufgrund parallel laufender Asylverfahren oder im Wege der Umdeutung des Überstellungsbescheides der Antragsgegnerin vom 28.04.2014 nach § 47 VwVfG als Sachentscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG aufrechterhalten werden.

7

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens, die ursprünglich gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. b und c der Dublin II-VO bei der Republik Italien lag, ist gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil die Überstellung des Antragstellers nach Italien nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wurde. Nach der o. a. Bestimmung erfolgt die Überstellung spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrages auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat (Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin II-VO).

8

Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Dublin II-VO. Diese findet auf den Asylantrag des Klägers gemäß Art. 49 Unterabsatz 2 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO) Anwendung, weil sowohl der Asylantrag, als auch das Wiederaufnahmeersuchen vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind.

9

Die Überstellungsfrist begann im vorliegenden Fall am 28.05.2014 zu laufen, weil an diesem Tag das Verwaltungsgericht ablehnend über den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entschieden hat.

10

Für den Fristbeginn ist zwar grundsätzlich die Annahme des Wiederaufnahmeersuchens maßgeblich und nicht die Entscheidung über den Rechtsbehelf. Das gilt indes nur, wenn dieser keine aufschiebende Wirkung hat. Der in der Dublin-II-VO verwendete Begriff der aufschiebenden Wirkung ist nicht deckungsgleich mit dem Begriff der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO, sondern ist in einem weiteren Sinn als nach dem deutschen Verwaltungsprozessrecht zu verstehen. Dem Rechtsbehelf ist in Anknüpfung an die Rechtsprechung des EuGH auch dann aufschiebende Wirkung im Sinne der Dublin-II-VO beizumessen, wenn dieser zu einer Aussetzung des Vollzuges führt und insoweit ein Vollstreckungshindernis darstellt (VG Regensburg, B. v. 13.12.2013 - RO 9 S 13.30618 -, juris, Rdnr. 19 m. w. N.).

11

Der Eilantrag des Antragstellers vom 14.05.2014 hatte „aufschiebende Wirkung“ in diesem weiteren Sinne. Seit der am 06.09.2013 in Kraft getretenen Neufassung des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG ist die Abschiebung eines von einer Überstellungsentscheidung betroffenen Asylbewerbers - bei rechtzeitiger Antragstellung - vor der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht zulässig. Der Antragsteller konnte aufgrund dieses gesetzlichen Vollstreckungshindernisses seit dem 14.05.2014 nicht nach Italien überstellt werden. Der Antragsgegnerin und den beteiligten Ausländerbehörden stand nach der Stellung des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht mehr die volle Frist von 6 Monaten für die Organisation und Durchführung der Überstellung des Antragstellers zur Verfügung. Mithin stellt die Aussetzungswirkung des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG einen Fall der aufschiebenden Wirkung im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Dublin-II-VO dar mit der Folge, dass die Frist von 6 Monaten für die Überstellung des Antragstellers mit dem Wirksamwerden der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erneut in Lauf gesetzt worden ist (vgl. VG Regensburg, B. v. 13.12.2013 – a. a. O., Rdnr. 20, VG Oldenburg, B. v. 20.06.2014 - 12 B 1903/14 -, juris, Rdnr.7 ff. m. w. N.; VG Magdeburg, B. v. 18.08.2014 – 1 B 914/14 -, B. v. 21.11.2014 – 1 B 1184/14 -).

12

Die Frist von sechs Monaten ist zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung somit abgelaufen. Anhaltspunkte für eine Verlängerung dieser Frist gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO liegen nicht vor.

13

Die auf Grundlage der §§ 34a Abs. 1, 27a AsylVfG ausgesprochene Unzulässigkeit des Asylantrages des Antragstellers und damit auch die angeordnete Überstellung nach Italien sind aus den vorgenannten Gründen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig. Dies verletzt den Antragsteller in seinen Rechten. Er kann sich auf den Zuständigkeitsübergang infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist zur Begründung seines Begehrens berufen (vgl. VG Düsseldorf, U. v. 12.01.2015 – 11 K 1640/14.A -, juris; VG Augsburg, GB. v. 12.11.2014 - Au 7 K 14.50047 -, juris ; VG Oldenburg, U. v. 07.07. 2014 – 3 A 416/14 -, juris; VG Göttingen, B. v. 30.06.2014 - 2 B 86/14 -, juris; VGH Baden-Württemberg, B. v. 19.01.2015 – A 11 S 2508/14 - juris; VG Magdeburg, U. v. 05.11.2014 – 1 A 304/14 MD - ; VG Regensburg, U. v. 14.11.2014 - RN 5 K 14.30304 -, juris; VG Münster, U. v. 19.11.2014 - 1 K 1136/14.A -, juris; VG Karlsruhe, B. v. 30.11.2014 - A 5 K 2026/14 -, juris; a. A.: OVG Lüneburg, B. v. 06.11.2014 - 13 LA 66/14 - ; Hess. VGH, B. v. 25.08.2014 - 2 A 975/14.A -, juris).

14

Grundsätzlich vermittelt die Dublin II-VO dem Ausländer kein subjektives Recht darauf, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird. Vielmehr garantieren die Dublin-Verordnungen nur, dass jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens des Drittstaatsangehörigen gewährleistet sein muss.

15

Der Ablauf der Überstellungsfrist führt aber nach Artikels 20 Absatz 2 Satz 1 Dublin II-VO zu einer Beendigung der Verpflichtung des ersuchten Mitgliedstaates zur Aufnahme oder Wiederaufnahme des Klägers zwecks Durchführung des Asylverfahrens und zu einem Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte. Dass Italien ausnahmsweise nach Fristablauf weiterhin zur Übernahme des Antragstellers bereit wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. An einer entsprechenden Erklärung der italienischen Behörden fehlt es und es ist nicht zu erwarten, dass eine solche Erklärung abgegeben werden würde. Der Asylbewerber kann sich jedenfalls dann mit Erfolg auf den Ablauf der Überstellungsfrist berufen, wenn durch den Übergang der Zuständigkeit auf den prüfenden bzw. ersuchenden Mitgliedstaates infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist und nunmehr fehlender Aufnahmebereitschaft des ersuchten Mitgliedstaates die Gefahr besteht, dass der Asylantrag des Asylbewerbers in keinem Staat inhaltlich geprüft wird (VG Oldenburg, U. v. 11.03.2015 – 1 A 156/15 -, juris, Rdnr. 30).

16

Mit der Berufung auf Artikel 20 Absatz 2 Satz 1 Dublin II-VO macht der Asylbewerber daher keinen - durch die Dublin-Verordnungen nicht geschützten - Anspruch auf Prüfung seines Asylantrags in einem von ihm bevorzugten anderen als nach den Zuständigkeitskriterien des Kapitels III an sich zuständigen Mitgliedstaat geltend, sondern vielmehr die Prüfung seines Asylbegehrens in dem einzigen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nach der Dublin II-Verordnung gewährleisteten zuständigen Mitgliedstaat.

17

Die Voraussetzungen des § 47 VwVfG für eine Umdeutung des Überstellungsbescheides in eine (ablehnende) Entscheidung nach § 71a AsylVfG liegen nicht vor.

18

Die Regelung in Ziffer 1 des Überstellungsbescheids kann auch nicht gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG in die rechtmäßige Ablehnung eines Zweitantrags (§ 71a AsylVfG) umgedeutet werden.

19

§ 47 Abs. 1 VwVfG bestimmt, dass ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden kann, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Dies gilt gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts.

20

Eine Umdeutung ist schon deshalb ausgeschlossen, weil sie der in Ziffer 1 des Überstellungsbescheids zum Ausdruck gekommenen Absicht des Bundesamts widerspricht, nicht in eine sachliche Prüfung des Asylantrags des Antragstellers einzutreten. Um den Asylantrag des Klägers überhaupt sachlich prüfen zu können muss zunächst der Überstellungsbescheid aufgehoben werden.

21

Die Voraussetzungen für eine Umdeutung liegen auch deshalb nicht vor, weil die Ablehnung der Prüfung eines Zweitantrags nicht auf dasselbe Ziel gerichtet ist und für den Betroffenen mit ungünstigeren Rechtsfolgen verbunden ist wie bzw. als die vom Bundesamt getroffene Regelung. Die Frage nach dem für die Prüfung des Asylverfahrensgesetzes zuständigen Mitgliedstaats ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und betrifft nicht das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Asylanspruchs, zu denen auch die Voraussetzungen gehören, unter denen nach §§ 71a Abs. 1 AsylVfG, 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ein in einem anderen Staat abgeschlossenes Asylverfahren wiederaufzugreifen ist. Vielmehr kommt es für die Entscheidung nach § 27a AsylVfG allein darauf an, ob die Beklagte nach den Vorschriften der Dublin-Verordnungen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder nicht (VG Minden, U. v. 19.03.2015 – 10 K 2658/14.A -, juris, Rdnr. 136).

22

Auch eine Umdeutung der Ziffer 2 des Überstellungsbescheides (Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat) in eine Anordnung der Abschiebung in das Herkunftsland scheidet angesichts der Tatbestandsvoraussetzungen des § 34a AsylVfG aus. Eine Umdeutung in eine Androhung der Abschiebung in das Herkunftsland nach § 34 AsylVfG würde dazu führen, dass der umgedeutete Verwaltungsakt nicht mehr im Sinne von § 47 Abs. 1 VwVfG auf das gleiche Ziel gerichtet wäre. Darüber hinaus würde eine solche Umdeutung für den Betroffenen entgegen § 47 Abs. 2 VwVfG eine ungünstigere Rechtsfolge herbeiführen, da er nach erfolgter Abschiebung in den Herkunftsstaat – anders als bei der Abschiebung nach Italien – keine Möglichkeit mehr hätte, weiterhin um Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat nachzusuchen (VG München, U. v. 12.03.2015 – M 12 K 14.50277 -, juris, Rdnr. 27).

23

Aus diesen Gründen kann offen bleiben, ob die Antragsgegnerin zur Prüfung der Fragen, ob überhaupt ein Zweitantrag i. S. v. § 71a AsylVfG vorliegt und ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, die Akten aus dem Erstverfahren beizuziehen oder weitere Informationen hinsichtlich des Erstverfahrens einzuholen hat, zumal wenn der Antragsteller vorträgt, er habe von einem Asylverfahren in Italien keine Kenntnis (vgl. BayVGH, B. v. 14.04.2015 – 11 ZB 14.30430 -, juris, Rdnr. 18).

24

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens


(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen g

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(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können un

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Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. Februar 2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. März 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am ... 1976 geborene Kläger stellte am 10. Juni 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einen Asylantrag.

Ein Abgleich der Fingerabdrücke durch das Bundesamt ergab einen EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für U. (...).

Am 7. November 2013 hat das Bundesamt an U. ein Wiederaufnahmegesuch gerichtet. Mit Schreiben vom 14. November 2013, eingegangen beim Bundesamt am 18. November 2013, haben die ungarischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) der Dublin II-Verordnung erklärt. Der Kläger habe am 6. Mai 2013 in U. einen Asylantrag gestellt. Sein Verschwinden sei am 24. Juni 2013 gemeldet worden. Während seiner Abwesenheit, aber basierend auf seinen Einlassungen, sei sein Asylgesuch am 30. September 2013 zurückgewiesen worden.

Am 25. Februar 2014 wurde mit dem Kläger beim Bundesamt ein persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens geführt. Dabei gab der Kläger zu seinem Reiseweg an, er sei im August 2010 vom S. in die T. geflogen. Nach drei Monaten sei er nach Griechenland gereist, wo er sich zwei Jahre und acht Monate aufgehalten habe. Über M. sei er nach U. gekommen. Im Mai 2013 seien ihm dort die Fingerabdrücke abgenommen worden.

Mit Bescheid vom 26. März 2014 wurde durch das Bundesamt festgestellt, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (Ziffer 1); die Abschiebung nach U. wurde angeordnet (Ziffer 2).

Dieser Bescheid wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 28. März 2014 zugestellt.

Am 1. April 2014 erhob der Kläger zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage und beantragte,

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge wird aufgehoben.

II.

Die Bundesrepublik Deutschland wird verpflichtet, dem Asylantrag vom 10. Juni 2013 stattzugeben.

Den gleichzeitig gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 11. April 2014 (Az.: Au 7 S 14.50048) ab. Dieser Beschluss wurde dem Kläger am 16. April 2014 und dem Bundesamt am 22. April 2014 zugestellt.

Mit Beschluss vom 15. Oktober 2014 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Die Parteien wurden mit gerichtlichem Schreiben vom 16. Oktober 2014 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Die Beklagte erklärte sich mit Schreiben vom 21. Oktober 2014 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden und beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Überstellungsfrist am 22. Oktober 2014 abgelaufen sei. Die Zuständigkeit im Rahmen des Dublin - Verfahrens sei durch Fristablauf auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Da der Kläger bereits in U. ein Asylverfahren betrieben habe, stelle sich sein hiesiger Asylantrag als Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG dar.

