Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 18. Sept. 2014 - 13 L 1785/14.A
Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. aus N. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 5. August 2014 sinngemäß bei Gericht anhängig gemachte Antrag,
3den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 8. Mai 2014 (13 L 126/14.A) abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 399/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. Januar 2014 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung der Einzelrichter gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg.
5Gemäß § 80 Absatz 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache jederzeit, d.h. ohne Bindung an Fristen, von Amts wegen oder – wie hier – auf Antrag eines Beteiligten einen Beschluss über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ändern oder aufheben. Das Verfahren trägt dem Umstand Rechnung, dass Veränderungen während des Hauptsacheverfahrens eintreten, auf die trotz Rechtskraft des Beschlusses zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes reagiert werden muss. Es dient nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung formell und materiell richtig ist. Maßgeblich ist somit eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- und Rechtslage. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung ist allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist. Soweit ein Beteiligter den Antrag stellt, kann der Antrag nur damit begründet werden, dass sich entscheidungserhebliche Umstände, auf denen die ursprüngliche Entscheidung beruhte, geändert haben oder im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten (§ 80 Absatz 7 Satz 2 VwGO). Prozessrechtliche Voraussetzung für die Ausübung der dem Gericht der Hauptsache eröffneten Abänderungsbefugnis ist somit eine Änderung der maßgeblichen Umstände, auf die die frühere Entscheidung gestützt war. Liegt eine derartige Änderung nicht vor, ist dem Gericht eine Entscheidung in der Sache verwehrt, weil sie auf eine unzulässige Rechtsmittelentscheidung hinausliefe
6vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschlüsse vom 25. August 2008 – 2 VR 1.08 –, juris, Rn. 4 ff. und 29. Januar 1999, – 11 VR 13.98 – , juris; VG Augsburg, Beschluss vom 25. Juli 2014 – Au 7 S 14.50183 –, juris, Rn. 15; VG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 20. Juni 2014 – 12 B 1903/14 –, juris, Rn. 2; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 80 Rn. 197.
7Diese Voraussetzungen liegen mangels beachtlicher Änderung der Sach- und Rechtslage nicht vor.
8Zwar endete die in Artikel 19 Absatz 3 Unterabsatz 1, 1. Alternative Dublin II-VO geregelte Überstellungsfrist mit Ablauf des 30. Juni 2014, da Belgien den Antrag auf Wiederaufnahme des Antragstellers bereits am 30. Dezember 2013 zugestimmt hat und eine Entscheidung über den Rechtbehelf des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung hat, nicht erfolgt ist. Eine Entscheidung über den Rechtsbehelf des Antragstellers mit aufschiebender Wirkung im Sinne des Artikel 19 Absatz 3 Unterabsatz 1, 2. Alternative Dublin II-VO ist ebenfalls nicht ergangen. Mit dem in der zweiten Alternative dieser Vorschrift in Bezug genommenen Rechtsbehelf ist das gegen die Abschiebung gerichtete Hauptsacheverfahren gemeint, nicht schon das Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz, auch wenn bereits während dessen Anhängigkeit gemäß § 34a Absatz 2 Satz 2 AsylVfG eine Abschiebung zu unterbleiben hat.
9Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, DVBl. 2014, 790 = juris, Rn. 53; Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, juris, Rn. 5 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss im Verfahren gleichen Rubrums vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A –, juris, Rn. 12 ff.
10Allerdings kann sich der Antragsteller auf einen Verstoß gegen die Fristenregelung aus Artikel 19 Dublin II-Verordnung nicht berufen, da ihm diese Fristenregelung kein subjektives Recht einräumt. Allein ein Verstoß gegen die Fristenregelungen der Dublin II-VO verletzt für sich keine subjektiven Rechte der Asylbewerber, sofern damit keine Grundrechtsverletzung einhergeht. Insoweit gibt das Gericht auf der Grundlage der sog. Abdullahi-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs,
11Urteil vom 10. Dezember 2013, – C-394/12 –, juris; vgl. nachfolgend auch BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7,
12seine bisherige Rechtsprechung im Beschluss vom 24. März 2014 (13 L 644/14.A) auf und geht davon aus, dass sich der Antragsteller nicht auf den Ablauf der Überstellungsfrist berufen kann.
13Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014 – 13 K 8286/13.A –, Seite 13 ff. des Urteilsabdrucks, zur Veröffentlichung bei juris und www.nrwe.de vorgesehen.
14Ob eine Vorschrift dem Schutz subjektiver Interessen dient, folgt maßgeblich aus dem Inhalt und Regelungszweck der anzuwendenden Norm. Nach seinem Wortlaut regelt Artikel 19 Absatz 3 Satz 1 Dublin II-VO allein einen Verfahrensablauf zwischen zwei Hoheitssubjekten ohne Bezug zu nehmen auf den Asylbewerber selbst. Die dort konstituierte mitgliedstaatliche Obliegenheit steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der DublinII-VO, der letztlich in der Verwirklichung des in Artikel 78 Absatz 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehenen gemeinsamen europäischen Asylsystems besteht, vgl. auch Artikel 78 Absatz 2 lit e) AEUV. Grundgedanke der DublinII-VO ist ausweislich den der Verordnung vorangestellten Erwägungen (3 und 16), eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu entwerfen. Eine solche Formel sollte nach den Erwägungen auf objektiven und gerechten Kriterien basieren, die insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten.
15EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 18. April 2013, – C-4/11 –, Rn. 57 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, juris, Rn. 37.
16Die Fristbestimmungen der Dublin-II-VO dienen dementsprechend einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedsstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber dem Antragsteller (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedsstaat zu gewähren. Der EuGH hat für den Fall, dass der zuständige Mitgliedsstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber einer Überstellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann.
17EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, – C-394/12 –, juris, Rn. 60 und 62; BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 – 10 B 16.14 –, juris, Rn. 12; VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, juris, Rn. 18 m.w.N.
18Obschon der Abdullahi-Entscheidung keine generelle Aussage zur subjektiv-rechtlichen Dimension von (Überstellungs-)Fristen zu entnehmen ist,
19vgl. hierzu auch schon VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 – 13 K 1117/14.A – Seite 9 und 10 des Urteilsabdrucks m.w.N., zur Veröffentlichung bei juris und www.nrwe.de vorgesehen,
20gelten die vorstehenden Erwägungen auch für die hier relevante Überstellungsfrist im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens. Die Überstellungsfrist dient nicht dem Schutz des Antragstellers, sondern wie die sonstigen Fristbestimmungen allein den objektiven Zwecken einer sachgerechten Verteilung der mit Durchführung der Asylverfahren verbundenen Lasten in Abstimmung mit dem um Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedstaat. Die Dublin II-VO enthält auch insoweit vor allem Verpflichtungen der Mitgliedstaaten untereinander. Etwas anderes mag – anders als hier – gelten, wenn die Überstellungsfrist abgelaufen und der ersuchte Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit wäre oder wenn es sonst zur unverhältnismäßigen weiteren Verzögerungen käme. Denn die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem der Dublin II-Verordnung lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein muss.
21Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, juris; Rn. 25; Offen gelassen vom OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 – 14 A 1943/11.A –, juris, Rn. 24; VG Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014 – 13 K 8286/13 –, S. 12 des Urteilsabdrucks, noch n.v.; VG Trier, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 5 L 1271/14.TR –, juris, Rn. 6 f.; VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, juris, Rn. 19; VG Hamburg, Beschluss vom 8. April 2014 – 17 AE 1762/14 –, juris, Rn. 18; VG Berlin, Beschluss vom 19. März 2014 – 33 L 90.14 A –, juris; VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 – RN 9 K 11.30445 –, juris, Rn. 18; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 234.
22Dieses Ergebnis wird zudem durch folgende Überlegung bestätigt: Dem Asylbewerber bleibt es in jedem Fall unbenommen, sich freiwillig bei der ihm genannten Stelle des anderen Mitgliedstaates zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Insoweit regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe 1) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (DVO Dublin II-VO), dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
23Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
24Hat es der Asylbewerber aber selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu einer von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB abgeleitete – Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen. Insoweit ist es ihm auch nicht unzumutbar, sich zunächst in den anderen Mitgliedstaat zu begeben und dort den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
25OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2011 – 14 B 1011/11.A –, juris, Rn. 16.
26Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz Zuständigkeit Belgiens eine Verpflichtung der Antragsgegnerin begründen könnten, vom Selbsteintrittsrecht nach Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 Dublin II-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Antragsteller nach Belgien abzuschieben.
27Zwar besteht bei einer unangemessenen Verfahrensdauer ein aus den Grundrechten abzuleitendes subjektives Recht des Asylbewerbers auf Durchführung des Asylverfahrens in dem Mitgliedstaat, welcher die Verzögerung zu verantworten hat.
28EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 –, juris, Rn. 35 und Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 98 und 108; VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 – 13 K 1117/14.A – m.w.N.
29Das kann aber ohnehin nur dann gelten, wenn der Antragsteller durch zu langes Zuwarten des Bundesamtes um den zeitnahen Fortgang des Verfahrens auf Feststellung seiner Asylberechtigung bzw. seiner internationalen Schutzberechtigung gebracht wird. Hat der Antragsteller es jedoch selbst in der Hand, die Prüfung seines Antrags dadurch voranzutreiben, dass er sich freiwillig in den hierfür zuständigen Mitgliedstaat begibt, ist eine Grundrechtsverletzung wegen zu langer Verfahrensdauer ausgeschlossen (s.o.).
30VG Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014 – 13 K 8286/13.A –, S. 15 des Urteilsabdrucks, zur Veröffentlichung bei juris und www.nrwe.de vorgesehen.
31Selbst wenn der Grund für die verzögerte Einreise bzw. Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat allein in die Sphäre der Antragsgegnerin fiele, wofür vorliegend nichts spricht, fehlte es indes schon an einer solch unangemessen langen Verfahrensdauer. Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäischen Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 19 Absatz 3 Dublin II-VO vorsieht, dass die Überstellung spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, erfolgt. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom EuGH angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 19 Absatz 3 Dublin II-VO von sechs Monaten zuzüglich der durch § 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von zwölf Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann. Damit einhergehend sieht auch Artikel 19 Absatz 4 Satz 2, 1. Alternative Dublin II-VO vor, dass die Frist zur Überstellung höchstens auf ein Jahr verlängert werden kann, wenn diese aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte.
32VG Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014 – 13 K 8286/13 –, S. 15 f. des Urteilsabdrucks, zur Veröffentlichung bei juris und www.nrwe.de vorgesehen.
33Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen. Sie würde – wenn überhaupt – erst am 30. Dezember 2013 ablaufen.
34Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Absatz 1 Satz 1 Zivilprozessordnung).
35Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
36Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
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Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. aus N. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 22. Januar 2014 sinngemäß bei Gericht anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 399/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. Januar 2014 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Abs. 4 AsylVfG berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
5Der hier gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 10. Januar 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Postzustellungsurkunde am 15. Januar 2014 gemäß § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG dem Antragsteller persönlich zugestellt. Er hat am 22. Januar 2014 innerhalb der Wochenfrist den Eilantrag gestellt und Klage erhoben.
7Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
9vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 -, juris Rn 3 f.; siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A – und 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A -, juris.
10Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt und geht von der Zuständigkeit Belgiens für dessen Prüfung aus. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
12Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Dublin II-VO. Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Dublin III-VO, bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
13vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A, juris Rn. 13 = NRWE.
14Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Belgien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags. Nach einem Eurodac-Treffer unter dem 29. Mai 2013 und einem an das Königreich Belgien gerichteten Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2013 wurde die Übernahme unter dem 30. Dezember 2013 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchstabe e Dublin II-VO akzeptiert. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Dublin II-VO ist Belgien damit verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
15Der Überstellung nach Belgien steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 24. Mai 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 19. Dezember 2013 knapp sieben Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Belgien) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Antragsgegnerin daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Art. 17 Dublin II-VO unterfällt,
16vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
17Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Antragstellers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Antragsgegnerin verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst prüfen,
18EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 108.
19Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein,
20vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris Rn. 10. A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A –, juris Rn. 8.
21Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Art. 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Abs. 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Art. 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Abs. 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann ,
22vgl. i. E. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n. v.; Beschlüsse vom 26. Februar 2014 – 13 L 396/14.A – und vom 31. März 2014 – 13 L 119/14 – beide juris und NRWE.
23Hier sind seit der Asylantragstellung am 24. Mai 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens am 19. Dezember 2013 noch keine sieben Monate verstrichen, sodass unter keinen Umständen eine unangemessen lange Verfahrensdauer gegeben ist.
24Die Antragsgegnerin ist auch nicht deswegen an der Überstellung des Antragstellers nach Belgien gehindert und zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO verpflichtet, weil das belgische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist,
25EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
26Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 7 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
27vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 57 f.
28Die Antragsgegnerin ist auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zugunsten des Antragstellers – gehindert, diesen nach Belgien zu überstellen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der zitierten Rechtsprechung,
29EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
30der Fall wäre, liegen nicht vor. Danach ist die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta implizieren,
31EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 86.
32Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 GrCH bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
33EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 94.
34Der hier noch nicht anzuwendende Art. 3 Abs. 2 UAbs 2 Dublin III-VO hat diese Rechtsprechung normativ übernommen, indem er die Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat für unmöglich erklärt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.
35Diese Voraussetzungen sind für Belgien nicht erfüllt.
36Sie ergeben sich zunächst nicht aus der Schilderung des Antragstellers, nach der Ablehnung seines Asylantrags in Belgien keinen Anspruch auf staatliche Leistungen mehr zu haben und nach der letzten Ablehnung einen Monat lang obdachlos am Bahnhof gelebt zu haben. Hierbei handelt es sich nicht um systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im oben geschilderten Sinne. Denn es geht hierbei nicht um Leistungen und Aufnahmebedingungen während der Durchführung des Asylverfahrens. Anders als vom hauptsächlichen Anwendungsbereich der Dublin-Verordnungen erfasst, ist das Asylverfahren des Antragstellers in Belgien bereits abgeschlossen, wenn auch erkennbar mit einem von ihm nicht erwünschten Ergebnis. Ist wie hier der Asylantrag des Antragstellers abgelehnt worden, folgt daraus für den Antragsteller auch die Ausreisepflicht,
37vgl. Generalkommissariat für Flüchtlinge und Staatenlose, Asyl in Belgien, 2010, S. 11.
38Der Verlust des Anspruchs auf staatliche Leistungen stellt sich jedenfalls in einem solchen Fall nicht als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar,
39vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A –, juris und NRWE, und vom 23. Juli 2013 – 25 L 1342/13.A -, n.v.
40Das zeigt auch schon die Wertung, welche in Art. 41 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie n.F.) zum Ausdruck kommt. Danach können die Mitgliedstaaten Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet machen, wenn eine Person nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag gemäß Artikel 40 Abs. 5 als unzulässig zu betrachten oder als unbegründet abzulehnen, in demselben Mitgliedstaat einen weiteren Folgeantrag stellt. Ist es demnach möglich, einer beständigen Wiederholung von Folgeanträgen durch die Ausweisung des Asylbewerbers zu begegnen, so begegnet es keinen Bedenken, die „Versorgung einzustellen“, wenn der Ausreisepflichtige dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Dies gilt mit Blick auf Belgien umso mehr, als abgelehnten Asylbewerbern in der Regel nach der Ablehnung des Asylantrags eine Rückkehrbegleitung angeboten wird,
41vgl. auch aida, Asylum Information Database, National Country Report Belgium, Stand 30. April 2013, S. 43.
42Ob dies in einem Fall, in dem nach der letzten Ablehnung eines Asylantrags asylerhebliche neue Umstände eintreten oder der Asylbewerber in der Lage ist – erst jetzt – weitere asylerhebliche Angaben vorzubringen, anders zu sehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da solche Umstände vom Antragsteller nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich sind.
43Weitere Umstände, aus denen sich systemische Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen Belgiens ergeben, sind vom Antragsteller ebenfalls nicht überzeugend geltend gemacht worden.
44Soweit der Antragsteller auf eine Entscheidung des European Council of Social Rights (ECSR) vom 23. Oktober 2012 verweist, die sich mit der Lage, insbesondere der Versorgung und Unterbringung, von unbegleitet eingereisten Minderjährigen und auch von Familien mit Kindern befasst, gehört der Antragsteller schon nicht zu dem insoweit betroffenen Personenkreis. Im Übrigen bezieht sich die Entscheidung auf die Situation in Belgien in den Jahren 2011 und 2012 und hat auch aus diesem Grund für die Rückkehrsituation des Antragstellers im Jahr 2014 wegen der dem Gericht vorliegenden aktuelleren Erkenntnisse keine Aussagekraft mehr.
45Soweit der Antragsteller sich auf die systemische Verletzung des Refoulement-Verbotes bezieht, führt er zunächst einige Einzelfälle an, die ihrem Charakter als Einzelfall entsprechend nicht herangezogen werden können, um Fehler im Asylverfahren mit systemischem Ausmaß zu begründen. Soweit der Antragsteller geltend macht, Belgien könnte ihn im Wege der Kettenabschiebung nach Guinea abschieben, wo ihm Verfolgung drohe, kann dieser Einwand keine systemischen Mängel im Asylverfahren Belgiens begründen. Dort ist bereits eine Prüfung seines Asylbegehrens durchgeführt worden. Die belgischen Behörden sind dabei offenbar zu dem Ergebnis gelangt, dass eine solche Furcht vor Verfolgung nicht begründet ist. In dieser Situation eine Abschiebung nach Guinea vorzusehen, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt, zumal es dem Antragsteller grundsätzlich freisteht, auch in Belgien um Rechtsschutz nachzusuchen oder ggf. einen Folgeantrag zu stellen (vgl. hierzu unten). Der Antragsteller beruft sich insoweit auch auf einen Brief des Jesuiten Flüchtlingsdienstes vom 16. September 2013. Dieser befasst sich jedoch mit den Einzelschicksalen von Asylbewerbern, denen eine Abschiebung nach Inguschetien drohte. Der Autor des Briefes führte diesbezüglich u.a. aus, dass „die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Beweismittel“ in einem erneuten Asylverfahren wohl nicht zum Erfolg führen würden. Dies macht deutlich, dass es grundsätzlich möglich ist, auch in Belgien Folgeanträge zu stellen,
46vgl. hierzu auch ausführlich, aida, Asylum Information Database, National Country Report Belgium, Stand 24. Dezember 2013, S. 38 f.
47Außerdem ist erkennbar, dass sich die Auskunft allein auf die konkrete Beweissituation in Einzelfällen bezog. Eine Aussagekraft für das hiesige Antragsverfahren oder das Asylverfahren in Belgien im Allgemeinen haben diese Ausführungen daher nicht.
48Auch die Einlassung, dass Rechtsschutz gegen die drohende Abschiebung unzumutbar erschwert werde, lässt systemische Mängel im Sinne der genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes im Asylverfahren in Belgien nicht offensichtlich werden. Denn die diesbezüglichen Angaben des Antragstellers (Asylbewerber würden grundsätzlich in Abschiebehaft genommen, dort bestünde kein Zugang zu einem Rechtsbeistand) stehen in Widerspruch zu anderen Erkenntnissen. So weist etwa der vorzitierte aida-Bericht vom 24. Dezember 2013 auf S. 63 darauf hin, dass der Zugang zu einem Rechtsbeistand während der Abschiebehaft nicht nur dem Gesetz nach zu gewähren sei, sondern dass effektiver Zugang zu einem Rechtsbeistand auch in der Praxis bestehe. Die in dem Bericht genannten aktuellen Zahlen zur Verhaftung von Asylbewerbern (S. 57) sprechen im Übrigen dagegen, dass flächendeckend mit Inhaftierung zu rechnen ist und zeigen, dass die Anzahl der Verhaftungen – insbesondere bei der Stellung von Folgeanträgen – im Gegenteil sogar deutlich rückläufig ist,
49vgl. aida, Asylum Information Database, National Country Report Belgium, Stand 24. Dezember 2013, S. 57, wonach in 2012 nur noch 111 Asylantragsteller (2011: 509) bei der Antragstellung im Gebiet des Königreichs Belgien und lediglich 27 Folgeantragsteller (2011: 99) in Haft genommen worden sind.
50Dem Final Report des Dublin Transnational Project für den Berichtszeitraum Dezember 2009 bis Mai 2011 ist zu entnehmen, dass jeder Asylbewerber die Möglichkeit hat, gegen eine ablehnende Asylentscheidung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs zu beantragen (S. 38).
51Auch im Übrigen sind keine systemischen Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen erkennbar. Der Bericht des Auswärtigen Amtes der Vereinigten Staaten von Amerika (Belgium 2012 Human Rights Report) beschreibt auf S. 7 ff. die Flüchtlingssituation in Belgien, ohne Beanstandungen systemischer Art auch nur im Ansatz zu erwähnen. Amnesty International enthält in seinem „Amnesty Report 2013 – Belgien“ lediglich den Hinweis darauf, dass die Kapazität der Aufnahmezentren für Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten nicht ausreichend gewesen sei, ein Zustand der nach dem vorzitierten aida-Report, S. 49, ab Ende 2012 nicht fortbestanden haben soll.
52Ohne dass es hier darauf ankommt, weist das Gericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nicht jeglicher Unzulänglichkeit im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen automatisch eine Schwere zuzumessen ist, die für die hier erforderliche Annahme einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährten Rechte (Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe) ausreicht.
53Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG bestehen ebenfalls keine Bedenken.
54Das Gericht teilt zunächst nicht die Auffassung des Antragstellers, dass über die Frage, ob abgeschoben oder eine andere Form der Überstellung gewählt wird, zunächst eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. Vielmehr sieht Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Satz 2 Dublin II-VO vor, dass die Überstellung nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften erfolgt. Diese sehen hier gemäß § 34 Abs. 1 AsylVfG zwingend den Erlass einer Abschiebungsandrohung vor. Soweit der Antragsteller auf Art. 20 Abs. 1 Buchstabe e Satz 2 (gemeint ist wohl Satz 3) Dublin II-VO Bezug nimmt, folgt hieraus nichts anderes. Diese Vorschrift befasst sich zwar mit dem Fall, dass der Asylbewerber sich auf eigene Initiative in den zuständigen Staat begeben soll. Sie schreibt diese Möglichkeit den Mitgliedstaaten jedoch nicht vor, sondern enthält nur Regelungen für den Fall, dass das einzelstaatliche Recht eine solche Möglichkeit vorsieht. Vorrang genießt insoweit die bereits genannte Regelung des Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Satz 2 Dublin II-VO, die die Umstände der Überstellung der einzelstaatlichen Regelung überlässt,
55vgl. hierzu bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 13 L 171/14.A -, juris.
56Es besteht auch kein Abschiebungshindernis. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 a. E. AsylVfG setzt die Anordnung der Abschiebung neben der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG voraus, dass sie auch durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass keine zielstaatsbezogenen oder in der Person des Ausländers bestehenden, also inlandsbezogenen, Abschiebungshindernisse bestehen.
57Den vom Antragsteller vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen der Frau Dr. S. , M. -Klinik E. vom 22. Juli 2013 und der Diplom-Psychologin Frau L. -C. vom 12. August 2013 lässt sich nichts dafür entnehmen, dass der Antragsteller wegen einer ‑ hier allein in Betracht kommenden ‑ psychischen Erkrankung zurzeit transportunfähig oder reiseunfähig ist, mithin für ihn ein Abschiebungshindernis i.S.v. § 60a AufenthG bestehen könnte. Dies folgt zum einen schon daraus, dass die ärztlichen Atteste aufgrund des Zeitpunktes ihrer Ausstellung - sie waren im Zeitpunkt der Stellung des Eilantrags bereits ein halbes Jahr alt – nicht geeignet sind, eine Aussage zum aktuellen Gesundheitszustand des Antragstellers zu treffen. Der Bericht von Frau Dr. S. vom 22. Juli 2013, der zudem nur auf einer einmaligen Vorstellung des Antragstellers aus Anlass einer akuten suizidalen Symptomatik am 29. Mai 2013 beruht, endet zudem mit der ausdrücklichen Feststellung der behandelnden Ärztin, dass aufgrund der nur einmaligen Konsultation am 29. Mai 2013 von ihrer Seite aus keine ausreichende Stellung zu der Frage genommen werden könne, ob eine Ausreise des Antragstellers nach Afrika möglich sei oder mit gravierenden gesundheitlichen Gefährdungen zu rechnen sei. Zu einer Reisefähigkeit in Bezug auf Belgien enthält der Arztbericht gar keine Aussage. Auch der Bericht der Dipl.-Psych. Frau L. -C. vom 12. August 2013 verhält sich nicht zur Frage der Reisefähigkeit des Antragstellers.
58Den ärztlichen Attesten lässt sich auch nichts für das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG entnehmen.
59Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
60BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris Rn. 15.
61Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt,
62vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A –, juris Rn. 32 = NRWE.
63Die Gefahr einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität ist hier nicht ersichtlich.
