Verwaltungsgericht Köln Urteil, 23. Feb. 2016 - 7 K 2817/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 in Brasilien geborene Klägerin begehrt Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz. Sie erhält seit dem Jahr 2000 eine lebenslängliche Rente von der brasilianischen Sozialversicherung als Thalidomidgeschädigte.
3Am 01.02.2010 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung und Zahlung von Kapitalentschädigung und Conterganrente. Sie gab an, ihre Mutter sei während der ersten 4 Schwangerschaftsmonate mit einem thalidomidhaltigen Arzneimittel behandelt worden. Sie habe hierdurch die folgenden Schädigungen erlitten: Missbildung der oberen Glieder, wahrscheinlich Agenesie der linken Niere, schwere Kurzsichtigkeit.
4Die Beklagte legte den Vorgang ihrer Medizinischen Kommission zur Beurteilung vor. Im ärztlichen Gutachten von Dr. T. -I. vom 27.07.2010 wurde festgestellt, dass bei der Klägerin eine schwere Oberarmschädigung, eine Agenesie der linken Niere, eine schwere Kurzsichtigkeit, ein Hypertelorismus und eine plumpe Nase vorlägen. Es wurde vorgeschlagen, die Klägerin wegen sämtlicher Schäden den Fachgutachtern vorzustellen. In der Gesamtbeurteilung hieß es: „Das Vorliegen eines Conterganschadens ist wahrscheinlich.“
5Herr Dr. Graf erklärte in seiner orthopädischen Stellungnahme vom 29.03.2012, es sei eine eindeutige Entscheidung nicht möglich, weil Röntgenbilder sowie Fotos der Hände fehlten. Zunächst sei der Antrag „orthopädischerseits sicher abzulehnen“.
6Mit Bescheid vom 06.06.2012 wurde der Antrag abgelehnt. In der Begründung wurde ausgeführt, es könne nicht sicher davon ausgegangen werden, dass die Mutter seinerzeit ein Präparat der Fa. Grünenthal eingenommen habe. Denn in Brasilien seien thalidomidhaltige Präparate verschiedener Firmen im Handel gewesen. Die Klägerin habe nur angegeben, dass der Mutter „Thalidomida“ für Übelkeit in der Schwangerschaft verordnet worden sei. Außerdem seien die vorgelegten Unterlagen nicht vollständig. Es fehlten Röntgenbilder und Fotos der Hände. Die vorliegenden Röntgenbilder könnten nicht zugeordnet werden, da sie keinen Namen trügen.
7Am 27.07.2012 wurde der Klägerin der Bescheid per e-mail bekanntgegeben. Die Postsendung konnte mehrfach nicht zugestellt werden.
8Daraufhin übersandte die Klägerin mit einem Schreiben vom 05.08.2012 weitere ärztliche Unterlagen, die am 14.09.2012 bei der Beklagten eingingen. In dem Schreiben führte die Klägerin aus, die Mutter habe das Medikament in der frühen Schwangerschaft im November 1960 eingenommen. Die körperlichen Missbildungen seien daher in der empfindlichen Phase der Schwangerschaft verursacht worden. Die Mutter habe ihr vor ihrem Tod im Jahr 2011 bestätigt, dass das Arzneimittel von Grünenthal, und nicht von einer anderen Firma hergestellt worden sei.
9Die Beklagte behandelte das Schreiben als Widerspruch und forderte neue Fotos und Röntgenaufnahmen der oberen Extremitäten an. Die geforderten Unterlagen, insbesondere beschriftete und aussagekräftige Röntgenbilder der oberen Extremitäten, wurden am 22.04.2013 vorgelegt und an die Medizinische Kommission weitergeleitet.
10Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2014 wurde der Widerspruch, gestützt auf ein ärztliches Gutachten von Frau Dr. L. vom 05.03.2014, zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei den geltend gemachten Körperschäden nach der Auffassung von Frau Dr. L. nicht um eine Thalidomidembryopathie handele. Die Fehlbildungen entsprächen nicht dem typischen radialen Schädigungsmuster bei oberen Extremitäten, das in der wissenschaftlichen Literatur bestätigt sei. Bei diesem seien zunächst die Daumen geschädigt, dann zusätzlich die Speichen (Radii), anschließend die Oberarme (Humeri) und zum Schluss die Ellen (Ulnae) und die ulnaren Langfinger. Bei einer schweren Schädigung blieben als Röhrenknochen die Ellen (Ulnae) und die ulnaren Finger erhalten.
