Verwaltungsgericht Halle Beschluss, 21. Nov. 2016 - 4 B 556/16

ECLI:ECLI:DE:VGHALLE:2016:1121.4B556.16.0A
bei uns veröffentlicht am21.11.2016

Gründe

1

Der am 14. November 2016 bei Gericht gestellte Antrag der Antragstellerin – einer bundesweit tätigen Gewerkschaft, deren Organisationsbereich ihrer Satzung zufolge u. a. im Handel tätige Arbeitnehmer umfasst –,

2

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 12. September 2016 wiederherzustellen, soweit damit eine Öffnung der Verkaufsstellen im Möbelhaus {D.} am 27. November 2016 gestattet wird,

3

hat Erfolg.

4

1. Der Antrag ist zulässig.

5

Er ist statthaft. Denn er richtet sich gegen einen im Wege der Allgemeinverfügung ergangenen Verwaltungsakt (§ 35 Satz 2 VwVfG) der Antragsgegnerin vom 12. September 2016, bekanntgegeben durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 26. September 2016, mit dem die Öffnung aller Verkaufsstellen im Möbelhaus {D.} u.a. am Sonntag, dem 27. November 2016, in der Zeit von 13.00 Uhr – 18.00 Uhr gestattet wurde.

6

Die aufschiebende Wirkung des dagegen erhobenen Widerspruchs ist entfallen, da die Antragsgegnerin mit Ziffer 3. der Verfügung vom 12. September 2016 den Sofortvollzug angeordnet hat.

7

Der Widerspruch ist auch nicht offensichtlich unzulässig, insbesondere innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) am 26. Oktober 2016 erhoben worden.

8

Die Antragstellerin ist schließlich antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Im Hinblick auf ihr Vorbringen, die Voraussetzungen für den Erlass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung lägen nicht vor, kann sie die Verletzung ihres durch die Sonn- und Feiertagsruhe des Art. 140 Abs. 1 GG bzw. Art. 32 Abs. 5 Verf LSA in Verbindung mit Art. 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV) geschützten Rechts auf eine effektive Wahrnehmung der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG geltend machen (BVerwG, Urteil vom 11. November 2015 – BVerwG 8 CN 2/14 – Juris Rn. 15 ff.; VGH Mannheim, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – 6 S 2041/16 – Juris Rn. 4; OVG Weimar, Beschluss vom 20. April 2016 – 3 EN 222/16 – Juris Rn. 14).

9

2. Der Antrag ist zudem begründet.

10

Die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Antragstellerin aus, da deren privates Interesse, vom Vollzug der streitbefangenen Allgemeinverfügung vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die Allgemeinverfügung nämlich als offensichtlich rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten.

11

Gemäß § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Ladenöffnungszeiten im Land Sachsen-Anhalt (Ladenöffnungszeitengesetz Sachsen-Anhalt – LÖffZeitG LSA) vom 22. November 2006 kann die Gemeinde erlauben, dass Verkaufsstellen aus besonderem Anlass an höchstens vier Sonn- und Feiertagen geöffnet werden. Von der Öffnung ausgenommen sind der Neujahrstag, der Karfreitag, der Ostersonntag, der Ostermontag, der Volkstrauertag, der Totensonntag, der 1. und 2. Weihnachtsfeiertag sowie der Heiligabend, soweit dieser auf einen Sonntag fällt. Die Öffnung kann gemäß § 7 Abs. 2 LÖffZeitG LSA auf bestimmte Bezirke oder Handelszweige beschränkt werden und darf fünf zusammenhängende Stunden in der Zeit von 11 bis 20 Uhr nicht überschreiten. Dabei ist auf die Zeit des Hauptgottesdienstes Rücksicht zu nehmen.

12

Mit dem ausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff des „besonderen Anlasses" wird für eine Öffnung von Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen ein besonderer Sachgrund verlangt, um den durch Art. 140 GG bzw. Art. 32 Abs. 5 Verf LSA in Verbindung mit Art. 139 WRV vorgegebenen Auftrag zum Schutz von Sonn- und Feiertagen gerecht zu werden (vgl. auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung, Landtagsdrucksache 5/288, S. 15, 21).

