Verwaltungsgericht Köln Urteil, 01. Okt. 2014 - 23 K 4068/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber tragen.
1
Tatbestand
2Der Kläger wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Erweiterung eines Einfamilienhauses.
3Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks I. 00 (Gemarkung U. -T. , Flur 00, Flurstücke 0000, 0000) in L. , das mit einem zweigeschossigen Reihenhaus bebaut ist.
4An das Grundstück des Klägers grenzt im Westen das Vorhabengrundstück der Beigeladenen I. 00 (Gemarkung U. -T. , Flur 00, Flurstück 0000/0) an. Dieses ist ebenfalls mit einem zweigeschossigen, zum Grundstück des Klägers grenzständig errichteten zweigeschossigen Reihenhaus bebaut, an dessen rückwärtige südliche Seite ein 3 m tiefer und zum Grundstück des Klägers ebenfalls grenzständiger Wintergarten mit einer Pultdachkonstruktion angebaut ist.
5Die Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
6Beide Häuser sind Teil einer ca. 31 m langen Häuserreihe, die aus den Häusern I. 00 - 00 besteht. Die jeweils zweigeschossigen Häuser weisen eine Bautiefe von 10 m auf.
7Nördlich von dieser Häuserreihe befindet sich eine weitere Häuserreihe gleicher Länge (I. 00 - 00) mit zweigeschossigen Häusern. Die vier Häuser verfügen über eine Bautiefe von 9 m sowie im Süden über ein- oder zweigeschossige Anbauten, die jeweils 3 m tief sind. Zum Teil gehen die Anbauten über die volle, zum Teil auch nur über die halbe Breite der Hauptgebäude.
8Südlich der Häuserreihe I. 00 - 00 liegt eine etwas längere Häuserreihe (I. 0 - 00), deren Häuser 10 m tief gebaut sind und an denen sich keine Anbauten befinden. Die Grundstücke der drei parallel zueinander angelegten Häuserreihen werden jeweils durch zwei ca. 4,50 m breite Stichwegparzellen voneinander getrennt.
9Am 29.11.2010 richteten die Beigeladenen eine planungsrechtliche Bauvoranfrage zur Erweiterung eines Einfamilienhauses an die Beklagte, die sie später zurückzogen.
10Im Juni 2012 erteilte die Beklagte den Beigeladenen unter dem Aktenzeichen 00/000/0000/0000 eine Baugenehmigung zur Änderung eines Einfamilienhauses durch Erweiterung, auf deren Ausnutzung die Beigeladenen mittlerweile verzichtet haben.
11Am 17.01.2013 erteilte die Beklagte den Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Änderung eines Wohnhauses durch Erweiterung des bestehenden Gebäudes im Erdgeschoss. Genehmigt ist ein eingeschossiger Flachdachanbau auf der Fläche des Wintergartens.
12Der Kläger hat am 05.07.2013 Klage erhoben und am 12.07.2013 einen mittlerweile erledigten Antrag (23 L 996/13) sowie am 24.01.2014 einen weiteren zwischenzeitlich zurückgenommenen Antrag (23 L 134/14) auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.
13Zur Begründung der Klage führt er aus, dass das Vorhaben gegen Abstandflächenrecht verstoße, da der Anbau außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche geplant sei. Denn die hierfür maßgebliche nähere Umgebung beschränke sich insoweit auf die Hausgruppe, zu der sein Haus und das der Beigeladenen gehörten. Der bislang dort befindliche Wintergarten entfalte insofern keine prägende Wirkung. Des Weiteren sei das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, da durch die Erweiterung das nachbarliche Austauschverhältnis der Eigentümer der Reihenhäuser gestört werde. Zudem würde es bei einem weiteren Anbau durch seinen östlichen Nachbarn zu einem „Scheuklappeneffekt“ zu Lasten seines Grundstücks kommen.
14Der Kläger beantragt,
15die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 17.01.2013 aufzuheben.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie macht geltend, die in der Umgebung des streitgegenständlichen Grundstücks befindlichen Grundstücke wiesen Bautiefen von bis zu 12,50 m auf. Durch eine Bebauung von etwas mehr als 13 m ergebe sich weder eine Fehlentwicklung noch würden bodenrechtliche Spannungen ausgelöst, zumal mit dem Vorhaben ein lediglich eingeschossiger Anbau in nahezu identischer Länge und Breite an genau gleicher Stelle errichtet werde wie der schon bestehende Wintergarten. Durch diese nachhaltige Prägung und die geringfügig höhere Planung des Vorhabens werde das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt. Das Vorhaben stelle auch keine neue Erschwernis für den Kläger dar und verstoße daher auch nicht gegen Abstandflächenrecht.
