Verwaltungsgericht Koblenz Beschluss, 18. Juli 2011 - 7 L 576/11.KO

ECLI:ECLI:DE:VGKOBLE:2011:0718.7L576.11.KO.0A
18.07.2011

Die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen werden abgelehnt.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf 15.000,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller begehren für das kommende Schuljahr ihre Aufnahme in die 5. Klassenstufe der Kooperativen Gesamtschule in L. (KGS L.).

2

Die KGS L. ist ein organisatorischer Verbund eines Gymnasiums und einer Realschule plus, die beide dreizügig – drei Klassen pro Jahrgangsstufe – ausgestaltet sind. Für die Orientierungsstufe (Klassenstufen 5 und 6) hatten sich auf die 150 zur Verfügung stehenden Plätze (sechs Klassen, Schülermesszahl: 25 Schüler je Klasse) 185 Kinder beworben.

3

Die Schule hatte zunächst informell ein Auswahlverfahren durchgeführt, bei dem unter anderem Härtefälle bevorzugt berücksichtigt und die verbleibenden Plätze verlost wurden. Im maßgeblichen Auswahlverfahren orientierte sich die KGS L. allein daran, ob für die Bewerber zumutbare Alternativschulen bestehen.

4

Alle erfolglosen Bewerber erhielten Ablehnungsbescheide, in denen sie auf die Möglichkeit des Besuchs des Gymnasiums und der Realschule plus in T. verwiesen wurden. Die Widersprüche der Antragsteller gegen ihre Ablehnung hatten keinen Erfolg. Über die anschließenden Klagen ist noch nicht entschieden.

5

Die Antragsteller zu 4) und 5) besuchten im abgelaufenen Schuljahr eine Grundschule in S., die übrigen eine in T..

6

Die Antragsteller bringen vor, dass die KGS L. noch räumliche Kapazitäten habe; es gebe noch freie Räume. Die Schülermesszahl könnte überschritten werden, ohne dass die Schule bis an die Grenze der Funktionsfähigkeit belastet werde. Das Wohnortkriterium sei willkürlich. Kinder aus dem Kreis E. seien angenommen worden, obschon sie die Integrierte Gesamtschule (IGS) in Zell besuchen könnten. Kinder aus dem Bereich U. könnten die dortige Realschule plus besuchen. Die Gymnasien in V. und D. kämen für manche der angenommenen Schüler als Alternativen in Betracht. Die schwer zu erreichenden Schulen in T. seien nicht mit der Kooperativen Gesamtschule vergleichbar.

7

Daneben werden individuelle Gesichtspunkte geltend gemacht. So trägt etwa die Antragstellerin zu 1) vor, dass ihre Mutter an der KGS L. unterrichte. Der Antragsteller zu 5) weist darauf hin, dass sein Bruder dort unterrichtet werde.

8

Der Antragsgegner ist sämtlichen Einwänden entgegengetreten.

II.

9

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

10

Nach der einschlägigen Rechtsgrundlage des § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur zulässig, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gerechtfertigt ist die der Hauptsache vorgreifende Regelungsanordnung jedoch nur, wenn der geltend gemachte Anspruch bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und dem Betroffenen bis zum Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache schlechthin unzumutbare Nachteile drohen (Anordnungsgrund). Beide Aspekte sind glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

11

Im Fall der Antragsteller ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zu verneinen. In vollem Umfang kann ihr Begehren, die unbeschränkte Zuweisung zur ausgewählten Schule, schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Antragsteller nur Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung haben und deshalb lediglich die Wiederholung des Auswahlverfahrens, allenfalls eine bis dahin befristete Schulaufnahme erstreiten können (1.). Aber auch ein so reduziertes Begehren ist abzulehnen (2.).

12

1. Die Antragsteller haben bezüglich ihres Wunsches, die KGS L. zu besuchen, nur Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung. Dabei festgestellte Fehler können in der Hauptsache regelmäßig nur zur Wiederholung des Auswahlverfahrens und im Eilverfahren zwecks Sicherung des Hauptanspruchs allenfalls zu einer vorläufigen Schulaufnahme führen. Diese Beschränkung des Hauptanspruchs folgt mangels Anwendbarkeit spezieller Regelungen (a)) aus allgemeinen rechtlichen Überlegungen (b)). Ansprüche aus dem vorab informell durchgeführten Auswahlverfahren bestehen nicht (c)).

13

a) Es gibt keine spezielle Regelung, die den Antragstellern einen Anspruch auf Zugang zur KGS L. einräumt. Aus § 10 der Übergreifenden Schulordnung (ÜSchulO) lässt sich ein solcher Anspruch nicht ableiten. Nach Absatz 1 dieser Norm obliegt nur die Wahl der Schulart – nicht der konkreten Schule – bei minderjährigen Schülern den Eltern. § 10 Abs. 2 ÜSchulO stellt den Eltern zwar auch die Wahl einer bestimmten Schule frei, jedoch nur im Rahmen der Aufnahmemöglichkeiten. Dieser Kapazitätsvorbehalt greift hier. Die auf den Zugang zur Orientierungsstufe zugeschnittene Regelung in § 12 Abs. 2 ÜSchulO räumt den Eltern ebenfalls nur ein Recht auf Auswahl der Schulart – auf der Grundlage der Grundschulempfehlung – ein.

14

Die Aufnahmemöglichkeiten der KGS L. sind nach Aufnahme der ausgewählten 150 Kinder ausgeschöpft. Abzustellen ist dabei auf die von Schulträger und Schulbehörden vorgesehene – normale – Nutzung der personellen, räumlichen und sachlichen Ressourcen. Unbeachtlich ist, ob durch die Aufnahme weiterer Kinder die Kapazitätsgrenzen der Schule oder die äußerste Grenze ihrer Funktionsfähigkeit erreicht würde. Diese Maßstäbe greifen erst dann, wenn feststeht, dass eine Schule wegen nachgewiesener Verletzung der Zugangsregeln Schüler – vorläufig – aufnehmen muss (vgl. VG Koblenz, Beschluss vom 25. Juni 2009 – 7 L 561/09.KO –, juris, m.w.N.). Sie können nicht bereits in der Auswahlphase zu einer Ausweitung der Klassenstärken führen.

15

Die Aufnahmemöglichkeiten der KGS L. sind zunächst hinsichtlich der Schülerzahl erschöpft. Auf Grund der von Schulträger und Schulbehörde festgelegten Sechszügigkeit der Schule ist die Zahl der aufzunehmenden Schüler auf 150 begrenzt. Exakt diese Anzahl von Kindern erhielt eine Aufnahmezusage. Diese Zahl beruht auf Nr. 1.3.1 und 1.3.6 der Verwaltungsvorschrift des zuständigen Ministeriums vom 7. April 2009 zur Unterrichtsorganisation an Realschulen plus. Danach beträgt die Klassenmesszahl für schulartübergreifende Orientierungsstufen – wie hier – 25 Schüler. Die Klassenmesszahl kann nicht, wie die Antragstellerseite meint, ohne weiteres überschritten werden. Denn die Festlegung dieser Zahl beruht auf der pädagogischen Überlegung, dass in Klassen mit der festgelegten Schülerzahl ein den Ansprüchen der jeweiligen Schulart genügender Unterricht erfolgen kann (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. September 2009 – 9 S 1950/09 –, juris). Umgekehrt resultiert daraus die Gefahr, dass bei Überschreitung der Klassenmesszahl das Unterrichtsziel nicht erreicht wird. Eine solche Gefährdung muss die Schule im Interesse der angenommenen Schüler nicht hinnehmen.

16

Weiter ist zu bedenken, dass die Aufnahme von 185 Schülern unter Beachtung der Klassenmesszahl die Einrichtung von zwei weiteren als den vorgesehenen 6 Klassen erforderlich machen würde. Eltern können jedoch nicht die Einrichtung bestimmter Schulen oder Klassen verlangen, denn dies unterfällt dem auf Art. 7 Abs. 1 GG beruhenden Gestaltungsspielraum des Staates. Dieser allein hat das Organisationsermessen, Ort und Größe der jeweiligen Schule festzulegen.

17

Der Einwand der Antragsteller, insbesondere der Antragstellerin zu 1), an der KGS L. stünden ausreichend Räumlichkeiten für weitere Klassen zur Verfügung, ist angesichts der vorstehenden Ausführungen irrelevant. Überdies greift der Einwand zu kurz, weil er auf den aktuellen Leerstand abstellt. Dagegen hat der Antragsgegner mit überzeugenden Gründen eingewandt, dass aus der Einrichtung weiterer Klassen in den Folgejahren weiterer Raumbedarf entstünde und wegen notwendiger Renovierungen eine Raumreserve eingeplant werden müsse. Weiter ist der Einwand nicht stichhaltig, weil für die zusätzlich aufzunehmenden Kinder auch Lehrpersonal bereitgestellt werden muss.

18

b) Aus allgemeinen Regelungen kann allenfalls ein Anspruch der Antragsteller auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung resultieren. Denn das auf Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 31 der Verfassung für Rheinland-Pfalz fußende Recht auf Bildung begründet nur einen (abstrakten) Anspruch auf Teilhabe an den tatsächlich vorhandenen Bildungseinrichtungen (vgl. Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1 Schulrecht, 4. Aufl. 2006, Rdnr. 172). Auch aus der allgemeinen Pflicht zum Besuch einer Schule (s. § 56 Abs. 1 des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes (SchulG)) resultiert – umgekehrt – nur der Anspruch auf Ermöglichung des vorgeschriebenen Schulbesuchs (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 2008 – 2 B 10613/08.OVG –). Dem spezielleren Wunsch auf Besuch einer bestimmten Schule steht hingegen das bereits erwähnte, auf Art. 7 Abs. 1 GG gestützte Organisationsermessen des Staates bei der Festlegung von Ort und Größe der jeweiligen Schulen entgegen. Folglich kann dem Wunsch, eine bestimmte Schule zu besuchen, schon wegen der beschränkten Aufnahmekapazität der einzelnen Schulen nicht in jedem Fall Rechnung getragen werden. Somit wandelt sich das Recht auf gleichberechtigten Zugang zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen in einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung um (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 15. Dezember 2009 – 2 B 498/09 –, juris; VG Koblenz, Beschluss vom 25. Juni 2009; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. September 2009; beide a.a.O.).