64Der Arztbericht der Frau Dr. S. von der Traumaambulanz des M. -Klinikums vom 22. Juli 2013 enthält weder eine konkrete Diagnose noch eine Therapieempfehlung und stellte lediglich eine Beschreibung der zum damaligen Zeitpunkt aufgetretenen suizidalen Symptomatik dar. Der Antragsteller wurde in der Folge dieses Gesprächs weder stationär aufgenommen, noch sprach die behandelnde Ärztin eine konkrete Behandlungsempfehlung aus. Der ärztliche Bericht endet vielmehr mit dem Hinweis, dass man zunächst eine ausreichende Sicherheit hinsichtlich der Abwendung von Suizidplänen habe herstellen können. Eine Wiedervorstellung zur weiteren Stabilisierung des Gesundheitszustandes sei angeboten worden. Über den Gesprächszeitpunkt hinausweisende allgemeine Aussagen zum Gesundheitszustand des Antragstellers enthält der Bericht dagegen gerade nicht. Im Gegenteil fügt Frau Dr. S. – wie oben ausgeführt - ausdrücklich an, dass sich von ihrer Seite aus aufgrund der nur einmaligen Konsultation am 29. Mai 2013 zu den weiterführenden Fragen, also ob eine Abschiebung des Antragstellers möglich wäre, gerade keine abschließende Aussage treffen lasse. Dem Attest lassen sich mithin keine Anhaltspunkte für das Bestehen eines Abschiebungsverbots im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung entnehmen.
65Der Bericht der Diplom-Psychologin Frau L. -C. vom 12. August 2013 enthält zwar die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung. Allerdings wird diese Feststellung schon nicht in nachvollziehbarer und substantiierter Weise dargelegt. Die Diagnose beruht ersichtlich allein auf den von der Diplom-Psychologin nicht weiter überprüften und hinterfragten Angaben des Antragstellers zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal, die dieser in einem Lebenslauf und in einer eidesstattlichen Versicherung anlässlich des Gesprächstermins am 7. August 2013 schriftlich gemacht hat. Eine eigenständige Befragung des Antragstellers zu seinen Verfolgungserlebnissen hat die Psychologin ersichtlich nicht vorgenommen. Sie hat sich ausweislich der Angaben im Bericht vom 12. August 2013 auf die Erfragung der gegenwärtigen Symptomatik und Bewältigungsstrategien konzentriert und den schriftlichen Angaben des Antragstellers ohne weiteres Glauben geschenkt. Der Psychologin lagen weder das Anhörungsprotokoll des Bundesamtes vom 9. September 2013 noch das Vernehmungsprotokoll der Polizei E. vom 5. Juli 2013 vor. Zudem ist nicht ersichtlich, dass ihr die Ablehnung der Asylanträge des Antragstellers in Belgien bekannt war oder dass sie jedenfalls die dahinter stehende behördliche Einschätzung der Unglaubhaftigkeit des Verfolgungsvorbringens des Antragstellers in ihre Bewertung einbezogen hat. Hinzu kommt, dass sie ihre Diagnose ausschließlich auf der Grundlage eines einzigen Gesprächstermins am 7. August 2013 getroffen hat. Damit erfolgte die Diagnoseerstellung aber schon nicht auf der Grundlage einer ausreichenden Exploration. Eine solche Herangehensweise ist vom Ansatz her untauglich, das Vorliegen einer Krankheit objektiv festzustellen,
66vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. November 2003 – 15 A 5193/00.A -, juris.
67Aber selbst wenn der Antragsteller unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden würde, ergäbe sich hieraus nicht ohne weiteres das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses. Es ist nämlich auch nicht näher nachvollziehbar dargelegt, welcher Behandlungsbedarf hierdurch beim Antragsteller tatsächlich ausgelöst wird und dass eine – gegebenenfalls erforderliche – Behandlung gerade nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen kann und nicht auch in Belgien möglich ist. Soweit Frau L. -C. hierzu ausführt, dass der Antragsteller in Deutschland positive Kontakte zu professionellen Helfern aufgebaut habe, was für einen Verbleib des Antragstellers in Deutschland und gegen eine Rückführung nach Belgien spräche, hat sie jedenfalls nichts dafür dargelegt, dass eine Rückführung nach Belgien ausgeschlossen ist, erst recht nicht, dass diese im Sinne von § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG für den Antragsteller mit der Gefahr einer erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands verbunden wäre. In Belgien bestehen grundsätzlich auch Behandlungsmöglichkeiten für psychische Erkrankungen. Soweit eine ggfs. erforderliche Behandlung unter Umständen nicht unmittelbar nach der Einreise, sondern erst nach einer gewissen Wartezeit erfolgen kann,
68vgl. aida, Asylum Information Database, National Country Report Belgium, Stand 24. Dezember 2013, S. 56, wonach solche Einrichtungen, die sich auf die Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Asylbewerbern spezialisiert haben, mit Wartelisten arbeiten,
69ergibt sich daraus nichts anderes. Denn der Antragsteller hat selbst nicht vorgetragen, dass er auf eine kontinuierliche und ununterbrochene ärztliche bzw. psychologische Behandlung angewiesen ist. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass der Antragsteller sich seit dem Untersuchungsgespräch bei Frau L. -C. am 7. August 2013, das im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung fast ein Dreivierteljahr zurückliegt, überhaupt wegen einer psychischen Erkrankung in ärztlicher Behandlung befand.
70Ebenso ist der weiter gestellte Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen, da die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, §§ 166 VwGO, 114 ZPO.
71Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 RVG.
72Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Der am 22. Januar 1979 in Rimal/Marokko geborene Kläger ist nach seinen Angaben marokkanischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit.
3Er war bereits im Sommer/Herbst 2009 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und wurde am 23. September 2009 in Erfurt von der Polizei aufgegriffen. Am 2. Oktober 2009 stellte er einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gemäß § 25 AsylVfG gab der Kläger an, er sei von Libyen mit dem Schlauchboot nach Sizilien gebracht worden. Von dort aus sei er mit dem Zug nach Mailand, dann weiter nach Paris und von dort nach Deutschland gefahren.
4Das Bundesamt lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 als unzulässig ab; zugleich ordnete es die Abschiebung nach Italien an. In der Begründung hieß es unter anderem: Laut Eurodac sei der Kläger am 24. Mai 2009 illegal über Italien in den Bereich der Mitgliedstaaten der Dublin II-VO eingereist. Auf ein am 16. November 2009 gestelltes Übernahmeersuchen hin habe Italien seine Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO erklärt. Daher werde dieser Antrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft.
5Aufgrund des Übernahmeersuchens wurde der Kläger am 22. Dezember 2009 auf dem Luftwege über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt.
6Am 11. Januar 2011 wurde der Kläger wegen erneuten illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet wiederum in Erfurt aufgegriffen. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Thüringer Polizei gab er an, er habe nach der Abschiebung nach Italien dort keinen festen Wohnsitz gehabt. Einen Asylantrag habe er nicht stellen können. Er sei deshalb nach Frankreich weitergereist, habe sich aber auch dort ohne festen Wohnsitz aufgehalten, ohne einen Asylantrag zu stellen. Schließlich sei er – einen Tag zuvor – wieder nach Deutschland gekommen. Er bitte um Asylgewährung, weil er in Marokko von der Familie seiner Freundin, die er geschwängert habe, mit dem Tode bedroht werde.
7Unter dem 17. Januar 2011 ersuchte das Bundesamt Italien unter Bezugnahme auf Art. 16 Satz 1, Art. 13 Dublin II‑VO um Übernahme des Klägers. Das Ersuchen blieb – ebenso wie eine unter Hinweis auf die Annahmefiktion erfolgte Erinnerung vom 18. Februar 2011 – unbeantwortet.
8Mit Bescheid vom 27. April 2011 lehnte das Bundesamt den erneuten Antrag des Klägers auf Durchführung eines Asylverfahrens ab und ordnete dessen Abschiebung nach Italien an. Italien sei für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig. Wiederaufgreifensgründe lägen insoweit nicht vor, als diese nicht das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach der Dublin II-VO beträfen. Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO seien ebenfalls nicht ersichtlich. Ein Ausnahmefall vom Konzept der normativen Vergewisserung liege nicht vor.
9Ausweislich des Verwaltungsvorgangs des Bundesamtes war die Überstellung des Klägers von Düsseldorf nach Rom-Fiumicino mit einem Flug am 10. Mai 2011 vorgesehen.
10Mit Beschluss vom 5. Mai 2011 – 3 L 603/11.A – hat das Verwaltungsgericht der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, vorläufig für die Dauer von sechs Monaten Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Klägers nach Italien auszusetzen.
11Mit seiner am 16. Mai 2011 erhobenen Klage hat der Kläger im Kern geltend gemacht, die tatsächliche Situation für Asylsuchende in Italien lasse unverändert nicht den Schluss zu, dass dort ein Asylverfahren ordnungsgemäß durchgeführt werde.
12Der Kläger hat beantragt,
13den Bescheid des Bundesamtes vom 27. April 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über seinen Asylantrag in der Sache zu entscheiden.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe der Senat wegen der Einzelheiten Bezug nimmt, hat das Verwaltungsgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben. Der Kläger habe einen aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO (Selbsteintrittsrecht) folgenden Anspruch darauf, dass ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werde. Das insoweit bestehende Ermessen sei auf Null reduziert. Denn es sei nach den tatsächlichen Verhältnissen in Italien nicht gewährleistet, dass dem Kläger dort ein den Richtlinien der Europäischen Union konformes Asylverfahren zugänglich gemacht werde und namentlich die Erfüllung seiner notwendigen Lebensbedürfnisse sichergestellt sei. Unabhängig davon sei Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens auch deswegen zuständig, weil die nach der Dublin II-VO geltende Überstellungsfrist von 6 Monaten abgelaufen sei. Diese Frist habe sich infolge des durchgeführten Eilverfahrens nicht verlängert.
17In einem weiteren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes während des anhängigen Verfahrens auf Zulassung der Berufung hat der Senat durch Beschluss vom 1. März 2012 – 1 B 234/12.A – die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Bundesamts vom 27. April 2011 angeordnet.
18Die mit Beschluss vom gleichen Tage zugelassene Berufung hat die Beklagte fristgerecht begründet. Sie hält aus im Einzelnen dargelegten Gründen Italien weiterhin für zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
19Der Kläger beantragt, seinen erstinstanzlichen Antrag neu fassend,
20den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. April 2011 aufzuheben.
21Die Beklagte beantragt,
22das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage mit dem neu gefassten Antrag abzuweisen.
23Der Kläger beantragt weiter,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Der Kläger tritt der Berufung entgegen und macht hierzu im Wesentlichen geltend: Jedenfalls im Falle ernsthafter Anhaltspunkte für eine mit Blick auf das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im Zielstaat einer Dublin-Überstellung drohende Verletzung von Art. 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: EUGRCh) habe der betroffene Asylbewerber ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts, zumindest aber auf Absehen von einer Überstellung. Was den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 19 Abs. 4 bzw. Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO betreffe, lasse sich aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Sache „Petrosian“ für die Rechtslage in Deutschland kein klares Ergebnis herleiten. Hinsichtlich der tatsächlichen Aspekte des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Dublin-Rückkehrer in Italien überzeuge die Bewertung der konkreten Situation vor Ort durch die Beklagte sowie in den von dieser zur Stützung ihrer Auffassung in Bezug genommenen Erkenntnismitteln nicht. Es fänden sich dort zum Teil widersprüchliche und/oder ungenaue Aussagen. Zu den Quellen gebe es insbesondere bei den Auskünften des Auswärtigen Amtes nur sehr allgemeine Angaben. Die konkreten Fragen des Senats in dessen Anfrage vom 18. Oktober/27. November 2013 seien unbeantwortet geblieben; das habe der gesetzlich vorgeschriebenen Amtshilfe nicht Genüge getan. Zumindest ein Teil der von der Beklagten außerdem in Bezug genommenen Gerichtsentscheidungen betreffe schon keine hinreichend vergleichbaren Fallkonstellationen; andere Entscheidungen schöpften nicht die Erkenntnisse aus den neuesten vorhandenen Auskünften/Berichten in der gebotenen Weise aus. Auf der Grundlage einer verständigen Würdigung aller vorhandenen und namentlich der besonders aktuellen Erkenntnismittel stelle sich die Lage demgegenüber so dar, dass eine von den tatsächlich zur Verfügung stehenden– hier bei weitem unzureichenden und derzeit auch erheblich überbelegten – Unterbringungskapazitäten schlüssig getragene Sicherstellung einer Versorgung der Asylbewerber und speziell der Dublin-Rückkehrer mit Unterkunft sowie außerdem mit Verpflegung, Kleidung und medizinischer Hilfe – alles gemessen an dem (Mindest-)Schutzniveau des Art. 4 EUGRCh – nicht gewährleistet und auch nicht regelmäßig vorhanden sei. Da das eigentliche Problem des italienischen Asyl-/Aufnahmesystems eine enorme Diskrepanz zwischen dem (nach den Rechtsvorschriften gebotenen) Soll-Zustand und dem (die Praxis und Lebenswirklichkeit bestimmenden) Ist-Zustand sei, umfassende empirische Untersuchungen zu den tatsächlichen Verhältnissen aber in der Regel fehlten, ließen sich zulässigerweise auch aus (etwa Berichten von Nichtregierungsorganisationen zugrunde liegenden) Schilderungen von typischen Einzelfällen Schlüsse auf die im Land vorherrschenden Rahmenbedingungen ziehen. Darauf gründend lägen hier gravierende Defizite vor, die zugleich als strukturell zu bewerten seien. So sei etwa das italienische Asyl- und (daran anknüpfend) Aufnahmesystem dergestalt zweistufig ausgestaltet, dass es nach der ersten Anbringung des Asylgesuchs noch dessen förmlicher Registrierung in einer Questura bedürfe, um überhaupt Leistungen wie Unterkunft o.ä. erhalten zu können. Da diese Registrierung in der Praxis manchmal erst Wochen oder zum Teil sogar Monate später erfolge, ergebe sich eine zeitliche Lücke, welche missachte, dass nach europäischem Recht schon ab Einreise und Asylantragstellung ein Anspruch auf soziale Leistungen bestehe. Bei den in Rede stehenden Aufnahmemodalitäten, darunter insbesondere den massiven Kapazitätsengpässen, handele es sich auch nicht nur um ein temporäres, inzwischen überstandenes Problem. Im Gegenteil habe sich die Situation in der letzten Zeit nicht beruhigt, sondern sogar weiter zugespitzt. Denn zum einen habe der Zustrom von Asylbewerbern nach Italien im Jahr 2013 – und namentlich dessen zweiter Hälfte – wieder dramatisch zugenommen (insgesamt ca. 43.000 Bootsflüchtlinge), andererseits seien die im Zuge des sog. „Notstands Nordafrika“ zusätzlich eingerichteten Unterkunftsmöglichkeiten des Zivilschutzes im Laufe des Jahres 2013 weggefallen und es sei hierfür kein adäquater Ausgleich geschaffen worden. Die insoweit bestehende Lücke zu schließen und zugleich ein – bislang fehlendes – klar überschaubares, möglichst zentrales System der Verteilung von Unterkünften und Verpflegung einzurichten, falle in die staatliche Verantwortung Italiens. Durch die Kirche und etwaige sonstige karitative Einrichtungen erbrachte zusätzliche Nothilfe, auf welche etwa das Auswärtigen Amt immer wieder ergänzend hinweise, könne daher das anzunehmende strukturelle Defizit im Sinne der Rechtsprechung zum „systemischen Mangel“ nicht beseitigen. Das gelte zumal dann, wenn diese Hilfe nicht im staatlichen Auftrag, sondern bezogen auf das Selbstverständnis dieser Organisationen „aus eigenem Antrieb“ erfolge. Das Vorliegen eines „systemischen Mangels“ sei im Übrigen nicht im Sinne einer zusätzlichen Anforderung zu begreifen. Das gelte in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Supreme Court des Vereinigten Königreichs jedenfalls dann, wenn kein Zweifel daran bestehe, dass in dem jeweiligen Einzelfall die ernstzunehmende Gefahr einer Verletzung von Art. 4 EUGRCh gegeben sei. Schließlich habe der Europäische Gerichtshof durch Urteil vom 27. Februar 2014 nochmals klargestellt, dass der Asylbewerber bereits ab dem Zeitpunkt des Asylantrages den Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben habe, was bei Fehlen einer verfügbaren Unterkunft auch die ersatzweise Zurverfügungstellung finanzieller Mittel betreffe.
26In der (ersten) mündlichen Verhandlung des Senats vom 26. September 2013 ist der Kläger ausführlich (u.a.) zu den Umständen seiner 2009 erfolgten Rückführung nach Italien befragt worden; wegen der Einzelheiten seiner Angaben wird auf die betreffende Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte, der Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der sonstigen Beiakten (insgesamt 9 Hefte) sowie der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
30I. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zulässig. Der Kläger hat seinen Klageantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat entsprechend klargestellt, die Beklagte hat sich hiermit einverstanden erklärt. Eine Anfechtungsklage bietet den erforderlichen und ausreichenden Rechtsschutz, so dass es einer weitergehenden Klage auf Verpflichtung der Beklagten nicht bedarf. Dies ergibt sich aus Folgendem:
31Nach den Regelungen der vorliegend anzuwendenden (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, Art. 49 Satz 3 der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist, ABl. L 180/31, sog. Dublin III-VO) Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 50/1, sog. Dublin II-VO, ist grundsätzlich nur ein einziger Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Prüfung eines Asylantrags zuständig. Lehnt vor diesem Hintergrund die Beklagte, wie ihr Terminsvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Bezug auf den streitbefangenen Bescheid klargestellt hat, die Durchführung eines Asylverfahrens nach § 27a AsylVfG wegen der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats ab, kann der Asylbewerber geltend machen, seine Überstellung in eben diesen Staat sei wegen dort gegebener systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unzulässig. Erweist sich diese Behauptung als zutreffend, so ist die Beklagte schon kraft Unionsrechts verpflichtet zu prüfen, ob nach den Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO ein anderer Mitgliedstaat zur Prüfung des Asylbegehrens zuständig ist. Dies hat der Europäische Gerichtshof wiederholt entschieden und hierzu ausgeführt: „... hat folglich dann, wenn die Überstellung eines Antragstellers an den ursprünglich nach den Kriterien des Kapitels III der Verordnung als zuständig bestimmten Mitgliedstaat nicht möglich ist, der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ..., die Prüfung der Kriterien des genannten Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob anhand eines dieser Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann. Ist dies nicht der Fall, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, nach Art. 13 der Verordnung für dessen Prüfung zuständig.“
32EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 –(Puid), NVwZ 2014, 129 = juris, Rn. 33 f.; inhaltlich übereinstimmend ferner Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 u.a. – (N.S.), NVwZ 2012, 417 = juris, Rn. 96, 97 u. 107.
33Diese unionsrechtliche Verpflichtung tritt, wenn sich die systemischen Mängel erweisen sollten, automatisch ein. Die Verwaltungsgerichte haben demnach zu prüfen, ob in dem in Betracht kommenden Mitgliedstaat der Europäischen Union die behaupteten systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen vorliegen, und bejahendenfalls weiter zu untersuchen, ob ein anderer Mitgliedstaat nach den Regelungen der Dublin II-VO für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens zuständig ist. Die Prüfung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats brauchen die Verwaltungsgerichts nach allgemeinen Grundsätzen aber nicht gleichsam „ins Blaue hinein“ vorzunehmen, sondern nur insoweit, als sich aus den Akten oder dem sonstigen Vorbringen der Beteiligten hinreichende Anhaltspunkte hierfür ergeben. Dementsprechend erweist sich Ziffer 1 des angefochtenen Bundesamtsbescheides als rechtmäßig entweder, wenn der für die Durchführung des Asylverfahrens als zuständig benannte Staat tatsächlich zuständig ist und nicht wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen ausfällt oder wenn dies auf einen anderen Mitgliedstaat zutrifft, der nach den Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens vorrangig zuständig ist. Ergibt die verwaltungsgerichtliche Prüfung aber, dass in dem von der Beklagten als zuständig bezeichneten Mitgliedstaat systemische Mängel bestehen, und lässt sich kein anderer vorrangig zuständiger Mitgliedstaat ausmachen, so ist Deutschland nach Art. 13 Dublin II-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig, weil (regelmäßig) jedenfalls hier ein Asylantrag gestellt worden ist. Eines auf Durchführung des Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungsausspruchs bedarf es daher nicht, weil bei bestehender Zuständigkeit der Asylantrag von Amts wegen sachlich zu prüfen ist. Dementsprechend besteht – ungeachtet der Möglichkeit zum Selbsteintritt – selbst beim Bestehen systemischer Mängel auch keine Verpflichtung zum Selbsteintritt des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO,
34vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 – (Puid), a.a.O., Rn. 37; Thym, NVwZ 2014, 130,
35und demzufolge auch kein hierauf gerichteter Anspruch des Asylbewerbers.
36Dies gilt nicht nur bei erstmaliger Antragstellung, sondern auch im Wiederholungsfalle und zwar unabhängig davon, ob der Asylbewerber zwischenzeitlich in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat überstellt wurde. Es spielt daher vorliegend keine Rolle, dass die Beklagte den Asylantrag des Klägers als Folgeantrag eingestuft und in dem Bescheid des Bundesamtes vom 27. April 2011 die Durchführung eines „weiteren“ Asylverfahrens abgelehnt hat. Insbesondere ist im Lichte der vorbezeichneten neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Fällen der vorliegenden Art die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht einschlägig, derzufolge sich die Verwaltungsgerichte bei Ablehnung der Durchführung eines Asylfolgeverfahrens nicht auf die Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung des Folgeverfahrens beschränken dürfen, sondern die Sache im Hinblick auf die begehrte Anerkennung als Flüchtling spruchreif zu machen haben.
37BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 –, BVerwGE 107, 128 = juris, Rn. 10; dem auch für Fälle folgend, in denen die Prüfung der sog. Dublin-Zuständigkeit inmitten steht, OVG NRW, Urteil vom 10. Mai 2011 – 3 A 133/10.A –, juris.
38Denn die hier zentrale Frage nach dem für die Prüfung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat ist – wie der Bescheid des Bundesamtes vom 27. April 2011 zutreffend ausführt – der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und betrifft nicht das Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ein abgeschlossenes (Asyl-)Verwaltungsverfahren wiederaufzugreifen ist. Zuständigkeitsprüfung und inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens sind unterschiedliche, voneinander getrennte Verfahren. Dies wird bestätigt durch die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326/13), die sog. Verfahrensrichtlinie, wonach die materielle Prüfung des Asylgesuchs durch eine „Asylbehörde“ erfolgt, deren Entscheidung gerichtlich überprüft werden kann. Diese Richtlinie betrifft ausweislich ihres Artikels 39 Abs. 1 Buchst. a) i) i.V.m. Art. 25 Abs. 1 sowie ihres 29. Erwägungsgrundes aber nicht das Verfahren der Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II-VO, was belegt, dass die Zuständigkeitsprüfung ein von der materiellen Prüfung des Asylbegehrens abgetrenntes Verfahren darstellt. Noch deutlicher formuliert dies der 53. Erwägungsgrund der nachfolgenden (Verfahrens-)Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, ABl. L 180/60, der von einem Verfahren zur Klärung der Zuständigkeit „zwischen Mitgliedstaaten“ spricht. Auch der Europäische Gerichtshof weist darauf hin, dass die Bestimmungen der Dublin II-VO die „Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln“.
39Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 – (Abdullahi), NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 56.
40II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
41Der Bescheid des Bundesamtes vom 27. April 2011 ist im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unabhängig von der formalen Einordnung des Asylantrags des Klägers durch die Beklagte als Folgeantrag im Sinne des § 71 AsylVfG findet– wie der Sitzungsvertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat – der Bescheid hinsichtlich der Ablehnung der Durchführung eines Asylverfahrens seine Rechtsgrundlage in § 27a AsylVfG und hinsichtlich der Abschiebungsanordnung in § 34a Abs. 1 AsylVfG. Beide Regelungen des Bescheides sind rechtlich nicht zu beanstanden.
421. Das Bundesamt hat richtig entschieden, dass die Beklagte für die sachliche Prüfung und Entscheidung des streitbefangenen Asylantrags nicht zuständig ist. Damit musste dieser Antrag, wie in Ziffer 1 des Bescheides vom 27. April 2011 geschehen, abgelehnt werden, weil er unzulässig ist (§ 27a AsylVfG). Maßgebend hierfür ist die Dublin II-VO (nachfolgend a)). Die danach bestehende ursprüngliche Zuständigkeit Italiens zur Durchführung des Asylverfahrens ist nicht nach (Sonder-)Vorschriften der Dublin II-VO auf die Beklagte übergegangen (nachfolgend b)). Schließlich fällt Italien als zuständiger Staat auch nicht aus, weil die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Durchbrechung des der Dublin II-VO zugrunde liegenden Prinzips gegenseitigen Vertrauens gerechtfertigt ist (nachfolgend c)).
43a) Grundlage der Prüfung dieser Zuständigkeit ist für das im Januar 2011 angebrachte Gesuch des Klägers (noch) die Dublin II-VO. Diese wurde zwar gemäß Art. 48 Satz 1 der Dublin III-VO zwischenzeitlich aufgehoben. Für vor dem 1. Januar 2014 angebrachte Schutzgesuche bleibt jedoch gemäß Art. 49 Satz 3 Dublin III-VO die Vorläufer-Verordnung weiterhin anwendbar (siehe bereits oben I.).
44b) Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Maßgabe der Dublin II-VO hat prinzipiell allein auf der Grundlage der dort festgelegten Kriterien zu erfolgen, für die eine bestimmte Rangfolge gilt (Art. 5 ff. Dublin II-VO). Hiernach war im vorliegenden Falle Italien zuständig (dazu aa)). Diese Zuständigkeit hat Italien nicht verloren; sie ist nicht während des Asylverfahrens nach (Sonder-)Vorschriften der Dublin II-VO auf die beklagte Bundesrepublik Deutschland übergegangen (dazu bb) bis ee)).
