Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 04. Mai 2018 - A 6 K 7906/16

bei uns veröffentlicht am04.05.2018

Tenor

Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. Dezember 2016 verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt neben der Anerkennung als Asylberechtigter die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie - hilfsweise - Abschiebungsschutz.
Die Klägerin ist eine am XXX geborene chinesische Staatsangehörige der Volksgruppe der Han-Chinesen. Nach Ausstellung eines chinesischen Reisepasses sowie eines touristischen Schengen-Visums reiste sie am 20.06.2016 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 06.07.2016 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) Asyl.
Am 18.07.2016 wurde sie zu den Gründen ihres Asylantrages angehört. Sie gab an, in ihrem Herkunftsland als Mitglied der Kirche des Allmächtigen Gottes (nachfolgend: KdAG) verfolgt zu werden. Während sie eine Kundin als Botschafterin ihrer Religion besuchte, habe deren Sohn sie eingesperrt und die Polizei gerufen. Sie sei auf die Polizeistation verbracht und für drei Tage bis zur Bewusstlosigkeit gequält und gefoltert worden. Während eines Gefangenentransportes habe sie dank eines Verkehrsunfalls flüchten, untertauchen und ihre Ausreise in die Bundesrepublik unter Zahlung von 75.000 Yuan vorbereiten können.
Mit Bescheid vom 22.12.2016 lehnte das Bundesamt die Anträge der Klägerin auf Asylanerkennung (Ziffer 2) und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) sowie des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 3) ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4) und drohte der Klägerin für den Fall, dass sie der Ausreiseaufforderung nicht binnen 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens nachkomme, ihre Abschiebung nach China an (Ziffer 5). Ferner befristete das Bundesamt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Schutz wegen einer Verfolgung als Mitglied der KdAG könne die Klägerin nicht beanspruchen, da sie keine begründete Furcht vor Verfolgung oder ernsthaften Schaden glaubhaft gemacht habe. Denn sie habe ein Visum beantragen und aus China ausreisen können, woran sie im Falle einer polizeilichen Fahndung sicherlich gehindert worden wäre. Ihre Schilderungen zur Asylantragsbegründung seien zudem unglaubhaft, da ihre Angaben zu den Orten und Zeitangaben wiederholt widersprüchlich bzw. zu ihren angeblichen Umzügen innerhalb Chinas ungenau gewesen seien. Schließlich habe sie beim Visumantrag nicht ihre offizielle Anschrift, sondern einen Ort angegeben, an dem sie spazieren gegangen sei.
Gegen den Bescheid hat die Klägerin am 28.12.2016 Klage erhoben, sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt und einzelne Fehler der Niederschrift über ihre Anhörung beim Bundesamt aufgelistet. Zur weiteren Begründung hat sie zur Glaubhaftmachung der Repressalien der chinesischen Regierung gegenüber Anhängern der KdAG diverse Berichte nebst deutscher Übersetzung vorgelegt bzw. daraus zitiert. Ferner hat sie ein Bestätigungsschreiben der Vorsitzenden der KdAG – Deutscher Zweig – e.V. vom 18.04.2018 vorgelegt, dem zufolge die Klägerin nach interner Überprüfung ein ordentliches bzw. vollwertiges Mitglied sei, welches regelmäßig an Online-Gottesdiensten teilnehme. In der mündlichen Verhandlung hat sie ihre Schilderungen zu den fluchtauslösenden Umständen und ihrer Glaubenspraxis weiter vertieft.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.12.2016, Aktenzeichen: - XXX -, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat sich zur Klageerwiderung auf die angefochtene Entscheidung bezogen und sich ebenfalls mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf den der Akten des Bundesamts (Az: - XXX -) Bezug genommen. Diese waren ebenso wie die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
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I. Gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO entscheidet das Gericht im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter anstelle der Kammer. Dieser konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
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II. Die zulässige Klage hat bereits mit dem Hauptantrag Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a GG und auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, weil der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.12.2016 zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 04.05.2018 (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) rechtwidrig ist, die Klägerin in ihren Rechten verletzt und die Sache spruchreif ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Der Klägerin steht die Anerkennung als Asylberechtigte zu.
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a) Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt in diesem Sinne ist, wem selbst – in seiner Person – von seinem Heimatstaat gezielt intensive, ihn in seiner Menschenwürde verletzende und ihn aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgrenzende Rechtsverletzungen zugefügt worden sind oder unmittelbar drohen, die in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale, d. h. aus Gründen, die allein in seiner politischen Überzeugung, seiner religiösen Grundentscheidung oder in anderen, für ihn unverfügbaren Merkmalen liegen, welche sein Anderssein prägen, Leib und Leben gefährden oder die persönliche Freiheit besonders beschränken, und ihm zugleich Anlass geben, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage außerhalb seines Heimatlandes Schutz zu suchen. Die Gefahr einer derartigen Verfolgung setzt weiter voraus, dass diese Maßnahmen dem Schutzsuchenden unter Zugrundelegung einer auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichteten Zukunftsprognose mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen oder aber dass sie für ihn nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können, nachdem er in der Vergangenheit bereits politische Verfolgung erlitten hatte. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich der Asylbewerber vielfach befindet, genügt es bei alledem, dass er die Gefahr politischer Verfolgung glaubhaft macht (BVerwG, Urteil vom 16.04.1985 -, 9 C 109.84 -, NVwZ 1985, 658, 660). Dem Asylbewerber obliegt es dabei, unter Angaben genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern (BVerwG, Urteil vom 24.03.1987, - 9 C 321.85 -, NVwZ 1987, 701 und Beschluss vom 26.10.1989, - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38, 39). Das Gericht muss auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit des von einem Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus der er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet (BVerwG, Beschluss vom 21.07.1989, - 9 B 239.89 -, juris).
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Das Gericht muss von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals sowie von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung die volle Überzeugung gewinnen. Es darf jedoch insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.04.1985, - 9 C 109.84 -, a.a.O.).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Begehren der Klägerin nach Anerkennung als Asylberechtigte hier zum Erfolg.
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Es ist glaubhaft, dass chinesische Sicherheitsbehörden alle Angehörigen der KdAG allein wegen ihrer Mitgliedschaft politisch verfolgen (nachfolgend: 1.1.). Die Klägerin selbst geriete im Falle ihrer Rückkehr nach China wegen ihrer religiösen Grundentscheidung bzw. Glaubensbetätigungen für die KdAG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneut in das Visier der Sicherheitskräfte (2.2.). Der Feststellung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit steht hier nicht entgegen, dass sie trotz polizeilicher Fahndung Reisepass sowie Reisevisum besorgen konnte und ihr die Ausreise aus China über den Flughafen gelang (3.3.). Mitglieder der KdAG werden in China auch nicht wegen krimineller Aktivitäten für eine terroristische Vereinigung, sondern wegen ihres Glaubens verfolgt (4.4.). Eine zumutbare inländische Fluchtalternative bietet sich Angehörigen der KdAG in China nicht (5.5.). Art. 16a Abs. 2 GG schließt den Asylanspruch der auf dem Luftweg ins Bundesgebiet eingereisten Angehörigen der KdAG nicht aus (6.6.).
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1.1. Zunächst ist glaubhaft, dass chinesische Sicherheitsbehörden alle Angehörigen der KdAG allein wegen ihrer Mitgliedschaft politisch verfolgen. Unter Berücksichtigung der dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel ist überwiegend wahrscheinlich, dass das Verfolgungsinteresse des chinesischen Staates in China gegenüber vorverfolgt ausgereisten Gläubigen im Falle einer fortgesetzten Glaubensbetätigung noch nicht abgeschlossen ist und ihnen daher erneut Verfolgungsmaßnahmen drohen. Dies ergibt sich aus den inzwischen zahl- und umfangreichen Berichten welche die asylschutzrelevante Lage im Wesentlichen einhellig wie folgt schildern:
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Die chinesischen Geheimhaltungsgesetze erschwerten es außerordentlich, akkurate Informationen zu politisch sensiblen Themen zu erlangen. Demgemäß könnten oft offizielle Angaben zu Überwachungstechniken und -fähigkeiten, zu Strafverfolgungsmaßnahmen in politisch bedeutsamen Fällen, zur Behandlung bestimmter ethnischer Minderheiten sowie zu Verfahren im Zusammenhang mit Einschränkungen der Reisefreiheit Einzelner unmöglich beschafft werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe - „SFH“ -, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse zu China: Eastern Lightning/Church of Almighty God - „Schnellrecherche“ -, 20.01.2017, S. 21).
22 
Die KdAG sei eine junge, chinesische, christlich orientierte Glaubensgemeinschaft. Ihr offizieller Name laute auf Chinesisch „Quánnéng Shén Jiàohuì“ bzw. auf Englisch „Church of the Almighty God“. Sie sei auch bekannt als „Eastern Lightning“ oder „Dongfang Shandian“. „Hohepriester“ Zhao Weishan (auch: „Xu Wenshan“) habe die Glaubensgemeinschaft 1990 in Henan gegründet. Er sei gemeinsam mit Yang Xiangbin, welche für die weibliche Inkarnation Jesu Christi gehalten werde, im September 2000 in die USA geflohen, von wo aus beide ihre Kirche weiterhin führten (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - „BFA“ -, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation CHINA Eastern Lightning/ Quan Neng Shen, 24.11.2016 - „Anfragebeantwortung“ -, S. 1, m.w.N.). Belastbare Mitgliederzahlen lägen nicht vor. Schätzungen bewegten sich zwischen 100.000 und mehreren Millionen Mitgliedern (Auswärtiges Amt - „AA“ -, Allgemeine Anfrage, 20.01.2017, S. 2, m.w.N.). Die chinesische Regierung gehe von ca. vier Millionen Angehörigen aus („Coordination des associations et des particuliers pour la liberté de conscience“, - „CAPLC“ -, „Religious refugees [Church of Almigthy God] from China denied asylum in Europe“, - „KdAG“ -, weitergeleitet durch den Generalsekretär des UN-Menschenrechtsrates an die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 02.02.2018, - A/HRC/37/NGO/16 -, verfügbar am 27.03.2018 unter: http://undocs.org/en/A/HRC/37/NGO/16, S. 2, Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche durch den Berichterstatter, m.w.N.).
23 
Nach der Lehre der KdAG sei Jesus Christus als chinesische Frau auf die Erde zurückgekehrt, um die Menschheit zu richten und das gegenwärtige Zeitalter zu beenden. Die Glaubensgemeinschaft sei in ganz China verbreitet (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 1, m.w.N., Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche durch den Berichterstatter). Die Angehörigen glaubten, der weibliche Christus dehne seine Arbeit mit der Mission die „Natur der Menschheit zu verändern“ („bianhua ren de benxing“) über das Neue Testament hinaus aus, so wie Jesus seine Arbeit über das Alte Testament hinaus ausgeführt habe. Diese Aufgabe werde auch als „Arbeit der Eroberung“ („the work of conquering“ bzw. „zhengfu de zuogong“) oder „Arbeit der Vervollkommnung“ („the work of perfecting“/ „chengquan de zuogong“) bezeichnet (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 3 bis 4, m.w.N.). Nach der Theologie der KdAG lenke jede Aufmerksamkeit auf die derzeitige Verkörperlichung des Allmächtigen Gottes von dem für die Erlösung wesentlichen bzw. einzigen Objekt, d.h. dem geschriebenen Wort, ab, weshalb Angehörige der KdAG den Namen Yang Xiangbin nicht erwähnten und versuchten, einen Personenkult um ihre Person sowie um die des Hohepriesters zu vermeiden (CAPLC, KdAG, 02.02.2018, S. 3, m.w.N.).