19

c) Das vorab informell durchgeführte Auswahlverfahren gibt den Antragstellern keinen Aufnahmeanspruch. Denn dem Ergebnis jenes Auswahlverfahrens kommt mangels Schriftlichkeit keine Bindungswirkung zu. Letztere könnte nur bejaht werden, wenn Aussagen zum Ausgang des früheren Auswahlverfahrens als Zusicherung nach § 38 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – Bund – (VwVfG) i.V.m. § 1 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) angesehen werden könnten. Zusicherungen dieser Art sind aber nur wirksam, wenn sie schriftlich ergehen. Eine schriftliche Zusage haben die Antragsteller im informellen Auswahlverfahren nicht erhalten.

20

2. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Wiederholung des Auswahlverfahrens. Das zu ihrer Ablehnung führende Verfahren lässt keine Ermessensfehler erkennen. Insbesondere wurde ein zulässiges Auswahlkriterium bestimmt (a)) und fehlerfrei angewandt (b)); anderweitige Auswahlgesichtspunkte mussten nicht herangezogen werden (c)).

21

a) Die KGS L. durfte ihrer Entscheidung, an welche der 185 angemeldeten Kinder die 150 freien Plätze vergeben werden, die Überlegung zu Grunde legen, welche Kinder in zumutbarer Nähe über ein der KGS L. vergleichbares Schulangebot verfügen. Die Auswahl der anzunehmenden Schüler hat bei Kapazitätsengpässen anhand von im Ermessen des zuständigen Schulleiters (s. § 11 Abs. 2 ÜSchulO) stehenden, den Anforderungen des Gleichheitssatzes genügenden sachgerechten Kriterien zu erfolgen; dabei kommen vielfältige Kriterien in Betracht, wie etwa das Zufallsprinzip oder das Leistungsprinzip (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 15. Dezember 2009, a.a.O.). Das angewandte Kriterium, das nicht abstrakt am Wohnort anknüpft, sondern dem ein Vergleich der Schulwege zur gewünschten bzw. zu alternativ möglichen Schulen bei allen Bewerbern zu Grunde liegt, ist grundsätzlich geeignet, die Auswahl von Schulbewerbern zu steuern (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 10. Oktober 2002 – 2 K 1677/02.NW –; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Mai 2010 – 3 M 307/10 –, juris; OVG Sachsen, Beschluss vom 15. Dezember 2009, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. September 2009, a.a.O.). Es ist nicht festzustellen, dass es ermessensfehlerhaft gewesen wäre, die hier in Rede stehende Auswahlentscheidung ausschließlich auf das angewandte Schulwegkriterium zu stützen. Auf diese Prüfung ist das Gericht im Rahmen von Ermessensentscheidungen beschränkt (§ 114 VWGO).

22

Das Kriterium genügt den Anforderungen an eine rechtlich unbedenkliche Bewerberauswahl. Zunächst ist es sachgerecht. Denn dadurch wird letztlich eine möglichst geringe Gesamtbelastung aller Bewerber hinsichtlich des Schulweges ermöglicht. Eine Reduzierung der Schulwege zur Verringerung der individuellen zeitlichen Belastung der Schüler ist gerade im Hinblick auf den Einstieg in einen neuen Abschnitt schulischer Bildung anzustreben (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. September 2009, a.a.O.). Zu Recht hat dabei der Antragsgegner die Schulwege sämtlicher Bewerber in Relation zueinander gesetzt, da er nicht nur dem Wohl einzelner Bewerber verpflichtet ist. Das angewandte Kriterium verletzt sodann nicht das in Art. 3 Abs. 1 GG normierte Gleichbehandlungsgebot. Danach sollen gleiche Sachverhalte gleich und ungleiche Sachverhalte ungleich behandelt werden. Übertragen auf die Auswahlsituation bedeutet dies, dass ein Bewerber gegenüber einem anderen nur dann abgelehnt werden darf, wenn Unterschiede zwischen ihnen bestehen und diese nicht willkürlich herangezogen werden, sondern einen schulischen Bezug haben. Beides ist hier der Fall. Hinsichtlich Dauer und Länge des Schulwegs, den die Kinder nehmen müssten, wenn sie nicht an der KGS L. angenommen würden, bestehen gravierende Unterschiede. Exemplarisch seien hier nur die Kinder aus C. und die Antragstellerin zu 3) aus N. herausgegriffen. Von C. nach L. beträgt die Fahrtstrecke ca. 15 km, zum Standort des nächstgelegenen Gymnasiums (T.) hingegen ca. 25 km, also 10 km mehr. Hingegen misst die Distanz N. – L. ca. 9 km, die Distanz N. – T. 5,5 km weniger, nämlich ca. 3,5 km. Diese Daten hat die Kammer der entsprechenden Auflistung des Antragsgegners entnommen und mittels eines Routenplaners überprüft. Bei einer Beschulung der Antragstellerin zu 3) aus N. in L. würde sich folglich der Schulweg mehr als verdoppeln, während die Kinder aus C. 10 km sparen, wenn sie an der KGS L. unterrichtet werden. Es ist nicht willkürlich, auf diese Schulwegdifferenzen abzustellen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Mai 2010, a.a.O.). Denn der Schulweg steht in untrennbarem Zusammenhang mit dem Schulbesuch und stellt folglich gerade kein beliebiges, außerhalb des Schulbetriebs angesiedeltes Faktum dar. Diesen Zusammenhang sieht auch der Landesgesetzgeber, der in § 69 SchulG Aussagen zum Schulweg getroffen hat.

23

Der Anwendung des Schulwegkriteriums zur Steuerung des Auswahlverfahrens an der KGS L. stehen schließlich keine anderweitigen Bestimmungen entgegen. So wurde nach Aktenlage weder ein Einzugsbereich gebildet, noch ein Schulbezirk festgelegt (§§ 62 und 93 SchulG).

24

Es ist zudem nicht zu beanstanden, dass sich der Antragsgegner nicht an die Auswahlregeln in § 13 ÜSchulO für die Integrierte Gesamtschule angelehnt hat. Für die direkte oder analoge Anwendung dieser Norm bei der Auswahl von Schülern für die Kooperative Gesamtschule bei Kapazitätsüberschreitung ist kein Raum. § 13 ÜSchulO regelt explizit nur die Aufnahme von Schülern in Integrierte Gesamtschulen, kann also unmittelbar auf Kooperative Gesamtschulen nicht angewandt werden. Eine analoge Anwendung kommt mangels dazu erforderlicher planwidriger Normlücke nicht in Betracht. Der Normgeber hat in § 11 ÜSchulO allgemeine Grundsätze des Aufnahmeverfahrens aufgestellt und in den folgenden §§ 13 bis 16 ÜSchulO besondere Konstellationen geregelt (z.B. Aufnahme in die Orientierungsstufe oder nach einem Auslandsaufenthalt). Es gibt keinen Hinweis darauf, dass es versehentlich unterlassen wurde, das Auswahlverfahren an Kooperativen Gesamtschulen über die allgemeinen Grundsätze hinaus speziell zu regeln. Hier verbleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen. Es ist auch nicht ermessensfehlerhaft, dass sich der Leiter der KGS L. letztlich nicht an das in § 13 ÜSchulO dargestellte Verfahren anlehnte. Entgegen der Auffassung der Antragsteller drängte sich dies wegen der durchgreifenden Unterschiede zwischen Integrierter und Kooperativer Gesamtschule nicht auf. Der erste Unterschied ist formaler Natur: Bei der Integrierten Gesamtschule handelt es sich um eine eigenständige Schulart (s. § 9 Abs. 3 Nr. 4 SchulG), bei der Kooperativen Gesamtschule nicht, sie ist im abschließenden Katalog der Schularten nicht aufgeführt. Sodann hat der Normgeber in § 13 ÜSchulO strukturellen Besonderheiten der Integrativen Gesamtschulen Rechnung getragen, die bei den Kooperativen Gesamtschulen nicht festzustellen sind. An den Erstgenannten werden die Schüler in der Sekundarstufe I in einem weitgehend gemeinsamen Unterricht zusammengefasst (§ 10 Abs. 6 Satz 3 SchulG), es wird also nicht nach Schularten differenziert. Hingegen werden an den Zweitgenannten die Schüler des Gymnasiums und der Realschule plus separat unterrichtet. Dem durchgehend gemeinsamen Unterricht in der Sekundarstufe I trägt insbesondere § 13 Abs. 5 ÜSchulO Rechnung. Die danach vorgesehene Bildung von Leistungsgruppen bei der Auswahl soll gewährleisten, dass der gemeinsame Unterricht das gewünschte Leistungsniveau erreicht. Solche Leistungsgruppen brauchen aber nicht gebildet zu werden, wenn die Schüler ohnehin in separaten Schulen unterrichtet werden, folglich liefe diese Regelung bei den Kooperativen Gesamtschulen ins Leere. Einer analogen Anwendung von § 13 ÜSchulO steht schließlich entgegen, dass es mit § 12 ÜSchulO bereits eine Sonderregelung für die Aufnahme in die Orientierungsstufe gibt, die keinen Raum für eine weitere Sonderregelung lässt.

25

b) Fehler bei der Anwendung des vorgenannten Kriteriums sind nicht festzustellen, die diesbezüglichen Einwände der Antragsteller überzeugen nicht.

26

So hat der Beklagte zu Recht bei seiner Vergleichsbetrachtung bei jedem Kind die Erreichbarkeit alternativer Gymnasien und alternativer Realschulen plus gleichermaßen berücksichtigt. Dies ist dem rechtlichen Charakter der Kooperativen Gesamtschule geschuldet. Denn die in einer solchen Einrichtung zusammengefassten Gymnasien und Realschulen plus behalten ihre Eigenständigkeit. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut von § 16 Abs. 1 SchulG. Danach erfüllen Kooperative Gesamtschulen, in der die eigenständigen Schularten Realschule plus und Gymnasium zusammenarbeiten, die pädagogischen Aufgaben eines Schulzentrums in einem besonderen organisatorischen Verbund. Bewirbt sich ein Kind für die die eigenständigen Schularten Gymnasium und Realschule plus übergreifende Orientierungsstufe (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 SchulG), ist nach Alternativen hinsichtlich beider Schularten zu suchen. Dem steht die Empfehlung der Grundschule für eine Schulart nicht entgegen. Diese ist insoweit nicht verbindlich, da der Zugang zur Orientierungsstufe lediglich von der erfolgreichen Absolvierung der Grundschule abhängt (§ 12 Abs. 1 ÜSchulO). Eine schulartspezifische Auswahl ist mit der Entscheidung für die KGS L. noch nicht getroffen worden, da die dortige Orientierungsstufe schulartübergreifend eingerichtet ist (s. § 9 Abs. 6 Satz 2 und § 16 Abs. 2 Nr. 1 SchulG).