45Inwieweit diesen Zuständigkeitsvorschriften (und ob allen bzw. gegebenenfalls welchen) dabei überhaupt subjektive Rechte des Asylsuchenden entnommen werden können, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Allerdings spricht auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs,
46vgl. Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 – (Abdullahi), NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 60,
47viel dafür, dass die subjektive Rechtsstellung von Asylbewerbern in sog. „Dublin-Verfahren“ nur insofern betroffen ist, als es darum geht, ob diese auf der Grundlage von ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gründen in dem Mitgliedstaat, in den sie überstellt werden sollen, tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S. von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 14. Dezember 2007 (ABl. C 303/1) (EUGRCh) ausgesetzt zu werden. Keine subjektiven Rechte seien hingegen von der Prüfung berührt, ob in dem jeweiligen Fall die Rangkriterien der Dublin II-VO wie etwa Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 19 Abs. 2 Satz 3 vorgesehenen Rechtsbehelf richtig angewendet oder aber damit verbundene Form- und Fristerfordernisse korrekt beachtet wurden. Eine solche Begrenzung der subjektiven Rechtsstellung soll namentlich dann gelten, wenn der für zuständig befundene Mitgliedstaat der Überstellung zugestimmt hat. Sie dürfte konsequenterweise dann auch den hier gegebenen Fall der Fiktion dieser Zustimmung nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO erfassen, was aber der Europäische Gerichtshof nicht ausdrücklich (mit)entschieden hat. Mit Blick darauf geht der Senat im Folgenden vorsorglich auf die Zuständigkeitsbestimmung nach den Maßgaben der Dublin II-VO ein:
48aa) Die ursprüngliche Dublin-Zuständigkeit Italiens ist hier unstreitig. Sie ergibt sich (mangels vorrangiger Dublin-Kriterien) aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO. Denn ausgehend von seinen eigenen, insofern von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Angaben hat der Kläger aus einem Drittstaat (Libyen) kommend als erstes die (See-)Grenze zu dem Mitgliedstaat Italien überschritten. Dies erfolgte ohne einen Aufenthaltstitel und insofern illegal. Der betreffende Sachverhalt wird durch den im Bescheid des Bundesamtes vom 11. Dezember 2009 erwähnten Eurodac-Treffer der Kategorie „2“ (Kennzeichnung für illegal Eingereiste ohne Status des Asylbewerbers) bestätigt. Dementsprechend hat Italien im Jahre 2009 auch der Aufnahme des Klägers zugestimmt.
49bb) Die Zuständigkeit Italiens hat nicht nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO geendet. Zwar endet nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Zuständigkeit (eines Mitgliedstaats für die Durchführung des Asylverfahrens) zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Damit ist aber lediglich gemeint, dass die Zuständigkeit dann endet, wenn vor Ablauf der genannten Frist in keinem der Mitgliedstaaten ein Asylantrag gestellt wurde. Diese Auslegung ergibt sich zwingend vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO, der als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Kriterien für die Bestimmung der sog. Dublin-Zuständigkeit denjenigen vorgibt, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Deshalb ist es unschädlich, wenn nicht (auch) in dem Einreisestaat innerhalb der in Rede stehenden Frist ein Asylantrag gestellt wurde. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob der Zwölfmonatszeitraum im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgelaufen ist.
50Vgl. etwa OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 8), siehe auch (im Wesentlichen gleichlautend und nachfolgend nicht mehr gesondert zitiert) Urteil jenes Gerichts vom gleichen Tage – 3 L645/12 –, n.v.; ferner Nds. OVG, Beschluss vom 2. August 2012 – 4 MC 133/12 –, juris, Rn. 9.
51Hieran gemessen war die Zwölfmonatsfrist bei der ersten Asylantragstellung des Klägers in Deutschland (2. Oktober 2009) noch nicht abgelaufen. Denn der Eurodac-Treffer zu Italien datiert vom 24. Mai 2009. Dafür, dass der Kläger das italienische Staatsgebiet deutlich früher betreten hätte, gibt es auch bei Einbeziehung seiner eigenen vorprozessualen und in diesem Verfahren gemachten Angaben keinen Anhalt. So hat der Kläger in der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, nach seiner Einreise über Lampedusa nach Sizilien gebracht worden zu sein und dort in einer „Sammelstelle für Illegale“ gelebt zu haben. Dies zugrunde gelegt, ist aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er dort auch – zeitnah zur Einreise – erkennungsdienstlich behandelt wurde.
52cc) Die beklagte Bundesrepublik ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO nachträglich für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig geworden. Denn sie hat das dort angesprochene Gesuch um Aufnahme innerhalb der Frist von drei Monaten nach Einreichung des Antrags noch in dem Monat der Asylantragstellung (Januar 2011) gestellt. Dass eine Antwort darauf ausblieb, ist im Rahmen der vorgenannten Vorschrift unerheblich, begründet vielmehr nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO (umkehrt) nach Ablauf von zwei Monaten aufgrund fingierter Annahme eine wohl eigenständig hinzutretende Verpflichtung des ersuchten Mitgliedstaates, die in Rede stehende Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Gegebenenfalls ergäbe sich Entsprechendes aus Art. 20 Abs. 1 Buchst. b) und c) Dublin II-VO, wenn keine Aufnahme, sondern eine Wiederaufnahme vorläge.
53dd) Die vom Kläger mit angesprochene Frage, ob die Zuständigkeit Italiens eventuell nach Art. 4 Abs. 5 Satz 2 Dublin II-VO erloschen ist, stellt sich hier bereits deshalb nicht, weil die in der Vorschrift geregelte Frist von drei Monaten allein den (hier nicht gegebenen) Fall erfasst, dass der Asylbewerber zwischenzeitlich das Gebiet „der“ (also aller) Mitgliedstaaten verlassen hat. Die Dauer des Aufenthalts des Klägers in Frankreich ist hierfür also nicht von Belang.
54ee) Schließlich ist die Zuständigkeit Italiens auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Das knüpft an Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO an, welcher unter anderem bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist ist hier nicht abgelaufen, wobei es maßgeblich auf den Fall 2 („oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf“) ankommt.
55Mit „Entscheidung über den Rechtsbehelf“ ist nicht die gerichtliche Entscheidung in dem zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemeint, mit der die Durchführung der Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat ausgesetzt wird, sondern die Entscheidung, mit der das Gericht „über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens“ entscheidet und die der Durchführung des Überstellungsverfahrens nicht mehr entgegenstehen kann.
56Vgl. insoweit zu entsprechenden Frist in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin II-VO: EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 – (Petrosian), NVwZ 2009, 639 = juris, Rn. 53.
57Das bezieht sich – jedenfalls wenn und solange die Vollziehung der Überstellung (weiter) ausgesetzt ist – nach allgemeiner Auffassung auf die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren.
58Vgl. statt vieler etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris, Rn. 35; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juni 2012 – A 2 S 1355/11 –, AuAS 2012, 213 = juris, Rn. 24; Hessischer VGH,Beschluss vom 23. August 2011 – 2 A 1863/10.Z.A –, InfAuslR 2011, 463 = juris, Rn. 7; VG Freiburg, Beschluss vom 2. Februar 2012– A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 14; VG Meiningen, Urteil vom 26. Juni 2013 – 5 K 20096/13 Me –, juris, Rn. 39, m.w.N.
59Für die Auslegung des Merkmals „aufschiebende Wirkung“ macht es keinen relevanten Unterschied, ob nach dem hier innerstaatlich einschlägigen deutschen Recht – rechtstechnisch gesehen – die Durchführung der Überstellung in Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO oder des § 123 VwGO durch das Gericht vorläufig gestoppt wird. Denn die Wirkung beider Entscheidungstypen des vorläufigen Rechtsschutzes ist mit Blick auf das praktische Ergebnis die gleiche: Die Überstellung darf zunächst einmal kraft gerichtlicher Anordnung nicht erfolgen. Das bedeutet jeweils, dass eine Abstimmung hinsichtlich der näheren Modalitäten der Überstellung, für welche die Frist eingeräumt ist, noch nicht erfolgen kann bzw. noch keinen Sinn ergäbe.
60Vgl. zur Gleichbehandlung der verschiedenen Arten der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes insoweit auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juni 2012 ‑ A 2 S 1355/11 –, AuAS 2012, 213 = juris, Rn. 25; VG Meiningen, Urteil vom 26. Juni 2013 – 5 K 20096/13 Me –, juris, Rn. 40.
61Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger hervorgehobenen Umstand, dass § 34a Abs. 2 AsylVfG in seiner bis zum 5. September 2013 gültig gewesenen, also im Zeitpunkt des Ablehnungsbescheides anwendbaren Fassung eine Aussetzung der Abschiebung im Wege der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sowohl nach § 80 als auch § 123 VwGO kraft Gesetzes ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Dieser Umstand führt nicht darauf, dass hier Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Fall 2 Dublin II-VO gar nicht oder jedenfalls nicht im Sinne eines Einsetzens der Überstellungsfrist erst mit dem Ergehen einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung anzuwenden wäre, wenn Gerichte den Vollzug ausgesetzt haben. Denn was nach dem (sachlich zusammenhängend) in Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin II-VO in Bezug genommenen „innerstaatlichen Rechtzulässig“ ist, bestimmt sich nach der Rechtsordnung des betroffenen Staates insgesamt und nicht allein nach dem Wortlaut des geschriebenen (einfachen) Gesetzesrechts. Namentlich geht das Verfassungsrecht in seiner Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht dem einfachen Gesetzesrecht vor. Dies zugrunde gelegt, fordert die unionsrechtliche Zweckbestimmung der in Rede stehenden Frist, dass diese auch in den hier interessierenden Fällen einer rechtlichen Unmöglichkeit der Überstellung nicht anläuft bzw., sofern sie schon angelaufen ist, gehemmt wird.
62Vgl. – in diesem Sinne – etwa auch Hessischer VGH, Beschluss vom 23. August 2011 – 2 A 1863/10.Z.A -, InfAuslR 2011, 463 = juris, Rn. 5, 6; Nds. OVG, Beschluss vom 2. August 2012– 4 MC 133/12 –, juris, Rn. 17; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L643/12 –, juris (UA S. 11 f.).
63Eine etwa entgegen Art. 19 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO nicht erfolgte Angabe der Frist für die Durchführung der Überstellung hat entgegen der Auffassung des Klägers keine Bedeutung dafür, ob in Bezug auf den Fall 2 des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO der Überstellungszeitraum von sechs Monaten überschritten ist. Auch die zeitlich begrenzte Verlängerungsmöglichkeit nach Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin II-VO betrifft ganz andere Situationen und hat mit dem Fall 2 des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO nichts zu tun.
64Vgl. in diesem Zusammenhang auch VGMeiningen, Urteil vom 26. Juni 2013 – 5 K 20096/13 Me –, juris, Rn. 41 f.
65Für die Beurteilung des konkreten Falles anhand des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO folgt daraus: Das Verwaltungsgericht Köln hat mit Beschluss vom 5. Mai 2011 – 3 L 603/11.A –, zugestellt am 6. Mai 2011, der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig für die Dauer von sechs Monaten aufgegeben, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Klägers nach Italien auszusetzen. Diese gerichtliche Entscheidung hat zunächst verhindert, dass die Überstellungsfrist nach Fall 2 des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO überhaupt anlaufen konnte. Selbst wenn die Sechsmonatsfrist für die Überstellung danach (ab 7. November 2011) angelaufen sein sollte, war sie in dem Zeitpunkt, in welchem der Senat mit Beschluss vom 1. März 2012 – 1 B 234/12.A – die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid vom 27. April 2011 (neuerlich) angeordnet hat, noch nicht abgelaufen. Da diese Anordnung nicht befristet gewesen ist, ist die hier interessierende Frist seitdem jedenfalls gehemmt und im Ergebnis auch im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht abgelaufen.
66Vorstehende Überlegungen gelten entsprechend für die in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d und Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO für den Fall der Wiederaufnahme geregelten Frist von sechs Monaten.
67c) Die Zuständigkeit Italiens zur Entscheidung über den Asylantrag des Klägers entfällt nicht ausnahmsweise deswegen, weil die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Durchbrechung des den Bestimmungen der Dublin II-VO zugrunde liegenden Systems des gegenseitigen Vertrauens gerechtfertigt ist.
68aa) Im Ausgangspunkt liegt dem im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystem – und dabei gerade auch der Dublin II-VO – die Vermutung zugrunde, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II, S. 559) (Genfer Flüchtlingskonvention) sowie der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Oktober 2010 (BGBl. II, S. 1198)) – Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – steht. Das wird vom Europäischen Gerichtshof als „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“,
69vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 – (N.S.), NVwZ 2012, 417 = juris, Rn. 78 ff.,
70bzw. entsprechend in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als „Konzept der normativen Vergewisserung“,
71vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 –, BVerfGE 94, 49 = NJW 1996, 1665 = juris, Rn.181,
72bezeichnet. Die betreffende Vermutung kann allerdings in Sonderfällen widerlegt sein, nämlich dann, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass in dem nach Maßgabe der Dublin II-VO für die Prüfung eines Asylgesuchs an sich zuständigen Mitgliedstaat das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EUGRCh implizieren. Dabei ist der Inhalt dieses Grundrechts an der Auslegung des Art. 3 EMRK auszurichten (vgl. insoweit Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EUGRCh einschließlich der gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 EUV zu berücksichtigenden Erläuterungen).
73Vgl. statt vieler OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 16 mit Hinweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
74Jedenfalls im Kern Entsprechendes ergibt sich auch unmittelbar aus der für das vorliegende Verfahren in erster Linie maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dort wird – wohl letztlich nicht in einem (wesentlich) anderen Sinne – gefordert, dass es sich bei den Mängeln des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber um „systemische“ Mängel bzw. Unzuträglichkeiten handeln muss. Diesbezüglich ist in dem Urteil der Großen Kammer des Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011 – Rs C-411/10 und C-493/10 – (NVwZ 2012, 417 = juris) ausgeführt worden:
75Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System (gemeint: das System der Behandlung der Asylanträge) in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. (Rn. 81)
76Dennoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Verordnung Nr. 343/2003 berühren würde. (Rn. 82)
77Auf dem Spiel stehen nämlich der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet. (Rn. 83)
78Es wäre auch nicht mit den Zielen und dem System der Verordnung Nr. 343/2003 vereinbar, wenn der geringste Verstoß gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen würde, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. (Rn. 84)
79Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. (Rn. 86)
80Damit die Union und ihre Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen in Bezug auf den Schutz der Grundrechte der Asylbewerber nachkommen können, obliegt es nach alledem in Situationen wie denen der Ausgangsverfahren den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den ‘zuständigen Mitgliedstaat’ im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden. (Rn. 94)
81Daraus ergibt sich im Ergebnis:
82Art. 4 der Charta ist dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den ‘zuständigen Mitgliedstaat’ im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden. (Rn. 106)
83Diese Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof auch in der nachfolgenden Zeit im Kern bestätigt.
84Vgl. etwa Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 – (Puid), NVwZ 2014, 129 = juris, Rn. 30.
85Für die Annahme eines systemischen Mangels im vorgenannten Sinne reicht die Verletzung einzelner Grundrechte außerhalb von Art. 4 EUGRCh ebenso wenig wie die „geringste“ Verletzung von Bestimmungen des zum Asylrecht ergangenen Sekundärrechts.
86Vgl. auch Thym, in: Kluth/Heusch, Beck’scher Online Kommentar Ausländerrecht, AEUV Art. 78, Rn. 27 (Stand 1. Februar 2013).
87Vielmehr erfordern systemische Mängel eine in den vom Gericht empirisch gewonnenen Erkenntnissen zum Ausdruck kommende „reelle Unfähigkeit des Verwaltungsapparates zur Beachtung des Art. 4 EUGRCh“,
88vgl. Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408,
89liegen also vor bei „strukturellen Störungen, die ihre Ursache im Gesamtsystem des nationalen Asylverfahrens“ haben, ohne dass es auf eine hierauf bezogene Zielsetzung des betreffenden Mitgliedstaats ankommt.
90Vgl. Marx, NVwZ 2012, 409, 411.
91Zwar setzt dies nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel so gravierend sein, dass sie nicht lediglich singulär oder zufällig, sondern „in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen“.
92Vgl. Bank/Hruschka, ZAR 2012, 182, 186.
93Das kann darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern (objektiv) vorhersehbar von ihnen betroffen sind. Ein systemischer Mangel kann daneben aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem – mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis – faktisch in weiten Teilen funktionslos wird.
94Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris, Rn. 46.
95Ob der Auffassung des Klägers zuzustimmen ist, dass es auf das Vorliegen systemischer Mängel nicht ankomme, wenn im Einzelfall bei Überstellung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat eine Verletzung von Art. 4 EUGRCh anzunehmen sei,
96in diesem Sinne Supreme Court des Vereinigten Königreichs, R v Secretary of State for the Home Department, Entscheidung vom 19. Februar 2014, UKSC 12, im Internet abrufbar unter www.supremecourt.uk; ebenso Marx, a.a.O., S. 412; a.A. Hailbronner/Thym, a.a.O.,
97bedarf keiner Entscheidung. Denn im Falle des Klägers geht es nicht um die individuell an seine Person anknüpfende Besorgnis einer Verletzung von Art. 4 EUGRCh, etwa deshalb, weil er innerhalb der Gruppe der asylsuchenden Dublin-Rückkehrer eine in besonderem Maße verletzliche und/oder gefährdete Person wäre. Vielmehr steht die Frage möglicher struktureller Defizite insbesondere der (allgemein für Dublin-Rückkehrer unter den Asylbewerbern geltenden) Aufnahmebedingungen in Italien im Zentrum des Verfahrens.
98Der Prognosemaßstab für das Vorliegen systemischer Mängel ist einheitlich zu bestimmen sowohl, was die (empirischen) Voraussetzungen für das Vorliegen systemischer Mängel betrifft, als auch hinsichtlich der darauf gründenden Einschätzung, ob diese Mängel die begründete Erwartung rechtfertigen, dass der Betroffene im Falle seiner Überstellung Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
99Die oben angeführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verlangt insofern zunächst, dass die Annahme einer mit Blick auf bestehende systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 EUGRCh durch „ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe“ gestützt und abgesichert sein muss. Die anzustellende Prognose bedarf somit einer konkret nachvollziehbaren und in der Sache fundierten („ernsthaften“) Tatsachengrundlage. Namentlich im Fall von sich (zum Teil) widersprechenden Auskünften oder sonstigen Erkenntnismitteln müssen die vom Gericht für die Widerlegung der Vermutung des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens als „richtig“ zugrunde gelegten Tatsachen hinreichend belastbar sein. Das setzt voraus, dass für ihr Zutreffen, dabei u.a. auch für die Verallgemeinerungsfähigkeit von Erkenntnissen über beobachtete oder berichtete Einzelfälle, ein beachtlicher Grad von Wahrscheinlichkeit spricht.
100Das entspricht dem Maßstab, der auch für die Prognose des voraussichtlichen Eintretens der Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 EUGRCh selbst anzuwenden ist. Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ergibt sich insofern aus der vom Europäischen Gerichtshof für die drohende Grundrechtsverletzung verwendeten Formulierung der „tatsächlichen Gefahr“, im Englischen „real risk“. Zu dieser Formulierung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Bezug auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der diese Formulierung entlehnt ist,
101vgl. etwa Urteile vom 28. Februar 2008– 37201/06 – (Saadi), Rn. 125, 128 f., z.B. NVwZ 2008, 1330 (1331), und vom 11. Juli 2000– 40035/98 – (Jabari), Rn. 38, 42, u.a. InfAuslR 2001, 57 (58),
102festgestellt, dass damit der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit gemeint ist.
103Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2013– 10 C 23.12 –, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 32, und vom 1. Juni 2011 – 10 C 25.10 –, BVerwGE 140, 22 = juris, Rn. 22, m.w.N.
104Dieser besagt, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung (hier: eine Verletzung von Art. 4 EUGRCh) sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen.
105Vgl. dazu, dass es dabei allerdings nicht auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit im rein mathematischen Sinne („mehr wahrscheinlich als unwahrscheinlich“) ankommt, EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 – 37201/06 – (Saadi), NVwZ 2008, 1330, Rn. 140.
106Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung (hier: einer Verletzung von Art. 4 EUGRCh) hervorgerufen werden kann.
107Vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23.12 –, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 32.
108Von dem in Rede stehenden Überstellungsverbot zweifelsfrei erfasst werden nach alledem (in der Regel) nur solche Verhältnisse, in denen es – hier im Zusammenhang mit Überstellungen von Asylbewerbern nach dem „Dublin-Regime“ – in dem Zielstaat der Überstellung aufgrund entsprechender, hinreichend gesicherter Erkenntnisse nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder zu einer Verletzung der Grundrechtsgewährleistung aus Art. 4 EUGRCh kommen kann.
109Vgl. sinngemäß auch OVG Sachsen-Anhalt,Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 18); OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris, Rn. 46, 48.
110Die bloße Möglichkeit derartiger Verletzungshandlungen – auch bei einer allgemein unsicheren Lage in dem betreffenden Staat – reicht dagegen nicht.
111Vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008– 37201/06 – (Saadi), Rn. 131, u.a. NVwZ 2008, 1330 (1331 f.).
112An dem vorgenannten Maßstab ist im Prinzip auch dann festzuhalten, wenn der Betroffene in der Vergangenheit – wie hier der Kläger – schon einmal in den in Rede stehenden Mitgliedstaat überstellt worden war und er seinerzeit auf der Grundlage seiner Angaben ins Gewicht fallende Mängel und Unzuträglichkeiten der Aufnahmebedingungen tatsächlich erlebt hat. Dieser Umstand ist – je nach der Bedeutsamkeit des Erlebten und den sonstigen Umständen des Einzelfalles mit ggf. unterschiedlichem Gewicht – in die oben erwähnte umfassende Abwägung aller Umstände einzubeziehen. Er rechtfertigt demgegenüber – anders als der Umstand der Vorverfolgung im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU, ABl. L 337/9, sog. Qualifikationsrichtlinie – nicht generell eine den Prognosemaßstab faktisch verschiebende Beweiserleichterung, wie sie der Kläger wohl sinngemäß auch für den vorliegenden Fall geltend macht. Solches muss insbesondere dann gelten, wenn wie hier keine individuellen Besonderheiten des Asylsuchenden bzw. spezifische Besonderheiten der Gruppe, der er zugehört, gefährdungsrelevant sind, sondern die vorzunehmende Prognose maßgeblich an den allgemein bestehenden – und zwar den aktuellen – Aufnahmebedingungen auszurichten ist. Eine andere Sichtweise wäre nach Auffassung des Senats nicht mit dem nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs grundsätzlich aufrecht zu erhaltenden und schützenswerten Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zu vereinbaren. Es würde nämlich den konkreten Erfahrungen, welche Einzelpersonen in der Vergangenheit vielleicht mehr oder weniger zufällig gemacht haben, ein zu starres und auch tendenziell zu großes Gewicht im Rahmen der (Gesamt-)Würdigung zumessen, ob ausgehend von den allgemein vorherrschenden Aufnahmebedingungen in dem betroffenen Mitgliedstaat auch (noch) aktuell mit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gerechnet werden muss.
113Vgl. auch EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008– 37201/06 – (Saadi), NVwZ 2008, 1330, Rn. 133: „Die historischen Tatsachen sind zwar insoweit von Bedeutung, als sie die jetzige Lage und die Art, wie sie sich wahrscheinlich entwickelt, beleuchten, entscheidend sind aber die jetzigen Verhältnisse.“
114Zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale von Art. 4 EUGRCh ist wegen der korrespondierenden Gewährleistungsinhalte (vgl. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EUGRCh) auf die Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK zurückzugreifen.
115Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011– 30696/09 – (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 338.
116Nach der Rechtsprechung des EGMR ist (allgemein) eine Behandlung dann „unmenschlich“, wenn sie absichtlich über Stunden erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Als „erniedrigend“ ist eine Behandlung dann anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von allen Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers.
117Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011– 30696/09 – (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 219, 220.
118Das kann – etwa bei Asylsuchenden als Angehörige einer besonders benachteiligten und verletzlichen und damit besonders schutzwürdigen Bevölkerungsgruppe – auch die Verhältnisse der Unterbringung, die hygienischen Verhältnisse und die Versorgung mit ausreichender Nahrung betreffen.
119Vgl. das vorgenannte Urteil vom 21. Januar 2011, Rn. 222, 251 und 254.
120Allerdings kann Art. 3 EMRK nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtete, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen.
121Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011– 30696/09 – (M.S.S.), EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m.w.N., und Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 – (Mohammed Hussein), ZAR 2013, 336 f. (Rn. 70).
122Anders zu beurteilen ist aber bei Erreichen des erforderlichen Schweregrades (möglicherweise) der Fall, dass in dem betreffenden Staat auf Grund des positiven Rechts die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung tatsächlich besteht oder jedenfalls zu bestehen hat, weil einschlägiges Unionsrecht entsprechend umgesetzt werden muss. Von Bedeutung ist dabei vor allem die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96) (im Folgenden: Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 (ABl. L 31/18) inzwischen abgelöst hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt.
123Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011– 30696/09 – (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 250; siehe auch VG Frankfurt, Urteil vom 9. Juli 2013 – 7 K 560/11.F.A. –, juris, Rn. 21; eher kritisch hinsichtlich einer damit ggf. einhergehenden Überdehnung der Reichweite des Art. 3 EMRK, welche in Widerspruch zu der Auslegung des Art. 4 EUGRCh durch den EuGH geraten könnte, aber etwa Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406 (407 f.).
124Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die nach der Aufnahmerichtlinie erforderlichen Aufnahmebedingungen zu gewährleisten, beginnt mit der Stellung des Asylantrags. Systematik und Zweck der Richtlinie und auch die Wahrung der Grundrechte verbieten es, dass einem Asylbewerber der mit den in der Richtlinie festgelegten Mindestnormen verbundene Schutz entzogen wird, und sei es auch nur vorübergehend nach Asylantragstellung.
125Vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 – C-79/13 – (Saciri u. a.), juris, Rn. 33 – 35, und Urteil vom 27. September 2012 – C-179/11 – (Cimade), NVwZ 2012, 1529 = juris, Rn. 39, 56, jeweils zur Richtlinie 2003/9/EG.
126Davon ausgehend kann ein Staat im Rahmen von Art. 3 EMRK (bzw. entsprechend Art. 4 EUGRCh) – zumindest in Gestalt einer in Betracht kommenden Möglichkeit – für eine Behandlung verantwortlich sein, bei der sich ein von staatlicher Unterstützung vollständig abhängiger Asylsuchender in einer gravierenden Mangel- oder Notsituation staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sieht, die mit der Menschenwürde unvereinbar ist. Dies kann der Fall sein, wenn ein Asylsuchender erkanntermaßen mehrere Monate obdachlos auf der Straße gelebt hat, ohne Einnahmen oder Zugang zu Sanitäreinrichtungen und ohne die Mittel zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse.
127EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 – (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 253, 263.
128Hiernach ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt (insbesondere) vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, entweder schon der Zugang zu einem Asylverfahren, welches nicht mit grundlegenden Mängeln behaftet ist, verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
129Sind in diesem Zusammenhang bestimmte Anforderungen in EU-Richtlinien festgelegt worden, kann sich (konkretisierend) auch daraus der im Sinne der angesprochenen Artikel für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltende Maßstab ergeben, soweit es sich dabei erkennbar um Mindestanforderungen handelt. Hieran muss sich dann nicht nur der Inhalt nationaler Rechtsvorschriften, sondern auch und gerade die praktische Umsetzung messen lassen. Das betrifft in vorliegenden Zusammenhang insbesondere die materiellen Aufnahmebedingungen, wie sie in Art. 17 und 18 der Aufnahmerichtlinie (Neufassung 2013) für bedürftige Personen unter den Asylantragstellern prinzipiell festgelegt sind. Dabei erlauben diese in bestimmten Ausnahmesituationen, wie etwa bei vorübergehender Erschöpfung der üblicherweise zur Verfügung stehenden Unterbringungskapazitäten, aber auch zeitlich begrenzte Einschränkungen (Art. 18 Abs. 9 Satz 1 Buchst. b der Aufnahmerichtlinie). Auch dann muss aber das absolut garantierte Minimum (hier: Deckung der „Grundbedürfnisse“) gewährleistet bleiben (Art. 18 Abs. 9 Satz 2 der Aufnahmerichtlinie).
130Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen hat Italien in innerstaatliches Recht übernommen.
131bb) Auf der Grundlage des im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in dem Berufungsverfahren vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern – und darunter namentlich von Dublin-Rückkehrern – in Italien steht zur Überzeugung des Senats fest, dass keine ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gründe dafür vorliegen, dass der Kläger im Falle seiner Überstellung in diesen Mitgliedstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, ausgehend von systemischen Mängeln des dortigen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 EUGRCh ausgesetzt zu werden.
132Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind diejenigen Umstände heranzuziehen, die auch auf die Situation des Klägers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Klägers auswirken (können). Demgemäß ist in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehrern zu beleuchten, die – wie der Kläger – in Italien bislang noch keinen Asylantrag gestellt haben. Ferner ist davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner (unterstellten) Ankunft in Italien einen Asylantrag stellt und die dort zur Verfügung stehenden Angebote der Versorgung im Rahmen des Möglichen tatsächlich nutzt. Nicht maßgeblich ist demnach z. B. die Situation von Rückkehrern, die bei ihrem ersten Aufenthalt in Italien bereits einen Asylantrag gestellt hatten, über den schon entschieden worden ist, die sich also aktuell nicht mehr in einem Asylverfahren befinden und die ein solches, auch wenn der ursprüngliche Antrag abgelehnt worden war, regelmäßig nicht mehr (unter den gleichen Voraussetzungen wie bei einem Erstantrag) neu einleiten können. Dies gilt ebenso für in Italien verbliebene Flüchtlinge, deren Asylverfahren abgeschlossen ist. Es betrifft weiter Flüchtlinge, die keine (in der Regel zuvor angekündigten) Dublin-Rückkehrer sind, sondern – wie beispielsweise die sog. Bootsflüchtlinge – außerhalb eines geordneten Verfahrens in Italien ankommen und um Schutz nachsuchen. Schließlich betrifft dies Flüchtlinge, die sich dem Asylsystem komplett entzogen haben, etwa weil sie überhaupt keinen Asylantrag gestellt haben (und u.U. auch gar nicht stellen wollen), demzufolge auch nicht registriert sind und folglich auch keine der Aufnahmerichtlinie entsprechenden Leistungen erhalten können.
133Hiervon ausgehend kommt der Senat bei der Würdigung des Erkenntnismaterials in einer Gesamtschau zu dem Ergebnis, dass Italien – mit Blick sowohl auf das dortige Rechtssystem als auch insbesondere die Verwaltungspraxis – über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches trotz ggf. vorliegender einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der „vor Ort“ tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber „im Normalfall“, also bei nach der Erkenntnislage vorhersehbarem Verlauf der Dinge, nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen, namentlich nicht solchen i.S.d. Gewährleistung aus Art. 4 EUGRCh, rechnen muss.
134Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen (nach wie vor) durchaus Mängel und Defizite nicht ganz unwesentlicher Art feststellen lassen, sind diese weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer wie den Kläger nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert.
135Im Einzelnen gilt hierzu:
136(1) Dublin-Rückkehrer werden zurzeit unter Bedingungen nach Italien überstellt, welche in der Regel den ungehinderten Zugang zum Asylverfahren und in der ersten Zeit nach der Überstellung auch ein (in dem zu fordernden Mindestmaß) geordnetes Aufnahmeverfahren mitsamt den zugehörigen Leistungen zur Sicherung der Grundbedürfnisse gewährleisten. Soweit Probleme wesentlich erst durch ein eigenmächtiges (Anders-)Verhalten der Betroffenen (z.B. fehlendes Hinbegeben zu den als zuständig mitgeteilten Stellen, Untertauchen, bewusste Nichtinanspruchnahme von Beratung bzw. Vermittlung von Unterkunft, vorzugsweises Wohnen in „besetzten Häusern“ oder Slums statt in staatlichen Aufnahmeeinrichtungen aufgrund eigener Willensentscheidung) ausgelöst werden, kann dies – das sei hier vorangestellt – nicht dem italienischen Staat als Systemfehler und Auslöser einer Grundrechtsverletzung angelastet werden.
137Dublin-Rückkehrer werden in der Regel auf dem Luftweg nach Italien überstellt. Sie treffen zumeist auf den Flughäfen Fiumicino in Rom oder Malpensa in Mailand (vgl. z.B. UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, Juli 2013 – nachfolgend zitiert: Bericht Juli 2013 –, S. 7), in begrenzter Anzahl auch auf einigen weiteren Flughäfen ein. Für den Kläger war im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Bescheid (wie zuvor auch schon in 2009) eine Überstellung nach Rom konkret vorgesehen. Insofern spricht hier eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine künftige Überstellung ebenfalls nach Rom (oder sonst voraussichtlich nach Mailand) erfolgen wird.
138Nach Rom-Fiumicino (rück-)überstellte Personen werden – regelmäßig nach entsprechender Vorankündigung (UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 7) – von der Grenz- bzw. Luftpolizei beim Flugzeug abgeholt und zur Questura am Flughafen begleitet. Dort werden Fotos und Fingerabdrücke genommen. Haben die Betroffenen in Italien noch keinen Asylantrag gestellt, so können sie einen solchen Antrag sogleich im Büro der Questura am Flughafen registrieren lassen (UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 7, und an VG Freiburg, Dezember 2013, S. 7, zu Rom-Fiumicimo); andernfalls erhalten sie ein Schreiben, aus dem sich die für sie zuständige Questura ergibt, wo sie ihren Antrag formalisieren lassen können, einen Termin hierfür sowie ein Zugticket dorthin (zum Ganzen: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Oktober 2013 – im Folgenden zitiert: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013 –, S. 13 f., 16; UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 7; Auswärtiges Amt (AA) an Senat vom 11. September 2013, zu Frage a; AA an VG Minden vom 24. Mai 2013, zu Fragen 2 und 8).
139Vgl. hierzu und zum Folgenden ferner etwa OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013– 3 L 643/12 –, juris (UA S. 21); VG Stuttgart, Beschluss vom 31. Januar 2014 – A 11 K 3470/13 –, UA S. 13 f.
140Von der Questura aus werden die Ankömmlinge weiter zu der jeweils zuständigen Nichtregierungsorganisation (NGO) begleitet, die sich im Transitbereich der Nicht-Schengen-Zone des Flughafens befindet. Diese NGO – in Rom ist nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Oktober 2013, S. 14) zurzeit die „Badia Grande“ zuständig – bietet dort im Auftrag der Präfektur Beratung mit Blick auf das weitere Verfahren an. Dolmetscher und Informationsbroschüren stehen zur Verfügung. Die betreffende NGO kümmert sich in der Regel auch um die zumindest vorläufige Unterbringung der Dublin-Rückkehrer, jedenfalls derjenigen, die einen Asylantrag gestellt haben bzw. stellen wollen. Das kann eine Übergangsunterkunft (transit accommodation, z.B. FER-Unterkünfte als mit EU-Mitteln finanziertes Projekt speziell für Dublin-Überstellte, nur teilweise begrenzt auf „vulnerable cases“), eine (Not-)Unterkunft in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung), ggf. aber auch schon eine längerfristige Unterkunft in einer der „regulären“ Systeme staatlicher Aufnahmeeinrichtungen (namentlich CARA oder SPRAR) betreffen. Ob Letzteres schon möglich ist, hängt davon ab, ob im Einzelfall die örtliche oder eine andere Präfektur für den Betroffenen zuständig ist. Bis es auf diese Weise gelingt, für die Dublin-Rückkehrer eine Unterkunft zu finden, müssen diese allerdings unter Umständen einige Tage am Flughafen verbleiben und dort (ohne besondere Schlafplätze, aber wohl geduldet) auch übernachten (zum Ganzen: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 14 f., 15 f.; UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 11 f.; AA an Senat vom 11. September 2013, zu Frage a; AA an VG Minden vom 24. Mai 2013, zu Frage 2; Liaisonbeamtin des Bundesamtes, Stellungnahme vom 21. November 2013, zu 3. und 7., welche u.a. darauf hinweist, die überstellten Asylbewerber würden an den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa nach eigenen Feststellungen „sehr intensiv betreut“; zu „temporary reception systems“ für Dublin-Rückkehrer etwa auch European Network for technical cooperation on the application of the Dublin II Regulation, Dublin II Regulation National Report, Dezember 2012, S. 48; aida – Asylum Information Database -, National Country Report Italy, Update November 2013, nachfolgend zitiert: aida-Report, November 2013, S. 42, wo andererseits aber auch kritisch angemerkt wird, dass die Unterbringung der Dublin-Rückkehrer insgesamt noch zu lange dauere und es vorkomme, dass einzelne Betroffene am Ende nicht mit einer Unterkunft versorgt würden und in alternativen/selbstorganisierten Unterkunftsformen eine Bleibe fänden).
141Richtig ist allerdings auch, dass die beschriebenen Abläufe wohl nicht in jedem Einzelfall sichergestellt sind. Das mag damit zusammenhängen, dass nach vorliegenden Erkenntnissen Grenzpolizei und NGOs von der italienischen Dublin-Unit nicht immer rechtzeitig und ausreichend informiert werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 14, 15). Im Prinzip werden die NGOs aber über die Ankunft von Dublin-Fällen vorab informiert (UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 7). Ein Versagen des Systems kann daher insoweit nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden.
142Dass der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat in der ersten mündlichen Berufungsverhandlung vom 26. September 2013 die Abläufe im Bereich des Flughafens Rom-Fiumicino für seine Ende 2009 und damit vor über vier Jahren erfolgte Rücküberstellung anders geschildert hat, als es der vorstehend zusammengefassten, im Kern übereinstimmenden aktuellen Auskunftslage entspricht, vermag die prinzipielle Belastbarkeit des Inhalts dieser Auskünfte nicht durchgreifend in Frage zu stellen. Denn die aktuellen Erkenntnisquellen zu den derzeitigen Verhältnissen nach der Ankunft von Dublin-Rückkehrern am Flughafen geben für den Regelfall hierfür keinen Anhalt.
143Sollte die Überstellung des Klägers nach Mailand-Malpensa erfolgen, ergäbe sich hiervon keine beachtliche Abweichung. Denn die grundlegenden Strukturen und Verhältnisse der Aufnahme am Flughafen Mailand-Malpensa entsprechen weitgehend denjenigen am Flughafen Rom-Fiumicino (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 13 ff.).
144Allerdings ergibt sich aus den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen auch, dass die in Italien notwendige „Formalisierung“ eines gestellten Asylantrags – die sog. Verbalizzazione – nicht nur in Einzelfällen, sondern auch übergreifend und insofern einem in der Praxis auftretenden strukturellen Mangel zumindest nahekommend – zu Problemen für Asylbewerber (im Allgemeinen) führt bzw. zumindest geführt hat. Diese sind nämlich in dem Zeitraum bis zur Verbalizzazione nicht immer hinreichend vor Obdachlosigkeit geschützt. Denn Bemühungen um ihre Unterbringung, soweit sie durch die zuständige Questura getätigt werden, setz(t)en in der Regel erst nach der Verbalizzazione ein. Dieser Zwischenzeitraum kann – je nachdem, welche Stadt oder Region betroffen ist und ob es sich um ein Ballungszentrum mit einer Vielzahl zu bearbeitender Anträge oder um einen ländlich geprägten Raum handelt – von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Wochen oder ggf. sogar Monaten reichen (vgl. zum Ganzen Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12; UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 6, 11, und auch schon Bericht Juli 2012, S. 7; AA an Senat vom 11. September 2013, zu Frage b, und an VG Minden vom 24. Mai 2013, zu Frage 9; siehe für die damaligen Zeitpunkte auch Judith Gleitze, borderline europe, Gutachten an das VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 9, und Associazione per gli Studi Giuridici sull‘ Immigrazione (ASGI), Die derzeitige Situation von Asylbewerbern in Italien, November 2012, S. 5 der deutschen Übersetzung). Exakte und zugleich zuverlässige Angaben lassen sich insoweit aber nicht mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit machen (vgl. aida-Report, November 2013, S. 42). Den Auskünften ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass die beschriebene Verzögerung der Regelfall ist (Liaisonbeamtin des Bundesamtes, Stellungnahme vom 21. November 2013, zu 1.: teilweise mit Verzögerung; UNHCR vom Dezember 2013, S. 7: in der Regel Zugang zu Transitunterbringungseinrichtungen; evtl. einige Tage an Flughäfen warten; kann passieren, dass gemäß der Dublin-Verordnung überstellte Personen mehrere Tage am Flughafen verbringen; S. 11: UNHCR erhält Berichte über Fälle, in denen Asylsuchende nicht sofort Zugang zu Aufnahmemaßnahmen gewährt wird, sondern erst Wochen und Monate später; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 14: Dublin-Rücküberstellte übernachten manchmal ein paar Tage am Flughafen [ohne Schlafplätze]; aida-Report, November 2013, S. 42: in den meisten Fällen [„in most of the cases“] dauert es zu lange, bis eine Unterkunft gefunden ist, mangels genereller Praxis lässt sich die Wartezeit nicht allgemein angeben, es kommt vor [„it happens“], dass Dublin-Rückkehrer nicht untergebracht werden).
145Der darin zum Ausdruck kommende Mangel ist vom italienischen Staat zudem nicht einfach untätig hingenommen worden. So hat das italienische Innenministerium in der ersten Jahreshälfte 2013 die nachgeordneten Behörden angewiesen, dass die Verbalizzazione zeitgleich mit der Asylgesuchstellung zusammenfallen soll. Zugleich ist ein neues Informatiksystem (Vestanet) eingeführt worden, von dem man sich ebenfalls eine Verkürzung der Wartezeiten erhofft. Allerdings benötigt die landesweite Implementierung noch Zeit und leidet unter technischen Anfangsschwierigkeiten, so dass die Prognose, ob dies zu einer Verbesserung führen wird, noch schwierig ist (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). Jedenfalls liegen dem Senat aber keine Erkenntnisse darüber vor, dass diese Weisung generell oder zumindest in einer Vielzahl von Fällen nicht befolgt würde.
146Unabhängig davon sind für Dublin-Rückkehrer unter den Asylbewerbern die nachfolgenden Ausführungen bedeutsam, welche den hier in Rede stehenden Mangel noch weiter relativieren: Wenngleich häufig betont wird, dass für Dublin-Rückkehrer insoweit prinzipiell keine Besonderheiten gelten bzw. diese in gleicher Weise von den in Rede stehenden Verzögerungen durch die erst später durchgeführte Registrierung des Asylantrags betroffen sein sollen (vgl. etwa AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013, zu 1.4; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bericht Oktober 2013, S. 12), ist dies bei verständiger Würdigung (nur) dahin zu verstehen, dass das System des Asylverfahrens für diese Personengruppe in gleicher Weise ausgestaltet ist/war wie bei den sonstigen Asylsuchenden. Das meint hier im Besonderen die „Zweistufigkeit“ des Verfahrens, d.h. das Auseinanderfallen von erster Äußerung eines Asylbegehrens und davon (in der Regel auch zeitlich) getrennter Formalisierung/Registrierung des Asylantrags. Mit Blick auf das Grundrecht aus Art. 4 EUGRCh ernstlich bedenklich ist aber in diesem Zusammenhang nicht die hierdurch ggf. mit herbeigeführte Verzögerung des Beginns des Asylverfahrens als solche, sondern nur deren Folge, die die Einhaltung richtlinienkonformer Aufnahmebedingungen betrifft. Dabei geht es namentlich um eine nicht durch systemische Mängel des Verfahrens zeitlich verzögerte Zurverfügungstellung einer Unterkunft und einer daran anknüpfenden weiteren Versorgung mit Kleidung, Essen, Hygieneartikeln etc. Gerade insoweit ist einschlägigen Erkenntnismitteln – zum Teil sogar sehr detailreich (siehe namentlich den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013, S. 13 ff.) – aber zu entnehmen, dass speziell für die Dublin-Rückkehrer, die noch kein Asylgesuch in Italien gestellt hatten, zumindest an den italienischen Hauptflughäfen Einrichtungen zur Verfügung stehen, welche diese (anders als ggf. auf anderem Wege nach Italien einreisende Asylbewerber) bei Bedarf anleitend betreuen und die sich dabei gerade auch – schon in diesem Stadium – um die Suche nach einem (Interims-)Unterkunftsplatz bemühen, was ihnen – bei Wartezeiten von nur wenigen Tagen an den Flughäfen (siehe oben) – in der Regel auch gelingt. Das alles lässt jedenfalls für die Gruppe der Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Schutzstatus haben, wie hier den Kläger, systemische Mängel i.S. der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, welche – bezogen auf den Schweregrad ausreichend – zugleich eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 EUGRCh implizieren, am Ende nicht hervortreten. Das gilt jedenfalls, soweit es (was bisher behandelt wurde) um die Aufnahmebedingungen unmittelbar nach der Überstellung nach Italien geht.
147Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich die durchaus organisierte Einbeziehung auch nichtstaatlicher, kirchlicher und sonstiger karitativer Einrichtungen in die Betreuung und Hilfeleistung auch dem italienischen Staat zurechnen. Denn die in Rede stehenden Organisationen werden in dem hier interessierenden Zusammenhang – auch die Zurverfügungstellung von (Not‑)Unterkünften betreffend – jedenfalls nicht ausschließlich allein aus eigenem Antrieb tätig, sondern in der Regel im Auftrag staatlicher Stellen wie der Präfektur (staatliche Mittelbehörde in den Provinzen) oder der Kommunen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 14, 22, 33). Auch die letztlich fehlende zentrale Koordinierung der nebeneinander bestehenden Systeme zur Unterbringung von Asylbewerbern und hier insbesondere Dublin-Rücküberstellten unter Einbeziehung staatlicher und nichtstaatlicher Stellen bzw. Organisationen mag zwar gewisse Defizite und Reibungsverluste begünstigen, sie stellt aber für sich genommen noch keinen systemischen und auch keinen auf eine zu befürchtende Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 EUGRCh führenden Mangel mit dem dafür erforderlichen Gewicht dar.
148(2) Dublin-Rückkehrer müssen nach der aktuellen Erkenntnislage auch während der (weiteren) Durchführung ihres Asylverfahrens in Italien nicht beachtlich wahrscheinlich damit rechnen, dass sie in ihrem Grundrecht aus Art. 4 EUGRCh verletzt werden, indem ihnen durch den italienischen Staat wegen von der Zahl her offensichtlich nicht ausreichender angemessener Unterkunftsmöglichkeiten ein Leben „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ (bekanntermaßen) zugemutet würde und damit ihr Recht auf Unterkunft (vgl. hierzu Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Buchst. g der Aufnahmerichtlinie) systematisch unbeachtet bliebe. Eine solchermaßen dramatische Lage lässt sich aktuell für Italien aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen. Im Ergebnis unerheblich ist dabei, dass es in diesem Zusammenhang nicht zu vernachlässigende Mängel und Defizite gibt, auf die verbreitet hingewiesen wird und deren Abstellen bzw. (weiteres) Verringern sicherlich wünschenswert ist. In diese Richtung hat die italienische Regierung aber auch bereits von den Flüchtlingsorganisationen gewürdigte Schritte unternommen.
149Es fehlt zunächst nicht grundlegend an einem planvollen System bzw. (genauer) an verschiedenen, sich ergänzenden Systemen von Aufnahmeeinrichtungen, in denen Dublin-Rückkehrer, sei es zum Teil auch neben anderen Personengruppen (sonstige Asylbewerber, schon anerkannte Flüchtlinge), während eines in Italien durchgeführten Asylverfahrens nicht nur als vorübergehender „Notbehelf“, sondern prinzipiell für die gesamte Dauer dieses Verfahrens (im Einzelfall auch über 6 Monate hinaus) eine Unterkunft finden können. Diese wird den Betroffenen im Rahmen eines ebenfalls in den Grundstrukturen geordneten Vermittlungs-/Zuweisungsverfahrens – in der Regel durch die jeweils örtlich zuständige Präfektur oder Questura – zugeteilt. Wesentliche Bestandteile dieses Aufnahmesystems sind – insbesondere für die Erstaufnahme – die als CARA bezeichneten, in der Regel größeren Aufnahmezentren sowie – in einer zweiten Phase, ggf. aber auch schon für die Erstaufnahme u.a. von Dublin-Rückkehrern – die Einrichtungen des Aufnahmesystems SPRAR. Letztere umfassen nicht nur eine Wohnmöglichkeit, sondern stellen sich als ein individualisiertes Integrationsprojekt mit Sprachkursen, Berufsbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche dar, welches nicht nur Asylsuchenden offen steht, sondern auch anerkannten Schutzberechtigten (siehe Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22; aida-Report, November 2013, S. 46; borderline-europe, Gutachten Dezember 2012, S. 15 f.)
150Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris, Rn. 43.
151Hinzu treten namentlich in den größeren Städten wie Rom und Mailand noch kommunale oder (im Auftrag der Gemeinden) von NGOs betriebene Unterkünfte, die allerdings ebenfalls nicht exklusiv der Unterbringung von Asylbewerbern bzw. der Dublin-Rückkehrer unter ihnen zur Verfügung stehen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 26 ff., 33 ff.).
152Allerdings können Unterkunftsplätze in allen diesen Einrichtungen nur dann konkret angeboten und belegt werden, soweit sie auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Blick auf die vorhandenen Kapazitäten zu lenken. Diesbezüglich wird, was sich mit gewissen Unterschieden auf alle zur Verfügung stehenden Systeme/Unterbringungsarten erstreckt und schon die Übergangsunterkünfte (FER-Projekte) mit einbezieht, von einem Großteil der dem Senat vorliegenden Auskünfte und Berichte namentlich der Flüchtlingsorganisationen das Gesamtangebot als unzureichend kritisiert (vgl. etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 18, 20, 26, 29, 35; aida-Report, November 2013, S. 45, 47; UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 11: „lack of capacity in the existing reception system“). Zum Teil wird auch auf aktuelle Engpässe der Belegungssituation gerade in bestimmten Unterkunftsarten, wie etwa in den CARA, hingewiesen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 18 ff.). Insofern überzeugt es wenig, wenn demgegenüber das Auswärtige Amt in seinen Auskünften (z.B. AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013, zu Frage 3., erster Absatz und am Ende, sowie in seiner Auskunft an den Senat vom 11. September 2013, zu Frage c)) auch auf Nachfrage des Senats ohne konkret nachvollziehbare Begründung davon ausgeht, es gebe landesweit ausreichende Kapazitäten, um in Italien alle Asylbewerber und Flüchtlinge und darunter insbesondere auch die Dublin-Rückkehrer sofort mit einer Unterkunft zu versorgen (Hervorhebung durch den Senat).