19Die Beigeladenen stellen keinen Antrag, tragen aber vor, dass die nähere Umgebung den gesamten Bereich der Straßen I1. , I. , M. I2. und N. I2. umfasse, mindestens aber die Straße I. selbst. Der Wintergarten habe durch seine gut sichtbare Lage prägende Wirkung. Eine vollständige Deckungsgleichheit der einzelnen Häuser sei nicht erforderlich. Das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt, da die wechselseitige Verträglichkeit der Häuser nicht beeinträchtigt werde. Der geplante Anbau werde in den Ausmaßen des bestehenden Wintergartens erfolgen. Zu einer Verschattung des Grundstücks des Klägers werde es wegen der Südausrichtung der Grundstücke lediglich im Hochsommer am späten Abend kommen.
20Das Gericht hat am 18.09.2014 einen Ortstermin durchgeführt; wegen des Ergebnisses der Ortsbesichtigung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge (3 Ordner) sowie der Gerichtsakten in den Verfahren 23 L 996/13 und 23 L 134/14 Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe
23Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist unbegründet.
24Die angefochtene Baugenehmigung vom 17.01.2013 ist nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
25Ein Abwehrrecht des Nachbarn gegen eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung setzt voraus, dass das Vorhaben, soweit es durch die Baugenehmigung zugelassen wird, in einer nicht durch einen rechtmäßigen Dispens ausräumbaren Weise gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind, und dass der Nachbar – sofern sich dies aus der nachbarschützenden Vorschrift ergibt – durch das Vorhaben tatsächlich spürbar beeinträchtigt wird.
26Ob das Vorhaben objektiv, d. h. hinsichtlich der Vorschriften, die nicht nachbarschützend sind, rechtmäßig ist, kann im Nachbarverfahren nicht berücksichtigt werden.
27Nach diesen Maßstäben ist die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht in nachbarrechtsrelevantem Umfang rechtswidrig. Insbesondere verstößt sie nicht, wie der Kläger zwar meint, zu seinen Lasten gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme oder gegen die bauordnungsrechtlichen Vorschriften des Abstandflächenrechts.
28Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot ist nicht unter den verschiedenen vom Kläger angeführten Gesichtspunkten zu erkennen. Das u.a. im Tatbestandsmerkmal des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot verlangt – soweit seine nachbarschützende Wirkung geht – im Einzelfall eine Abwägung der Interessen von Bauherrn und Nachbarn. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Der Nachbar kann umso mehr Rücksicht verlangen, je empfindlicher und schutzwürdiger seine Stellung ist; umgekehrt braucht der Bauherr umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und weniger abweisbar die von ihm verfolgten Interessen sind. Die hierbei vorzunehmende Interessenabwägung hat sich an dem Kriterium der Unzumutbarkeit auszurichten. Unzumutbarkeit liegt vor, wenn dem Betroffenen die nachteilige Einwirkung des streitigen Bauwerks billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann. Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt nachbarschützende Wirkung zu, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar begrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.12.1996 – 4 B 215.96 –, juris, Rz. 9 m.w.N.
30Ist ein unbeplanter Innenbereich in offener Bauweise bebaut, weil dort nur Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen im Sinne von § 22 Abs. 2 BauNVO den maßgeblichen Rahmen bilden, so fügt sich ein grenzständiges Vorhaben im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich nicht nach der Bauweise ein, das unter Beseitigung eines bestehenden Doppelhauses oder – wie hier – einer bestehenden Hausgruppe grenzständig errichtet wird, ohne mit dem verbleibenden Gebäudeteil ein Doppelhaus bzw. eine Hausgruppe zu bilden. Ein solches Vorhaben verstößt gegenüber den Eigentümern der Häuser der bisher bestehenden Hausgruppe grundsätzlich gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme, weil die Zulässigkeit einer Bebauung als Hausgruppe den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraussetzt. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein. Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke erhöht. Das wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, „erkauft“. Diese Interessenlage rechtfertigt es, dem Bauherrn eine Rücksichtnahmeverpflichtung aufzuerlegen, die eine grenzständige Bebauung ausschließt, wenn er den bisher durch die Hausgruppe gezogenen Rahmen überschreitet.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 – 4 C 5.12 –, juris, Rz. 17 ff. zu Doppelhäusern.