27

Die Hinweise der Antragsteller auf sonstige Beschulungsmöglichkeiten, die für andere Bewerber um Aufnahme in der KGS L. in Betracht kämen, sind nicht stichhaltig. So gehört die IGS in Zell als Integrierte Gesamtschule zu einer anderen Schulart (s. § 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SchulG) als die in L. zusammengefassten Schularten Gymnasium und Realschule plus (s. § 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 SchulG) und kann schon deshalb nicht mit der KGS L. verglichen werden. Soweit die Antragsteller ferner einzelne Gymnasien (D.) oder Realschulen plus (U.) als Alternativen angeben, trägt dies nicht dem Umstand Rechnung, dass in L. beide Schularten vertreten sind. Das weiter angeführte Gymnasium in V. ist achtstufig ausgestaltet und weist daher gegenüber dem neunstufigen Gymnasium in L. mit der Reduzierung der Schulzeit um ein Jahr ebenfalls einen durchgreifenden Unterschied auf. Soweit die Antragsteller hinsichtlich zweier Schüler aus I. und M. darauf verweisen, diese könnten neben der Realschule plus in U. das Gymnasium in D. besuchen, überzeugt dies ebenfalls nicht. Diese Beispiele belegen im Gegenteil, dass die Auswahlmethode des Antragsgegners den Interessen sämtlicher Kinder Rechnung trägt, die sich für die KGS L. beworben haben, während eine Umsetzung der Vorstellungen der Antragsteller zwar ihren Partikularinteressen dienen zugleich aber andere Kinder massiv belasten würde. Denn während die Antragsteller ein alternatives Gymnasium (T.) in – je nach Wohnort – ca. 3,5 km bis 9 km erreichen können, würden sie den Kindern aus I. und M. Wegstrecken nach D. von ca. 22 km und 26 km zumuten. Im Übrigen hat der Antragsgegner plausibel dargelegt, weshalb andere Schulen für die in L. angenommenen Schüler nicht in Betracht kamen. Dem steht nicht entgegen, dass manche Schüler im Landkreis E. wohnen. Da weder Einzugsbereiche noch Schulbezirke gebildet wurden, ist eine kreisübergreifende Beschulung nicht zu beanstanden.

28

c) Es erweist sich schließlich nicht als ermessensfehlerhaft, dass der Antragsgegner keine weiteren Auswahlkriterien berücksichtigt hat. Dabei ist hier nicht zu prüfen, ob er dies im Rahmen des ihm eröffneten Ermessens hätte tun können. Zu prüfen ist ausschließlich, ob weitere Kriterien hätten berücksichtigt werden müssen, weil ansonsten ein Heranziehungsdefizit entständen wäre. Ein solches Defizit ist anzunehmen, wenn Aspekte vernachlässigt werden, deren Beachtung sich der Behörde hätte aufdrängen müssen und deren Nichtberücksichtigung dazu führt, dass die Auswahlentscheidung willkürlich oder unverhältnismäßig wird. Eine solche defizitäre Behandlung möglicher Auswahlkriterien ist hier nicht festzustellen. Insbesondere mussten die Auswahlkriterien, auf die sich die Antragsteller beziehen, hier nicht bzw. nicht vorrangig gegenüber dem Schulwegkriterium berücksichtigt werden.

29

Namentlich das sogenannte Geschwisterkindkriterium brauchte hier nicht angewandt zu werden. Die Kammer lässt dabei offen, ob dieses Kriterium, nach dem Kinder bevorzugt an einer Schule angenommen werden, wenn dort bereits Geschwister beschult werden, überhaupt ein im Lichte der Gleichbehandlung zulässiges Auswahlkriterium ist. Dies wird in der Rechtsprechung kontrovers diskutiert (vgl. zum Streitstand VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. September 2009, a.a.O.). Jedenfalls hat dieses Kriterium hinter dem der Reduzierung der Belastung der Schulkinder dienenden Schulwegkriterium zurückzutreten. Die bevorzugte Berücksichtigung von Geschwisterkindern dient vorrangig der Entlastung der Eltern und nur mittelbar dem Kindeswohl. Denn dadurch sollen den Eltern Belastungen durch den etwaigen Transport ihrer Kinder zu verschiedenen Schulorten und den Besuch von Veranstaltungen an mehreren Schulen erspart werden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Mai 2010, a.a.O.). Diese Vorteile vermögen aber die Minderung der Belastung möglichst vieler Kinder durch kurze Schulwege nicht aufzuwiegen, da sie den Kindern unmittelbar zu Gute kommt. Überdies ist die mögliche Zeitersparnis für die Eltern im Zusammenhang mit der Beförderung ihrer Kinder kein durchgreifender Gesichtspunkt, da die Schülerbeförderung den Landkreisen und kreisfreien Städten obliegt (s. § 69 SchulG) und von den Eltern auf freiwilliger Basis übernommen wird. Zudem wäre zu prüfen, ob eine Bevorzugung von Kindern mit einem Geschwisterkind an der jeweiligen Schule nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung derjenigen Kinder führt, die ein Geschwisterkind haben, das eine andere Schule am Schulort oder einen dortigen Kindergarten besucht.

30

Ebenso wenig brauchte der Antragsgegner dem Einwand der Antragstellerin zu 1) nachzugehen, ihre Mutter unterrichte an der KGS L.. Mögliche Zeitersparnisse der Mutter vermögen die Zeitersparnisse der angenommenen Kinder nicht aufzuwiegen. Zudem müsste der Antragsgegner prüfen, ob die Eltern anderer Bewerber in L. arbeiten, um eine ungerechtfertigte Bevorzugung der Antragstellerin zu 1) zu vermeiden. Denn auch diese Eltern können Zeit und Fahrten sparen, indem sie ihre Kinder auf dem Weg von und zur Arbeit mitnehmen. Schließlich hat die seit Jahren im Schulrecht tätige Kammer durchaus Zweifel, ob es dem vorrangig zu beachtenden Kindeswohl nutzt, wenn ein Kind die Schule besucht, an der ein Elternteil unterrichtet.

31

Bevorzugt in die KGS L. aufzunehmende Härtefälle liegen nach Aktenlage nicht vor. Die Kammer hat bereits entschieden, dass bestimmte eng umgrenzte Härtefälle nach ihrer Art und ihrem Gewicht die vorrangige Berücksichtigung von Schülern rechtfertigen können (vgl. Beschluss vom 25. Juni 2009, a.a.O.). Für solche Ausnahmesituationen ist hier nichts ersichtlich. So kann eine solche Situation nicht ohne weiteres mit der Berufstätigkeit beider Eltern begründet werden, da diese familiäre Konstellation in Deutschland häufig anzutreffen ist. Gleiches gilt für den Umstand, dass Kinder nur von einem Elternteil erzogen werden. Die Entfernung zwischen dem Wohnort der Antragsteller und den ihnen angebotenen Alternativschulen vermag ebenfalls keine besondere Härte zu begründen. In allen Fällen liegt die Entfernung unter 10 km und kann nach dem Vorbringen des Antragsgegners – bezogen auf T. – unschwer bewältigt werden. Für die Zumutbarkeit des Schulwegs nach T. spricht auch, dass vier der Antragsteller bereits die Grundschule in T. besucht haben, die sich in räumlicher Nähe zu den dortigen weiterführenden Schulen befindet. Die Sprachbehinderung des Antragstellers zu 4) konnte ebenfalls unberücksichtigt bleiben. Denn unabhängig vom aktuellen Stand der Therapie ist nicht erkennbar, dass diesen Schwierigkeiten in anderen Schulen nicht ebenso gut Rechnung getragen werden kann wie in der KGS L..

III.

32

Nach den vorstehenden Ausführungen war der vorliegende Eilantrag mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.

33

Die Festsetzung des Gegenstandswertes orientiert sich an den Ziffern 1.1.3, 1.5 und 38.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327). Der danach anzusetzende Regelstreitwert (5.000,-- €) war entsprechend dem vorläufigen Charakter des Eilverfahrens um die Hälfte zu reduzieren und mit der Anzahl der Antragsteller zu multiplizieren.

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Tenor Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragsteller vorläufig in die Integrierte Gesamtschule N. aufzunehmen; die vorläufige Aufnahme endet bei Wiederholung des Auswahlverfahrens für diese Schule oder mit rechtskräftiger Entscheidung

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tenor

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragsteller vorläufig in die Integrierte Gesamtschule N. aufzunehmen; die vorläufige Aufnahme endet bei Wiederholung des Auswahlverfahrens für diese Schule oder mit rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf 2.500,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt im vorliegenden Eilverfahren seine vorläufige und im Klageverfahren die uneingeschränkte Aufnahme in die Integrierte Gesamtschule (IGS) – in Gründung – N.

2

Die IGS N. soll vierzügig, also mit vier Klassen á 30 Schülern je Jahrgangsstufe, errichtet werden. Für sie hatten sich 172 Schüler beworben. Vorab wurden zwei Schüler als Härtefälle aufgenommen. Die verbleibenden Schulplätze wurden in einem Losverfahren vergeben. Dabei wurden zunächst entsprechend der Summe der Noten der Schüler in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht 10 Gruppen gebildet und die Bewerbungsakten entsprechend gestapelt. Den Gruppen wurden jeweils 12 Plätze zugeordnet; aus den Stapeln wurde verdeckt diese Anzahl von Akten gezogen. Für die Notensummen 3 (drei Mal sehr gut = 1) und 4 wurden gleichfalls Gruppen gebildet, obschon diese Notensumme von keinem Bewerber erreicht wurde. Von Gruppen, in denen die Anzahl der Plätze die der Bewerber überstieg, wurden die nicht vergebenen Plätze an die nächste Gruppe weitergegeben. In den Gruppen, denen die Härtefälle nach ihrer Notensumme zuzuordnen gewesen wären (8 und 12), wurden die Anzahl der Plätze um einen reduziert.

