Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 29. Feb. 2016 - 5 L 375/16
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 17.500,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 5 K 609/16 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 3. Februar 2016 anzuordnen,
4ist zulässig, aber unbegründet.
5Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache die – gemäß § 112 Abs. 1 Justizgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen kraft Gesetzes ausgeschlossene – aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Dabei hat es in dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu überprüfen, sondern zu untersuchen, ob das – in der Regel – öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs mit zu berücksichtigen. Stellt sich heraus, dass der Rechtsbehelf aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, so spricht dies für ein vorrangiges Vollzugsinteresse. Hat demgegenüber der Rechtsbehelf aller Voraussicht nach Erfolg, überwiegt regelmäßig das private Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
6Nach dieser Maßgabe überwiegt das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin am Erhalt der gesetzlich vorgesehen sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung vom 3. Februar 2016 gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 5 K 609/16. Die Klage hat bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg, da die Festsetzung der Ersatzvornahme durch Bescheid vom 3. Februar 2016 rechtmäßig sein dürfte.
7Rechtsgrundlage der Festsetzung der Ersatzvornahme in dem Bescheid vom 3. Februar 2016 sind die §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Ziffer 1, 59, 63 Abs. 1, 64 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW).
8Die Ordnungsverfügung ist formell rechtmäßig. Eine vorherige Anhörung des Antragstellers war wegen § 28 Abs. 2 Nr. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) entbehrlich.
9Die Festsetzung der Ersatzvornahme ist auch materiell rechtmäßig. Gemäß § 55 Abs. 1 VwVG NRW kann der Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Diese Anforderungen erfüllt der Grundverwaltungsakt vom 13. November 2014, mit dem der Antragsteller zur Beseitigung des Gebäudes E.---------straße 30 – eine Handlung – aufgefordert worden war. Das Gericht hat die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage mit Urteil vom 18. Juni 2015 – 5 K 5741/14 – abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig. Damit wurde der Verwaltungsakt vom 13. November 2014 bestandskräftig.
10Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW sind Zwangsmittel schriftlich anzudrohen. In der Androhung ist dem Pflichtigen eine zur Erfüllung geeignete Frist zu setzen. Diese Anforderungen sind erfüllt. Mit Ordnungsverfügung vom 2. Dezember 2015 drohte die Antragsgegnerin dem Antragsteller schriftlich die Ersatzvornahme für den Fall an, dass dieser die Beseitigung des Gebäudes nicht bis zum 31. Januar 2016 vornimmt. Mit der Antragsgegnerin geht auch die Kammer davon aus, dass die Frist wirksam bis zu diesem Zeitpunkt gesetzt und es sich bei dem wörtlich genannten Datum im Bescheid, dem „31.01.2015“, um einen Tippfehler und damit um eine offenbare Unrichtigkeit iSd § 42 VwVfG NRW handelt, der die Bestimmtheit der Zwangsmittelandrohung nicht beeinträchtigt. Bereits aus dem zeitlichen Gesamtzusammenhang – die Ordnungsverfügung wurde am 2. Dezember 2015 erlassen – wird deutlich, dass nur der 31. Januar 2016 gemeint gewesen sein kann. Dem Antragsteller wurde im bisherigen Verwaltungsvollstreckungsverfahren in den vorhergehenden Zwangsgeldandrohungen im Ausgangsbescheid vom 13. November 2014 und im Bescheid vom 10. August 2015 eine Frist von vier bzw. 4 ½ Monaten gesetzt, so dass hinreichend deutlich wird, dass nunmehr nicht eine Jahresfrist gesetzt und kein späteres Datum gemeint gewesen sein konnte. Für die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit spricht auch, dass der Antragsteller diesen Tippfehler in der Antragsschrift nicht geltend macht.
11Nach § 42 Satz 1 VwVfG NRW kann die Behörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen. Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2016 hat die Antragsgegnerin hiervon Gebrauch gemacht und die offenbare Unrichtigkeit von Amts wegen berichtigt. Die Rückforderung der Ordnungsverfügung im Original ist gemäß § 42 Satz 3 VwVfG NRW parallel zur Berichtigung möglich, jedoch, wie bereits der Wortlaut verdeutlicht, keine notwendige Voraussetzung für die Berichtigung.
12Die Zwangsmittelandrohung erfüllt auch die Voraussetzungen des § 63 Abs. 4 VwVG NRW, wonach bei einer Ersatzvornahme auf die voraussichtlichen Kosten der Maßnahme – hier ca. 35.000 € - hinzuweisen ist.
13Nach § 64 Satz 1 VwVG NRW wird das Zwangsmittel, wenn die Verpflichtung innerhalb der Frist, die in der Androhung bestimmt ist, nicht erfüllt wird, von der Vollzugsbehörde festgesetzt. Nachdem der Antragsteller die Verpflichtung, das Wohngebäude auf der E. str. 30 zu beseitigen, nicht innerhalb der bis zum 31. Januar 2016 gesetzten Frist erfüllt hat, durfte die Antragsgegnerin das Zwangsmittel der Ersatzvornahme nach dieser Vorschrift festsetzen. Da die Beseitigung des Gebäudes durch einen Dritten ausgeführt werden kann, ist sie eine vertretbare Handlung und infolgedessen gemäß § 59 Abs. 1 VwVG NRW der Ersatzvornahme zugänglich.
14Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers hat die Antragsgegnerin keine Verpflichtung abgegeben, mit der Vollstreckung vier Monate zuzuwarten, sollte dieser ein Sanierungskonzept vorlegen. In der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2015, bei der der Antragsteller persönlich nicht zugegen war, wurde eine derartige Möglichkeit angesprochen, ohne dass eine Vereinbarung zustande kam. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung weist dementsprechend nichts Derartiges auf. Auch außerhalb des gerichtlichen Verfahrens kann die Kammer nicht annehmen, dass die Antragsgegnerin eine derartige Zusage gemacht hätte, nachdem diese dieser Behauptung im Schriftsatz vom 18. Februar 2016 widersprochen hat.
