Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 15. Aug. 2013 - 8 K 5742/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 0. Januar 1988 geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger yezidischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 29. September 2008 mit dem Zug in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 13. Oktober 2008 einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) stellte mit Bescheid vom 26. März 2009 fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen. Der Kläger erhielt am 3. April 2009 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und einen Reiseausweis für Flüchtlinge. Der Kläger sprach am 6. März 2012 bei der Ausländerbehörde der Beklagten vor und stellte einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und des Reiseausweises. Zu diesem Zeitpunkt war die Prüfung des Bundesamtes hinsichtlich des Widerrufs der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 2a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) noch nicht abgeschlossen, weshalb die Aufenthaltserlaubnis verlängert und dem Kläger ein neuer Reiseausweis (gültig für alle Länder außer Irak) ausgestellt wurde. Die Bundespolizeiinspektion Flughafen Berlin-Tegel teilte der Ausländerbehörde der Beklagten am 21. Dezember 2012 mit, dass sie durch die niederländischen Behörden darüber informiert worden sei, dass der Kläger am 20. Dezember 2012 aus dem Irak kommend über den Flughafen Amsterdam in das Schengengebiet eingereist sei. Aus dem Reiseausweis sei ersichtlich, dass der Kläger am 7. Mai 2012 in den Irak eingereist und am 20. Dezember 2012 dort wieder ausgereist sei.
3Die Beklagte teilte dem Kläger am 15. Januar 2013 mit, dass der Reiseausweis nicht für Einreise und Aufenthalt im Heimatland gültig sei und geprüft werde, ob die Flüchtlingseigenschaft erloschen sei. Der Kläger nahm hierzu wie folgt Stellung: Er stamme aus dem Zentralirak und sei während seiner Reise nicht dorthin zurückgekehrt. Er habe sich ausschließlich im Gebiet der autonomen Zone im Nordirak aufgehalten. Er habe vom 7. Mai bis zum 20. Dezember 2012 in der Stadt Dohuk gewohnt. Er habe dort seine Ehefrau und das am 4. Mai 2012 geborene gemeinsame Kind besucht und während dieser Zeit in einer Bäckerei gearbeitet.
4Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 10. Juni 2013 fest, dass die Flüchtlingseigenschaft des Klägers gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1a AsylVfG erloschen sei und forderte den Kläger auf der Grundlage des § 72 Abs. 2 AsylVfG auf, den Anerkennungsbescheid des Bundesamtes über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vom 26. März 2009 sowie den Reiseausweis für Flüchtlinge unverzüglich abzugeben. Zur Begründung führte sie aus: Nach der erstgenannten Vorschrift erlösche die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn der Ausländer freiwillig in das Land, das er aus Furcht vor Verfolgung verlassen habe oder außerhalb dessen er sich aus Furcht vor Verfolgung befinde, zurückgekehrt sei und sich dort niedergelassen habe. Dies sei hier der Fall. Der Kläger habe sich im Zeitraum vom 7. Mai 2012 bis zum 20. Dezember 2012 im Irak aufgehalten. Er habe dort seinen Wohnsitz genommen und sei einer Beschäftigung in einer Bäckerei nachgegangen. Er habe dort mit seiner Familie den Lebensmittelpunkt gehabt. Es habe sich dabei nicht um einen Besuchsaufenthalt gehandelt. Die Wohnsitznahme bei der Familie und die Beschäftigungsaufnahme für die Dauer von insgesamt 228 Tagen ließen den Schluss zu, dass der Kläger sich dort niedergelassen habe.
5Der Kläger hat am 9. Juli 2013 die vorliegende Klage erhoben. Er trägt im wesentlichen vor: Er habe sich nicht freiwillig in dem Land, das er aus Furcht vor Verfolgung verlassen habe, niedergelassen. Er habe sich nicht im Zentralirak, sondern ausschließlich in dem kurdischen Autonomiegebiet im Nordirak aufgehalten. Er habe seine Ehefrau und die am 4. Mai 2012 geborene gemeinsame Tochter besucht. Seine Ehefrau habe er im Jahr 2007 in Sheikhan geheiratet. Er habe sich im Jahr 2011 einen Monat in Istanbul aufgehalten und dort seine Ehefrau getroffen. Er habe sich von März bis Juli 2013 erneut in der Türkei aufgehalten, dabei einen Monat mit seiner Ehefrau in Diyarbakir und dann zwei Monate alleine in Istanbul verbracht. Er habe dort nach einer Möglichkeit gesucht, seine Familie nach Deutschland zu bringen. Seine Frau bekomme Ende August 2013 ein zweites Kind.