Ein im sog. Dublin-Verfahren erlassener Bescheid, mit dem der Asylantrag im Sinne des § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt werde, könne nur dann aufgehoben werden, wenn nach § 71a AsylVfG die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vorlägen. Die Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheids könne dagegen nicht verlangt werden, wenn Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Eine Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheids brächte dem Kläger gegenüber der Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens keinen rechtlichen Vorteil, so dass ihm insofern das Rechtsschutzbedürfnis an der beantragten Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids fehle. Jedenfalls lägen auch die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 VwVfG für eine entsprechende Umdeutung des Bescheids vor, weil das Bundesamt einen auf das gleiche Ziel gerichteten Verwaltungsakt in gleicher Form hätte erlassen können. Bei beiden Tenorierungen sei das Ziel des Bescheids, die Ablehnung einer materiellen Prüfung des Asylantrags. Unzulässig sei auch die Durchführung paralleler Prüfungsverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten.

Mit Schreiben vom 3. November 2014 zeigte die Bevollmächtigte des Klägers dessen Vertretung an. Sie teilte mit Schreiben vom 10. November 2014 mit, dass sie mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden sei. Der angefochtene Bescheid sei wegen Ablaufs der Überstellungsfrist aufzuheben. Soweit das Bundesamt im Schriftsatz vom 21. Oktober 2014 vorbringe, dass die Voraussetzungen des 3 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen, stelle sich die Frage, wie das Bundesamt zu dieser Behauptung komme, da es den Kläger bisher nicht zu seinen Asylgründen befragt habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die am 9. April 2014 übermittelte Behördenakte verwiesen.

Gründe

Die Entscheidung konnte im vorliegenden Fall durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Parteien wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu dieser Form der Entscheidung angehört. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Das Klagebegehren ist gemäß § 88 VwGO vorliegend dahingehend auszulegen, dass mit der Klage ausschließlich die Aufhebung des Bescheids vom26. März 2014 begehrt wird. Denn dies hat zur Folge, dass die Beklagte in einem neuen Verfahren über das Asylbegehren des Klägers zu entscheiden hat.

1. Die in diesem Sinne ausgelegte Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 7. Februar 2014 ist zulässig.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten über die Unzulässigkeit des Asylantrags ist in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich § 27a AsylVfG, wobei eine mit diesem Ausspruch verbundene Abschiebungsanordnung regelmäßig ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG findet. Nach § 27a AsylVfG ist ein in Deutschland gestellter Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungsbegehren statthaft. Die Entscheidungen nach §§ 27a und 34a Abs. 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte i. S. des § 42 Abs. 1 VwGO dar, deren isolierte Aufhebung - anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens - ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Antrags führt (vgl. VG Trier, U. v. 18.5.2011 - 5 K 198/11.TR - juris Rn. 16 m. w. N.; VG Freiburg, B. v. 2.2.2012 - 4 K 2203/11 - juris Rn. 2).

2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

a) Der Bescheid ist insgesamt rechtswidrig und daher aufzuheben, weil inzwischen nicht mehr U., sondern die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Asylantrags des Klägers, der bislang nicht nach U. abgeschoben worden ist, zuständig ist (nachfolgend aa)). Auch lässt sich der Bescheid nicht auf einer anderen Rechtsgrundlage aufrechterhalten bzw. scheidet eine Umdeutung des streitgegenständlichen Bescheids aus (nachfolgend bb)).

aa) Die Bestimmung, welcher Mitgliedstaat für die Entscheidung über den Asylantrag zuständig ist, richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (nachfolgend: Dublin II-VO).

Gemäß Art. 49 UAbs. 2 Satz 1 Dublin III-VO, die zum 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist und die Dublin II-VO durch Art. 48 UAbs. 1 Dublin III-VO aufgehoben hat, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für solche Anträge auf internationalen Schutz, die vor dem 1. Januar 2014 - wie vorliegend gegeben - eingereicht wurden, weiterhin nach den Kriterien der außer Kraft getretenen Dublin II-VO.

Nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (hier: Deutschland), wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Der Fristbeginn wird näher in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Satz 2 Dublin II-VO geregelt. Danach erfolgt die Überstellung eines Asylbewerbers gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat.

Im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung ist es unstreitig, dass die 6-Monats-Frist für die Überstellung abgelaufen ist.

Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Verlängerung der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die nicht innerhalb der 6-Monats-Frist erfolge Überstellung hat gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO zur Folge, dass die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat übergeht, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Damit ist der Ausspruch in Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids rechtswidrig geworden.

bb) Die im Schreiben vom 21. Oktober 2014 dargelegte Rechtsauffassung der Beklagten, der angefochtene Bescheid stehe - wenn auch aus anderen Gründen - mit dem objektiven Recht in Einklang, so dass die verfahrensgegenständliche Klage abzuweisen sei, wird vom erkennenden Gericht nicht geteilt (vgl. auch VG Regensburg, U. v. 23.10.2014 - RN 3 K 14.30180 - juris; U. v. 21.10.2014 - RN 9 K 14.30217 - juris; VG Ansbach, U. v. 8.10.2014 - AN 10 K 14. 30043 - juris).

Zwar hat ein Gericht unabhängig von der behördlichen Begründung nach § 113 Abs. 1 VwGO von sich aus zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht in Einklang steht und, falls nicht, ob er den Kläger in seinen Rechten verletzt. Die Heranziehung anderer als im angefochtenen Bescheid genannter Normen und Tatsachen ist dem Gericht nur dann verwehrt, wenn dies zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheids führen würde oder der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung unzumutbar beeinträchtigt würde. Schließlich ist auch die Möglichkeit einer Umdeutung des streitigen Bescheids vom Gericht in Betracht zu ziehen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 19.8.1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96).

Die Voraussetzungen für eine Umdeutung des Bescheids oder ein Auswechseln der Rechtsgrundlage liegen hier nicht vor.

Dem Kläger wurde in U. weder die Flüchtlingseigenschaft (i. S. d. § 3 AsylVfG) zuerkannt noch subsidiärer Schutz (i. S. d. § 4 AsylVfG) gewährt. Die ungarischen Behörden haben vielmehr in ihrem Antwortschreiben vom 14. November 2013 zum Wiederaufnahmegesuch der Beklagten mitgeteilt, dass der Asylantrag des Klägers am 30. September 2013 von den ungarischen Behörden abgelehnt worden sei. Ein nach § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG inhaltlich nicht zu prüfender, „unzulässiger“ Asylantrag liegt damit nicht vor, so dass ein entsprechendes Auswechseln der Rechtsgrundlage beim streitgegenständlichen Bescheid oder eine Umdeutung nach § 47 VwVfG ausscheiden. Damit besteht im Falle des Klägers auch nicht die Gefahr paralleler Asylverfahren in verschiedenen Mitgliedsstaaten.

Eine Umdeutung des streitgegenständlichen Bescheids in eine (ablehnende) Entscheidung i. S. d. § 71a AsylVfG (Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens) kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

Ein Bescheid, mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, hätte nicht in der geschehenen Verfahrensweise erlassen werden dürfen. Das zuständige Bundesamt (§ 71a Abs. 1 AsylVfG) hat den Kläger nicht zu den im Rahmen des § 71a Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Tatsachen (materielle Fluchtgründe) und Umständen (Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG) angehört. Aus der Akte des Bundesamtes ergibt sich, dass am 25. Februar 2014 lediglich „ein persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens“ stattgefunden hat. Diese Befragung (Bl. 52 bis 55 der Bundesamtsakte) endete mit dem Hinweis, dass das Bundesamt aufgrund der Angaben des Klägers nunmehr zunächst die Durchführung eines Dublin-Verfahrens prüfen werde. Gelegenheit zum Vortrag der Fluchtgründe oder zur Klärung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bestand nie. Entsprechend der Aktenlage hat sich die Beklagte damit offensichtlich nie mit der Frage auseinandersetzt, ob ein Fall des § 71a Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegt oder nicht. Bei dieser Sachlage ist es daher auch nicht zulässig, von der Anhörung des Klägers abzusehen (§ 71a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG), da insbesondere mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine sichere Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen sei, nicht möglich ist.

Außerdem hat die Beklagte gemäß § 71a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 24 Abs. 2 AsylVfG auch zu prüfen, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Dieser Gesichtspunkt hat im hier durchgeführten sog. Dublin-Verfahren keine Rolle gespielt, da bei einem nach § 27a AsylVfG unzulässigen Asylantrag die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat anzuordnen ist (s. § 34a AsylVfG). Dagegen sind im Rahmen eines Zweitantrages nach § 71a AsylVfG die Umstände im Herkunftsstaat des Klägers (hier: S.) zugrunde zu legen und nicht die Umstände im zuständigen Mitgliedstaat (hier: U.).

Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides kann auch deshalb nicht in einen Bescheid nach § 71a AsylVfG umgedeutet werden, weil die Rechtsfolgen ungünstiger wären. Rechtsfolge des Bescheides gemäß § 27a AsylVfG ist nach § 34a AsylVfG die Anordnung der Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat. Asylantragstellern verbleibt damit die Möglichkeit, auch nach einer Abschiebung aus Deutschland nach Maßgabe der nationalen Regelungen des zuständigen Mitgliedstaates um Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat nachzusuchen, etwa durch das Stellen eines Folgeantrages. Dagegen geht mit dem Erlass eines ablehnenden Bescheides gemäß § 71a AsylVfG in aller Regel eine den Herkunftsstaat als Zielstaat benennende Androhung der Abschiebung einher (vgl. § 71a Abs. 4 i. V. m. § 34 AsylVfG, § 59 AufenthG).

Die Anordnung der Abschiebung nach U. in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides kann auch deswegen nicht in eine Androhung der Abschiebung in das Herkunftsland umgedeutet werden, da diese nicht mehr im Sinne von § 47 Abs. 1 VwVfG auf das gleiche Ziel gerichtet wäre.

Da das Asylbegehren in der Sache - in dem durch § 71a AsylVfG gezogenen Rahmen - noch nicht geprüft wurde, würde dem Kläger bei einem „Spruchreifmachen“ eine Tatsacheninstanz verloren gehen, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt etwa für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG zur Aufklärung des Sachverhalts sowie zur Erhebung der erforderlichen Beweise gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i. V. m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist.

Ferner würde ein „Durchentscheiden“ des Gerichts im Ergebnis dazu führen, dass es nicht eine Entscheidung der Beklagten kontrollieren, sondern sich erstmals mit dem Antrag sachlich auseinandersetzen und entscheiden würde. Dies wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) und den Wortlaut des Gesetzes in § 71a Abs. 1 AsylVfG bedenklich, da der Gesetzgeber die Prüfung dem Bundesamt zugewiesen hat.

b) Der rechtswidrige Bescheid vom 26. März 2014 verletzt den Kläger auch in seinen Rechten. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Dublin II- VO dem Asylbewerber kein subjektives Recht darauf einräumt, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird. Ist jedoch dieser vom Asylbewerber „bevorzugte“ Mitgliedstaat in Folge Ablaufs der Überstellungsfrist gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO zuständig geworden, so soll die Regelung in dieser Norm auch dem schutzwürdigen Interesse des Asylbewerbers dienen, dass sein Schutzgesuch - nach Ablauf eines gewissen Zeitraums, welcher der Klärung von Zuständigkeitsfragen vorbehalten ist - in angemessener Zeit in der Sache geprüft wird. Es muss sichergestellt sein, dass das Ziel der Gewährleistung eines umfassenden Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) nicht reduziert wird. Insoweit steht ihm ein Anspruch auf sachliche Prüfung seines Asylantrags zu mit der Folge, dass ihn eine Maßnahme nach § 27a AsylVfG i. V. m. § 34a AsylVfG, die nach Fristablauf und damit einhergehendem Zuständigkeitsübergangs rechtswidrig geworden ist, in seinen subjektiv öffentlichen Rechten verletzt (VGH Baden-Württemberg, B. v. 06.08.2013 - 12 S 675/13 -, juris, Rn. 13 m. w. N.; VG Magdeburg, U. v. 28.2.2014 - 1 A 413/13 - juris).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83 b AsylVfG.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe

1

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2

1. Die 1951 geborene Klägerin stand als Lehrerin im Dienst des Landes Schleswig-Holstein. Mit Bescheid vom 1. Februar 2012, zugestellt im Februar 2012, wurde sie wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. In dem Bescheid wurde ausgeführt, dass der Ruhestand gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 Landesbeamtengesetz Schleswig-Holstein vom 26. März 2009 (LBG - GVOBl. 2009, 93) mit dem Ende des Monats beginne, in dem der Bescheid zugestellt werde. Mit Bescheid vom 28. Februar 2012 setzte der Beklagte den Ruhegehaltssatz der Klägerin auf 71,75 vom Hundert und den Versorgungsabschlag auf 8,1 vom Hundert des Ruhegehaltes fest. Dabei ging der Beklagte vom Berechnungszeitraum 1. März 2012 bis 31. Mai 2014 (zwei Jahre, 92 Tage) aus. In dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass bei der Berechnung des Versorgungsabschlages lediglich der Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 30. April 2014 zugrunde gelegt werden dürfe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2012 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Beamtenversorgungsgesetz Schleswig-Holstein vom 26. Januar 2012 (SHBeamtVG -, GVOBl. 2012, 153, 219) bei einer Versetzung in den Ruhestand vor dem 1. April 2012 zwei Jahre und drei Monate zur Berechnung des Versorgungsabschlags zugrunde zu legen seien und nur bei einer Versetzung in den Ruhestand vor dem 1. März 2012 zwei Jahre und zwei Monate. Klage und Berufung hiergegen sind ohne Erfolg geblieben.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

4

Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SHBeamtVG vermindere sich das Ruhegehalt um 3,6 % für jedes Jahr, um das die Beamtin oder der Beamte vor Ablauf des Monats, in dem sie oder er das 65. Lebensjahr vollendet, wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, in den Ruhestand versetzt wird. Gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 2 SHBeamtVG sei für Beamtinnen und Beamte, die nach dem 31. März 2009 wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruhe, in den Ruhestand versetzt würden, § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der Vollendung des 65. Lebensjahres u. a. bei einem Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand vor dem 1. März 2012 das Lebensalter 63 Jahre und zwei Monate und bei einer Versetzung in den Ruhestand vor dem 1. April 2012 das Lebensalter 63 Jahre und drei Monate trete. Danach habe der Beklagte zutreffend zwei Jahre und drei Monate bei der Berechnung des Versorgungsabschlages der Klägerin zugrunde gelegt, weil sie "vor dem 1. April 2012" in den Ruhestand versetzt worden sei. Ihr Versorgungsfall sei nicht bereits "vor dem 1. März 2012" eingetreten.

