Verwaltungsgericht Köln Urteil, 17. Juni 2014 - 7 K 6344/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der am 00.00.1955 in Österreich geborene Kläger begehrt Leistungen nach dem Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz – ContStifG). Die Klage seiner im November 1953 geborenen Schwester D. , die thalidomidbedingte Schäden an ihren oberen Extremitäten gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, ist vom Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 29.04.2014 (7 K 6279/12) abgewiesen worden.
3Im Februar 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung und Zahlung einer einmaligen Kapitalentschädigung und einer lebenslangen monatlichen Conterganrente. Er erklärte, von Geburt an seien seine Arme beide stark verkürzt und vermindert ausgeprägt. Die Speiche fehle jeweils. Die Elle sei verstümmelt. Beide Handgelenke und alle Finger seien verkürzt und verkrüppelt. Der Hausarzt seiner Mutter habe ihr während der Schwangerschaft ein Medikament mit dem Wirkstoff Thalidomid verschrieben. Weder seine Vorfahren noch seine weiteren fünf Geschwister (die im Jahr 1952 geborene Schwester und die vier nach ihm geborenen Geschwister) wiesen Behinderungen auf.
4Den Antrag leitete die Beklagte zur Bearbeitung an ihre Medizinische Kommission weiter. Der mit der Begutachtung beauftragte Dr. H. , Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin, Orthopädie, Unfallchirurgie, Sportmedizin und Kinderorthopädie, vertrat im November 2011 den Standpunkt, dass der Antrag des Klägers abzulehnen sei. Der Kläger, den er persönlich untersucht habe, leide wahrscheinlich unter einem TAR-Syndrom. Ein Conterganschaden liege eindeutig nicht vor. Der Kläger habe über eine Thrombocytopenie nach der Geburt berichtet. Auch die Röntgenbilder (Ellenbogengelenk, Y-Form des distalen UA) seien nicht typisch für einen Conterganschaden.
5Mit Bescheid vom 06.06.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung stützte sie sich im Wesentlichen die Ausführungen von Dr. H. . Die Erkenntnisse des Gutachters würden bestätigt durch das Geburtsdatum des Klägers. Thalidomidhaltige Präparate der Firma Grünenthal seien erst ab Oktober 1957 im Handel gewesen.
6Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, mit Thalidomid seien bereits während des Zweiten Weltkriegs Experimente durchgeführt worden. Das Patent von 1954 setze voraus, dass Thalidomid zuvor zumindest inoffiziell an Menschen getestet worden sei. Der Arzt, der ihn zwischen 1958 und 1979 mehr als zwanzig Mal operiert habe, habe seine Schädigungen als eindeutige und typische Conterganschäden verifiziert. Bei der ärztlichen Untersuchung durch Dr. H. , der sich seiner Sache nicht hundertprozentig sicher gewesen sei, habe dieser mitgeteilt, dass aufgrund der zahlreichen Operationen an seinen Händen eine weitere fachärztliche Untersuchung und ein humangenetisches Gutachten notwendig erscheine. Diese Untersuchung sei aus unerklärlichen Gründen nicht erfolgt. Die vorliegenden Röntgenbilder neueren Datums könnten aufgrund der Vielzahl an Operationen die Schädigungen, die bei seiner Geburt vorgelegen hätten, nicht abbilden. Ein TAR-Syndrom sei bei zwei unmittelbar hintereinander geborenen Geschwistern ausgeschlossen. Während der nachfolgenden Schwangerschaften habe seine Mutter keine thalidomidhaltigen Präparate genommen.
7Nach erneuter Einschaltung ihrer Medizinischen Kommission wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2012 – dem Kläger am 10.10.2012 zugestellt – zurück. Zur Begründung nahm sie Bezug auf die Gründe des Ausgangsbescheides und führte ergänzend aus, dass die Einholung eines humangenetischen Gutachtens nicht erforderlich gewesen sei. Angesichts des Geburtsdatums des Klägers sei eine Schädigung durch ein Präparat der Firma Grünenthal nicht denkbar. Hierzu habe sich die Gutachterin Prof. Dr. L. bereits in einem anderen Antragsverfahren geäußert. Danach sei ausweislich von Archivforschungen von Frau Dr. Kirk, die als wissenschaftlich anerkannte Quelle zur Contergangeschichte gelte, die Synthese von Thalidomid in den Laboren der Firma Grünenthal nicht vor dem Jahr 1954 erfolgt. Thalidomid habe 1954 weder in Deutschland noch in Österreich in einer Darreichungsform vorgelegen, die eine Abgabe dieses Wirkstoffs an die Bevölkerung ermöglicht hätte. Für Thalidomid, das nach Angaben der Firma Grünenthal erstmals im März 1954 synthetisiert und im Mai 1954 zum Patent angemeldet worden sei, habe der Vertrieb in Deutschland am 01.10.1957 begonnen. In Österreich habe eine Registrierungspflicht für Medikamente bestanden. Die ersten thalidomidhaltigen Präparate der Firma Grünenthal seien am 12.11.1958 in Österreich registriert worden. Erst danach seien conterganhaltige Medikamente der Firma Grünenthal in Österreich vertrieben worden.
8Der Kläger hat am 05.11.2012 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er seine Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, Dr. H. habe wegen der zahlreichen Operationen nicht auf seinen Zustand bei seiner Begutachtung abstellen dürfen. Auch habe er nicht die von der Beklagten zu treffende Entscheidung vorwegnehmen dürfen. Zu Unrecht gingen die Beklagte und Dr. H. davon aus, dass das ContStiftG an eine Einnahme thalidomidhaltiger Präparate nur dann Leistungen knüpfe, wenn sie nach der Patentanmeldung erfolgt sei. Sein Prozessbevollmächtigter habe Frau Dr. Kirk im Oktober 2012 telefonisch kontaktiert. Sie habe ihm bestätigt, dass thalidomidhaltige Medikamente der Firma Grünenthal bereits Anfang der 50er Jahre (also vor 1952) illegal an Bedienstete der Firma Grünenthal und an andere Personen verabreicht worden sei. Der damalige medizinische Direktor der Firma Grünenthal, Dr. Mückter, habe während des Zweiten Weltkrieges aus Forschungszwecken zur Entwicklung eines Impfstoffes illegale Versuche an zwangsrekrutierten Polen und KZ-Insassen durchgeführt. In seinem Labor hätten Mitarbeiter den Wirkstoff Thalidomid zufällig entdeckt. Es sei unglaubhaft, dass ein Arzneimittel ausgehend von der Forschung über die Entwicklung, Laborversuche und deren Auswertung innerhalb eines Monats erfolgreich zum Patent angemeldet werden könne. Der seinerzeitige Hausarzt der Mutter des Klägers habe ihr das thalidomidhaltige Präparat verordnet und aus seinem Medikamentenbestand ausgereicht. Dieser Arzt habe der nationalsozialistischen Partei nahegestanden und mit der Firma Grünenthal Geschäftsverbindungen und Kontakte gepflegt. Daher sei er inoffiziell an die thalidomidhaltigen Präparate gelangt. Eine Frau H1. N. könne bezeugen, dass ihre Mutter auf Anraten der Mutter des Klägers das ärztlich verordnete thalidomidhaltige Medikament der Firma Grünenthal im 6 bis 7 Monat vor der Geburt der Frau N. habe vernichten lassen. Der Kläger hat eine Email eines Herrn S. vorgelegt und erklärt, dieser sei Humangenetiker an der Universitätsklinik Salzburg. In der Email wird dem Kläger mitgeteilt, seine Röntgenbefunde wiesen neben den für das TAR-Syndrom beschriebenen Fehlbildungen an den Unterarmknochen einige andere Auffälligkeiten auf, die aber nicht spezifisch für das TAR-Syndrom seien.