15Der Festsetzung der Ersatzvornahme steht schließlich nicht entgegen, dass der Antragsteller am 25. November 2015 ausweislich der Mitteilung der Antragsgegnerin über den Antragseingang vom 3. Dezember 2015 einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides zur Kernsanierung des Gebäudes gestellt hat, über den die Antragsgegnerin noch nicht entschieden hat. Der Antragsteller hat damit aus zwei selbständig tragenden Gründen kein geeignetes Austauschmittel zur verfügten Beseitigung des Wohngebäudes angeboten. Gemäß § 21 Satz 2 Ordnungsbehördengesetz (OBG) ist der betroffenen Person auf Antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird. Zum einen kann der Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides jedoch bereits deshalb kein Austauschmittel iSd § 21 Satz 2 OBG sein, weil ein positiver Bauvorbescheid keine Baufreigabe beinhaltet und daher nicht einmal die rechtlichen Voraussetzungen für die Sanierung schafft. Zum anderen und damit verbunden setzt das wirksame Angebot eines Austauschmittels in Form der Sanierung des Gebäudes hier – neben der Legalisierung durch eine entsprechende Baugenehmigung – aufgrund des Grundsatzes der effektiven Gefahrenabwehr voraus, dass Grund zu der Annahme besteht, dass das Austauschmittel vom Pflichtigen auch zeitnah angewendet und damit „ebenso wirksam“ wäre. Diese Annahme ist angesichts des langjährigen Verfalls des Gebäudes und der bereits im Verfahren 5 K 5741/14 ergebnislos gebliebenen Ankündigungen des Antragstellers, das Wohngebäude sanieren zu wollen, nicht begründet. Vielmehr wäre selbst im Fall einer genehmigten Sanierung des Wohngebäudes anzunehmen, dass das Wohngebäude wie in den vergangenen Jahrzehnten weiter dem Verfall preisgegeben werden würde. Eine alleinige Ankündigung des Antragstellers, das Gebäude nunmehr sanieren zu wollen, kann vorliegend nicht ausreichen.
16Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
17Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit Ziffer 11. e) des Streitwertkataloges der Bausenate des OVG NRW vom 17. September 2003,
18BauR 2003, 1883.
19Maßgeblich ist danach die Höhe der veranschlagten Kosten der Ersatzvornahme. Im Hinblick auf das vorläufige Rechtsschutzverfahren ist gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges der Verwaltungsgerichtsbarkeit dieser Betrag zu halbieren.
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist seit dem Jahre 1975 Eigentümer des Grundstücks E.---------straße 30 in C. (Gemarkung 051101, Flur 6, Flurstück 43), das mit einem mehrgeschossigen ehemaligen Wohnhaus bebaut ist, welches nordöstlich grenzständig an das Gebäude E.---------straße 28 angrenzt. Das ehemalige Wohnhaus ist seit dem Jahre 1975 Gegenstand ordnungsbehördlicher Maßnahmen wegen Baufälligkeit und seit mindestens dem Jahre 1994 nicht mehr bewohnt.
3Mit Ordnungsverfügung vom 12. März 2010 ließ die Beklagte den Ziergiebel des Gebäudes wegen Einsturzgefahr entfernen. Wegen vom Dach und der Fassade des Gebäudes herabfallender Teile ist der öffentliche Gehweg vor dem Grundstück seit Anfang 2011 abgesperrt.
4Nachdem die Ortsbesichtigung der Beklagten unter Teilnahme eines Beteiligung eines städtischen Baustatikers am 2. Mai 2013 zum Ergebnis gekommen war, dass die Decken des Gebäudes straßenseitig einsturzgefährdet und teilweise bereits eingestürzt waren, hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2013 zu einer beabsichtigten Abrissverfügung des gesamten Gebäudes an. Daraufhin kündigte der Kläger unter dem 8. August 2013 an, ab September 2013 mit Reparaturarbeiten beginnen zu wollen.
5Bei der Ortsbesichtigung vom 30. September 2013 konnte die Beklagte keine Reparaturmaßnahmen erkennen, sondern hielt fest, dass die erforderliche Standsicherheit der Dachkonstruktion im Bereich des Ziergiebels nicht mehr vorhanden sei. Die Dachhaut der straßenseitigen Dachfläche sei in großen Teilen „offen“. Eine ausreichende Standsicherheit der Sparren gegenüber Schneelast sei aufgrund der Querschnittsschwächungen durch Fäulnis augenscheinlich nicht mehr gegeben. Die Kaminköpfe seien marode und lose und Ziegelsteine bereits heruntergefallen. Der Zustand Im Inneren des Hauses sei stark baufällig. Innenwände seien teilweise eingestürzt, Holztreppen morsch und teilweise eingestürzt. Bei einer Ortsbesichtigung am 29. November 2013 stellte die Beklagte fest, dass das Gebäude an der Frontfassade eingerüstet, der Garten von Bewuchs befreit und eine neue Eingangstür eingebaut war. Der Kläger war vor Ort anwesend und teilte mit, das Dach abdichten zu wollen und die Fenster zu entfernen. Im Frühjahr 2014 werde er mit der Sanierung beginnen. Bei der Ortsbesichtigung vom 7. November 2014 war das Gerüst entfernt, jedoch ansonsten keine fachgemäße Sanierung des Restgebäudes vorgenommen.
6Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger mit Ordnungsverfügung vom 13. November 2014 auf, das Wohngebäude binnen vier Monaten nach Zustellung der Verfügung unter Begleitung eines staatlich anerkannten Sachverständigen für Standsicherheit abzubrechen, um die Standsicherheit des Gebäudes E.---------straße 28 aufgrund der gemeinsamen Gebäudetrennwand nicht zu gefährden, und drohte dem Kläger für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000 € an. Zur Begründung führte die Beklagte aus, es liege ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften vor. Die Abbruchverfügung sei eine erforderliche Maßnahme gemäß § 61 Abs. 1 S. 2 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW). Die ursprünglich durch die Baugenehmigung vermittelte formelle Legalität sei wegen des Verfalls und der offensichtlichen Nutzungsausgabe des Gebäudes als Wohngebäude nicht mehr gegeben. Der sich aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergebende Bestandsschutz gewährleiste das Recht, ein altes, nach früherem Rechtszustand rechtmäßiges Gebäude unbeschadet etwaiger entgegenstehender neuer baurechtlicher Vorschriften zu nutzen. Der Bestandsschutz decke jedoch nicht den Wiederaufbau oder die Instandsetzung eines zerstörten Gebäudes aus seinen noch vorhandenen Resten. Eine mehrjährige Nichtnutzung eines Wohngebäudes führe zwar noch nicht zum Erlöschen des Bestandsschutzes. Dieser entfiele jedoch bei der Aufgabe der Wohnnutzung, welche anzunehmen sei, wenn das Gebäude selbst in einer Weise dem Verfall preisgegeben werde, der auch nach außen hin verdeutliche, dass eine Wiederaufnahme der Nutzung offensichtlich nicht mehr gewollt sei. Bei einem infolge Verfalls unbenutzbaren Gebäude fehle eine nach dem Baurecht wirksame Schutzwürdigkeit. Eine Beschränkung des Eigentumsrechts ergebe sich auch aus Artikel 14 Abs. 2 GG, der Immobilienbesitzer zur Instandhaltung verpflichte. Die bauliche Anlage sei auch materiell illegal. Das Gebäude weise wegen seines Verfalls nicht die nach § 15 Abs. 1 BauO NRW erforderliche Standsicherheit auf. Wegen der weitgehenden Zerstörung der Bausubstanz sei eine Wiederherstellung der Standsicherheit nicht möglich. Ferner liege ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW vor. Durch die nicht durchgeführte Instandhaltung entspreche das Gebäude nicht den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse und beeinträchtige das Straßenbild. Die Absperrung des Gehwegs vor dem Gebäude führe zu einem dauerhaften Entzug einer öffentlichen Fläche des Gemeingebrauchs. Die Abbruchverfügung sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Aufgrund des Verfalls und der Einsturzgefährdung des Gebäudes sowie der offensichtlichen Nutzungsaufgabe liege formelle und materielle Illegalität vor. Insbesondere sei die Maßnahme verhältnismäßig. Die vollständige Beseitigung des Gebäudes sei geeignet, den gesetzlichen Auftrag der Bauaufsichtsbehörde zu realisieren. Die Kosten des Abbruches seien geringer als die der Sanierung, die wegen des fortgeschrittenen Verfalls auch nicht mehr möglich sei. Der Kläger könne als Eigentümer des Gebäudes nach § 18 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz (OBG) in Anspruch genommen werden.
7Hiergegen hat der Kläger am 19. Dezember 2014 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Es lägen keine die Standsicherheit gefährdenden Baumängel vor. Die Abbruchverfügung sei unverhältnismäßig. Der Gefahr von sich lösenden Teilen des Gebäudes könne durch eine Einrüstung und Abdeckung des Gebäudes mit einer Plane begegnet werden. Der Abbruch stelle einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 14 GG dar, der eine Sanierung des Gebäudes unmöglich mache.
8Der Kläger beantragt,
9die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 13. November 2014 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie trägt zur Begründung vor: Dem Einwand des Klägers, ein Einrüsten der Fassade stelle gegenüber dem Abriss ein milderes Mittel dar, sei der gravierende Zustand des Gebäudes entgegenzuhalten. Der Baukörper sei abgängig. Die Schäden seien vollumfänglich und beträfen mit dem Dach, der Fassade und wesentlichen Bereichen im Inneren Bauteile, die unmittelbar für die Statik des Gebäudes relevant seien. Das Anbringen einer Plane reiche daher nicht aus. Das Vorbringen des Klägers, eine Sanierung stehe nunmehr unmittelbar bevor, sei unglaubhaft. Diese sei seit dem Jahr 2010 geplant.
13Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 11. März 2015 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Der Einzelrichter ist gem. § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zuständig, nachdem ihm das Verfahren durch Beschluss der Kammer vom 11. März 2015 übertragen worden ist.
16Die zulässige Klage ist unbegründet.
17Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 13. November 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
18Rechtsgrundlage der Abrissverfügung ist § 61 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 der BauO NRW. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. In Wahrnehmung dieser Aufgaben haben sie nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
19Die Verfügung ist formell rechtmäßig ergangen, insbesondere wurde der Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2013 gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen ordnungsgemäß angehört.
20Sie ist auch materiell rechtmäßig. Der Abbruch einer baulichen Anlage kann nach § 61 Abs. 1 BauO NRW angeordnet werden, wenn die Anlage formell und materiell baurechtswidrig und auch nicht genehmigungsfähig ist,
21vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 26. Mai 1978 – IV C 9.76 –, Baurechtssammlung (BRS) 33 Nr. 37; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 15. April 2005 – 7 A 19/03 –, BRS 69 Nr. 135.
22Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der bauordnungsrechtlichen Abbruchverfügung ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.
23OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2008 – 7 A 2828/07 –, juris Rn. 9.