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Es gebe eine verbreitete Praxis, nach der Frauen, die älter als 30 Jahre sind, ihr Heim und ihre Familie verließen und als Wanderpredigerinnen in andere Dörfer oder weit entfernte Provinzen reisten, wo sie bei Gastfamilien lebten und missionierten. Damit führe die KdAG die chinesische protestantische Vision der Verbreitung des Evangeliums von Ost nach West und die Aussendung von Missionarinnen und Missionaren ins ganze Land weiter fort (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 8, m.w.N.). Die Missionierung habe in den Texten und in der religiösen Praxis individueller Anhängerinnen und Anhänger der KdAG eine große Bedeutung und spiegele sich im beeindruckenden Wachstum der Bewegung seit ihrer Gründung. Mitglieder verteilten religiöse Schriften an potenzielle Anhängerinnen und Anhänger. Oft enthielten diese Texte anekdotische Berichte von Bekehrungen und Visionen (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 7 bis 8, m.w.N.). Die Schriften der KdAG betonten in starkem Maße die Pflicht zur Selbstaufopferung für Anhängerinnen und Anhänger (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 2, m.w.N.).
25 
Als „Satan“ identifiziere die KdAG die Kommunistische Partei Chinas, die nach den Offenbarungen des Johannes als Großer Roter Drache bezeichnet werde. Der Drache werde durch die zum Kampf gegen ihn aufgerufenen Gläubigen, welche die Gerechten genannt würden, überwunden werden (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 2, m.w.N.). Auf seiner eigenen Homepage bezeichne die KdAG China als das Land, das vom Großen Roten Drachen bewohnt werde und Gott widerstehe und ihn am stärksten verurteile. China gleiche einer Festung der Dämonen und einem undurchdringlichen, wasserdichten Gefängnis, das vom Teufel kontrolliert werde. Die Regierung des Großen Roten Drachens überwache alle Ebenen (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 17, m.w.N.). Die KdAG stehe in offener Feindschaft zur Kommunistischen Partei. Ihre Schriften erklärten wiederholt und unzweideutig, dass China das schmutzigste Land und die Menschen dort am meisten vom Teufel verdorben seien. Die Rückständigkeit und Armut des Landes würden als Beweis für Sündigkeit und Unterlegenheit ausgemacht. Gott habe China als Ort der zweiten Wiederkunft Christi ausgewählt, da die Dunkelheit des Landes den Glanz Christi betone (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 2, m.w.N.). In 22-seitigen Instruktionen hätten die Kirchenoberhäupter im Juni und Juli 2014 gepredigt, dass die Auserwählten bereit sein sollten, ihr Leben zu opfern. Das ultimative Ziel sei, die Kommunistische Partei zu zerstören (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 10, m.w.N.).
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Die chinesische Regierung betrachte die KdAG wegen ihrer Ablehnung der Kommunistischen Partei Chinas als bösartigen Kult („evil cult“) und stufe sie als terroristische Organisation ein. Sie sei daher in China verboten. Die Mitgliedschaft sei gemäß Art. 300 des chinesischen Strafgesetzbuches strafbar. Es komme auf dieser Grundlage immer wieder zu Festnahmen sowie Verurteilungen zu Freiheitsstrafen (AA, Allg. Anfrage, 20.01.2017, S. 2). Schon die Weitergabe von Informationsmaterial könne zu Haftstrafen führen. Als Grund für Einschränkungen und Aktionen gegen Glaubensgemeinschaften würden von der Chinesischen Regierung die „Drei Bösen“ angeführt: Separatismus, Extremismus und Terrorismus (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 17, m.w.N.). Das chinesische Strafgesetzbuch sehe für die aktive Partizipation bei einer verbotenen religiösen Gruppierung eine Gefängnisstrafe von drei bis sieben Jahren ohne Bewährung vor. In besonders schweren Fällen könne das Strafmaß auch auf über sieben Jahre Gefängnis ohne Bewährung angehoben werden. Ein im August 2015 verabschiedeter Zusatz zum Strafgesetzbuch habe die Höchststrafe für das „Organisieren und Benutzen einer Sekte, um die Umsetzung des Gesetzes zu untergraben“ von 15 Jahren Gefängnis auf lebenslänglich erhöht (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 14, m.w.N.).
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Nachdem die KdAG in hochrangigen politischen Entscheidungen als staatliche Bedrohung qualifiziert worden sei, werde sie als illegale Hauskirche drangsaliert und systematisch verfolgt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation China, -„Länderinformation“ - 14.11.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 05.02.2018, S. 35). Chinesische Behörden strebten grundsätzlich ihre Ausmerzung an. Mitglieder der Glaubensgemeinschaft seien Zielscheibe behördlicher Verfolgung geworden, obwohl ihre Aktivitäten keine Gesetze verletzt hätten. Ein Gläubiger könne allein wegen der Weitergabe von Informationsmaterial für Jahre inhaftiert werden. Der chinesische Staat bestrafe nicht nur Kriminelle, sondern generell alle Mitglieder der KdAG (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 22, m.w.N.). Ein Strafverteidiger habe das Vorgehen der Behörden als politisch motiviert bezeichnet. Dem stimme auch das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu, welches die Vorgehensweise der chinesischen Behörden als politische Maßnahme gegen eine ausdrücklich parteikritische Organisation interpretiere (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 14 bis 15, m.w.N.).
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Ihr illegaler Status habe die Mitglieder der KdAG paranoid und geheimnistuerisch werden lassen. Mitglieder würden einander oft nur anhand von Aliasen kennen, damit sie einander nicht gegenseitig beschuldigen könnten, sollten sie von den Behörden festgehalten werden (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 20, m.w.N.). Die KdAG sei im Auftreten weitgehend von einer großen Verschlossenheit geprägt (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 2, m.w.N.). Repressionen durch politische und religiöse Gegner hätten zu einer Radikalisierung geführt, die sich in der heutigen strengeren Lehre niederschlage. Optimistischere Textteile aus der Gründungszeit würden in neueren Übersetzungen ins Englische ausgelassen. Die daraus resultierende Verwegenheit und das Engagement der Anhängerinnen und Anhänger werde von Regierungsbehörden gefürchtet (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 2, m.w.N.).
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Als die Glaubensgemeinschaft im Dezember 2012 angeblich verkündet hätte, der Weltuntergang stünde unmittelbar bevor, seien in insgesamt 16 chinesischen Provinzen 1300 Mitglieder der KdAG verhaftet worden. Sie seien des Verbreitens von Gerüchten und der Schwindelei beschuldigt worden. Die meisten der Verhafteten seien zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. In einem Fall habe das Strafmaß acht Jahre betragen (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 15, m.w.N.).
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Eine weitere Welle der Repression gegen Mitglieder der KdAG sei losgetreten worden, nachdem ein Mordfall in einem McDonald’s-Schnellrestaurant in der Provinz Shandong im Mai 2014 mit der Gruppierung in Verbindung gebracht worden sei. Der Mörder habe seine Tat mit seinem Glauben an einen „Allmächtigen Gott“ gerechtfertigt. In den darauffolgenden Monaten seien fast 1000 Mitglieder der KdAG festgenommen und im August 2014 bereits Haftstrafen gegen mehrere Dutzend von ihnen verhängt worden (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 15, m.w.N.). Als Resultat der Festnahmewelle seien viele Anhänger in den Untergrund gegangen und bei „Gastfamilien“ geblieben (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 23, m.w.N.).
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Es sei „glasklar“, dass die Furcht jedes Angehörigen der KdAG, allein aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft in China verfolgt zu werden, sehr fundiert sei, weil ihn im Falle seiner Entlarvung Festnahme und Gefängnishaft erwartete (CAPLC, KdAG, S. 2 bis 3).
32 
Der Selbstdarstellung der KdAG in ihrem Jahresbericht 2017 zufolge werde sie von der chinesischen Regierung seit ihrer Gründung vor über 20 Jahren brutal unterdrückt und verfolgt. Ihre Mitglieder würden wegen ihrer Treffen und Bekehrungstätigkeiten von der Polizei festgenommen, verurteilt und grausam gefoltert. Die Regierung bediene sich hinterhältiger Methoden zur Verunglimpfung in Fernsehen, Rundfunk, Zeitungen, Internet und anderen Medien sowie willkürlicher Razzien und Wohnungsdurchsuchungen, High-Tech-Überwachungen bzw. -Standortverfolgungen, flächendeckender Schleppnetzfahndungen, groß angelegter geheimer Verhaftungswellen, Bußgelderhebungen, Beschlagnahmungen sowie des Einsatzes von Gewalt und Folter, der teilweise zum Tode führe (The Church of Almighty God, 2017 Annual Report on the Chinese Communist Government’s Persecution of the Church of Almighty God, verfügbar am 11.01.2018 unter: https://www.eifrf-articles.org/attachment/930618/, S. 40 bis 41, Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche durch den Berichterstatter).
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Den eigenen, unvollständigen Statistiken der KdAG zufolge seien zwischen 2011 und 2013 innerhalb von knapp zwei Jahren 380.380 Mitglieder der KdAG wegen ihres Glaubens und ihrer Bekehrungstätigkeiten illegal festgenommen und eingesperrt worden. Von diesen hätten 111.740 Mitglieder gesetzeswidrig Bedrohungen erfahren und Bußgelder in einer Gesamthöhe von ungefähr 243.613.000 Yuan zahlen müssen. Razzien hätten in 35.330 Wohnungen stattgefunden, wobei mindestens 1.000.000.000 Yuan von den Sicherheitsbehörden gewaltsam konfisziert oder vereinnahmt worden seien. 43.640 Personen seien unterschiedlichen Formen der Folter korrupter Gerichte ausgesetzt gewesen. 13 Personen seien allein in diesem Zeitraum getötet worden. Insgesamt existierten bislang 44 gut dokumentierte Fälle, in denen Mitglieder der KdAG von der Kommunistischen Partei getötet worden seien. 2017 habe sich die Unterdrückung der KdAG durch die Kommunistische Partei weiter verschärft (KdAG, Jahresbericht 2017, 11.01.2018, S. 41 und 49).