11Dieses Muster liege bei der Klägerin nicht vor, denn die Humerusknochen seien zwar hypoplastisch, aber beidseitig erhalten. Beide Radii und Ulnae fehlten. Dieses Muster sei bei Thalidomidschäden nicht beschrieben.
12Der Bescheid wurde am 22.04.2014 zugestellt. Am 19.05.2014 hat die Klägerin Klage erhoben.
13Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Annahme der Gutachterin, Frau Dr. L. , dass die vorliegenden Schädigungen nicht thalidomidtypisch seien, widersprächen den übrigen ärztlichen Stellungnahmen. Herr Dr. K. H. habe im Schreiben vom 29.03.2012 ausgeführt, dass die Unterlagen für eine Beurteilung nicht ausreichten. Herr Dr. T. -I. komme in seiner Stellungnahme vom 27.07.2010 zu dem Ergebnis, dass das Vorliegen eines Conterganschadens wahrscheinlich sei. Damit setze sich Frau Dr. L. nicht auseinander.
14Ferner legte die Klägerin weitere ärztliche Bescheinigungen aus Brasilien vor. Im Schreiben des Herrn Dr. N. H1. B. vom Institut für Neurologie in T1. vom 10.07.2014 (Anlage K 1, Beiakte 3), dem radiologischen Gutachten des Herrn Dr. K1. D. D1. , leitender Arzt der Klinik „N1. J. “, vom 10.07.2014 (Anlage K2, Beiakte 3) und in der Stellungnahme des brasilianischen Sozialversicherungsträgers vom 04.10.2000 (Anlage K3, Beiakte 3) werde bestätigt, dass es sich um eine Thalidomidembryopathie handele. Die Gewährung von Unterstützungsleistungen in Brasilien beruhten auf umfassenden ärztlichen Untersuchungen.
15Im Verlauf des Verfahrens sind ergänzend eine Erklärung des Gesundheitsamtes der Stadt Sao Paulo (Prof. Dr. A. N2. ) vom 29.06.2015 (Bl. 75 + 89) und die ärztlichen Stellungnahmen im Verfahren des Sozialversicherungsträgers (Bl. 77, 78) vorgelegt worden. Hiermit hätten fünf Ärzte aus Brasilien eine Thalidomidembryopathie bei der Klägerin bejaht. Dagegen stehe allein das Gutachten von Frau Dr. L. .
16Die Beklagte lasse außer Acht, dass durch Thalidomid geschädigte Personen auch untypische Schädigungsmuster aufweisen könnten. Außerdem fehle jede Erklärung dazu, welche sonstigen Ursachen eine derartige Fehlbildung haben könne.
17Die Klägerin beantragt,
18die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2014 zu verpflichten, der Klägerin Leistungen nach §§ 13 ContStifG zu bewilligen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie beruft sich auf ergänzende Stellungnahmen von Frau Dr. L. vom 07.10.2014 und vom 19.03.2015.
22Darin führt Frau Dr. L. aus, ihre Beurteilung beruhe – im Gegensatz zu den Gutachten von Herrn Dr. H. vom 29.03.2012 und von Herrn Dr. T2. -I. vom 27.07.2010 – auf Fotos und Röntgenaufnahmen, die erst im Jahr 2013 vorgelegt worden seien. Die Vorgutachten seien daher auf eine unvollständige und unzureichende Grundlage gestützt.
23Bei der Klägerin lägen verkürzte und fehlgebildete Humeri (Oberarmknochen) vor; im Gegensatz dazu wiesen thalidomidgeschädigte Personen verkürzte und fehlgebildete Ulnae auf. Das Schädigungsmuster sei daher nicht thalidomidtypisch.
24Herr Dr. N. H1. B. habe sich nicht mit dem thalidomidtypischen Schädigungsmuster auseinandergesetzt. Außerdem behaupte er, die Mutter der Klägerin habe während der Schwangerschaft „Contergan“ eingenommen. Dieses sei in Brasilien aber nicht im Handel gewesen. Das dort vertriebene Präparat der Fa. Grünenthal habe die Bezeichnung „Sedalis“ getragen. Außerdem seien thalidomidhaltige Arzneimittel anderer Hersteller dort vertrieben worden. Als Nachweis wird ein Auszug aus der Dissertation von Frau Walburga Freitag (Bl. 56) sowie eine Tabelle der kanadischen Gesellschaft der Thalidomidgeschädigten (Bl. 57) vorgelegt.