9Der Kläger beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2012 zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem ContStiftG zu gewähren.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin im Wesentlichen mit dem Hinweis entgegen, dass Thalidomid in der Frühphase der Schwangerschaft der Mutter des Klägers im Frühjahr 1954 in den Laboren der Firma Grünenthal gerade eben synthetisiert worden sei und Prüfmuster, geschweige denn Verkaufspackungen zu dieser Zeit noch nicht erhältlich gewesen seien. Im Übrigen verweist sie auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
14Auf Anfrage des Gerichts in dem Verfahren 7 K 6279/12 hat Frau Dr. Kirk zum Zeitpunkt der Verfügbarkeit thalidomidhaltiger Präparate in Deutschland und Österreich mit Schreiben vom 23.02.2014 Stellung genommen. Sie hat erklärt, sie gehe davon aus, dass thalidomidhaltige Präparate nicht vor der Patentierung abgegeben worden seien. Falls sie in dem Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers den Begriff „Anfang der 50iger Jahre“ verwendet haben sollte, könne sich dies nicht auf 1950 bis 1953 sondern frühestens auf 1954, dem Jahr der Herstellung von Thalidomid, beziehen. Sie glaube eher, dass sie dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht deutlich genug in seiner Wortwahl widersprochen habe. Es tue ihr leid, dass dieser anscheinend falsche Schlüsse aus dem Telefonat gezogen habe. Nach ihrer Kenntnis sei Thalidomid vor der Markteinführung 1957 im Rahmen der klinischen Erprobung an Patienten gegeben worden. Soweit sie wisse, sei das erste thalidomidgeschädigte Kind im Dezember 1956 geboren worden.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Vorgänge Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17Das Gericht konnte entscheiden, obwohl für den ordnungsgemäß geladenen Kläger niemand zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.
18Die zulässige Klage ist nicht begründet.
19Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem ContStiftG zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhalt von Leistungen nach dem ContStiftG, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Er gehört nicht zu den leistungsberechtigten Personen nach § 12 Abs. 1 ContStifG.
20Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 ContStifG setzt die Erbringung der begehrten Leistungen in Form von Conterganrente und Kapitalentschädigung, § 13 ContStifG, voraus, dass Fehlbildungen des jeweiligen Antragstellers vorliegen, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können. Der Kreis der Anspruchsberechtigten ist weit gefasst, um zugunsten etwaiger Betroffener der Unmöglichkeit einer über jeden Zweifel erhabenen Kausalitätsfeststellung Rechnung zu tragen.
21Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 02.12.2011 - 16 E 723/11 -, juris.
22Gleichwohl fehlt es im Falle des Klägers an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die bei ihm aufgetretenen Fehlbildungen mit einer Einnahme thalidomidhaltiger Arzneien durch seine Mutter in Verbindung gebracht werden können.
23Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist schon nicht ersichtlich, dass thalidomidhaltige Medikamente der Firma Grünenthal in einer an Menschen verabreichbaren Darreichungsform bereits in der Zeit existierten, als sich die Schwangerschaft der Mutter mit dem Kläger in der teratogenen Phase des 34. bis 50. Schwangerschaftstages befand.
24Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2012 - 16 E 723/11 -, juris, in einem vergleichbaren Fall – einen im Juli 1955 in Polen geboren polnischen Staatsangehörigen mit angeborenen Fehlbildungen an Armen und Beinen betreffend – Folgendes ausgeführt:
25"Jedenfalls kann aufgrund der zeitlichen Abfolge ausgeschlossen werden, dass die Mutter des im Juli 1955 geborenen Klägers während der ersten drei Schwangerschaftsmonate, also etwa zwischen Oktober 1954 und Januar 1955, ein von der Fa. H. GmbH vertriebenes thalidomidhaltiges Präparat eingenommen hat. Denn nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung der Beklagten, die sich mit zahlreichen Veröffentlichungen deckt, ist zu dieser Zeit noch kein Medikament mit diesem Wirkstoff auf dem Markt gewesen. Der Wirkstoff Thalidomid ist im Jahr 1954 entwickelt worden, 1955 in die Erprobungsphase und am 1. Oktober 1957 in Deutschland vor allem als Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan in den Handel gelangt.
26Vgl. etwa Roth, in: Chemie unserer Zeit, 2005, 212 bis 217 (= www.k-faktor.com/contergan/files/ unendliche_geschichte.pdf), sowie www.gruenenthal- opfer.de/Vorgeschichte; Widukind Lenz, The History of Thalidomide, www.thalidomide.ca.
27Daneben enthielten auch andere zu jener Zeit in den Handel gelangte Medikamente wie etwa das Grippemittel Grippex den Wirkstoff Thalidomid. Thalidomidhaltige Arzneimittel wurden, überwiegend aufgrund vergebener Lizenzen, auch im Ausland vertrieben; allerdings wird in einer kanadischen Fachveröffentlichung, die sich auflistend mit der weltweiten Verbreitung solcher Medikamente befasst, ein Vertrieb auch in Polen nicht erwähnt und allgemein die Verfügbarkeit derartiger Mittel im Ausland für die Zeit vor dem 1. Oktober 1957 ausgeschlossen.
28Vgl. Warren, The Many Faces of Thalidomide (from 1957 to 1966), www.thalidomide.ca.
29... In diesem Zusammenhang ist schließlich auch darauf hinzuweisen, dass Missbildungen sowohl spontan ohne erkennbare Ursache auftreten, genetisch bedingt oder durch verschiedenste Umwelteinflüsse ausgelöst sein können, wobei möglicherweise sogar der geringere Teil derartiger Fälle auf exogene Ursachen zurückzuführen ist.