24Zu diesem Zeitpunkt war die bauliche Anlage formell illegal. Die durch die erteilte Baugenehmigung ursprünglich vermittelte formelle Legalität und der damit verbundene Bestandsschutz sind weggefallen. Das Rechtsinstitut des Bestandsschutzes beinhaltet nur das Recht, ein ursprünglich legal errichtetes Gebäude weiterhin seiner bisherigen Funktion entsprechend nutzen zu dürfen. Es soll damit verhindert werden, dass eine vorhandene und funktionsentsprechende nutzbare Bausubstanz vernichtet wird,
25vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Februar 1994 – 10 A 1149/91 –, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 1994, 302.
26Ein Erlöschen des Bestandsschutzes kommt dann in Betracht, wenn die genehmigte Nutzung aufgegeben wird. Insoweit richtet sich die Frage, ob eine bestimmte Art der Nutzung einer baulichen Anlage noch in ihrem Bestand geschützt ist, danach, ob und in welchem Maße die baurechtliche Situation nach der Verkehrsauffassung als noch von dieser Nutzung geprägt erscheint. Vom Standpunkt eines objektiven Betrachters muss die bauliche Anlage für die bisher ausgeübte Nutzung noch offen sein. Dabei endet der Bestandsschutz für eine bestimmte Art der Nutzung nicht notwendig schon mit deren faktischer Beendigung. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG räumt dem Berechtigten vielmehr zum Schutz des Vertrauens in den Fortbestand einer bisherigen Rechtsposition je nach den konkreten Einzelumständen eine gewisse Zeitspanne ein, innerhalb derer der Bestandsschutz nachwirkt und noch Gelegenheit besteht, an den früheren Zustand anzuknüpfen,
27vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. März 1997 – 7 A 5179/95 –, BRS 59 Nr. 149; Oberverwaltungsgericht für das Land Rheinland-Pfalz (OVG RP), Urteil vom 22. April 1999 – 1 A 11193/98 –, BRS 62 Nr. 207.
28Eine bloße Nichtnutzung kann sich jedoch äußerlich erkennbar dahin dokumentieren, dass eine künftige Weiternutzung offensichtlich aufgegeben worden ist. Das ist anzunehmen, wenn das Gebäude selbst in einer Weise dem Verfall preisgegeben wird, der auch nach außen hin verdeutlicht, dass eine jederzeitige Wiederaufnahme der nur unterbrochenen Nutzung vom Berechtigten offensichtlich nicht mehr gewollt ist. Dann geht die Verkehrsauffassung auch bei Wohngebäuden davon aus, dass die Anlage für die bisher ausgeübte Nutzung nicht mehr in dem dargelegten Sinne „noch offen“ ist,
29vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. März 1997 – 7 A 5179/95 –, BRS 59 Nr. 149; VG Minden, Beschluss vom 8. August 2001 – 9 L 545/01 –, juris.
30Die Nutzung des Mehrfamilienhauses des Klägers als Wohngebäude ist bereits vor dem Jahre 1994 aufgegeben worden. Das Gebäude verfällt seit Jahrzehnten. Der Dachkonstruktion fehlt es wegen fortschreitender Fäulnis an Standsicherheit. Die Dachhaut ist im straßenseitigen Teil in großen Teilen beschädigt. Es lösen sich Ziegelsteine, Putz- und Fassadenteile. Die Stahlträger des Gebäudes weist eine fortgeschrittene Korrosion auf. Das oberste Zwischenpodest und der Treppenlauf ins Dachgeschoss sind durch Fäulnis einsturzgefährdet. Im 2. Obergeschoss sind die Dachgeschossdecke und die Fußbodendecke an der Straßenseite in großen Teilen eingestürzt. Im 1. Obergeschoss droht der Einsturz der Decken. Wegen der baulichen Mängel ist der öffentliche Gehweg vor dem Gebäude seit Anfang 2011 abgesperrt. Der nach außen sichtbare Verfall des Wohnhauses führt eindrucksvoll vor Augen, dass eine Wohnnutzung in absehbarer Zeit auch nicht mehr aufgenommen werden kann. Gegen die Möglichkeit, an die frühere Nutzung anzuknüpfen, spricht auch die seit der Aufgabe der Wohnnutzung vergangene erhebliche Zeitspanne. Insbesondere sind seither keine Sanierungsarbeiten an dem Gebäude ausgeführt worden.
31Die bauliche Anlage ist materiell illegal. Sie verstößt gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 – jedenfalls in Gestalt der 2. Alt. – BauO NRW. Danach muss jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Standsicherheit meint vor dem Hintergrund der intendierten Gefahrenabwehr eine Sicherheit in Bezug auf das Umfallen und Abbrechen von Gebäudeteilen,
32vgl. Schönenbroicher/Kamp/Garrelmann, BauO NRW, § 15 Rn. 4.
33Das Gebäude des Klägers ist jedenfalls teilweise nicht standsicher. Die Dachkonstruktion, das oberste Zwischenpodest und der Treppenlauf ins Dachgeschoss weisen Fäulnis auf und sind einsturzgefährdet. Im 2. Obergeschoss sind die Dachgeschossdecke und die Fußbodendecke bereits in großen Teilen eingestürzt. Im 1. Obergeschoss droht der Einsturz der Decken. Dies folgt aus den Dokumentation der Beklagten anlässlich der zahlreichen Ortsbesichtigungen, denen der Kläger zu keinem Zeitpunkt entgegen getreten ist.
34Es liegt überdies ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 4 BauO NRW vor. Danach sind bauliche Anlagen so instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Zur öffentlichen Sicherheit gehören die allgemeinen Anforderungen an die Standsicherheit eines Gebäudes,
35vgl. Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl., § 3 Rn. 44.