25Die Röntgenbefunde von Herrn Dr. D1. bestätigten ihre Einschätzung. In diesen werde festgestellt, dass bei der Klägerin beidseits fehlgebildete Humeri sowie beidseits fehlende Unterarme (Radii + Ulnae) vorlägen. Der rechte Humerus sei auf den Röntgenbildern anhand seiner Form eindeutig zu identifizieren. Auf der linken Seite sei der Humerus komplett dysplastisch; es sei jedoch kein „lump“, also kein klumpenförmiger Knochenrest in der Nähe der Schulter, der nicht identifizierbar sei. Auch liege hier keine Synostose von Humerus und Ulna vor.
26Untypisch für eine Thalidomidschädigung seien auch die synostosierten Metacarpalia sowie die Y-Synostose der ulnarseitigen Grundphalangen an der rechten Hand. Außerdem entspreche der Finger der rechten Hand, der am weitesten radial liege, am ehesten einem Daumen. Bei einer thalidomidbedingten Phokomelie fehle jedoch immer der Daumen.
27Es sei auch bei Dr. D1. und den Gutachtern des brasilianischen Sozialversicherungsträgers nicht erkennbar, dass diese sich mit dem typischen Schädigungsmuster befasst hätten.
28Auf Nachfrage des Gerichts ergänzte die Gutachterin, dass die übrigen bei der Klägerin vorliegenden Körperschäden nicht auf eine Thalidomidschädigung hinwiesen. Eine einseitige Nierenagenesie sei in der Allgemeinbevölkerung nicht selten und bei Thalidomidgeschädigten ohne weitere typische Symptome als alleiniges Merkmal nicht beobachtet worden. Kurzsichtigkeit gehöre zu den in der Allgemeinbevölkerung häufigen Krankheitsbildern und habe keinen Zusammenhang mit einer pränatalen Thalidomidexposition. Auch der Hypertelorismus, der keinen Krankheitswert habe, gehöre zu den Varianten der Gesichtsphysiognomie in der Allgemeinbevölkerung. Darüber hinaus komme dieses Symptom bei vielen genetischen Syndromen in Kombination mit weiteren Fehlbildungen vor. Ein gehäuftes Auftreten bei Thalidomidgeschädigten sei nicht bekannt. Eine plumpe Nase könne allein anhand der vorgelegten Fotos der Klägerin nicht festgestellt werden.
29Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie alle weiteren von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen, Fotos und Röntgenaufnahmen Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
31Die zulässige Klage ist nicht begründet.
32Der Bescheid der Beklagten vom 06.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2014 ist rechtmäßig. Die Klägerin wird durch die Weigerung der Beklagten, ihr Leistungen nach dem ContStiftG zu bewilligen, nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Absatz 5 Satz 1 VwGO).
33Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 ContStiftG setzt die Gewährung von Leistungen nach § 13 ContStifG voraus, dass der Antragsteller Fehlbildungen aufweist, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können. Der Kreis der Anspruchsberechtigten ist weit gefasst, um zugunsten etwaiger Betroffener dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eine über jeden Zweifel erhabene Kausalitätsfeststellung unmöglich ist,
34vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 02.12.2011 - 16 E 723/11 -, vom 25.03.2013 - 16 E 1139/12 - und vom 14.01.2015 - 16 E 435/13 -,
35weil sowohl die Aufklärung einer Thalidomideinnahme durch die Mutter während einer mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Schwangerschaft als auch die eindeutige Feststellung eines naturwissenschaftlichen Zusammenhangs zwischen der Einnahme und einer Fehlbildung an Grenzen stoßen. Allerdings reicht es nicht aus, dass Thalidomid als theoretische Ursache für Fehlbildungen nicht auszuschließen ist. Dadurch ließe sich angesichts der Vielfalt anderer möglicher Ursachen der anspruchsberechtigte Personenkreis, der nach dem Willen des Gesetzgebers von Leistungen aus dem Stiftungsvermögen profitieren soll, nicht verlässlich eingrenzen. Aus Sicht der Kammer muss es daher mit Wahrscheinlichkeit gerade die Einwirkung von thalidomidhaltigen Präparaten der Fa. Grünenthal während der Embryonalentwicklung sein, die in einen ursächlichen Zusammenhang mit Fehlbildungen des Antragstellers gebracht werden kann,
36bestätigt durch OVG NRW, Beschlüsse vom 28.12.2015 - 16 A 1124/15 - und vom 19.01.2016 - 16 A 817/15 - .