6Der Kläger beantragt,
7den Bescheid vom 10. Juni 2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erloschen ist.
8Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid,
9die Klage abzuweisen.
10Sie führt ergänzend aus: In dem Reiseausweis für Flüchtlinge des Klägers befinde sich ein von türkischen Generalkonsulat in E ausgestelltes Transitvisum. Die Stempel ließen den Schluss zu, dass der Kläger am 14. März 2013 über Izmir in die Türkei und am 15. März 2013 über den Grenzübergang Habur Kara Sinir Kapisi in den Irak eingereist und am 5. Juli bzw. am 6. Juli 2013 auf demselben Weg wieder ausgereist sei. Dem korrespondiere der Einreisestempel in das Schengengebiet über den Flughafen Brüssel am 6. Juli 2013.
11Die Beklagte widerrief mit Ordnungsverfügung vom 17. Juli 2013 die dem Kläger am 6. März 2012 erteilte und bis zum 5. März 2015 gültige Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland. Des weiteren entzog sie dem Kläger den bis zum 5. März 2015 gültigen Reiseausweis für Flüchtlinge und gab ihm auf, den Reiseausweis innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Ordnungsverfügung zurückzugeben. Darüber hinaus forderte sie den Kläger auf, das Bundesgebiet innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung der Verfügung zu verlassen und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in den Irak oder einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, an. Sofern bei oder nach der Vollziehbarkeit der Verfügung Abschiebungshindernisse bestehen sollten, werde der Kläger weiter geduldet. Schließlich ordnete sie die sofortige Vollziehung der Entziehung des Reiseausweises für Flüchtlinge an. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Gericht mit Urteil vom 15. August 2013 abgewiesen (8 K 5742/13).
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der Gerichtsakten 8 K 6250/13 und 8 L 1403/13 sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Das Gericht kann durch den Einzelrichter entscheiden, nachdem ihm der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 31. Juli 2013 zur Entscheidung übertragen worden ist (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).
15Die Klage ist zulässig. Sie ist zwar nicht gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des angefochtenen Bescheides erhoben worden. Da dem Bescheid aber keine § 58 Abs. 1 VwGO entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, gilt die Frist von einem Jahr nach § 58 Abs. 2 VwGO.
16Die Klage ist aber nicht begründet. Der Bescheid vom 10. Juni 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 43 Abs. 1, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Klägers ist erloschen. Der Kläger muss die Abgabe des Anerkennungsbescheides des Bundesamtes und seines Reiseausweises für Flüchtlinge hinnehmen.
17Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
18Die Ausländerbehörde der Beklagten ist zuständig für die Feststellung des Erlöschens der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Sie ist berechtigt, einen feststellenden Bescheid zu erlassen, auch wenn die Flüchtlingseigenschaft in den Fällen des § 72 Abs. 1 AsylVfG kraft Gesetzes erlischt. Es kann nämlich in tatsächlicher Hinsicht Zweifel geben, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, so dass für die Betroffenen ein Bedürfnis nach rechtsverbindlicher behördlicher Feststellung besteht. Die Zuständigkeit erstreckt sich auch auf das Herausgabeverlangen hinsichtlich des Anerkennungsbescheides des Bundesamtes und des Reiseausweises für Flüchtlinge nach § 72 Abs. 2 AsylVfG.
19Vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 2. Dezember 1991 - 9 C 126/90 -, juris Rn. 9; OVG Hamburg, Beschluss vom 10. November 2000 - 1 Bf 223/98 -, juris Rn. 21; VG Oldenburg, Urteil vom 19. Dezember 2011 – 11 A 2138/11 -, juris Rn. 18; Hailbronner, in: Kommentar zum Ausländerrecht, § 52 AufenthG, Rn. 25 und 30, § 72 AsylVfG, Rn. 25 und 28; Wolff, in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, § 72 AsylVfG, Rn. 29; offen gelassen von OVG Niedersachsen, Beschluss vom 17. Oktober 2006 – 13 LA 262/06 -, juris Rn. 3
20Der Bescheid ist materiell rechtmäßig.
21Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1a AsylVfG erlischt unter anderem die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn der Ausländer freiwillig in das Land, das er aus Furcht vor politischer Verfolgung verlassen hat, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat.
22Der Kläger war unstreitig im Zeitraum vom 7. Mai 2012 bis zum 20. Dezember 2012 im Irak. Zwar hat er sich nach eigenem Vortrag nicht im Zentralirak, sondern nur in der Stadt Duhok in der Autonomen Region Kurdistan aufgehalten. Dies ist jedoch unerheblich, weil auch dieses Gebiet zum Irak gehört.