5

Die Begriffe "Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand", "Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls" und "Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand" bezeichneten denselben Zeitpunkt. Nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 2 SHBeamtVG diene diese der Berechnung des jeweiligen Versorgungsabschlags in den Versorgungsfällen, die in dem Zeitraum "nach dem 31. Dezember 2011 und vor dem 1. Januar 2024" eingetreten seien. Hieraus ergebe sich, dass das maßgebliche "Lebensalter" für die Fälle des Eintritts des Versorgungsfalles am 1. Dezember 2011 mit 63 Jahren, des Eintritts des Versorgungsfalles am 1. Januar 2012 mit 63 Jahren und einem Monat usw. anzusetzen seien.

6

2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

7

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 5 und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

8

Der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage,

ob der Versorgungsfall von Beamten im Sinne versorgungsrechtlicher Vorschriften mit dem Datum eintritt, mit dem die Versetzung in den Ruhestand erfolgt,

kommt eine solche grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Sie lässt sich mithilfe der allgemeinen Auslegungsregeln sowie unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des Berufungsurteils beantworten, ohne dass es hierzu einer revisionsgerichtlichen Überprüfung bedarf.

9

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats beginnt der Ruhestand an dem Tag, der auf das Datum folgt, mit welchem der Beamte in den Ruhestand versetzt worden ist. Erfolgt die Versetzung in den Ruhestand mit dem Ende des Monats oder mit Ablauf des Monatsletzten - so gebräuchliche Formulierungen -, so beginnt der Ruhestand am ersten Tag des folgenden Monats (BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 - 2 C 47.07 - Buchholz 239.1 § 66 BeamtVG Nr. 2 Rn. 12 und vom 12. November 2009 - 2 C 29.08 - Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 5 Rn. 9; Beschluss vom 19. August 2010 - 2 C 34.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 116 Rn. 17; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2012 - 2 BvL 5/10 - BVerfGE 131, 20 <36>).

10

Auch nach Auffassung der Klägerin tritt der Versorgungsfall zeitgleich mit dem Beginn des Ruhestands ein. Das folgt schon aus dem Begriff des Versorgungsfalls sowie aus dem systematischen Zusammenhang der maßgeblichen versorgungsrechtlichen Vorschriften. Ein Versorgungsfall kann erst dann eintreten, wenn dem Beamten Versorgungsbezüge zu gewähren sind. Vor dem Entstehen des Anspruchs auf Versorgungsbezüge kann noch kein Versorgungsfall eingetreten sein. Zu den Versorgungsbezügen gehört gemäß § 2 Nr. 1 BeamtVG (entspricht § 2 Nr. 1 SHBeamtVG) unter anderem das Ruhegehalt. Der Anspruch auf das Ruhegehalt entsteht gemäß § 4 Abs. 2 BeamtVG (entspricht § 4 Abs. 2 SHBeamtVG) aber regelmäßig erst mit dem Beginn des Ruhestands.

11

In einer älteren Entscheidung, welche zu dem Inkrafttreten des Deutschen Beamtengesetzes vom 26. Januar 1937 (- DBG - RGBl. I S. 39) am 1. Juli 1937 und dem Tatbestandsmerkmal des Eintritts in den Ruhestand "mit Ende des Monats Juni 1937" im Sinne von § 21 Abs. 2 des Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni 1954 (- LBesG NW - GVBl. S. 162) ergangen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, der Versorgungsfall trete regelmäßig mit dem Ende des Monats und vor dem Ersten des folgenden Monats ein (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1961 - 2 C 142. 59 - BVerwGE 12, 46 <49>). Dieser Entscheidung, auf die sich auch die Klägerin beruft, ist mit der jüngeren, oben zitierten Rechtsprechung des Senats die Grundlage entzogen. In dieser Entscheidung (a.a.O. S. 47 f.) wird dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht die ihm gebührende Bedeutung beigemessen. Der in ihr vertretene Ansatz ist auch deswegen nicht tragfähig, weil er eine logische Sekunde zwischen den Monaten fingiert; das Ereignis des Eintritts des Versorgungsfalls ist gleichwohl einem bestimmten Tag, dem Monatsletzten oder dem Monatsersten zuzuordnen. Diese Zuordnung kann aus den geschilderten Gründen nur zum Monatsersten erfolgen.

12

3. Die von der Klägerin geltend gemachte Divergenz liegt ebenfalls nicht vor.

13

Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). Die Divergenzrevision dient dem Anliegen, die Einheitlichkeit der Verwaltungsrechtsprechung in der Auslegung einer bestimmten Gesetzesvorschrift zu sichern und damit Rechtssicherheit auch im Einzelfall zu gewährleisten. Bezugspunkt ist daher nicht allein der Wortlaut einer Bestimmung. "Abweichungen" beziehen sich vielmehr nur auf die Rechtsprechung zu demselben Gesetz (BVerwG, Beschluss vom 22. März 2012 - 2 B 148.11 - juris Rn. 4).

14

Eine Divergenz zu der von der Klägerin angeführten Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1961 - 2 C 142. 59 - BVerwGE 12, 46 <49>) liegt schon deswegen nicht vor, weil diese eine andere Norm betraf. Jene Entscheidung erging zu den Vorschriften des § 21 Abs. 2 LBesG NW sowie § 184 DBG. Das Beschwerdeverfahren betrifft hingegen Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes Schleswig-Holstein.

