Verwaltungsgericht Köln Urteil, 25. Okt. 2016 - 20 K 2890/16.A
Gericht
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheides vom 21.03.2016 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte.
1
T a t b e s t a n d
2Der am 00.00.0000 in Homs/Syrien geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit. Er reiste nach seinen Angaben am 09.01.2016 in die Bundesrepublik ein und meldete sich am 15.01.2016 als Asylsuchender. Am 18.01.2016 stellte der Kläger nach Aktenlage einen formellen Asylantrag bei der Beklagten.
3Am 21.01.2016 fand die Anhörung des Klägers vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) statt. Dort trug der Kläger zur Begründung vor, er habe Angst wegen des Militärdienstes. Entweder werde er getötet oder er müsse zum Militär. Nachdem sie Homs verlassen hätten, sei ihnen alles entwendet und das Haus weggenommen worden. Sie hätten Syrien aus Angst vor dem Krieg verlassen. Die Anhörung dauerte 30 Minuten.
4Mit Bescheid vom 21.03.2016 wurde dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt, im Übrigen wurde der Asylantrag abgelehnt. Der Bescheid wurde dem Kläger am 30.03.2016 zugestellt.
5Am 11.04.2016 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben, mit der er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt. Zur Begründung führt er ergänzend aus, dass ihm nach einer Rückkehr nach Syrien eine Verurteilung wegen Desertion drohe mit der Folge, dass er gemäß dem syrischen Militärstrafgesetzbuch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit exekutiert werde.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheides vom 21.03.2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges verwiesen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13Das Gericht kann im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
14Die Klage ist zulässig und begründet.
15Der Kläger hat einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ziffer 2 des Bescheides der Beklagten vom 21.03.2016 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
16Nach § 3 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er sich 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe 2) außerhalb des Landes befindet a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- bzw. Schutzakteuren regeln nunmehr die §§ 3 a – d AsylG in Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337. Vom 20.12.2011, S. 9-26).
17Gemessen an diesen Kriterien liegen die Voraussetzungen des § 3 AsylG hinsichtlich des Klägers vor. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Furcht des Klägers vor einer Verfolgung im Falle einer Rückkehr unter Berücksichtigung der gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Syrien, der Asylantragstellung, des Aufenthalts im westlichen Ausland, seiner Herkunft aus Homs sowie der Wehrdienstentziehung begründet ist.
18Es entspricht unter Berücksichtigung der verschärften politischen Situation in Syrien seit Jahren der ständigen Entscheidungspraxis der Beklagten, dass Rückkehrer im Falle einer Abschiebung nach Syrien eine obligatorische Befragung durch syrische Sicherheitskräfte unter anderem zur allgemeinen Informationsgewinnung über die Exilszene zu erwarten haben und davon auszugehen ist, dass bereits diese Befragung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung in Form menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zur Folter auslöst.
19Vgl. hierzu auch: OVG NRW, Urteil vom 14.02.2012, 14 A 2708/10.A – Juris; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Syrien – Asylrelevante Informationen, Rückübernahmeabkommen, Identitätspapiere, Asyl-Like-Minded-Group und aktuelle Situation, April 2011.
20Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich an dieser Einschätzung etwas geändert haben könnte. Im Gegenteil ist im Zuge der seit März 2011 anhaltenden Eskalation der politischen Konflikte in Syrien davon auszugehen, dass sich die Gefährdungslage weiterhin erheblich verschärft hat und der syrische Staat eine illegale Ausreise, Aufenthalt im westlichen Ausland und Asylantragstellung inzwischen generell als Ausdruck einer regimekritischen Überzeugung auffasst.
21vgl. zuletzt u.a. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.07.2012 – 3 L 147/12 –
22Juris.
23Die Gefährdung des Klägers knüpft daher zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls auch an eine bei ihm vermutete politische Gesinnung und damit an eines der Konventionsmerkmale an, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
24Vgl. hierzu u.a.: VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 29.10.2013 – A 11 S 2046/13 - und vom 19.06.2013 – A 11 S 927/13 -; VGH Hessen, Beschluss vom 27.01.2014 – 3 A 917/13.Z.A.; OVG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 09.01.2014 – 3 N 91.13 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24.04.2014 – 2 L 16/13 -.