37Eine Verbindung der von der Klägerin geltend gemachten Fehlbildungen mit der Einnahme eines thalidomidhaltigen Arzneimittels der Fa. Grünenthal GmbH durch ihre Mutter kann jedoch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
38Es bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, ob die Mutter der Klägerin in der Frühschwangerschaft im November 1960 ein Medikament der Fa. Grünenthal eingenommen hat. Denn in Brasilien waren in dieser Zeit mehrere thadlidomidhaltige Arzneimittel im Handel. Nur das Arzneimittel mit der Bezeichnung „Sedalis“ wurde von der Fa. Grünenthal hergestellt. Die weiteren Präparate mit den Namen Ectiluran, Ondasil, Sedin, Slip und Verdil stammten hingegen von anderen Unternehmen. Dies ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen (Auszug aus der Habilitation von Walburga Freitag; Tabelle der Association canadienne des victimes de la Thalidomide, Bl. 56 und 57 der Akten).
39Die Klägerin konnte aber nicht angeben, welches Präparat ihre Mutter eingenommen hat. Insbesondere hat sie sich stets nur darauf berufen, der Mutter sei „Thalidomida“ verschrieben worden. Eine genaue Arzneimittelbezeichnung hat sie an keiner Stelle genannt. Soweit sie im Schreiben vom 05.08.2012 behauptet, die Mutter habe ihr vor ihrem Tod 2011 bestätigt, dass das Arzneimittel von Grünenthal und keiner anderen Firma stamme, ist diese Aussage nicht glaubhaft. Diese Erklärung erfolgte erst nach dem Ablehnungsbescheid vom 06.06.2012, der darauf gestützt war, dass die Einnahme eines Präparats der Fa. Grünenthal nicht sicher festgestellt werden könne. Sie diente also offensichtlich zu dem Zweck, diesen Ablehnungsgrund auszuräumen und ist daher verfahrensangepasst. Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Aussage ergeben sich auch daraus, dass die Klägerin auch jetzt den Namen des von ihrer Mutter eingenommenen Mittels nicht angibt. Insbesondere erwähnt sie an keiner Stelle die Bezeichnung „Sedalis“, welche ihr offenbar nicht bekannt war.
40Auch aus den Unterlagen des brasilianischen Sozialversicherungsträgers und den Auskünften der brasilianischen Ärzte ergibt sich kein Hinweis auf das konkrete, von der Mutter angewendete Präparat. Dort ist stets von „Thalidomida“ die Rede. Allein in dem Bericht von Dr. N. H1. B. vom 10.07.2014 heißt es, die Mutter habe „“Contergan“ eingenommen. Das Arzneimittel der Fa. Grünenthal war aber in Brasilien nicht mit dieser Bezeichnung im Verkehr.
41Jedenfalls sind die von der Klägerin geltend gemachten Fehlbildungen von ihrem „Erscheinungsbild“
42- vgl. zu dessen Bedeutung für die Annahme einer ursächlichen Verbindung: Begründung des Gesetzentwurfs über die Errichtung einer nationalen Stiftung „Hilfswerk für das behinderte Kind“, BT-Drs. VI/926 S. 8 zu § 13 -
43her nicht so beschaffen, dass sie zumindest mit Wahrscheinlichkeit mit einer Thalidomideinnahme in Zusammenhang stehen.
44Hiervon ist das Gericht nach Auswertung sämtlicher ärztlicher Befunde überzeugt. Insbesondere hat Frau Prof. Dr. L. in den von ihr erstellten Gutachten vom 05.03.2014, 07.10.2014 und 19.03.2015 detailliert und nachvollziehbar unter Auswertung der vorliegenden Röntgenbilder dargelegt, dass das bei der Klägerin vorliegende Schadensbild in seiner Gesamtheit nicht einem Thalidomidschaden entspricht. Ihren schlüssigen Feststellungen zufolge weist die Klägerin keine auf Thalidomid zurückführbare Extremitätenfehlbildung und auch keine anderen Symptome auf, die eine Thalidomidembryopathie typischerweise begleiten.