15

Eine Divergenz ist auch deswegen ausgeschlossen, weil eine Abweichung von einer Rechtsprechung, an der das Bundesverwaltungsgericht in späteren Entscheidungen selbst nicht mehr festhält, nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigt (BVerwG, Beschlüsse vom 2. Februar 1994 - 1 B 208. 93 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 1 S. 1 und vom 6. Mai 2014 - 2 B 90.13 - Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 22 Rn. 15). Wie bereits oben (2.) aufgezeigt, hält das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung nicht mehr an der im Urteil vom 9. Februar 1961 vertretenen Auffassung fest.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. November 2014 - A 6 K 202/14 - wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der Antrag, mit dem die Beklagte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache rechtlicher Art (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) geltend macht, entspricht nicht den Darlegungsanforderungen nach § 78 Abs. 4 Satz 4. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur dargelegt, wenn in Bezug auf die Rechtslage oder die Tatsachenfeststellung eine konkrete Frage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärte Probleme aufwirft, die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam sind und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlich geklärt werden müssen. Es muss deshalb in der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung deutlich werden, warum prinzipielle Bedenken gegen einen vom Verwaltungsgericht in einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen Standpunkt bestehen, warum es also erforderlich ist, dass sich das Berufungsgericht noch einmal klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt und entscheidet, ob die Bedenken durchgreifen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 15.03.2000 - A 6 S 48/00 - juris und vom 28.05.1997 - A 16 S 1388/97 - AuAS 1997, 261; OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2007 - 15 A 750/07.A - juris; HessVGH, Beschlüsse vom 28.01.1993 - 13 UZ 2018/92 - juris und vom 13.09.2001 - 8 UZ 944/00.A - InfAuslR 2002, 156; SächsOVG, Beschluss vom 02.01.2013 - A 4 A 25/11 - juris; Berlit, in: GK-AsylVfG § 78 Rn. 609 ff.).
Die Beklagte hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
„Darf ein Bescheid des Bundesamtes, durch den ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bereits dann aufgehoben werden, wenn das Verwaltungsgericht in § 27a AsylVfG keine ausreichende gesetzliche Grundlage für diesen Bescheid sieht, oder bedarf es darüber hinaus der Feststellung, dass das frühere Asylverfahren erfolglos beendet wurde und Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen?“
Sie wendet sich mit dem Zulassungsantrag der Sache nach allein dagegen, dass das Verwaltungsgericht die Ziffer 1 ihres Bescheids aufgehoben hat, mit der diese den Asylantrag als unzulässig abgelehnt hatte. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung maßgeblich darauf gestützt, dass - unbestritten - die Überstellungsfrist in erheblichem Maße überschritten worden sei und nicht mehr damit gerechnet werden könne, dass noch eine zeitnahe Überstellung möglich sein werde. Gegen die die Ziffer 2 (Abschiebungsanordnung) aufhebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts werden ausdrücklich keine Einwände erhoben.
Die Beklagte legt ihren Angriffen gegen die Ziffer 1 ihres Bescheids aufhebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein Verständnis des Mechanismus des Dublin-Systems zugrunde, das sich den Bestimmungen des maßgeblichen Unionsrechts so nicht entnehmen lässt, jedenfalls wird dieses Verständnis nicht dem Darlegungserfordernis genügend begründet. Die Beklagte geht explizit davon aus, dass in den Fällen, in denen ein Antragsteller zunächst in einem ersten Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt habe und vor dessen abschließender Bescheidung in einen zweiten Mitgliedstaat weiterreise und dort einen weiteren Asylantrag stelle, mit diesem zweiten Antrag einen Antrag stelle, für den das Asylverfahrensgesetz kein Verfahren vorsehe. Der Fall sei mit den Fällen vergleichbar, in denen ein Antragsteller in Deutschland erneut einen Antrag stelle, obwohl zu seinem ersten Antrag noch ein Klageverfahren anhängig sei. Ebenso wenig wie ein weiterer Asylantrag in Deutschland während eines noch rechtshängigen Klageverfahrens zulässig sei, sei nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO Dublin III die Durchführung paralleler Prüfungsverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten zulässig. Diese Sicht der Dinge trifft jedoch so nicht zu, jedenfalls finden sich in der Begründung keine ausreichend tragfähigen Erwägungen, die dieses Verständnis auch nur ansatzweise stützen würden.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass es nur drei Entscheidungs- bzw. Fallvarianten geben könne, die sich in tatsächlicher Hinsicht ausschlössen, nämlich entweder den Fall einer Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland mit der Folge einer Überstellung in den anderen Mitgliedstaat oder den Fall einer Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland, die zu einem Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG führe, oder aber den Fall einer bereits erfolgten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus durch den anderen Mitgliedstaat.
Primär geht es in der hier zunächst ins Auge zu fassenden ersten Fallkonstellation nicht darum, dass zwei Asylanträge parallel nebeneinander geprüft werden müssten; wenn im ersten Mitgliedstaat gar kein Antrag gestellt wurde, die Bundesrepublik Deutschland aber nicht zuständig ist, stellt sich die Frage mehrerer Asylanträge ohnehin nicht, diese Fallkonstellation führt auf den Aufnahmefall des Art. 21 VO Dublin III. Das Dublin-System geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass zunächst ein erster Asylantrag in einem ersten Mitgliedstaat gestellt wird (sei dieser nun zuständig oder auch nicht). Wird nun in einem zweiten Mitgliedstaat ein weiterer Asylantrag gestellt, bevor im ersten Mitgliedstaat der erste Antrag abschließend behandelt wurde (vgl. Art.18 Abs. 1 lit. b) VO Dublin III), so kann der zweite Mitgliedstaat die Behandlung ablehnen, sofern er sich für nicht zuständig hält und das Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 23 Abs. 1 VO Dublin III einleiten. Stimmt hierauf der erste Mitgliedstaat der Aufnahme zu oder verstreicht die gesetzliche Antwortfrist, ohne dass eine Antwort gegeben wurde (vgl. Art. 25 Abs. 2 VO Dublin III), so ist der erste Mitgliedstaat zuständig, ungeachtet der Frage, ob er nach den primären Zuständigkeitskriterien der Art. 7 ff. VO Dublin III überhaupt zuständig war. Der Senat bemerkt in diesem Zusammenhang mit Rücksicht auf das Vorbringen der Beklagten im Zulassungsverfahren, dass in dieser Konstellation nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der oder die Betreffende durch die Ausreise aus dem ersten Mitgliedstaat konkludent seinen oder ihren ersten Antrag zurückgenommen hat; eine andere Frage ist, ob das nationale Verfahrensrecht hier Rechtsfolgen an ein regelmäßiges Nichtbetreiben des Verfahrens knüpft (vgl. in diesem Zusammenhang Art. 33 Abs. 1 RL 2005/85/EG v. 01.12.2005 - VRL a.F. und Art. 28 Abs. 2 RL 2013/32/EU v. 26.06.2013 - VRL n.F). Ergänzend ist zum Vortrag der Beklagten zu bemerken, dass der erste Mitgliedstaat im Falle einer Überstellung auf Verlangen des Antragstellers oder der Antragstellerin nach Art. 18 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III verpflichtet ist, das Verfahren wieder zu eröffnen und dabei das Verfahren nicht als Folgeverfahren behandeln darf, sofern noch keine Sachentscheidung getroffen worden war (vgl. künftig auch Art. 28 Abs.2 VRL n.F.). Der im zweiten Mitgliedstaat gestellte Asylantrag ist aber im Falle einer ausdrücklichen oder fingierten Zustimmung des ersten Mitgliedstaats nicht vollständig obsolet geworden, er „ruht“ gewissermaßen vorläufig. Wird der Asylbewerber nämlich, wie hier, durch den zweiten Mitgliedstaat nicht innerhalb der Überstellungsfrist an den ersten Mitgliedstaat überstellt (vgl. Art. 29 Abs. 2 VO Dublin III), so wird der zweite Mitgliedstaat wieder zuständig mit der Folge, dass der zweite Asylantrag wieder „auflebt“ und vom zuständigen Mitgliedstaat sachlich zu bescheiden ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nach der von der Beklagten mit durchgreifenden Rügen nicht infrage gestellten Auffassung des Verwaltungsgerichts der zweite Mitgliedstaat wegen einer unter dem Aspekt des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots, wie es mittlerweile auch der Europäische Gerichtshof in ständiger Spruchpraxis betont (vgl. Urteile vom 10.12.2013 - C-394/12 - juris, Rn. 59, und vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a. - juris, Rn. 79; vgl. auch die 4. und 5. Erwägungsgründe der VO Dublin III), erheblichen und daher relevanten Verzögerung der Überstellung nicht mehr an den ersten Mitgliedstaat überstellen darf, da andernfalls eine sachgerechte inhaltliche Überprüfung des Asylgesuchs in angemessener Zeit nicht mehr gewährleistet wäre, ein Umstand, der im Verständnis des Europäischen Gerichtshofs sicherlich auch einen Daseinsgrund des Dublin-Systems ausmachen dürfte. Dann jedoch stellt sich gar nicht die Frage zweier parallel durchgeführter sachlicher Prüfungsverfahren. Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis haben sollte, um die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids anzufechten. Diese Frage könnte sich überhaupt erst stellen, wenn das Asylverfahren im ersten Mitgliedstaat unanfechtbar abgeschlossen wurde. Dass dieses der Fall sein könnte, ergibt sich aber weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus dem der Beklagten (einschließlich der von ihr vorgelegten Akten). Abgesehen davon vermag der Senat auch nicht hinreichend deutlich dem Vorbringen der Beklagten zu entnehmen, weshalb im Falle einer endgültigen Ablehnung durch den ersten Mitgliedstaat kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehen soll. Zwar könnte dann auf den ersten Blick in Betracht zu ziehen sein, dass nunmehr der zweite Antrag seinen Charakter geändert hat und zum Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylVfG „mutiert“ ist, allerdings wäre zu diskutieren, ob ein solcher Zweitantrag überhaupt bereits wirksam gestellt wurde. Denn es drängt sich nicht ohne weiteres auf, dass der früher im Mai 2013 gestellte Antrag, der zu einem Zeitpunkt eingereicht wurde, als nach dem Vortrag der Klägerin eine Entscheidung in Italien noch nicht ergangen war, und damit noch kein zulässiger Zweitantrag sein konnte, automatisch allein infolge einer Veränderung der Verfahrenslage zu einem Zweitantrag werden kann (vgl. zu einer vergleichbaren Problematik GK-AsylVfG, § 71 Rn. 62). Hierzu verhält sich die Begründung des Zulassungsantrags mit keinem Wort. Abgesehen davon würde erst mit einer Aufhebung der Ziffer 1 die Weiche für die erstmalige Durchführung eines Zweitverfahrens mit den dort maßgeblichen Verfahrensgarantien und Verfahrensanforderungen gestellt (wie etwa der Pflicht zur umfassenden Anhörung nach § 71a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 AsylVfG, von der nur unter den besonderen Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 abgesehen werden kann, während die Anhörung im Dublin-Verfahren bereits grundsätzlich nach Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 VO Dublin III beschränkt ist; oder etwa die Verpflichtung zur Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 71a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 AsylVfG), das die Beklagte bislang noch nicht einmal eingeleitet hat, weshalb nicht einleuchtet, warum kein Rechtsschutzbedürfnis bestehen soll. Der nicht näher begründete Hinweis auf § 47 VwVfG allein genügt nicht dem Darlegungserfordernis. Insbesondere fehlt es an einer schlüssigen Darlegung, dass eine solche Umdeutung überhaupt möglich sein könnte, insbesondere dass der Verwaltungsakt auf das gleiche oder ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet wäre (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 47 Rn. 13 ff.). Die Entscheidung der Beklagten war im vorliegenden Fall auf die Unzulässigkeit im Sinne des § 31 Abs. 6 AsylVfG gerichtet und darauf, die zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylVfG herbeizuführen. Hingegen wird mit der Entscheidung zu § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt, die dann in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs. 4 i.V.m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG (in Bezug auf den Herkunftsstaat) auslöst und damit eine völlig andere Qualität hat als eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Diese Entscheidung würde aber voraussetzen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, was, wie dargelegt, im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahren mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden ist. Zwar verweist § 71a Abs. 4 auch auf § 34a AsylVfG; diese Verfahrensweise ist jedoch gerichtet auf die Überstellung nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylVfG und nicht nach dem Dublin-System, worauf aber gerade der angegriffene Bescheid abzielt. Hinzu kommt, dass fraglich ist, ob im Anwendungsbereich des Dublin-Systems überhaupt noch der andere Mitgliedstaat als sicherer Drittstaat behandelt und von der nationalen Drittstaatenregelung Gebrauch gemacht werden darf mit der Folge, dass die Drittstaatenregelung nur noch solche – gegenwärtig nicht existierende – Drittstaaten betreffen könnte, die nicht Teil des Dublin-Systems sind (vgl. GK-AsylVfG, § 27a Rn. 56 ff). Abgesehen davon ist hier die Rechtsfolge des § 34a AsylVfG allenfalls optional und von einer Ermessensentscheidung der Beklagten abhängig. Vor diesem Hintergrund liegt es eher ferne, davon auszugehen, dass die genannte zwingende Voraussetzung einer jeden Umdeutung vorliegen könnte.
Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren vertieften Ausführungen zu der von der Beklagten angedachten dritten Fallvariante einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus durch den ersten Mitgliedstaat. Angesichts der Tatsache, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen könnten, ist nicht ersichtlich, dass im Berufungsverfahren der Frage nachzugehen sein könnte, wie zu verfahren wäre, wenn sich nach Erlass einer auf § 27a i.V.m. § 30 Abs. 6 und § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützten Verfügung herausstellen sollte, dass der Klägerin bereits in Italien der Flüchtlingsstatus oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sein sollte. Lediglich der Vollständigkeit halber verweist der Senat darauf, dass - entgegen der Auffassung der Beklagten - die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.06.2014 (10 C 7.13) in Bezug auf eine Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht unmittelbar übertragen werden kann, weil § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur auf § 60 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG verweist und gerade nicht auf Satz 2, weshalb sich jedenfalls insoweit keine Bindung der Bundesrepublik Deutschland an eine anderweitige Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ergeben könnte.
10 
Angesichts dessen kann der Senat offen lassen, ob der Antrag nicht auch deshalb unzulässig ist, weil er allein Erwägungen zur Anwendung der VO Dublin III enthält, die angegriffene Entscheidung aber von der Anwendbarkeit der VO Dublin II ausgeht, was jedoch von der Beklagten mit durchgreifenden Rügen nicht infrage gestellt wurde.
11 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylVfG.
12 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Bescheid vom 04.03.2014, Aktenzeichen 565###9 - 272, wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine im Rahmen des Dublin-Systems angeordneten Abschiebung in die Niederlande.

Der am ....1981 in ... geborene Kläger, eigenen Angaben zufolge sierra-leonischer Staatsangehöriger, reiste wiederum eigenen Angaben zufolge am 15.07.2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 31.07.2013 einen Asylantrag stellte.

Am 12.12.2013 führte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) die Befragung zur Vorbereitung der Anhörung zum Asylgesuch durch. Da im Anschluss daran der EURODAC-Datenabgleich einen Treffer hinsichtlich der Niederlande ergab, stellte das Bundesamt am 16.12.2013 ein Übernahmeersuchen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 (ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1 ff. - im Folgenden: Dublin-II-VO) an die Niederlande. Mit Schreiben vom 29.01.2014 akzeptierten die niederländischen Behörden das Wideraufnahmegesuch und erklärten sich bereit, den Kläger gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. b) und c) Dublin-II-VO aufzunehmen.

In Folge dessen entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 04.03.2014, zugestellt am 12.03.2014, dass der Asylantrag unzulässig ist. Gleichzeitig wurde die Abschiebung in die Niederlande angeordnet.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner am 13.03.2014 eingegangenen Klage. Gleichzeitig suchte er um einstweiligen Rechtsschutz gegen die Abschiebungsanordnung nach, der unter dem Aktenzeichen RN 5 S 14.30303 geführt und mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26.03.2014 abgelehnt wurde.

Mit Schreiben vom 29.09.2014 teilte die Beklagte mit, dass bis zum 26.09.2014 eine Abschiebung des Klägers in die Niederlande nicht erfolgte.

Der Kläger beantragt deshalb,

1. Der Bescheid der Beklagten vom 04.03.2014 (Aktenzeichen 565... - 272), zugestellt am 12.03.2014, wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der Asylantrag des Klägers zulässig ist und in Deutschland materiell behandelt wird.

3. Es wird festgestellt, dass der Kläger in Deutschland asylberechtigt ist, hilfsweise festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungshindernisse gemäß § 60 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage wird abgewiesen.

Zur Begründung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor:

Unabhängig von der Frage der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG kann ein wegen Unzulässigkeit des Antrags ablehnender Bescheid nur aufgehoben werden, wenn nach § 71a AsylVfG die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vorliegen. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Bundesrepublik für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Beides müsse hier aber verneint werden. Allein der Ablauf der Überstellungsfrist rechtfertige eine Aufhebung des Bescheids nicht.

Habe ein früheres Asylverfahren in einem anderen Mitgliedsstaat zur Zuerkennung subsidiären europarechtlichen Schutzes geführt, ergebe sich die Unzulässigkeit des Antrags schon aus § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Aber auch wenn ein früheres Asylverfahren erfolglos abgeschlossen worden sei, könne die Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheids nicht verlangt werden, weil mangels rechtlichen Vorteils es insoweit am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Jedenfalls könne eine Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG vorgenommen werden, weil das Bundesamt einen auf das gleiche Ziel gerichteten Verwaltungsakt in gleicher Form hätte erlassen können. Bei beiden Tenorierungen sei nämlich die Ablehnung der materiellen Prüfung des Asylantrags das Ziel.

Mit Schreiben vom 29.09.2014 verzichtete die Beklagte auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Dem schloss sich der Kläger mit Schreiben vom 14.10.2014 an. Mit Beschluss vom 04.11.2014 übertrug die Kammer die Entscheidung auf den Einzelrichter.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf das den Kläger betreffende Aktengeheft des Bundesamtes, das dem Gericht vorgelegen hat, Bezug genommen.

Gründe

Die auf Aufhebung des Bescheids gerichtete Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) ist zulässig und begründet, weil der streitgegenständliche Bescheid im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) rechtswidrig ist und den Kläger zumindest in seinem Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens gemäß Art. 16a Abs. 1 GG bzw. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO verletzt. Nach Ablauf der hier maßgeblichen 6-monatigen Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO ist die Beklagte (erneut) verpflichtet, die Prüfung des Asylantrags aufzunehmen. Der Bescheid kann nicht wegen Unzulässigkeit der Asylanträge bei Vorliegen ausländischer Anerkennungsentscheidungen oder aufgrund parallel laufender Asylverfahren bzw. im Wege der Umdeutung nach § 47 VwVfG als Sachentscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG aufrechterhalten werden.

Die daneben gestellten Feststellungsanträge sind unzulässig bzw. unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die im Klageantrag zu 2) begehrte Feststellung, dass die Beklagte für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist. Der Klageantrag zu 3) auf Feststellung der Asylberechtigung, hilfsweise auf Feststellung von Abschiebungsverboten, ist unzulässig, weil beiden Rechtsschutzziele primär mit der Verpflichtungsklage geltend zu machen sind. Die Feststellungsklage ist diesbezüglich gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage unzulässig. Im Einzelnen:

1. Mit Einverständnis der Parteien konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

2. Der streitgegenständliche Bescheid, mit dem der Asylantrag des Klägers als unzulässig zurückgewiesen wurde, findet im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nach Ablauf der Überstellungsfrist keine gesetzliche Grundlage mehr.

a. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Damit ist § 27a AsylVfG die zentrale Norm des nationalen Verfahrensrechts zur Verwirklichung eines einheitlichen europäischen Asylrechts mit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung und der Lastenverteilung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Grundsätzlich soll innerhalb der Europäischen Gemeinschaft nur ein Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig sein. Deshalb wurde auf der Grundlage des Art. 78 Abs. 2 lit. e des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Gemeinschaft (AEUV) die Dublin-II-VO erlassen. Sie enthält in Kapitel III eine Rangfolge von Kriterien, nach denen der zuständige Mitgliedsstaat bestimmt wird. Bei diesen Zuständigkeitsregeln handelt es sich um rein objektive zwischenstaatliche Regelungen, die keine individuelle Rechtsposition begründen (Günther, in: Kluth/Heusch, Beck’scher Online-Kommentar zum Ausländerrecht, § 27a Rn. 30). Der Kläger hat grundsätzlich, abgesehen von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen, kein vor den Gerichten einklagbares Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in einem bestimmten oder in dem für ihn zuständigen Staat (VGH BW, B.v. 06.08.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13).

