Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 09. März 2016 - 5 L 2532/15
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
2. Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der sinngemäße Antrag,
3weitere Erdarbeiten mit schwerem Gerät auf dem Vorhabengrundstück durch die Beigeladene vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen,
4hat keinen Erfolg.
5Der auf Untersagung faktischer Vollziehung gerichtete Antrag ist gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) analog zwar statthaft,
6vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rn. 181,
7in Bezug auf den Antragsteller zu 2. jedoch bereits unzulässig, weil dessen Klage – 5 K 920/15 – gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 16. September 2014 keine aufschiebende Wirkung hat. Durch Beschluss vom 5. März 2015 – 5 L 361/15 – hat die Kammer seinen Antrag auf Anordnung der – gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO iVm § 212a Baugesetzbuch gesetzlich ausgeschlossenen – aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Dieser Beschluss ist nicht angefochten. Den insoweit akzessorischen Anspruch auf Untersagung faktischer Vollziehung der Baugenehmigung kann der Antragsteller zu 2. daher mangels aufschiebender Wirkung seiner Klage von vornherein nicht geltend machen.
8In Bezug auf den Antragsteller zu 1. ist der zulässige Antrag unbegründet, weil eine Verletzung der aufschiebenden Wirkung der Klage – 5 K 4759/14 – durch Baumaßnahmen der Beigeladenen bei summarischer Prüfung nicht festzustellen ist. Nach dem Schriftsatz der Beigeladenen vom 6. Januar 2016 hat diese am 16. und am 22. Dezember 2015 durch einen Generalunternehmer auf dem Flurstück Nr. 877 Aufräumarbeiten mit einem Traktor und einem Minibagger vorgenommen. Die Oberfläche sei gefräst worden, um dem Wildwuchs Einhalt zu gebieten und das Aussamen auf Nachbargrundstücke im Frühjahr zu verhindern. Mit dem Minibagger sei die Oberfläche begradigt worden, um eine etwaige Unfallgefahr auf dem Grundstück zu mindern. Bei beiden Vorgängen handele es sich nicht um die Errichtung, Änderung oder den Abbruch einer baulichen Anlage. Beides verstoße daher nicht gegen die durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Juni 2015 – 10 B 392/15 – angeordnete aufschiebende Wirkung der Klage – 5 K 4759/14 –. Die Beklagte ist diesen Ausführungen mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2015 beigetreten.
9Der Antragsteller zu 1. hat dagegen in der Antragsschrift vorgetragen, die Beigeladene führe „auf dem Vorhabengrundstück (…) umfangreiche Erdarbeiten mit schwerem Gerät“ durch. Es kann offen bleiben, ob der Antragsteller zu 1. mit diesem Vorbringen Verstöße der Beigeladenen gegen die aufschiebende Wirkung seiner Klage substantiiert geltend gemacht hat. Jedenfalls ist der Antragsteller zu 1. dem gegenteiligen Vorbringen der Beigeladenen und der Beklagten trotz gerichtlicher Aufforderung zur Stellungnahme nicht entgegengetreten, so dass ein Verstoß gegen die aufschiebende Wirkung der Klage bei summarischer Prüfung nicht feststellbar ist. Die nach den Angaben der Beigeladenen erfolgten Aufräum- und Erdarbeiten auf dem Vorhabengrundstück verstoßen, da sie nicht auf die Errichtung des Discountmarktes abzielen und im Übrigen baugenehmigungsfrei sind, nicht gegen die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers zu 1.
10Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt und sich damit nicht dem Risiko der Auferlegung von Kosten ausgesetzt haben (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
11Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit Ziffer 7. a) des Streitwertkataloges der Bausenate des OVG NRW vom 17. September 2003,
12BauR 2003, 1883.
13Dabei geht die Kammer in Ausübung richterlichen Ermessens angesichts der Beeinträchtigung zweier Nachbargrundstücke durch das Vorhaben von einem Hauptsachestreitwert von 15.000,00 € aus, der gemäß Ziffer 12. a) dieses Kataloges zu halbieren ist.
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(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.
(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 5 K 4759/14 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 16. September 2014 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet.
3Die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und dem öffentlichen sowie dem privaten Interesse der Beigeladenen an einer sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus.
4Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 16. September 2014 zur Errichtung eines Aldi-Marktes mit 89 Stellplätzen und Schallschutzwänden (im Folgenden: Vorhaben) abgelehnt.