30Vgl. Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, 260. Aufl., Stichwort "Fehlbildung, kongenitale" (S. 557).“
31Die dargestellte zeitliche Abfolge steht auch im vorliegenden Fall einer Thalidomideinnahme als Ursache für die Fehlbildungen bei dem Kläger entgegen, zumal die Einnahme eines thalidomidhaltigen Medikaments hier noch früher – im Frühjahr 1954 – stattgefunden haben müsste. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird bestätigt durch die in der obigen Entscheidung nicht berücksichtigte Dissertation von Dr. Beate Kirk,
32Der Contergan-Fall: eine unvermeidbare Arzneimittelkatastrophe? Zur Geschichte des Arzneistoffs Thalidomid, Stuttgart 2000,
33in der die Pharmazeutin Quellen zugrundegelegt hat, die zuvor noch nicht zugänglich waren, indem sie nach Ablauf der 30-jährigen Sperrfrist die Akten des Contergan-Prozesses sichtete; dazu gehörten auch beschlagnahmte Firmenakten des Unternehmens Grünenthal. Außerdem forschte sie im Archiv des Bundesministeriums für Gesundheit und führte ein Interview mit dem 1995 verstorbenen Mediziner Widukind Lenz, der als erster die Schädigungen von Neugeborenen auf Contergan zurückführte.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.03.2013 - 16 E 1139/12 - juris.
35Nach dieser Veröffentlichung erfolgte die erstmalige Synthese von N‑Phthalylglutaminsäureimid (Thalidomid) im März 1954. Die zunächst als K 17 (17. Verbindung, die Dr. Kunz bei der Firma Grünenthal hergestellt hatte) bezeichnete Substanz wurde im April 1954 beim Deutschen Patentamt angemeldet. Die Substanz K 17 wurde in Tierversuchen pharmakologisch untersucht und zu Beginn des Jahres 1955 an die Universitätsklinik Köln sowie 1956 an eine Frauenklinik zur klinischen Erprobung (nicht bei Schwangeren) abgegeben. Die pharmakologischen und toxikologischen Ergebnisse der Studien stellten die Pharmakologen der Firma Grünenthal im Dezember 1955 bei einem Symposium vor. Publikationen zu diesen Studien und der klinischen Erprobung erschienen 1956. Das thalidomidhaltige Mittel „Grippex“ kam im November 1956, die Präparate „Contergan“ und „Contergan forte“ kamen am 1. Oktober 1957 in Deutschland in den Handel.
36Anhaltspunkte dafür, dass Thalidomid entgegen der obigen Angaben bereits vor 1954 entwickelt worden sein könnte, ergeben sich nicht aus der Behauptung des Klägers, Frau Dr. Kirk habe seinem Prozessbevollmächtigten in einem Telefongespräch bestätigt, dass thalidomidhaltige Medikamente der Firma Grünenthal bereits Anfang der 50er Jahre, insbesondere vor 1952, illegal an Personen verabreicht worden sei. Frau Dr. Kirk hat gegenüber dem Gericht auf Anfrage dieser Behauptung ausdrücklich widersprochen und an dem Zeitpunkt der erstmaligen Synthese von Thalidomid in 1954 ausdrücklich festgehalten.
37Das Gericht sieht keine Veranlassung, die Angaben von Frau Dr. Kirk in ihrem Antwortschreiben an das Gericht in Zweifel zu ziehen und sie als Zeugin für die gegenläufige Behauptung des Klägers anzuhören. Ihre Angaben stimmen mit ihren Ausführungen in ihrer Dissertation überein und es spricht nichts dafür, dass Frau Dr. Kirk abweichende Erkenntnisse gewonnen hat, die sie dem Gericht vorenthalten will. Der aus der Luft gegriffenen Spekulation des Klägers, Frau Dr. Kirk habe sich einem von der Beklagten verhängten Redeverbot unterworfen, fehlt erkennbar jede tatsächliche Grundlage.
38Von einer frühzeitigeren Synthese des Stoffes ist auch nicht schon deshalb auszugehen, weil K 17 bereits im April 1954 beim Deutschen Patentamt angemeldet wurde. Entgegen der Annahme des Klägers waren hierfür keine vorherigen Tests an Menschen erforderlich. Das Patent schützt die Erfindung (die Synthese der chemischen Verbindung) vor unbefugter Nutzung durch Dritte. Es trifft aber keine Aussage über Qualität, Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Verkehrsfähigkeit eines mit dem Wirkstoff hergestellten Medikaments. Dementsprechend bedurfte es für die Patentanmeldung keiner vorherigen pharmakologischen und klinischen Studien.
39Aber auch wenn eine erstmalige Entwicklung von Thalidomid durch Chemiker der Firma Grünenthal schon 1953 nicht auszuschließen sein sollte, fehlt es an jedem Hinweis darauf, dass schon kurz nach der Entwicklung thalidomidhaltiger Arzneimittel einnahmefertige Präparate den internen Bereich der Firma Grünenthal verlassen haben könnten.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.03.2013 - 16 E 1139/12 -, juris, betreffend einen 1954 in Österreich geborenen Antragsteller.
41Allerdings konnten bereits vor der Markteinführung Schädigungen durch thalidomidhaltige Präparate beobachtet werden. Frau Dr. Kirk erwähnt in ihrer Arbeit die Geburt des ersten thalidomidgeschädigten Kindes in der Bundesrepublik Deutschland im Dezember 1956. Der Vater, ein Angestellter des Herstellerwerkes Grünenthal, habe Muster des neuen Präparates Contergan erhalten und seiner schwangeren Frau gegeben.
42Beate Kirk, Der Contergan-Fall: eine unvermeidbare Arzneimittelkatastrophe? Zur Geschichte des Arzneistoffs Thalidomid, S. 45.
43Jedoch liegt im Falle des Klägers der Zeitraum der erforderlichen Einnahme von thalidomidhaltigen Präparaten nicht lediglich vor deren Markteinführung, sondern unmittelbar nach Patentanmeldung des Stoffes Thalidomid im April 1954 und deutlich vor Beginn seiner klinischen Erprobung in 1955. Tatsächliche Anhaltspunkte, die die Annahme des Klägers stützen könnten, der Stoff habe in diesem Zeitraum (Frühjahr 1954) bereits in einer für Menschen bestimmten Darreichungsform als einnahmefertiges Präparat vorgelegen und dieses habe den internen Bereich der Firma Grünenthal verlassen und im Medikamentenbestand eines Hausarztes in Österreich zur Abgabe an eine Patientin zur Verfügung stehen können, sind nicht erkennbar. Die diesbezüglichen Überlegungen des Klägers erschöpfen sich in bloßen Spekulationen. Die durch nichts belegte Behauptung, der Hausarzt der Mutter des Klägers habe der nationalsozialistischen Partei nahegestanden und Kontakte mit der Firma Grünenthal gepflegt und sei auf diesem Wege – inoffiziell – an thalidomidhaltige Präparate gelangt, die er dann an seine Patienten weitergegeben habe, hält das Gericht für unglaubhaft.