Dieses „Zuständigkeitssystem“ suspendiert aber nicht das subjektiv öffentliche Recht jedes Asylbewerbers auf Durchführung eines Asylverfahrens. Im Hinblick auf die Beklagte resultiert dieser materielle Prüfungsanspruch letztlich aus Art. 16a Abs. 1 GG bzw. aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO, wonach die Mitgliedsstaaten zur Prüfung des Asylantrags verpflichtet sind. Nur wenn der Mitgliedsstaat bei der Prüfung des Asylantrags feststellt, dass an sich ein anderer Mitgliedsstaat für den Asylantrag zuständig ist, kann er seine eigene Prüfung beenden, den Antragsteller auf einen anderen Mitgliedsstaat verweisen und ihn dorthin abschieben.

Diese Zuständigkeitsverlagerung hat nach den Regelungen des Kapitels III der Dublin-II-VO jedoch stets zwei Voraussetzungen: Zum einen muss der Staat in dem Asylantrag gestellt wurde davon überzeugt sein, dass ein anderer Mitgliedsstaat zur Prüfung zuständig ist; zum anderen muss der ersuchte Mitgliedsstaat - je nach Fallkonstellation - der Aufnahme zustimmen bzw. mit der Wiederaufnahme einverstanden sein. Nur durch diese beiden Elemente wird letztlich ein Zuständigkeitsstreit verhindert und die materielle Prüfung des Asylantrags innerhalb der Europäischen Gemeinschaft sichergestellt.

b. Aus den vorstehenden Erwägungen wird nun deutlich, warum der streitgegenständliche Bescheid nach Ablauf der Überstellungsfrist rechtswidrig geworden ist.

Im vorliegenden Fall hat sich die Niederlande mit einer Wiederaufnahme nach Art. 20 Abs. 1 lit. b) und c) einverstanden erklärt. Die Bereitschaft der Wiederaufnahme ist jedoch gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO zeitlich begrenzt. Wird die Überstellung des Antragstellers nicht innerhalb einer Frist von 6 Monaten durchgeführt, fällt die Zuständigkeit wieder auf den ersuchenden Staat (hier die Beklagte) zurück. Ab diesem Zeitpunkt ist der ersuchte Staat nach den zwischenstaatlichen Zuständigkeitsregelungen nicht mehr verpflichtet, den Asylbewerber wiederaufzunehmen. Ab diesem Zeitpunkt entfällt somit die zweite Voraussetzung der Zuständigkeitsverlagerung, nämlich die sichere Bereitschaft des ersuchten Staates zur Aufnahme des Antragstellers bzw. Wiederaufnahme.

Deshalb findet die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Stütze mehr in § 27a AsylVfG. Der Asylantrag des Klägers kann nun nicht mehr als unzulässig abgewiesen werden, da die ursprüngliche Zuständigkeit des zunächst benannten Mitgliedsstaates nicht mehr gegeben ist. Die Beklagte hat auch keine Gründe vorgetragen, woraus sich die weitere Zuständigkeit des hier ersuchten Mitgliedsstaates ergeben soll.

c. Der Bescheid führt zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch zu einer Rechtsverletzung des Klägers. Er hat gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO bzw. Art. 16a Abs. 1 GG ein subjektiv öffentliches Recht auf Durchführung eins Asylverfahrens. Dieses Recht ist verletzt, wenn sich die Beklagte auch nach Ablauf der Überstellungsfrist weiter auf die zum Zeitpunkt des Bescheidserlass bestehenden Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedsstaates beruft.

Für die Rechtsverletzung kommt es nicht darauf an, ob der Fristablauf für den Kläger nunmehr ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland begründet. Durch den Fristablauf wird das Verfahren gleichsam in den Zustand zurückversetzt, indem es sich bei Antragstellung in Deutschland befunden hat. Damit lebt die Pflicht der Beklagten zur Behandlung des Asylantrags wieder auf. Im Anschluss daran muss die Beklagte prüfen, ob es sich um einen Erst- oder um einen Zweitantrag handelt.

Aus diesem Grund ist auch die im Klageantrag zu 2) begehrte Feststellung unbegründet, weil noch nicht feststeht, ob die Beklagte einen Asylantrag tatsächlich materiell behandeln muss. Es steht nämlich noch nicht fest, ob der Kläger bereits in einem anderen Mitgliedsstaat rechtskräftig mit seinem Asylbegehren abgelehnt wurde oder nicht. Folglich kann an dieser Stelle auch nicht entschieden werden, ob es sich bei dem klägerischen Antrag um einen Erst- oder Zweitantrag handelt. Im Übrigen besteht für eine solche Feststellung auch kein Rechtsschutzinteresse, weil die Beklagte nach Aufhebung des Bescheids ohnehin gesetzlich verpflichtet ist, das Verwaltungsverfahren wiederaufzunehmen. Eine dahingehende Feststellung wäre nur dann notwendig, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie auch nach Aufhebung des Bescheides untätig bleiben will. Dafür bestehen aber keine Anhaltspunkte.

3. Nachdem die Ziffer 1) des Bescheids rechtswidrig geworden ist und der Asylantrag zunächst nicht mehr unzulässig ist, ist auch für eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kein Raum mehr. Aus diesem Grund war auch die Ziffer 2) des Bescheids aufzuheben.

4. Soweit die Beklagte auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 17.6.2014 - 10 C 7/13) Bezug nimmt, wonach es bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt sei, weil ein gleichwohl gestellter Antrag unzulässig sei, ist der Bezug zum vorliegenden Fall nicht erkennbar. Der Kläger ist im ursprünglich zuständigen Mitgliedsstaat nach Aktenlage weder als Flüchtlinge anerkannt worden noch wurde ihm subsidiärer Schutz gewährt.

5. Der streitgegenständliche Bescheid kann auch nicht im Wege der Umdeutung gemäß § 47 VwVfG als eine ablehnende Entscheidung über einen Zweitantrag aufrecht erhalten werden, weil mehrere Voraussetzungen der Umdeutung sowohl im Hinblick auf die Ziffer 1), als auch bzgl. Ziffer 2) des Bescheids fehlen.

a. Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt den Verwaltungsakt in den umgedeutet werden soll bereits „enthält“ (Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 47 Rn. 33). Dies bedeutet zwar nicht, dass der Regelungsausspruch unverändert bleiben muss; nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen aber zwischen der umzudeutenden und der durch die Umdeutung erzeugten Regelung keine wesentlichen rechtlichen Unterschiede bestehen d. h. der neue Verwaltungsakt muss die gleiche materiell-rechtliche Tragweite besitzen (BVerwG, U. v. 28.02.1975 - IV C 30.73 - juris Rn. 27 m. w. N.).

b. Hinsichtlich der Ziffer 1) ist diese Voraussetzung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht (mehr) erfüllt, weil jetzt die Ablehnung der Prüfung des Zweitantrags die ursprünglich im Dublin-Verfahren ergangene Entscheidung in ihrer rechtlichen Tragweite deutlich übersteigt. Nach Ablauf der Überstellungsfrist hat die Ablehnung des Zweitantrags eine entscheidende andere Rechtswirkung.

Die Entscheidung im Dublin Verfahren erschöpft sich nämlich in der Beantwortung der Zuständigkeitsfrage. Für § 27a AsylVfG kommt es nur darauf an, ob die Beklagte nach dem Dublin-Regime für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die gleiche Frage stellt sich zunächst auch bei § 71a Abs. 1 AsylVfG, wonach in Deutschland nur dann ein Zweitverfahren durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik für das Zweitverfahren zuständig ist. Insoweit deckt sich die materiell-rechtliche Tragweite beider Entscheidungen. Dieses Deckungsverhältnis besteht aber nur solange, solange sichergestellt ist, dass die Beklagte nicht zur Prüfung des Zweitantrags zuständig ist. Eine Entscheidung nach § 27a AsylVfG und § 71a AsylVfG unterscheidet sich während offener Überstellungsfrist nicht. Hier wie dort wäre der materiell-rechtliche Gehalt der Entscheidung identisch, denn er würde sich in der Aussage erschöpfen, dass die Bundesrepublik Deutschland für das jeweilige Verfahren nicht zuständig ist. Daneben würde, ebenso wie bei § 27a AsylVfG, gemäß § 71a Abs. 4 i. V. m. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG eine Abschiebungsanordnung in den zuständigen Staat erfolgen. Denn solange die Beklagte für den Zweitantrag nicht zuständig ist, kommt es auf Wiederaufnahmegründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht an.

Sobald jedoch die Überstellungsfrist abgelaufen ist, kommt die von der Beklagten beabsichtigte Umdeutung nicht in Betracht, denn sie verändert in maßgeblicher Hinsicht die materiell-rechtliche Tragweite der Entscheidung. Ab diesem Zeitpunkt verneint der Bescheid nämlich Wiederaufgreifensgründe und zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse. Die Beklagte müsste nämlich im Rahmen des Zweitantrags nicht nur die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, sondern gemäß § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 24 Abs. 2 AsylVfG auch die zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG prüfen. Damit würde aber der Bescheid ganz andere Rechtswirkungen erhalten, die in dem ursprünglichen Ausgangsbescheid keine Rolle gespielt haben und somit darin auch nicht enthalten waren. Deshalb scheidet die von der Beklagten vorgenommenen Umdeutung der Ziffer 1) des Bescheids bereits an der Zielgleichheit des Umdeutungsergebnisses aus.

c. Aus dem gleichen Grund kann auch die Abschiebungsanordnung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedsstaat nach § 34a AsylVfG nicht in eine Abschiebungsandrohung in das Herkunftsland umgedeutet werden (Ziffer 2). Auch hier fehlt es offensichtlich an der Zielgleichheit des Umdeutungsergebnisses. Zudem wäre die Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat zur Abschiebung in den Mitgliedsstaat eine vergleichsweise ungünstigere Rechtsfolge. Demnach steht § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG der Umdeutung entgegen.

d. Schließlich scheitert die Umdeutung auch an den verfahrensrechtlichen Voraussetzung. Für den durch Umdeutung gewonnenen Verwaltungsakt dürfen nämlich keine Verfahrensvorschriften gelten, die bei dem ursprünglichen Verwaltungsakt nicht eingehalten worden sind (Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 11. Auflage 2010, § 47 Rn. 17). Dadurch wird sichergestellt, dass jedenfalls die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, die die Behörde hätte beachten müssen, wenn sie den Verwaltungsakt schon ursprünglich in der nunmehr gewollten Form hätte erlassen wollen.

Hier hat es die Beklagte unterlassen, den Kläger zu den maßgeblichen Tatsachen des Zweitantrags (materielle Fluchtgründe und Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG) nach § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG anzuhören. Nach dem vorgelegten Behördenakt hat die Beklagte lediglich eine Befragung zur Vorbereitung der Anhörung nach § 25 AsylVfG durchgeführt. Ergebnis war dann die Einleitung eines Dublin-Verfahrens und der Erlass des streitgegenständlichen Bescheids. Eine Gelegenheit zum Vortrag materieller Fluchtgründe oder zur Klärung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG bestand nie. Von der Anhörung konnte auch nicht nach § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG abgesehen werden, da dies nur dann möglich ist, wenn die Anhörung für die Feststellung der Voraussetzungen nicht erforderlich ist. Hier war die Anhörung aber notwendig, weil die Beklagte mangels weiterer Angaben noch nicht mal entscheiden konnte, ob es sich um einen Zweitantrag handelt bzw. ob Wideraufnahmegründe vorliegen. Ausweislich des Behördenakts ist bereits unklar, ob ein Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat erfolglos durchgeführt wurde oder nicht. Dies wird die Beklagte erst noch klären müssen (vgl. zu alldem auch VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217).

6. Nachdem die Umdeutung des streitgegenständlichen Bescheids ausscheidet, erlangt der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten auch einen rechtlichen Vorteil. Nach Aufhebung des Bescheids ist die Beklagte verpflichtet das Verwaltungsverfahren wiederaufzunehmen.