13

Für die Annahme dieses besonderen Sachgrundes reicht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber grundsätzlich weder ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber noch ein alltägliches Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse") potenzieller Käufer am Sonntag. Darüber hinaus müssen Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben und dürfen nicht auf eine weitgehende Gleichstellung der sonn- und feiertäglichen Verhältnisse mit den Werktagen und ihrer Betriebsamkeit hinauslaufen (zu den Vorschriften des BerlLadÖffG vgl. BVerfG, Urteile vom 01. Dezember 2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 – Juris Rn. 157).

14

In Anlehnung hieran hat das Bundesverwaltungsgericht zu § 14 LadSchlG ausgeführt, dass nur Veranstaltungen, die selbst einen beträchtlichen Besucherstrom anziehen, Anlass für eine Ladenöffnung geben können; der Besucherstrom dürfe nicht umgekehrt erst durch die Offenhaltung der Verkaufsstellen ausgelöst werden. Mit Blick auf das Erfordernis einer allenfalls geringen prägenden Wirkung der Ladenöffnung müsse diese als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung erscheinen (BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1989 – BVerwG 1 B 153/89 – Juris Rn. 3 und Urteil vom 11. November 2015 – BVerwG 8 CN 2/14 – Juris Rn. 24). Die werktägliche Prägung der Ladenöffnung bleibe nur dann im Hintergrund, wenn der Besucherstrom, den die anlassgebende Veranstaltung für sich genommen auslöse, die Zahl der Besucher übersteige, die allein wegen einer Öffnung der Verkaufsstellen kämen. Zur Abschätzung der jeweiligen Besucherströme sei auf eine gemeindliche Prognose zurückzugreifen, die gerichtlich nur auf Schlüssigkeit und Vertretbarkeit zu überprüfen sei (BVerwG, Urteil vom 11. November 2015, BVerwG 8 CN 2/14 – Juris Rn. 25, 36).

15

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt für die streitgegenständliche Sonntagsöffnung erkennbar kein solcher besonderer Anlass vor. Die Festlegung der Sonntagsöffnung am 27. November 2016 erfolgte auf Antrag der Beigeladenen, die das Motto „Durch die Weihnachtszeit mit {D.}" angegeben hatte. Diese plant insoweit offenbar, im Einrichtungshaus begleitend zu dessen Öffnung verschiedene weihnachtliche Angebote zu präsentieren. Auf der Internetseite der Beigeladenen heißt es diesbezüglich:

16

 „Am 27.11.2016 haben wir unser Einrichtungshaus für dich geöffnet. In der Zeit von 13-18 Uhr kannst du dich ganz entspannt auf die Vorweihnachtszeit einstimmen, dich von unseren tollen Einrichtungsideen inspirieren lassen und natürlich vielen tolle Angebote und Aktionen nutzen.

Schwedische Weihnachtsbäckerei

Glühweinstand mit schwedischer Weihnachtsmusik

Lucia Fensterbilder gestalten

Weihnachtliches Kinderschminken

Spenden-Glücksrad mit Gewinnmöglichkeiten auf Weihnachtsartikel

Zuckerwatte- und Kräppelchenstand

Weihnachtsmützen basteln

PS: Und das Beste: Unser Restaurant öffnet bereits um 12 Uhr. Na dann lass es dir schmecken."

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Damit fehlt es ersichtlich an einer die Ladenöffnung in den Hintergrund treten lassenden Veranstaltung, die für sich genommen einen Besucherstrom auslöst, der die Besucher übersteigt, die allein wegen der Öffnung der Verkaufsstellen kämen. Vielmehr steht die Ladenöffnung im Vordergrund, die lediglich durch die zusätzlichen Angebote und Aktionen „garniert" werden soll, um mehr Besucher zu den Verkaufsstellen anzuziehen.

18

Da dies auf der Hand liegt, hat die Antragsgegnerin auch keine den vorgenannten Maßgaben entsprechende (schlüssige und vertretbare) Prognose über die jeweiligen Besucherströme angestellt. Vielmehr hat sie in der angegriffenen Allgemeinverfügung lediglich ausgeführt, dass die Öffnung der Verkaufsstellen vorgesehen sei, um dem Versorgungsbedürfnis der Besucher Rechnung zu tragen und gleichzeitig dem Einzelhandel die Möglichkeit zu geben, den Zustrom der Besucher geschäftlich zu nutzen. Im Rahmen der Begründung des Sofortvollzugsinteresses heißt es zudem, dass durch die benannte Veranstaltung mit einem besonders hohen Besucherandrang zu rechnen sei und den Besuchern die Möglichkeit gegeben werden müsse, sich neben den typischen Geschenken mit allen Waren des Ge- und Verbrauchs über die gesetzlichen Ladenöffnungszeiten hinaus auszustatten. Es bestehe also ein regionales Versorgungsinteresse, dass nur durch eine Freigabe zusätzlicher Öffnungszeiten befriedigt werden könne.