25Soweit der hier streitgegenständliche Bescheid in Abweichung von der bisherigen Entscheidungspraxis der Beklagten die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ablehnt, entbehrt er jeglicher Begründung und nennt keinerlei Quellen, die diese Neubewertung stützen. Solche sind dem Gericht auch nicht bekannt. Aus Parallelverfahren ist dem Gericht bekannt, dass die Beklagte zur Begründung ihrer geänderten Entscheidungspraxis gelegentlich auf eine neue Passpraxis Syriens abstellt, die im Jahr 2015 zur Ausstellung von mehr als 800.000 Pässen geführt haben soll. Abgesehen davon, dass es sich bei vielen dieser Pässe um im Ausland ausgestellte Proxy-Pässe handeln dürfte und die Motive für die geänderte Passpraxis nicht zuletzt in finanziellen Erwägungen liegen, ist nach Auffassung des Gerichts irgendein Zusammenhang zwischen syrischer Passpraxis und Rückkehrgefährdung ohnehin nicht gegeben und rein spekulativ. Angesichts der ungebremsten Eskalation der politischen und militärischen Auseinandersetzungen in Syrien ist für das Gericht auch nicht im Ansatz erkennbar, dass das Informations- und Verfolgungsinteresse des um seinen Machterhalt kämpfenden syrischen Regimes an Rückkehrern aus dem westlichen Ausland nachgelassen haben könnte. Das Gegenteil ist anzunehmen.
26Die vorstehende Auffassung wird zur Überzeugung des Gerichts durch die jüngste
27Stellungnahme des Bundesamtes 16.09.2016 an das Verwaltungsgericht des Saarlands (VG Saarland 3 K 368/16)
28in vollem Umfang bestätigt. Aus den dort wiedergegebenen Originalquellen betreffend die umfangreiche Ausstellung syrischer Pässe lassen sich keinerlei Rückschlüsse auf ein nachlassendes Verfolgungsinteresse des syrischen Regimes ziehen. Nach dem in der Stellungnahme ebenfalls gekürzt wiedergegebenen Interview des syrischen Staatschefs mit einem tschechischen Fernsehsender hat dieser neben der Auffassung, dass es sich bei der Mehrheit der syrischen Flüchtlinge um „gute Syrer und Patrioten“ handele auch darauf hingewiesen, dass es „natürliche eine Unterwanderung durch Terroristen“ gebe. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass die Befragungspraxis bei Rückkehrern in der Vorstellung des Regimes gerade auch der Herausfilterung dieser Personen gilt, so dass dieses Interview sicher nicht die Änderung der Entscheidungspraxis der Beklagten begründen kann. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass derartige öffentliche Äußerungen von Staatschefs von Verfolgerländern ohnehin keine relevante Aussagekraft hinsichtlich einer Verfolgungsgefahr haben. Die vom Bundesamt schließlich wiedergegebene Antwort der Botschaft Beirut auf eine entsprechende Informationsbitte ist ebenfalls nicht ergiebig, um die Änderung der Entscheidungspraxis begründen zu können. Dies gilt schon deshalb, weil die Antwort nicht nur auf eingeschränkt verfügbaren Erkenntnissen beruht, die im Einzelnen nicht einmal konkretisiert werden, sondern vor allem auch deshalb, weil die Botschaft selbst keinerlei Gewähr „für die Vollständigkeit, Korrektheit bzw. die über einen längeren Zeitraum gegebene Verlässlichkeit“ übernimmt. Umso bemerkenswerter ist es, dass trotz dieser eingeschränkt verfügbaren Erkenntnisse der Botschaft immerhin Fälle bekannt sind, „bei denen Rückkehrer nach Syrien befragt, zeitweilig inhaftiert oder dauerhaft verschwunden sind“ und dies lediglich „überwiegend“ in Zusammenhang mit oppositionsnahen Aktivitäten oder in Zusammen mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst stehe. Diese Angaben sind besonders bemerkenswert, weil es in den vergangenen Jahren zumindest aus dem westlichen Ausland nahezu keine Rückschiebungen nach Syrien mehr gegeben hat. Wenn der Botschaft Beirut also dennoch Fälle bekannt geworden sind und zwar bis hin zu Fällen von Verschwindenlassen, zeugt dies von einer Steigerung der Gefährdungslage und gewiss nicht von einem Nachlassen des Verfolgungsinteresses des Regimes.