36Das Gebäude ist wegen seiner erheblichen baulichen Mängel jedenfalls in Teilen nicht standsicher und teilweise eingestürzt. Es lösen sich Ziegelstein sowie Putz- und Fassadenteile. Diese fallen straßenseitig auf den öffentlichen Raum herab. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass diese trotz der Absperrung des Gehweges Personen gefährden könnten. Durch die eingestürzten bzw. heruntergefallenen Gebäudeteile wird deutlich, dass sich die Gefahren bereits – in Gestalt von Schäden – realisiert haben. Hinzu tritt, dass das Gebäude aufgrund der unterbliebenen Instandhaltung und Sanierung nicht den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse entspricht und wegen Abnutzung, Witterungseinflüssen und Alterung seine bestimmungsgemäße Nutzung als Wohngebäude nicht erfüllen kann.
37Die Beklagte hat das ihr in § 61 Abs. 1 Satz BauO NRW eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht, soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, nur, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die gesetzliche Grenze des Ermessens ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
38Die Abbruchverfügung ist ein geeignetes Mittel zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustands im Sinne der Gefahrenabwehr. Sie ist erforderlich. Es kann offen bleiben, ob die Standsicherheit des Gebäudes im Ganzen beeinträchtigt ist, so dass allein die Beseitigung des Gebäudes das zur Gefahrenabwehr geeignete Mittel darstellt. Hierfür spricht allerdings, dass der beschriebene Zustand des Gebäudes eine derartige Beeinträchtigung der Standsicherheit des gesamten Gebäudes nahe legt. Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BauO NRW liegt bereits dann vor, wenn die Standsicherheit einer baulichen Anlage ungeklärt ist und hinreichenden Zweifeln unterliegt,
39vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12. September 2014 – 9 K 2342/13 –, juris Rn. 46 f.; Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW 12. Aufl., § 15 Rn. 1.
40Unabhängig davon ist die Beseitigungsverfügung auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn unterstellt wird, dass die Standsicherheit des gesamten Gebäudes gegenwärtig nicht beeinträchtigt ist. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung,
41BVerwG, Beschluss vom 30. August 1996 – 4 B 117/96 –, juris Rn. 2 m. w. N.; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, § 61 Rn. 77,
42ist in dem Verlangen auf Abbruch eines materiell rechtswidrigen Bauwerks nur in den seltensten Fällen ein Übermaß zu sehen, nämlich dann, wenn von vornherein erkennbar ist, dass ein für sich allein ohne weiteres lebensfähiger, dem materiellen Baurecht entsprechender Rest-Baukörper stehen bleiben kann. Im Übrigen muss vom Bürger verlangt werden, dass er gegenüber der Beseitigungsverfügung einer Behörde einen ganz bestimmten Gegenvorschlag für die Abänderung des Gebäudes unterbreitet. Diesen hat die Beklagte im Rahmen eines Austauschmittels nach § 21 Satz 2 OBG zu würdigen. Aufgrund des verwahrlosten und baufälligen Zustands des Gebäudes, der in den zahlreichen Ortsbesichtigungen der Beklagten auch fotografisch dokumentiert ist, und dem der Kläger zu keinem Zeitpunkt entgegen getreten ist, ist ein derartiger Ausnahmefall nicht erkennbar, so dass die Beseitigungsverfügung verhältnismäßig ist.
43Die Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 20.000,00 € in der Ordnungsverfügung vom 13. November 2014 ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage sind die §§ 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1, 63, 55 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Die Androhung ist mit einer angemessenen Frist von vier Monaten zur Erfüllung gemäß § 63 Abs. 1 Satz VwVG NRW versehen.
44Das angedrohte Zwangsmittel ist geeignet, die in Rede stehenden Gefahren effektiv zu beseitigen. Zwar vermutete die Beklagte im Verwaltungsverfahren aufgrund der Genese des Sachverhaltes, insbesondere der bislang unterbliebenen Sanierung des Gebäudes, eine finanzielle Mittellosigkeit des Klägers, die für die Ersatzvornahme als Zwangsmittel gesprochen hätte. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte jedoch ausgeführt, der Kläger habe die Zwangsversteigerung eines anderen Grundstückes in der Vergangenheit dadurch habe abwenden können, dass er im Versteigerungstermin die Außenstände beglichen habe. Wenn der Kläger demnach über finanzielle Mittel verfügt, durfte die Beklagte das Zwangsgeld als geeignetes Zwangsmittel ansehen.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
46Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Zivilprozessordnung.
Die Behörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Die Behörde ist berechtigt, die Vorlage des Dokuments zu verlangen, das berichtigt werden soll.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist seit dem Jahre 1975 Eigentümer des Grundstücks E.---------straße 30 in C. (Gemarkung 051101, Flur 6, Flurstück 43), das mit einem mehrgeschossigen ehemaligen Wohnhaus bebaut ist, welches nordöstlich grenzständig an das Gebäude E.---------straße 28 angrenzt. Das ehemalige Wohnhaus ist seit dem Jahre 1975 Gegenstand ordnungsbehördlicher Maßnahmen wegen Baufälligkeit und seit mindestens dem Jahre 1994 nicht mehr bewohnt.
3Mit Ordnungsverfügung vom 12. März 2010 ließ die Beklagte den Ziergiebel des Gebäudes wegen Einsturzgefahr entfernen. Wegen vom Dach und der Fassade des Gebäudes herabfallender Teile ist der öffentliche Gehweg vor dem Grundstück seit Anfang 2011 abgesperrt.
4Nachdem die Ortsbesichtigung der Beklagten unter Teilnahme eines Beteiligung eines städtischen Baustatikers am 2. Mai 2013 zum Ergebnis gekommen war, dass die Decken des Gebäudes straßenseitig einsturzgefährdet und teilweise bereits eingestürzt waren, hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2013 zu einer beabsichtigten Abrissverfügung des gesamten Gebäudes an. Daraufhin kündigte der Kläger unter dem 8. August 2013 an, ab September 2013 mit Reparaturarbeiten beginnen zu wollen.