34 
2.2. Die Klägerin selbst geriete im Falle ihrer Rückkehr nach China wegen ihrer religiösen Grundentscheidung bzw. Glaubensbetätigungen für die KdAG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneut in das Visier der Sicherheitskräfte, nachdem sie deswegen schon vor ihrer Ausreise in asylschutzrelevanter Weise in ihrem Herkunftsland politisch verfolgt worden ist und ihren Glauben auch weiterhin missionarisch betätigt. Hiervon ist das Gericht aufgrund ihrer spontanen und detaillierten Einlassungen während ihrer Anhörungen durch das Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung überzeugt. Ihre Angaben zu den Glaubensinhalten ihrer Gemeinschaft, zu ihrem persönlichen Konversionsprozess, zu ihren Glaubensbetätigungen in China und Deutschland sowie zu den persönlich bzw. von anderen Angehörigen der Glaubensgemeinschaft erlittenen Verfolgungen sind in sich stimmig und korrespondieren mit den Erkenntnissen zur asylrechtsrelevanten Lage in China.
35 
Die Klägerin hat die im Hinblick auf den Inhalt der Niederschrift ihrer Anhörung vor dem Bundesamt insbesondere im Hinblick auf Orts- und Zeitangaben noch verbleibenden Unklarheiten durch ihre persönlichen Einlassungen gegenüber dem Gericht beseitigt, indem sie ihr Schicksal in der mündlichen Verhandlung ruhig und sachlich, zugleich aber lebensnah und detailreich wiedergegeben, auf Nachfragen und Vorhalte natürlich sowie spontan geantwortet und die Geschehnisse weder überzeichnet noch herabgespielt hat.
36 
Sie vermochte bereits in ihrer Anhörung beim Bundesamt die Einzelheiten der aufgrund ihres Glaubens an die KdAG erlittenen Verfolgungshandlungen durch die chinesische Polizei ohne Zögern und widerspruchsfrei darzustellen. Namentlich war sie in der Lage, ihre Konversion unter Beschreibung ihrer Krankheitsgeschichte darzulegen sowie ihre Glaubensinhalte und -praktiken plastisch zu beschreiben. Ihr gelang auch bei Unterbrechungen bzw. auf Nachfrage und Vorhalte eine farbige, prompte und widerspruchsfreie Erzählung der Umstände ihrer Festnahme im Haus einer ehemaligen „Kundin“ und der während der Haft durch die chinesische Polizei erfahrenen körperlichen und seelischen Misshandlungen. Ebenso schlüssig und nachvollziehbar schilderte sie die Umstände der Einzelheiten ihrer Entziehung aus dem Polizeigewahrsam, des Untertauchens bei anderen Angehörigen der KdAG, der Ausreisevorbereitungen und ihrer Glaubensausübung in der Bundesrepublik. Wegen der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf die Niederschrift der Anhörung durch das Bundesamt Bezug genommen.
37 
Soweit die Beklagte die Ablehnung des Asylantrags darauf stützt, dass die Schilderungen der Klägerin zur Asylantragsbegründung unglaubhaft seien, folgt ihr das Gericht nicht.
38 
Der Umstand, dass sich die Klägerin bei ihrer Anhörung in Deutschland nicht mehr spontan an all jene Adressen lückenlos erinnern konnte, an denen sie während ihrer Flucht für kurze Zeit untergetaucht war, trägt nicht die Beweiswürdigung, ihre Verfolgungsgeschichte sei wenig substantiiert und frei erfunden. Schon wegen des Zeitablaufs können im Einzelfall auch bei einer erlebnisbasierten Wiedergabe der Umstände des Untertauchens im Herkunftsland möglicherweise nicht alle Daten lückenlos aus dem Gedächtnis reproduziert werden. Dies gilt erst recht, wenn es sich um Informationen handelt, welche schon deshalb nicht immer zuverlässig im Langzeitgedächtnis gespeichert werden, weil ihnen während der Flucht kaum praktische Bedeutung zukommt. Letzteres trifft auf die diversen Postadressen zu, unter denen jemand – wie hier die Klägerin – in China kurzzeitig aus Verfolgungsfurcht vorübergehend untergetaucht war, ohne – aus begründeter Furcht vor der Entdeckung durch die Sicherheitsbehörden – den Unterschlupf zumindest selten zu verlassen oder von dort aus die Anschrift postalisch verwenden zu können. Vorliegend vermochte die Klägerin gleichwohl ohne zu zögern zu allen drei Adressen zumindest unvollständige Angaben zu machen.
39 
Eine weitergehende Unvollständigkeit oder gar – wie die Beklagte meint – Widersprüchlichkeit der Orts- und Zeitangaben vermochte das Gericht nicht festzustellen. Vor der mündlichen Verhandlung bestanden insofern allenfalls Unklarheiten, die sich im Rahmen der Anhörung der Klägerin zur vollen Überzeugung des Gerichts aufklären ließen.
40 
Denn soweit die Klägerin beim Bundesamt einerseits angegeben hatte, nur bis 2015 als Einzelhandelskauffrau erwerbstätig gewesen zu sein, und andererseits behauptet hatte, noch im Jahr 2016 beim Missionieren der Familie einer Kundin festgenommen worden zu sein, löste sich diese vermeintliche Unstimmigkeit auch ohne diesbezüglichen Vorhalt (der weder in der Begründung des angefochtenen Bescheides noch durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung erfolgte) auf. Die Klägerin schilderte dem Gericht nämlich lebensnah und detailreich, wie sie eine bestimmte Stammkundin seit langem kannte, bevor diese anfing, sich mit ihr über den Tod des Ehemannes, das Alkoholproblem des Sohnes sowie den Glauben an Gott zu unterhalten und sich erst später, d. h. im Frühjahr 2015, erstmals zu einem Glaubensgespräch im privaten Umfeld verabredete, was ab 2015 zwar immer wieder, aber nicht kontinuierlich, und jedenfalls über das Ende der Berufstätigkeit der Klägerin im Oktober 2015 hinaus wiederholt wurde, bevor die Klägerin dann am 25.04.2016 am Wohnsitz der Familie ihrer (ehemaligen) „Kundin“ festgenommen wurde.
41 
Soweit das Gericht der Klägerin vorgehalten hat, sie habe einerseits gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass sie ihr Versteck verlassen habe, um für die Ausreise von ihrer Mutter Geld zu holen, und im Widerspruch hierzu andererseits gegenüber dem Gericht angegeben, ihre Freundin habe das Geld für die Ausreise von einem Bankkonto für sie abgehoben, hat die die Klägerin schlüssig auf den unterschiedlichen, aber nicht widersprüchlichen Sinngehalt ihrer Einlassungen verwiesen. Der Anschein einer Diskrepanz ist zur tatrichterlichen Überzeugung dem jeweiligen Fragenkontext ihrer Antworten geschuldet. Ihre Einlassung gegenüber dem Bundesamt erfolgte nämlich im Zusammenhang mit der Frage, ob sie seit ihrem Untertauchen im November 2015 Kontakt zu ihren Angehörigen gehabt habe, weshalb der Bedeutungskern ihrer Einlassung darin bestand, dass sie ihr Versteck seither nur ausnahmsweise, nämlich nur zur Beschaffung finanzieller Mittel aus dem Elternhaus sowie zur Abholung des Visums in Peking verlassen habe. Auf die genaue Nachfrage des Gerichts nach den Modalitäten der Ausreisevorbereitungen hat sie diese verkürzte Darstellung klarstellend dahingehend ergänzt, dass sie aus dem Elternhaus nur ihre Bankkarte abgeholt habe, damit ihre Freundin sodann damit das Bargeld von ihrem Bankkonto habe abheben können. Hinreichende Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin rechtfertigt ein derart kontextbezogenes, konkretisierendes Antwortverhalten nicht.
42 
Ebenso wenig teilt das Gericht die Schlussfolgerung des Bundesamtes, wonach die Klägerin nicht glaubwürdig sei, weil sie beim Visumantrag nicht ihre offizielle Anschrift, sondern einen Ort angegeben habe, an dem sie spazieren gegangen sei. Es erschließt sich nicht, warum sich eine vorverfolgte und der Haft entflohene Person bei ihren Reisevorbereitungen der Gefahr einer Festnahme aussetzen sollte, indem sie Reiseunterlagen an ihre offizielle Anschrift schicken lässt und von dort abholt.
43 
3.3 Der Feststellung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit steht hier nicht entgegen, dass die Klägerin trotz polizeilicher Fahndung Reisepass sowie Reisevisum besorgen konnte und ihr die Ausreise aus China über den Flughafen gelang.
44 
Soweit das Bundesamt das Gegenteil annimmt, ist ihm zwar zuzugestehen, dass ein chinesischer Staatsangehöriger zur Ausreise einen gültigen Reisepass benötigt, welchen das jeweilige Bezirksamt für öffentliche Sicherheit am Meldewohnort nach Vorlage des Personalausweises und des Haushaltsregisters („Hukou“) sowie nach Zahlung einer Gebühr von ca. 25,- EUR erteilt, und, sofern er für den Zielstaat visumpflichtig ist, auch das entsprechende Visum des Zielstaates. Dabei darf der Erteilung der Reisedokumente keiner der Versagungsgründe des polizeilichen Ermittlungsverfahrens, des laufenden Strafverfahrens, des Strafvollzugs oder des vorherigen Aufenthalts in einer Besserungsanstalt entgegenstehen und auch nicht der Verdacht vorliegen, die Person werde bei Reisen ins Ausland die Sicherheit bzw. Interessen des Staates verraten bzw. sabotieren. Auch erfolgt am Flughafen während der Ein- und Ausreise bei den Passkontrollen eine entsprechende Datenerfassung im System der chinesischen Immigrationsbehörden unter Datenabgleich mit dem aktuellen Fahndungsbestand, sodass eine zur Fahndung ausgeschriebene oder politisch unliebsame Person am Grenzübertritt gehindert wird (Auswärtiges Amt, Lagebericht China, 23.12.2017, S. 29). Deshalb haben Grenzbeamte in der Vergangenheit in verschiedenen Fällen gegenüber chinesischen Bürgerinnen und Bürgern die «Gefährdung der nationalen Sicherheit» als Grund für das Verweigern der Ausreise genannt, nachdem sie Zugang zur Onlinedatenbank des Chinesischen Büros für Öffentliche Sicherheit bzw. Zugriff auf Informationen zu gerichtlich verurteilten oder polizeilich gesuchten Personen hatten und so eine Person, die in der entsprechenden Datenbank erfasst war, beim Versuch der Ausreise identifizieren konnten (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 19 bis 20).
