Verwaltungsgericht Köln Urteil, 24. Jan. 2014 - 19 K 435/13
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der am 08. 04. 1960 geborene Kläger steht als Polizeikommissar (A 9) im Dienst des beklagten Landes. Er versieht seinen Dienst beim Polizeipräsidium C. .
3Mit Bescheid vom 16. 01. 2004 stellte das Versorgungsamt Köln bei dem Kläger einen Grad der Behinderung von 30% fest.
4Der Kläger wurde - nachdem eine vorangegangene Beurteilung für den hier maßgeblichen Beurteilungszeitraum wegen eines formalen Fehlers aufgehoben worden war (Klageverfahren VG Köln 19 K 99/12) - mit dienstlicher Beurteilung vom 7. 11. 2012 erneut für den Beurteilungszeitraum 01. 08. 2009 bis 30. 06. 2011 regelbeurteilt. Das Beurteilungsergebnis lautete „entspricht voll den Anforderungen“ (Einzelmerkmale ebenfalls durchgehend „entspricht voll den Anforderungen“). Die Endbeurteilerin (PPin C1. -T. ) folgte damit dem Vorschlag des Erstbeurteilers (EPHK F. ).
5Der Kläger hat am 25. 01. 2013 Klage gegen die dienstliche Beurteilung erhoben.
6Zur Begründung macht der Kläger unter anderem geltend, die Minderung seiner Arbeits- und Einsatzfähigkeit aufgrund seiner Schwerbehinderung sei nicht berücksichtigt worden; sofern er Außendienst geleistet habe, habe er sich zwischendurch immer wieder hinsetzen und das Bein hochlegen müssen; auch im Innendienst habe der Kläger immer wieder Pausen einlegen müssen, um sich zu bewegen. Es fehle auch ein nach Ziffer 10.2 der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und Beamten im Bereich der Polizei (BRL Pol) erforderlicher Vermerk über die Berücksichtigung der verminderten Arbeits- und Einsatzfähigkeit in der Beurteilung.
7Es seien mehrere Personen in seine dienstliche Beurteilung eingebunden gewesen, die zu ihm in Beförderungskonkurrenz stünden (stellv. Gleichstellungsbeauftragte X. , PKin P. ).
8Der angewandte Beurteilungsmaßstab sei fehlerhaft. Die Quote für die Höchstnote sei nicht ausgeschöpft worden. Die positive Berücksichtigung von Führungsfunktionen benachteilige die Beamten in unzulässiger Weise, die - wie der Kläger - keine Führungsfunktion ausüben.
9Die Beurteilung sei zudem mangels Plausibilität und Nachvollziehbarkeit rechtswidrig, da für die vergebenen Punktwerte nicht einmal ansatzweise eine Begründung abgegeben worden sei. Die dienstliche Beurteilung enthalte keinerlei erläuternden Text, es sei deshalb unmöglich, auch nur ansatzweise nachzuvollziehen, welche Kriterien bzw. welche Einschätzung für die Bewertung mit einem bestimmten Punktwert ausschlaggebend seien.
10Der Kläger beantragt,
11das beklagte Land zu verurteilen, die dienstliche Beurteilung des Klägers vom 07. 11. 2012 zum Stichtag 01. 07. 2011 aufzuheben und den Kläger unter Beachtung der Rechtssauffassung des Gerichts erneut dienstlich zu beurteilen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er führt unter anderem aus, die mit der Schwerbehinderung verbundene Minderung der Arbeits- und Einsatzfähigkeit sei ausweislich des Protokolls der Beurteilerbesprechung berücksichtigt worden. Wenn der Kläger einen entsprechenden Hinweis auch in der Beurteilung selbst wünsche, könne dem entsprochen werden. Die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte X. sei lediglich an der Maßstabsbesprechung beteiligt gewesen. Personalien seien dort nicht diskutiert worden. Die Beamtin P. sei bereits im Februar 2011 zur POK befördert worden und habe sich deshalb nicht in Beförderungskonkurrenz zum Kläger befunden.
15Die Quote für die Vier- und Fünfpunkte- Beurteilungen sei mit 30,86 % voll ausgeschöpft worden. Ohnehin handele es sich bei den Richtsätzen gemäß 8.2.2 BRL Pol NRW lediglich um einen Orientierungsrahmen.
16Es sei keineswegs so, dass ein Beamter, der keine Führungsfunktion wahrnehme, automatisch eine schlechtere Beurteilung bekomme; Punkt 3.2 der Maßstabsverfügung vom 06. 04. 2011, der neben der Führungskompetenz weitere Kriterien und Aspekte aufführe, zeige dies auch deutlich.
17Die Beurteilung beruhe auf tatsächlichen Feststellungen und sei hinreichend begründet.
18Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die zulässige Klage ist unbegründet.
21Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihn der Beklagte für den Zeitraum vom 01. 08. 2009 bis 30. 06. 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut dienstlich beurteilt. Die angegriffene dienstliche Beurteilung vom 07. 11. 2012 ist rechtmäßig.
22Rechtsgrundlage der dienstlichen Beurteilung ist § 93 Abs. 1 LBG NRW. Danach dienen Beurteilungen dem Zweck, Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamten festzustellen. Diese sollen unter anderem unabhängig von konkreten Anlässen in regelmäßigen Abständen in so genannten Regelbeurteilungen dienstlich beurteilt werden. Nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung sollen allein der Dienstherr oder der für ihn handelnde Vorgesetzte ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob der Beamte den – ebenfalls von dem Dienstherrn zu bestimmenden – vielfältigen fachlichen und persönlichen Anforderungen des ihm übertragenen Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem ein Beurteilungsspielraum zu. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung der erstellten Beurteilung ist daher eingeschränkt. Die gerichtliche Recht- mäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der Dienstvorgesetzte den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat;
23ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 27. 10. 1988 – 2 A 2/87 –, juris.
24Gemessen an diesen Maßstäben ist die über den Kläger erstellte dienstliche Beurteilung vom 07. 11. 2012 rechtlich nicht zu beanstanden.
25Die Beurteilung verstößt nicht gegen Verfahrensvorschriften und geht von einem zutreffenden Sachverhalt aus. Die Schwerbehinderung des Klägers war den Beurteilern bekannt und wurde auf der Beurteilung vermerkt. Auch die Minderung der Arbeits- und Einsatzfähigkeit des Klägers aufgrund seiner Schwerbehinderung wurde berücksichtigt.
26Im Protokoll der Beurteilerbesprechung vom 06. 11. 2012 ist festgehalten, dass insbesondere die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen des PK Heinze und die damit verbundene verminderte Arbeits- und Einsatzfähigkeit des Beamten berücksichtigt wurde. Mit der schriftlichen Niederlegung im Protokoll der Beurteilerbesprechung ist auch der Vermerkvorgabe in Ziffer 10.2 BRL Pol genüge getan. Eine Verpflichtung, einen entsprechenden Vermerk in die Beurteilung selbst aufzunehmen, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Ziffer 10.2 BRL Pol nicht. Darüber hinaus entfalten die BRL Pol als innerdienstliche Anweisungen an die Beurteiler eine Bindungswirkung zu Gunsten der zu Beurteilenden erst durch ein entsprechendes gleichförmiges Handeln der Beurteiler. Ein gleichförmiges Handeln dahingehend, dass die Minderung der Arbeits- und Einsatzfähigkeit eines zu Beurteilenden aufgrund seiner Schwerbehinderung grundsätzlich in der Beurteilung selbst vermerkt wird, ist aber weder ersichtlich noch geltend gemacht.
27Es kann auch nicht festgestellt werden, dass Personen in maßgeblicher Weise in die dienstliche Beurteilung des Klägers eingebunden waren, die zu ihm in Beförderungskonkurrenz stehen. Die Beamtin P. war zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen Beurteilung bereits zur Polizeioberkommissarin befördert worden, die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte X. hat lediglich an der Maßstabsbesprechung am 27. 06. 2011 teilgenommen, nicht aber an der Beurteilerbesprechung vom 06. 11. 2012.
28Der angewandte Beurteilungsmaßstab war nicht fehlerhaft. Es kann dahinstehen, ob die Quote für die Höchstnote ausgeschöpft wurde. Denn ein Anspruch auf Ausschöpfung der Quote steht dem Kläger nicht zu. Er hat lediglich einen - von der Ausschöpfung der Quote unabhängigen - Anspruch auf sachgerechte Beurteilung seiner persönlichen Eignung, Befähigung und Leistung. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die positive Berücksichtigung von Führungsfunktionen benachteilige die Beamten in unzulässiger Weise, die keine Führungsfunktion ausüben. Die Wahrnehmung von Führungsfunktionen ist lediglich eins von neun Beispielen, bei denen laut Maßstabsverfügung vom 06. 04. 2011 eine Beurteilung mit 4 oder 5 Punkten gerechtfertigt sein kann, aber auch nicht muss. Dass die Nichtwahrnehmung von Führungsaufgaben kein Ausschlusskriterium für die Vergabe einer Beurteilung im quotierten Bereich war, zeigt schon der Umstand, dass aus der Vergleichsgruppe A9 bei insg. 173 Beamten lediglich 18 Führungsfunktionen wahrnahmen, aber deutlich mehr Beamte im quotierten Bereich beurteilt wurden.
29Die Beurteilung des Klägers wurde auch ausreichend begründet und ist nicht unplausibel. Einer weitergehenden Begründung für die Bewertungen der einzelnen Merkmale bedurfte es nicht. Das Gesamtergebnis der Beurteilung wurde bereits durch die differenzierte Beurteilung der sieben Einzelmerkmale begründet. Welche Kriterien bei der Bewertung der Einzelmerkmale in den Blick genommen wurden, wurde in der Beurteilung bei den jeweiligen Einzelmerkmalen ausgeführt. Die Beurteilung ist damit hinreichend plausibel.