5Bei der Ortsbesichtigung vom 30. September 2013 konnte die Beklagte keine Reparaturmaßnahmen erkennen, sondern hielt fest, dass die erforderliche Standsicherheit der Dachkonstruktion im Bereich des Ziergiebels nicht mehr vorhanden sei. Die Dachhaut der straßenseitigen Dachfläche sei in großen Teilen „offen“. Eine ausreichende Standsicherheit der Sparren gegenüber Schneelast sei aufgrund der Querschnittsschwächungen durch Fäulnis augenscheinlich nicht mehr gegeben. Die Kaminköpfe seien marode und lose und Ziegelsteine bereits heruntergefallen. Der Zustand Im Inneren des Hauses sei stark baufällig. Innenwände seien teilweise eingestürzt, Holztreppen morsch und teilweise eingestürzt. Bei einer Ortsbesichtigung am 29. November 2013 stellte die Beklagte fest, dass das Gebäude an der Frontfassade eingerüstet, der Garten von Bewuchs befreit und eine neue Eingangstür eingebaut war. Der Kläger war vor Ort anwesend und teilte mit, das Dach abdichten zu wollen und die Fenster zu entfernen. Im Frühjahr 2014 werde er mit der Sanierung beginnen. Bei der Ortsbesichtigung vom 7. November 2014 war das Gerüst entfernt, jedoch ansonsten keine fachgemäße Sanierung des Restgebäudes vorgenommen.
6Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger mit Ordnungsverfügung vom 13. November 2014 auf, das Wohngebäude binnen vier Monaten nach Zustellung der Verfügung unter Begleitung eines staatlich anerkannten Sachverständigen für Standsicherheit abzubrechen, um die Standsicherheit des Gebäudes E.---------straße 28 aufgrund der gemeinsamen Gebäudetrennwand nicht zu gefährden, und drohte dem Kläger für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000 € an. Zur Begründung führte die Beklagte aus, es liege ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften vor. Die Abbruchverfügung sei eine erforderliche Maßnahme gemäß § 61 Abs. 1 S. 2 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW). Die ursprünglich durch die Baugenehmigung vermittelte formelle Legalität sei wegen des Verfalls und der offensichtlichen Nutzungsausgabe des Gebäudes als Wohngebäude nicht mehr gegeben. Der sich aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergebende Bestandsschutz gewährleiste das Recht, ein altes, nach früherem Rechtszustand rechtmäßiges Gebäude unbeschadet etwaiger entgegenstehender neuer baurechtlicher Vorschriften zu nutzen. Der Bestandsschutz decke jedoch nicht den Wiederaufbau oder die Instandsetzung eines zerstörten Gebäudes aus seinen noch vorhandenen Resten. Eine mehrjährige Nichtnutzung eines Wohngebäudes führe zwar noch nicht zum Erlöschen des Bestandsschutzes. Dieser entfiele jedoch bei der Aufgabe der Wohnnutzung, welche anzunehmen sei, wenn das Gebäude selbst in einer Weise dem Verfall preisgegeben werde, der auch nach außen hin verdeutliche, dass eine Wiederaufnahme der Nutzung offensichtlich nicht mehr gewollt sei. Bei einem infolge Verfalls unbenutzbaren Gebäude fehle eine nach dem Baurecht wirksame Schutzwürdigkeit. Eine Beschränkung des Eigentumsrechts ergebe sich auch aus Artikel 14 Abs. 2 GG, der Immobilienbesitzer zur Instandhaltung verpflichte. Die bauliche Anlage sei auch materiell illegal. Das Gebäude weise wegen seines Verfalls nicht die nach § 15 Abs. 1 BauO NRW erforderliche Standsicherheit auf. Wegen der weitgehenden Zerstörung der Bausubstanz sei eine Wiederherstellung der Standsicherheit nicht möglich. Ferner liege ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW vor. Durch die nicht durchgeführte Instandhaltung entspreche das Gebäude nicht den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse und beeinträchtige das Straßenbild. Die Absperrung des Gehwegs vor dem Gebäude führe zu einem dauerhaften Entzug einer öffentlichen Fläche des Gemeingebrauchs. Die Abbruchverfügung sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Aufgrund des Verfalls und der Einsturzgefährdung des Gebäudes sowie der offensichtlichen Nutzungsaufgabe liege formelle und materielle Illegalität vor. Insbesondere sei die Maßnahme verhältnismäßig. Die vollständige Beseitigung des Gebäudes sei geeignet, den gesetzlichen Auftrag der Bauaufsichtsbehörde zu realisieren. Die Kosten des Abbruches seien geringer als die der Sanierung, die wegen des fortgeschrittenen Verfalls auch nicht mehr möglich sei. Der Kläger könne als Eigentümer des Gebäudes nach § 18 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz (OBG) in Anspruch genommen werden.
7Hiergegen hat der Kläger am 19. Dezember 2014 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Es lägen keine die Standsicherheit gefährdenden Baumängel vor. Die Abbruchverfügung sei unverhältnismäßig. Der Gefahr von sich lösenden Teilen des Gebäudes könne durch eine Einrüstung und Abdeckung des Gebäudes mit einer Plane begegnet werden. Der Abbruch stelle einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 14 GG dar, der eine Sanierung des Gebäudes unmöglich mache.
8Der Kläger beantragt,
9die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 13. November 2014 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie trägt zur Begründung vor: Dem Einwand des Klägers, ein Einrüsten der Fassade stelle gegenüber dem Abriss ein milderes Mittel dar, sei der gravierende Zustand des Gebäudes entgegenzuhalten. Der Baukörper sei abgängig. Die Schäden seien vollumfänglich und beträfen mit dem Dach, der Fassade und wesentlichen Bereichen im Inneren Bauteile, die unmittelbar für die Statik des Gebäudes relevant seien. Das Anbringen einer Plane reiche daher nicht aus. Das Vorbringen des Klägers, eine Sanierung stehe nunmehr unmittelbar bevor, sei unglaubhaft. Diese sei seit dem Jahr 2010 geplant.
13Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 11. März 2015 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Der Einzelrichter ist gem. § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zuständig, nachdem ihm das Verfahren durch Beschluss der Kammer vom 11. März 2015 übertragen worden ist.
16Die zulässige Klage ist unbegründet.
17Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 13. November 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
18Rechtsgrundlage der Abrissverfügung ist § 61 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 der BauO NRW. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. In Wahrnehmung dieser Aufgaben haben sie nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
19Die Verfügung ist formell rechtmäßig ergangen, insbesondere wurde der Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2013 gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen ordnungsgemäß angehört.
20Sie ist auch materiell rechtmäßig. Der Abbruch einer baulichen Anlage kann nach § 61 Abs. 1 BauO NRW angeordnet werden, wenn die Anlage formell und materiell baurechtswidrig und auch nicht genehmigungsfähig ist,
21vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 26. Mai 1978 – IV C 9.76 –, Baurechtssammlung (BRS) 33 Nr. 37; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 15. April 2005 – 7 A 19/03 –, BRS 69 Nr. 135.
22Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der bauordnungsrechtlichen Abbruchverfügung ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.
23OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2008 – 7 A 2828/07 –, juris Rn. 9.
24Zu diesem Zeitpunkt war die bauliche Anlage formell illegal. Die durch die erteilte Baugenehmigung ursprünglich vermittelte formelle Legalität und der damit verbundene Bestandsschutz sind weggefallen. Das Rechtsinstitut des Bestandsschutzes beinhaltet nur das Recht, ein ursprünglich legal errichtetes Gebäude weiterhin seiner bisherigen Funktion entsprechend nutzen zu dürfen. Es soll damit verhindert werden, dass eine vorhandene und funktionsentsprechende nutzbare Bausubstanz vernichtet wird,
25vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Februar 1994 – 10 A 1149/91 –, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 1994, 302.
26Ein Erlöschen des Bestandsschutzes kommt dann in Betracht, wenn die genehmigte Nutzung aufgegeben wird. Insoweit richtet sich die Frage, ob eine bestimmte Art der Nutzung einer baulichen Anlage noch in ihrem Bestand geschützt ist, danach, ob und in welchem Maße die baurechtliche Situation nach der Verkehrsauffassung als noch von dieser Nutzung geprägt erscheint. Vom Standpunkt eines objektiven Betrachters muss die bauliche Anlage für die bisher ausgeübte Nutzung noch offen sein. Dabei endet der Bestandsschutz für eine bestimmte Art der Nutzung nicht notwendig schon mit deren faktischer Beendigung. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG räumt dem Berechtigten vielmehr zum Schutz des Vertrauens in den Fortbestand einer bisherigen Rechtsposition je nach den konkreten Einzelumständen eine gewisse Zeitspanne ein, innerhalb derer der Bestandsschutz nachwirkt und noch Gelegenheit besteht, an den früheren Zustand anzuknüpfen,
27vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. März 1997 – 7 A 5179/95 –, BRS 59 Nr. 149; Oberverwaltungsgericht für das Land Rheinland-Pfalz (OVG RP), Urteil vom 22. April 1999 – 1 A 11193/98 –, BRS 62 Nr. 207.
28Eine bloße Nichtnutzung kann sich jedoch äußerlich erkennbar dahin dokumentieren, dass eine künftige Weiternutzung offensichtlich aufgegeben worden ist. Das ist anzunehmen, wenn das Gebäude selbst in einer Weise dem Verfall preisgegeben wird, der auch nach außen hin verdeutlicht, dass eine jederzeitige Wiederaufnahme der nur unterbrochenen Nutzung vom Berechtigten offensichtlich nicht mehr gewollt ist. Dann geht die Verkehrsauffassung auch bei Wohngebäuden davon aus, dass die Anlage für die bisher ausgeübte Nutzung nicht mehr in dem dargelegten Sinne „noch offen“ ist,
29vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. März 1997 – 7 A 5179/95 –, BRS 59 Nr. 149; VG Minden, Beschluss vom 8. August 2001 – 9 L 545/01 –, juris.
30Die Nutzung des Mehrfamilienhauses des Klägers als Wohngebäude ist bereits vor dem Jahre 1994 aufgegeben worden. Das Gebäude verfällt seit Jahrzehnten. Der Dachkonstruktion fehlt es wegen fortschreitender Fäulnis an Standsicherheit. Die Dachhaut ist im straßenseitigen Teil in großen Teilen beschädigt. Es lösen sich Ziegelsteine, Putz- und Fassadenteile. Die Stahlträger des Gebäudes weist eine fortgeschrittene Korrosion auf. Das oberste Zwischenpodest und der Treppenlauf ins Dachgeschoss sind durch Fäulnis einsturzgefährdet. Im 2. Obergeschoss sind die Dachgeschossdecke und die Fußbodendecke an der Straßenseite in großen Teilen eingestürzt. Im 1. Obergeschoss droht der Einsturz der Decken. Wegen der baulichen Mängel ist der öffentliche Gehweg vor dem Gebäude seit Anfang 2011 abgesperrt. Der nach außen sichtbare Verfall des Wohnhauses führt eindrucksvoll vor Augen, dass eine Wohnnutzung in absehbarer Zeit auch nicht mehr aufgenommen werden kann. Gegen die Möglichkeit, an die frühere Nutzung anzuknüpfen, spricht auch die seit der Aufgabe der Wohnnutzung vergangene erhebliche Zeitspanne. Insbesondere sind seither keine Sanierungsarbeiten an dem Gebäude ausgeführt worden.