19

Auch aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass das Motto „Durch die Weihnachtszeit mit {D.}" nur einen Vorwand dafür liefert, den ortsansässigen Gewerbetreibenden, hier in Person der antragstellenden Beigeladenen, das Offenhalten der Verkaufsstellen im Möbelhaus am Sonntag zu ermöglichen.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht aus Gründen der Billigkeit für erstattungsfähig zu erklären, da diese das Verfahren weder wesentlich gefördert noch sich durch Stellung eines Sachantrags einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

21

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Eine Reduzierung des Werts auf die Hälfte ist wegen der weitgehenden Vorwegnahme der Hauptsache nicht vorzunehmen.


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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 9


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverstä

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 35 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemein

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 70


(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu e

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Die Verfassung des Deutschen Reichs - WRV | Art 139


Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Gesetz über den Ladenschluß - LadSchlG | § 14 Weitere Verkaufssonntage


(1) Abweichend von der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 dürfen Verkaufsstellen aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen geöffnet sein. Diese Tage werden von den Landesregierungen ode

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 26. Okt. 2016 - 6 S 2041/16

bei uns veröffentlicht am 26.10.2016

Tenor Der Antrag wird abgelehnt.Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt. Gründe   1 Der Senat entscheidet über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 Vw
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Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 05. Sept. 2017 - 3 B 305/17

bei uns veröffentlicht am 05.09.2017

Gründe 1 Auf Antrag des Beigeladenen vom 29.6.2017, der von der Antragsgegnerin angeregt wurde, erließ die Antragsgegnerin gem. § 7 LÖffZeitG LSA am 31.7.2017 eine Allgemeinverfügung zur Sonntagsöffnung von Ladengeschäften in G. am 10.9.2017, dem