3

Alle erfolglosen Bewerber erhielten Ablehnungsbescheide. Diesen widersprachen insgesamt 19 Schüler. Vieren wurden im Widerspruchsverfahren Schulplätze zugewiesen. Die übrigen Widersprüche hatten keinen Erfolg.

4

Der Antragsteller bringt gegen das Auswahlverfahren vor allem Folgendes vor:

5

Die Anzahl der Bewerber hätte ausgereicht, die IGS N. sechs- statt vierzügig zu errichten. Es sei ermessensfehlerhaft, nur deshalb 120 Schulplätze vorzusehen, um den Bestand umliegender Schulen zu sichern. Das Auswahlverfahren dürfe nicht vom angestrebten Anteil der fürs Gymnasium empfohlenen Schüler abhängig gemacht werden. Das Losverfahren hätte gar nicht erst angewandt werden dürfen, da genug Kapazitäten für alle Bewerber vorhanden seien. Im Auswahlausschuss habe eine Elternvertretung gefehlt. Die Stapelbildung und die Weitergabe nicht vergebener Plätze seien fehlerhaft.

6

Der Antragsgegner ist sämtlichen Einwänden entgegengetreten.

II.

7

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat nach Maßgabe des Tenors Erfolg.

8

Nach der einschlägigen Rechtsgrundlage des § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur zulässig, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gerechtfertigt ist die der Hauptsache vorgreifende Regelungsanordnung jedoch nur, wenn der geltend gemachte Anspruch bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und dem Betroffenen bis zum Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache schlechthin unzumutbare Nachteile drohen (Anordnungsgrund). Beide Aspekte sind zudem glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Dem Antragsziel, der vorläufige Zuweisung zur IGS N., liegt ein hinreichender Anordnungsanspruch zu Grunde (1.); ein Anordnungsgrund ist ebenfalls gegeben (2.).

9

1. Dem Antragsteller steht ein die einstweilige Anordnung rechtfertigender Hauptsacheanspruch zur Seite. Allerdings beschränkt sich dieser auf einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung (a)), damit letztlich auf eine Wiederholung des Auswahlverfahrens. Die Verletzung dieses Anspruchs (b)) rechtfertigt gleichwohl die vorläufige Zuweisung des Antragstellers zur IGS N. (c)). Der Antragsteller hat hingegen keinen uneingeschränkten Anspruch auf Zugang zu dieser Schule (d)).

10

a) Der Antragsteller hat bezüglich seines Wunsches, eine bestimmte Schule zu besuchen, nur Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung.

11

Denn das auf Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 31 der Verfassung für Rheinland-Pfalz fußende Recht auf Bildung begründet zunächst nur einen (abstrakten) Anspruch auf Teilhabe an den tatsächlich vorhandenen Bildungseinrichtungen; hinzu kommt ein Anspruch auf Zulassung zu der Schulform, die der Begabung am besten entspricht (vgl. Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1 Schulrecht, 4. Aufl. 2006, Rdnr. 172). Auch aus der allgemeinen Pflicht zum Besuch einer Schule (s. § 56 Abs. 1 des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes (SchulG)) resultiert – umgekehrt – nur der Anspruch auf Ermöglichung des vorgeschriebenen Schulbesuchs (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 2008 – 2 B 10613/08.OVG –). Dem spezielleren Wunsch auf Besuch einer bestimmten Schule steht hingegen der auf Art. 7 Abs. 1 GG beruhende Gestaltungsspielraum des Staates entgegen. Daraus folgt das Organisationsermessen, Ort und Größe der jeweiligen Schule festzulegen. Folglich kann dem Wunsch, eine bestimmte Schule zu besuchen, schon wegen der beschränkten Aufnahmekapazität der einzelnen Schulen nicht in jedem Fall Rechnung getragen werden. Somit wandelt sich das Recht auf gleichberechtigten Zugang zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen in einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung um (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 19. Dezember 2007 – 2 ME 601/07 –, nach juris; Niehues/Rux, a.a.O., Rdnr. 167, 607).

12

b) Der Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung wurde vorliegend verletzt. Der Ermessensfehler beruht jedoch entgegen der Auffassung der Antragstellerseite nicht auf dem Verfahren als solchem (aa)), sondern auf dessen Anwendung im konkreten Fall (bb)).

13

aa) So ist zunächst die Wahl eines Losverfahrens für die Vergabe der Schulstellen an der IGS N. nicht zu beanstanden. Dieses Verfahren ist in § 7 Abs. 7 Satz 1 der Landesverordnung über die Integrierten Gesamtschulen (IGSVO) in den Fällen vorgesehen, in denen die Zahl der Anmeldung die der vorhandenen Schulplätze übersteigt. Das Losverfahren ist auch ansonsten, etwa verfassungsrechtlich, nicht zu beanstanden. Es ist vielmehr ein probates Mittel, um eine dem in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht werdende Verteilung – nach dem Zufallsprinzip – zu gewährleisten (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 8. Dezember 2008 – 2 B 316/08 –, nach juris).

14

Ebenso ist die Bildung von Leistungsgruppen an sich nicht zu beanstanden. Sie ist ebenfalls in der einschlägigen Verordnung (§ 7 Abs. 7 Satz 2 IGSVO) vorgesehen und trägt ferner dem in § 1 Abs. 1 SchulG verankerten schulischen Auftrag zur Förderung der individuellen Anlagen und Fähigkeiten Rechnung. Diesem Auftrag und dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) widerspräche es vielmehr, (Leistungs-)Ungleiche immer gleich zu behandeln.

15

Die sonstigen in diesem Zusammenhang vorgebrachten Einwände des Antragstellerbevollmächtigten greifen ebenfalls nicht durch. Das gilt insbesondere für die aus seiner Sicht fehlende Elternbeteiligung. Diese ist nach § 7 Abs. 5 Nr. 3 IGSVO für die Aufnahme von Schülern in bestehende IGS vorgesehen und setzt den Antrag des Schulelternbeirats der betroffenen IGS voraus. Diese Norm ist hier nicht einschlägig. Denn die IGS N. besteht noch nicht. Zudem gibt es dort noch keinen Schulelternbeirat. Der Einwand, es hätten sonstige Elternvertretungen (etwa Regionalelternbeirat) beteiligt werden können, überzeugt nicht. Er übersieht, dass die Mitgestaltung der Angelegenheiten an der jeweiligen Schule zuvörderst den Elternbeiräten vor Ort obliegen (s. § 40 Abs. 1 SchulG).

16

bb) Ein Ermessensfehler in Form der Ermessensüberschreitung, nämlich der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, ist jedoch bei der Anwendung der vorgenannten Verfahren im konkreten Fall festzustellen. Denn die Art der Vergabe von zwei Schulplätzen an Härtefälle und die Bildung zweier Leistungsgruppen für nicht existierende Schüler führt zu Ungleichbehandlungen im Bewerberfeld.

17

Hinsichtlich der bevorzugten Behandlung der beiden Härtefälle beim vorliegenden Auswahlverfahren braucht nicht erörtert zu werden, ob sie nach Wegfall der früheren Härtefallregel in § 7 Abs. 6 IGSVO a.F. (s. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. April 2000 – 2 B 10555/00.OVG –, nach juris) überhaupt zulässig ist. Die Kammer tendiert allerdings dazu, dass eng umgrenzte Härtefälle nach ihrer Art und ihrem Gewicht die vorrangige Berücksichtigung von Schülern rechtfertigen können (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 8. Dezember 2008, a.a.O.), sofern die Kriterien dafür, wann von einem Härtefall auszugehen ist, von der zuständigen Stelle vorab festgelegt wurden (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 19. Dezember 2007, a.a.O.).

18

Eine Verletzung des Gleichheitssatzes stellt es aber jedenfalls dar, die Härtefälle nur zwei Leistungsgruppen statt der Gesamtheit der Bewerber „anzulasten“. Damit werden die Chancen der Mitglieder dieser Gruppen gegenüber den sonstigen Bewerbern reduziert, ohne dass es dafür einen erkennbaren Grund gäbe. Hätte man die Anzahl der zu vergebenden Plätze um die beiden Härtefälle vorab von 120 auf 118 reduziert, so hätte sich die damit einhergehende Minderung der Chancen im Losverfahren gleichmäßig auf die verbleibenden 170 Bewerber verteilt. Durch das vom Auswahlausschuss gewählte Prozedere hingegen reduzierten sich ausschließlich die Chancen der Bewerber in den Stapeln 8 und 12. Zugleich wirkt sich die Chancenminderung um 2 Vergabeplätze auf die dortigen 52 Schüler mathematisch stärker aus als auf die Gesamtheit der Bewerber. Für diese selektive Chancenminderung gibt es keinen Grund. So hätte zunächst das verwendete Kriterium „schlechte Deutschkenntnisse“ nicht im Losverfahren Platz finden dürfen. Es korrespondiert mit der Regelung in § 7 Abs. 6 IGSVO, wonach Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache angemessen berücksichtigt werden sollen. Schon aus der Stellung dieser Regelung vor derjenigen über das Losverfahren ergibt sich, dass die bevorzugte Behandlung von Kindern mit defizitären Deutschkenntnissen vor dem Losverfahren anzusiedeln ist. Im Ergebnis gilt dies für die weiteren hier zur Anwendung gekommenen Härtekriterien (Alleinerziehung, ADHS) ebenso. Sie stellen keine Leistungskriterien dar. Folglich durften sie nicht im Zuge der leistungsabhängigen Gruppenbildung Berücksichtigung finden.