7. Da der Kläger in der Hauptsache teilweise obsiegt hat und teilweise unterlegen ist, waren die Kosten untereinander gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 zu teilen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine auf § 34a Abs. 1 AsylVfG gestützte Anordnung seiner Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat.
Der am … 1986 geborene Antragsteller, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 24.03.2014 einen Asylantrag. Bei dem an diesem Tag durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) geführten Gespräch zur Bestimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaats erklärte der Antragsteller, er sei am 03.04.2014 oder dem Folgetag von Islamabad nach Deutschland geflogen. Er wisse nicht, auf welchem Flughafen er angekommen sei. Er habe in keinem anderen Staat Asyl beantragt. Auf die Unterstützung von Kindern, Geschwistern oder Eltern, die sich in einem Dublin-Mitgliedstaat aufhielten, sei er nicht angewiesen. Er wolle in keinen anderen Staat überstellt werden, weil sein Vater und seine beiden Brüder in Deutschland lebten.
Am 22.04.2014 stellte die Antragsgegnerin ein Wiederaufnahmegesuch gem. Art. 18 Abs. 1b der Verordnung (EU) Nr. 604/13 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180 S. 31) - Dublin III-VO - an die Schweizerische Eidgenossenschaft, weil der Antragsteller am 07.02.2014 dort Asyl oder die Anerkennung als Flüchtling beantragt habe. Mit Email vom 24.04.2014, bei der Antragsgegnerin am 25.04.2014 eingegangen, erklärte die Schweizerische Eidgenossenschaft ihre Verpflichtung zur Wiederaufnahme des Antragstellers gem. Art. 18 Abs. 1d Dublin III-VO.
Mit Bescheid vom 02.07.2014 erklärte das Bundesamt den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung in die Schweiz an. Der Asylantrag sei nach § 27a AsylVfG unzulässig, weil die Schweiz aufgrund eines bereits dort gestellten Antrags gem. Art. 18 Abs. 1d Dublin III-VO zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Anordnung der Abschiebung beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 07.07.2014 zugestellt.
Der Antragsteller hat am 11.07.2014 den vorliegenden Eilantrag gestellt und eine Klage erhoben, die beim Verwaltungsgericht Karlsruhe unter dem Aktenzeichen A 5 K 2025/14 anhängig ist.
Er beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung aus dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.07.2014 anzuordnen.
Zur Begründung trägt er vor: Bereits bei Stellung seines Asylantrags habe er darauf hingewiesen, dass sein Vater und zwei Brüder im Bundesgebiet wohnten und er deshalb hier leben wolle. Sein Vater besitze die deutsche Staatsbürgerschaft; die Brüder verfügten jeweils über eine Niederlassungserlaubnis. Er sei auch erheblich und ernsthaft körperbehindert im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO. Als Kind habe er Kinderlähmung gehabt und könne sein rechtes Bein nicht richtig bewegen. Er sei auf die Unterstützung und Hilfe durch seine Verwandten in besonderem Maße angewiesen. Der Antragsteller hat ein ärztliches Attest vom 25.07.2014 vorgelegt, in dem ausgeführt wird, der Antragsteller habe angegeben, er leide an einer Muskelschwäche im rechten Bein und sei sehr unsicher beim Gehen mit erheblicher Sturzneigung; beim Treppensteigen könne er das rechte Bein nicht alleine auf die nächste Stufe setzen, sondern müsse es mit der Hand hochheben. Als Diagnose wird in dem Attest festgestellt: „Muskelatrophie und Sensibilitätsstörung des linken [sic] Beines, vereinbar mit dem Folgezustand nach Kinderlähmung im Kindesalter“.
Weiterhin trägt der Antragsteller vor, dass die Überstellungsfrist gem. Art. 29 Dublin III-VO am 24.10.2014 abgelaufen sei und daher die Abschiebung in die Schweiz nunmehr unzulässig sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Schweiz nach Fristablauf bereit sei, ein Asylverfahren durchzuführen.
10 
Die Antragsgegnerin beantragt,
11 
den Antrag abzulehnen.
12 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Behördenakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
13 
1. Der Eilantrag, über den nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG der Einzelrichter entscheidet, ist zulässig, insbesondere nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG (in der aktuellen Fassung des Artikel 1 Nr. 27b des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl. I S. 3474) statthaft; der in der Hauptsache erhobenen Klage kommt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zu.
14 
2. Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
15 
Das Verwaltungsgericht kann nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn das Suspensivinteresse des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse überwiegt. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, die sich maßgeblich an den Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs orientiert.
16 
Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, weil die angefochtene Abschiebungsanordnung voraussichtlich rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.
17 
Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnung ist § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
18 
2.1. Dass die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit der Schweizerischen Eidgenossenschaft nach § 27a AsylVfG i.V.m. Art. 18 Abs. 1d Dublin III-VO vorliegen, d.h. dass der Antragsteller in der Schweiz einen Asylantrag gestellt hat, der dort abgelehnt worden ist, hat der Antragsteller nicht bestritten. Die Behördenakten und der in ihr enthaltene zwischenstaatliche Schriftwechsel geben insoweit auch zu keinen Zweifeln Anlass. Die Schweizerische Eidgenossenschaft hat ausdrücklich ihre Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1d Dublin III-VO erklärt.
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2.2 Der bereits erklärten Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1d Dublin III-VO der Schweiz geht auch nicht eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO vor. Dabei kann offen bleiben, ob Art. 16 Dublin III-VO überhaupt Anwendung findet, wenn in einem anderen Mitgliedstaat bereits ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt worden ist; dagegen könnte sprechen, dass der Sinn der Dublin III-VO in der Sicherstellung einer einmaligen materiellen Antragsprüfung besteht und daher nach Abschluss eines Prüfungsverfahren ein neue Zuständigkeit nicht geltend gemacht werden kann, wenn nicht gleichzeitig auch neue materielle Schutzgründe vorgetragen werden, was vorliegend nicht der Fall ist.
20 
Jedenfalls liegen hier bereits nicht die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO vor. Aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt sich nicht, dass er auf die Unterstützung seines Vaters oder seiner Brüder angewiesen ist. Zwar behauptet der Antragsteller dies in allgemeiner Form, ohne jedoch im Einzelnen nachvollziehbar darzulegen, worin diese Unterstützung besteht. Auch aus dem von ihm vorgelegten ärztlichen Attest ergibt sich nur, dass er an einer Muskelschwäche und Sensibilitätsstörung in einem Bein leidet; das Attest enthält aber keine Anhaltspunkte dafür, dass dies eine ernsthafte Behinderung darstellen könnte, die eine Unterstützung durch eine dritte Person erfordert. Zudem hat der Antragsteller bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt nur erwähnt, dass seine Verwandten sich in Deutschland aufhalten, nicht dagegen die Notwendigkeit einer Unterstützung. Im Übrigen fehlt es auch an der nach Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO erforderlichen schriftlichen Kundgabe des Unterstützungswunsches durch die Verwandten.
21 
2.3 Der Antragsteller kann auch keinen Verstoß der Abschiebungsanordnung gegen Art. 17 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO geltend machen.
22 
Diese Vorschrift gewährt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, nach ihrem Ermessen einen Antrag auf internationalen Schutz auch abweichend von den Zuständigkeitsregeln der Dublin III-VO zu prüfen. Nach Wortlaut und Sinn handelt es sich hier um eine ausschließlich an die Mitgliedstaaten gerichtete Vorschrift, die - im Unterschied zu den konkreten Zuständigkeitsregelungen der Verordnung - den schutzsuchenden Antragstellern keine subjektiven Rechte einräumt (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 13 B 12064/14 –, juris; VG Schwerin, Beschluss vom 26. September 2014 – 3 B 655/14 As –, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juni 2014 – 13 L 1196/14.A –, juris; a.A. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand November 2013, § 27a Rn. 52 m.w.N. zum Streitstand). Im Übrigen ergeben sich aus dem Vorbringen des Antragstellers keine hinreichenden Gesichtspunkte dafür, einen solchen Selbsteintritt zu erwägen. Denn der Antragsteller beruft sich nur auf Gesichtspunkte - familiäre Beziehungen und körperliche Einschränkungen -, die von den konkreten Zuständigkeitsregelungen der Dublin III-VO bewusst nur unter hier nicht vorliegenden weiteren Voraussetzungen als zuständigkeitsbegründend ausgestaltet worden sind (vgl. Art. 8 bis 11 Dublin III-VO zu Familienangehörigen und Art. 16 Dublin III-VO zu schwerer Krankheit und ernsthafter Behinderung). Die bloße Nichterfüllung dieser Voraussetzungen stellt aber noch keinen hinreichenden Grund für die Prüfung des Selbsteintrittsrechts dar.
23 
2.4 Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Zuständigkeit der Schweizerischen Eidgenossenschaft bislang auch nicht gem. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO wegen eines Ablaufs der Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO entfallen, was im vorliegenden Gerichtsverfahren nach § 77 Abs. 1 AsylVfG in zeitlicher Hinsicht zu beachten wäre.
24 
Der Antragsteller kann allerdings eine Zuständigkeitsbegründung durch Überschreiten der Überstellungsfrist geltend machen, weil die Fristregelung des Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO drittschützend ist. Bereits auf Grundlage der zur Dublin II-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. Nr. L 50 S. 1) entwickelten herrschenden Auffassung, dass die Zuständigkeitsregelungen des Dublin-Systems sich nur an die Mitgliedstaaten adressieren und dem Flüchtling kein subjektives Recht darauf einräumen, dass der Antrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird, wurde angenommen, dass der Flüchtling ein schutzwürdiges Interesse daran besitzt, dass sein Schutzgesuch innerhalb eines angemessenen Zeitraums geprüft wird und er daher gegen eine Rücküberstellung deren Rechtswidrigkeit wegen Zuständigkeitsübergangs infolge Fristablaufs als eigene Rechtsverletzung geltend machen kann (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.08.2013 – 12 S 675/13 -, juris; VG Hamburg, Urteil vom 15.03.2012 – 10 A 227/11 -, juris). Dies gilt umso mehr, als die Dublin III-VO im Unterschied zu ihrer Vorgängervorschrift die Bedeutung des subjektiven Rechtsschutzes im Dublin-Verfahren deutlich verstärkt hat, indem dem Betroffenen ein Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch ein Gericht eingeräumt wird (Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO). Da dieser Rechtsbehelf nach dem Erwägungsgrund Nr. 19 der Verordnung auch die „Prüfung der Anwendung der Verordnung“ umfassen soll, ist im Zweifel von einem drittschützenden Charakter der Dublin-Regelungen auszugehen, soweit sie konkrete Zuständigkeitsbestimmungen enthält (a.A. VG Ansbach, Urteil vom 19.08.2014 - AN 1 K 14.50026 - juris).
25 
Die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO ist hier aber noch nicht abgelaufen; denn sie beginnt in der vorliegenden Konstellation eines Eilantrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung frühestens mit der Entscheidung über den Eilantrag selbst.
26 
Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO sieht zwei alternative Zeitpunkte für den Beginn der Überstellungsfrist von sechs Monaten vor: Die Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs oder die endgültige „Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.“ Die zweite Alternative ist unter Zugrundelegung der deutschen juristischen Terminologie schief formuliert. Da nicht die Entscheidung über einen Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, sondern der Rechtsbehelf selbst aufschiebend wirkt (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hätte aus deutscher Sicht die Formulierung „wenn dieser oder diese … aufschiebende Wirkung hat“ nahegelegen. Jedoch kann nicht erwartet werden, dass Rechtstexte der Europäischen Union, die einen gemeinsamen Rechtsstandard setzen sollen, dem nationalen juristischen Sprachgebrauch bis ins Detail entsprechen. Die englische und französische Fassungen dieser Regelung („within six months … of the final decision on an appeal or review where there is a suspensive effect in accordance with Article 27(3)“; „dans un délai de six mois à compter … de la décision définitive sur le recours ou la révision lorsque l’effet suspensif est accordé conformément à l’article 27, paragraphe 3“) bringen dagegen den Regelungsgehalt etwas klarer zum Ausdruck: Die Sechsmonatsfrist beginnt erst dann mit der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn eine aufschiebende Wirkung nach Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO eingetreten ist.
27 
§ 27 Abs. 3 Dublin III-VO regelt, wie sich das in § 27 Abs. 1 Dublin III-VO zwingend vorgesehene nationale Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung - also in Deutschland die Klage gegen die Abschiebungsanordnung - auf deren Vollziehung auswirkt. Hierfür werden den Mitgliedstaaten drei Regelungsoptionen eingeräumt, mit denen ersichtlich den in den verschiedenen Rechtssystemen der Mitgliedstaaten bestehenden Ausformungen des vorläufigen Rechtsschutzes Rechnung getragen werden soll. Eine Hilfe zum leichteren Verständnis der Vorschrift bietet insoweit die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament betreffend den Standpunkt des Rates vom 10.06.2013 - COM(2013) 416 final, in der die drei Optionen näher erläutert werden. Buchstabe a) beschreibt danach ein System der automatischen aufschiebenden Wirkung („wenn ein Rechtsbehelf eingelegt wurde, hat der Betroffene immer das Recht, im Hoheitsgebiet zu bleiben, bis darüber entschieden ist“, S. 4 der Mitteilung). Dieses System ist in Deutschland offensichtlich nicht eingeführt worden. Gleiches gilt für Buchstabe b), eine „automatische aufschiebende Wirkung für befristete Zeit“ (a.a.O.), die dem deutschen Verwaltungsprozessrecht fremd ist. Dem herkömmlichen deutschen System vorläufigen Rechtsschutzes entspricht Buchstabe c), die „aufschiebende Wirkung auf Ersuchen“ (a.a.O.). Allerdings findet sich hier - im Vergleich zu § 80 Abs. 5 VwGO - die Besonderheit, dass der Antrag auf Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung seinerseits aufschiebende Wirkung haben muss, die bis zu der Entscheidung über ihn andauert (vgl. S. 4 der Mitteilung der Kommission, a.a.O.: „die Überstellung [wird] nicht bei allen Antragstellern, die einen Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung eingelegt haben, automatisch ausgesetzt …, sondern nur wenn Antragsteller darum ersuchen; die Überstellung wird dann ausgesetzt, bis das Gericht oder das Tribunal über die Angelegenheit entschieden hat“). Dieser Vorgabe hat der deutsche Gesetzgeber durch § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG Rechnung getragen, wonach bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung über den Eilantrag gegen die Abschiebungsanordnung keine Abschiebung zulässig ist (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 14.08.2014 - 5 L 231/14.A -, juris; Hailbronner, AuslR, Stand Dezember 2013, § 34a AsylVfG Rn. 41. Die Gesetzesmaterialien erwähnen diesen auf der Hand liegenden Zusammenhang allerdings nicht, vgl. BT-Drs. 1713556, S. 7). Zu unterscheiden sind demnach zwei Arten der aufschiebenden Wirkung: Die (herkömmliche) aufschiebende Wirkung einer Klage, die nach § 80 Abs. 5 VwGO durch das Verwaltungsgericht angeordnet werden muss, und die (neu eingeführte) aufschiebende Wirkung des Eilantrags, die nach § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG von Gesetzes wegen eintritt. Beide Arten werden in Art. 27 Abs. 2 Buchstabe c Dublin III-VO als „Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung“ bzw. abgekürzt als „Aussetzung der Überstellungsentscheidung“ bezeichnet.
28 
Daher ist es möglich, dass Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO mit der Formulierung „gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung“ beide Formen der aufschiebenden Wirkung meint; da Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO pauschal auf Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO und damit alle dort enthaltenen Fälle verweist, erscheint dies im Rahmen einer systematischen Auslegung auch naheliegend (ebenso VG Cottbus, a.a.O.; der VGH Baden-Württemberg geht demgegenüber von einer Regelungslücke aus, Beschluss vom 27.08.2014 - A 11 S 128514 -, juris).
29 
Für die Konstellation, in der ein Eilantrag nach Art. 27 Abs. 3 Buchstabe c Dublin III-VO, § 80 Abs. 5 VwGO aufschiebende Wirkung hat, muss weiterhin geklärt werden, welche Entscheidung nach Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO die „endgültige Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung“ ist, mit der die Überstellungsfrist beginnt. In Betracht kommt zum einen die Entscheidung über den Eilantrag selbst, mit der die aufschiebende Wirkung endet, zum anderen die Entscheidung über die Klage, mit der die Rechtmäßigkeit der Überstellungsentscheidung festgestellt wird.
30 
Der Wortlaut der Art. 29 Abs. 1 Satz 1, 27 Abs. 3 Buchstabe c Dublin III-VO könnte zwar für letzteres sprechen. Denn Art. 27 Abs. 1 bis 3 Dublin III-VO verwendet das Begriffspaar „Rechtsbehelf oder Überprüfung“ durchgängig in dem Kontext des Rechtsmittels gegen die Überprüfungsentscheidung, während im Zusammenhang mit der gerichtlichen Entscheidung über die aufschiebende Wirkung dieses Rechtsmittels von „Antrag auf Aussetzung“ gesprochen wird. Jedoch erklärt sich diese unterschiedliche Terminologie aus der Notwendigkeit, innerhalb des Art. 27 Abs. 3 Buchstabe c Dublin III-VO zwischen dem Verfahren zur Überprüfung der Überstellungsentscheidung und dem (Zwischen)verfahren zur Klärung der aufschiebenden Wirkung zu unterscheiden; aus diesem Grund wird am Anfang von Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO auch genau von einem Rechtsbehelf oder einer Überprüfungsentscheidung „gegen eine Überstellungsentscheidung“ gesprochen; dieser Zusatz kann im Verlauf der Vorschrift weggelassen werden, weil für das vorläufige Rechtsschutzverfahren von „Antrag auf Aussetzung“ gesprochen wird. In Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO besteht nach seinem Regelungszweck dagegen kein Grund, zwischen beiden Verfahrensarten zu unterscheiden, so dass der Begriff Rechtsbehelf hier allgemein verstanden werden kann (wie hier wohl VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 19.09.2014 - 6 L 586/14.A -, juris; a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.09.2014 - 13 A 1347/14.A -, juris.). In seiner allgemeinen Bedeutung umfasst der Begriff des Rechtsbehelfs aber auch Eilanträge auf Aussetzung der Vollziehbarkeit (vgl. etwa das Urteil des EuGH vom 30.05.2013 – C-168/13 PPU -, EuGRZ 2013, 417, zu einem „Rechtsbehelf“, mit dem der „Vollzug“ einer Entscheidung „ausgesetzt“ wird; auch in der Petrosian-Entscheidung hat der EuGH es als möglich angesehen, dass unter Rechtsbehelf ein Eilverfahren über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung verstanden wird, Urteil vom 29.01.2009 – C-19/08 -, Rn. 33).
31 
Dieses Ergebnis, wonach die Überstellungsfrist in dem Fall, in dem ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt wird, frühestens mit der endgültigen Entscheidung über diesen Eilantrag beginnt, entspricht vor allem aber Sinn und Zweck des Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO. Zu der Vorgängerregelung, die sich insoweit nicht wesentlich von den vorliegenden Vorschriften unterscheiden, hat der EuGH in dem oben genannten Urteil in der Sache Petrosian bereits herausgearbeitet, die Überstellungsfrist verfolge „in Anbetracht der praktischen Komplexität und der organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung einhergehen, das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Vorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgen“ (a.a.O., Rn. 40). Es handelt sich also um eine Durchführungsfrist zur Organisation und Durchführung der Überstellung. Daher soll diese Frist erst ab dem Zeitpunkt laufen, zu dem „grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben“ (a.a.O., Rn. 45). Dies ist nach der Petrosian-Entscheidung nicht der Fall, wenn eine Gerichtsentscheidung erst die aufschiebende Wirkung einer Klage angeordnet hat, aber über die Klage noch nicht entschieden worden ist (a.a.O., Rn. 46). Ansonsten würde sich die Umsetzungsfrist um die Zeit des Klageverfahrens, während der aufgrund der aufschiebenden Wirkung keine Überstellung möglich ist, verkürzen, was ihrem Zweck gerade zuwiderlaufen würde (a.a.O., Rn. 50).
32 
Hieraus ergibt sich notwendigerweise, dass die Überstellungsfrist erst nach Ende der aufschiebenden Wirkung des Eilverfahrens erneut beginnen kann, denn erst dann ist die Überstellung rechtlich möglich und erst ab diesem Zeitpunkt benötigt der Mitgliedstaat den Zeitraum von sechs Monaten, der ihm für die Durchführung der Überstellung eingeräumt sind. Die hiermit verbundene Verfahrensverzögerung wird von dem EuGH im Interesse der Mitgliedstaaten bewusst hingenommen und kann daher nicht als Grund dafür verwendet werden, gegen Wortlaut und Systematik der Art. 27 und 29 Dublin III-VO trotz des Eintritts einer aufschiebenden Wirkung die Überstellungsfrist bereits mit der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs beginnen zu lassen (so aber VG Magdeburg, Beschluss vom 02.06.2014 – 9 B 207/14 -, juris) oder im Wege einer Rechtsfortbildung von einer Fristhemmung während des Eilverfahrens auszugehen (so VGH Mannheim, a.a.O.). Die Stellung des Eilantrags wirkt also nach deutscher Terminologie als Unterbrechung der Frist, die frühestens mit der negativen Entscheidung über den Antrag neu beginnt (wie hier VG Frankfurt, Beschluss vom 19.09.2014 - 6 L 586/14.A -; VG Dresden, Beschluss vom 19.08.2014 - A 2 L 681/14 -; VG Cottbus, Beschluss vom 14.08.2014 - 5 L 231/14.A -; VG Hamburg, Beschluss vom 04.06.2014 - 10 AE 2414/14 -; VG Göttingen, Beschluss vom 28.11.2013 - 2 B 887/13 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.04.2014 - 2 L 55/14.A -; VG Leipzig, Beschluss vom 28.02.2014 - A 6 L 360/13 -; VG Regensburg, Beschluss vom 13.12.2013 - RO 9 S 13.30618 - [alle in juris]; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand November 2013, § 27a Rn. 227. Anderer Auffassung: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.09.2014 - 13 A 1347/14.A - [noch zur Dublin II-VO]; VG Karlsruhe, Beschluss vom 15.04.2014 - A 1 K 25/14 -); VG Göttingen, Beschluss vom 30.06.2014 - 2 B 86/14 [zur Dublin II-VO] ; VG Hannover, Beschluss vom 31.03.2014 - 1 B 6483/14 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 7136/13 - [alle in juris]; BeckOK AuslR/Pietsch AsylVfG § 34a Rn. 13.1; Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 27a Rn. 95).
33 
3. Abschiebungshindernisse, die der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich.
34 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.
35 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. September 2014 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15. Mai 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist nach eigenen Angaben pakistanischer Staatsangehöriger und reiste am 22. November 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte am 4. Dezember 2013 Asylantrag.