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Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Senat entscheidet über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO in der Besetzung von drei Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 erster Halbsatz VwGO); die Besetzungsregelung in § 4 AGVwGO ist auf Entscheidungen nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht anwendbar (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.12.2008 - GRS 1/08 -, ESVGH 59, 154).
Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I.
Die Statthaftigkeit des Antrags ergibt sich aus § 47 Abs. 6 VwGO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO. Danach entscheidet der Verwaltungsgerichtshof auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit von - wie hier - im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO kann auch gestellt werden, obwohl die Antragstellerin in der Hauptsache bislang noch keinen Normenkontrollantrag anhängig gemacht hat (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.12.1986 - 9 S 3025/86 -, VBlBW 1987, 185; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 47 RdNr. 386 mit zahlreichen Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). Ein Normenkontrollantrag ist noch innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für die Satzung der Antragsgegnerin über die Offenhaltung von Verkaufsstellen an den Sonntagen 3. April 2016, 3. Juli 2016 und 30. Oktober 2016 vom 08.12.2015 und die Satzung zur Änderung der Satzung der Antragsgegnerin vom 08.12.2015 über die Offenhaltung von Verkaufsstellen am Sonntag, 30. Oktober 2016 vom 19.07.2016 möglich.
Die Antragstellerin ist schließlich auch gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Im Hinblick auf ihr Vorbringen, die Voraussetzungen für den Erlass der streitgegenständlichen Satzungen lägen nicht vor, kann sie die Verletzung ihres durch die Sonn- und Feiertagsruhe des Art. 140 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV) sowie des Art. 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (Art. 3 LV) geschützten Rechts auf eine effektive Wahrnehmung der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG geltend machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015 - 8 CN 2/14 -, BVerwGE 153, 183; Thür. OVG, Beschluss vom 20.04.2016 - 3 EN 222/16 -, GewArch 2016, 345 m.w.N., OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.03.2015 - 1 S 19.15 -, LKV 2015, 274; kritisch: Leisner, NVwZ 2014, 921; Schunder, NVwZ 2016, 694).
II.
Der Antrag ist aber nicht begründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse vom 25.02.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381 und vom 09.2015 - 4 VR 2/15 -, juris; vgl. auch: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.08.2016 - 5 S 437/16 -, juris m.w.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung - jeweils zu Bebauungsplänen) sind Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO zunächst die Erfolgsaussichten eines (möglichen) Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich begründet wäre, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der streitgegenständlichen Satzung oder Rechtsvorschrift zu suspendieren ist. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Rechtsvorschrift vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist.
Hieran gemessen bleibt der Antrag der Antragstellerin ohne Erfolg. Auch wenn man davon ausgeht, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache erfolgreich sein würde (1.), gelangt der Senat nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht zu der Einschätzung, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend geboten im oben umschriebenen Sinn ist (2.).
(1). Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.) spricht vieles dafür, dass sich die streitgegenständlichen Satzungen der Antragsgegnerin als rechtswidrig erweisen und deshalb ein rechtzeitig gestellter Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO begründet sein dürfte.
Die in nicht zu beanstandender Weise auf § 4 Abs. 1 GemO gestützten Satzungen der Antragsgegnerin, mit der sie die Zeit und den räumlichen Bereich des Offenhaltens von Verkaufsstellen an Sonntagen bestimmt hat, stehen aller Voraussicht nach nicht mit den nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.) in verfassungskonformer Auslegung des § 8 des Gesetzes über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg (LadÖG) zu bestimmenden Erfordernissen in Einklang, wobei der Senat im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht weiter der Frage nachgeht, ob das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 01.12.2009 (1 BvR 2857/07, 1 BvR 2858/07, BVerfGE 125, 39) die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene „weitergehende“ verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs der Ladenöffnungsregelungen an Sonntagen erfordert (vgl. zur Reichweite des Urteils des BVerfG etwa: Leisner, a.a.O.). Es bestehen nach derzeitigem Erkenntnisstand gewisse Zweifel, ob diese vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene enge „verfassungskonforme“ Auslegung den Vorgaben im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) entspricht. Jenes fordert allein ein Schutzkonzept mit einem Mindestschutzniveau und die Einhaltung eines Regel-/Ausnahmeverhältnisses, während das Bundesverwaltungsgericht eine Verknüpfung einer anderen Veranstaltung mit der Ladenöffnung in Gestalt einer (überwiegenden) Gleichwertigkeitsprognose verlangt.