30Dem jeweiligen Dienstherrn ist bei der Ausgestaltung des Beurteilungsverfahrens ein weitreichender Spielraum eingeräumt. Dieser kann entsprechend seinen Vorstellungen über die Erfordernisse seiner Verwaltungen unterschiedliche Beurteilungssysteme einführen, einschließlich der Aufstellung einer Notenskala und der Festlegung, welcher Begriffsinhalt mit den einzelnen Notenbezeichnungen auszudrücken ist. Das schließt, sofern gegenteilige gesetzliche Regelungen nicht bestehen, auch die Möglichkeit ein, die Noten der einzelnen Leistungs- und Befähigungsmerkmale sowie das Gesamturteil allein durch eine Zahl (Punkte) auszudrücken.
31Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. 01. 1994 - 2 B 5.94 -, juris.
32Im Bereich der BRL Pol ergibt sich der Maßstab für die Bewertung der von dem zu beurteilenden Beamten erbrachten Leistungen aus den Nrn. 6.1 und 6.2. Diese bestimmen, welche (sieben bzw. - bei Beamten mit Vorgesetztenfunktion - acht) Leistungs- und Befähigungsmerkmale zu bewerten sind und welche Einzelkriterien in das jeweilige Merkmal einfließen. Sie regeln zudem, dass für die Bewertung der Merkmale sowie die Vergabe des Gesamturteils insgesamt fünf verbal umschriebene Noten ("entspricht nicht den Anforderungen" bis "übertrifft die Anforderungen in besonderem Maße") zu verwenden sind, die ihrerseits jeweils einem bestimmten Punktwert (1 bis 5 Punkte) entsprechen. Hieraus ergibt sich, dass jeder Punktbewertung eine inhaltliche Aussage zu einer bestimmten Leistung oder Befähigung entspricht. Eine darüber hinausgehende Verbalisierung ist rechtlich nicht geboten. Weder enthält § 93 Abs. 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen eine diesbezügliche Vorgabe, noch kann eine solche aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) abgeleitet werden. Eine weitergehende Erläuterung der Bewertung der Einzelmerkmale in der Beurteilung selbst ist auch nicht deshalb geboten, weil in den zu beurteilenden Leistungsmerkmalen durchaus verschiedene Aspekte zusammengefasst sind. Dies folgt schon daraus, dass es Sache des Dienstherrn ist, diejenigen Aspekte festzulegen, die aus seiner Sicht im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung für die Leistungsbewertung maßgeblich sind. Hierzu gehört auch die Festlegung der Merkmale, die einer selbstständigen Bewertung unterzogen werden, sowie die Bestimmung der Einzelkriterien, die in die zu bewertenden Leistungsmerkmalen einzubeziehen sind. Nicht erforderlich ist es, dass jeder dieser Einzelaspekte eine ausdrückliche gesonderte Bewertung erfährt. Zwar macht der Dienstherr von dem ihm insoweit zukommenden Beurteilungsspielraum dann rechtsfehlerhaft Gebrauch, wenn die Festlegung der Leistungsmerkmale willkürlich und/oder in sich widersprüchlich ist oder das durch eine dienstliche Regelbeurteilung abzudeckende Leistungs- und Befähigungsbild nur lückenhaft erfasst wird. Das trifft aber auf die BRL Pol in keiner Weise zu. Insbesondere erfassen die sieben bzw. acht unterschiedlichen Merkmale die einer Beurteilung üblicherweise zu unterziehenden Leistungen und Befähigungen eines Beamten. Die Beschränkung auf die Vergabe von Punktwerten bzw. verbal bezeichneten Notenstufen verbessert zudem in Verwaltungsbereichen, in denen - wie bei den Polizeibehörden - eine Vielzahl von Beamten zum selben Zeitpunkt einer Beurteilung und auf dieser Grundlage künftig einer Beförderungsauswahlentscheidung zu unterziehen ist, die Vergleichbarkeit in nicht unerheblichem Maße. Sie vermeidet etwa die bei frei formulierten Beurteilungen häufig anzutreffenden Probleme, die sich daraus ergeben, dass ein mit dem "Beurteilungsjargon" und den Gepflogenheiten der jeweiligen Verwaltung nicht vertrauter Dritter schwerlich einschätzen kann, ob ein bestimmtes Einzelmerkmal überdurchschnittlich, durchschnittlich oder eher unterdurchschnittlich bewertet worden ist.
33Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 20. 03. 2013 - 2 K 2090/12 -, juris m.w.N. und Urteil vom 10. 12. 2013 - 2 K 5152/12 -, juris; a.A. VG Aachen, Urteil vom 24. 10. 2013 - 1 K 1117/12 -, juris.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
35Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.