153Die vorstehend thematisierten Erkenntnisse sind in die Gesamtwürdigung mit einzustellen, soweit es um die Frage geht, ob in der Zurverfügungstellung eines solchen begrenzten Gesamtangebots ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen zu sehen ist, und ob dieser zugleich die Prognose rechtfertigt, dass überstellte Dublin-Rückkehrer derzeit konkret der Gefahr ausgesetzt sind, obdachlos zu werden. Die Auskünfte sind allerdings unter den nachfolgenden Gesichtspunkten näher zu hinterfragen und im Gefolge dessen auch zu relativieren:
154Was die Zahl der insgesamt oder in den jeweiligen Unterkunftssystemen für sich genommen vorhandenen Plätze betrifft, gibt es in den Erkenntnismitteln Angaben, die sich hinsichtlich der zugrunde gelegten Zahlen jedenfalls zum Teil voneinander unterscheiden (vgl. AA an VG Minden vom 24. Mai 2013 zu Frage 8. in Bezug auf das Gutachten von borderline-europe; Liaisonbeamtin des Bundesamtes in ihrer Stellungnahme vom 21. November 2013 zu Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, zu 1.). Ferner ist in Rechnung zu stellen, dass – zumindest die CARA betreffend – derzeit faktisch wohl Überbelegungen stattfinden, d.h. mehr Personen dorthin zugewiesen werden als diejenige Zahl, für die die jeweilige Einrichtung ausgelegt ist (vgl. Liaisonbeamtin des Bundesamtes, Stellungnahme vom 21. November 2013, zu 1. mit nach einzelnen CARA aufgeschlüsselter Tabelle). Insofern kommen namentlich in den staatlichen Unterkunftseinrichtungen wahrscheinlich mehr Betroffene unter, als es die nackten Zahlen über die Kapazität dieser Einrichtungen annehmen lassen; die „Soll-Belegung“ muss insofern nicht die „Ist-Belegung“ widerspiegeln. Dies mag als unterstützender Beleg für eine insgesamt unzureichende Unterbringung von Flüchtlingen gewertet werden können, zeigt andererseits aber auch anschaulich, dass den italienischen Stellen das Schicksal der Flüchtlinge nicht gleichgültig ist, sie vielmehr in großer Zahl unter Ausschöpfung von Unterbringungsreserven ein Obdach erhalten und deshalb nicht vollkommen schutzlos auf sich selbst gestellt sind.
155Vgl. zur Abgrenzung etwa EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 – (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 263, wo der betroffene Mitgliedstaat – dort Griechenland – gerade auch wegen seiner Untätigkeit für die Lage verantwortlich gemacht wurde, aus der die tatsächliche Gefahr, Opfer einer erniedrigenden Behandlung zu werden, erwuchs.
156Und noch ein Weiteres erschwert in diesem Zusammenhang die Betrachtung: Die Zahlen zur (Soll-)Aufnahmekapazität einzelner oder auch aller Einrichtungen geben für sich genommen schon deswegen kein vollständiges Bild, weil es daneben wesentlich darauf ankommt, wie oft (etwa pro Jahr) ein Wechsel erfolgt, also ein vorhandener Platz wieder frei und neu besetzbar wird. Gerade zu Letzterem und auch (als Indiz hierfür) zur Länge der Asylverfahren gibt es aber keine eindeutigen, durch statistisches Material belegten und verfügbaren Erkenntnisse, obwohl gerade dies für eine gesicherte Annahme von etwaigen Rückkoppelungseffekten (Blockierung von Plätzen durch eine längere als die gewöhnliche Aufenthaltsdauer der „Vorgänger“) von Interesse wäre. Man ist deshalb im Wesentlichen auf überschlägige Schätzungen angewiesen. Der aida-Report, November 2013, S. 43, geht von einer durchschnittlichen Verweildauer in CARAs von 8 bis 10 Monaten aus, in SPRARs könne der Aufenthalt 6 bis 12 Monate andauern. In den Auskünften des Auswärtigen Amtes wird typisierend davon ausgegangen, dass ein Unterkunftsplatz (insbesondere in den SPRAR-Einrichtungen) zwei Mal im Jahr neu belegt werden kann; insofern werden die Zahlen zur Aufnahmekapazität – zum Teil ohne die gebotene Erläuterung – schlicht verdoppelt (siehe AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013, zu Frage 3, und an VG Minden vom 24. Mai 2013, zu Frage 8; dazu auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 23)). Das verzerrt allerdings das Zahlenmaterial für den notwendigen Vergleich mit anderen Erkenntnismitteln, die häufig eine entsprechende statistische Erhöhung der Kapazität in ihren Zahlenangaben nicht berücksichtigt haben. Die Angabe eines „typischen“ Belegungszeitraums erweist sich bezogen auf nicht staatliche Unterkünfte, die von Kommunen oder NGOs getragen werden, als noch schwieriger und unsicherer im Aussagegehalt. Bezieht man dabei zusätzlich zu festen kommunalen Aufnahmezentren auch die diversen Notschlafstellen bei kirchlichen Einrichtungen oder NGOs mit ein, so ist es unmöglich, überhaupt nur einen Überblick auch schon über die Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze zu gewinnen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 35). Diese Plätze stehen darüber hinaus nicht speziell Asylbewerbern zur Verfügung, obschon auch solche dort inzwischen vermehrt unterkommen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 27).
157Schließlich kommt Folgendes noch relativierend hinzu, und zwar mit Blick darauf, ob dem Bestand an Unterkunftsplätzen ohne Weiteres die Gesamtzahl der in Italien pro Jahr ankommenden Flüchtlinge vergleichend gegenüber gestellt werden kann, um auf diese Weise ein konkret bestehendes Unterkunftsdefizit hinreichend plausibel zu machen: Insofern muss man sich vergegenwärtigen, dass ein nicht exakt bezifferbarer Teil der in Italien anlandenden Flüchtlinge und auch der nach der Dublin II-VO überstellten Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) einen Asylantrag gestellt hatten, unabhängig von der unter Umständen gegebenen Möglichkeit ihrer Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung selbst die Entscheidung trifft, im Land unterzutauchen und/oder Italien wieder zu verlassen und – ggf. zum wiederholten Male – in einen anderen Mitgliedstaat der EU, in dem (vermeintlich) bessere Aufnahmebedingungen herrschen, weiterzureisen. Insbesondere Letzteres hat zur Folge, dass diese Personen zumindest vorübergehend die italienischen Aufnahmeeinrichtungen nicht belasten. Es gibt auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Asylbewerber bzw. Flüchtlinge ein solches Verhalten immer erst dann an den Tag legen, wenn die Aufnahmebedingungen, die sie erwarten, objektiv dem Maßstab des Grundrechts aus Art. 4 EUGRCh nicht genügen. Vielmehr können die Gründe für das angeführte Verhalten unterschiedlichster Art sein, und sie müssen auch nicht stets nachvollziehbar sein. So wird etwa in dem schon an anderer Stelle zitierten aida-Report von November 2013 (S. 42) von einem Vorkommnis im Oktober 2013 berichtet, bei dem von 155 geretteten Bootsflüchtlingen 89 nach Rom transferiert worden seien; diese seien sämtlich aus dem dortigen Aufnahmezentrum verschwunden, ohne dem Leiter des Zentrums vorher eine Mitteilung zu machen. Ein anderer Teil der Gesamtzahl der in Italien eintreffenden Flüchtlinge kommt– wie schon dargelegt – bei kommunalen und karitativen Einrichtungen unter. Auch dieser nicht gering zu schätzende Teil kann im Rahmen einer vergleichenden (Zahlen-)Betrachtung nicht einfach der Gesamtanzahl der vorhandenen staatlichen Unterkünfte mit gegenübergestellt werden.
158Vgl. zu dem (u.a.) aus beiden vorstehenden Gründen als gering einzustufenden Aussagewert der Zahlen zur Kapazität der öffentlichen (staatlichen) Aufnahmeeinrichtungen auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Juni 2013– OVG 7 S 58.13 –, juris, Rn. 27.
159Aber selbst unterstellt, es gäbe einen geeigneten und hinreichend belastbaren Anhalt dafür, dass die in Italien aktuell vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern – und hier insbesondere der Dublin-Rückkehrer unter ihnen – insgesamt nicht ausreichen würden, um für alle Betroffenen die Zuteilung einer (nicht nur nach der Ankunft in Italien übergangsweise vermittelten) Unterkunft regelmäßig ohne Wartezeiten von Belang sicherzustellen, ergäbe sich allein daraus nach Auffassung des Senats noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 4 EUGRCh überschreitendes Versagen des Staates im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Hierzu gilt:
160Die Frage, in welchem Umfang ein Staat für Asylbewerber bzw. Flüchtlinge aus anderen Ländern angemessene Unterkunftsmöglichkeiten konkret vorsehen (schaffen und aufrechterhalten) muss, lässt sich nicht abstrakt in einem bestimmten Sinne – etwa durch Festlegung einer genauen Mindestanzahl – bestimmen. Das hängt damit zusammen, dass die betreffende Aufgabe sich erst als Reaktion auf bestimmte andere, den Handlungsauftrag auslösende Umstände ergibt. Das sind hier konkret absehbare oder schon vorhandene Flüchtlingsströme in die EU, welche den in Rede stehenden Mitgliedstaat berühren. Die diesbezügliche Situation kann sich ggf. sehr schnell zuspitzen, kann sich dann aber auch wieder deutlich entspannen, um dann evtl. wieder durch neu entstandene politische Konflikte oder Bürgerkriegssituationen z.B. im Mittelmeerraum zu eskalieren. Da die ständige Vorhaltung von Unterkünften für Asylbewerber und Flüchtlinge in großer Zahl nicht unerhebliche finanzielle Mittel bindet, kann in diesem Zusammenhang zumal von Staaten, die wie Italien aktuell eine Wirtschaftskrise durchgemacht haben, nicht strikt verlangt werden, dass sie rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten für Asylbewerber in einem Umfang bereithalten müssen, der nicht ständig, sondern nur bei einer ggf. auftretenden Spitzenbelastung benötigt wird. Vielmehr reicht es grundsätzlich aus, wenn sich der betroffene Mitgliedstaat erfolgversprechend bemüht, den sich aus dem Dublin-System ergebenden europarechtlichen Anforderungen je nach der auftretenden Lage im Wege flexibler Anpassung seines Aufnahmesystems zu entsprechen. Dies kann etwa in der Weise geschehen, dass in „ruhigeren Zeiten“ Kapazitäten maßvoll zurückgefahren, diese bei einer neu auftretenden Belastungssituation dann aber wieder in prinzipiell ausreichendem Maße aufgestockt werden.
161Ähnlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Juni 2013 – OVG 7 S 58.13 –, juris, Rn. 18, 19; für die Berücksichtigung erkennbarer, realer Bemühungen eines Mitgliedstaates im Zusammenhang mit der Bewertung, ob ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen angenommen werden kann, auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris, Rn. 47.
162Hiervon ausgehend hat sich Italien – unbeschadet mancherseits, auch von UNHCR, zu Recht angebrachter (Teil-)Kritik – im Wesentlichen (noch) so verhalten, dass weder die Funktionsfähigkeit des Systems als solches in Frage gestellt worden ist noch die aktuell vorhandenen Mängel ein Ausmaß und Gewicht erreichen, von dem ausgehend die Prognose der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 4 EUGRCh gerechtfertigt erscheint:
163Nachdem im Zuge insbesondere der Ereignisse in Tunesien und in Libyen die Zahl der über das Mittelmeer nach Italien geflüchteten Personen im Jahr 2011 einen Höchststand erreicht hatte (ca. 62.000 Anlandungen in Süditalien bei insgesamt 34.115 Asylgesuchen in jenem Jahr; Zahlenangaben nach AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013, zu Frage 2, und Schweizerischer Flüchtlingshilfe, Bericht Oktober 2013, S. 7, m.w.N.) trat im Jahr 2012 eine deutliche Entspannung der Situation ein (ca. 13.300 Anlandungen in Süditalien bei insgesamt 15.715 Asylgesuchen; Quellen für die Angaben wie vorstehend). Diese hat vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs in Syrien im Jahr 2013 zwar nicht fortgedauert, sondern es hat wieder eine deutliche Zunahme des Flüchtlingsstroms (auch) nach Italien gegeben. So gab es nach Angaben des Auswärtigen Amtes allein im ersten Halbjahr 2013 ca. 12.000 Anlandungen in Süditalien (AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013, zu Frage 2), nach Schätzungen von UNHCR für den gleichen Zeitraum allerdings nur ca. 7.800 (Nachricht vom 6. Juli 2013 auf der Internet-Seite http://www.unhcr.de/archiv/nachrichten/artikel). Auf diese Zahlendivergenz kommt es hier nicht an, denn die Entwicklung des Wiederanstiegs hat sich im zweiten Halbjahr des Jahres 2013 unstreitig fortgesetzt und sogar noch verstärkt. So berichtet die Schweizerische Flüchtlingshilfe darüber, dass die Zahl der Bootsflüchtlinge, welche in Süditalien angekommen seien, „im Sommer 2013“ stark angestiegen sei (Bericht von Oktober 2013, S. 7). Insgesamt haben im Jahr 2013 knapp unter 43.000 Bootsflüchtlinge Italien erreicht (Luise Amtsberg, Bericht der flüchtlingspolitischen Reise nach Italien, Januar 2014, S. 5 f., abrufbar unter www.luise-amtsberg.de; Bericht Spiegel Online vom 17. Februar 2014 = Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 4. März 2014). Die sich daraus wieder ergebende deutliche Verschärfung der Lage, welche der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, ist somit eher plötzlich entstanden und konnte nicht ohne Weiteres vorhergesehen werden.
164Vor dem Hintergrund dieser seit 2011 in unterschiedliche Richtungen gehenden Entwicklungen und daran anknüpfender organisatorischer Planungen und Entscheidungen, die immer einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigen, ist zunächst kein durchgreifendes Fehlverhalten Italiens darin zu sehen, dass die zur Bewältigung des sog. „Notstand(es) Nordafrika“ seinerzeit von vornherein für einen vorübergehenden Zeitraum geschaffenen zusätzlichen Unterbringungsmöglichkeiten des Zivilschutzes in der Größenordnung von (ursprünglich) 50.000 Plätzen nach dem Auslaufen jenes Projekts Anfang 2013 nahezu vollständig wieder weggefallen sind. Denn als die Planungen für diesen Wegfall erstellt und ins Werk gesetzt wurden, war kein neuerlicher dramatischer Anstieg der Zahl von Bootsflüchtlingen und damit mittelbar zugleich von (künftigen) Dublin-Rückkehrern absehbar. Ob und inwieweit jene Unterbringungsmöglichkeiten, welche von vornherein nur vorübergehend zusätzlich zur Verfügung stehen sollten, über eventuelle Verdrängungseffekte (Hineinströmen neuer Bootsflüchtlinge in die für alle nur begrenzt vorhandenen Aufnahmeeinrichtungen) für die Chance von Dublin-Rückkehrern, untergebracht zu werden, überhaupt von Bedeutung gewesen sind (verneinend AA an den Senat vom 11. September 2013, zu Frage e), bedarf insofern keiner Klärung. Denn das inzwischen ausgelaufene Notstandsprogramm belegt jedenfalls, dass Italien in erheblichem Umfang zusätzliche Unterkunftsplätze einrichten und zur Verfügung stellen will und kann, wenn der Zustrom von Flüchtlingen dies erfordert. Daraus lässt sich zugleich schließen, dass bei einem aktuell oder künftig ansteigenden Bedarf an Unterkünften voraussichtlich ebenfalls (zumindest im Prinzip) eine Reaktion in Form der gebotenen Anpassung der zur Verfügung gestellten Unterbringungskapazität erfolgen wird.
165Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 26 f.); OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Juni 2013 – OVG 7 S 58.13 –, juris, Rn. 19.
166Es gibt darüber hinaus aber auch konkrete Hinweise dafür, dass Italien sich seiner „Dublin-Verantwortung“ auch aktuell bewusst ist und bereits Anstrengungen unternommen sowie weitere Schritte eingeleitet hat, um die von Flüchtlingsorganisationen als zu knapp bemessen kritisierten Unterkunftskapazitäten in einem beachtenswerten und für ein Auffangen der meisten Fälle wohl ausreichenden Umfang wieder auszubauen.
167So ist die Zahl der SPRAR-Unterkünfte von ursprünglich 3.000 auf inzwischen mindestens 5.000 erhöht worden; zumindest im Aufbau begriffen, wenn nicht bereits erreicht oder sogar schon übertroffen (im letztgenannten Sinne aida-Report, November 2013, und die Liaisonbeamtin, siehe unten), ist eine weitere Erhöhung auf 8.000 Plätze. Aufgrund von Dekreten des Innenministeriums von Juli und September 2013 soll in dem Zeitraum von 2014 bis 2016 eine nochmalige Erhöhung auf 16.000 Plätze erfolgen. Mit weiterem Dekret von Oktober 2013 hat das Innenministerium speziell auf die durch den deutlichen Anstieg der auf dem Seeweg ankommenden Flüchtlinge eingetretene Notlage („emergency situation“) reagiert und aufgrund der Bewilligung außerordentlicher Geldmittel eine (wohl unmittelbar in Angriff zu nehmende) Erhöhung der Unterkunftsplätze beschlossen (vgl. insbesondere zu Letzterem aida-Report, November 2013, S. 42; zum Ganzen mit nur geringfügigen Unterschieden, die wohl in erster Linie durch die etwas auseinanderfallenden Zeitpunkte der Erkenntnisgewinnung zu erklären sind, auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22 f.; Liaisonbeamtin des Bundesamtes, Auskunft vom 21. November 2013, zu 1.; AA an VG Minden vom 24. Mai 2013, zu Frage 5, und an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013, zu Frage 3; UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 10). Allerdings hat die Schweizerische Flüchtlingshilfe (a.a.O.) in diesem Zusammenhang einschränkend darauf hingewiesen, dass durch den Ausbau der SPRAR-Unterkünfte die Gesamtkapazität nicht in gleichem Umfang steige (gestiegen sei), weil beispielsweise bisher unter kommunaler Verantwortung stehende Plätze in das Vorhaben integriert würden.
168Addiert man zu den in den (wenn auch zurzeit überbelegten) CARA laut Liaisonbeamtin des Bundesamtes mit ca. 11.000 untergebrachten Personen eine Kapazität der SPRAR-Projekte von laut aida bzw. der Liaisonbeamtin derzeit zwischen 8.000 und 9.500 Plätzen hinzu, so beträgt die Summe bereits ca. 20.000 staatliche Plätze. Dabei sind die kommunalen oder durch NGOs bereitgestellten Unterbringungsmöglichkeiten nicht mitgezählt, von denen es allein in Rom zusammen ca. 1.500 gibt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 27). Nimmt man hinzu, dass nicht alle Flüchtlinge über die Dauer von 12 Monaten in den Unterkünften verbleiben, können während eines Jahres tatsächlich mehr Flüchtlinge untergebracht werden, als es die Zahl der Unterkunftsplätze annehmen lässt (z.B. beträgt die durchschnittliche Verweildauer in CARAs 8 bis 10 Monate, aida-Report, November 2013, S. 43). Auch vor diesem Hintergrund und weil dies nicht einmal die bis 2016 angestrebte weitere Erhöhung der SPRAR-Plätze berücksichtigt, lassen auch schon die aktuellen Zahlen – unbeschadet der hierzu oben aufgezeigten Schwierigkeiten einer allein an diesen Zahlen orientierten Vergleichsrechnung – jedenfalls kein dramatisches Missverhältnis in Gestalt einer sich nach den empirischen Grundlagen aufdrängenden Kapazitätsunterdeckung erkennen. Das gilt selbst dann, wenn man richtigerweise einbezieht, dass ein Teil der Unterkünfte auch anerkannten Flüchtlingen, die sich schon im Land befinden, (für einen gewissen Zeitraum) zur Verfügung steht. Damit unterscheidet sich die Situation auch deutlich von der seinerzeitigen Lage in Griechenland, in welcher auch ein erwachsener männlicher Asylsuchender praktisch keine Chance auf einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung hatte, weil es weniger als 1000 Unterkünfte gab, um zehntausende Asylsuchende unterzubringen.
169Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011– 30696/09 – (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 258.
170Auch im Übrigen wird an den Strukturen der Aufnahme in Gestalt von Verbesserungen bzw. zumindest der Sicherung vorhandener Kapazitäten weiter gearbeitet. So soll etwa das am Stadtrand von Rom gelegene Centro Enea, eine zunächst von der Arcofraternita betriebene Einrichtung insbesondere für Dublin-Rückkehrer, die in Rom-Fiumicino ankommen, deren Fortbestand zwischenzeitlich unklar gewesen ist (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 20 oben), ab Januar 2014 in eine staatliche Gemeinschaftsunterkunft umgewandelt werden. Dies ergibt sich aus einem Bericht des Mitglieds des Deutschen Bundestags Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grünen) vom 16. Januar 2014 („Bericht der flüchtlingspolitischen Reise nach Italien“, abrufbar unter www.luise-amtsberg.de).
171Es wird insoweit auf eine gute Infrastruktur des Hauses, auf verschiedene Kultur- und Bildungsangeboten sowie auf engagiert wirkende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hingewiesen. Zwar wird auch angemerkt, dass das betreffende Haus, welches 410 Menschen im Asylverfahren aus 35 verschiedenen Ländern beherberge, isoliert von der Außenwelt und viel zu groß für die individuelle Betreuung der Menschen sei. Das mag einen noch möglichen Verbesserungsbedarf anzeigen, lässt allerdings gewichtige Mängel des bestehenden bzw. im Aufbau begriffenen Zustandes nicht hervortreten. In dem vorgenannten Bericht wird im Übrigen an anderer Stelle (S. 6) auch darauf hingewiesen, dass angesichts des aktuell hohen Zustroms an Flüchtlingen sowie der Überfüllung der CARAs inzwischen alle Regionen Italiens aufgefordert seien, weitere (Aufnahme-)Zentren zu bauen.
172Dass Italien den in Bezug auf die tatsächlichen Aufnahmebedingungen bestehenden Mängeln und Defiziten nicht etwa schlechthin tatenlos zusieht, sondern (namentlich seit Ende 2012) durchaus anerkennenswerte Bemühungen unternimmt, die insoweit bestehende Situation zu verbessern, wird ferner – trotz zugleich geübter, auch struktureller Kritik, auch in dem letzten Bericht von UNHCR von Juli 2013 gewürdigt (S. 10 unten: „UNHCR welcomes the decision of the Ministry of Interior …“, „SPRAR projects … are able to provide for the reception needs of a significant number of asylum-seekers“). Als „äußerst unzureichend“– und damit wohl wesentlicher Grund für eine umfassende Reform des Aufnahmesystems – werden in jenem Zusammenhang allein die Unterstützungsmaßnahmen für anerkannte Flüchtlinge beschrieben (vgl. UNHCR an VG Freiburg von Dezember 2013, S. 6 oben, basierend auf dem UNHCR-Bericht über Italien von Juli 2013, dort S. 10 unten).
173Anders als für andere Staaten wie zuletzt Bulgarien und trotz inzwischen mehrfacher eingehender Befassung mit dem Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen in Italien auch für Dublin-Rückkehrer hat UNHCR bislang nicht explizit eine Empfehlung ausgesprochen, von der Überstellung von Asylbewerbern nach Italien abzusehen. In der Anlage zu dem beim Oberverwaltungsgericht etwa zweieinhalb Stunden vor der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schreiben an den Senat vom 7. März 2014 (Ergänzende Informationen zur Veröffentlichung „UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien – Juli 2013“) hat er hierzu erläuternd darauf hingewiesen, der Umstand, dass in dem betreffenden Papier keine Äußerung enthalten sei, ob systemische Mängel einer Überstellung nach Italien entgegenstünden, könne keine Grundlage für die Annahme bilden, der UNHCR vertrete die Auffassung, dass keine einer Überstellung entgegenstehende Umstände vorlägen. Ob solches der Fall sei, hätten vielmehr die Behörden und Gerichte im Einzelfall mit Blick darauf zu entscheiden, ob drohende Verletzungen von Art. 3 EMRK eine Überstellung ausschlössen. Dabei weiche der Prüfungsmaßstab in den Dublin-Fällen nicht von dem allgemein gültigen Maßstab des Schutzes des Art. 3 EMRK ab.
174Auf der Grundlage dieser Ausführungen ergibt sich weder eine Indizwirkung dafür noch eine solche dagegen, dass die in Italien derzeit vorzufindenden Aufnahmebedingungen die Überstellung eines Dublin-Rückkehrers, der wie der Kläger dort noch kein Asyl beantragt hatte und für den keine individuellen Besonderheiten gelten, allgemein hindern. Somit bleibt der Senat auch im Hinblick auf diese neue Stellungnahme aufgefordert, sich in der gebotenen Gesamtschau aller für und gegen eine drohende Verletzung des Klägers in seinen Grundrechten aus Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK sprechenden Gründe ein eigenes Urteil zu bilden, ob die u.a. von UNHCR in der Sache angeführten Mängel und Defizite in Bezug auf das Asylsystem und die Aufnahmebedingungen gewichtig genug sind, um eine belastbare tatsächliche Grundlage für die Prognose zu bilden, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine Unterkunft finden und obdachlos sein. Eine solche Grundlage ist aus den vorstehend angeführten Gründen nicht vorhanden.