45 
Gegen das Argument, dass eine legale Ausreise einer beachtlichen Verfolgungsgefahr entgegenstehe, spricht jedoch, dass die chinesische Grenzüberwachung am Flughafen nicht unfehlbar ist und erhobene Daten nicht zwangsläufig von einer Stelle an die nächste weitergeleitet werden (United Nations Human Rights Council, - „UNHRC“ -, 12.04.2018, Universal Periodic Review Germany, - „Germany Review“ -, S. 9, Übersetzung durch den Berichterstatter). Zudem ist die Herstellung oder Beschaffung gefälschter oder formal echter, aber inhaltlich unwahrer Dokumente verschiedenster Art seit langem ohne besondere Schwierigkeiten in ganz China möglich. Die überwiegende Anzahl der bislang der Deutschen Botschaft in Peking von deutschen Behörden oder Gerichten im Zusammenhang mit Asylverfahren vorgelegten amtlichen Dokumente waren gefälscht. Immer wieder tauchen verfälschte chinesische Reisepässe auf, die mit gefälschten oder rechtswidrig erlangten Visa sowie gefälschten Ein- und Ausreisestempeln versehen sind (vgl. AA, Lagebericht China, 23.12.2017, S. 28 f.). Von falschen oder gefälschten Dokumenten wird zu vielfältigen Zwecken Gebrauch gemacht. Nach Einschätzung internationaler Dokumentenexperten arbeiten in China die meisten und die besten Fälscherwerkstätten weltweit. Viele verfügen über neueste Technik (BFA, Länderinformation, 14.11.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 05.02.2018, S. 55). Schließlich ist trotz der diesbezüglichen Kampagnen der Regierung Xi Jinpings die Korruption auf allen Ebenen der Beamtenschaft einschließlich der stark von der Regierung regulierten Bereiche und auch im Bereich der öffentlichen Sicherheit weiterhin weit verbreitet (BFA, Länderinformation, 14.11.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 05.02.2018, S. 21).
46 
In Anbetracht all dessen trägt die Feststellung der ungehinderten Ausreise über den Flughafen nicht ohne Weiteres die Schlussfolgerung, ein Asylbewerber sei zu diesem Zeitpunkt nicht verfolgt worden. Ebenso denkbar ist, dass sein Name noch nicht von den lokalen Polizeibehörden in die landesweiten Fahndungslisten eingetragen oder schon wieder von ihnen gelöscht worden war oder die von ihm verwendeten Reisedokumente gefälscht oder inhaltlich unwahr waren. Die Klägerin gab insoweit gegenüber Bundesamt und Gericht jeweils an, sie habe ihrer Freundin für die Reisevorbereitung 70.000 bis 75.000 Yuan (bzw. knapp 10.000,- EUR) zur Verfügung gestellt. Kosten in der genannten Höhe lassen auf eine illegale Ausreise mit teuer erschlichenen Papieren bzw. mittels Schlepper schließen, weil sie ungefähr das nach den glaubhaften Angaben der Klägerin Siebenfache der 2016 normalen Aufwendungen für Hin- und Rückflugtickets nebst Gebühren für Pass- und Visumbeschaffung darstellen.
47 
Ungeachtet dessen deuten die bereits erlittenen Verfolgungsmaßnahmen jedenfalls nach dem Maßstab der hinreichenden Sicherheit bzw. der für die Klägerin streitenden tatsächlichen Vermutung auf eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen bzw. Bedrohungen in ihrem Heimatland hin, wenn sie - wie erwartet - ihre missionarischen Glaubensbetätigungen fortsetzt. Ein Verzicht hierauf kann der Klägerin nicht zugemutet werden, weil ihnen den tatrichterlichen Feststellungen zufolge nach ihrem Glaubensverständnis ein für sie identitätsbestimmender Charakter zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 05.09.2012, - C-71/11 - und - C-99/11 - jeweils in juris).
48 
4.4. Mitglieder der KdAG werden in China auch nicht wegen krimineller Aktivitäten für eine terroristische Vereinigung, sondern wegen ihres Glaubens verfolgt. Den Ergebnissen der zu dieser Frage eigens unter Mitwirkung chinesischer Regierungsstellen angefertigten Untersuchungen im Bereich der sog. Neuen Religiösen Bewegungen führender westlicher Wissenschaftler zufolge handelt es sich bei den Anschuldigungen der Sicherheitsbehörden gegenüber der KdAG nämlich um staatliche Propaganda, deren Wahrheitsgehalt sich nicht belegen lasse (CAPLC, KdAG, 02.02.2018, S. 3, m.w.N.).
49 
Wegen der Unvereinbarkeit der Lehren der KdAG mit der Ideologie der Volksrepublik China habe die Verfolgung ihrer Angehörigen bereits mehrere Jahre vor den vermeintlich religiös motivierten Straftaten ihrer Anhänger begonnen (UNHRC, 12.04.2018, Germany Review, S. 9).
50 
Die Chinesische Polizei habe Material veröffentlicht, um christliche Priester vor den Aktivitäten der KdAG zu warnen. In einem Video sei die KdAG als klassisches Beispiel eines bösen Kults bezeichnet worden, der den Namen einer religiösen Imitation annehme, um Aktionen zu setzen, die für andere schädlich seien. Es sei der Gruppe vorgeworfen worden, Lügen zu verbreiten, Geld zu erschwindeln, Leben zu gefährden, die Öffentlichkeit zu betrügen, die Regierung anzugreifen und die soziale Stabilität zu untergraben. Auch in einem von der Chinesischen Polizei produzierten Video sei vor der Gruppe gewarnt worden. Es sei behauptet worden, dass Zhao 1987 zuerst Mitglied einer radikalen religiösen Bewegung – bekannt als die „Rufer“ – gewesen sei. Es werde erklärt, dass er dort seine Kenntnisse der religiösen Betrügereien verbessert habe, bevor er 1989 eine neue Bewegung mit sich selbst als Objekt der Verehrung gegründet habe (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 20, m.w.N.).
51 
Die Anschuldigungen der christlichen Hauskirche „China Gospel Fellowship“ (CGF) und anderer, der KdAG feindlich gesinnter Quellen, wonach Angehörige der KdAG im Jahr 2002 insgesamt 34 Pfarrer und Laienprediger der CGF entführt (und einer Gehirnwäsche unterzogen) hätten, seien nach Sammlung und Auswertung der zur Verfügung gestellten Unterlagen als „in hohem Maße unglaubhaft“ einzuschätzen (UNHRC, 12.04.2018, Germany Review, S. 5, m.w.N.).
52 
Die weitere Anschuldigung, wonach die KdAG für 2012 den Weltuntergang vorhergesagt und damit Unruhen sowie Straftaten in China verursacht habe, stehe im Widerspruch zur ausdrücklichen Distanzierung der Autoritäten der KdAG selbst von (den Mayas zugeschriebenen) Weltuntergangstheorien, sowie zu deren Bezichtigung regierungsnaher Organisationen, zum Beleg der wahrheitswidrigen Anschuldigungen verfälschte Flyer und Broschüren der KdAG verbreitet zu haben (UNHRC, 12.04.2018, Germany Review, S. 5, m.w.N.).
53 
Die am 28.05.2014 in einem McDonald’s-Schnellrestaurant von sechs missionierenden Gläubigen gemeinschaftlich verübte Tötung, die Anlass einer weiteren Repressionswelle gewesen sei, sei tatsächlich nicht durch ein Mitglieder der KdAG, sondern durch mehrere Mitglieder einer winzigen religiösen Bewegung erfolgt, welche die Bezeichnung „Allmächtiger Gott“ ebenfalls benutzt habe, um ihre beiden weiblichen Führungsfiguren zu bezeichnen (Massimo Introvigne: „Cruel Killing, Brutal Killing, Kill the Beast“: Investigating the 2014 McDonald’s „Cult Murder“ in Zhaoyuan“, in: The Journal of CESNUR, 2017-Volume 1-Issue 1, Seite 61 bis 73, Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche durch den Berichterstatter).
54 
Entgegen den späteren Anschuldigungen seitens der Regierung seien (selbst den polizeilichen Ermittlungsergebnissen der chinesischen Behörden zufolge) am 24.08.2013 die Augen des zuvor von seiner Tante entführten und anschließend getöteten sechs-jährigen Jungen Guo Xiaobin gerade nicht von einem Mitglied der KdAG ausgestochen worden, sondern dieser Gemeinschaft nur zugeschrieben worden, um ihre Verfolgung weiter zu rechtfertigen (Holly Folk, „Cult Crimes“ and Fake News: Eye-Gouging in Shanxi“, in: The Journal of CESNUR, 2017 - Volume 1 - Issue 2, Seite 96 bis 109, Übersetzung aus dem Englischen durch den Berichterstatter).
55 
Obgleich wissenschaftliche Untersuchungen renommierter westlicher Akademiker die von der chinesischen Regierung wegen des „McDonald’s Cult Murder“ gegenüber der KdAG erhobenen Anschuldigungen sowie weitere Gerüchte (später) jeweils als ungeheuerliche Beispiele von Fake News zur Diskreditierung der KdAG entlarvt hätten, seien diese von westlichen Medien verbreitet worden (CAPLC, KdAG, S. 2).
56 
5.5. Eine zumutbare inländische Fluchtalternative bietet sich Angehörigen der KdAG in China nicht.
57 
Wer von nur regionaler politischer Verfolgung betroffen war bzw. ist, ist erst dann als verfolgt bzw. vorverfolgt anzusehen, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der Fall, wenn er in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht nicht finden kann. Eine solche inländische Fluchtalternative besteht, wenn er in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm dort auch keine anderen Nachteile drohen, die ihrer Intensität und Schwere nach einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung gleichkommen, wobei das Fehlen des wirtschaftlichen Existenzminimums nur dann für den Asylbewerber erheblich ist, wenn seine Notlage verfolgungsbedingt ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10.07.1989, - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315, 334 ff. und vom 23.01.1991, - 2 BvR 902/85 u.a. -, DVBI. 1991, 531; BVerwG, Urteile vom 15.05.1990, - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139, 140 f., vom 20.11.1990, - 9 C 74.90 -, InfAusIR 1991, 145, vom 09.09.1997, - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204, 211 ff.).
58 
Es ist glaubhaft, dass politisch unliebsame Personen innerhalb Chinas nicht untertauchen können. Den einschlägigen Berichten zufolge werden Mitglieder der KdAG in ganz China verfolgt. Unter Umständen werde diese Praxis von lokalen Behördenvertretern zwar unterschiedlich gehandhabt (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 15, m.w.N.). Denn wegen der Größe des Landes und der historisch überkommenen Strukturen seien Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich ausgeprägt, weshalb staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig aufträten. Daher könne es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. Allerdings sei ein Umzug von in der Volksrepublik China lebenden Chinesen in einen anderen Landesteil durch die restriktive Registrierungspraxis („Hukou“-System) nur schwer möglich (Verlust des Zugangs zu Bildung und Sozialleistungen). Für Personen aus ländlichen Gebieten sei es schwierig, legal in eine Stadt überzusiedeln. Insbesondere für aus politischen Gründen Verfolgte gebe es keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA, Lagebericht China, 23.12.2017, S. 22). Angehörige der KdAG könnten sich nach ihrer Identifizierung als solche über Jahre hinweg ihrer Gefangennahme nur entziehen, wenn sie beständig von einer Stadt oder einem Dorf ins nächste weiterzögen und sich mithilfe der Netzwerke der Mitgläubigen im Untergrund in ununterbrochener Furcht vor Festnahme versteckten (UNHRC, 12.04.2018, Germany Review, S. 8). Dergleichen kann ihnen aber nicht zugemutet werden (Vgl. EuGH, Urteil vom 05.09.2012, - C-71/11 - und - C-99/11 - jeweils in juris).