32Ob die Beurteilung des Hausgruppencharakters nach quantitativen Maßstäben,
33s. dazu OVG NRW, Urteil vom 26.06.2014 – 7 A 2725/12 –, juris, Rz. 38 - 46 zu Doppelhäusern,
34und/oder durch wertende Betrachtung qualitativer Aspekte,
35s. dazu OVG NRW, Urteil vom 26.06.2014, a.a.O., Rz. 38, 50,
36vorzunehmen ist oder welcher der beiden Ansätze bei kombinierter Anwendung unter welchen Bedingungen im „Interesse einer möglichst rechtssicheren Handhabung“ den Ausschlag geben soll, kann vorliegend offen bleiben. Denn das Vorhaben der Beigeladenen hebt das Erscheinungsbild der Häuserreihe als Hausgruppe nach keiner der beiden Betrachtungsweisen auf.
37Die Häuserreihe I. 00 - 00 stellt aufgrund ihrer Breite von 31 m und damit weniger als 50 m eine Hausgruppe i.S.v. § 22 Abs. 2 S. 1, 2 BauNVO dar. Die jeweils zweigeschossigen Häuser weisen eine Bautiefe von 10 m auf. Das die Hausgruppe prägende nachbarschaftliche Austauschverhältnis wird bei einer Bautiefe der zweigeschossigen Reihenhäuser von 10 m weder durch den vorhandenen grenzständigen 3 m tiefen Wintergartenanbau an das Reihenhaus der Beigeladenen noch durch den auf der Fläche des Wintergartens genehmigten eingeschossigen Anbau in Frage gestellt.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.07.2010 – 7 A 44/09 –, juris, Rz. 50 zu einem 4 m tiefem Wintergartenanbau an 14 m tiefes Reihenhaus; Urteil vom 17.02.2009 – 10 A 568/07 –, juris Rz. 39 zu einem 3,70 m tiefen und 8,70 m breiten Wintergartenanbau an eine Doppelhaushälfte.
39Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot scheidet auch unter anderen vom Kläger angesprochenen Blickwinkeln aus. Im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung kann sich ein Vorhaben dann mit dem Rücksichtnahmegebot als nicht vereinbar erweisen, wenn es eine erdrückende Wirkung hat.
40Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 16.01.2014 – 7 A 1776/13 –, juris, Rz. 5 f.
41Beim hier streitigen eingeschossigen Grenzanbau mit einer Bautiefe von 3 m entstünde auch bei einem vom Kläger befürchteten – bislang hypothetischen und daher an sich unerheblichen – weiteren Grenzanbau durch seinen östlichen Grundstücksnachbarn keine für ihn unzumutbare Wohnsituation, dergestalt, dass ihm förmlich „die Luft genommen“ würde oder für ihn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entstünde.
42Ebenso wenig führt die vom Kläger angenommene Verschattung seines Grundstücks durch das Vorhaben zu einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots. In einem bebauten innerstädtischen Gebiet müssen Nachbarn hinnehmen, dass Grundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es dadurch zu einer gewissen Verschattung des eigenen Grundstücks kommen kann.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.01.2014, a.a.O., Rz. 8 f.
44Eine Verschattung unzumutbaren Ausmaßes ist weder substantiiert dargelegt noch mit Blick auf die Lage des Vorhabens auf dem westlichen Nachbargrundstück des Grundstücks des Klägers ersichtlich. Zu einem gewissen Schattenwurf dürfte es allein in den Abendstunden kommen.
45Das Vorhaben verstößt auch nicht zuungunsten des Klägers gegen Abstandflächenrecht. Grundsätzlich sind gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 BauO NRW vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Das Vorhaben muss jedoch keine Abstandflächen einhalten. Nach S. 2 Buchstabe a) dieser Vorschrift ist innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche eine Abstandfläche nicht erforderlich gegenüber Grundstücksgrenzen, gegenüber denen nach planungsrechtlichen Vorschriften ohne Grenzabstand oder mit geringerem Grenzabstand als nach § 6 Abs. 5 und 6 BauO NRW gebaut werden muss. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
46Mangels eines Bebauungsplans richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen auch hinsichtlich der hier relevanten Merkmale der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksflächen nach § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB. Danach ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
47Die maßgebliche nähere Umgebung wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB genannten Merkmale gesondert zu ermitteln, weil diese jeweils eine Prägung mit ganz unterschiedlicher Reichweite und Gewichtung entfalten können; bezüglich des hier in Rede stehenden Merkmals der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, mit dem die konkrete Größe der Grundfläche der baulichen Anlage und ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung gemeint ist, wird die nähere Umgebung im Regelfall enger als z.B. bei dem Merkmal der Art der baulichen Nutzung zu bemessen sein. Denn die von den überbauten Grundflächen ausgehende Prägung bleibt in ihrer Reichweite im Allgemeinen hinter den von der Art der baulichen Nutzung ausgehenden Wirkungen zurück. Maßgeblich ist, wie weit die wechselseitigen Auswirkungen im Verhältnis von Vorhaben und Umgebung im Einzelfall reichen. Bei der Bestimmung des Rahmens der näheren Umgebung ist zunächst die vorhandene Bebauung in den Blick zu nehmen. Sodann muss die Betrachtung anschließend auf das Wesentliche zurückgeführt werden, d.h. es muss alles außer Acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr als Fremdkörper erscheint. Bauliche Anlagen, die als Fremdkörper erscheinen, sind aber nur dann außer Betracht zu lassen, wenn sie wegen ihrer Andersartigkeit bzw. Einzigartigkeit den Charakter der Umgebung nicht zu beeinflussen vermögen, was wiederum bei wertender Betrachtung der Gegebenheiten des Einzelfalls zu ermitteln ist.