44Die Mutmaßung des Klägers, thalidomidhaltige Arzneimittel seien bereits während des Zweiten Weltkrieges entwickelt worden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Derartige Vermutungen sind verschiedentlich vor dem Hintergrund geäußert worden, dass die Firma Grünenthal Presseberichten zufolge in der Nachkriegszeit ehemalige NS-Chemiker und -Mediziner eingestellt haben soll, die an Menschenversuchen in KZ beteiligt gewesen sein sollen und andererseits keinen Anlass sieht, ihr Firmenarchiv zu öffnen; greifbare Tatsachen, die für die Richtigkeit dieser Vermutungen sprechen, sind nicht erkennbar.
45Vgl. etwa Der Spiegel, Nr. 8/2009 vom 16.02.2009 (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-64197265.html); Wikipedia, Stichwort „Grünenthal“.
46Unabhängig davon wäre eine solche Entwicklung nicht der 1946 gegründeten Firma Grünenthal zuzurechnen; die Annahme einer erstmaligen Synthese von Thalidomid oder vergleichbarer Substanzen außerhalb der Firma Grünenthal würde vielmehr die Möglichkeit eröffnen, Schädigungen mit einem anderen Verursacher als der Firma Grünenthal in Verbindung zu bringen, so dass der Anwendungsbereich des ContStiftG nicht betroffen wäre.
47Vgl. dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 25.03.2013 - 16 E 1139/12 -, juris.
48Das Gericht konnte davon absehen, die als Zeugin im Wege der Beweisanregung benannte Frau N. zu der Behauptung des Klägers zu hören, ihre Mutter habe auf Anraten der Mutter des Klägers das ärztlich verordnete thalidomidhaltige Medikament der Firma Grünenthal im 6 bis 7 Monat vor der Geburt der Frau N. vernichten lassen. Die Behauptung der Klägers ist schon nicht entscheidungserheblich, da nicht ersichtlich ist, weshalb die Vernichtung thalidomidhaltiger Medikamente auf Anraten der Mutter des Klägers einen Nachweis dafür liefert, dass die Mutter des Klägers im Frühjahr 1954 thalidomidhaltige Medikamente der Firma Grünenthal eingenommen hat und die Fehlbildungen des Klägers darin ihre wahrscheinliche Ursache haben.
49Nach alledem kommt es nach Überzeugung des Gerichts nicht ernsthaft in Betracht, dass die Mutter des Klägers im Frühjahr 1954 ein thalidomidhaltiges Medikament der Firma Grünenthal eingenommen haben kann. Fehlt es damit an einer Verbindung zwischen den Fehlbildungen bei dem Kläger und der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter des Klägers während der Schwangerschaft, da der hierfür notwendige Termin der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate zeitlich vor deren Erhältlichkeit lag, scheidet ein Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem ContStiftG aus.
50Der Befund von Dr. H. , der mit der orthopädischen Begutachtung des Klägers beauftragt war und der einen Conterganschaden bei dem Kläger aufgrund der persönlichen Untersuchung und der Auswertung der Röntgenbilder eindeutig ausschließt, stützt dieses Ergebnis. In diesem Zusammenhang begegnet es keinen Bedenken, dass Dr. H. in seinem Schreiben vom 25.11.2011 an die Beklagte die Formulierung verwandte, „der Antrag ist abzulehnen“. Darin sollte ersichtlich keine Anweisung gegenüber der Beklagten, die ohnehin nicht verbindlich wäre, sondern ein Standpunkt zum Ausdruck kommen. Da es (aus seiner Sicht) an den Voraussetzungen für die Bewilligung fehlt – weil die Fehlbildungen für ihn eindeutig nicht dem Schadensbild nach Thalidomideinnahme entsprechen –, kann der Antrag (aus seiner Sicht) keinen Erfolg haben. Gegenläufige ärztliche Stellungnahmen, die sich zur Frage einer Conterganschädigung bei dem Kläger verhalten, hat der Kläger nicht vorgelegt. Dabei kommt es für die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Thalidomidschädigung des Klägers nicht darauf an, ob sich seine Behinderungen einer anderen Entstehungsursache in Verbindung bringen lassen. Angeborene Fehlbildungen können die unterschiedlichsten Ursachen haben, so dass im Falle der Einschätzung, dass es sich um eine nicht dem ContStiftG unterfallende Schädigung handele, eine gesicherte alternative Diagnose weder möglich noch geboten sein dürfte.
51Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.03.2013 – 16 E 1139/12 -, juris.
52Die Kostenentscheidung in dem gerichtskostenfreien Verfahren (§ 188 Satz 2 VwGO) beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand
2Die Klägerin begehrt Leistungen nach dem Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz – ContStifG).
3Die Klägerin wurde am 00.00.1953 in Bad Ischl, Österreich, als zweites von insgesamt sieben Kindern geboren. Die Klägerin weist von Geburt an Fehlbildungen an den oberen Extremitäten auf. Auch ihr am 00.00.1955 geborener Bruder weist seit seiner Geburt Fehlbildungen auf. Sein Verfahren betreffend die Geltendmachung von thalidomidbedingten Schäden gegenüber der Beklagten wird unter dem Aktenzeichen 7 K 344/12 geführt.
4Am 3. Mai 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung und Zahlung einer einmaligen Kapitalentschädigung und einer lebenslangen monatlichen Conterganrente. Zur Begründung trug sie vor, die vorhanden Fehlbildungen seien auf die Einnahme eines thalidomidhaltigen Präparates durch die Mutter während der Schwangerschaft zurückzuführen. Ihr – der Klägerin – sei bekannt, dass Contergan in Österreich erst 1956 zugelassen worden sei, was jedoch nicht ausschließe, dass dieses Präparat – wenn auch unter einem anderen Namen – schon im Vorstadium für Studienmedikation (Stufe 1 und 2) damals in verschiedenen Arztpraxen verordnet worden sei. Auch der inzwischen verstorbene Hausarzt der Mutter, Dr. Q. , habe sich an dieser Studienmedikation beteiligt.Dem Antrag fügte die Klägerin Lichtbilder aus der Kindheit und aktuelle Fotos sowie mehrere Arztberichte bei.
5Der mit der Begutachtung beauftragte Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin und Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie, Sportmedizin und Kinderorthopädie, PD Dr. H. , teilte mit Schreiben vom 31. Juli 2010 gegenüber dem Vorsitzenden der Medizinischen Kommission der Beklagten mit, dass es sich ausweislich der Lichtbilder aus der Kindheit der Klägerin offenbar um radiale Klumphände beidseits handele. Die Unterlagen seien allerdings nicht ausreichend. Bilaterale symmetrische radiale Klumphände habe es durchaus bei Conterganschäden gegeben, allerdings etwas untypisch sei die doch deutliche Verkürzung von D V.