59 
6.6. Art. 16a Abs. 2 GG schließt den Asylanspruch der auf dem Luftweg ins Bundesgebiet eingereisten Angehörigen der KdAG nicht aus, da sie weder über einen Mitgliedstaat der Europäischen Union noch über einen in Anlage I AsylG bezeichneten Staat in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist.
60 
Nach alldem ist die Klage im Hinblick auf die Geltendmachung der Asylanerkennung begründet.
61 
2. Daneben kann die Klägerin auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG beanspruchen.
62 
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge – Genfer Flüchtlingskonvention –, wenn er sich (Nr. 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 2) außerhalb des Landes befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. In den Fällen der § 3 Abs. 2, 3 und 4 Halbs. 2 AsylG ist der Flüchtlingsschutz dagegen ausgeschlossen.
63 
Hier steht der Klägerin im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zu, weil sie – wie sich aus den Ausführungen zur Asylberechtigung ergibt – bereits wegen eines flüchtlingsrelevanten Merkmals in Gestalt ihres Glaubens an die KdAG in China verfolgt wurde und bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit gleichartiger Verfolgung ohne Ausweichmöglichkeit zu rechnen hätte.
64 
3. Über den auf Feststellung der Voraussetzungen des Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG gerichteten Hilfsantrag ist nicht (mehr) zu entscheiden, da die Klage bereits mit dem auf die Gewährung von Asyl und die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz gerichteten Hauptantrag erfolgreich ist.
65 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
66 
Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
67 
Das Gericht hat keine Veranlassung, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
13 
I. Gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO entscheidet das Gericht im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter anstelle der Kammer. Dieser konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
14 
II. Die zulässige Klage hat bereits mit dem Hauptantrag Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a GG und auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, weil der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.12.2016 zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 04.05.2018 (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) rechtwidrig ist, die Klägerin in ihren Rechten verletzt und die Sache spruchreif ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
15 
1. Der Klägerin steht die Anerkennung als Asylberechtigte zu.
16 
a) Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt in diesem Sinne ist, wem selbst – in seiner Person – von seinem Heimatstaat gezielt intensive, ihn in seiner Menschenwürde verletzende und ihn aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgrenzende Rechtsverletzungen zugefügt worden sind oder unmittelbar drohen, die in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale, d. h. aus Gründen, die allein in seiner politischen Überzeugung, seiner religiösen Grundentscheidung oder in anderen, für ihn unverfügbaren Merkmalen liegen, welche sein Anderssein prägen, Leib und Leben gefährden oder die persönliche Freiheit besonders beschränken, und ihm zugleich Anlass geben, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage außerhalb seines Heimatlandes Schutz zu suchen. Die Gefahr einer derartigen Verfolgung setzt weiter voraus, dass diese Maßnahmen dem Schutzsuchenden unter Zugrundelegung einer auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichteten Zukunftsprognose mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen oder aber dass sie für ihn nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können, nachdem er in der Vergangenheit bereits politische Verfolgung erlitten hatte. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich der Asylbewerber vielfach befindet, genügt es bei alledem, dass er die Gefahr politischer Verfolgung glaubhaft macht (BVerwG, Urteil vom 16.04.1985 -, 9 C 109.84 -, NVwZ 1985, 658, 660). Dem Asylbewerber obliegt es dabei, unter Angaben genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern (BVerwG, Urteil vom 24.03.1987, - 9 C 321.85 -, NVwZ 1987, 701 und Beschluss vom 26.10.1989, - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38, 39). Das Gericht muss auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit des von einem Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus der er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet (BVerwG, Beschluss vom 21.07.1989, - 9 B 239.89 -, juris).
17 
Das Gericht muss von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals sowie von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung die volle Überzeugung gewinnen. Es darf jedoch insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.04.1985, - 9 C 109.84 -, a.a.O.).
18 
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Begehren der Klägerin nach Anerkennung als Asylberechtigte hier zum Erfolg.
19 
Es ist glaubhaft, dass chinesische Sicherheitsbehörden alle Angehörigen der KdAG allein wegen ihrer Mitgliedschaft politisch verfolgen (nachfolgend: 1.1.). Die Klägerin selbst geriete im Falle ihrer Rückkehr nach China wegen ihrer religiösen Grundentscheidung bzw. Glaubensbetätigungen für die KdAG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneut in das Visier der Sicherheitskräfte (2.2.). Der Feststellung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit steht hier nicht entgegen, dass sie trotz polizeilicher Fahndung Reisepass sowie Reisevisum besorgen konnte und ihr die Ausreise aus China über den Flughafen gelang (3.3.). Mitglieder der KdAG werden in China auch nicht wegen krimineller Aktivitäten für eine terroristische Vereinigung, sondern wegen ihres Glaubens verfolgt (4.4.). Eine zumutbare inländische Fluchtalternative bietet sich Angehörigen der KdAG in China nicht (5.5.). Art. 16a Abs. 2 GG schließt den Asylanspruch der auf dem Luftweg ins Bundesgebiet eingereisten Angehörigen der KdAG nicht aus (6.6.).
20 
1.1. Zunächst ist glaubhaft, dass chinesische Sicherheitsbehörden alle Angehörigen der KdAG allein wegen ihrer Mitgliedschaft politisch verfolgen. Unter Berücksichtigung der dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel ist überwiegend wahrscheinlich, dass das Verfolgungsinteresse des chinesischen Staates in China gegenüber vorverfolgt ausgereisten Gläubigen im Falle einer fortgesetzten Glaubensbetätigung noch nicht abgeschlossen ist und ihnen daher erneut Verfolgungsmaßnahmen drohen. Dies ergibt sich aus den inzwischen zahl- und umfangreichen Berichten welche die asylschutzrelevante Lage im Wesentlichen einhellig wie folgt schildern:
21 
Die chinesischen Geheimhaltungsgesetze erschwerten es außerordentlich, akkurate Informationen zu politisch sensiblen Themen zu erlangen. Demgemäß könnten oft offizielle Angaben zu Überwachungstechniken und -fähigkeiten, zu Strafverfolgungsmaßnahmen in politisch bedeutsamen Fällen, zur Behandlung bestimmter ethnischer Minderheiten sowie zu Verfahren im Zusammenhang mit Einschränkungen der Reisefreiheit Einzelner unmöglich beschafft werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe - „SFH“ -, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse zu China: Eastern Lightning/Church of Almighty God - „Schnellrecherche“ -, 20.01.2017, S. 21).
22 
Die KdAG sei eine junge, chinesische, christlich orientierte Glaubensgemeinschaft. Ihr offizieller Name laute auf Chinesisch „Quánnéng Shén Jiàohuì“ bzw. auf Englisch „Church of the Almighty God“. Sie sei auch bekannt als „Eastern Lightning“ oder „Dongfang Shandian“. „Hohepriester“ Zhao Weishan (auch: „Xu Wenshan“) habe die Glaubensgemeinschaft 1990 in Henan gegründet. Er sei gemeinsam mit Yang Xiangbin, welche für die weibliche Inkarnation Jesu Christi gehalten werde, im September 2000 in die USA geflohen, von wo aus beide ihre Kirche weiterhin führten (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - „BFA“ -, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation CHINA Eastern Lightning/ Quan Neng Shen, 24.11.2016 - „Anfragebeantwortung“ -, S. 1, m.w.N.). Belastbare Mitgliederzahlen lägen nicht vor. Schätzungen bewegten sich zwischen 100.000 und mehreren Millionen Mitgliedern (Auswärtiges Amt - „AA“ -, Allgemeine Anfrage, 20.01.2017, S. 2, m.w.N.). Die chinesische Regierung gehe von ca. vier Millionen Angehörigen aus („Coordination des associations et des particuliers pour la liberté de conscience“, - „CAPLC“ -, „Religious refugees [Church of Almigthy God] from China denied asylum in Europe“, - „KdAG“ -, weitergeleitet durch den Generalsekretär des UN-Menschenrechtsrates an die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 02.02.2018, - A/HRC/37/NGO/16 -, verfügbar am 27.03.2018 unter: http://undocs.org/en/A/HRC/37/NGO/16, S. 2, Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche durch den Berichterstatter, m.w.N.).
23 
Nach der Lehre der KdAG sei Jesus Christus als chinesische Frau auf die Erde zurückgekehrt, um die Menschheit zu richten und das gegenwärtige Zeitalter zu beenden. Die Glaubensgemeinschaft sei in ganz China verbreitet (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 1, m.w.N., Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche durch den Berichterstatter). Die Angehörigen glaubten, der weibliche Christus dehne seine Arbeit mit der Mission die „Natur der Menschheit zu verändern“ („bianhua ren de benxing“) über das Neue Testament hinaus aus, so wie Jesus seine Arbeit über das Alte Testament hinaus ausgeführt habe. Diese Aufgabe werde auch als „Arbeit der Eroberung“ („the work of conquering“ bzw. „zhengfu de zuogong“) oder „Arbeit der Vervollkommnung“ („the work of perfecting“/ „chengquan de zuogong“) bezeichnet (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 3 bis 4, m.w.N.). Nach der Theologie der KdAG lenke jede Aufmerksamkeit auf die derzeitige Verkörperlichung des Allmächtigen Gottes von dem für die Erlösung wesentlichen bzw. einzigen Objekt, d.h. dem geschriebenen Wort, ab, weshalb Angehörige der KdAG den Namen Yang Xiangbin nicht erwähnten und versuchten, einen Personenkult um ihre Person sowie um die des Hohepriesters zu vermeiden (CAPLC, KdAG, 02.02.2018, S. 3, m.w.N.).
24 
Es gebe eine verbreitete Praxis, nach der Frauen, die älter als 30 Jahre sind, ihr Heim und ihre Familie verließen und als Wanderpredigerinnen in andere Dörfer oder weit entfernte Provinzen reisten, wo sie bei Gastfamilien lebten und missionierten. Damit führe die KdAG die chinesische protestantische Vision der Verbreitung des Evangeliums von Ost nach West und die Aussendung von Missionarinnen und Missionaren ins ganze Land weiter fort (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 8, m.w.N.). Die Missionierung habe in den Texten und in der religiösen Praxis individueller Anhängerinnen und Anhänger der KdAG eine große Bedeutung und spiegele sich im beeindruckenden Wachstum der Bewegung seit ihrer Gründung. Mitglieder verteilten religiöse Schriften an potenzielle Anhängerinnen und Anhänger. Oft enthielten diese Texte anekdotische Berichte von Bekehrungen und Visionen (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 7 bis 8, m.w.N.). Die Schriften der KdAG betonten in starkem Maße die Pflicht zur Selbstaufopferung für Anhängerinnen und Anhänger (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 2, m.w.N.).