10 
Nach § 8 Abs. 1 LadÖG dürfen abweichend von § 3 Abs. 2 Nr. 1 LadÖG, nach dem Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden an Sonn- und Feiertagen geschlossen sein müssen, Verkaufsstellen aus Anlass von örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens drei Sonn- und Feiertagen geöffnet sein. Gemäß § 8 Abs. 2 LadÖG kann die Offenhaltung von Verkaufsstellen auf bestimmte Bezirke und Handelszweige beschränkt werden. Sie darf fünf zusammenhängende Stunden nicht überschreiten, muss spätestens um 18.00 Uhr enden und soll außerhalb der Zeit des Hauptgottesdienstes liegen. § 8 Abs. 3 LadÖG bestimmt, dass die Adventssonntage, die Feiertage im Dezember sowie der Oster- und Pfingstsonntag nicht freigegeben werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.) zu § 14 des bayerischen Gesetzes über den Ladenschluss, der im Wesentlichen mit den Regelungen des § 8 LadÖG übereinstimmt, allerdings das Offenhalten an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen ermöglicht, ist der Anwendungsbereich des § 8 LadÖG verfassungskonform dahingehend einzuschränken, dass die Tatbestandsvoraussetzung „aus Anlass von örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen“ nur dann erfüllt ist, wenn die öffentliche Wirkung solcher traditionell auch an Sonn- und Feiertagen stattfindenden Veranstaltungen gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund steht; die Ladenöffnung muss mithin nach den gesamten Umständen als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung erscheinen. Dies könne - so das Bundesverwaltungsgericht für den in seiner Entscheidung zu Grunde liegenden Frühjahrsmarkt - nur dann angenommen werden, wenn die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt werde, weil nur insoweit ihr Bezug zum Marktgeschehen erkennbar bleibe, wobei die Ausstrahlungswirkung des Marktes wegen seines Umfangs oder seiner besonderen Attraktivität zu berücksichtigen sei. Darüber hinaus bleibe die werktägliche Prägung der Ladenöffnung nur dann im Hintergrund, wenn nach einer anzustellenden Prognose der Besucherstrom, den der Markt für sich genommen auslöse, die Zahl der Besucher übersteige, die allein wegen einer Öffnung der Verkaufsstellen kämen. Zur Abschätzung der jeweiligen Besucherströme könne beispielsweise auf Befragungen zurückgegriffen werden. Finde ein Markt erstmals statt, könne die Prognose notwendigerweise pauschaler ausfallen. Insoweit könnten etwa Erfahrungswerte der Ladeninhaber zu den an Werktagen üblichen Besucherzahlen Anhaltspunkte geben (BVerwG, Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.).
11 
Ein solche Prognose, die auch für das nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin zum 25. Mal stattfindende und zur lokalen Tradition gewordene „Kinderfest“ am 30.10.2016 als örtliches Fest im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 LadÖG erforderlich sein dürfte, hat die Antragsgegnerin nicht angestellt. In der Beschlussvorlage Nr. 187/2015 zur Sitzung des Gemeinderats am 08.12.2015 wird insoweit lediglich ausgeführt, dass das „Kinderfest“ zum 25. Mal stattfinde und gleichermaßen Jung und Alt anziehe; dank der vielen Besucher/innen habe die Veranstaltung in der Vergangenheit zur Belebung von Sindelfingen beigetragen. In der Antragserwiderung hat die Antragsgegnerin zur Abschätzung der Besucherströme geltend gemacht, dass tausende Besucher zu diesem Fest kommen würden, um einen schönen Tag mit ihren Familien zu haben. Diese Ausführungen entsprechen den Anforderungen an die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte Prognose nicht. Zum einen wird die Zahl der Besucher des Kinderfestes nicht hinreichend genau bestimmt, zum anderen fehlt eine Gegenüberstellung zur Zahl der Besucher, die allein wegen der Öffnung der Verkaufsstellen im streitgegenständlichen Gebiet der Antragsgegnerin werktäglich zu erwarten wären (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 21.10.2016 - 8 B 2618/16 -, nach dem auch die geltend gemachte Öffnung der Frankfurter Buchmesse für den allgemeinen Publikumsverkehr mit über 100.000 Besuchern eine sonntägliche Ladenöffnung mangels anzustellender Prognose nicht rechtfertigen soll; vgl. ferner: Bay. VGH, Urteil vom 18.05.2016 - 22 N 15.1526 -, GewArch 2016, 342; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2016 - 4 B 504/16 -, GewArch 2016, 485). Auch der Änderungssatzung vom 19.07.2016, mit der der Geltungsbereich des bereits beschlossenen verkaufsoffenen Sonntags am 30.10.2016 auf das gesamte Stadtgebiet mit Ausnahme der Teilorte ausgedehnt wurde, liegt ausweislich der Beschlussvorlage Nr. 201/2016 keine entsprechende Prognose zu Grunde.