31Die bauliche Anlage ist materiell illegal. Sie verstößt gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 – jedenfalls in Gestalt der 2. Alt. – BauO NRW. Danach muss jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Standsicherheit meint vor dem Hintergrund der intendierten Gefahrenabwehr eine Sicherheit in Bezug auf das Umfallen und Abbrechen von Gebäudeteilen,
32vgl. Schönenbroicher/Kamp/Garrelmann, BauO NRW, § 15 Rn. 4.
33Das Gebäude des Klägers ist jedenfalls teilweise nicht standsicher. Die Dachkonstruktion, das oberste Zwischenpodest und der Treppenlauf ins Dachgeschoss weisen Fäulnis auf und sind einsturzgefährdet. Im 2. Obergeschoss sind die Dachgeschossdecke und die Fußbodendecke bereits in großen Teilen eingestürzt. Im 1. Obergeschoss droht der Einsturz der Decken. Dies folgt aus den Dokumentation der Beklagten anlässlich der zahlreichen Ortsbesichtigungen, denen der Kläger zu keinem Zeitpunkt entgegen getreten ist.
34Es liegt überdies ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 4 BauO NRW vor. Danach sind bauliche Anlagen so instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Zur öffentlichen Sicherheit gehören die allgemeinen Anforderungen an die Standsicherheit eines Gebäudes,
35vgl. Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl., § 3 Rn. 44.
36Das Gebäude ist wegen seiner erheblichen baulichen Mängel jedenfalls in Teilen nicht standsicher und teilweise eingestürzt. Es lösen sich Ziegelstein sowie Putz- und Fassadenteile. Diese fallen straßenseitig auf den öffentlichen Raum herab. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass diese trotz der Absperrung des Gehweges Personen gefährden könnten. Durch die eingestürzten bzw. heruntergefallenen Gebäudeteile wird deutlich, dass sich die Gefahren bereits – in Gestalt von Schäden – realisiert haben. Hinzu tritt, dass das Gebäude aufgrund der unterbliebenen Instandhaltung und Sanierung nicht den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse entspricht und wegen Abnutzung, Witterungseinflüssen und Alterung seine bestimmungsgemäße Nutzung als Wohngebäude nicht erfüllen kann.
37Die Beklagte hat das ihr in § 61 Abs. 1 Satz BauO NRW eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht, soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, nur, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die gesetzliche Grenze des Ermessens ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
38Die Abbruchverfügung ist ein geeignetes Mittel zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustands im Sinne der Gefahrenabwehr. Sie ist erforderlich. Es kann offen bleiben, ob die Standsicherheit des Gebäudes im Ganzen beeinträchtigt ist, so dass allein die Beseitigung des Gebäudes das zur Gefahrenabwehr geeignete Mittel darstellt. Hierfür spricht allerdings, dass der beschriebene Zustand des Gebäudes eine derartige Beeinträchtigung der Standsicherheit des gesamten Gebäudes nahe legt. Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BauO NRW liegt bereits dann vor, wenn die Standsicherheit einer baulichen Anlage ungeklärt ist und hinreichenden Zweifeln unterliegt,
39vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12. September 2014 – 9 K 2342/13 –, juris Rn. 46 f.; Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW 12. Aufl., § 15 Rn. 1.
40Unabhängig davon ist die Beseitigungsverfügung auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn unterstellt wird, dass die Standsicherheit des gesamten Gebäudes gegenwärtig nicht beeinträchtigt ist. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung,
41BVerwG, Beschluss vom 30. August 1996 – 4 B 117/96 –, juris Rn. 2 m. w. N.; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, § 61 Rn. 77,
42ist in dem Verlangen auf Abbruch eines materiell rechtswidrigen Bauwerks nur in den seltensten Fällen ein Übermaß zu sehen, nämlich dann, wenn von vornherein erkennbar ist, dass ein für sich allein ohne weiteres lebensfähiger, dem materiellen Baurecht entsprechender Rest-Baukörper stehen bleiben kann. Im Übrigen muss vom Bürger verlangt werden, dass er gegenüber der Beseitigungsverfügung einer Behörde einen ganz bestimmten Gegenvorschlag für die Abänderung des Gebäudes unterbreitet. Diesen hat die Beklagte im Rahmen eines Austauschmittels nach § 21 Satz 2 OBG zu würdigen. Aufgrund des verwahrlosten und baufälligen Zustands des Gebäudes, der in den zahlreichen Ortsbesichtigungen der Beklagten auch fotografisch dokumentiert ist, und dem der Kläger zu keinem Zeitpunkt entgegen getreten ist, ist ein derartiger Ausnahmefall nicht erkennbar, so dass die Beseitigungsverfügung verhältnismäßig ist.
43Die Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 20.000,00 € in der Ordnungsverfügung vom 13. November 2014 ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage sind die §§ 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1, 63, 55 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Die Androhung ist mit einer angemessenen Frist von vier Monaten zur Erfüllung gemäß § 63 Abs. 1 Satz VwVG NRW versehen.
44Das angedrohte Zwangsmittel ist geeignet, die in Rede stehenden Gefahren effektiv zu beseitigen. Zwar vermutete die Beklagte im Verwaltungsverfahren aufgrund der Genese des Sachverhaltes, insbesondere der bislang unterbliebenen Sanierung des Gebäudes, eine finanzielle Mittellosigkeit des Klägers, die für die Ersatzvornahme als Zwangsmittel gesprochen hätte. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte jedoch ausgeführt, der Kläger habe die Zwangsversteigerung eines anderen Grundstückes in der Vergangenheit dadurch habe abwenden können, dass er im Versteigerungstermin die Außenstände beglichen habe. Wenn der Kläger demnach über finanzielle Mittel verfügt, durfte die Beklagte das Zwangsgeld als geeignetes Zwangsmittel ansehen.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
46Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Zivilprozessordnung.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.