Bereits bei der Anhörung zur Identitätsklärung durch die Regierung von Oberbayern am ... Dezember 2013 teilte die Mutter des Klägers mit, dass sie am 22. Juli 2012 mit ihrer Tochter und dem Kläger auf dem Luftweg nach Belgien gereist sei und sich dort 17 Monate aufgehalten habe. Am 24. Juli 2012 habe sie mit ihrer Tochter und dem Kläger in Belgien Asyl beantragt. Der Asylantrag in Belgien sei ebenso wie zwei Folgeanträge abgelehnt wurde. Sie habe ein Schriftstück mit der endgültigen Ablehnung und der Ausreisepflicht bis 24. November 2013 erhalten. In der Folge sei sie mit ihren Kindern nach Deutschland gereist und habe sich dort asylsuchend gemeldet.

Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten an Belgien vom 14. Februar 2014 erklärte Belgien am 18. Februar 2014 seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers.

Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 6. Mai 2014 hat der Kläger die Angaben seiner Mutter bestätigt.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2014, zugestellt am 19. Mai 2014, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziff. 1) und ordnete die Abschiebung nach Belgien an (Ziff. 2).

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Belgien aufgrund des dort bereits abgelehnten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) Dublin-II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Da auch im Verfahren der Mutter und der Schwester des Klägers die Abschiebung nach Belgien angeordnet worden sei, könne es auch zu keiner Trennung des Klägers von seinen Familienangehörigen kommen. Der Asylantrag werde in der Bundesrepublik nicht materiell geprüft. Die Anordnung der Abschiebung nach Belgien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Mit Schriftsatz vom ... Mai 2014, bei Gericht am selben Tag eingegangen, hat der Kläger durch seinen damaligen Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes vom 15. Mai 2014 aufzuheben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid sei insbesondere deshalb rechtswidrig, weil er auf einer Rechtsgrundlage beruhe, die unbeachtlich sei. Die Vorschrift des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG verstoße gegen höherrangiges Recht. Sie sei nicht mit der Dublin-II-VO vereinbar und widerspreche insbesondere Art. 19 Abs. 2 Dublin-II-VO, da § 34a AsylVfG zwingend eine Abschiebung anordne. Art. 19 Abs. 2 Dublin-II-VO ermächtige hingegen lediglich zu einer Überstellung. Überstellungen und Abschiebungen seien nicht identisch. Art. 19 Abs. 2 Dublin-II-VO sehe die Möglichkeit vor, sich freiwillig zu überstellen und trage damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung. Dem widerspreche das AsylVfG durch die kompromisslose Anwendung des Zwangsmittels der Abschiebung.

Mit Beschluss vom 3. Juni 2014 hat das Gericht den gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt (Az. M 12 S 14.50278). Der Beschluss wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. Juni 2014 und dem Bundesamt am 16. Juni 2014 zugestellt.

Mit Schreiben vom ... Januar 2015 hat die jetzige Bevollmächtigte des Klägers ausgeführt, dass die Überstellungsfrist abgelaufen sei. Der Bescheid müsse daher aufgehoben werden. Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung sei sie einverstanden.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2015 hat die Beklagte ebenfalls auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Nach telefonischer Auskunft des Bundesamtes vom 10. Februar 2015 wurde der Kläger bislang nicht nach Belgien überstellt und die Überstellungsfrist wurde nicht verlängert.

Mit Beschluss vom 12. März 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Zum Sachverhalt im Übrigen wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

1. Die zulässige Klage ist begründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts erweist sich im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er kann auch nicht im Wege der Umdeutung nach § 47 VwVfG als Sachentscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG aufrechterhalten werden.

Maßgebend ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. Nr. L 50 S. 1 - nachfolgend: Dublin II-VO), da der Asylantrag vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden war. Die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO), die im Juli 2013 in Kraft getreten ist, ist nicht anwendbar (vgl. Art. 49 Dublin III-VO).

Die sechsmonatige Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Buchst d) Dublin-II-VO ist abgelaufen. Danach erfolgt die Überstellung eines Asylbewerbers nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat.

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob bezüglich des Fristbeginns auf den Zeitpunkt der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Belgien oder auf den Zeitpunkt der ablehnenden Eilentscheidung, die dem Bundesamt am 16. Juni 2014 zugestellt wurde, abzustellen ist, da die sechsmonatige Überstellungsfrist auch im letztgenannten Fall abgelaufen ist.