25 
Als „Satan“ identifiziere die KdAG die Kommunistische Partei Chinas, die nach den Offenbarungen des Johannes als Großer Roter Drache bezeichnet werde. Der Drache werde durch die zum Kampf gegen ihn aufgerufenen Gläubigen, welche die Gerechten genannt würden, überwunden werden (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 2, m.w.N.). Auf seiner eigenen Homepage bezeichne die KdAG China als das Land, das vom Großen Roten Drachen bewohnt werde und Gott widerstehe und ihn am stärksten verurteile. China gleiche einer Festung der Dämonen und einem undurchdringlichen, wasserdichten Gefängnis, das vom Teufel kontrolliert werde. Die Regierung des Großen Roten Drachens überwache alle Ebenen (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 17, m.w.N.). Die KdAG stehe in offener Feindschaft zur Kommunistischen Partei. Ihre Schriften erklärten wiederholt und unzweideutig, dass China das schmutzigste Land und die Menschen dort am meisten vom Teufel verdorben seien. Die Rückständigkeit und Armut des Landes würden als Beweis für Sündigkeit und Unterlegenheit ausgemacht. Gott habe China als Ort der zweiten Wiederkunft Christi ausgewählt, da die Dunkelheit des Landes den Glanz Christi betone (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 2, m.w.N.). In 22-seitigen Instruktionen hätten die Kirchenoberhäupter im Juni und Juli 2014 gepredigt, dass die Auserwählten bereit sein sollten, ihr Leben zu opfern. Das ultimative Ziel sei, die Kommunistische Partei zu zerstören (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 10, m.w.N.).
26 
Die chinesische Regierung betrachte die KdAG wegen ihrer Ablehnung der Kommunistischen Partei Chinas als bösartigen Kult („evil cult“) und stufe sie als terroristische Organisation ein. Sie sei daher in China verboten. Die Mitgliedschaft sei gemäß Art. 300 des chinesischen Strafgesetzbuches strafbar. Es komme auf dieser Grundlage immer wieder zu Festnahmen sowie Verurteilungen zu Freiheitsstrafen (AA, Allg. Anfrage, 20.01.2017, S. 2). Schon die Weitergabe von Informationsmaterial könne zu Haftstrafen führen. Als Grund für Einschränkungen und Aktionen gegen Glaubensgemeinschaften würden von der Chinesischen Regierung die „Drei Bösen“ angeführt: Separatismus, Extremismus und Terrorismus (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 17, m.w.N.). Das chinesische Strafgesetzbuch sehe für die aktive Partizipation bei einer verbotenen religiösen Gruppierung eine Gefängnisstrafe von drei bis sieben Jahren ohne Bewährung vor. In besonders schweren Fällen könne das Strafmaß auch auf über sieben Jahre Gefängnis ohne Bewährung angehoben werden. Ein im August 2015 verabschiedeter Zusatz zum Strafgesetzbuch habe die Höchststrafe für das „Organisieren und Benutzen einer Sekte, um die Umsetzung des Gesetzes zu untergraben“ von 15 Jahren Gefängnis auf lebenslänglich erhöht (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 14, m.w.N.).
27 
Nachdem die KdAG in hochrangigen politischen Entscheidungen als staatliche Bedrohung qualifiziert worden sei, werde sie als illegale Hauskirche drangsaliert und systematisch verfolgt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation China, -„Länderinformation“ - 14.11.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 05.02.2018, S. 35). Chinesische Behörden strebten grundsätzlich ihre Ausmerzung an. Mitglieder der Glaubensgemeinschaft seien Zielscheibe behördlicher Verfolgung geworden, obwohl ihre Aktivitäten keine Gesetze verletzt hätten. Ein Gläubiger könne allein wegen der Weitergabe von Informationsmaterial für Jahre inhaftiert werden. Der chinesische Staat bestrafe nicht nur Kriminelle, sondern generell alle Mitglieder der KdAG (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 22, m.w.N.). Ein Strafverteidiger habe das Vorgehen der Behörden als politisch motiviert bezeichnet. Dem stimme auch das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu, welches die Vorgehensweise der chinesischen Behörden als politische Maßnahme gegen eine ausdrücklich parteikritische Organisation interpretiere (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 14 bis 15, m.w.N.).
28 
Ihr illegaler Status habe die Mitglieder der KdAG paranoid und geheimnistuerisch werden lassen. Mitglieder würden einander oft nur anhand von Aliasen kennen, damit sie einander nicht gegenseitig beschuldigen könnten, sollten sie von den Behörden festgehalten werden (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 20, m.w.N.). Die KdAG sei im Auftreten weitgehend von einer großen Verschlossenheit geprägt (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 2, m.w.N.). Repressionen durch politische und religiöse Gegner hätten zu einer Radikalisierung geführt, die sich in der heutigen strengeren Lehre niederschlage. Optimistischere Textteile aus der Gründungszeit würden in neueren Übersetzungen ins Englische ausgelassen. Die daraus resultierende Verwegenheit und das Engagement der Anhängerinnen und Anhänger werde von Regierungsbehörden gefürchtet (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 2, m.w.N.).
29 
Als die Glaubensgemeinschaft im Dezember 2012 angeblich verkündet hätte, der Weltuntergang stünde unmittelbar bevor, seien in insgesamt 16 chinesischen Provinzen 1300 Mitglieder der KdAG verhaftet worden. Sie seien des Verbreitens von Gerüchten und der Schwindelei beschuldigt worden. Die meisten der Verhafteten seien zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. In einem Fall habe das Strafmaß acht Jahre betragen (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 15, m.w.N.).
30 
Eine weitere Welle der Repression gegen Mitglieder der KdAG sei losgetreten worden, nachdem ein Mordfall in einem McDonald’s-Schnellrestaurant in der Provinz Shandong im Mai 2014 mit der Gruppierung in Verbindung gebracht worden sei. Der Mörder habe seine Tat mit seinem Glauben an einen „Allmächtigen Gott“ gerechtfertigt. In den darauffolgenden Monaten seien fast 1000 Mitglieder der KdAG festgenommen und im August 2014 bereits Haftstrafen gegen mehrere Dutzend von ihnen verhängt worden (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 15, m.w.N.). Als Resultat der Festnahmewelle seien viele Anhänger in den Untergrund gegangen und bei „Gastfamilien“ geblieben (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 23, m.w.N.).
31 
Es sei „glasklar“, dass die Furcht jedes Angehörigen der KdAG, allein aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft in China verfolgt zu werden, sehr fundiert sei, weil ihn im Falle seiner Entlarvung Festnahme und Gefängnishaft erwartete (CAPLC, KdAG, S. 2 bis 3).
32 
Der Selbstdarstellung der KdAG in ihrem Jahresbericht 2017 zufolge werde sie von der chinesischen Regierung seit ihrer Gründung vor über 20 Jahren brutal unterdrückt und verfolgt. Ihre Mitglieder würden wegen ihrer Treffen und Bekehrungstätigkeiten von der Polizei festgenommen, verurteilt und grausam gefoltert. Die Regierung bediene sich hinterhältiger Methoden zur Verunglimpfung in Fernsehen, Rundfunk, Zeitungen, Internet und anderen Medien sowie willkürlicher Razzien und Wohnungsdurchsuchungen, High-Tech-Überwachungen bzw. -Standortverfolgungen, flächendeckender Schleppnetzfahndungen, groß angelegter geheimer Verhaftungswellen, Bußgelderhebungen, Beschlagnahmungen sowie des Einsatzes von Gewalt und Folter, der teilweise zum Tode führe (The Church of Almighty God, 2017 Annual Report on the Chinese Communist Government’s Persecution of the Church of Almighty God, verfügbar am 11.01.2018 unter: https://www.eifrf-articles.org/attachment/930618/, S. 40 bis 41, Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche durch den Berichterstatter).
33 
Den eigenen, unvollständigen Statistiken der KdAG zufolge seien zwischen 2011 und 2013 innerhalb von knapp zwei Jahren 380.380 Mitglieder der KdAG wegen ihres Glaubens und ihrer Bekehrungstätigkeiten illegal festgenommen und eingesperrt worden. Von diesen hätten 111.740 Mitglieder gesetzeswidrig Bedrohungen erfahren und Bußgelder in einer Gesamthöhe von ungefähr 243.613.000 Yuan zahlen müssen. Razzien hätten in 35.330 Wohnungen stattgefunden, wobei mindestens 1.000.000.000 Yuan von den Sicherheitsbehörden gewaltsam konfisziert oder vereinnahmt worden seien. 43.640 Personen seien unterschiedlichen Formen der Folter korrupter Gerichte ausgesetzt gewesen. 13 Personen seien allein in diesem Zeitraum getötet worden. Insgesamt existierten bislang 44 gut dokumentierte Fälle, in denen Mitglieder der KdAG von der Kommunistischen Partei getötet worden seien. 2017 habe sich die Unterdrückung der KdAG durch die Kommunistische Partei weiter verschärft (KdAG, Jahresbericht 2017, 11.01.2018, S. 41 und 49).
34 
2.2. Die Klägerin selbst geriete im Falle ihrer Rückkehr nach China wegen ihrer religiösen Grundentscheidung bzw. Glaubensbetätigungen für die KdAG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneut in das Visier der Sicherheitskräfte, nachdem sie deswegen schon vor ihrer Ausreise in asylschutzrelevanter Weise in ihrem Herkunftsland politisch verfolgt worden ist und ihren Glauben auch weiterhin missionarisch betätigt. Hiervon ist das Gericht aufgrund ihrer spontanen und detaillierten Einlassungen während ihrer Anhörungen durch das Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung überzeugt. Ihre Angaben zu den Glaubensinhalten ihrer Gemeinschaft, zu ihrem persönlichen Konversionsprozess, zu ihren Glaubensbetätigungen in China und Deutschland sowie zu den persönlich bzw. von anderen Angehörigen der Glaubensgemeinschaft erlittenen Verfolgungen sind in sich stimmig und korrespondieren mit den Erkenntnissen zur asylrechtsrelevanten Lage in China.
35 
Die Klägerin hat die im Hinblick auf den Inhalt der Niederschrift ihrer Anhörung vor dem Bundesamt insbesondere im Hinblick auf Orts- und Zeitangaben noch verbleibenden Unklarheiten durch ihre persönlichen Einlassungen gegenüber dem Gericht beseitigt, indem sie ihr Schicksal in der mündlichen Verhandlung ruhig und sachlich, zugleich aber lebensnah und detailreich wiedergegeben, auf Nachfragen und Vorhalte natürlich sowie spontan geantwortet und die Geschehnisse weder überzeichnet noch herabgespielt hat.