6Mit Schreiben vom 25. November 2011 teilte PD Dr. H. der Beklagten mit, dass bei der Klägerin ein Conterganschaden mit Wahrscheinlichkeit nicht vorliege. Der Antrag sei abzulehnen. Zur Begründung gab er an, dass das Geburtsdatum der Klägerin nicht passe. Außerdem könnten die Fehlbildungen nicht mit dem typischen Schadensbild bei Conterganschädigung in Einklang gebracht werden. Bei deutlich verkürzten Fingern habe die Klägerin anatomisch relativ normale Finger. Diese seien steif, inklusive der Daumen. Diese relativ normal erscheinende Hand habe dann Carpal-Knochen bis in die Carpometacarpalgelenke. Auch bestehe eine Ankylosierung carporadialseitig. Der 5. Finger sei extrem verkürzt, die Länge betrage lediglich bis zum benachbarten PIP-Gelenk von D IV. Auch die Schwellung der Grundgelenke der Langfinger v.a. rechts sei nicht typisch für einen Conterganschaden. Eine typische radialseitige longitudinale Dysmelie liege nicht vor. Versteifte Finger, v.a. auch ulnarseitig gebe es – bei normalen Daumen – z.B. beim erblichen TAR-Syndrom. Evtl. könne bei der Humangenetikerin Prof. Dr. L. nachgefragt werden.
7Mit Bescheid vom 5. Juni 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin an. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen die Feststellungen des PD Dr. H. und hob hervor, dass schon aufgrund des Geburtsdatums der Klägerin eine Schädigung durch thalidomidhaltige Präparate der Firma Grünenthal ausgeschlossen werden könne.
8Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 6. Juli 2012 Widerspruch zu dessen Begründung die Klägerin vortrug, mit Thalidomid seien bereits während des zweiten Weltkriegs Experimente durchgeführt worden. Das Patent von 1954 setze voraus, dass Thalidomid bereits an Menschen getestet worden sei, obwohl Versuche an Menschen bis dahin nicht offiziell durchgeführt worden seien. Der behandelnde Arzt der Klägerin, Prof. Dr. C. , der sie zwischen 1958 und 1979 mehr als zwanzig Mal operiert habe, habe die Schädigungen der Klägerin als eindeutige und typische Conterganschäden verifiziert. Bei der ärztlichen Untersuchung durch PD Dr. H. habe dieser mitgeteilt, dass aufgrund der zahlreichen Operationen an den Händen der Klägerin eine weitere fachärztliche Untersuchung und ein humangenetisches Gutachten notwendig erscheine. Diese Untersuchung sei aus unerklärlichen Gründen nicht erfolgt. Die vorliegenden Röntgenbilder neueren Datums könnten aufgrund der Vielzahl an Operationen die bei Geburt vorliegenden Schädigungen der Klägerin nicht abbilden.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2012 – der Klägerin am 10. Oktober 2012 zugestellt – wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung nahm sie Bezug auf die Gründe des Ausgangsbescheides vom 5. Juni 2012 und führte ergänzend aus, dass die Einholung eines humangenetischen Gutachtens angesichts des Geburtsdatums der Klägerin nicht erforderlich gewesen sei. Eine Schädigung durch ein Präparat der Firma Grünenthal sei nicht denkbar. Hierzu habe sich die Gutachterin Prof. Dr. L. bereits in einem anderen Antragsverfahren geäußert. Danach sei nach Informationen von Frau Dr. L1. , die als wissenschaftlich anerkannte Quelle zur Contergangeschichte gelte, die Synthese von Thalidomid in den Laboren der Firma Grünenthal nicht vor dem Jahre 1954 erfolgt. Thalidomid habe 1953 weder in Deutschland noch in Österreich in einer Darreichungsform vorgelegen. In Deutschland habe der Vertrieb am 1. Oktober 1957 begonnen. In Österreich habe eine Registrierungspflicht für Medikamente bestanden. Die ersten thalidomidhaltigen Präparate der Firma Grünenthal seien am 12. November 1958 in Österreich registriert worden. Erst danach seien conterganhaltige Medikamente der Firma Grünenthal in Österreich vertrieben worden.
10Die Klägerin hat am 5. November 2012 Klage hiergegen erhoben. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, PD Dr. H. habe nicht auf den Zustand der Klägerin bei der Begutachtung abstellen dürfen. Sie habe ihm mitgeteilt, dass sie mehr als zwanzig Mal operiert worden sei. Es sei nicht schlüssig, dass PD Dr. H. trotzdem nicht auf den Zustand der Klägerin am Beginn der fachärztlichen Behandlung abgestellt habe. Auch habe er nicht die von der Beklagten zu treffende Entscheidung vorwegnehmen dürfen. Darüber hinaus sei ihr nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe sich am 3. September 2012 in einem persönlichen Gespräch mit Mitarbeitern der Beklagten bereit erklärt, einen ärztlichen Befundbericht des damals behandelnden Arztes nachzureichen, nachdem die Klägerin einen Rehabilitationsaufenthalt beendet habe.Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe Frau Dr. L1. im Oktober 2012 telefonisch kontaktiert. Sie habe ihm bestätigt, dass thalidomidhaltige Medikamente der Firma Grünenthal bereits Anfang der 50er Jahre (also vor 1952) illegal an Personen verabreicht worden sei.Nach der Geburt des ebenfalls Fehlbildungen aufweisenden Bruders der Klägerin habe die Mutter den Hausarzt gewechselt. Die nachfolgend geborenen vier Geschwister wiesen keine Schädigungen auf.Eine Bekannte der Klägerin, Frau H1. N. , könne bezeugen, dass ihre Mutter auf Anraten der Mutter der Klägerin das ärztlich verordnete thalidomidhaltige Medikament der Firma Grünenthal im 6 bis 7 Monat vor der Geburt der Frau N. durch den Vater der Frau N. habe vernichten lassen.Thalidomid sei auch schon vor der Patentanmeldung angewandt worden. Der damalige medizinische Direktor der Firma Grünenthal, Dr. Mückter, habe während des zweiten Weltkrieges aus Forschungszwecken zur Entwicklung eines Impfstoffes illegale Versuche an zwangsrekrutierten Polen und KZ-Insassen durchgeführt. Da die Forschungsmethoden von Dr. Mückter dem Deutschen Patentamt bekannt gewesen sein dürften, habe nicht Dr. Mückter, sondern die beiden Wissenschaftler Dr. Kunz und Dr. Keller Thalidomid zum Patent angemeldet. Es sei davon auszugehen, dass auch Thalidomid vor dessen Patentierung illegal an Patienten getestet worden sei. Der seinerzeitige Hausarzt der Mutter der Klägerin habe ihr das thalidomidhaltige Präparat verordnet und aus seinem Medikamentenbestand ausgereicht. Dieser Arzt habe der nationalsozialistischen Partei nahegestanden und mit der Firma Grünenthal Geschäftsverbindungen und Kontakte gepflegt. Daher sei er inoffiziell an die thalidomidhaltigen Präparate gelangt.