45Das dabei von Prof. Dr. L. für die oberen Gliedmaßen herangezogene Fehlbildungsmuster deckt sich mit gutachterlichen Äußerungen auch in anderen bei der Kammer anhängigen Verfahren, die durch entsprechende Fachquellen
46- vgl. R W Smithells/C G H Newman, Recognition of thalidomide defects J. Med. Genet. 1992, 29: 716 - 723; Henkel/Willert, Dysmelia – A classification and pattern of malformation in a group of congenital defects of the limbs, Journal of Bone & Joint Surgery 51 B, 399, 401.; Willert, Das Fehlbildungsmuster der Thalidomid-bedingten Dysmelie in: Die Contergankatastrophe – Eine Bilanz nach 40 Jahren, 2005, S. 75 ff.; Peters, Thalidomid-Embryopathie: eine vielfältige Katastrophe, Pädiatrie hautnah, 2014, 44, 46 -
47untermauert sind. Danach folgen thalidomidbedingte Dysmelien der oberen Extremitäten insofern einem festen Muster, als es sich um longitudinale, radial betonte Fehlbildungen handelt, die eine Knochenreduktion von distal nach proximal aufweisen. Es ergeben sich teratologische Reihen, die am Arm mit einer Entwicklungsstörung der Daumen beginnen, sich mit zunehmendem Schweregrad schrittweise auf weitere Skelettabschnitte des Armes ausdehnen und mit dem völligen Fehlen der oberen Extremität enden. Finden sich primär Fehlbildungen beider Daumen, so erstreckt sich die nächstschwerere Ausprägung dann auf eine Verformung und Verkürzung der Speiche (Radius) als Fortsetzung des Daumenstrahls, und in der Folge auf den Oberarmknochen (Humerus), das Schultergelenk und zuletzt auf die Elle (Ulna) und die weiteren ulnaren Fingerstrahlen (3. – 5. Finger).
48Mit dieser Gesetzmäßigkeit lässt sich nicht in Einklang bringen, dass bei der Klägerin nach den vorliegenden Röntgenaufnahmen beide Humeri in dysplastischer Form vorhanden sind, jedoch beide Unterarmknochen (Radius und Ulna) fehlen. Diese Feststellung ergibt sich aus einer übereinstimmenden Auswertung der Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2013 durch den brasilianischen Radiologen Dr. D1. und durch Frau Prof. Dr. L. . Bei der Thalidomidembryopathie verbleibt hingegen nicht der Humerus als letzter der langen Röhrenknochen der Arme, sondern die Ulna. Ferner ist auch die Fehlbildung der rechten Hand nicht thalidomidtypisch. Hier findet sich nach Aussage von Frau Prof. Dr. L. auf der radialen Seite ein Finger mit zwei Gliedern, der am ehesten einem Daumen entspricht. Bei einer Thalidomidembryopathie wäre aber zu erwarten, dass bei einem Fehlen des Radius auch der Daumen nicht vorhanden ist, weil dieser als erstes Glied der Fehlentwicklung zum Opfer fällt. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse hat das Gericht auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die der Klägerin angeborenen Fehlbildungen zumindest vereinzelt in Zusammenhang mit einer Thalidomidembryopathie festgestellt worden sind.
49Frau Prof. Dr. L. hat auch hinreichend und nachvollziehbar dargelegt, dass die übrigen Körperschäden bzw. körperlichen Besonderheiten der Klägerin als alleinige Symptome einer Thalidomidembryopathie nicht ausreichend sind, weil sie auch in der übrigen Bevölkerung häufig als Geburtsfehler auftreten. Das gilt sowohl für die wahrscheinlich vorliegende einseitige Nierenagenesie (Fehlen einer Niere), die starke Kurzsichtigkeit und den Hypertelorismus (zu großer Augenabstand). Die von Herrn Dr. T. -I. diagnostizierte „plumpe Nase“ lässt sich auch aus der Sicht des Gerichts auf den Fotos der Klägerin nicht als Fehlbildung einordnen, sondern hält sich im Rahmen normaler Nasenformen.
50Die sachverständige Stellungnahme von Prof. Dr. L. ist hinreichend geeignet, dem Gericht die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Sie weist keine für den Nichtsachkundigen erkennbaren groben Mängel auf und beruht auf einem anerkannten Wissensstand insbesondere auch zu den Fehlbildungsmustern bei der Thalidomidembryopathie. Sie geht von zutreffenden tatsächlichen Verhältnissen aus, enthält keine unlösbaren Widersprüche und gibt keinen Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Sachverständigen,
51vgl. zu diesen Anforderungen OVG NRW, Beschluss vom 06.02.2012 - 1 A 1337/10 - und vom 19.01.2016 - 16 A 817/15 - .