36 
Sie vermochte bereits in ihrer Anhörung beim Bundesamt die Einzelheiten der aufgrund ihres Glaubens an die KdAG erlittenen Verfolgungshandlungen durch die chinesische Polizei ohne Zögern und widerspruchsfrei darzustellen. Namentlich war sie in der Lage, ihre Konversion unter Beschreibung ihrer Krankheitsgeschichte darzulegen sowie ihre Glaubensinhalte und -praktiken plastisch zu beschreiben. Ihr gelang auch bei Unterbrechungen bzw. auf Nachfrage und Vorhalte eine farbige, prompte und widerspruchsfreie Erzählung der Umstände ihrer Festnahme im Haus einer ehemaligen „Kundin“ und der während der Haft durch die chinesische Polizei erfahrenen körperlichen und seelischen Misshandlungen. Ebenso schlüssig und nachvollziehbar schilderte sie die Umstände der Einzelheiten ihrer Entziehung aus dem Polizeigewahrsam, des Untertauchens bei anderen Angehörigen der KdAG, der Ausreisevorbereitungen und ihrer Glaubensausübung in der Bundesrepublik. Wegen der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf die Niederschrift der Anhörung durch das Bundesamt Bezug genommen.
37 
Soweit die Beklagte die Ablehnung des Asylantrags darauf stützt, dass die Schilderungen der Klägerin zur Asylantragsbegründung unglaubhaft seien, folgt ihr das Gericht nicht.
38 
Der Umstand, dass sich die Klägerin bei ihrer Anhörung in Deutschland nicht mehr spontan an all jene Adressen lückenlos erinnern konnte, an denen sie während ihrer Flucht für kurze Zeit untergetaucht war, trägt nicht die Beweiswürdigung, ihre Verfolgungsgeschichte sei wenig substantiiert und frei erfunden. Schon wegen des Zeitablaufs können im Einzelfall auch bei einer erlebnisbasierten Wiedergabe der Umstände des Untertauchens im Herkunftsland möglicherweise nicht alle Daten lückenlos aus dem Gedächtnis reproduziert werden. Dies gilt erst recht, wenn es sich um Informationen handelt, welche schon deshalb nicht immer zuverlässig im Langzeitgedächtnis gespeichert werden, weil ihnen während der Flucht kaum praktische Bedeutung zukommt. Letzteres trifft auf die diversen Postadressen zu, unter denen jemand – wie hier die Klägerin – in China kurzzeitig aus Verfolgungsfurcht vorübergehend untergetaucht war, ohne – aus begründeter Furcht vor der Entdeckung durch die Sicherheitsbehörden – den Unterschlupf zumindest selten zu verlassen oder von dort aus die Anschrift postalisch verwenden zu können. Vorliegend vermochte die Klägerin gleichwohl ohne zu zögern zu allen drei Adressen zumindest unvollständige Angaben zu machen.
39 
Eine weitergehende Unvollständigkeit oder gar – wie die Beklagte meint – Widersprüchlichkeit der Orts- und Zeitangaben vermochte das Gericht nicht festzustellen. Vor der mündlichen Verhandlung bestanden insofern allenfalls Unklarheiten, die sich im Rahmen der Anhörung der Klägerin zur vollen Überzeugung des Gerichts aufklären ließen.
40 
Denn soweit die Klägerin beim Bundesamt einerseits angegeben hatte, nur bis 2015 als Einzelhandelskauffrau erwerbstätig gewesen zu sein, und andererseits behauptet hatte, noch im Jahr 2016 beim Missionieren der Familie einer Kundin festgenommen worden zu sein, löste sich diese vermeintliche Unstimmigkeit auch ohne diesbezüglichen Vorhalt (der weder in der Begründung des angefochtenen Bescheides noch durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung erfolgte) auf. Die Klägerin schilderte dem Gericht nämlich lebensnah und detailreich, wie sie eine bestimmte Stammkundin seit langem kannte, bevor diese anfing, sich mit ihr über den Tod des Ehemannes, das Alkoholproblem des Sohnes sowie den Glauben an Gott zu unterhalten und sich erst später, d. h. im Frühjahr 2015, erstmals zu einem Glaubensgespräch im privaten Umfeld verabredete, was ab 2015 zwar immer wieder, aber nicht kontinuierlich, und jedenfalls über das Ende der Berufstätigkeit der Klägerin im Oktober 2015 hinaus wiederholt wurde, bevor die Klägerin dann am 25.04.2016 am Wohnsitz der Familie ihrer (ehemaligen) „Kundin“ festgenommen wurde.
41 
Soweit das Gericht der Klägerin vorgehalten hat, sie habe einerseits gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass sie ihr Versteck verlassen habe, um für die Ausreise von ihrer Mutter Geld zu holen, und im Widerspruch hierzu andererseits gegenüber dem Gericht angegeben, ihre Freundin habe das Geld für die Ausreise von einem Bankkonto für sie abgehoben, hat die die Klägerin schlüssig auf den unterschiedlichen, aber nicht widersprüchlichen Sinngehalt ihrer Einlassungen verwiesen. Der Anschein einer Diskrepanz ist zur tatrichterlichen Überzeugung dem jeweiligen Fragenkontext ihrer Antworten geschuldet. Ihre Einlassung gegenüber dem Bundesamt erfolgte nämlich im Zusammenhang mit der Frage, ob sie seit ihrem Untertauchen im November 2015 Kontakt zu ihren Angehörigen gehabt habe, weshalb der Bedeutungskern ihrer Einlassung darin bestand, dass sie ihr Versteck seither nur ausnahmsweise, nämlich nur zur Beschaffung finanzieller Mittel aus dem Elternhaus sowie zur Abholung des Visums in Peking verlassen habe. Auf die genaue Nachfrage des Gerichts nach den Modalitäten der Ausreisevorbereitungen hat sie diese verkürzte Darstellung klarstellend dahingehend ergänzt, dass sie aus dem Elternhaus nur ihre Bankkarte abgeholt habe, damit ihre Freundin sodann damit das Bargeld von ihrem Bankkonto habe abheben können. Hinreichende Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin rechtfertigt ein derart kontextbezogenes, konkretisierendes Antwortverhalten nicht.
42 
Ebenso wenig teilt das Gericht die Schlussfolgerung des Bundesamtes, wonach die Klägerin nicht glaubwürdig sei, weil sie beim Visumantrag nicht ihre offizielle Anschrift, sondern einen Ort angegeben habe, an dem sie spazieren gegangen sei. Es erschließt sich nicht, warum sich eine vorverfolgte und der Haft entflohene Person bei ihren Reisevorbereitungen der Gefahr einer Festnahme aussetzen sollte, indem sie Reiseunterlagen an ihre offizielle Anschrift schicken lässt und von dort abholt.
43 
3.3 Der Feststellung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit steht hier nicht entgegen, dass die Klägerin trotz polizeilicher Fahndung Reisepass sowie Reisevisum besorgen konnte und ihr die Ausreise aus China über den Flughafen gelang.
44 
Soweit das Bundesamt das Gegenteil annimmt, ist ihm zwar zuzugestehen, dass ein chinesischer Staatsangehöriger zur Ausreise einen gültigen Reisepass benötigt, welchen das jeweilige Bezirksamt für öffentliche Sicherheit am Meldewohnort nach Vorlage des Personalausweises und des Haushaltsregisters („Hukou“) sowie nach Zahlung einer Gebühr von ca. 25,- EUR erteilt, und, sofern er für den Zielstaat visumpflichtig ist, auch das entsprechende Visum des Zielstaates. Dabei darf der Erteilung der Reisedokumente keiner der Versagungsgründe des polizeilichen Ermittlungsverfahrens, des laufenden Strafverfahrens, des Strafvollzugs oder des vorherigen Aufenthalts in einer Besserungsanstalt entgegenstehen und auch nicht der Verdacht vorliegen, die Person werde bei Reisen ins Ausland die Sicherheit bzw. Interessen des Staates verraten bzw. sabotieren. Auch erfolgt am Flughafen während der Ein- und Ausreise bei den Passkontrollen eine entsprechende Datenerfassung im System der chinesischen Immigrationsbehörden unter Datenabgleich mit dem aktuellen Fahndungsbestand, sodass eine zur Fahndung ausgeschriebene oder politisch unliebsame Person am Grenzübertritt gehindert wird (Auswärtiges Amt, Lagebericht China, 23.12.2017, S. 29). Deshalb haben Grenzbeamte in der Vergangenheit in verschiedenen Fällen gegenüber chinesischen Bürgerinnen und Bürgern die «Gefährdung der nationalen Sicherheit» als Grund für das Verweigern der Ausreise genannt, nachdem sie Zugang zur Onlinedatenbank des Chinesischen Büros für Öffentliche Sicherheit bzw. Zugriff auf Informationen zu gerichtlich verurteilten oder polizeilich gesuchten Personen hatten und so eine Person, die in der entsprechenden Datenbank erfasst war, beim Versuch der Ausreise identifizieren konnten (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 19 bis 20).
45 
Gegen das Argument, dass eine legale Ausreise einer beachtlichen Verfolgungsgefahr entgegenstehe, spricht jedoch, dass die chinesische Grenzüberwachung am Flughafen nicht unfehlbar ist und erhobene Daten nicht zwangsläufig von einer Stelle an die nächste weitergeleitet werden (United Nations Human Rights Council, - „UNHRC“ -, 12.04.2018, Universal Periodic Review Germany, - „Germany Review“ -, S. 9, Übersetzung durch den Berichterstatter). Zudem ist die Herstellung oder Beschaffung gefälschter oder formal echter, aber inhaltlich unwahrer Dokumente verschiedenster Art seit langem ohne besondere Schwierigkeiten in ganz China möglich. Die überwiegende Anzahl der bislang der Deutschen Botschaft in Peking von deutschen Behörden oder Gerichten im Zusammenhang mit Asylverfahren vorgelegten amtlichen Dokumente waren gefälscht. Immer wieder tauchen verfälschte chinesische Reisepässe auf, die mit gefälschten oder rechtswidrig erlangten Visa sowie gefälschten Ein- und Ausreisestempeln versehen sind (vgl. AA, Lagebericht China, 23.12.2017, S. 28 f.). Von falschen oder gefälschten Dokumenten wird zu vielfältigen Zwecken Gebrauch gemacht. Nach Einschätzung internationaler Dokumentenexperten arbeiten in China die meisten und die besten Fälscherwerkstätten weltweit. Viele verfügen über neueste Technik (BFA, Länderinformation, 14.11.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 05.02.2018, S. 55). Schließlich ist trotz der diesbezüglichen Kampagnen der Regierung Xi Jinpings die Korruption auf allen Ebenen der Beamtenschaft einschließlich der stark von der Regierung regulierten Bereiche und auch im Bereich der öffentlichen Sicherheit weiterhin weit verbreitet (BFA, Länderinformation, 14.11.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 05.02.2018, S. 21).
46 
In Anbetracht all dessen trägt die Feststellung der ungehinderten Ausreise über den Flughafen nicht ohne Weiteres die Schlussfolgerung, ein Asylbewerber sei zu diesem Zeitpunkt nicht verfolgt worden. Ebenso denkbar ist, dass sein Name noch nicht von den lokalen Polizeibehörden in die landesweiten Fahndungslisten eingetragen oder schon wieder von ihnen gelöscht worden war oder die von ihm verwendeten Reisedokumente gefälscht oder inhaltlich unwahr waren. Die Klägerin gab insoweit gegenüber Bundesamt und Gericht jeweils an, sie habe ihrer Freundin für die Reisevorbereitung 70.000 bis 75.000 Yuan (bzw. knapp 10.000,- EUR) zur Verfügung gestellt. Kosten in der genannten Höhe lassen auf eine illegale Ausreise mit teuer erschlichenen Papieren bzw. mittels Schlepper schließen, weil sie ungefähr das nach den glaubhaften Angaben der Klägerin Siebenfache der 2016 normalen Aufwendungen für Hin- und Rückflugtickets nebst Gebühren für Pass- und Visumbeschaffung darstellen.