19

Nicht gerechtfertigt ist es sodann, dass für die Notensummen 3 und 4 Gruppen gebildet und je 12 Plätze vorgehalten wurden, obschon es keine Bewerber aus diesen Gruppen gab. § 7 Abs. 7 Satz 2 IGSVO lässt zwar eine Differenzierung nach Leistungsgruppen zu. Diese hat sich aber an den realen Schülern und nicht an einem fiktiven Bewerberfeld zu orientieren. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Auswahlausschuss die Möglichkeit haben muss, seine Auswahlkriterien auch mit Blick auf das Ziel zu wählen, an einer IGS Schüler mit der Eignung zur Qualifikation der Berufsreife, zum Sekundarabschluss I und zur Hochschulreife möglichst in einem ausgewogenen Verhältnis vertreten zu sehen. Allerdings muss er diese Kriterien vorab, nachvollziehbar und transparent festlegen. Er kann nicht – wie hier – ein nach dem Zufallsprinzip funktionierendes Losverfahren deformieren, um dem Leistungsprinzip Rechnung zu tragen. Die Bildung von zwei fiktiven Gruppen führt in Verbindung mit der kaskadenartigen Weitergabe der nicht genutzten Plätze zu einer dem Zufallsprinzip fremden und übermäßigen Chancenverbesserung der unmittelbar folgenden Gruppen. Hingegen profitieren die „hinteren“ Leistungsgruppen von diesem Prozedere nicht. Eine solche prozedurale Ungleichbehandlung erfordert es, wenn sie zulässig sein soll, dass vorab bekannt ist, welchem Ziel sie dienen soll und wer von ihr betroffen ist. Nur so ist es den Betroffenen möglich, ihre Chancen abzuwägen. Mit anderen Worten kann der Auswahlausschuss es nicht dem Zufall überlassen, wie weit die von ihm durch die Bildung fiktiver Gruppen initiierte Förderung der Leistungsstarken geht. Er hätte zuvor festlegen müssen, welche Gruppen ihm förderungswürdig erscheinen.

20

c) Der Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Aufnahme in die IGS N. führt im Eilverfahren dazu, dass er vorläufig zu dieser Schule zuzulassen ist.

21

Verstößt nämlich eine Schule gegen die Zugangsregeln und verkürzt sie dadurch den Zugangsanspruch eines Bewerbers, so muss sie – zumindest vorläufig – diesen zusätzlich aufnehmen, bis ihre Kapazitätsgrenzen (so OVG Niedersachsen, Beschluss vom 19. Dezember 2007, a.a.O.) bzw. die äußerste Grenze ihrer Funktionsfähigkeit (so OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. April 2000, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 4. Oktober 2001 – 1 B 362/01 –, nach juris; OVG Sachsen, Beschluss vom 8. Dezember 2008, a.a.O.) erreicht ist. Hier wurden durch die Berücksichtigung der beiden Härtefälle im Losverfahren und die Bildung zweier fiktiver Gruppen die Zugangsregeln verletzt und damit zugleich die Chancen des Antragstellers auf den gewünschten Schulplatz geschmälert. Denn zumindest die zweite Verletzung wirkt sich auf den der Notengruppe 9 zugeordneten Antragsteller aus.

22

Es ist zudem nicht erkennbar, dass die Grenzen der Kapazität der IGS N. erreicht wären. Dagegen spricht bereits die Verwaltungsvorschrift über die Klassenbildung für die Klassenstufen 5 bis 10 der Hauptschulen, Regionalen Schulen, Realschulen, Gymnasien, Integrierten Gesamtschulen und Kooperativen Gesamtschulen (GAmtsbl. 2003, S. 489; Amtsbl. 2007, S. 45). Dort wird zwar unter Nummer 1 die Klassenmesszahl auf 30 Schüler festgelegt. Zugleich wird aber nach Satz 1 der folgenden Nummer 2 eine Abweichung nach oben und unten aus pädagogischen oder organisatorischen Gründen erlaubt. Unter Beachtung der sechs parallelen Eilverfahren und der vier im Widerspruchsverfahren aufgenommenen Schüler hätte die IGS N. insgesamt 11 weitere Schüler aufzunehmen. Dies würde zu einer Überschreitung der Klassenmesszahl um etwa 10 % führen. Es ist nicht erkennbar, dass diese Erhöhung zu einer Überlastung der personellen und sächlichen Kapazitäten führt, zumal weitere Räume in Aussicht gestellt wurden und die Zuweisung in den hiesigen Eilverfahren nur vorläufig erfolgt.

23

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt zugleich, dass kein valider Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Funktionsfähigkeit der IGS N. nachhaltig gefährdet wäre. Eine Diskussion zu der Frage, welche Grenze (Funktionsfähigkeit oder Kapazität) einzuhalten ist, erübrigt sich mithin.

24

d) Allerdings kann der Antragsteller im Eilverfahren keinen uneingeschränkten Anspruch auf Zuweisung zur IGS N. erstreiten. Ein solcher folgt nicht aus den Argumenten seines Bevollmächtigten.

25

So führt zunächst die Überlegung, es hätten theoretisch 6 Klassen eingerichtet werden können, nicht dazu, sämtlichen Bewerbern einen direkten Anspruch auf einen Platz an der IGS N. einzuräumen. Denn Schüler und Eltern haben keinen Anspruch auf die Errichtung von Schulen oder Klassen. Diese Entscheidung steht im Ermessen des Staates. Vorliegend ist kein Ermessensfehler hinsichtlich der Beschränkung auf vier Klassen ersichtlich. Insbesondere ist es nicht fehlerhaft, die Belange anderer Schulen zu berücksichtigen. Dazu ist die oberste Schulbehörde nach § 92 Abs. 6 Satz 1 SchulG verpflichtet. Überdies entspricht die Vierzügigkeit dem einschlägigen Schulentwicklungsprogramm, das nach § 91 Abs. 3 Satz 1 SchulG zu berücksichtigen ist.

26

Sodann kann sich der Antragsteller nicht darauf berufen, es seien bereits vier weitere Schüler aufgenommen worden. Denn diese Schüler hatten dem Grunde nach ebenfalls nur einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung.

27

Schließlich ergibt sich aus den vom Antragsteller vorgebrachten Individualgründen kein Anspruch auf unbeschränkten Zugang zur IGS N. Dabei kann dahinstehen, ob es sich dabei überhaupt um Härtefallkriterien handelt. Die gebotene enge Umgrenzung der Anwendung von Härtefallausnahmen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. April 2000, a.a.O.; OVG Sachsen, Beschluss vom 8. Dezember 2008, a.a.O.) spricht aber eher dagegen, dass die Berufstätigkeit beider Eltern, der Wunsch nach Gesamtschulbetreuung, der gemeinsame Schulbesuch von Geschwistern und Betreuungsschwierigkeiten zu einer Sonderbehandlung führen sollten. Denn die beiden ersten Umstände dürften bei einer Vielzahl von Eltern auftreten. Die übrigen sind üblicherweise mit einem Schulwechsel verbunden. Jedenfalls aber sind die vom Antragsteller vorgetragenen individuellen Gründe vom Auswahlausschuss nicht vorab als Härtekriterien anerkannt worden, ohne dass insoweit Ermessensfehler zu erkennen wären. Mit anderen Worten kann ein Auswahlausschuss etwa die familiäre Situation berücksichtigen, sofern er dies vorab und verbindlich festlegt. Er kann davon jedoch auch je nach Situation der Bewerber absehen, etwa, wenn sich unter den Bewerbern eine Vielzahl von sonstigen Härtefällen befindet.

28

2. Es besteht schließlich ein Anordnungsgrund. Dies gilt auch in Ansehung des eingeschränkten Hauptsacheanspruchs.

29

Einerseits muss Schulerziehung altersgemäß gewährt und kann nicht gleichwertig nachgeholt werden. Deshalb würde der Antragsteller irreparable Nachteile erleiden, wenn er den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten müsste (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 4. Oktober 2001, a.a.O.). Als solche Nachteile seien exemplarisch die Eingewöhnungsschwierigkeiten nach einem erneuten Schulwechsel und dadurch entstehende Lernnachteile genannt. Diese Schwierigkeiten rechtfertigen die vorläufige Zuweisung ebenso wie die Gefahr, dass der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Auswahl ohne die vorliegende Entscheidung faktisch leerlaufen würde. Denn für den Fall, dass das Hauptsacheverfahren nicht vor Schulbeginn abgeschlossen wird, erscheint es durchaus möglich, dass der Antragsteller sein Hauptsachebegehren nicht mehr weiterverfolgt, falls er sich an einer anderen Schule gut eingewöhnt.

III.

30

Die vorläufige Zuweisung des Antragstellers zur IGS N. war wie im Tenor geschehen entsprechend des Prüf- und Entscheidungsumfangs im vorliegenden Eilverfahren zu beschränken. Der Antragsteller kann per einstweiliger Anordnung lediglich seine vorläufige Aufnahme erstreiten. Als zeitliche Begrenzung kommen eine Wiederholung des Auswahlverfahrens und der Abschluss des Hauptsacheverfahrens gleichermaßen in Betracht. Dies liegt daran, dass es Aufgabe des Antragsgegners ist zu entscheiden, ob er das Auswahlverfahren für die IGS N. wiederholt oder – auch mit Blick auf den Vertrauensschutz der bereits angenommenen Schüler – die vorläufige Zuweisung des Antragstellers in eine endgültige überführt. Diese Entscheidung ist nicht Gegenstand des gerichtlichen Prüfprogramms im Eilverfahren.