11Die Klägerin beantragt,
12die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2012 zu verpflichten, der Klägerin wegen ihrer Conterganschädigungen Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zu gewähren.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und nimmt im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen im Ausgangsbescheid vom 5. Juni 2012 und im Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2012.
16Das Gericht hat mit Schreiben vom 20. Februar 2014 Frau Dr. L1. zum Zeitpunkt der Verfügbarkeit thalidomidhaltiger Präparate in Deutschland und Österreich befragt. Frau Dr. L1. hat mit Schreiben vom 23. Februar 2014 geantwortet. Wegen des Inhalts wird auf das Antwortschreiben vom 23. Februar 2014 Bezug genommen (Blatt 105 f. der Gerichtsakte).
17Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben.
21Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erhalt von Leistung nach dem Conterganstiftungsgesetz, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
22Die ablehnenden Bescheide leiden nicht an formalen Mängeln. So wurde die Klägerin insbesondere auch vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2012 angehört. Wie die Klägerin selbst vorträgt, hat am 3. September 2012 ein persönliches Gespräch ihres Prozessbevollmächtigten mit Vertretern der Beklagten stattgefunden. Dabei kommt es für das vorliegende Verfahren auf den genauen Wortlaut des Gespräches nicht an, da nicht ersichtlich ist, dass der Klägerin nicht Gelegenheit gegeben wurde, ihren Standpunkt über ihren Prozessbevollmächtigten gegenüber der Beklagten zu erläutern. Selbst wenn die Klägerin seinerzeit zusagte, einen ärztlichen Befundbericht nachzureichen, und hiermit womöglich die Bitte verband, vorher keine Entscheidung über ihren Widerspruch zu treffen, wäre ein etwaiger Anhörungsmangel inzwischen nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt, da die Klägerin im Klageverfahren ausreichend Gelegenheit hatte, alle Unterlagen vorzulegen, die ihren Anspruch stützen. Die – auch im Klageverfahren nochmals – in Aussicht gestellte Nachreichung eines ärztlichen Befundberichtes des behandelnden Arztes der Klägerin ist bis zuletzt nicht erfolgt.
23Die ablehnenden Bescheide sind auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin gehört nicht zu den leistungsberechtigten Personen nach § 12 Abs. 1 ContStifG.
24Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 ContStifG setzt die Erbringung der begehrten Leistungen in Form von Conterganrente und Kapitalentschädigung, § 13 ContStifG, voraus, dass Fehlbildungen des jeweiligen Antragstellers vorliegen, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können. Der Kreis der Anspruchsberechtigten ist weit gefasst, um zugunsten etwaiger Betroffener der Unmöglichkeit einer über jeden Zweifel erhabenen Kausalitätsfeststellung Rechnung zu tragen.
25Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 02.12.2011 - 16 E 723/11 -, juris.
26Gleichwohl fehlt es im Falle der Klägerin an hinreichenden Anhaltspunkten für eine Verbindung zwischen der Einnahme thalidomidhaltiger Arzneien durch ihre Mutter und den bei ihr aufgetretenen Fehlbildungen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass thalidomidhaltige Medikamente bereits zu dem Zeitpunkt existierten, als sich die Schwangerschaft der Mutter mit der Klägerin in der teratogenen Phase des 34. bis 50. Schwangerschaftstages befand. Nach den vorliegenden Erkenntnissen existierten thalidomidhaltige Präparate erst nach der Geburt der Klägerin.
27Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2012 - 16 E 723/11 -, juris, in einem vergleichbaren Fall – einen im Juli 1955 in Polen geboren polnischen Staatsangehörigen mit angeborenen Fehlbildungen an Armen und Beinen betreffend – Folgendes ausgeführt:
28"[Der Senat lässt] mangels eigener oder vermittelter Sachkunde dahinstehen, ob - wie die Beklagte unter Berufung auf eine eingeholte medizinische Stellungnahme vorträgt - schon die Art der beim Kläger vorliegenden Missbildungen aus dem Schema thalidomid-typischer Schädigungsfolgen herausfällt. Jedenfalls kann aufgrund der zeitlichen Abfolge ausgeschlossen werden, dass die Mutter des im Juli 1955 geborenen Klägers während der ersten drei Schwangerschaftsmonate, also etwa zwischen Oktober 1954 und Januar 1955, ein von der Fa. H. GmbH vertriebenes thalidomidhaltiges Präparat eingenommen hat. Denn nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung der Beklagten, die sich mit zahlreichen Veröffentlichungen deckt, ist zu dieser Zeit noch kein Medikament mit diesem Wirkstoff auf dem Markt gewesen. Der Wirkstoff Thalidomid ist im Jahr 1954 entwickelt worden, 1955 in die Erprobungsphase und am 1. Oktober 1957 in Deutschland vor allem als Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan in den Handel gelangt.
29Vgl. etwa Roth, in: Chemie unserer Zeit, 2005, 212 bis 217 (= www.k-faktor.com/contergan/files/ unendliche_geschichte.pdf), sowie www.gruenenthal- opfer.de/Vorgeschichte; Widukind Lenz, The History of Thalidomide, www.thalidomide.ca.
30Daneben enthielten auch andere zu jener Zeit in den Handel gelangte Medikamente wie etwa das Grippemittel Grippex den Wirkstoff Thalidomid. Thalidomidhaltige Arzneimittel wurden, überwiegend aufgrund vergebener Lizenzen, auch im Ausland vertrieben; allerdings wird in einer kanadischen Fachveröffentlichung, die sich auflistend mit der weltweiten Verbreitung solcher Medikamente befasst, ein Vertrieb auch in Polen nicht erwähnt und allgemein die Verfügbarkeit derartiger Mittel im Ausland für die Zeit vor dem 1. Oktober 1957 ausgeschlossen.
31Vgl. Warren, The Many Faces of Thalidomide (from 1957 to 1966), www.thalidomide.ca.
32Selbst wenn indessen in einzelnen Ländern thalidomidhaltige Arzneimittel schon vor dem 1. Oktober 1957 - offiziell oder inoffiziell - vertrieben worden sein sollten, wie dies sinngemäß der Kläger behauptet, könnte sich das in seinem Fall - ausgehend von seinen eigenen Angaben - nicht ausgewirkt haben. Denn danach hat seine Mutter das während der Schwangerschaft eingenommene Medikament von einer Nachbarin bekommen, die es wiederum per Paket aus der Bundesrepublik Deutschland erhalten habe. Dass in (West-)Deutschland Contergan erst im Herbst 1957 auf den Markt gekommen ist, muss indessen nach Quellenlage als gesichert betrachtet werden; der Kläger benennt auch keine Beweismittel, die insoweit zu einer abweichenden Erkenntnis führen könnten. Er beruft sich vielmehr auf ärztliche Stellungnahmen, die aufgrund der Art seiner Missbildungen einen Zusammenhang mit dem Erscheinungsbild einer thalidomidverursachten Schädigung herstellen, aber nicht auf die Unstimmigkeit eingehen, die sich aus der dargestellten zeitlichen Abfolge ergibt. In diesem Zusammenhang ist schließlich auch darauf hinzuweisen, dass Missbildungen sowohl spontan ohne erkennbare Ursache auftreten, genetisch bedingt oder durch verschiedenste Umwelteinflüsse ausgelöst sein können, wobei möglicherweise sogar der geringere Teil derartiger Fälle auf exogene Ursachen zurückzuführen ist.