5Auch wenn § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO bei der Entscheidung über die Beschwerde die Prüfung grundsätzlich auf die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe beschränkt und diese hier eine Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts nicht rechtfertigen, hindert dies den Senat nicht, diese Beschränkung nach ihrem Sinn und Zweck ausnahmsweise zurückzustellen, wenn die angegriffene Baugenehmigung offensichtlich rechtswidrig und zu erwarten ist, dass sie im nachfolgenden Klageverfahren keinen Bestand haben wird.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Dezember 2014
7– 10 B 1242/14 –.
8Ein solcher Fall liegt hier vor. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist offensichtlich rechtswidrig und wird in dem von dem Antragsteller eingeleiteten Klageverfahren voraussichtlich aufzuheben sein.
9Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes regelmäßig gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die der Beigeladenen für das Vorhaben erteilte Baugenehmigung den Antragsteller in subjektiven öffentlichen Rechten verletzt.
10Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ist nicht nach den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 926 „I. /I1.-straße “ der Antragsgegnerin (im Folgenden: Bebauungsplan) zu beurteilen, denn dieser ist unwirksam. Nach der ständigen Rechtsprechung der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts ist zwar in Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich von der Wirksamkeit eines Bebauungsplans auszugehen, jedoch nur dann, wenn dieser nicht – wie hier – offensichtlich unwirksam ist.
11Der Bebauungsplan leidet an einem nach § 214 Abs. 2a Nr. 4 Halbsatz 2 BauGB beachtlichen Mangel, weil das beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB angewendet wurde, obwohl die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Verfahrens mit Blick auf den Ausschlussgrund des § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB nicht gegeben waren. Die Beurteilung, dass der Ausschlussgrund nach § 13a Abs. 1 Satz 4 nicht vorliegt, gilt als zutreffend, wenn das Ergebnis dieser Beurteilung nachvollziehbar ist und durch den Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von Vorhaben nach Spalte 1 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) begründet wird (§ 214 Abs. 2a Nr. 4 Halbsatz 1 BauGB).
12Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB ist das beschleunigte Verfahren ausgeschlossen, wenn durch den Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben begründet wird, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVPG unterliegen. Der Bebauungsplan begründet die Zulässigkeit eines solchen UVP-pflichtigen Vorhabens.
13Nach § 3c Satz 1 UVPG ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn für das Vorhaben nach der Anlage 1 zum UVPG eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist und das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären.
14Für das nach dem Bebauungsplan zulässige Vorhaben ist nach Nr. 18.8 in Verbindung mit Nr. 18.6 der Anlage 1 zum UVPG eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen, da es sich dabei um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO mit einer zulässigen Geschossfläche von 1.200 qm bis weniger als 5.000 qm handelt, für den im Innenbereich ein Bebauungsplan aufgestellt wird. Nach der textlichen Festsetzung Nr. 2 ist in dem festgesetzten Sondergebiet ein großflächiger Lebensmittelmarkt mit einer Verkaufsfläche von maximal 1.200 qm zulässig, was in Verbindung mit den festgesetzten Baugrenzen und einer zulässigen Grundflächenzahl von 0,8 eine entsprechend größere Geschossfläche erlaubt. Dementsprechend ist in der für das Vorhaben erteilten Baugenehmigung eine Geschossfläche von mehr als 1.500 qm genehmigt worden.
15Die Einschätzung des Rates, dass die nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zulässigen Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen haben können, trifft angesichts des der Planung des Sondergebietes zu Grunde liegenden konkreten Vorhabens ersichtlich nicht zu, sodass das Ergebnis der Beurteilung, der Ausschlussgrund nach § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB liege nicht vor, nicht nachvollziehbar ist.
16Nachvollziehbar ist das Ergebnis der Beurteilung, wenn die Einschätzung zum Zeitpunkt der Feststellung insgesamt als vertretbar bezeichnet werden kann.
17Vgl. auch Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, Bd. V, § 214 Rn. 129g.
18Dem Plangeber kommt dabei ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten worden sind, ob der Plangeber von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, ob er den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und ob bei der eigentlichen Beurteilung allgemein gültige Wertungsmaßstäbe eingehalten worden sind und die Beurteilung willkürfrei war.
19Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2008 – 8 D 14/07.AK –.
20Insbesondere müssen schon im Rahmen der Vorprüfung alle erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen berücksichtigt und in der Umweltverträglichkeitsprüfung so herausgearbeitet werden, dass sie in die planerische Abwägungsentscheidung eingehen können. Aus dem vorbereitenden Charakter der Vorprüfung folgt, dass erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG und damit die Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung regelmäßig anzunehmen sind, wenn die zu erwartenden Umweltauswirkungen abwägungsrelevant sind.
21Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. April 2014 – 7 D 57/12.NE –.
22Von diesem richtigen Verständnis des Begriffs der erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG ist der Rat bei seiner Beurteilung, der Ausschlussgrund des § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB liege nicht vor, gerade nicht ausgegangen. Die Verwaltung der Antragsgegnerin hatte im Rahmen der Vorprüfung festgestellt, dass von dem durch den Bebauungsplan zugelassenen und konkret beabsichtigten Vorhaben erhebliche Lärmimmissionen ausgehen können. Die dieser Einschätzung zu Grunde liegende schalltechnische Untersuchung der Sachverständigen V. & Partner zeigt auf, dass in der Umgebung des Sondergebietes die Grenzwerte der TA Lärm nur bei entsprechenden baulichen Schutzmaßnahmen in Gestalt von Schallschutzwänden eingehalten werden. Diese konkret zu erwartenden Umweltauswirkungen in Form von Schallimmissionen waren abwägungsrelevant.
23Erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen sind bei der Bauleitplanung nicht erst dann zu berücksichtigen, wenn Grenzwerte überschritten werden,
24vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013– 4 A 1.13 –, juris, Rn. 37; OVG NRW, Urteil vom 10. April 2014 – 7 D 57/12.NE –,
25sodass die Einhaltung der Grenzwerte der TA Lärm nicht automatisch zu einer Verneinung erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen führt. Vielmehr sind auch solche Umweltauswirkungen abwägungsrelevant, die unterhalb der bestehenden Grenzwerte liegen, soweit nach der Vorprüfung ein Einfluss auf das Ergebnis des Aufstellungsverfahrens nicht ausgeschlossen werden kann. Das liegt umso näher, je näher die zu erwartenden Umweltauswirkungen an diese Grenzwerte heranreichen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013– 4 A 1.13 –, a.a.O.
27Hier ergibt sich die Abwägungsrelevanz der Lärmimmissionen schon aus dem Umstand, dass die Grenzwerte der TA Lärm wegen des im Sondergebiet zugelassenen Vorhabens nur bei entsprechenden Schallschutzauflagen in der bauaufsichtlichen Genehmigung des Vorhabens eingehalten werden können. Es liegt auf der Hand, dass die durch das Vorhaben vermutlich verursachten Lärmimmissionen Einfluss auf das Ergebnis des Aufstellungsverfahrens haben konnten. Dies zeigen auch die in Nr. 5 getroffenen textlichen Festsetzungen zur Errichtung von Lärmschutzwänden.
28Dass der Rat die Errichtung von Lärmschutzwänden durch Festsetzungen zugelassen hat, machte die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zur Vorbereitung der abschließenden Abwägungsentscheidung nicht entbehrlich. Die Lärmschutzwände sind insbesondere keine bereits von dem Vorhabenträger vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen, die nachteilige Umweltauswirkungen offensichtlich ausschließen.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013– 4 A 1.13 –, a.a.O., Rn. 38.
30Die Verwaltung der Antragsgegnerin hatte unter Punkt 1.4 des Vorprüfungsprotokolls die Sicherstellung der immissionsschutztechnischen Anforderungen auf nachgelagerte schalltechnische Untersuchungen und entsprechende Lärmminderungsmaßnahmen verlagert. Sinn der allgemeinen Vorprüfung nach dem UVPG ist es aber, die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung festzustellen. Die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu verneinen und zugleich die Errichtung von Schallschutzwänden zur Einhaltung der Grenzwerte der TA Lärm im nachgelagerten Genehmigungsverfahren zu fordern, ist mit § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB in Verbindung mit § 3c Satz 1 UVPG nicht zu vereinbaren.
31Wegen der nach alledem anzunehmenden Unwirksamkeit des Bebauungsplan Nr. 926 „I2./I3.-straße “ ist das Vorhaben nach § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 4 BauNVO zu beurteilen. Danach ist es im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung unzulässig. Die nähere Umgebung entspricht hier einem allgemeinen Wohngebiet. Auf die Unvereinbarkeit des Vorhabens mit der Eigenart des Baugebietes kann sich der Antragssteller gemäß § 34 Abs. 2 BauGB auch berufen. Dies hat der Senat bereits in einem früheren Verfahren gleichen Rubrums entschieden.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. November 2013– 10 A 264/13 –.
33Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
34Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
35Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.