52Die Aussagen der beiden anderen Gutachter der Medizinischen Kommission der Beklagten sind nicht geeignet, das fundierte Gutachten von Frau Prof. Dr. L. zu entkräften. Herr Dr. H. hat eine endgültige Beurteilung aufgrund fehlender Unterlagen abgelehnt. Herr Dr. T. -I. hat zwar im Ergebnis ausgeführt, ein Conterganschaden sei wahrscheinlich. Dies lässt sich aber nicht schlüssig auf die zuvor genannten Feststellungen zu den einzelnen Körperschäden zurückführen, weil der Gutachter hinsichtlich aller Einzelschäden eine endgültige Beurteilung offen gelassen und eine Vorstellung bei den Fachgutachtern vorgeschlagen hat. Darüber hinaus lagen Herrn Dr. T. -I. die erst im Jahr 2013 eingereichten aussagekräftigen Röntgenaufnahmen der oberen Extremitäten, die entscheidend für die Beurteilung einer Thalidomidembryopathie sind, bei seiner Stellungnahme vom 27.07.2010 nicht vor.
53Auch die eingereichten Stellungnahmen der brasilianischen Ärzte, die übereinstimmend von einer Thalidomidschädigung ausgehen, sprechen nicht gegen die Einschätzung von Frau Prof. Dr. L. . Eine ausführliche Begründung für die Annahme eines Thalidomidschadens fehlt. Insbesondere setzt sich keiner der Ärzte mit dem für Thalidomid typischen Schädigungsmuster der oberen Extremitäten und den hiervon abweichenden Körperschäden der Klägerin, wie sie aus den Röntgenaufnahmen von 2013 erkennbar sind, auseinander. Es ist daher für das Gericht nicht nachvollziehbar, warum die brasilianische Sozialversicherung die Klägerin als thalidomidgeschädigte Person anerkannt hat, zumal im Jahr 2000 die aussagekräftigen Röntgenbilder von Herrn Dr. D1. von 2013 noch nicht vorlagen.
54Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass wegen der lückenhaften wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Embryonalentwicklung und wegen der Individuellen Unterschiede des menschlichen Körpers nicht sicher ausgeschlossen werden könne, dass auch untypische Körperschäden durch Thalidomid verursacht sein könnten. Dies genügt jedoch nicht dem gesetzlichen Maßstab des § 13 ContStifG, wonach eine positive Feststellung mit dem Inhalt erforderlich ist, dass die Fehlbildungen in Verbindung mit der Einnahme von Thalidomid in der Schwangerschaft stehen können, dieser Zusammenhang also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann.
55Ein wahrscheinlicher Zusammenhang mit einer Thalidomideinnahme liegt aber in der Regel nicht vor, wenn kein typisches, anhand einer Vielzahl von Fällen ermitteltes Schadensbild vorliegt. Denn eine atypische Ausprägung einer Extremitätenfehlbildung (Dysmelie) kann auch durch eine Vielzahl anderer Ursachen hervorgerufen werden, z.B. durch den Einfluss äußerer Faktoren - wie Viren, anderen Schadstoffen oder Medikamenten, Sauerstoffmangel des Embryos, ein Amniotisches-Band-Syndrom oder Fehlernährung in der Schwangerschaft - oder durch genetische Abweichungen
56vgl. Wikipedia, „Dysmelie“, https:// de.wikipedia.org/wiki/Dysmelie; Medizin-Lexikon „Dysmelie“, http:// symptomat.de/Dysmelie; Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 263. Auflage 2012, „Embryopathie“, „Fehlbildung“.
57Eine Abgrenzung von thalidomidbedingten Schäden und anderen Schäden ist daher bei einem untypischen Gesamtschadensbild und einer zweifelhaften Thalidomideinnahme in der Regel kaum möglich,
58vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 28.12.2015 - 16 A 1124/15 - .
59Für die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Thalidomidschadens kommt es auch nicht darauf an, ob sich die Fehlbildungen mit vollständiger oder großer Gewissheit auf ein anderes Krankheitsbild bzw. eine andere Entstehungsursache zurückführen lassen,
60Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.03.2013 – 16 E 1139/12 – juris, Rn. 18.
61Maßgeblich ist allein, ob der erforderliche Ursachenzusammenhang der Körperschäden mit Thalidomid mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Die Beklagte ist daher nicht verpflichtet, eine andere Ursache für die geltend gemachten Fehlbildungen darzulegen. Eine derartige Verpflichtung kann schon deshalb nicht bestehen, weil sich die Ursachen für Geburtsschäden häufig nicht eindeutig feststellen lassen.
62Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
moreResultsText
Annotations
(1) Den in § 12 genannten leistungsberechtigten Personen stehen als Leistungen zu:
- 1.
eine einmalige Kapitalentschädigung, - 2.
eine lebenslängliche Conterganrente vorbehaltlich des Absatzes 2 Satz 3, - 3.
jährliche Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und - 4.
eine jährliche Sonderzahlung, die erstmals für das Jahr 2009 und letztmalig für das Jahr 2022 gewährt wird.
(2) Die Höhe der in Absatz 1 genannten Leistungen richtet sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen und liegt
- 1.
bei der einmaligen Kapitalentschädigung zwischen 1 278 Euro und 12 782 Euro, - 2.
bei der monatlichen Conterganrente zwischen 662 Euro und 7 480 Euro, - 3.
bei den jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe zwischen 876 Euro und 9 900 Euro. Zusätzlich erhält jede leistungsberechtigte Person einen jährlichen Sockelbetrag von 4 800 Euro.
(3) Auf Antrag ist die Conterganrente zu kapitalisieren, soweit der Betrag zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes zu eigenen Wohnzwecken verwendet wird. Die §§ 72, 73, 74 Abs. 3 Satz 1, §§ 75, 76 und 77 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes finden entsprechende Anwendung. § 75 Abs. 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Veräußerung und Belastung des mit der Kapitalabfindung erworbenen oder wirtschaftlich gestärkten Grundstücks, Erbbaurechts, Wohnungseigentums oder Wohnungserbbaurechts innerhalb der Frist, für die die Conterganrente kapitalisiert wurde, nur mit Genehmigung der Stiftung zulässig sind. Die Kosten der Eintragung einer Verfügungsbeschränkung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 bis 4 des Bundesversorgungsgesetzes in das Grundbuch trägt die leistungsberechtigte Person. Darüber hinaus ist die Conterganrente auf Antrag zu kapitalisieren, wenn dies im berechtigten wirtschaftlichen Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Im Übrigen kann die Conterganrente auf Antrag teilweise kapitalisiert werden, wenn dies im Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Die Kapitalisierung ist auf die für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren zustehende Conterganrente beschränkt. Der Anspruch auf Conterganrente, an deren Stelle die Kapitalabfindung tritt, erlischt für die Dauer des Zeitraumes, für den die Kapitalabfindung gewährt wird, mit Ablauf des Monats, der auf den Monat der Auszahlung der Abfindung folgt.
(4) Die Zahlungen der Conterganrente beginnen frühestens mit dem Antragsmonat. Wird der Antrag innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes gestellt, so wird die Conterganrente vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an gewährt. Die jährlichen Sonderzahlungen beginnen nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 mit dem Jahr, in dem der Antrag auf Conterganrente gestellt worden ist. Für die Auszahlung der Mittel für die jährlichen Sonderzahlungen nach Absatz 1 Satz 3 werden Anträge auf Leistungen nach diesem Gesetz oder Anträge auf Erhöhung der Leistungen nach diesem Gesetz berücksichtigt, die bis einschließlich 31. Dezember 2021 gestellt worden sind. Die Zahlung der jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 beginnt ab dem 1. Januar 2017.
(5) Die Ansprüche auf die in Absatz 1 genannten Leistungen können nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Vererblich sind lediglich Ansprüche auf Kapitalentschädigung, auf Conterganrente und auf die jährliche Sonderzahlung, die im Zeitpunkt des Todes der leistungsberechtigten Person bereits fällig geworden sind, und zwar nur dann, wenn die Person von ihrem Ehegatten, ihrer Lebenspartnerin oder ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern beerbt wird.
(6) Das Nähere regeln die Satzung und die Richtlinien. Die Satzung trifft insbesondere Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Umfang der Kapitalisierung der Conterganrente nach Absatz 3 Satz 5 und 6 sowie über die Art der Berechnung des Kapitalbetrages. In den Richtlinien ist insbesondere zu regeln, nach welchen Maßstäben auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Mittel Leistungen nach diesem Abschnitt zu bemessen sind und wie das Verfahren zur Gewährung von Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe auszugestalten ist; diese Richtlinien erlässt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
(7) An Erhöhungen der Conterganrente nehmen auch leistungsberechtigte Personen teil, deren Conterganrente nach Absatz 3 kapitalisiert worden ist.