IV.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

32

Die Festsetzung des Gegenstandswertes orientiert sich an den Ziffern II.1.5 und II.38.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327). Der danach anzusetzende Regelstreitwert (5.000,-- €) war entsprechend dem vorläufigen Charakter des Eilverfahrens um die Hälfte zu reduzieren.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. August 2009 - 12 K 2513/09 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem ihm im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben wurde, die im Oktober 1999 geborene Antragstellerin für das Schuljahr 2009/2010 in eine Klasse 5 des ...-Gymnasiums G... mit dem Profil Englisch und Latein als erste Fremdsprachen aufzunehmen und ihr den Besuch dieser Klasse zu gestatten, ist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Antragstellerin neben einem Anordnungsgrund auch einen Anordnungsanspruch für ihr Begehren der vorläufigen Aufnahme in eine Klasse 5 des von ihr gewünschten Profils an dem genannten Gymnasium glaubhaft gemacht hat. Die mit der Beschwerde vorgetragenen Rügen, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine andere Beurteilung.
Nach § 88 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz SchG besteht kein Anspruch auf Aufnahme in eine bestimmte Schule, solange der Besuch einer anderen Schule desselben Schultyps möglich und dem Schüler zumutbar ist. Dagegen ergibt sich aus Satz 2 dieser Norm insgesamt ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung, in deren Rahmen auch die Zumutbarkeit der Entscheidung für den betroffenen Schüler zu berücksichtigen ist, ohne dass eine exakte Scheidung zwischen Tatbestandsmerkmal und ermessensgerechter Rechtsfolge der Norm möglich wäre. Vielmehr bestimmen auch die Merkmale der Zumutbarkeit, der Erforderlichkeit der Bildung annähernd gleich großer Klassen und der Erschöpfung der Aufnahmekapazität Inhalt und Grenzen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 15.09.1999 - 9 S 2178/99 -, juris Rn. 7).
Eine Würdigung der privaten Interessen der Antragstellerin einerseits und der öffentlichen Interessen des Antragsgegners andererseits führt zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung dazu, dass aller Voraussicht nach die Aufnahme der Antragstellerin die einzige ermessensfehlerfreie Entscheidung darstellt, da nur sie dem jeweiligen Gewicht der beiderseitigen Interessen gerecht werden dürfte. Dies ergibt sich in Auseinandersetzung mit den Rügen des beschwerdeführenden Antragsgegners aus folgendem:
Auch nach Abschluss des Aufnahmeverfahrens in die fünften Klassen des ...-Gymnasiums in G... ist in zwei der vier Klassen der Klassenteiler von 32 Schülern, wie er sich aus Nr. 4.1 der Verwaltungsvorschrift „Eigenständigkeit der Schulen und Unterrichtsorganisation im Schuljahr 2009/2010“ vom 07.02.2009 (K.u.U. 2009, 49) ergibt, nicht erreicht. Damit steht fest, dass die Aufnahmekapazität i.S.v. § 88 Abs. 4 Satz 2 SchG jedenfalls in einer der fünften Klassen, in denen sowohl Englisch als auch Latein unterrichtet wird, noch nicht erschöpft ist. Dies gilt unabhängig davon, wie sich der Begriff „Klassen-/Gruppenteiler“ der genannten Verwaltungsvorschrift zum Begriff „Aufnahmekapazität“ in § 88 Abs. 4 Satz 2 SchG verhält. Gegen eine Übereinstimmung beider Begriffe spricht, dass es sich bei dem „Klassenteiler“ um eine abstrakte Größe zur Berechnung der Kapazität des gymnasialen Bildungssystems handelt, die - neben den räumlichen Voraussetzungen an den Schulen - weiter durch die Berechnung der Werte der Lehrerwochenstunden, die Stundentafeln und die Zahl der Lehrdeputate bestimmt wird und von der die Schulaufsichtsbehörde nach Nr. 1.4 der Verwaltungsvorschrift auch Ausnahmen zulassen kann. Demgegenüber ist die äußerste Grenze der Aufnahmekapazität erst dann erreicht, wenn es bei weiteren Aufnahmen zu unerträglichen Zuständen käme und ein geordneter Unterricht aus Personal- oder Raumgründen nicht mehr möglich wäre (Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1: Schulrecht, 4. Aufl. 2006 Rn. 629 f.; zum Klassenteiler als Kapazitätsgrenze s. auch Nds. OVG, Beschlüsse vom 08.10.2003 - 13 ME 343/03 -, NVwZ-RR 2004, 258 f., und vom 19.12.2007 - 2 ME 601/07 -, juris).
Das öffentliche Interesse daran, den Klassenteiler gerade in den fünften Klassen nicht vollständig auszuschöpfen, wiegt bereits aus grundsätzlichen Erwägungen nicht schwer und ist im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen weiter abgeschwächt. Eine pädagogische Begründung hierfür, wie sie auch vom Antragsgegner vorgetragen wird, ist nicht zu berücksichtigen, denn gerade der Klassenteiler selbst kann nur pädagogisch gerechtfertigt sein. Wenn es demnach möglich ist, in einer den Klassenteiler voll ausschöpfenden Klasse einen den Ansprüchen der jeweiligen Schulart entsprechenden Unterricht zu veranstalten - und nur dadurch kann der Klassenteiler legitimiert sein -, muss der Wunsch der übrigen Schüler, in einer kleineren Klasse unterrichtet zu werden, hinter dem Bildungsinteresse des Aufnahme begehrenden Schülers grundsätzlich zurücktreten. Gegen ein „Sicherheitspolster“ bestehen daher jedenfalls dann erhebliche Bedenken, wenn dessen Einrichtung durch den jeweiligen Schulleiter dazu dient, durch kleinere Klassen das Niveau bzw. den Ruf der Schule zu heben (a.A. Lambert/Müller/Sutor, Schulrecht Baden-Württemberg, Stand: Dezember 2008, Anm. 3.2 zu § 76, Kennzahl 13.76, unter Berufung auf VG Karlsruhe, Urteil vom 07.10.1995 - 10 A 2817/95 -).
Auch wenn hierfür im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte bestehen, so ist das Gewicht des Arguments des Erschöpftseins der Aufnahmekapazität doch aus folgenden besonderen Gründen gering: Zum jetzigen Zeitpunkt steht fest, dass weder Abgänge aus den bisherigen fünften Klassen noch weitere Aufnahmewillige neben der Antragstellerin einen der beiden „freien Plätze“ in Anspruch nehmen wollen. Der Antragsgegner trägt selbst vor, alle anderen Bewerber seien vom Schulleiter des Gymnasiums abgelehnt worden. Auch für das kommende Jahr ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Klassenteiler in der Klasse, in die die Antragstellerin Aufnahme begehrt, nicht eingehalten werden kann. Von der Realschule ins Gymnasium wechselnde Schüler werden, da sie in der fünften Klasse allein mit der Fremdsprache Englisch begonnen haben, nicht in eine Klasse mit zusätzlichem grundständigem Lateinunterricht gehen wollen. Denkbar bleibt allein das Zuziehen neuer Schüler, für die das Profil der in Rede stehenden Klasse allein passend erscheint, sowie die Nichtversetzung von Schülern aus der höheren Klasse zum Ende des Schuljahrs. Ersteres ist wenig wahrscheinlich, zumal der Antragsgegner vorträgt, dass die Schüler, die erst in der sechsten Klasse mit der zweiten Fremdsprache beginnen, schon zum Ende dieser Klasse das gleiche Niveau erreichen wie diejenigen, die in der fünften Klasse mit zwei Fremdsprachen begonnen haben. Letzteres wird aller Wahrscheinlichkeit nach jedenfalls zum Teil durch Nichtversetzungen auch in der unteren Klasse ausgeglichen werden. Selbst wenn sich aus diesem Grund in der sechsten Klasse ein geringfügiges Überschreiten des Klassenteilers ergeben sollte, so wäre zum einen das Gewicht des einen von der Antragstellerin begehrten Platzes gering und zum anderen nach ihrem eigenen und im Beschwerdeverfahren glaubhaft gemachten Vortrag dieser Zustand zum Ende des übernächsten Schuljahres auch beendet, da die Antragstellerin, wie nachvollziehbar vorgetragen worden ist, dann die Schule zu verlassen und nach Esslingen zu wechseln beabsichtigt.
Dagegen wiegen die privaten Interessen an der Aufnahme in die begehrte Klasse so schwer, dass sie eine Aufnahme an einer anderen Schule unzumutbar und damit die Aufnahme der Antragstellerin in die von ihr begehrte Klasse als allein mögliches Ergebnis der gebotenen Abwägung erscheinen lassen: Nach § 88 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz SchG besteht ein Anspruch auf Aufnahme in eine bestimmte Schule nur dann nicht, wenn ein Besuch einer anderen Schule desselben Schultyps möglich und zumutbar ist. Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung des Kultusministeriums über die Schultypen des Gymnasiums vom 12.07.2000 (GBl. S. 551, K.u.U. S. 191), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19.12.2002 (GBl. 2003, S. 63, K.u.U. 2003 S. 18) gibt es unter den allgemeinbildenden Gymnasien neben dem naturwissenschaftlichen und dem sprachlich-musischen Schultyp auch eine altsprachliche Prägung eines Gymnasiums. Diese stellt aber nur dann einen eigenständigen Schultyp dar, wenn als erste Fremdsprache ausschließlich Latein und als dritte Fremdsprache Altgriechisch angeboten werden. Dies ist in dem von der Antragstellerin angestrebten ...-Gymnasium in G... nicht der Fall. Daher ist für sie ein Wechsel an eine andere Schule nicht von vornherein unzumutbar. Gleichwohl hat das Bestreben, innerhalb des hier vorliegenden sprachlich-musischen Typs bereits in der fünften Klasse sowohl in Latein als auch in einer modernen Fremdsprache Unterricht zu erhalten, ein besonderes Gewicht. Damit nähert sich der gewünschte Unterricht nämlich in besonderer Weise diesem dritten Schultyp an. Dies ergibt sich daraus, dass neben den 13 Traditionsgymnasien des Landes vom besonderen Schutz des altsprachlichen Typus auch die Gymnasien erfasst sind, die nach dem sogenannten „Biberacher Modell“ unterrichten (Anm. 3 der Erläuterung zur Schultypenverordnung in Lambert/Müller/Sutor, a.a.O., Kennziffer 50.05). Auch das ...-Gymnasium in G... wurde ebenso wie das ...-Gymnasium in E... vom Antragsgegner noch im letzten Schuljahr ausweislich des von der Antragstellerin gegenüber dem Verwaltungsgericht vorgelegten Internet-Ausdrucks diesem Bildungsangebot zugerechnet. Im Rahmen der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes allein möglichen summarischen Prüfung ist davon weiterhin auszugehen. Damit ist das Bildungsangebot der beiden in Rede stehenden Gymnasien, mögen sie auch dem selben Typus angehören, dennoch auch in rechtlicher Hinsicht entgegen dem Vortrag des Antragsgegners nicht identisch. Hinzu kommt im konkreten Fall der Antragstellerin, dass der von ihr angestrebte Bildungsgang bei Aufnahme in die von ihr gewünschte Klasse zumindest erheblich leichter zu realisieren ist. Durch eidesstattliche Versicherung ihres Vaters ist glaubhaft gemacht, dass sie nach der sechsten Klasse an das ...-Gymnasium („Europa-Gymnasium“) in E... wechseln möchte. Dort sind Latein und eine moderne Fremdsprache, im Falle der Antragstellerin Englisch, parallel ab der fünften Klasse obligatorisch. Ob der Antragstellerin ein Wechsel an diese Schule nach der sechsten Klasse nach nur einem Jahr Latein-Unterricht unmöglich wäre, kann dahinstehen, er wäre ihr jedenfalls deutlich erschwert. Denn auch wenn nach dem Bildungsplan 2004 „Allgemein bildendes Gymnasium“ nach dem Vortrag des Antragsgegners schon nach Ende der sechsten Klasse in der zweiten Fremdsprache Latein ein einheitlicher Stand erreicht werden soll, so macht es doch offenkundig einen Unterscheid, ob dieser Standard über zwei Jahre hinweg in insgesamt 9 Wochenstunden (so am ...-Gymnasium) oder in nur einem Jahr bei notwendiger Weise deutlich weniger Wochenstunden zu erwerben ist. Der Wunsch der Antragstellerin nach einem Schulwechsel nach der sechsten Klasse, der im Beschwerdeverfahren betont und verdeutlicht worden ist, erscheint angesichts ihres Alters und der dargestellten Verkehrsanbindung sowohl nach G... als auch über K... nach E... plausibel. Es ist gut nachvollziehbar, dass der knapp 10jährigen Antragstellerin zunächst ein mehrfaches Umsteigen und damit eine Fahrt in das entferntere E... noch nicht zugemutet werden soll, zumal in zwei Jahren neben dem Älterwerden der Antragstellerin auch die berechtigte Hoffnung besteht, dass sich bis dahin die verkehrliche Anbindung nach E... durch Verlängerung der S-Bahn über P... hinaus nach ... verbessern wird.
Insgesamt ergibt eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einem „Sicherheitspolster“ und dem privaten Interesse an der Realisierung eines anderenfalls nur unter deutlich erschwerten Bedingungen zu realisierenden Bildungsganges, dass das private Interesse in einem Maß überwiegt, dass das öffentliche Interesse demgegenüber zurücktreten muss.
Auf andere bei der nach § 88 Abs. 4 Satz 2 SchG gebotenen Ermessensentscheidung zu berücksichtigende Kriterien kommt es nicht an, da diese derzeit nicht (mehr) betroffen sind. Es ist nicht vorgetragen, dass zur Zeit noch eine Auswahlentscheidung zwischen der Antragstellerin und weiteren an einer Aufnahme in das ...-Gymnasium in G... Interessierten zu treffen wäre. Dies ist besonders in Anbetracht der kurzen Frist bis zum Schulbeginn auch im Übrigen nicht anzunehmen. Den Fragen, welches Gewicht möglichen - weiteren - Kriterien jeweils zukommt und weiter, ob die Aufstellung des Kriterienkatalogs wie deren Gewichtung von der die Zuständigkeit des Schulleiters bestimmenden Norm des § 41 Abs. 1 Satz 3 SchG umfasst ist, braucht daher vorliegend nicht nachgegangen zu werden (vgl. dazu etwa Sächs. OVG, Beschluss vom 08.12.2008 - 2 B 316/08 -, juris).
10 
Es ist gleichfalls nicht zu erörtern, ob das Kriterium des „Einzugsgebiets“ angesichts des Verbots, die Aufnahme eines Schülers deshalb abzulehnen, weil er nicht am Schulort wohnt (§ 88 Abs. 4 Satz 1 SchG), und des Umstands, dass bei Wahlschulen wie dem allgemeinbildenden Gymnasium Schulbezirke gesetzlich nicht vorgesehen sind (vgl. Lambert/Müller/Sutor, a.a.O. Anm. 4 zu § 88, Kennziffer 13.88), problematisch erscheinen könnte. Entsprechendes gilt für die Kriterien „Schulweg“ und „Grundschulzugehörigkeit“, auch wenn für sie im Hinblick auf die individuelle Belastung wie auch den allgemein-pädagogisch angemessenen Einstieg in einen neuen Abschnitt schulischer Bildung gute Gründe bestehen.
11 
Anders als das Verwaltungsgericht neigt der Senat dazu, das „Geschwisterkinderprivileg“ bei der Aufnahmeentscheidung als ein mögliches Auswahlkriterium anzusehen. Im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz kann diese Rechtsfrage jedoch nicht geklärt werden. Der Senat lässt daher ausdrücklich offen, ob es sich bei der Berücksichtigung von bereits an der Schule befindlichen Geschwistern um ein unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots geeignetes Kriterium handelt. Hierzu sind vom Antragsgegner, etwa unter Hinweis auf § 55 SchG, beachtliche Gründe vorgetragen. Oberverwaltungsgerichtliche Entscheidungen entsprechen entweder der Position des Antragsgegners (so Sächs. OVG a.a.O.) oder haben die Frage nach einem Gleichheitsverstoß ausdrücklich offen gelassen (Nds. OVG, Beschluss vom 08.10.2003 - 13 ME 343/03 -, NVwZ-RR 2004, 258 f.) und dabei ausdrücklich auf die besonderen örtlichen Verhältnisse Bezug genommen (OVG Bremen, Beschluss vom 04.10.2001 - 1 B 363/01 -, NVwZ 2003, 122 f.), während die vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidungen besondere Einzelfälle betreffen (Verstoß gegen spezielles Landesrecht bei generellem Vorrang von Geschwisterkindern: VG Hamburg, Beschluss vom 24.07.2008 - 15 E 1874/08 -, NVwZ-RR 2009, 208 ff.; kein Aufnahmeanspruch eines Geschwisterkindes bei Erschöpftsein der Aufnahmekapazität: VG Potsdam, Beschluss vom 27.08.2008 - 12 L 403/08 -, juris).
12 
Dagegen kann es, wie der Antragsgegner zutreffend ausführt, auf eine besondere „Eignung“ der Bewerber nicht ankommen. Hier ist entsprechend § 88 Abs. 2 SchG von einer allgemeinen gleichförmigen Eignung aller mit einer Gymnasialempfehlung versehenen Bewerber auszugehen. Einer weiteren Differenzierung steht das Verbot einer positiven Auslese durch die jeweilige Schule gerade bei Beginn eines neuen Bildungsabschnitts entgegen.
13 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 38.4 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004. Der danach anzusetzende Ausgangswert von 5.000,-- EUR ist vorliegend nicht im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu halbieren, weil die Entscheidung über den Eilantrag auf vorläufige Aufnahme der Antragstellerin in das von ihr gewünschte Gymnasium das Hauptsacheverfahren faktisch und für den Zwischenzeitraum bis zu dessen Abschluss auch endgültig vorwegnimmt (ebenso schon Senatsbeschluss vom 15.09.1999 - 9 S 2178/99 -, juris). Der Senat ändert daher auch die Streitwertfestsetzung für das Verfahren des Verwaltungsgerichts gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen, weil keine Gesichtspunkte ersichtlich sind, die für eine Aufrechterhaltung der unterschiedlichen Streitwertfestsetzungen sprechen könnten.
14 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung).