12 
Ob sich darüber hinaus die Änderungssatzung vom 19.07.2016 auch wegen der räumlichen Ausdehnung auf das gesamte Stadtgebiet, insbesondere auch - wie von der Antragstellerin besonders beanstandet - auf den ... Osten mit dem ... Land als rechtswidrig erweisen wird, kann mit den dem Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht hinreichend sicher bewertet werden. Dies betrifft vor allem die Frage, ob die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.11.2015 (a.a.O.) insoweit für einen (ortsfesten) Markt aufgestellten Erfordernisse in gleicher Weise auch für das hier in Rede stehende örtliche Fest im Sinne des § 8 Abs. 1 LadÖG („Kinderfest“) gelten, dessen Veranstaltungsgebiet naturgemäß flexibler und weiträumiger als das eines Marktes sein kann. Insoweit bedürfte genauerer Betrachtung, ob auch im ... Osten - gegebenenfalls durch die dort ansässigen Firmen - weitere das Kinderfest Gestalt gebende oder mitprägende Aktionen veranstaltet werden. Dies kann auf Grund des Vorbringens der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung und der dort genannten Aktivitäten im Rahmen eines Kinderprogramms nicht von vornherein gänzlich verneint werden.
13 
(2.) Auch wenn sich wegen des Fehlens der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzustellenden Prognose, dass das Kinderfest für sich genommen einen beträchtlichen Besucherstrom anzieht, der die bei einer alleinigen Öffnung der Verkaufsstellen zu erwartende Zahl der Ladenbesucher übersteigt, die streitgegenständlichen Satzungen voraussichtlich als rechtswidrig erweisen dürften und dies grundsätzlich ein wesentliches Indiz für die Suspendierung des Satzungsvollzugs bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ist, sieht der Senat auf Grund von Besonderheiten der konkret gegebenen Konstellation vom Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ab. Denn der Senat vermag derzeit auf Grund des Vorbringens der Beteiligten nicht zu erkennen, dass der Satzungsvollzug Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO unaufschiebbar ist.
14 
Dabei berücksichtigt der Senat durchaus, dass grundsätzlich allein erwerbswirtschaftliche Interessen der Geschäftsinhaber sowie mögliche Freizeitbelange potenzieller Kunden nicht ausreichen, um trotz der voraussichtlichen Rechtswidrigkeit der in Streit stehenden Satzungen von deren Vollzug abzusehen (vgl. Thür. OVG, Beschluss vom 30.09.2016 - 3 EN 754/16 -, BeckRS 2016, 52633). Auch stellt er in Rechnung, dass sich mit dem Ablauf des 30.10.2016 und der Durchführung des verkaufsoffenen Sonntags an diesem Tag im Stadtgebiet der Antragsgegnerin die damit verbundenen tatsächlichen Konsequenzen nicht mehr ungeschehen machen ließen und damit der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe berührt wäre. Allerdings betrifft dies nur ein einzelnes, zeitlich beschränktes Ereignis und ist eine dauerhafte Infragestellung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes damit nicht verbunden, wobei hinsichtlich der verfassungsrechtlich geforderten Sicherung eines Mindestniveaus des Sonn- und Feiertagsschutzes zu beachten ist, dass der baden-württembergische Gesetzgeber in § 8 LadÖG bereits eine nur sehr niedrige Höchstzahl freigabefähiger Sonn- und Feiertage (drei) mit zudem geringer Stundenzahl (jeweils fünf) ermöglicht und davon noch die Adventssonntage, die Feiertage im Dezember sowie den Oster- und Pfingstsonntag ausnimmt (vgl. BVerfG, Urteil vom 01.12.2009, a.a.O., hinsichtlich nicht zu beanstandender acht Sonn- und Feiertage). Die Antragstellerin kann zudem die von ihr geltend gemachte Rechtswidrigkeit der sonntäglichen Ladenöffnung am „Kinderfest“ im Hauptsacheverfahren feststellen lassen, nachdem die Antragsgegnerin bereits in diesem Verfahren mitgeteilt hat, dass sie nicht auf das in der Bevölkerung beliebte Kinderfest verzichten werde (vgl. zum Sachentscheidungsinteresse für ein Normenkontrollverfahren trotz Erledigung der zur Prüfung gestellten Norm: BVerwG, Urteil vom 29.06.2001 - 6 CN 1.01 -, NVwZ-RR 2002, 152 und Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.), und damit eine präjudizielle Entscheidung für künftige Sonntagsöffnungen aus Anlass des „Kinderfestes“ erreichen.