Der Bescheid ist damit objektiv rechtswidrig geworden. Denn der Fristablauf begründet gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO den Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte für die Prüfung des Asylbegehrens. Der Asylantrag ist damit nicht mehr nach § 27a AsylVfG wegen Unzuständigkeit der Beklagten unzulässig. Folglich kommt nach den einschlägigen europarechtlichen Regularien eine Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nach § 34a AsylVfG ebenfalls nicht mehr in Betracht (vgl. VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - juris Rn. 20).

Der Kläger ist hierdurch auch in seinen Rechten verletzt. Zwar handelt es sich bei den Dublin-Regularien an sich um rein objektive Zuständigkeitsvorschriften, welche grundsätzlich keine subjektiven Rechte der Asylantragsteller begründen (vgl. BeckOK AuslR/Günther AsylVfG § 27a Rn. 30; Anm. Berlit v. 16.6.2014 zu BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris). Wenn allerdings - wie hier - die Überstellungsfrist abgelaufen ist und allein die Zuständigkeit der Beklagten bleibt, kann der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens als notwendiger Bestandteil des materiellen Asylanspruchs gegenüber dem dann zuständigen Staat geltend gemacht werden (VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - juris Rn. 20).

Eine Umdeutung des maßgeblichen streitgegenständlichen Bescheides in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a Abs. 1 AsylVfG kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen für eine Umdeutung nach § 47 VwVfG nicht erfüllt sind (s. zum Folgenden: VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - a. a. O. Rn. 22 ff.).

Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

Vorliegend hätte ein Bescheid nach § 71a AsylVfG nicht in der geschehenen Verfahrensweise erlassen werden dürften, da der Kläger ausweislich des vorgelegten Behördenakts nicht zu den im Rahmen des § 71a Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Tatsachen (materielle Fluchtgründe) und Umständen (Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG) angehört worden ist. Ausweislich des vorgelegten Behördenakts kam es ausschließlich zu einer Befragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens, welche lt. Niederschrift mit dem Hinweis endete, dass zunächst die Durchführung eines Dublin-Verfahrens geprüft werde. Ergebnis war die Einleitung eines Dublin-Verfahrens und der Erlass des hier streitgegenständlichen Bescheides. Gelegenheit zum Vortrag materieller Fluchtgründe oder zur Klärung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bestand dagegen nicht. Die Beklagte konnte sich auf Basis der gegebenen Aktenlage deshalb auch nicht hilfsweise mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Fall des § 71a Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegt oder nicht. Zwar kann gemäß § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG von der Anhörung abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. Insbesondere mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ist eine sichere Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, bei der vorliegenden Sachlage jedoch nicht möglich.

Auch eine Umdeutung der Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides (Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat) in eine Anordnung der Abschiebung in das Herkunftsland scheidet angesichts der Tatbestandsvoraussetzungen des § 34a AsylVfG vorliegend aus. Eine Umdeutung in eine Androhung der Abschiebung in das Herkunftsland nach § 34 AsylVfG würde dazu führen, dass der umgedeutete Verwaltungsakt nicht mehr im Sinne von § 47 Abs. 1 VwVfG auf das gleiche Ziel gerichtet wäre. Darüber hinaus würde eine solche Umdeutung für den Betroffenen entgegen § 47 Abs. 2 VwVfG eine ungünstigere Rechtsfolge herbeiführen, da er nach erfolgter Abschiebung in den Herkunftsstaat - anders als bei der Abschiebung nach Belgien - keine Möglichkeit mehr hätte, weiterhin um Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat nachzusuchen (s. hierzu VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - a. a. O. Rn. 26 ff; VG München, U. v. 4.11.2014 - M 10 K 13.30627)

Der angefochtene Bescheid ist somit aufzuheben. Die Beklagte hat ein ordnungsgemäßes behördliches Verfahren durchzuführen und mit gesondertem rechtsmittelfähigem Bescheid abzuschließen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich gegen die Aufhebung von Nr. 1 des Bescheids vom 13. Januar 2014, mit dem sie den Asylantrag des Klägers für unzulässig erklärt hat.

Der 1970 geborene Kläger ist russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 23. Mai 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 17. Juni 2013 Asylantrag. Am 16. Oktober 2013 richtete die Beklagte ein Übernahmeersuchen an Polen. Die polnischen Behörden stimmten der Übernahme des Klägers am 21. Oktober 2013 nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO zu. Mit Bescheid vom 13. Januar 2014 erklärte die Beklagte den Asylantrag für unzulässig (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Nr. 2). Das Verwaltungsgericht Ansbach hob den Bescheid mit Urteil vom 8. Oktober 2014 auf. Mit Ablauf der Überstellungsfrist sei die Zuständigkeit auf die Beklagte übergegangen. Eine Umdeutung in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a AsylVfG komme nicht in Betracht.

Gegen die Aufhebung von Nr. 1 des Bescheids wendet sich die Beklagte mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Kläger entgegentritt. Die Beklagte macht Gründe nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG geltend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht vorliegen.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht nicht von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 (9 C 28.97 – BVerwGE 106, 171) ab.

Eine Divergenz nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG setzt voraus, dass ein Rechts- oder Tatsachensatz des Verwaltungsgerichts von einem tragenden Rechts- oder Tatsachensatz des übergeordneten Gerichts abweicht und das Urteil darauf beruht. Der fragliche Rechts- oder Tatsachensatz des Verwaltungsgerichts muss sich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen wie die Entscheidung, von der die Abweichung behauptet wird; die bloße Vergleichbarkeit der Regelungsinhalte genügt nicht (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 42; BVerwG, B.v. 28.1.2004 – 6 PB 15/03 – NVwZ 2004, 889).

Eine solche Abweichung liegt hier nicht vor. Die Beklagte macht mit ihrem Antrag selbst geltend, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG und nicht zu einer Entscheidung über die Zuständigkeit nach § 27a AsylVfG i.V.m. der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EG L 50 S. 1, Dublin II-VO), ergangen ist. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Regelungen, denn § 27a AsylVfG betrifft die Behandlung eines Asylantrags im Falle der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, während § 71 AsylVfG die Behandlung eines Folgeantrags, für den die Bundesrepublik Deutschland zuständig ist, regelt. Auf § 71a AsylVfG, dessen Regelungsgehalt dem des § 71 AsylVfG sehr ähnlich ist, hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht gestützt, sondern hat ausgeführt, dass eine Umdeutung der Nr. 1 des Bescheids vom 13. Januar 2014 in eine Ablehnung nach § 71a AsylVfG nicht in Betracht komme.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass eine im Zulassungsantrag darzulegende konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ, a.a.O. Rn. 36).

2.1 Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob bei einem als unzulässig i.S.d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag, der zugleich ein Zweitantrag i.S.d. § 71a AsylVfG ist, eine isolierte Anfechtungsklage die zulässige Klageart darstellt oder vielmehr eine Verpflichtungsklage zu erheben ist, und ob die Tatsachengerichte verpflichtet sind, das Asylbegehren dann auch in der Sache spruchreif zu machen.

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Berufung. Sie sind durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Zahlreiche Oberverwaltungsgerichte einschließlich des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 – BayVBl 2014, 628) sind der Ansicht, dass statthafte Klageart gegen eine Feststellung nach § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage ist (siehe NdsOVG, B.v. 6.11.2014 – 13 LA 66/14 – AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B.v. 12.9.2014 – 2 A 191/14 – juris; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – InfAuslR 2014, 293; OVG NW, U.v. 7.3.2014 – 1 A 21/12.A – DVBl 2014, 790; OVG LSA, U.v. 2.10.2013 – 3 L 643/12 – juris). Es besteht daher kein weitergehender Klärungsbedarf, der die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich machen würde (vgl. ausführlich BayVGH, B.v. 23.1.2015 – 13a ZB 14.50071 – juris; OVG Hamburg, B.v. 2.2.2015 – 1 Bf 208/14.AZ – juris).

2.2 Soweit die Beklagte meint, es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob die Aufrechterhaltung einer mit Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG begründeten Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage bzw. die Umdeutung einer so begründeten Entscheidung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, insbesondere auch dann, wenn es sich um den Fall eines Zweitantrags i.S.d. § 71a AsylVfG handelt und ob sich das Tatsachengericht darauf beschränken darf, in der Konstellation des ohne Statuszuerkennung, d.h. erfolglos abgeschlossenen Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat der Dublin-Verordnung, für die Aufhebung eines behördlich zum Nachteil des Antragstellers mit Verweis auf § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides hinsichtlich des im Bundesgebiet weiteren Asylbegehrens nur zu prüfen und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ablehnung nach § 27a AsylVfG nicht (mehr) erfüllt sind, oder ob es noch der weitergehenden Feststellung bedarf, dass überhaupt ein verfahrensrelevanter Asylantrag vorliegt, weil die Verfahrenszuständigkeit Deutschlands besteht und zudem Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG dargetan sind“, führt auch dies nicht zur Zulassung der Berufung.

Die Klage wurde als Anfechtungsklage erhoben und eine Verpflichtung auf Anerkennung als Asylberechtigte, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes wurde nicht begehrt. Deshalb hat sich dem Verwaltungsgericht im Rahmen des § 88 VwGO nicht die Frage gestellt, ob es weitergehender Feststellungen hinsichtlich möglicher Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bedarf (s. BayVGH, B.v. 23.1.2015 a.a.O. Rn. 9). Selbst wenn man einen solchen Verpflichtungsantrag als konkludent gestellt ansehen würde (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2014 a.a.O. Rn. 22), ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dargetan.

Es kann offen bleiben, ob das Verwaltungsgericht die Frage, ob eine Aufrechterhaltung der Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage oder eine Umdeutung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, ob also eine Umdeutung eines auf § 27a AsylVfG gestützten Bescheids in einen Bescheid nach § 71a AsylVfG überhaupt möglich ist, grundsätzlich abgelehnt hat, und ob die von der Beklagten gestellte Frage einer verallgemeinerungsfähigen, rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich ist oder diese sich stets nach den Umständen des konkreten Einzelfalls richtet, weil eine Umdeutung hier schon deshalb nicht in Betracht kommt, da hier die materiellen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 VwVfG nicht vorliegen, so dass ein Berufungsverfahren nicht zur Klärung der von der Beklagten gestellten grundsätzlichen Frage führen würde.

Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass eine Entscheidung, dass ein weiteres Asylverfahren in Deutschland nicht durchgeführt werde, voraussetze, dass eine grundsätzliche Zuständigkeit Deutschlands gegeben sei und eine solche Entscheidung nur ergehen könne, wenn die weitere – wenn auch nur verfahrensrechtliche – Prüfung durchgeführt worden sei, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorlägen.

Ein Bescheid nach § 71a AsylVfG hätte jedenfalls nicht nach der geschehenen Verfahrensweise erlassen werden können, weil dafür eine Anhörung zu den maßgeblichen Tatsachen (materielle Fluchtgründe) und Umständen (Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG) hätte erfolgen müssen. Der Kläger wurde hier nur „gemäß Art. 3 Abs. 4 der Dublin-Verordnung“ belehrt (Bl. 4 der BAMF-Akte) und zur Vorbereitung einer Prüfung nach dem Dublin-Verfahren befragt (Bl. 25 f. der BAMF-Akte). Ergebnis war die Einleitung eines Dublin-Verfahrens und der Erlass des hier streitbefangenen Bescheids. Anlass und Gelegenheit zum Vortrag materieller Fluchtgründe oder zur Klärung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG hat nie bestanden. Damit ist ausgeschlossen, dass sich die Beklagte auf Basis der gegebenen Aktenlage jemals auch nur hilfsweise mit der Frage hätte auseinandersetzen können, ob ein Fall des § 71a Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegt oder nicht. Von der Anhörung konnte auch nicht nach § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG abgesehen werden, da bei dieser Sachlage insbesondere mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine sichere Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht möglich ist. Eine Umdeutung würde dann hinsichtlich der zugrundeliegenden Behauptung, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG lägen nicht vor, „ins Blaue hinein“ erfolgen.

Es kann daher offen bleiben, ob die Beklagte zur Prüfung der Fragen, ob überhaupt ein Zweitantrag i.S.v. § 71a AsylVfG vorliegt und ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, die Akten aus dem Erstverfahren beizuziehen oder zumindest weitere Informationen hinsichtlich des Erstverfahrens einzuholen hat, zumal wenn - wie hier - der Kläger (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren) ausdrücklich geltend macht, dass er in Polen ein Asylverfahren nicht betrieben hat.

Soweit in der Zulassungsbegründung ausgeführt wird, es sei Sache des Asylbewerbers, von sich aus die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen darzulegen, setzt das voraus, dass dieser weiß, dass es sich um ein Zweitantragsverfahren handelt. Ein solches hat die Beklagte, wie oben dargelegt, nicht durchgeführt, sondern zunächst nur ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats.

Dem Kläger unter diesen Umständen im Rahmen eines im Gerichtsverfahren umzudeutenden Bescheids entgegenzuhalten, er habe es versäumt, Wiederaufgreifensgründe geltend zu machen, mit der Folge, dass er diese Gründe in einem weiteren Wiederaufnahmeverfahren wegen der Ausschlussregelung des § 51 Abs. 2 VwVfG und der Fristenregelung des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht mehr geltend machen könnte, wäre mit rechtstaatlichen Grundsätzen (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Recht auf ein faires Verfahren (vgl. BVerfG, B.v. 15.1.2015 – 2 BvR 2055/14 – NStZ 2015, 172) nicht vereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 13.4.2015 – 11 ZB 14.50087 und 50088).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

4. Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.