47 
Ungeachtet dessen deuten die bereits erlittenen Verfolgungsmaßnahmen jedenfalls nach dem Maßstab der hinreichenden Sicherheit bzw. der für die Klägerin streitenden tatsächlichen Vermutung auf eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen bzw. Bedrohungen in ihrem Heimatland hin, wenn sie - wie erwartet - ihre missionarischen Glaubensbetätigungen fortsetzt. Ein Verzicht hierauf kann der Klägerin nicht zugemutet werden, weil ihnen den tatrichterlichen Feststellungen zufolge nach ihrem Glaubensverständnis ein für sie identitätsbestimmender Charakter zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 05.09.2012, - C-71/11 - und - C-99/11 - jeweils in juris).
48 
4.4. Mitglieder der KdAG werden in China auch nicht wegen krimineller Aktivitäten für eine terroristische Vereinigung, sondern wegen ihres Glaubens verfolgt. Den Ergebnissen der zu dieser Frage eigens unter Mitwirkung chinesischer Regierungsstellen angefertigten Untersuchungen im Bereich der sog. Neuen Religiösen Bewegungen führender westlicher Wissenschaftler zufolge handelt es sich bei den Anschuldigungen der Sicherheitsbehörden gegenüber der KdAG nämlich um staatliche Propaganda, deren Wahrheitsgehalt sich nicht belegen lasse (CAPLC, KdAG, 02.02.2018, S. 3, m.w.N.).
49 
Wegen der Unvereinbarkeit der Lehren der KdAG mit der Ideologie der Volksrepublik China habe die Verfolgung ihrer Angehörigen bereits mehrere Jahre vor den vermeintlich religiös motivierten Straftaten ihrer Anhänger begonnen (UNHRC, 12.04.2018, Germany Review, S. 9).
50 
Die Chinesische Polizei habe Material veröffentlicht, um christliche Priester vor den Aktivitäten der KdAG zu warnen. In einem Video sei die KdAG als klassisches Beispiel eines bösen Kults bezeichnet worden, der den Namen einer religiösen Imitation annehme, um Aktionen zu setzen, die für andere schädlich seien. Es sei der Gruppe vorgeworfen worden, Lügen zu verbreiten, Geld zu erschwindeln, Leben zu gefährden, die Öffentlichkeit zu betrügen, die Regierung anzugreifen und die soziale Stabilität zu untergraben. Auch in einem von der Chinesischen Polizei produzierten Video sei vor der Gruppe gewarnt worden. Es sei behauptet worden, dass Zhao 1987 zuerst Mitglied einer radikalen religiösen Bewegung – bekannt als die „Rufer“ – gewesen sei. Es werde erklärt, dass er dort seine Kenntnisse der religiösen Betrügereien verbessert habe, bevor er 1989 eine neue Bewegung mit sich selbst als Objekt der Verehrung gegründet habe (BFA, Anfragebeantwortung, 24.11.2016, S. 20, m.w.N.).
51 
Die Anschuldigungen der christlichen Hauskirche „China Gospel Fellowship“ (CGF) und anderer, der KdAG feindlich gesinnter Quellen, wonach Angehörige der KdAG im Jahr 2002 insgesamt 34 Pfarrer und Laienprediger der CGF entführt (und einer Gehirnwäsche unterzogen) hätten, seien nach Sammlung und Auswertung der zur Verfügung gestellten Unterlagen als „in hohem Maße unglaubhaft“ einzuschätzen (UNHRC, 12.04.2018, Germany Review, S. 5, m.w.N.).
52 
Die weitere Anschuldigung, wonach die KdAG für 2012 den Weltuntergang vorhergesagt und damit Unruhen sowie Straftaten in China verursacht habe, stehe im Widerspruch zur ausdrücklichen Distanzierung der Autoritäten der KdAG selbst von (den Mayas zugeschriebenen) Weltuntergangstheorien, sowie zu deren Bezichtigung regierungsnaher Organisationen, zum Beleg der wahrheitswidrigen Anschuldigungen verfälschte Flyer und Broschüren der KdAG verbreitet zu haben (UNHRC, 12.04.2018, Germany Review, S. 5, m.w.N.).
53 
Die am 28.05.2014 in einem McDonald’s-Schnellrestaurant von sechs missionierenden Gläubigen gemeinschaftlich verübte Tötung, die Anlass einer weiteren Repressionswelle gewesen sei, sei tatsächlich nicht durch ein Mitglieder der KdAG, sondern durch mehrere Mitglieder einer winzigen religiösen Bewegung erfolgt, welche die Bezeichnung „Allmächtiger Gott“ ebenfalls benutzt habe, um ihre beiden weiblichen Führungsfiguren zu bezeichnen (Massimo Introvigne: „Cruel Killing, Brutal Killing, Kill the Beast“: Investigating the 2014 McDonald’s „Cult Murder“ in Zhaoyuan“, in: The Journal of CESNUR, 2017-Volume 1-Issue 1, Seite 61 bis 73, Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche durch den Berichterstatter).
54 
Entgegen den späteren Anschuldigungen seitens der Regierung seien (selbst den polizeilichen Ermittlungsergebnissen der chinesischen Behörden zufolge) am 24.08.2013 die Augen des zuvor von seiner Tante entführten und anschließend getöteten sechs-jährigen Jungen Guo Xiaobin gerade nicht von einem Mitglied der KdAG ausgestochen worden, sondern dieser Gemeinschaft nur zugeschrieben worden, um ihre Verfolgung weiter zu rechtfertigen (Holly Folk, „Cult Crimes“ and Fake News: Eye-Gouging in Shanxi“, in: The Journal of CESNUR, 2017 - Volume 1 - Issue 2, Seite 96 bis 109, Übersetzung aus dem Englischen durch den Berichterstatter).
55 
Obgleich wissenschaftliche Untersuchungen renommierter westlicher Akademiker die von der chinesischen Regierung wegen des „McDonald’s Cult Murder“ gegenüber der KdAG erhobenen Anschuldigungen sowie weitere Gerüchte (später) jeweils als ungeheuerliche Beispiele von Fake News zur Diskreditierung der KdAG entlarvt hätten, seien diese von westlichen Medien verbreitet worden (CAPLC, KdAG, S. 2).
56 
5.5. Eine zumutbare inländische Fluchtalternative bietet sich Angehörigen der KdAG in China nicht.
57 
Wer von nur regionaler politischer Verfolgung betroffen war bzw. ist, ist erst dann als verfolgt bzw. vorverfolgt anzusehen, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der Fall, wenn er in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht nicht finden kann. Eine solche inländische Fluchtalternative besteht, wenn er in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm dort auch keine anderen Nachteile drohen, die ihrer Intensität und Schwere nach einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung gleichkommen, wobei das Fehlen des wirtschaftlichen Existenzminimums nur dann für den Asylbewerber erheblich ist, wenn seine Notlage verfolgungsbedingt ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10.07.1989, - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315, 334 ff. und vom 23.01.1991, - 2 BvR 902/85 u.a. -, DVBI. 1991, 531; BVerwG, Urteile vom 15.05.1990, - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139, 140 f., vom 20.11.1990, - 9 C 74.90 -, InfAusIR 1991, 145, vom 09.09.1997, - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204, 211 ff.).
58 
Es ist glaubhaft, dass politisch unliebsame Personen innerhalb Chinas nicht untertauchen können. Den einschlägigen Berichten zufolge werden Mitglieder der KdAG in ganz China verfolgt. Unter Umständen werde diese Praxis von lokalen Behördenvertretern zwar unterschiedlich gehandhabt (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 15, m.w.N.). Denn wegen der Größe des Landes und der historisch überkommenen Strukturen seien Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich ausgeprägt, weshalb staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig aufträten. Daher könne es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. Allerdings sei ein Umzug von in der Volksrepublik China lebenden Chinesen in einen anderen Landesteil durch die restriktive Registrierungspraxis („Hukou“-System) nur schwer möglich (Verlust des Zugangs zu Bildung und Sozialleistungen). Für Personen aus ländlichen Gebieten sei es schwierig, legal in eine Stadt überzusiedeln. Insbesondere für aus politischen Gründen Verfolgte gebe es keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA, Lagebericht China, 23.12.2017, S. 22). Angehörige der KdAG könnten sich nach ihrer Identifizierung als solche über Jahre hinweg ihrer Gefangennahme nur entziehen, wenn sie beständig von einer Stadt oder einem Dorf ins nächste weiterzögen und sich mithilfe der Netzwerke der Mitgläubigen im Untergrund in ununterbrochener Furcht vor Festnahme versteckten (UNHRC, 12.04.2018, Germany Review, S. 8). Dergleichen kann ihnen aber nicht zugemutet werden (Vgl. EuGH, Urteil vom 05.09.2012, - C-71/11 - und - C-99/11 - jeweils in juris).
59 
6.6. Art. 16a Abs. 2 GG schließt den Asylanspruch der auf dem Luftweg ins Bundesgebiet eingereisten Angehörigen der KdAG nicht aus, da sie weder über einen Mitgliedstaat der Europäischen Union noch über einen in Anlage I AsylG bezeichneten Staat in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist.
60 
Nach alldem ist die Klage im Hinblick auf die Geltendmachung der Asylanerkennung begründet.
61 
2. Daneben kann die Klägerin auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG beanspruchen.
62 
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge – Genfer Flüchtlingskonvention –, wenn er sich (Nr. 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 2) außerhalb des Landes befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. In den Fällen der § 3 Abs. 2, 3 und 4 Halbs. 2 AsylG ist der Flüchtlingsschutz dagegen ausgeschlossen.
63 
Hier steht der Klägerin im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zu, weil sie – wie sich aus den Ausführungen zur Asylberechtigung ergibt – bereits wegen eines flüchtlingsrelevanten Merkmals in Gestalt ihres Glaubens an die KdAG in China verfolgt wurde und bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit gleichartiger Verfolgung ohne Ausweichmöglichkeit zu rechnen hätte.
64 
3. Über den auf Feststellung der Voraussetzungen des Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG gerichteten Hilfsantrag ist nicht (mehr) zu entscheiden, da die Klage bereits mit dem auf die Gewährung von Asyl und die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz gerichteten Hauptantrag erfolgreich ist.
65 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
66 
Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
67 
Das Gericht hat keine Veranlassung, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16a


(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87a


(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,1.über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;2.bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auc

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 12. Juni 2018 - A 6 K 436/17

bei uns veröffentlicht am 12.06.2018

Tenor Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 04. Januar 2017 verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuz

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(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.