175Allerdings merkt der Senat sein Befremden darüber an, dass UNHCR seine jetzige Interpretation des eigenen Berichts von Juli 2013 maßgeblich darauf stützt, dieser richte sich in erster Linie mit Empfehlungen zur Verbesserung des Flüchtlingsschutzes an die italienische Regierung. Ohne diese Intention anzweifeln zu wollen, gründet das Befremden des Senats darin, dass UNHCR nicht unbekannt sein kann, dass die dort erstellten Berichte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs „besonders relevant“ sind auch bei der Bewertung des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Zuge der Rückführung von Asylsuchenden nach der Dublin II-VO.
176Vgl. EuGH, Urteile vom 30. Mai 2013– C-528/11 – (Halaf), NVwZ-RR 2013, 660 =juris, Rn. 44, und vom 21. Dezember 2011– C-411/10 – (N.S.), NVwZ 2012, 417 = juris,Rn. 90 f.
177Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr wesentlich auf die nicht durch prüffähige Einzelangaben belegte Darstellung der Liaisonbeamtin des Bundesamtes an, dass die in dem Bericht von UNHCR von Juli 2013 registrierten Mängel bereits zum großen Teil beseitigt worden seien, was ihr am 16. September 2013 die Capo Dipartimento, Angela Pria, versichert habe (vgl. die Stellungnahme der Liaisonbeamtin vom 21. November 2013, zu 7.).
178(3) Es gibt auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel ferner keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass die den Asylbewerbern und darunter insbesondere den Dublin-Rückkehrern während der Durchführung des Asylverfahrens zur Verfügung gestellten Unterkünfte gleich welcher Art wegen ihrer Beschaffenheit und Ausstattung (z.B. der hygienischen Verhältnisse) oder auch wegen der dort herrschenden Zustände (insbesondere der Gefahr, das Opfer von Gewalttätigkeit und anderer krimineller Delikte zu werden) typischerweise unzureichend oder in Bezug auf das Zusammenleben mit anderen Personen auf ggf. engem Raum in einer Weise unzumutbar wären, dass daraus auf die konkrete Gefahr einer erniedrigenden Behandlung im Falle der Überstellung des Klägers nach Italien geschlossen werden könnte.
179Vgl. dazu allgemein auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 28 f., m.w.N.).
180Gegenteiliges lässt sich insbesondere auch nicht aus den Angaben des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat herleiten. Dies schon deshalb nicht, weil sich diese Angaben auf einen anderen Zeitpunkt und im Übrigen auch ausschließlich auf die Verhältnisse in einer Art „Sammelstelle“ auf Sizilien – und damit allenfalls auf die seinerzeitigen Bedingungen in Süditalien – beziehen. Die konkrete Unterkunftsart konnte der Kläger weder näher bezeichnen noch irgendwie klar umschreiben. Was die angeblich angetroffenen „schlechten“ Lebensbedingungen betrifft, fehlt es im Übrigen auch an der Relevanz, solange die Grenze des grundrechtlichen Gewährleistungsgehalts des Art. 4 EUGRCh nicht berührt wird. Namentlich ist es unerheblich, wenn die Aufnahmebedingungen nicht den Standard erreicht haben bzw. erreichen, wie er bei einer Aufnahme von Asylbewerbern in der Bundesrepublik Deutschland üblich ist. Für die nicht weiter belegte Annahme des Klägers, infolge der derzeitigen Überbelegung vieler Aufnahmeeinrichtungen herrschten dort gemeinhin menschenunwürdige Zustände, geben die Erkenntnisse nichts her. Darauf, ob dies vielleicht in Einzelfällen anders sein mag, kommt es nicht an.
181(4) Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass Dublin-Rückkehrer, welche in Italien einen Asylantrag stellen, während des Verfahrens bis zur Entscheidung über diesen Antrag materielle Not leiden müssen, weil sie gemessen an den Vorgaben des Unionsrechts nicht das zum Leben Benötigte – wie insbesondere Nahrung, Wäsche, Kleidung und Hygieneartikel – erhalten. Vielmehr wird dem Rechtsanspruch der Asylsuchenden auf Verpflegung und Versorgung im Allgemeinen auch in Italien nachgekommen. Dies geschieht bei denjenigen Personen, die in staatlichen/öffentlichen Unterkünften untergebracht sind, in der Regel dadurch, dass die Aufnahmeeinrichtungen/-zentren auch die Verpflegung und Versorgung mit übernehmen. Aber auch für diejenigen Asylbewerber, die in nichtstaatlichen, namentlich in karitativen oder kirchlichen Unterkünften leben, wird grundsätzlich ausreichend gesorgt, wobei insoweit auch private Dienstleister herangezogen werden (vgl. AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013, zu 5.; für seitdem eingetretene Änderungen ist nichts ersichtlich). Dass die Asylbewerber und hier insbesondere die Dublin-Rückkehrer unter ihnen typischerweise in extremer Armut leben und ihren Lebensunterhalt dabei beispielsweise durch Betteln oder Prostitution sichern müssten, kann folglich nicht festgestellt werden.
182Vgl. etwa OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UAS. 29 ff.).
183Das schließt es nicht aus, dass im Einzelfall solches namentlich bei obdachlosen Personen hin und wieder vorkommen mag. Denn ein staatliches Sozialhilfesystem existiert in Italien nur sehr eingeschränkt. Das reicht indes nicht für die Annahme aus, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 4 EUGRCh ausgesetzt sein.
184(5) Soweit es um die medizinische Versorgung der Dublin-Rückkehrer nach Italien geht, die dort ein Asylverfahren einleiten, unterscheidet sich die Situation nicht von derjenigen, die in Italien allgemein für Asylbewerber während ihres Verfahrens gilt. Als unionsrechtliche Vorgabe ist insoweit Art. 19 der Neufassung der Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU) zu beachten. Dieser garantiert allerdings für Antragsteller ohne besondere medizinische Bedürfnisse – wie hier den Kläger – nur einen Mindeststandard (Notversorgung, unmittelbar erforderliche Behandlungen). Dass Asylbewerber in Italien in der Regel eine medizinische Versorgung kostenfrei erhalten können, welche zumindest diesem Mindeststandard entspricht, wird vom Kläger und auch in den dem Senat vorliegenden (einschlägigen) Erkenntnismitteln nicht prinzipiell in Frage gestellt. In den Erkenntnissen wird allenfalls in Zweifel gezogen, ob auch jenseits der Not- bzw. Akutversorgung der allgemeine Zugang zum italienischen Gesundheitssystem, zu dem eine Gesundheitskarte nötig ist, den Asylbewerbern bereits – ggf. landesweit – dann eröffnet ist, wenn sie (noch) nicht über einen ständigen Wohnsitz bzw. eine feste Adresse verfügen, und inwiefern insoweit eine sog. fiktive bzw. virtuelle Adresse ausreicht und erlangt werden kann (siehe etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 49 f., 52; AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013, zu 6., und – dort entsprechend für anerkannte Schutzberechtigte – an VG Gießen vom 26. März 2013, zu Frage 4.; zu einzelnen Defiziten hinsichtlich der praktischen Anwendung der medizinischen Versorgung von Asylbewerbern seinerzeit Judith Gleitze, borderline europe, Gutachten an das VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 45 ff.). Mängel der Aufnahmebedingungen, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung beachtlich wahrscheinlich erscheinen ließen, lassen sich somit auch in diesem Zusammenhang nicht feststellen. Individuelle Besonderheiten im Sinne einer besonderen Verletzlichkeit oder medizinische Behandlungsbedürftigkeit des Klägers bestehen im Übrigen nicht.
185Vgl. zum Zugang zum Gesundheitssystem auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 31 f.).
186(6) Durchgreifende Mängel gibt es auch nicht in Bezug auf die Qualität und Dauer der Asylverfahren in Italien. Die Rechtsstellung der Betroffenen wird insoweit auch, was die faktische Umsetzung in der behördlichen Praxis einschließlich der Gewährung von Rechtsberatung und Rechtsschutz betrifft, nicht in einer nennenswerten Weise beeinträchtigt. Der Senat schließt sich insoweit der (vom Kläger nicht in Zweifel gezogenen) Bewertung durch das OVG Sachsen-Anhalt an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dortigen einschlägigen Ausführungen Bezug, welche sich auch dazu verhalten, dass es in Italien keine unverhältnismäßig restriktive Asylpraxis gibt.
187Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 32 ff.).
188(7) Die in Gesamtwürdigung der Verhältnisse gewonnene Einschätzung des Senats, dass das Asylverfahren und namentlich auch die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber – darunter hier speziell Dublin-Rückkehrer – in Italien nicht an systemischen Mängeln leiden, welche darauf führen, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird, stimmt schließlich mit der Bewertung überein, welche für dessen Entscheidungszeitpunkt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Beschluss vom 2. April 2013– 27725/10 – (Mohammed Hussein u.a.), insb. Rn. 78, unter Würdigung zahlreicher Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen getroffen hat. Dieser Entscheidung lag durchaus jedenfalls auch eine Betrachtung der allgemeinen Situation und der Lebensbedingungen in Italien zugrunde; keineswegs erfolgte sie maßgeblich (nur) vor dem Hintergrund etwaiger besonderer Umstände des zugrunde liegenden Falles wie namentlich des Umstandes, dass die Klägerin in dem Verfahren grundlegend falsche Angaben zum Sachverhalt gemacht hatte; ebenso wenig lässt sich ihr entnehmen, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe eigentlich etwas anderes, nämlich in Richtung auf das Bestehen systemischer Mängel, sagen wollen.
189In diesem Sinne (zu Unrecht) VG Frankfurt, Urteil vom 9. Juli 2013 – 7 K 560/11.F.A. –, juris, Rn. 61 f.; VG Gießen, Urteil vom 25. November 2013 – 1 K 844/11. GI.A –, juris, Rn. 36.
190Hierfür spricht nicht zuletzt auch, dass der EGMR seine Linie zu Italien auch in nachfolgenden Entscheidungen bestätigt hat.
191Vgl. Beschlüsse vom 18. Juni 2013 – 53852/11 – (Halimi), ZAR 2013, 338 (339, Rn. 68), und vom 10. September 2013 – 2314/10 – (Hussein Diirshi), Rn. 138, 139.
192Wie ein zwischenzeitlich vor der Großen Kammer des EGMR anhängiges und im Februar 2014 verhandeltes (weiteres) Verfahren zu Italien, das der Kläger angesprochen hat, ausgehen wird und inwiefern der EGMR in jenem Verfahren fallübergreifende Feststellungen zu den Verhältnissen in Italien treffen oder die konkreten Verhältnisse des zu entscheidenden Falles in den Vordergrund stellen wird, ist ungewiss; die Entscheidung hierzu steht noch aus.
193(8) Der Senat hatte auch mit Blick auf die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im Berufungsverfahren schriftsätzlich vorgebrachten Beweisanregungen keine Veranlassung, zur Gewinnung der für die Entscheidungsfindung erforderlichen Überzeugung noch weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation der Asylbewerber in Italien einzuholen. Denn die vorliegenden Erkenntnismittel haben im Ergebnis ausgereicht, ihm diese Überzeugung bereits in einem ausreichenden Maße zu vermitteln.
194Dem steht zunächst nicht durchgreifend entgegen, dass der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2013 die Sache zunächst vertagt hat. Denn zu jenem Zeitpunkt standen wesentliche aktuelle Erkenntnismittel, wie namentlich der damals bereits angekündigte ausführliche Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von Oktober 2013, noch nicht zur Verfügung. Der zusätzliche Umstand, dass der Senat unter dem 18. Oktober 2013 ein weiteres, trotz des Umfangs der gestellten Fragen im Wesentlichen die Erläuterung bzw. Konkretisierung/Substantiierung bereits vorliegender Aussagen betreffendes Auskunftsersuchen an das Auswärtige Amt gerichtet hat, welches das Auswärtige Amt dann angeblich mit den eigenen Möglichkeiten nicht beantworten konnte (vgl. die Antwortschreiben vom 5. November und 18. Dezember 2013), hinderte den Senat nicht, sich (aufgrund der insofern neuen Situation) noch einmal neu mit der Frage zu befassen, ob es für seine Entscheidung – etwa auch vor dem Hintergrund des ausführlichen aktuellen Berichts der Schweizerischen Flüchtlingshilfe – der Beantwortung der gestellten Fragen (bzw. aller davon) notwendig bedurfte, und diese Frage zu verneinen. Eine etwaige Bindung war durch die rein vorsorgliche Anfrage vom 18. Oktober 2013 nicht eingetreten; zudem hatte sich die Sachlage inzwischen wesentlich geändert. Denn das Auswärtige Amt hat in dem Schreiben vom 18. Dezember 2013 unmissverständlich mitgeteilt, dass (ergänzende) eigene Erkenntnisse oder Unterlagen nicht vorhanden seien.
195Der Anregung im Schriftsatz des Klägers vom 14. Januar 2014, bestimmte Angehörige der Organisationen „borderline europe“ und Schweizerische Flüchtlingshilfe als sachverständige Zeugen zu hören, musste der Senat nicht entsprechen. Denn es ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass „borderline europe“ die Erkenntnisse aus dem im Dezember 2012 erstellten Bericht bzw. Gutachten inzwischen auf der Grundlage neuerer konkreter Erkenntnisse sozusagen „fortgeschrieben“ hätte und/oder dass Angehörige der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus eigener Kenntnis heraus wesentliche zusätzliche Informationen über das hinaus geben könnten, was schon in dem sehr ausführlichen Bericht von Oktober 2013 unter (in der Regel) spezifizierter Offenlegung der Quellen schriftlich niedergelegt ist. Schließlich musste der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nicht Gelegenheit gegeben werden, auf ihr in der Stellungnahme der Liaisonbeamtin des Bundesamtes vorgehaltene (vermeintliche) Mängel ihres Oktober-Berichts zu erwidern.
1962. Die Abschiebungsanordung in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides ist hiernach ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
197Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylVfG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
198Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
1Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob mit Bekanntgabe des Beschlusses, mit dem der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt worden ist, die sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO neu zu laufen beginnt, da eine Abschiebung wegen der Regelung des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG während der Dauer des gerichtlichen Eilverfahrens unzulässig war, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig.
3Es kann offen bleiben, ob dies schon deshalb gilt, weil es sich um auslaufendes Recht handelt. Für alle ab dem 1. Januar 2014 gestellten Anträge auf internationalen Schutz sowie Gesuche der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme ist nicht mehr die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (im Folgenden: Dublin II-VO), sondern nach ihrem Artikel 49 Abs. 2 die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) anwendbar.
4Die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage bedarf jedenfalls deshalb nicht der Klärung im Berufungsverfahren, weil sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres – verneinend – beantworten lässt.
5Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO erfolgt die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Entscheidung über den Rechtsbehelf die (rechtskräftige) gerichtliche Entscheidung über die Klage gegen die Überstellungsentscheidung im Hauptsacheverfahren ist.
6Vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian u.a.) -, Slg. 2009, I-495; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, DVBl. 2014, 790 = juris, Rn. 53, und Beschluss vom 8. Mai 2014 – 13 A 827/14.A -, juris, Rn. 5; wie hier etwa auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A -, juris; VG Göttingen, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 B 86/14 -, juris.
7Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung. Dem Rechtsbehelf selbst muss aufschiebende Wirkung zukommen. Dies trifft – auch nach dem Unionsrecht – nur auf einen Rechtsbehelf zu, mit dem über die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung und ihren Bestand (abschließend) entschieden wird. Mit einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht die Aufhebung der behördlichen Entscheidung, sondern nur die Aussetzung des Vollzugs erreicht werden. Zudem vermag nicht die Antragstellung, sondern nur die stattgebende gerichtliche Entscheidung die aufschiebende Wirkung herbeizuführen, deren Endpunkt die Hauptsacheentscheidung ist.
8Diese Überlegungen werden durch die Systematik der Dublin II-VO bestätigt. Gegenstand des Rechtsbehelfs ist die Entscheidung des Beklagten nach Art. 19 Abs. 1 Dublin II-VO, den Asylantrag nicht zu prüfen und den Antragsteller an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen. Nach Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin II-VO kann gegen diese Entscheidung ein Rechtsbehelf eingelegt werden. Dass dies allein die Klage, nicht aber der Antrag auf Aussetzung sein kann, zeigt vor allem Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin II-VO. Danach hat der gegen die Überstellungsentscheidung eingelegte Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders. An diese Vorgaben, die der Sache nach zwischen dem Hauptsache- und dem Aussetzungsverfahren trennen, knüpft der folgende Absatz 3 des Art. 19 Dublin II-VO an, indem er die Frist nur dann erst mit der Entscheidung über den Rechtsbehelf beginnen lässt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wenn er also – so lässt sich mit Blick auf Absatz 2 präzisieren – im Einzelfall aufgrund einer Entscheidung der Gerichte oder zuständigen Stellen nach Maßgabe des mitgliedstaatlichen Rechts aufschiebende Wirkung hat. Dem entspricht das nationale Recht. Ein Rechtsbehelf, dem aufschiebende Wirkung zukommt, ist nach § 80 Abs. 1 VwGO – neben dem Widerspruch – nur die Klage. Die Klage gegen die Überstellungsentscheidung des Bundesamts hat – unionsrechtskonform – aber nach § 75 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, diese wird gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG in der seit dem 6. September 2013 gültigen Fassung im Einzelfall durch das Gericht angeordnet.
9Hielte man den vorläufigen Rechtsschutzantrag für den Rechtsbehelf im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO, führte dies überdies zu dem sinnwidrigen Ergebnis, dass auch bei einer Stattgabe die Überstellungsfrist zu laufen begänne und regelmäßig vor einer Entscheidung in der Hauptsache abliefe. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass bei Aussetzung der Vollziehung der Überstellung die Frist erst mit der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung im Hauptsachverfahren beginnt.
10Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian u.a.) -, Slg. 2009, I-495; OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2014 - 13 A 827/14.A -, juris (zu § 34a Abs. 2 AsylVfG a.F. und einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO); Nds. OVG, Beschluss vom 2. August 2012 - 4 MC 133/12 -, juris; VGH Bad-Württ., Urteil vom 19. Juni 2012 – A 2 S 1355/11 -, juris.
11Diese systematischen Überlegungen werden durch die Dublin III-VO bestätigt, in deren Art. 27 klar zwischen dem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung und dem Antrag, die Durchführung einer Überstellungsentscheidung auszusetzen, unterschieden wird.
12Hiervon ausgehend führen Sinn und Zweck der Überstellungsfrist, den Mitgliedstaaten Zeit zu geben, um die (technischen) Modalitäten der Durchführung der Überstellung zu regeln, wofür grundsätzlich die vollen sechs Monate zur Verfügung stehen sollen,
13vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian u.a.) -, Slg. 2009, I-495,
14zu keinem anderen Ergebnis. Die Frist berechnet sich in der Regel ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme durch den zuständigen Mitgliedstaat, da ein gegen die Überstellungsentscheidung eingereichter Rechtsbehelf nach Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin II-VO keine aufschiebende Wirkung hat. Nur wenn ausnahmsweise aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung im Einzelfall die Vollziehung ausgesetzt ist, ist die Entscheidung über den Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren – also die abschließende gerichtliche Entscheidung darüber, ob die Überstellung in Zukunft erfolgen wird – für den Fristbeginn maßgeblich.
15Hiervon ausgehend kann auch § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG nicht dazu führen, dass die Überstellungsfrist erst oder erneut mit der Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu laufen beginnt.
16So aber VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. April 2014 - 2 L 55/14.A -, juris, Rn. 21; VG Göttingen, Beschluss vom 28. November 2013 - 2 B 887/13 -, juris, Rn. 7 ff.; VG Hamburg, Beschluss vom 4. Juni 2014 - 10 AE 2414/14 -, juris, Rn. 20 ff.; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, November 2013, § 27a Rn. 227 f.
17Nach dieser Vorschrift ist die Abschiebung bei rechtzeitiger Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Dadurch wird, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht zu einem Rechtsbehelf im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO, der nach der obigen Auslegung allein die Klage ist. Die Anordnung eines Vollziehungshindernisses durch den nationalen Gesetzgeber kann ferner deshalb nicht mit der vorläufigen Aussetzung des Vollzugs der Abschiebungsanordnung durch gerichtlichen Eilbeschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO gleichgesetzt werden, weil dies den unmittelbar geltenden Vorgaben der Dublin II-VO zuwider liefe. Nach Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin II-VO steht die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes der Durchführung der Überstellung nicht entgegen, es sei denn, der Rechtsbehelf hat aufgrund einer Entscheidung der Gerichte oder zuständigen Stellen im Einzelfall aufschiebende Wirkung. Verankert ist damit zum einen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, zum anderen das Erfordernis einer gerichtlichen oder behördlichen, konkret-individuellen Anordnung. Dem liegt der Beschleunigungsgedanke zugrunde, der auch Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO ist, wonach die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat der Asylantragstellung übergeht, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Im öffentlichen Interesse soll eine zeitnahe Überstellung erfolgen, im Interesse des Asylbewerbers sein Antrag in angemessener Zeit geprüft werden.
18Dem Einwand der Beklagten, es stünden dann aber in Deutschland aufgrund des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG nicht die vollen sechs Monate für die Organisation der Überstellung zur Verfügung, eine Schlechterstellung als Folge eines zugunsten der Antragsteller geschaffenen gesetzlichen Abschiebungshindernisses sei aber unzulässig, ist nicht zu folgen. Die bloße Hemmung der Vollziehung hindert die zuständige Ausländerbehörde schon nicht, bis zur Entscheidung über den Eilantrag bereits mit der Vorbereitung der weiterhin zulässigen, nur noch nicht durchführbaren Überstellung zu beginnen.
19So auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A -, juris, Rn. 26.
20Abgesehen davon beruht die von der Beklagten bemängelte Verkürzung des sechsmonatigen Zeitraums um die Dauer des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens auf einer Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, die durch die Dublin II-VO nicht vorgegeben ist. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie II) vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) ist § 34a Abs. 2 AsylVfG bereits mit Wirkung vom 6. September 2013 geändert worden, obwohl zu dem Zeitpunkt noch die Dublin II-VO anwendbar war. Die Vorgabe des Art. 27 Abs. 3 lit. c Satz 2 der Dublin III-VO, wonach die Überstellung auszusetzen ist, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ihrer Durchführung ergangen ist, ist erst ab dem 1. Januar 2014 – und damit auch für eine Vielzahl von Altfällen noch nicht – anwendbar.
21Entgegenstehende Rechtsprechung anderer Obergerichte, die eine bundeseinheitliche Klärung erforderte, ist nicht ersichtlich. Mit dem Hinweis auf abweichende Entscheidungen einzelner erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte wird angesichts des Vorstehenden kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
23Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterle gung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils voll streckbaren Be trages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Si cherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben Anfang Oktober 2012 nach Melilla, wo er am 25. Oktober 2012 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Bereits am 14. Januar 2013 beantragte der Kläger unter dem Namen U. E. in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Den Antrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 13. März 2013 als unzulässig ab und ord nete die Abschiebung nach Spanien an. Die Überstellung erfolgte am 10. April 2013.
3Am 3. Juni 2013 reiste der Kläger erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und be antragte am 7. Juni 2013 – unter dem im Rubrum angegebenen Namen – Asyl. Ausweis lich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank vom 27. August 2013 ist der Kläger zuvor in Spanien erkennungsdienstlich behandelt worden.
4Das Bundesamt richtete am 29. August 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Spanien. Die spanischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. September 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.
5Mit Bescheid vom 4. Oktober 2013, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mittels Ein schreiben vom 17. Oktober 2013 zugestellt, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Spanien an. Der Kläger erhielt am 23. Oktober 2012 im Rahmen eines Besprechungstermins eine Kopie des Bescheides von seinem Prozessbevollmächtigten.
6Am 25. Oktober 2013 hat der Kläger Klage erhoben.
7Er ist der Ansicht, die Vermutung, dass in Spanien ein ordnungsgemäßes Asylverfahren durchgeführt werde, könne widerlegt werden. Dort sei ihm die Asylantragstellung verwei gert worden. Zudem sei die Überstellungsfrist abgelaufen. Hierauf könne sich der Kläger auch berufen. Die Verfahrensverschleppung stelle einen Grundrechtseingriff dar und Grundrechte seien unstreitig subjektiv-rechtlicher Natur.Ihm werde sein Recht auf Durch führung eines Asylverfahrens abgesprochen, hielte sich Spanien im Zeitpunkt der gerichtli chen Entscheidung nicht mehr für zuständig. Ob die spanischen Behörden sich noch an ihre Zustimmung gebunden fühlen, sei völlig offen.
8Ursprünglich hat der Kläger sinngemäß beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Be scheides des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 zu verpflichten subsidiären Schutz ge mäß § 4 AsylVfG zuzuerkennen und Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) festzustellen,
;
hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten,
,
das Asylverfahren durchzuführen.
Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts beantragt er nunmehr,
10den Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung des Bun desamtes. Überdies ist sie der Ansicht, dass die Überstellungsfrist mit der Bekanntgabe des ablehnenden Eilbeschlusses vom 7. Januar 2014 (13 L 2168/13.A) neu zu laufen be ginne bzw. die Überstellungsfrist auf Grund des gemäß § 80 Absatz 7 Verwaltungsge richtsordnung (VwGO) erlassenen Eilbeschlusses vom 24. März 2014 bis zur Erledigung des Hauptsacheverfahrens ausgesetzt sei.
14Der am 25. Oktober 2013 vom Kläger gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides anzuordnen, wurde mit Be schluss vom 7. Januar 2014 abgelehnt (13 L 2168/13.A) .
15Auf den weiteren , unter dem 18. März 2014 gestellten Antrag des Klägers gemäß § 80 Ab s atz . 7 VwGO hat das Gericht mit Beschluss vom 24. März 2014 unter Abänderung des Beschlusses vom 7. Januar 2014 die angestrebte aufschiebende Wirkung angeordnet. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen darauf gestützt, dass bereits mehr als sechs Mo nate vergangen seien, seit Spanien seine Bereitschaft z ur Übernahme des Klägers erklärt habe (13 L 644/14.A) .
16Die Beteiligten haben übereinstimmend am 18. Juni und 23. Juni 2014 auf mündliche Verhandlung verzichtet (Bl. 50 und Bl. 51 d. Gerichtsakte).
17Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Kammer konnte gemäß § 101 Absatz 2 VwGO über die Klage ohne mündliche Ver handlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf verzichtet haben.
20Der Kläger konnte sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren zu einer Anfechtungsklage umstellen, ohne dass es auf die Voraussetzungen für eine Klageänderung nach § 91 VwGO ankommt. Es handelt sich um eine nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Beschränkung des Klageantrags.
21Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 91, Rn. 9.
22Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig (vgl. unter I.), aber unbegründet (vgl. unter II.).
23I. Die Klage ist zulässig. Sie ist statthaft (vgl. unter 1.) und auch fristgerecht erhoben wor den (vgl. unter 2.).
241. Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante VwGO. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage – gerichtet auf das Rechts schutzziel, dass die Beklagte das Asylverfahren durchführt – bedarf es nicht.
25Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 4. Oktober 2013, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abge lehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungs begehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegeh rens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formel len und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundes amt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvor schriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zustän dig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegeh rens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
26Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2.
Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; VG Düsseldorf, Urteile
vom 27. Juni 2014 ‑
–
13
K
654/14.A –, juris, Rn. 22, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und Urteil vom 15.
Januar 2010, – 11 K 8136/09.A –, S. 4; VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, –10 A 227/11 –, juris, Rn. 16; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S.
5; VG Trier, Urteil vom 18. Mai 2011, – 5 K 198/11.TR –, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3.
März 2010, – A 4 K 4052/08 –, S. 4; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn.
21, § 34a Rn. 64 f.
Diese Verfahrenssituation ist vergleichbar mit derjenigen, die im Falle der Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens nach den §§ 33, 32 AsylVfG entsteht. In letzterer Konstellation ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Anfech tungsklage allein gegen den Einstellungsbescheid des Bundesamtes statthaft. Mit der Auf hebung des Einstellungsbescheids wird nämlich ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
28Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
29Eine Verpflichtungsklage, die unmittelbar auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG oder aber – hilfsweise – die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschie bungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltgesetzes AufenthG)
gerichtet ist, scheidet ebenso aus. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Auslän der“ den Klageweg beschreitet.
BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ff. = juris, Rn. 10.
31Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutz begehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15.
33Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entschei dungen, die – wie hier – auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als un zulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruch reif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verlo ren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Absatz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Ab satz 3 VwGO vorgesehen ist. Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Er gebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zumindest bedenklich wäre.
34VG Düsseldorf, Urteile
vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 30, vom
26. April 2013 ‑
–
17
K
1777/12.A –, juris, Rn. 18 und Urteil vom 19. März 2013 – 6 K 2643/12.A –, juris, Rn. 16; VG
München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 17 f.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2014 – 10 A 1242/12 –, juris, Rn. 19; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 ‑
–
RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20; VG Hannover, Urteil vom 7. November 2013 – 2 A 4696/12 –, juris, Rn. 20; VG Hamburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – 10 A 581/13 –, juris, Rn. 18; VG Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A –, juris, Rn. 16 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. September 2012 ‑
–
A 11 K 2519/12 –, juris, Rn. 15; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, – 10 A 227/11 –, juris, Rn.
16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, – A 4 K 4052/08 –, S. 5; vgl. zum vergleichbaren Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
Überdies würden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung und damit zum „Durchentscheiden“ bestünde. Ge langt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergeb nis, das Begehren sei gemäß §§ 29a, 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtli chen Kontrolle und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Klägers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach gerichtlicher Prüfung als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Absatz 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgespro chen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was im Widerspruch zu dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes stünde.
36VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 32; VG München, Gerichtsbe scheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 16.
37Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Beschei des ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.
382. Der Kläger hat die Klage auch innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des an gegriffenen Bescheides des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 und damit fristgerecht im Sinne von § 74 Absatz 1 AsylVfG erhoben.
39Dabei ist die Bekanntgabe vorliegend allerdings noch nicht durch die mit Schreiben vom 17. Oktober 2013 erfolgte Übersendung des Bescheides an den Prozess bevollmächtigten des Klägers bewirkt worden. Denn der Prozessbevollmächtigte war insoweit kein Empfangsberechtigter des Klägers im Sinne von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszu stellungsgesetzes (VwZG). Wird ein Asylantrag – wie vorliegend – nur nach § 27a AsylVfG abgelehnt, ist nach § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG die Entschei dung zusammen mit der Abschiebungsandrohung nach § 34a AsylVfG dem Ausländer persönlich zuzustellen und kommt mithin eine Empfangsvertretung durch den Prozessbe vollmächtigten nicht in Be tracht. Dementsprechend soll, wenn der Ausländer durch einen Bevollmächtigten vertreten wird oder er einen Empfangsberechtigten benannt hat, diesem nach § 31 Absatz 1 Satz 6 AsylVfG auch lediglich ein Abdruck der Entscheidung zugeleitet werden. Dieser Mangel der förmlichen Zustellung wurde aber vorliegend gemäß § 8 VwZG geheilt. Nach dieser Vorschrift gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt, oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Empfangsberechtigter ist dabei derjenige, an den die Zustel lung nach dem Gesetz zu richten war,
40vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, BVerwGE 104, 301 und = juris, Rn. 27; Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. Oktober 1986 – VII R 58/83 –, juris, Rn. 24,
41vorliegend also nach § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG der Kläger selbst, der im Übri gen auch tatsächlich als Adressat in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 benannt ist.
42Der Empfangsberechtigte hat das Schriftstück im Sinne von § 8 VwZG erhalten, wenn es ihm vorgelegen hat und er die Möglichkeit hatte, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen; dass er es auch in Besitz genommen hat, ist nicht erforderlich,
43vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997, a.a.O., m.w.N.
44Darüber hinaus setzt die Heilung von Zustellungsmängeln voraus, dass die Behörde den Willen hatte, den Bescheid bekannt zu geben,
45BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, a.a.O. und juris, Rn. 29 und Beschluss vom 31. Mai 2006 – 6 B 65.05 –, NVwZ 2006, 943 = juris, Rn. 7, m.w.N.
46Nach diesen Maßgaben gilt der Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 als dem Kläger am 23. Oktober 2013 mit heilender Wirkung im Sinne von § 8 VwZG zuge stellt. Nach den Angaben des Prozessbevollmächtigten des Klägers fand an diesem Tag ein Be sprechungstermin wegen des mit Schreiben vom 17. Oktober 2013 an die Kanzlei über mittelten Bescheides statt, bei dem der Kläger vom Erlass des Bescheides Kenntnis er halten hat. Zwar reicht die bloße (mündliche) Übermittlung des In halts des Bescheides an den Empfangsberechtigten durch eine Ersatzperson nicht aus, um dem Empfangsberech tigten die nach § 8 VwZG erforderliche zuverlässige Kenntnis des zuzustellenden Schrift stücks zu verschaffen,
47vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, a.a.O. und juris, Rn. 27.
48Allerdings wurde dem Kläger nach Angaben seines Prozessbevollmächtigten am 23. Oktober 2013 anlässlich des Besprechungstermins zugleich auch eine Kopie des Bescheides ausgehändigt. Die Aushändigung der Bescheidkopie war zur Vermittlung der erforderlichen Kenntnis aber geeignet, da sie das Original nach Inhalt und Fassung wiedergibt.
49Die Beklagte hatte schließlich hinsichtlich des Bescheides auch den erforderlichen Bekanntgabewillen. Der Bescheid ist mit Wissen und Wollen der Beklagten und in der Ab sicht, Rechtsfolgen gegenüber dem Kläger auszulösen, aus dem internen behördlichen Bereich herausgegeben worden. Dass Anschreiben und Bescheid willentlich den internen Bereich des Bundesamtes verlassen haben, folgt unzweifelhaft aus der be wussten Wahl des Übermittlungswegs per Einschreiben und dem Vorliegen eines hierüber gesondert gefertigten Aktenvermerks nach § 4 Absatz 2 Satz 4 VwZG (Bl. 67 der Beiakte Heft 1) so wie der zeitgleichen gesonderten Übermittlung des Bescheides auch noch an die zustän dige Ausländerbehörde (Bl. 64 der Beiakte Heft 1). Der Wille, hinsichtlich des Klägers Rechtsfolgen herbeizuführen, ergibt sich ohne weiteres aus dem an den Prozessbevoll mächtigten gerichteten Begleitschreiben vom 17. Oktober 2013, das in der Betreffzeile ausdrücklich den Namen des Klägers und den Bezug zu seinem Asyl verfahren und zudem die Mitteilung enthält, dass dem Prozessbevollmächtigten – der aus der Sicht des Bun desamtes der Empfangsberechtigte des Klägers war – der Be scheid vom 4. Oktober 2013 „zugestellt“ werde. Zur Heilung nicht erforderlich ist, dass ge rade auch die nachträgliche Kenntniserlangung durch den Adressaten vom Willen der Be hörde umfasst ist,
50vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, a.a.O. und juris, Rn. 29.
51Die zweiwöchige Klagefrist begann mithin am Tag nach der Bekanntgabe, also am Donnerstag, den 24. Oktober 2013, § 57 Absatz 2 VwGO i.V.m. § 222 Absatz 1 ZPO, § 187 Absatz 1 BGB und endete gemäß § 57 Absatz 2 VwGO i.V.m. § 222 Absatz 1 ZPO, § 188 Absatz 2 BGB am Mittwoch, den 6. November 2013. Die Klage ist bereits am Freitag, den 25. Oktober 2013 und damit fristgerecht bei Gericht eingegangen.
52II. D Indes ist der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Absatz 1 VwGO.
53Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Ab schiebung des Klägers nach Spanien angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylan trag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäi schen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchfüh rung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
54Maßgebliche Rechtsvor schrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verord nung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Dritt staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Ver handlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung – wie hier – auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist. Zwar ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitglied staats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist ( Dublin III-VO) , bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist . Denn Gemäß Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO aber für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden, anwendbar . Anderes gilt allen falls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
55vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris, Rn. 13 und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 11.
561. Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Spanien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Kläger gestellten Asylantrags. Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien aus der EURODAC-Datei festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschrit ten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 10 Absatz 1 Satz 1 Dublin II-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt vom 23. August 2013 vor seiner Einreise in die Bundes republik in Spanien gewesen. Überdies folgt aus der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank vom 27. August 2013, dass er bereits am 25. Oktober 2012 im spani schen Melilla erkennungsdienstlich behandelt worden ist. Der Kläger hat die Grenze Spa niens auch illegal überschritten, da er nach seinen eigenen Angaben ohne Ausweispapiere und Aufenthaltsberechtigung eingereist ist und zudem die vom Bundesamt durchgeführte Visa-Abfrage für ihn keinen Treffer ergeben hat.
572. Die danach vorliegende Zuständigkeit Spaniens ist auch nicht nach Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 Dublin II-VO erloschen. Danach endet die Zuständigkeit zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Offen bleiben kann insoweit, ob der Kläger erst am Tag der erkennungsdienstlichen Behandlung, also am 25. Oktober 2012 erstmals in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist und von den Behörden aufgegriffen worden ist oder ob die Einreise – wie der Kläger erstmals im gerichtlichen Verfahren vorträgt – bereits Anfang Oktober 2012 erfolgt ist. Denn der illegale Grenzübertritt lag in jedem Fall zum Zeitpunkt der für die Anwendung der Kriterien des Kapitels III maßgeblichen Zuständigkeitsbestim mung, die spätestens mit der Entscheidung Spaniens über das Aufnahmegesuch mit Schreiben vom 17. September 2013 ihren Abschluss fand (Artikel 19 Absatz 1Dublin II-VO ), noch keine zwölf Monate zurück.
58Dass diese Frist – unterstellt der Kläger sei wie behauptet bereits Anfang Oktober 2012 nach Spanien eingereist – im Zeitpunkt der nach obigen Ausführungen erst am 23. Oktober 2013 erfolgten Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes abgelaufen war, würde ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung führen.
59Nach Artikel 3 Absatz 1 Satz 2 Dublin II-VO finden die Regelungen des Kapitels III, zu de nen Artikel 10 gehört, ausschließlich im Rahmen des Verfahrens zur Bestimmung des zu ständigen Mitgliedstaates Anwendung. Daher berechtigt Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 Dublin II-VO zwar einen Mitglied staat, ein an ihn gerichtetes Aufnahme- oder Wiederaufnahmeersuchen eines anderen Mitgliedstaates abzulehnen, sofern der illegale Grenzübertritt im Zeitpunkt des Ersuchens bereits mehr als zwölf Monate zurückliegt. Nach Abschluss des Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung ist der Anwendungsbe reich des Kapitels III dagegen nicht mehr eröffnet und führt Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 Dublin II-VO daher nicht zu einem nachträglichen Wegfall der be reits nach der Dublin II-Verordnung bestimmten Zuständigkeit. Dementsprechend regelt Kapitel V, dass die nach den Kriterien des Kapitels III bestehende Zuständigkeit eines er suchten Mitgliedstaates nachträglich nur unter den Voraussetzungen von Artikel 16 Absatz 3 und 4 Dublin II-VO erlöschen oder wegen eines Fristversäumnisses des ersuchenden Mitgliedstaates nach Artikel 17 Absatz 1 Satz 2, Artikel 19 Absatz 4 oder Artikel 20 Absatz 2 Dublin II-VO auf den ersuchenden Mitgliedstaat selbst übergehen kann. Überdies sieht Artikel 5 Absatz 2 Dublin II-VO vor, dass bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mit gliedstaats von der Situation ausgegangen wird, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
603. Die Zuständigkeit Spaniens ist auch nicht nach Maßgabe der Artikel 16 ff. Dublin II-VO wieder erloschen oder auf Deutschland übergegangen. Die Pflicht Spaniens, den Kläger aufzunehmen, folgt aus Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a) Dublin II-VO, wonach der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedsstaat gehalten ist, einen Asylbewerber, der einen Antrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt hat, nach Maß gabe der Artikel 17 bis 19 Dublin II-VO aufzunehmen.
61Nachdem die am 27. August 2013 erfolgte Recherche der Beklagten in der Eurodac-Da tenbank für den Kläger einen Treffer ergab und damit Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit Spaniens für die Prüfung des Asylantrags des Klägers bestanden, hat die Beklagte bereits am 29. August 2013 via DubliNet rechtzeitig inner halb der Frist nach Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin II-VO von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrags am 7. Juni 2013 das Aufnahmeersuchen an Spanien gerichtet. Spanien hat seinerseits am 17. September 2013 und mithin innerhalb von zwei Monaten nach seiner Befassung mit dem Gesuch im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Dublin II-VO entschieden.
62Der Kläger kann nicht geltend machen, dass die in Art . ikel 19 Abs atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO geregelte Sechs-Monatsfrist zu einem Übergang der Zuständigkeit von Spanien auf die Beklagte geführt hat.
63a) Diese Frist ist noch nicht abgelaufen. Sie beginnt im vorliegenden Fall erst zu laufen, nachdem das Gericht in der Hauptsache über die Klage entschieden hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Vorschrift des Artikel 19 Abs atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO. Da nach erfolgt die Überstellung , sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wideraufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Mit dem in der zweiten Alternative dieser Vorschrift in Bezug genommenen Rechtsbehelf ist das gegen die Abschiebung gerichtete Hauptsacheverfah ren gemeint, nicht schon das Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz, auch wenn bereits während dessen Anhängigkeit gemäß § 34a Abs atz . 2 Satz 2 AsylVfG eine Abschiebung zu unterbleiben hat.
64Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, DVBl. 2014, 790 = juris, Rn. 53; Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, juris, Rn. 5 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss im Verfahren gleichen Rubrums vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A –, juris, Rn. 12 ff.
65Dieser Rechtsbehelf hatte aufgrund der gerichtlichen Anordnung vom 24. März 2014 im Verfahren nach § 80 Absatz 7 VwGO (13 L 644/14.A) aufschiebende Wirkung. Deshalb kann die Frist zur Überstellung und damit auch eine mögliche Frist, deren Ablauf zu einer unzumutbar langen Verfahrensdauer führen kann, erst mit der Entscheidung über diesen Rechtsbehelf – mithin mit Rechtskraft dieses Urteils – zu laufen beginnen. Artikel 19 Ab s atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO benennt insoweit zwar nicht die Rechtskraft, sondern die „Entscheidung über den Rechtsbehelf“. Da diese Formulierung jedoch in unmittelbarem Zusammenhang zur der diesem Rechtsbehelf beizumessenden aufschiebenden Wirkung verwendet wird, kann dies nur im Sinne einer rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsbehelf verstanden werden.
66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 13 A 827/14.A –, juris, Rn. 5.
67Ohne Bedeutung ist insoweit, dass die Kammer im vorgenannten Beschluss vom 24. März 2014 – anders als hier – zu der Annahme gelangt ist, die maßgebliche Frist sei bereits ab gelaufen. Denn Artikel 19 Abs atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO ermöglicht jedenfalls auch eine Überstellung innerhalb der hier noch nicht laufenden Frist von sechs Monaten ab der Entscheidung über den Rechtsbehelf. Im Übrigen hält die Kammer an ihrer allein im sum marischen Verfahren nach § 80 Absatz 5 und 7 VwGO vertretenen Auffassung, wonach sich der Kläger auf den Ablauf dieser Frist beruf en kann, nicht länger fest (s. hierzu unten, b) ).
68Dasselbe Ergebnis ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Überstellungsfrist. Durch die in Artikel 19 Absatz 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO geregelte Überstellungsfrist soll es den Mitgliedstaaten ermöglicht werden , die Überstellung mitsamt ihren technischen Prob leme n zu bewerkstelligen. Die Frist für die Durchführung der Überstellung kann daher erst zu laufen beginnen, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Über stellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass diese Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt hat, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen. Denn es ist davon auszugehen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die Absicht hatte, dem Erfordernis der zügigen Bearbeitung der Asylanträge den gerichtlichen Schutz zu opfern, den die Mitgliedstaaten gewährleisten, deren Gerichte die Durchführung einer Überstellungsentscheidung aussetzen können und es somit dem Asylbewerber er möglichen, die ihn betreffenden Entscheidungen wirksam anzugreifen. Andernfalls be fände sich der Mitgliedstaat, der im Rahmen des Überstellungsverfahrens beschlossen hat, gegebenenfalls mit aufschiebender Wirkung versehene Rechtsbehelfe zu schaffen, und der daher hinnehmen müsste, dass die Frist, über die er für die Ausweisung des Asyl bewerbers verfügt, um die Zeit verkürzt wird, die die innerstaatlichen Gerichte benötigen, um über den Rechtsstreit in der Sache zu entscheiden, in einer misslichen Lage, da er, wenn es ihm nicht gelänge, die Überstellung des Asylbewerbers innerhalb des sehr kurzen Zeitraums zu organisieren, der zwischen der Entscheidung des Tatrichters und dem Ablauf der Frist für die Durchführung der Überstellung liegt, Gefahr liefe, letztlich als für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig bestimmt zu werden.
69Vgl. Europäische r Gerichtshof ( EuGH ) , Urteil vom 29. Januar 2009, – C-19/08 –, juris, S . 11, Rn. 44 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, Rn. 12 ff., und Be schluss vom 8. Mai 2014 – 13 A 827/14.A –, juris, Rn. 3.
70Vor diesem Hintergrund geht auch die im klägerischen Schriftsatz vom 11. September 2014 geäußerte Ansicht fehl, es bedürfe zunächst einer aktuellen Bestätigung der Über nahmebereitschaft Spaniens. Denn bei der Fristberechnung ab der Rechtskraft dieser Ent scheidung handelt es sich um eine von zwei gleichwertig nebeneinander bestehenden Al ternativen innerhalb der Vorschrift des Artikel 19 Abs atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO. Da ein Fristablauf objektiv nicht gegeben ist, kann auch Spanien sich nicht hierauf berufen. Im Übrigen würde auch die Möglichkeit, dass sich der übernehmende Staat auf den Ablauf der Frist beruft, dem Kläger nicht den entsprechenden Einwand in Form eines subjektiven Rechts an die Hand geben. Sollte der an sich übernehmende Staat die Aufnahme verwei gern, deckt sich dies mit dem vom Kläger verfolgten Interesse, im Bundesgebiet zu ver bleiben und – sollte kein anderer, dritter Staat zuständig sein – eine Prüfung seines An trags durch die Beklagte zu erreichen. Wäre der übernehmende Staat hingegen noch im mer zur Aufnahme bereit, würden hierdurch – wie nachstehend ausgeführt – keine subjektiven Rechte des Klägers verletzt.
71Die Beklagte ist vorliegend bis zur Entscheidung über die Hauptsache auf Grund des stattgebenden Beschlusses vom 24. März 2014, worin die aufschiebende Wirkung der vor liegenden Klage angeordnet worden ist , an der Überstellung des Klägers nach Spanien rechtlich und daher nicht nur aufgrund der erforderlichen Modalitäten für eine Überstellung gehindert gewesen . Die Überstellungsfrist beginnt erst mit Rechtkraft dieses Urteils zu laufen.
72b) Selbst wenn es hier jedoch auf den Ablauf der Sechs-Monatsfrist in der ersten Altern
a
tive des Art
ikel
.
19 Abs
atz
.
3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO ankäme, also beginnend mit der Annahme des Antrags auf Aufnahme durch Spanien
,
am
17.
Septem
ber 2013, könnte sich der Kläger nicht auf den Ablauf dieser Frist berufen.
Zwar endete die Frist zur Überstellung des Klägers zunächst
,
mit Ablauf des 17. März 2014, da Spanien der Aufnahme bereits am 17. September 2013 zugestimmt hatte
.
Der Kläger kann sich auf einen möglichen Verstoß gegen die Überstellungsfristjedoch nicht berufen. Allein ein Verstoß gegen die Fristenre gelungen der Dublin II-VO verletzt für sich keine subjektiven Rechte der Asylbewerber, sofern damit keine Grundrechtsverletzung einhergeht. Insoweit gibt die Kammer auf der Grundlage der sog. Abdullahi-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs,
74Urteil vom 10. Dezember 2013, – C-394/12 –, juris; vgl.
,
nachfolgend
auch BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7,
ihre bisherige Rechtsprechungim Beschluss vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A – auf und geht davon aus, dass sich der Kläger nicht auf die Versäumung der Überstellun g s f rist berufen kann. Ob eine Vorschrift dem Schutz subjektiver Interessen dient, folgt maßgeblich aus dem In halt und Regelungszweck der anzuwendenden Norm. Nach seinem Wortlaut regelt Artikel 19 Absatz 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO allein einen Verfahrensablauf zwischen zwei Ho heitssubjekten ohne Bezug zu nehmen auf den Asylbewerber selbst. Die dort konstituierte mitgliedstaatliche Obliegenheit steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der DublinII-VO, der letztlich in der Verwirklichung des in Artikel 78 Absatz 1 Vertrag über die Arbeits weise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehenen gemeinsamen europäischen Asyl systems besteht, vgl. auch Artikel 78 Absatz 2 lit e) AEUV. Grundgedanke der DublinII-VO ist ausweislich den der Verordnung vorangestellten Erwägungen (3 und 16), eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu entwerfen. Eine solche Formel sollte nach den Erwägungen auf objekti ven und gerechten Kriterien basieren, die insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten.
76EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 18. April 2013, – C-4/11 –, juris, Rn. 57 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, juris, Rn. 37.
77Die Fristbestimmungen der Dublin II-VO dienen dementsprechend einer zeitnahen Fest stellung des zuständigen Mitgliedsstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber dem Kläger (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen be stimmten Mitgliedsstaat zu gewähren. Der EuGH hat für den Fall, dass der zuständige Mitgliedsstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber einer Über stellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnah mebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann.
78EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, – C-394/12 –, juris, Rn. 60 und 62; BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 – 10 B 16.
/
14 –, juris, Rn. 12; VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 ‑
–
W
6
S
14.50065 –, juris, Rn. 18 m.w.N.