33Vgl. Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, 260. Aufl., Stichwort "Fehlbildung, kongenitale" (S. 557).
34Sonstige Gesichtspunkte, aus denen sich Abweichendes ergeben könnte oder die Anlass für eine erfolgversprechende Beweiserhebung sein könnten, hat der Kläger nicht geltend gemacht."
35Vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 25.03.2013 - 16 E 1139/12 -, juris.
36Dieser Einschätzung schließt sich das erkennende Gericht auch für den vorliegenden Fall an, zumal die Einnahme eines thalidomidhaltigen Medikaments hier noch früher – etwa im Frühjahr 1953 – stattgefunden haben müsste. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird bestätigt durch die in der obigen Entscheidung nicht berücksichtigten Dissertation von Dr. Beate L1. ,
37Der Contergan-Fall: eine unvermeidbare Arzneimittelkatastrophe? Zur Geschichte des Arzneistoffs Thalidomid,
38in der die Pharmazeutin Quellen zugrundegelegt hat, die zuvor noch nicht zugänglich waren, indem sie nach Ablauf der 30-jährigen Sperrfrist die Akten des Contergan-Prozesses sichtete; dazu gehörten auch beschlagnahmte Firmenakten des Unternehmens Grünenthal. Außerdem forschte sie im Archiv des Bundesministeriums für Gesundheit und führte ein Interview mit dem 1995 verstorbenen Mediziner Widukind Lenz, der als erster die Schädigungen von Neugeborenen auf Contergan zurückführte.
39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.03.2013 - 16 E 1139/12 -, juris.
40Nach dieser Veröffentlichung erfolgte die erstmalige Synthese von N‑Phthaylglutaminsäureimid (Thalidomid) im März 1954. Das thalidomidhaltige Mittel „Grippex“ kam im November 1956, die Präparate „Contergan“ und „Contergan forte“ am 1. Oktober 1957 in Deutschland in den Handel. Allerdings konnten bereits vor der Markteinführung Schädigungen durch thalidomidhaltige Präparate beobachtet werden. Frau Dr. L1. erwähnt in ihrer Arbeit die Geburt des ersten thalidomidgeschädigten Kindes in der Bundesrepublik Deutschland im Dezember 1956. Der Vater, ein Angestellter des Herstellerwerkes Grünenthal, habe Muster des neuen Präparates Contergan erhalten und seiner schwangeren Frau gegeben.
41Beate L1. , Der Contergan-Fall: eine unvermeidbare Arzneimittelkatastrophe? Zur Geschichte des Arzneistoffs Thalidomid, S. 45.
42Jedoch liegt im Falle der Klägerin der Zeitpunkt der erforderlichen Einnahme von thalidomidhaltigen Präparaten nicht lediglich vor deren Markteinführung, sondern auch vor der erstmaligen Herstellung des Stoffes Thalidomid. Eine vor der Entwicklung von Thalidomid liegende Einnahme ist denknotwendig ausgeschlossen.
43Anhaltspunkte dafür, dass Thalidomid entgegen der obigen Angaben bereits zuvor entwickelt und verabreicht worden ist, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der Behauptung der Klägerin, Frau Dr. L1. habe dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in einem Telefongespräch bestätigt, dass thalidomidhaltige Medikamente der Firma Grünenthal bereits Anfang der 50er Jahre, insbesondere vor 1952, illegal an Personen verabreicht worden sei. Frau Dr. L1. hat gegenüber dem Gericht auf Anfrage dieser Behauptung ausdrücklich widersprochen. In ihrem Schreiben vom 23. Februar 2104 an das Gericht teilte sie mit, dass sie es für sehr wahrscheinlich halte, dass umgehend nach der Herstellung von Thalidomid die Patentierung beantragt worden sei. Das sei im Jahre 1954 gewesen. Sie gehe davon aus, dass erst im Anschluss an die Patentierung thalidomidhaltige Präparate illegal oder legal an Patienten verabreicht wurden. Falls sie im Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Begriff „Anfang der 50er Jahre“ verwendet haben sollte, habe sich das nicht aus 1950 bis 1953, sondern frühestens auf 1954 bezogen. Unter zeitlichen Gesichtspunkten halte sie die Einnahme eines thalidomidhaltigen Präparates – legal oder illegal – in der ersten Jahreshälfte des Jahres 1953 allgemein und auch speziell für Österreich für unwahrscheinlich.
44Das Gericht sieht keine Veranlassung, die Angaben von Frau Dr. L1. in ihrem Antwortschreiben an das Gericht in Zweifel zu ziehen. Sie stimmen mit ihren Ausführungen in ihrer Dissertation überein und decken sich mit den im obigen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen aufgeführten Erkenntnissen, wonach die Entwicklung von Thalidomid im Jahr 1954 stattfand.
45Demgegenüber geht die Behauptung der Klägerin, thalidomidhaltige Arzneimittel seien bereits während des Zweiten Weltkrieges entwickelt worden, über bloße Mutmaßungen nicht hinaus. Gleiches gilt für die Behauptung, der Hausarzt der Mutter der Klägerin habe der nationalsozialistischen Partei nahegestanden und Kontakte mit der Firma Grünenthal gepflegt und sei auf diesem Wege – inoffiziell – an thalidomidhaltige Präparate gelangt, die er dann an seine Patienten weitergegeben habe.
46Das Gericht konnte auch davon absehen, die als Zeugin im Wege der Beweisanregung benannte Frau N. zu der Behauptung der Klägerin zu hören, ihre Mutter habe auf Anraten der Mutter der Klägerin das ärztlich verordnete thalidomidhaltige Medikament der Firma Grünenthal im 6 bis 7 Monat vor der Geburt der Frau N. vernichten lassen. Die Behauptung der Klägerin ist schon nicht entscheidungserheblich, da nicht ersichtlich ist, weshalb die Vernichtung thalidomidhaltiger Medikamente auf Anraten der Mutter der Klägerin einen Nachweis dafür liefert, dass die Mutter der Klägerin im Frühjahr 1953 thalidomidhaltige Medikamente eingenommen hat und die Fehlbildungen der Klägerin darin ihre wahrscheinliche Ursache haben. Denn aus der Behauptung der Klägerin lässt sich insbesondere kein Zeitpunkt des angeblichen Vorgangs entnehmen.