23Der Kläger hat sich dort auch niedergelassen. Eine Niederlassung im Heimatland erfordert eine Rückkehr auf längere Zeit. Der Aufenthalt muss jedoch nicht notwendig auf unbegrenzte Dauer gerichtet sein. Es reicht vielmehr aus, wenn der Ausländer im Land seiner Staatsangehörigkeit eine Art zweiten Wohnsitz unterhält. Auch dies würde regelmäßig belegen, dass der Betroffene sich nicht mehr gefährdet fühlt. Die Rückkehr muss nach ihrer Dauer, ihrem Anlass, der Art der Einreise sowie dem Ort des Aufenthaltes. Grund für die Annahme bieten, in ihr dokumentiere sich der Wegfall des Verfolgungsinteresses. Nicht ausreichend ist deshalb etwa eine Rückkehr in das Heimatland zur Erfüllung einer sittlichen Pflicht. Auch bloße sich nicht über längere Zeiträume erstreckende Besuchsaufenthalte im Heimatland stellen noch keine Niederlassung dar.
24Vgl. hierzu VG Oldenburg, Urteil vom 19. Dezember 2011 – 11 A 2138/11 -, juris Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1991 - 9 C 126/90 -, juris Rn. 9 ff.; BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 ‑ 9 C 12/00 - juris Rn. 19.
25Nach diesen Maßstäben hat sich der Kläger im Irak niedergelassen. Hierfür spricht bereits die Dauer des Aufenthaltes von etwa 7 ½ Monaten. Dies geht über einen reinen Besuchsaufenthalt deutlich hinaus. Der Kläger ist zudem mit seinem Reiseausweis für Flüchtlinge in den Irak eingereist, obwohl dieser nicht zu einer Einreise in den Irak berechtigt. Er hat auf Befragen in der mündlichen Verhandlung auch angegeben, dass ihn der kontrollierende Grenzbeamte darauf hingewiesen habe. Eine Furcht vor staatlicher Verfolgung besteht offensichtlich nicht. Der Kläger hat im Irak seine Ehefrau besucht, die kurz zuvor ihr erstes Kind geboren hat. Insofern sind die Gründe des Besuchs ohne weiteres nachvollziehbar. Der Kläger hat sich jedoch über die Zeit nach der Geburt hinaus mehrere Monate dort aufgehalten, für seine Familie eine kleine Wohnung angemietet und eine Arbeit aufgenommen. Dies spricht alles für eine Niederlassung. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, er sei nach mehreren Monaten der Beschäftigung in der Bäckerei gekündigt worden, weil der Arbeitgeber gemerkt habe, dass er - der Kläger - Yeside sei, weil er den im Islam vorgeschriebenen Gebeten nicht gefolgt sei, nimmt ihm das Gericht dies nicht ab. Es ist nicht vorstellbar, dass es einem muslimischen Arbeitgeber über Monate nicht aufgefallen sein soll, dass der Kläger nicht an den Gebeten teilnimmt. Soweit der Kläger vorträgt, er habe im Zentralirak nichtstaatliche Verfolgung zu befürchten, folgt das Gericht dem nicht. Dies gilt aus zwei Gründen: Der Kläger hat mit seinem Aufenthalt im Nordirak belegt, dass er dort ohne asyl- oder flüchtlingsschutzrelevante Gefahr leben kann. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auf Befragen auch angegeben, dass seine (yezidische) Frau mit dem Kind in dem (yezidischen) Dorf Beban lebt. Es ist nicht erkennbar, weshalb es dem Kläger nicht zumutbar sein sollte, zu seiner Familie in das von Yeziden bewohnte Dorf zurückzukehren.
26Es kommt deshalb nicht mehr entscheidend darauf an, ob sich der Kläger im Zeitraum vom 15. März 2013 bis zum 5. Juli 2013 erneut fast vier Monate im Irak aufgehalten hat. Hierfür sprechen das in seinem Reiseausweis befindliche türkische Transitvisum sowie die Ein- und Ausreisestempel des türkisch-irakischen Grenzübergangs Habur Kara Sinir Kapisi. Der Kläger konnte diese Stempel in der mündlichen Verhandlung nicht erklären. Sein Vortrag, er habe sich nur in Diyarbakir mit seiner Ehefrau getroffen und danach einige Zeit in Istanbul verbracht, erscheint damit kaum glaubhaft. Dies muss aber nach den obigen Ausführungen nicht abschließend entschieden werden.