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Maßgeblich nimmt der Senat bei der Frage, ob der Erlass einer einstweiligen Anordnung unaufschiebbar ist, die Berufsausübungsfreiheit der Verkaufsstelleninhaber, ihr in die Bestimmung des verkaufsoffenen Sonntags gesetztes Vertrauen und die von ihnen diesbezüglich getroffenen Dispositionen in den Blick (vgl. BVerfG, Urteil vom 01.12.2009, a.a.O., nach dem die Regelung zur Öffnung von Verkaufsstellen an allen vier Adventssonntagen trotz Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit für das Jahr 2009 noch anwendbar blieb). Die Antragsgegnerin hat insoweit ausgeführt, dass dem am Sonntagsverkauf teilnehmenden Handel bereits Kosten in Höhe von mehr als 100.000 EUR für Werbemaßnahmen entstanden seien (vgl. dazu auch der von der Antragsgegnerin vorgelegte Bericht der örtlichen Presse, der wegen platzierter Werbung in Fernsehen, Radio, Zeitung und Internet von einem Schaden von mehreren hunderttausend Euro spricht). Die Antragstellerin muss sich insoweit entgegenhalten lassen, dass sie den Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO erst am 21.10.2016 und damit nur wenige Tage vor dem verkaufsoffenen Sonntag und erkennbar deutlich nach dem Beginn kostenauslösender und -intensiver Vorbereitungen gestellt hat, obwohl die streitgegenständlichen Satzungen bereits am 08.12.2015 und am 19.07.2016 beschlossen wurden und damit ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO weit im Vorfeld möglich gewesen wäre. Im Falle einer kurzfristigen Absage des Ereignisses wäre zudem ein nicht unerheblicher, wenn auch sachlich nicht berechtigter Imageverlust des innerstädtischen Handels zu befürchten, der dieses Ereignis im Vorfeld weiträumig beworben hat (vgl. Thür. OVG, Beschluss vom 20.04.2016, a.a.O.).
16 
Demgegenüber ist für den Senat ein relevanter Nachteil für die Antragstellerin, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung unaufschiebbar macht, nicht erkennbar. Der Sonn- und Feiertagsschutz gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV und Art. 3 LV dient zwar auch einer effektiven Wahrnehmung der Vereinigungsfreiheit der Antragstellerin gemäß Art. 9 Abs. 1 GG. Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen ist für die Rahmenbedingungen des Wirkens der Gewerkschaften bedeutsam und wirkt sich auf die Möglichkeiten zur Abhaltung von Versammlungen oder ähnlichen Veranstaltungen der Gewerkschaft aus. Die Sonntagsöffnung kann zur Folge haben, dass Mitglieder der Antragstellerin an diesem Tag an der Teilnahme gemeinschaftlicher Veranstaltungen der Antragstellerin gehindert sind. Vor dem Hintergrund, dass jede baden-württembergische Gemeinde bis zu drei verkaufsoffene Sonntage freigeben kann, kann über das ganze Jahr ein „Flickenteppich“ sonntäglicher Ladenöffnungen entstehen, der die Organisation gemeinschaftlicher gewerkschaftlicher Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen spürbar erschweren kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.). Indes hat die Antragstellerin in diesem Verfahren weder vorgetragen, dass sie am 30.10.2016 gemeinschaftliche Veranstaltungen abhält, die von der Sonntagsöffnung betroffen sein könnten (vgl. auch den Veranstaltungsplan des ... auf seiner Homepage, der für den Zeitraum vom 29.10. bis zum 02.11.2016 keine Veranstaltungen vorsieht), noch geltend gemacht, dass sie diesen Tag in ihre Planungsüberlegungen für mögliche Veranstaltungen einbeziehe, was infolge der Kürze der verbleibenden Zeit bei der Antragstellung auch nicht nahe liegend wäre. Weitere konkrete Nachteile eines Satzungsvollzugs hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
17 
Nach alledem lässt der Satzungsvollzug keine derzeit erkennbaren Nachteile befürchten, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO unaufschiebbar ist.
18 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
19 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Da die Hauptsache wegen des Zeitablaufs voraussichtlich vorweggenommen wird, sieht der Senat in Anlehnung an Nr. 15 des Streitwertkataloges 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 58) von einer weiteren Reduzierung für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ab.
20 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

(1) Abweichend von der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 dürfen Verkaufsstellen aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen geöffnet sein. Diese Tage werden von den Landesregierungen oder den von ihnen bestimmten Stellen durch Rechtsverordnung freigegeben.

(2) Bei der Freigabe kann die Offenhaltung auf bestimmte Bezirke und Handelszweige beschränkt werden. Der Zeitraum, während dessen die Verkaufsstellen geöffnet sein dürfen, ist anzugeben. Er darf fünf zusammenhängende Stunden nicht überschreiten, muss spätestens um 18 Uhr enden und soll außerhalb der Zeit des Hauptgottesdienstes liegen.

(3) Sonn- und Feiertage im Dezember dürfen nicht freigegeben werden. In Orten, für die eine Regelung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 getroffen ist, dürfen Sonn- und Feiertage nach Absatz 1 nur freigegeben werden, soweit die Zahl dieser Tage zusammen mit den nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 freigegebenen Sonn- und Feiertagen 40 nicht übersteigt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.