48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.07.2010 – 7 A 44/09 –, juris, Rz. 25 ff. m.w.N.
49Hinsichtlich der Merkmale der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksflächen umfasst die insoweit maßgebliche nähere Umgebung jedenfalls die drei genannten Hausreihen I. 0 - 00, 00 - 00 und 00 - 00. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt die Häuserreihe I. 00 - 00 als hier allein maßgebliche nähere Umgebung nicht in Betracht. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, wonach bei einer Reihenhausbebauung die hintere Baugrenze ausschließlich durch die Reihenhäuser gebildet würde, auch dann nicht, wenn diese in einer einheitlichen Linie stehen. Die lediglich aus den fünf Häusern Nrn. 00 - 00 bestehende Hausreihe ist schon aufgrund der geringen Anzahl der Häuser kaum geeignet, für sich allein die maßgebende prägende Wirkung für den die Umgebung bestimmenden Maßstab der überbaubaren Grundstücksfläche zu entfalten. Die nördlich und südlich davon gelegenen Häuserreihen sind in jedem Fall mit in den Blick zu nehmen. Dies folgt daraus, dass die drei parallel zueinander liegenden Hausgruppen nur durch zwei ca. 4,50 m breite Stichwegparzellen jeweils voneinander getrennt sind. Es ist nicht ersichtlich, warum die Häuserreihen untereinander keine wechselseitig prägende Wirkung entfalten sollten.
50S. dazu OVG NRW, Urteil vom 19.07.2010, a.a.O., Rz. 34.
51Da die nähere Umgebung durch Hausgruppen und damit eine offene Bauweise geprägt wird, muss innerhalb der Hausgruppe und somit an der gemeinsamen Grundstücksgrenze der beteiligten Nachbarn grenzständig gebaut werden.
52Die für die Beurteilung der überbaubaren Grundstücksfläche hier maßgebliche faktische südliche Baugrenze wird durch den bislang auf dem Vorhabengrundstück befindlichen Wintergarten bestimmt.
53Vgl. zum Bezugspunkt zur Bestimmung von faktischen Baugrenzen: VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.03.2010 – 5 L 74/10 –, juris, Rz. 19.
54Der Wintergarten ist entgegen der Auffassung des Klägers kein Fremdkörper in der näheren Umgebung und daher zu ignorieren. In der hier maßgeblichen näheren Umgebung ist er vielmehr zusammen mit den vier Anbauten der nördlichen Hausgruppe I. 00 - 00 zu betrachten. Damit weisen fünf der insgesamt 14 Reihenhäuser in der näheren Umgebung Anbauten von 3 m Tiefe auf, die zu Bautiefen von insgesamt 12 m und im Falle des Vorhabengrundstücks einer Bautiefe von insgesamt 13 m führen. Der Wintergarten stellt sich mit seiner Fläche und seiner Positionierung weder anders- noch einzigartig dar, sondern entspricht insoweit im Wesentlichen den Vorgaben der anderen Anbauten hinsichtlich der überbauten Fläche; zusammen mit diesen prägt er insofern die Eigenart der näheren Umgebung. Somit lässt die faktische südliche Baugrenze in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks eine Bebauungstiefe von 13 m nach Süden zu. Unerheblich ist, dass die vorhandenen Anbauten zum Teil nicht über die volle Hausbreite errichtet wurden, weil dies auf die Bebauungstiefe und damit auf die faktische rückwärtige Baugrenze keinen Einfluss hat.
55Da das Vorhaben auf der Fläche des Wintergartens geplant ist, liegt es innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche. In dieser muss der geplante Anbau als Teil der Hausgruppe i.S.v. § 22 Abs. 2 S. 1 BauNVO zum Grundstück des Klägers grenzständig errichtet werden, § 6 Abs. 1 S. 2 Buchstabe a) BauO NRW.
56Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind, § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Denn die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt.
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Referenzen - Gesetze
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113
Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile

Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Köln Urteil, 01. Okt. 2014 - 23 K 4068/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).