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Ist vor dem Erlass des zugesicherten Verwaltungsaktes die Anhörung Beteiligter oder die Mitwirkung einer anderen Behörde oder eines Ausschusses auf Grund einer Rechtsvorschrift erforderlich, so darf die Zusicherung erst nach Anhörung der Beteiligten oder nach Mitwirkung dieser Behörde oder des Ausschusses gegeben werden.

(2) Auf die Unwirksamkeit der Zusicherung finden, unbeschadet des Absatzes 1 Satz 1, § 44, auf die Heilung von Mängeln bei der Anhörung Beteiligter und der Mitwirkung anderer Behörden oder Ausschüsse § 45 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 sowie Abs. 2, auf die Rücknahme § 48, auf den Widerruf, unbeschadet des Absatzes 3, § 49 entsprechende Anwendung.

(3) Ändert sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden.

Gründe

1

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

Die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, greifen nicht durch. Soweit die Antragstellerinnen zur Begründung der Beschwerde auch - pauschal - auf ihren erstinstanzlichen Vortrag verweisen, genügt dies nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Das in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO normierte Darlegungserfordernis dient dem Zweck, die Oberverwaltungsgerichte durch ein strukturiertes, auf den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts aufbauendes Beschwerdevorbringen zu entlasten und so eine beschleunigte Abwicklung einstweiliger Rechtsschutzverfahren zu ermöglichen. Diese Intention des Gesetzgebers liefe leer, würde es zur Wahrung des Begründungserfordernisses ausreichen, erstinstanzliches Vorbringen lediglich zu wiederholen. Auch von der Sache her kann die in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO geforderte „Auseinandersetzung“ mit der angefochtenen Entscheidung nicht in der Weise stattfinden, dass eine Argumentation unverändert übernommen wird, die noch vor dem Erlass des angegriffenen Beschlusses - und damit notwendig in Unkenntnis seiner Begründung - vorgetragen wurde.

3

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Erlass der von den Antragstellerinnen begehrten einstweiligen Anordnung, welche auf die vorläufige Aufnahme der Antragstellerin zu 1. an das (...-Gymnasium ...) in A-Stadt/S. bzw. die vorläufige Aussetzung des Ergebnisses des für den 10. Mai 2010 vorgesehenen Losverfahrens gerichtet ist, abgelehnt.

4

Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen hat der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 41 Abs. 2a SchulG LSA durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes vom 15. Juli 2008 (GVBl. LSA S. 280) den Schulträgern ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, auf die Bestimmung von Schuleinzugsbereichen zu verzichten und statt dessen Kapazitätsgrenzen für die in § 41 Abs. 2 SchulG LSA genannten weiterführenden Schulen festzusetzen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes: LT-Drucksache 5/998, Seite 14). Mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Bildung von Anfangsklassen und zur Aufnahme an allgemein bildenden Schulen vom 9. April 2010 (GVBl. LSA S. 195, im Folgenden: Aufnahmeverordnung) hat der Verordnungsgeber die Maßstäbe zur Kapazitätsfestsetzung konkretisiert und dort insbesondere in § 4 Abs. 5 auch die Durchführung eines Losverfahrens zur Vergabe der freien Plätze als zulässig angesehen. Die Antragstellerinnen legen nicht dar, aus welchen Gründen diese Verordnung nicht im Rahmen der Verordnungsermächtigungen der §§ 41 Abs. 6 Nr. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1 SchulG LSA erlassen worden sein soll. Auf die Vorschrift des § 41 Abs. 2a SchulG LSA gehen die Antragstellerinnen in der Beschwerdebegründung nicht näher ein.