27Rechtliche Grundlage für die Aufforderung zur Abgabe des Anerkennungsbescheides des Bundesamtes sowie des Reiseausweises für Flüchtlinge ist § 72 Abs. 2 AsylVfG. Diese Aufforderung hat sich auch nicht insoweit erledigt, als der Kläger seinen Reiseausweis für Flüchtlinge bereits bei der Ausländerbehörde abgegeben hat. Die freiwillige Erfüllung einer durch Verwaltungsakt auferlegten Verpflichtung zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen führt grundsätzlich nicht zur Erledigung.
28Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1983 – 8 C 43/81 –, juris Rn. 18.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
30Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der Aufenthaltstitel des Ausländers nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 zweite Alternative, Nummer 2, 2a, 2b, 2c, 3 und 4 kann außer in den Fällen der Absätze 2 bis 6 nur widerrufen werden, wenn
- 1.
er keinen gültigen Pass oder Passersatz mehr besitzt, - 2.
er seine Staatsangehörigkeit wechselt oder verliert, - 3.
er noch nicht eingereist ist, - 4.
seine Anerkennung als Asylberechtigter oder seine Rechtsstellung als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter erlischt oder unwirksam wird oder - 5.
die Ausländerbehörde nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 feststellt, dass - a)
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 nicht oder nicht mehr vorliegen, - b)
der Ausländer einen der Ausschlussgründe nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Nummer 1 bis 4 erfüllt oder - c)
in den Fällen des § 42 Satz 1 des Asylgesetzes die Feststellung aufgehoben oder unwirksam wird.
(2) Ein nationales Visum, eine Aufenthaltserlaubnis und eine Blaue Karte EU, die zum Zweck der Beschäftigung erteilt wurden, sind zu widerrufen, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 41 die Zustimmung zur Ausübung der Beschäftigung widerrufen hat. Ein nationales Visum und eine Aufenthaltserlaubnis, die nicht zum Zweck der Beschäftigung erteilt wurden, sind im Falle des Satzes 1 in dem Umfang zu widerrufen, in dem sie die Beschäftigung gestatten.
(2a) Eine nach § 19 erteilte ICT-Karte, eine nach § 19b erteilte Mobiler-ICT-Karte oder ein Aufenthaltstitel zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder Mobiler-ICT-Karte kann widerrufen werden, wenn der Ausländer
- 1.
nicht mehr die Voraussetzungen der Erteilung erfüllt oder - 2.
gegen Vorschriften eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union über die Mobilität von unternehmensintern transferierten Arbeitnehmern im Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/66/EU verstoßen hat.
(3) Eine nach § 16b Absatz 1, 5 oder 7 zum Zweck des Studiums erteilte Aufenthaltserlaubnis kann widerrufen werden, wenn
- 1.
der Ausländer ohne die erforderliche Erlaubnis eine Erwerbstätigkeit ausübt, - 2.
der Ausländer unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Studiendauer an der betreffenden Hochschule im jeweiligen Studiengang und seiner individuellen Situation keine ausreichenden Studienfortschritte macht oder - 3.
der Ausländer nicht mehr die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Absatz 1, 5 oder 7 erteilt werden könnte.
(4) Eine nach § 18d oder § 18f erteilte Aufenthaltserlaubnis kann widerrufen werden, wenn
- 1.
die Forschungseinrichtung, mit welcher der Ausländer eine Aufnahmevereinbarung abgeschlossen hat, ihre Anerkennung verliert, sofern er an einer Handlung beteiligt war, die zum Verlust der Anerkennung geführt hat, - 2.
der Ausländer bei der Forschungseinrichtung keine Forschung mehr betreibt oder betreiben darf oder - 3.
der Ausländer nicht mehr die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18d oder § 18f erteilt werden könnte oder eine Aufnahmevereinbarung mit ihm abgeschlossen werden dürfte.
(4a) Eine nach § 16e oder § 19e erteilte Aufenthaltserlaubnis kann widerrufen werden, wenn der Ausländer nicht mehr die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden könnte.
(5) Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 oder Absatz 4b Satz 1 soll widerrufen werden, wenn
- 1.
der Ausländer nicht bereit war oder nicht mehr bereit ist, im Strafverfahren auszusagen, - 2.
die Angaben des Ausländers, auf die in § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 1 oder Absatz 4b Satz 2 Nummer 1 Bezug genommen wird, nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft oder des Strafgerichts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als falsch anzusehen sind oder - 3.
der Ausländer auf Grund sonstiger Umstände nicht mehr die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Absatz 4a oder Absatz 4b erfüllt.
(6) Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a soll widerrufen werden, wenn der Ausländer seine Rechtsstellung als langfristig Aufenthaltsberechtigter in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verliert.
(7) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.