29Das andauernde uferlose Verfolgungsinteresse des syrischen Regimes wird auch durch jüngste Berichte über Todesfälle und Folterungen in syrischen Gefängnissen bestätigt. Zehntausende sind seit dem Beginn des Konflikts im Jahr 2011 inhaftiert und schwerster Folter und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt gewesen. Nach vorsichtigen Schätzungen sind mindestens 17.723 Menschen zwischen dem 15. März 2011 und dem 31. Dezember 2015 in der Haft getötet worden. Jeder, der unter dem Verdacht steht, regimekritisch zu sein, unterliegt dem Risiko willkürlicher Inhaftierung, Folter und anderer Misshandlung, des Verschwindenlassens und des Todes während der Haft. Dabei sind die Gründe für den Verdacht einer regimekritischen Haltung oft extrem fadenscheinig. Unter Folter erzwungene falsche Anschuldigungen Dritter können ebenso der Grund für Festnahmen sein wie Anschuldigungen aus persönlicher Rache.
30Vgl. amnesty international, It breaks the human - Torture, Disease and Death in Syria's Prisons, Index: MDE 24/4508/2016
31Unabhängig von den Verfolgungsgefahren für Rückkehrer droht syrischen Staatsangehörigen bzw. Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Syrien aber auch aus anderen Gründen systematische Verfolgung in Anknüpfung an Konventionsmerkmale. Sowohl das syrische Regime und regierungsnahe Kräfte als auch bewaffnete oppositionelle Gruppen, darunter der sog. „Islamische Staat“ und die Al-Nusra-Front, verüben in den jeweils von ihnen beherrschten Gebieten in breitem Umfang Massaker an der Zivilbevölkerung und Angriffe auf Zivilpersonen, u.a. in Form von Mord, Geiselnahme, Folter, Zwangsverschleppung, sexueller Gewalt und Rekrutierung von Kindern. Dabei besteht eine Besonderheit des Konflikts darin, dass die verschiedenen Konfliktparteien oftmals größeren Personengruppen einschließlich Familien, Stämmen, religiösen bzw. ethnischen Gruppen sowie ganzen Städten, Dörfern und Wohngebieten, eine politische Meinung oder Zugehörigkeit unterstellen. Im Zuge dieser extensiven Anwendung von Sippenhaft sind Zivilisten bereits aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, ihrer Anwesenheit in einem Gebiet oder ihrer Herkunft aus einem Gebiet, das als regierungsfeindlich und/oder als Unterstützer oppositioneller bewaffneter Gruppen betrachtet wird, gezielten Verfolgungshandlungen durch Regierungskräfte im Rahmen von Bodenoffensiven, Hausdurchsuchungen und an Kontrollstellen ausgesetzt, darunter Inhaftierung, Folter, sexuelle Gewalt und extralegale Hinrichtungen, und sie laufen ernsthaft Gefahr, Opfer zielgerichteter Gewaltanwendung wie Massenhinrichtungen und Massaker zu werden. In gleicher Weise und mit derselben Brutalität gehen bewaffnete oppositionelle Gruppen vorsätzlich gegen Zivilpersonen vor aufgrund deren tatsächlicher oder vermeintlicher Unterstützung des Regimes oder einer sonstigen gegnerischen Konfliktpartei und ihrer ethnischen und/oder religiösen Zugehörigkeit. Entsprechend hat UNHCR wiederholt darauf hingewiesen, dass es wahrscheinlich ist, dass die meisten asylsuchenden Syrer die Kriterien für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 1 A (2) der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen.
32Vgl. zuletzt: UNHCR, Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung, Stand November 2015.
33Auch aktuelle Untersuchungen der Vereinten Nationen bestätigen, dass in Syrien neben der allgegenwärtigen Gefahr für die Zivilbevölkerung, durch willkürliche Gewalt im Rahmen des dortigen bewaffneten Konflikts Schaden an Leib und Leben zu nehmen, gezielte Verfolgungshandlungen sowohl durch das syrische Regime als auch durch bewaffnete oppositionelle Gruppen, allen voran die Al Nusra-Front und der sog. Islamische Staat, an der Tagesordnung sind. Zehntausende wurden und werden in Gefängnissen und Haftzentren des Regimes gefoltert, misshandelt und getötet und anderen Formen schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wie Verschwindenlassen, sexuelle Gewalt oder Belagerungen und Aushungern ganzer Städte und Dörfer. Diese gezielten Verfolgungshandlungen knüpfen regelmäßig an einen oder mehrere der Verfolgungsgründe der Genfer Flüchtlingskonvention an, von der Religionszugehörigkeit, über die ethnische Zugehörigkeit, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe wie das Geschlecht, die sexuelle Identität oder bestimmte Berufsgruppen bis hin zu der tatsächlichen oder den Opfern von den verschiedenen Verfolgungsakteuren zugeschriebenen politischen Überzeugung.