(8) Für die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes entsprechend. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist entsprechend anwendbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Den in § 12 genannten leistungsberechtigten Personen stehen als Leistungen zu:
- 1.
eine einmalige Kapitalentschädigung, - 2.
eine lebenslängliche Conterganrente vorbehaltlich des Absatzes 2 Satz 3, - 3.
jährliche Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und - 4.
eine jährliche Sonderzahlung, die erstmals für das Jahr 2009 und letztmalig für das Jahr 2022 gewährt wird.
(2) Die Höhe der in Absatz 1 genannten Leistungen richtet sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen und liegt
- 1.
bei der einmaligen Kapitalentschädigung zwischen 1 278 Euro und 12 782 Euro, - 2.
bei der monatlichen Conterganrente zwischen 662 Euro und 7 480 Euro, - 3.
bei den jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe zwischen 876 Euro und 9 900 Euro. Zusätzlich erhält jede leistungsberechtigte Person einen jährlichen Sockelbetrag von 4 800 Euro.
(3) Auf Antrag ist die Conterganrente zu kapitalisieren, soweit der Betrag zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes zu eigenen Wohnzwecken verwendet wird. Die §§ 72, 73, 74 Abs. 3 Satz 1, §§ 75, 76 und 77 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes finden entsprechende Anwendung. § 75 Abs. 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Veräußerung und Belastung des mit der Kapitalabfindung erworbenen oder wirtschaftlich gestärkten Grundstücks, Erbbaurechts, Wohnungseigentums oder Wohnungserbbaurechts innerhalb der Frist, für die die Conterganrente kapitalisiert wurde, nur mit Genehmigung der Stiftung zulässig sind. Die Kosten der Eintragung einer Verfügungsbeschränkung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 bis 4 des Bundesversorgungsgesetzes in das Grundbuch trägt die leistungsberechtigte Person. Darüber hinaus ist die Conterganrente auf Antrag zu kapitalisieren, wenn dies im berechtigten wirtschaftlichen Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Im Übrigen kann die Conterganrente auf Antrag teilweise kapitalisiert werden, wenn dies im Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Die Kapitalisierung ist auf die für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren zustehende Conterganrente beschränkt. Der Anspruch auf Conterganrente, an deren Stelle die Kapitalabfindung tritt, erlischt für die Dauer des Zeitraumes, für den die Kapitalabfindung gewährt wird, mit Ablauf des Monats, der auf den Monat der Auszahlung der Abfindung folgt.
(4) Die Zahlungen der Conterganrente beginnen frühestens mit dem Antragsmonat. Wird der Antrag innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes gestellt, so wird die Conterganrente vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an gewährt. Die jährlichen Sonderzahlungen beginnen nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 mit dem Jahr, in dem der Antrag auf Conterganrente gestellt worden ist. Für die Auszahlung der Mittel für die jährlichen Sonderzahlungen nach Absatz 1 Satz 3 werden Anträge auf Leistungen nach diesem Gesetz oder Anträge auf Erhöhung der Leistungen nach diesem Gesetz berücksichtigt, die bis einschließlich 31. Dezember 2021 gestellt worden sind. Die Zahlung der jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 beginnt ab dem 1. Januar 2017.
(5) Die Ansprüche auf die in Absatz 1 genannten Leistungen können nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Vererblich sind lediglich Ansprüche auf Kapitalentschädigung, auf Conterganrente und auf die jährliche Sonderzahlung, die im Zeitpunkt des Todes der leistungsberechtigten Person bereits fällig geworden sind, und zwar nur dann, wenn die Person von ihrem Ehegatten, ihrer Lebenspartnerin oder ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern beerbt wird.
(6) Das Nähere regeln die Satzung und die Richtlinien. Die Satzung trifft insbesondere Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Umfang der Kapitalisierung der Conterganrente nach Absatz 3 Satz 5 und 6 sowie über die Art der Berechnung des Kapitalbetrages. In den Richtlinien ist insbesondere zu regeln, nach welchen Maßstäben auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Mittel Leistungen nach diesem Abschnitt zu bemessen sind und wie das Verfahren zur Gewährung von Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe auszugestalten ist; diese Richtlinien erlässt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
(7) An Erhöhungen der Conterganrente nehmen auch leistungsberechtigte Personen teil, deren Conterganrente nach Absatz 3 kapitalisiert worden ist.
(8) Für die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes entsprechend. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist entsprechend anwendbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.