47Fehlt es damit an einer Verbindung zwischen den Fehlbildungen der Klägerin und der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter der Klägerin während der Schwangerschaft, da die Geburt der Klägerin und somit erst recht der Termin der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate zeitlich vor der Entwicklung von Thalidomid lagen, scheidet ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz bereits tatbestandlich aus. In diesem Zusammenhang begegnet es auch keinen durchgreifenden Bedenken, dass der mit der Begutachtung der Klägerin beauftragte PD Dr. H. in seinem Schreiben vom 25. November 2011 an die Beklagte die Formulierung verwandte, „der Antrag ist abzulehnen“. Bei Herrn PD Dr. H. handelt es sich um einen erfahrenen, aus zahlreichen Verfahren im Zusammenhang mit Conterganschädigungen bekannten Gutachter, der mit den Bewilligungsvoraussetzungen hinreichend vertraut sein dürfte. Fehlt es (aus seiner Sicht) an den Voraussetzungen für die Bewilligung – etwa weil die Klägerin vor Entwicklung von Thalidomid geboren wurde oder ihre Fehlbildungen für ihn nicht dem typischen Schadensbild nach Thalidomideinnahme entsprechen –, kann der Antrag (aus seiner Sicht) keinen Erfolg haben. Es ist nicht ersichtlich, dass Herr PD Dr. H. mit der angegriffenen Formulierung eine Anweisung gegenüber der Beklagten erteilen wollte. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass eine etwaige Anweisung des Gutachters für die Beklagte in keiner Weise verbindlich wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Beklagte sich nicht aufgrund des Ergebnisses der Begutachtung zur Ablehnung des Antrages der Klägerin entschlossen hat, sondern sich dazu wegen der Formulierung von Herrn Dr. H. verpflichtet gesehen habe.
48Angesichts des Vorstehenden bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob der Anspruch der Klägerin auch deswegen nicht besteht, weil ihre Fehlbildungen mit den typischen Thalidomidschäden nicht in Einklang gebracht werden können.
49Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Leistungen wegen Fehlbildungen, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können, werden an die Leistungsberechtigten gewährt, die bei Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes lebten, und nach Maßgabe des § 13 Abs. 5 Satz 2 an deren Erbinnen und Erben.
(2) Wurden Leistungen nach § 13 des Errichtungsgesetzes nicht innerhalb der dort vorgesehenen Frist geltend gemacht, können die Conterganrente und eine Kapitalentschädigung für die Zeit ab 1. Juli 2009 beantragt werden.
(1) Den in § 12 genannten leistungsberechtigten Personen stehen als Leistungen zu:
- 1.
eine einmalige Kapitalentschädigung, - 2.
eine lebenslängliche Conterganrente vorbehaltlich des Absatzes 2 Satz 3, - 3.
jährliche Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und - 4.
eine jährliche Sonderzahlung, die erstmals für das Jahr 2009 und letztmalig für das Jahr 2022 gewährt wird.
(2) Die Höhe der in Absatz 1 genannten Leistungen richtet sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen und liegt
- 1.
bei der einmaligen Kapitalentschädigung zwischen 1 278 Euro und 12 782 Euro, - 2.
bei der monatlichen Conterganrente zwischen 662 Euro und 7 480 Euro, - 3.
bei den jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe zwischen 876 Euro und 9 900 Euro. Zusätzlich erhält jede leistungsberechtigte Person einen jährlichen Sockelbetrag von 4 800 Euro.
(3) Auf Antrag ist die Conterganrente zu kapitalisieren, soweit der Betrag zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes zu eigenen Wohnzwecken verwendet wird. Die §§ 72, 73, 74 Abs. 3 Satz 1, §§ 75, 76 und 77 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes finden entsprechende Anwendung. § 75 Abs. 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Veräußerung und Belastung des mit der Kapitalabfindung erworbenen oder wirtschaftlich gestärkten Grundstücks, Erbbaurechts, Wohnungseigentums oder Wohnungserbbaurechts innerhalb der Frist, für die die Conterganrente kapitalisiert wurde, nur mit Genehmigung der Stiftung zulässig sind. Die Kosten der Eintragung einer Verfügungsbeschränkung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 bis 4 des Bundesversorgungsgesetzes in das Grundbuch trägt die leistungsberechtigte Person. Darüber hinaus ist die Conterganrente auf Antrag zu kapitalisieren, wenn dies im berechtigten wirtschaftlichen Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Im Übrigen kann die Conterganrente auf Antrag teilweise kapitalisiert werden, wenn dies im Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Die Kapitalisierung ist auf die für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren zustehende Conterganrente beschränkt. Der Anspruch auf Conterganrente, an deren Stelle die Kapitalabfindung tritt, erlischt für die Dauer des Zeitraumes, für den die Kapitalabfindung gewährt wird, mit Ablauf des Monats, der auf den Monat der Auszahlung der Abfindung folgt.
(4) Die Zahlungen der Conterganrente beginnen frühestens mit dem Antragsmonat. Wird der Antrag innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes gestellt, so wird die Conterganrente vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an gewährt. Die jährlichen Sonderzahlungen beginnen nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 mit dem Jahr, in dem der Antrag auf Conterganrente gestellt worden ist. Für die Auszahlung der Mittel für die jährlichen Sonderzahlungen nach Absatz 1 Satz 3 werden Anträge auf Leistungen nach diesem Gesetz oder Anträge auf Erhöhung der Leistungen nach diesem Gesetz berücksichtigt, die bis einschließlich 31. Dezember 2021 gestellt worden sind. Die Zahlung der jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 beginnt ab dem 1. Januar 2017.
(5) Die Ansprüche auf die in Absatz 1 genannten Leistungen können nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Vererblich sind lediglich Ansprüche auf Kapitalentschädigung, auf Conterganrente und auf die jährliche Sonderzahlung, die im Zeitpunkt des Todes der leistungsberechtigten Person bereits fällig geworden sind, und zwar nur dann, wenn die Person von ihrem Ehegatten, ihrer Lebenspartnerin oder ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern beerbt wird.
(6) Das Nähere regeln die Satzung und die Richtlinien. Die Satzung trifft insbesondere Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Umfang der Kapitalisierung der Conterganrente nach Absatz 3 Satz 5 und 6 sowie über die Art der Berechnung des Kapitalbetrages. In den Richtlinien ist insbesondere zu regeln, nach welchen Maßstäben auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Mittel Leistungen nach diesem Abschnitt zu bemessen sind und wie das Verfahren zur Gewährung von Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe auszugestalten ist; diese Richtlinien erlässt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
(7) An Erhöhungen der Conterganrente nehmen auch leistungsberechtigte Personen teil, deren Conterganrente nach Absatz 3 kapitalisiert worden ist.
(8) Für die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes entsprechend. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist entsprechend anwendbar.
Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.