34Vgl. UN-Menschenrechtsrat, „Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic“ vom 11.02.2016 und Bericht vom 03.02.2016 „ Out of Sight, Out of Mind: Deaths in Detention in the Syrian Arab Republic“.
35Die bisher von der Beklagten ihren Entscheidungen über die Asylbegehren von Syrern zugrunde gelegte Annahme,
36„In allen Landesteilen Syriens findet Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG statt. In den Landesteilen, in denen das Assad-Regime herrscht, geht die Verfolgung von der Regierung aus. In den Landesteilen, die von den Rebellen beherrscht werden, geht die Gefahr von diesen aus. Auch ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Rückkehrern nach längerem Auslandsaufenthalt grundsätzlich eine oppositionelle regimefeindliche Haltung unterstellt wird.“ (Vermerk vom 12.02.2016 im Verfahren 6205810-475),
37ist demnach unverändert aktuell und begründet weiterhin die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
38Gefahrerhöhend wirkt sich hier zudem aus, dass der Kläger aus Homs stammt. In Homs hat der Aufstand gegen das syrische Regime seinen Anfang genommen. Die Stadt gilt als „Hauptstadt der Revolution“ und war einer jahrelangen Belagerung durch Regierungskräfte ausgesetzt, die erst in jüngster Zeit beendet zu sein scheint.
39Vgl. spiegel online vom 09.12.2015: Hunderte Rebellen ziehen sich aus Homs zurück – http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-hunderte-rebellen-ziehen-sich-aus-homs-zurueck-a-1066904.html; Süddeutsche Zeitung online vom 09.12.2015, Deal mit Assad - Syrische Rebellen verlassen Homs - http://www.sueddeutsche.de/politik/buergerkrieg-deal-mit-assad-syrische-rebellen-verlassen-homs-1.2774406.
40Erschwerend ist im Falle des Klägers weiter zu berücksichtigten, dass er sich durch seine illegale Ausreise dem Wehrdienst entzogen hat. Die Verweigerung des Militärdienstes stellt in Syrien einen Straftatbestand dar. Die Strafandrohungen sind unterschiedlich und schwanken zwischen 6 Monaten (Wehrdienstverweigerung) und bis zu 5 Jahren (Kriegsdienstverweigerung) Gefängnis bzw. Internierung. Bei Personen, die sich der Wehrpflicht durch Aufenthalt im Ausland entzogen haben, kann eine Bestrafung dadurch erfolgen, dass die Dienstzeit bei Wiedereinreise nach Syrien verdoppelt wird. Für Personen, die während ihres Auslandsaufenthaltes zum Wehrdienst einberufen wurden, besteht eine Fahndungsliste,
41Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die Syrische Armee, Bericht vom 28.03.2015, und Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, Bericht vom 30.07.2014; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 27.09.2010 und Auskunft vom 01.02.2011; ACCORD, Menschenrechtliche Fragestellungen zu KurdInnen in Syrien, Bericht vom Mai 2010, S. 74 f,
42so dass eine Identifizierung und Verhaftung des Klägers sogleich bei seiner Einreise schon aus diesem Grunde wahrscheinlich ist. Diese erhöhte Gefährdung infolge Entziehung vom Wehrdienst wird durch die oben erörterte Auskunft der Botschaft Beirut in vollem Umfang bestätigt.
43Die vom Kläger bereits in der Anhörung vor dem Bundesamt dargelegte Gefährdung gerade auch wegen des Militärdienstes ist daher zutreffend und aufgrund der gegenwärtigen Situation in Syrien auch ausreichend zur Darlegung der Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft. Zu weiteren Darlegungen im Rahmen der persönlichen Anhörung bei der Beklagten bestand daher kein Anlass. Dazu bestand nach Aktenlage im Übrigen auch keine Gelegenheit, wenn die Zeitspanne von lediglich 30 Minuten für die gesamte Anhörung einschließlich notwendiger Belehrungen und Fragen zu persönlichen Daten etc. in Rechnung gestellt wird. Die Ermittlung der Verhältnisse in dem Herkunftsland unterliegt zudem dem Amtsermittlungsgrundsatz und deren Kenntnis durch Anhörer und Entscheider des Bundesamtes darf von den Asylsuchenden ohne weiteres vorausgesetzt werden.
44Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylG.
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Annotations
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.