5

Das Verwaltungsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass in dem Fall, dass wie hier die Antragsgegnerin keine Schuleinzugsbereiche bestimmt, sie bei der Vergabe der freien Plätze sich nicht zwingend an den Kriterien zu orientieren hat, welche bei einer Aufnahmeentscheidung nach § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA von Bedeutung sein können (vgl. hierzu im Einzelnen: Beschl. d. Senates v. 30.12.2008 – 3 M 554/08 – juris m. w. N.). Mit dem Verzicht auf die Einrichtung von Schuleinzugsbereichen wird gerade die örtliche Verbindung zwischen Wohnort und der Schule, an der die Schulpflicht zu erfüllen ist, aufgehoben. Dies ist, wie sich aus der oben zitierten Begründung des Gesetzentwurfes ergibt, vom Gesetzgeber auch ausdrücklich gewünscht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen war die Antragsgegnerin daher nicht zwingend gehalten, sog. Härtefälle und besondere pädagogische Neigungen der Schüler bei einer eventuell notwendigen Auswahlentscheidung ggf. prioritär zu berücksichtigen. Wie sich aus § 4 Abs. 1 Satz 2 der Aufnahmeverordnung ergibt, können im Rahmen des dort eingeräumten Ermessens bei einer Erschöpfung der Aufnahmekapazität ggf. Härtefallgesichtspunkte berücksichtigt werden. Hierüber kann jedoch erst nach Durchführung des hier nur streitigen „innerkapazitären“ Auswahlverfahrens entschieden werden. Eventuell auftretende Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit der Bewältigung des täglichen Schulweges auftreten können, sind ggf. bei der konkreten Ausgestaltung des Beförderungsanspruches nach § 71 Abs. 2 SchulG LSA zu berücksichtigen (vgl. Beschl. d. Senates v. 25.01.2010 - 3 M 479/09 - unter Hinweis auf die als zumutbar bestimmte Beförderungszeit (einfache Wegstrecke) für die Sekundarstufen I und II von 60 Minuten; vgl. hierzu auch SächsOVG, Beschl. v. 03.11.2005 - 2 BS 247/05 - LKV 2006, 326; OVG Lüneburg, Urt. v. 20.02.2002 - 13 L 3502/00 - NVwZ-RR 2002, 580).

6

Das Verwaltungsgericht hat weiter in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass das von der Antragsgegnerin beabsichtigte Auswahlverfahren weder in formeller noch in materieller Hinsicht rechtlich zu beanstanden ist. Die Oberbürgermeisterin der Antragsgegnerin ist entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen für den Erlass von Durchführungsvorschriften für das Auswahlverfahren zur Aufnahme an den Gymnasien zuständig. Zwar gehört die Schulträgerschaft gemäß § 64 Abs. 3 SchulG LSA zum eigenen Wirkungskreis der Schulträger. Dies betrifft allerdings nur die materielle Ausgestaltung der Schulträgerschaft wie sie in § 64 Abs. 1 SchulG LSA bestimmt ist, also die Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Errichtung und Unterhaltung der Schulen. Nimmt - wie hier - der Schulträger Aufgaben im Bereich der Erfüllung der Schulpflicht wahr, wie diese ihm in § 4 Abs. 1 Satz 1 der Aufnahmeverordnung übertragen sind, handelt der Schulträger im Bereich des übertragenen Wirkungskreises. Diese Aufgaben hat die Oberbürgermeisterin der Antragsgegnerin gemäß § 63 Abs. 3 GO LSA in eigener Zuständigkeit zu erledigen.

7

Die Regelungen der Antragsgegnerin über das Auswahlverfahren, wie sie nunmehr in der Verwaltungsvorschrift vom 6. Mai 2010 geregelt sind, begegnen auch unter Bestimmtheitsgesichtspunkten keinen Bedenken. Es ist aus der Systematik der Vorschrift hinreichend erkennbar, dass die Geschwisterkinder im Wege einer „Vorabquote“ (vgl. etwa § 5 HVVO LSA) vorrangig zu berücksichtigen sind. Was unter „Geschwisterkindern“ zu verstehen ist, lässt sich zum einen dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen und ist im Übrigen auch durch allgemeine familienrechtliche Regelungen einer Auslegung hinreichend zugänglich. Gleiches gilt auch für den Begriff der Mehrlingskinder (vgl. § 57 Abs. 6 Nr. 16 PStV).

8

Ferner greift auch die Rüge der Antragstellerinnen nicht durch, dass die Vorschriften über den Ablauf des Losverfahrens nicht ausreichend bestimmt sind. Eine noch detailliertere Regelung des Losverfahrens war nicht geboten. Es liegt prinzipiell im Ermessen der Antragsgegnerin zu bestimmen, ob sie das Losverfahren allein ohne Anwesenheit Dritter oder aber in Gegenwart etwa von Eltern oder sonstigen Zeugen durchführt, weil keine zwingenden rechtlichen Verfahrensvorschriften existieren, die entsprechendes vorschreiben. Er ist allerdings, was sich aus der Natur des Losverfahrens von selbst versteht, gehalten, dieses konkret so zu gestalten, dass es seine Funktion erfüllen kann, unter Ausschaltung jeglichen sonstigen Einflusses ein nur vom Zufall abhängiges Ergebnis herbeizuführen und so jedem Bewerber die gleiche Chance zu bieten. Dazu gehören neben der Übersichtlichkeit des Losvorgangs selbst hinreichende und den Umständen nach angemessene Vorkehrungen allgemein zum Schutz vor Manipulationen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 11.01.2010 - 19 A 3316/08 - juris).

9

Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen bedarf es keiner gesonderten Regelung für Schulplatzbewerber, die sich an mehreren Schulen mit begrenzten Kapazitäten beworben haben, weil die Verwaltungsvorschriften die Auslosung einer Rangfolge auch für Nachrücker vorsehen.

10

Es ist rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass die Vergabe der freien Plätze im Wege einer Vorabquote nach dem Kriterium „Geschwisterkinder“ und nachfolgend nach dem Zufallsprinzip durch ein Losverfahren erfolgt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es der Antragsgegnerin obliegt, in einem Auswahlverfahren unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes ( Art. 3 Abs. 1 GG) nach sachgerechten Kriterien darüber zu entscheiden, welche der Bewerber die freien Plätze erhalten sollen, wenn mehr Bewerber vorhanden als Plätze zu vergeben sind. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, wesentliches Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Das Gleichheitsgrundrecht ist erst verletzt, wenn der Gesetzgeber oder die Verwaltung bei Regelungen, die Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Deshalb sind dem Gestaltungsspielraum des Normgebers bzw. der Verwaltung umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.07.2008 - 1 BvR 3262/07 - u. a., BVerfGE 121, 317, 369 m. w. N.).

11

Die Antragsgegnerin hat somit die sachgerechten Kriterien zu wählen, die - wenn sie an personenbezogene Merkmale des Schülers anknüpfen - sich nach Art und Gewicht für eine Differenzierung eignen oder - wenn sie an Sachverhalte anknüpfen - sich sachlich rechtfertigen lassen. Die Antragsgegnerin kann dabei grundsätzlich unter verschiedenen sachgerechten Kriterien wählen und sich für ein oder mehrere Kriterien entscheiden. Sie kann vorrangige und nachrangige Kriterien bestimmen oder auch Kriterien kombinieren. Dabei müssen allerdings die einzelnen Kriterien, ihre Vor- oder Nachrangigkeit sowie bei einer Kombination die Gewichtung der einzelnen Kriterien klar und nachvollziehbar festliegen (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 08.12.2008 – 2 B 316/08 - juris m. w. n.).

12

Sachgerechte Kriterien neben dem Zufallsprinzip können z. B. auch die Berücksichtigung von Härtefällen, die Länge des Schulweges und auch das Kriterium „Geschwisterkinder“ sind. Auch das Merkmal „Geschwisterkind“ genügt nach Auffassung des Senates noch den Anforderungen des Gleichheitssatzes. Hierbei werden Personengruppen, nämlich Geschwisterkinder und andere Kinder unterschiedlich behandelt. Es wird insoweit aber nicht an personengebundene Merkmale angeknüpft, sondern an den Sachverhalt, dass ein Geschwisterkind bereits an der Schule Aufnahme gefunden hat. Vor dem Hintergrund und der Tatsache, dass die Zuweisung zu einer bestimmten Schule im Gegensatz zur Aufnahme in eine bestimmte Schulart oder einen bestimmten Bildungsgang sowohl für die Verwirklichung des Elternrechts als auch für die Verwirklichung der Ausbildungsfreiheit des Kindes von geringerer Bedeutung ist, ist hier ein eher umfassenderer Maßstab anzulegen. Es ist ausreichend, wenn sich die Differenzierung sachlich rechtfertigen lässt. Die Aufnahme von Geschwisterkindern an eine Schule führt für Eltern, die ihre Kinder mit zur Schule nehmen oder von ihr abholen zu erheblichen Zeiteinsparungen. Darüber hinaus müssen schulische Veranstaltungen, wie Elternsprechtage, nicht doppelt besucht werden. Die Erleichterung der Kontakte der Erziehungsberechtigten zur Schule bietet einen hinreichenden sachlichen Grund, der die unterschiedliche Behandlung rechtfertigt (SächsOVG, Beschl. v. 08.12.2008, a. a. O.)

13

Anhaltspunkte dafür, dass sich unter den vorab zu berücksichtigenden Geschwisterkindern auch Kinder befinden, deren Geschwister dieselbe Schule tatsächlich nicht besuchen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

14

Soweit die Antragstellerinnen rügen, dass die Antragstellerin zu 2. nicht im Rubrum des Beschlusses des Verwaltungsgerichts aufgeführt worden ist und ihr Begehren auch in den Entscheidungsgründen des Beschlusses nicht gewürdigt worden ist, ist sie auf die Möglichkeit der Beschlussergänzung entsprechend § 120 VwGO zu verweisen. Im Übrigen zeigen die Antragstellerinnen auch nicht auf, dass aufgrund der von der Antragstellerin zu 2. erstinstanzlich gestellten Anträge eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG und folgt der erstinstanzlichen Wertfestsetzung.

16

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.