Obschon der Abdullahi- Entscheidung keine generelle Aussage zur subjektiv-rechtlichen Dimension von (Überstellungs-)Fristen zu nehmen ist,
80vgl. hierzu auch schon VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 – 13 K 1117/14.A – Seite 9 und 10 des Urteilsabdrucks m.w.N.,zur Veröffentlichung bei juris und www.nrwe.de vorgesehen,
81gelten die vorstehenden Erwägungen auch für die hier relevante Überstellungsfrist im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens. Die Überstellungsfrist dient nicht dem Schutz des Klägers, sondern wie die sonstigen Fristbestimmungen allein den objektiven Zwecken einer sachgerechten Verteilung der mit Durchführung der Asylverfahren verbundenen Lasten in Abstimmung mit dem um (Wieder-)Aufnahme ersuchten Mitglieds
staat. Die Dublin II-VO enthält auch insoweit vor allem Verpflichtungen der Mitglieds
staaten untereinander. Etwas anderes mag – anders als hier – gelten, wenn die Überstellungsfrist abgelaufen und der ersuchte Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit wäre oder wenn es sonst zur unverhältnismäßigen weiteren Verzögerungen käme (s.u.). Denn die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem der Dublin II-Ver ordnung lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein muss.
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, juris; Rn.
25; Offen gelassen vom OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 ‑
–
14
A
1943/11.A
–, juris, Rn. 24; VG Trier, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 5 L 1271/14.TR –, juris, Rn.
6 f.; VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, juris, Rn. 19; VG Hamburg, Beschluss vom 8. April 2014 – 17 AE 1762/14 –, juris, Rn. 18; VG Berlin, Beschluss vom 19. März 2014 – 33 L 90.14 A –, juris; VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 – RN 9 K 11.30445 –, juris, Rn. 18; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 234.
Dieses Ergebnis wird zudem durch folgende Überlegung bestätigt: Dem Asylbewerber bleibt es in jedem Fall unbenommen, sich freiwillig bei der ihm genannten Stelle des ande ren Mitgliedstaates zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. In soweit regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe 1) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (DVO Dublin II-VO), dass die Überstel lung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
84Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
85Hat es der Asylbewerber aber selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgtund dass sie überhaupt erfolgt
,
kann er mithin
selbst zu einer von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet
schon der
allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach §
242 BGB abgeleiteten
– Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) sich
auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschlandzu
berufen. Insoweit ist es ihm auch nicht unzumutbar, sich zunächst in den anderen Mitgliedstaat zu begeben und dort den Ausgang des Hauptsacheverfahrens ab zuwarten.
OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2011 – 14 B 1011/11.A –, juris, Rn. 16.
874. Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der genannten Zuständigkeit Spaniens eine Verpflichtung der Beklagten begründen könnten, vom Selbsteintrittsrecht nach Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 Dublin II-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Kläger nach Spanien abzuschieben.
88a) Zwar besteht bei einer unangemessenen Verfahrensdauer ein aus den Grundrechten abzuleitendes subjektives Recht des Asylbewerbers auf Durchführung des Asylverfahrens in dem Mitgliedstaat, welcher die Verzögerung zu verantworten hat.
89EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 –, juris, Rn. 35 und Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑
–
C-411/10 et al. –, juris, Rn. 98 und 108; VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 ‑
–
13
K
1117/14.A
– m.w.N.
Das kann aber ohnehin nur dann gelten, wenn der Antragsteller durch zu langes Zuwarten des Bundesamtes um den zeitnah en Fortgang des Verfahrens auf Feststellung seiner Asylberechtigung bzw. seiner internationalen Schutzberechtigung gebracht wird. Hat der Kläger es jedoch selbst in der Hand, die Prüfung seines Antrags dadurch voranzutreiben, dass er sich freiwillig in den hierfür zuständigen Mitgliedstaat begibt, ist eine Grundrechts verletzung wegen zu langer Verfahrensdauer ausgeschlossen (s.o. , 3. b) ) .
91Selbst
wenn der Grund für die verzögerte Einreise bzw. Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat allein in die Sphäre der Beklagten fiele, wofür vorliegend nichts spricht, fehlt
e
es i
ndes schon
an einer solch unangemessen langen Verfahrensdauer. Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäi schen
Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 19 Absatz 3 Dublin II-VO vor sieht, dass die Überstellung spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Annahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, erfolgt. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleich gesetzt werden mit der vom EuGH angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 19 Absatz 3 Dublin II-VO von sechs Monaten zuzüglich der durch § 24 Absatz 4 AsylVfG für die inner staatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von zwölf Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann.
Vgl. zur Stellung eines Aufnahmeantrags VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2014 ‑ 13 L 2685/13.A –, juris, Rn. 22.
93Damit einhergehend sieht auch Artikel 19 Absatz 4 Satz 2, 1. Alternative Dublin II-VO vor, dass die Frist zur Überstellung höchstens auf ein Jahr verlängert werden kann, wenn diese aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte.
94Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen.
95b) Die Beklagte ist schließlich auch nicht gehindert, den Kläger nach Spanien zu überstel len, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwach stellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behand lung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich bringen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
96EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, S. 413,
97der Fall wäre, liegen nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sine können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
98EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
99Gemessen hieran ist nicht ersichtlich, dass der Kläger Gefahr liefe, nach der Rück über stellung nach Spanien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen. Es liegen dem erkennenden Gericht keinerlei Erkenntnismittel vor, die die Befürchtung recht fertigen könnten, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im oben genannten Sinne bestehen,
100vgl. Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 4 L 398/14.A –, juris, Rn. 23 f. m.w.N.; Verwaltungsgericht Potsdam, Beschluss vom 23. Juni 2014 – 6 L 551/14.A –, juris, Rn. 11; Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 27. Mai 2014 – Au 7 S 14.50094 –, juris, Rn. 50.
101Es ergeben sich auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Spanien das Asylgesuch des Klägers nicht in einem ordnungsgemäßen Asylverfahren prüfen wird. Denn Spanien hat unter Wahrung seiner aus der Dublin II-VO folgende Obliegenheiten bereits zweimal fristgerecht seine Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers an erkannt. Soweit der Kläger demgegenüber im gerichtlichen Verfahren vorgebracht hat, ihm sei in Spanien sowohl bei seiner Ersteinreise im Oktober 2012 als auch nach der Über stellung aus Deutschland im April 2013 jeweils die Stellung eines Asylantrags tatsächlich verweigert worden, ist dieses unsubtsantiierte Vorbringen nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht glaubhaft. Der Kläger hat hierzu schon selbst keine widerspruchsfreien Angaben gemacht. Im Rahmen der Anhörung beim Bun desamt am 23. Januar 2013 hat er ausdrücklich angegeben, noch in keinem europäischen Land einen Asylantrag gestellt zu haben (Bl. 39 Beiakte Heft 2). Anlässlich seiner erneuten Asylantragstellung in Deutschland am 7. Juni 2013 hat er zwar in der Anhörung am 23. August 2013 angegeben, er habe in Spanien gefragt, ob er Asyl beantragen könne, was aber abgelehnt worden sei. Allerdings schilderte er diese angebliche Verweigerung der Asylantragstellung als eine solche im Zusammenhang mit der Ersteinreise und damit im Widerspruch zu seinem Vorbringen vom 23. Januar 2013. Zudem legte er nicht offen, dass er unter einem Aliasnamen bereits zuvor in Deutschland einen Asylantrag gestellt hatte und nach Spanien zurückgeführt worden war. Da gerade die Verweigerung eines Asylverfahrens nach der Rücküberstellung nach Spanien nach den Angaben des Klägers im gerichtlichen Verfahren aber der wesentliche Anlass der erneuten Einreise nach Deutschland im Juni 2013 gewesen sein soll, wäre zu erwarten gewesen, dass er diesen für ihn so ent scheidenden Umstand dann auch in der Anhörung am 23. August 2013 schildert. Dies umso mehr, als der Rücküberstellung vom 10. April 2013 eine ausdrückliche Aufnahmeer klärung Spaniens vom 7. März 2013 zugrunde lag. Die Einschätzung, dass dem diesbe züglichen Vorbringen des Klägers kein Glauben geschenkt werden kann, stützt das Ge richt ergänzend darauf, dass der Kläger auch zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal in beiden Anhö rungen vollkommen unterschiedliche und nicht miteinander in Einklang zu bringende An gaben gemacht hat und zudem seinen ersten Asylantrag unter einem falschen Namen gestellt hat, sich mithin insgesamt nicht als glaubwürdig erweist.
102Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen keine Bedenken. Insbesondere besteht auch kein Abschiebungshin der nis. Gemäß § 34a Absatz 1 Satz 1 a. E. AsylVfG setzt die Anordnung der Abschiebung neben der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG voraus, dass sie auch durch geführt werden kann. Es sind weder zielstaatsbezogene, noch in der Person des Klägers bestehende, also inlandsbezogene, Abschiebungshindernisse ersicht lich.
103Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichts k osten ergibt sich aus § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30Ab satz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
104Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 0. Oktober 1983 geborene Kläger zu 1. behauptet syrischer Staatsangehörigkeit kurdischer Volkszugehörigkeit zu sein. Er reiste nach eigenen Angaben zusammen mit seiner Ehefrau, der am 10. Oktober 1986 geborenen Klägerin zu 2., und dem gemeinsamen am 25. Februar 2010 geborenen Kind, dem Kläger zu 3., am 29. Juli 2011 auf dem Landweg über Italien in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte – wie auch die Klägerin zu 2. – am 3. August 2011 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.
3Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt am 4. August 2011 gab der Kläger zu 1. an, er fühle sich gesund, sei aber behandlungsbedürftig erkrankt. Er nehme Medikamente wegen einer Herzmuskelschwellung. Hier in Deutschland habe er noch keinen Arzt aufgesucht. Er kündigte an, sobald er in Deutschland ärztlich behandelt werde, dem Bundesamt ein Attest zukommen zu lassen, aus dem die genaue Diagnose und die notwendige Behandlung hervorgingen. Er habe bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Auf die Frage, ob Einwände dagegen bestünden, das Asylverfahren z.B. in Italien durchzuführen, antwortete der Kläger zu 1., in Deutschland sei die Sicherheit größer und man kümmere sich um die Asylbewerber. Persönliche Hinderungsgründe hätte er aber nicht. Die Klägerin zu 2. führte aus, sie fühle sich gesund und sei nicht behandlungsbedürftig erkrankt. Das gleiche gelte für ihr Kind. Sie habe bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Sie wollten aber von Anfang an nicht in Italien, sondern in Deutschland bleiben. Im Übrigen machten die Kläger Ausführungen zu ihren Fluchtgründen aus Syrien.
4Das Bundesamt stellte am 13. März 2012 ein Wiederaufnahmegesuch an das italienische Innenministerium, worüber die Kläger mit Schreiben vom selben Tag in Kenntnis gesetzt wurden. Mit Schreiben vom 19. März 2012 erklärten sich die italienischen Behörden gestützt auf Art. 16 Abs. 1 c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (Dublin II VO) für zuständig.
5Am 15. Mai 2012 suchten die Kläger gerichtlichen Eilrechtsschutz nach und beantragten den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit Beschluss vom 23. Mai 2012 (Az.: 21 L 851/12.A) gab das VG Düsseldorf der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung auf, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung der Antragsteller nach Italien vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen.
6Am 26. Juni 2012 haben die Kläger zunächst Untätigkeitsklage erhoben mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, das ihr durch Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO eröffnete Selbsteintrittsrecht auszuüben und das Asylverfahren durchzuführen.
7Mit Bescheid vom 3. Juli 2012 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Italien an. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Asylantrag sei gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) unzulässig, weil die Kläger bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hätten und deshalb Italien nach den Vorschriften der Dublin II VO zuständig sei. Außergewöhnliche humänitäre Gründe, die die Beklagte zur Ausübung eines Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin II VO veranlassen könnten, bestünden nicht.
8Zur Begründung der nach Bescheiderlass fortgeführten Klage verweisen die Kläger im Wesentlichen auf den Beschluss des VG Cottbus vom 8. März 2013 (Az.: VG 1 L 54/13), mit dem eine Abschiebung von Asylbewerbern nach Italien vorläufig ausgesetzt wurde. Im Übrigen sei der Kläger zu 1. herzkrank. Eine Reisefähigkeit des Klägers zu 1. sei nicht gegeben. Eine Abschiebung mit den damit verbundenen Aufregungen würde für den Kläger zu 1. eine große Gefahr darstellen, da er aufgrund seiner Erkrankung Infarkt gefährdet sei.
9Die Kläger beantragen sinngemäß,
10den Bescheid des Bundesamtes vom 3. Juli 2012 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung nimmt sie auf die Gründe des angefochtenen Bescheids des Bundesamtes Bezug.
14Nachdem die Kläger unter dem 13. November 2012 erneut gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht hatten, ordnete das Gericht mit Beschluss vom 3. Dezember 2012 (Az.: 21 L 2103/12.A) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 3. Juli 2012 an.
15In der mündlichen Verhandlung sind die Kläger zu 1. und 2. ergänzend befragt worden. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie den der Ausländerakten ergänzend Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig (A.), aber unbegründet (B.).
19A. Die Klage gegen den Bescheid vom 3. Juli 2012 ist als (isolierte) Anfechtungsklage statthaft. Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags ist § 27a AsylVfG, wonach ein in Deutschland gestellter Asylantrag als unzulässig abzulehnen ist, wenn die Zuständigkeit eines anderen Staates aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens vorliegt. Die mit diesem Ausspruch regelmäßig verbundene Abschiebungsanordnung findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidungen nach §§ 27a und 34a Abs. 1 AsylVfG stellen belastende Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der - einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorrangigen - Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens der Kläger zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen. Diese Verfahrenssituation ist vergleichbar mit derjenigen im Falle der Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens nach §§ 33, 32 AsylVfG, in der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Anfechtungsklage allein gegen den Einstellungsbescheid des Bundesamtes statthaft ist,
20vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris Rn 12, 14.
21Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Aufhebung des den begünstigenden Verwaltungsakt ablehnenden Bescheids beschränken darf, was im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme,
22vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris Rn. 15.
23Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz findet allerdings auf behördliche Entscheidungen, die auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung. Denn ist - wie dargelegt - das Asylbegehren in der Sache noch gar nicht geprüft worden und wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge den Asylbewerbern eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie zur Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorgesehen ist. Ungeachtet dessen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern sich anstelle der Exekutive erstmalig selbst mit dem Antrag sachlich auseinandersetzte und entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz zumindest bedenklich wäre, da eine Entscheidung, die der Gesetzgeber mit dem Asylverfahrensgesetz der Exekutive zur Prüfung zugewiesen hat, übergangen würde,
24vgl. zum Vorstehenden auch VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 – 17 K 1506/12.A –, juris Rn. 18.
25Vor diesem Hintergrund war das im Klageantrag enthaltene Begehren, neben der Aufhebung des Bescheides vom 3. Juli 2012 ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen, als bloßer Hinweis auf die (nach der begehrten Aufhebung des angefochtenen Bescheides) geltende Rechtslage zur verstehen, § 88 VwGO.
26B. Die Klage ist unbegründet.
27Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 3. Juli 2012 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
28Das Bundesamt hat den Asylantrag zu Recht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt (I.). Die auf § 34a AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig (II.).
29I. Zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens ist nicht die Beklagte, sondern die Republik Italien (1.). Die Beklagte ist auch nicht zur Ausübung des eigenen Prüfrechts (sog. Selbsteintrittsrecht) nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO verpflichtet (2.).
30Die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung, Dublin III VO), findet hier nach Art. 49 Abs. 2 (noch) keine Anwendung, weil der Antrag vor dem ersten Tag des sechsten Monats nach dem Inkrafttreten der Dublin III VO am 19. Juli 2013 gestellt wurde.
311. Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO begründet worden (a.). Ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte ist später weder über Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO (b.) noch gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin II VO erfolgt (c.).
32a. Die Zuständigkeit Italiens folgt, da die gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin II VO vorrangig zu prüfenden Zuständigkeitskriterien nach Art. 6 bis 9 dieser Verordnung nicht einschlägig sind, aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO, wonach ein Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, wenn ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat. Nach eigenen Angaben reisten die Kläger zunächst illegal nach Italien und stellten dort einen Asylantrag. Auf Grundlage dieser Feststellungen hat das Bundesamt mit Schreiben vom 13. März 2012 Italien um die Aufnahme der Asylbewerber ersucht. Italien hat sich sechs Tage später, am 19. März 2012 unter Verweis auf Art. 16 Abs. 1 lit. c) Dublin II VO für zuständig erklärt.
33b. Die Zuständigkeit ist nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II VO auf die Beklagte übergegangen. Gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO hat der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde, der einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig hält, diesen in jedem Fall innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Antrags zu ersuchen, den Asylbewerber aufzunehmen. Bei Überschreitung der Frist nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO geht nach Satz 2 die Zuständigkeit auf den ersuchenden Staat über. Zwar hat das Bundesamt hier erst am 13. März 2012 – also über sieben Monate nach Stellung des Asylantrages am 3. August 2011 in Deutschland – ein Übernahmegesuch an Italien gestellt. Die Fristüberschreitung führt aber deshalb nicht zur Zuständigkeit der Beklagten, weil die Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO unmittelbar nur im Rahmen des Aufnahmeverfahrens, nicht aber in Fällen des – hier gegebenen – Wiederaufnahmeverfahrens Anwendung findet (aa.). Ungeachtet dessen führte die Klage aufgrund der Nichteinhaltung der Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO bzw. der Folge gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II VO aber auch deshalb nicht zum Klageerfolg, weil die Vorschrift den Klägern kein subjektives Recht vermittelt (bb.).
34aa. Die Dublin II VO unterscheidet gerade in Art. 16 Abs. 1 lit. a) einerseits und lit. c), d) und e) andererseits zwischen der Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 17 bis 19 der Dublin II VO und einer Überstellung des Asylsuchenden im Wiederaufnahmeverfahren gemäß Art. 20 Dublin II VO. Durch Art. 16 Dublin II VO wird der Anwendungsbereich der nachfolgenden Art. 17 bis 20 Dublin II VO bestimmt. Aus der Trennung zwischen Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren folgt, dass – weil Art. 20 Dublin II VO weder eine Frist nennt, noch auf die Regelung in Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO Bezug nimmt – für das Wiederaufnahmeverfahren eine Übernahmeersuchensfrist nicht vorgesehen ist. Es ist gerade nicht so, dass Art. 20 Dublin II VO nur spezielle Modalitäten für die Wiederaufnahme regelt und im Übrigen die Regelungen der Art. 17 bis Art. 19 Dublin II VO anwendbar wären,
35vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris; VG Potsdam, Urteil vom 5. Februar 2013 – 6 K 2512/12.A –, juris Rn. 21; VG Hamburg, Beschluss vom 22. September 2005 ‑ 13 AE 555/05 ‑, juris; VG Augsburg, Gerichtsbescheid vom 9. Mai 2011 ‑ Au 3 K 10.3046 – , juris; so auch Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Auflage 2010, S. 138 K1; a.A. VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. August 2012 – 22 L 1158/12.A – , juris Rn. 24.
36bb. Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II VO vermittelt den Klägern kein subjektives Recht, weshalb es auf die Frage, ob die Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO auf das Wiederaufnahmeverfahren analog anzuwenden ist,
37wofür insbesondere die Regelung in der Neufassung der Dublin II VO durch die Dublin III VO vom 26. Juni 2013 spräche, die in Art. 23 Abs. 2 ausdrücklich auch für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs eine Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht,
38im Ergebnis hier nicht entscheidungserheblich ankommt.
39Ob eine Vorschrift dem Schutz subjektiver Interessen dient, folgt maßgeblich aus dem Inhalt und Regelungszweck der anzuwendenden Norm. Nach seinem Wortlaut regelt Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO allein einen Verfahrensablauf zwischen zwei Hoheitssubjekten ohne Bezug zu nehmen auf den Asylbewerber selbst. Die dort konstituierte mitgliedstaatliche Obliegenheit steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Dublin II VO, der letztlich in der Verwirklichung des in Art. 78 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehenen gemeinsamen europäischen Asylsystems besteht, vgl. auch Art. 78 Abs. 2 lit e) AEUV. Grundgedanke der Dublin II VO ist ausweislich den der Verordnung vorangestellten Erwägungen (3 und 16), eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu entwerfen. Eine solche Formel sollte nach den Erwägungen auf objektiven und gerechten Kriterien basieren, die insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten. Im Vordergrund steht daher das Interesse, einen Mitgliedstaat zeitnah für zuständig zu erklären, damit es zu einer Überprüfung des Asylantrags durch einen einzigen Mitgliedstaat kommt, nicht aber, dass ein ganz bestimmter Mitgliedstaat die Antragsprüfung durchführt – jedenfalls wenn es wie hier nicht um eine spezielle Zuständigkeit nach den Art. 6 bis 9 der Dublin II VO geht. Würde man außerhalb dieser besonderen Fallkonstellationen dem Einzelnen ein subjektives Recht auf Prüfung des Asylantrags in einem bestimmten ‑ nach der Dublin II VO (möglicherweise) zuständigen ‑ Mitgliedstaat zuerkennen, würde dies den Zweck der Verordnung konterkarieren, auch deshalb, weil die uneingeschränkte Klärung von Zuständigkeitsfragen im Rahmen eines (einstweiligen) Rechtsschutzverfahrens von nationalen Gerichten erhebliche Verfahrensverzögerungen zur Folge hätte,
40so auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris; VG Potsdam, Urteil vom 5. Februar 2013 – 6 K 2512/12.A –, juris Rn. 24; VG München, Beschluss vom 28. November 2012 - M 15 E 12.30871 –, juris Rn. 25 ff.; VG Regensburg, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – RN 9 E 12.30323 –, juris Rn. 27.
41Allenfalls Italien könnte sich auf die Nichteinhaltung der Frist berufen, da es die materiellen Lasten einer Aufnahme der Kläger zu tragen hat.
42Im Einzelfall kann es bei beachtlicher Überschreitung der Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO dem ersuchenden Mitgliedstaat indes verwehrt sein, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates zu berufen,
43vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris.
44Insbesondere auch unter Berücksichtigung von Art. 18 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) wird daher nicht in jedem Fall der Verstoß gegen die Zuständigkeitsbestimmung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II VO und damit jegliche Außerachtlassung der Obliegenheit, ein Übernahmeersuchen binnen drei Monaten nach Asylantragstellung an den für zuständig erachteten Mitgliedstaat zu richten, konsequenzlos bleiben.
45Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird,
46vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 – juris, Rn. 98, 108.
47Soweit die Überschreitung der in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO vorgesehenen Frist zu einem unangemessen langen Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates führt, ist es demnach dem ersuchenden Mitgliedstaat verwehrt, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaates zu berufen. Aus der Entscheidung selbst, den einschlägigen Normen und den dazugehörigen Materialien lassen sich Anhaltspunkte dafür, wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, nicht ausmachen.
48Dies gilt vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die wiedergegebene Aussage aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof im Anschluss an die Feststellung getroffen wurde, dass ein Mitgliedstaat - wenn die Überstellung in den nach der Dublin II VO primär zuständigen Mitgliedstaat wegen beachtlicher systemischer Mängel nicht möglich ist - anhand der Kriterien des Kapitels III der Dublin II VO zu prüfen hat, ob gemäß eines der nachrangigen Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann und daher schon nicht unmittelbar auf die hiesige Fallkonstellation übertragbar ist.
49Indes führt nicht jede Fristüberschreitung zugleich zu einer unangemessen langen Verfahrensdauer; vielmehr bedarf es des Hinzutretens eines weiteren Zeitmoments. Unter Berücksichtigung der für die Asylbewerber aus der Nichteinhaltung der Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO resultierenden Folgen einerseits, die nicht zuletzt in einem für den Einzelnen belastenden Zustand der Ungewissheit liegen, und dem Charakter der Zuständigkeitsbestimmungen als objektive, eine Obliegenheit begründende Verfahrensvorschriften andererseits, ist von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ohne hinzutreten besonderer Umstände des Einzelfalls in aller Regel erst dann auszugehen, wenn eine Fristüberschreitung von mehr als sechs Monaten vorliegt, also zwischen Asylantragstellung und Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs mehr als neun Monate vergangen sind,
50anders vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. August 2012 – 22 L 1158/12.A – juris.
51Da die hier gegebene Überschreitung der Dreimonatsfrist gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO von etwa vier Monaten demgemäß nicht zu einer unangemessen langen Verfahrensdauer führt, ist es der Beklagten nicht verwehrt, sich auf die Zuständigkeit Italiens zu berufen.
52c. Die Zuständigkeit ist schließlich nicht gemäß Art. 20 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 lit. d) Satz 2 Dublin II VO auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2 Dublin II VO erfolgt die Überstellung des Asylsuchenden von dem Mitgliedstaat, in dem der (zweite) Asylantrag gestellt wurde, in den Mitgliedstaat, der die Wiederaufnahme akzeptiert, gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der (zweite) Asylantrag eingereicht wurde.
53Hier hat Italien das Wiederaufnahmegesuch vom 13. März 2012 ausdrücklich am 19. März 2012 angenommen. Zwar sind seit Annahme des Gesuchs bis heute mehr als sechs Monate verstrichen. Dies ist jedoch unschädlich und führt nicht zu einer Zuständigkeit der Beklagten für die Durchführung des Asylverfahrens nach Art. 20 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 lit d) Dublin II VO. Denn die Überstellungsfrist beginnt frühestens mit der Entscheidung im Hauptsacheverfahren über den Rechtsbehelf des Asylsuchenden gegen die Entscheidung des Bundesamtes, den Asylantrag wegen der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nicht zu prüfen, sofern der Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat,
54vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 –, juris; - zur vergleichbaren Norm des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II VO - Nds.OVG, Beschluss vom 2. August 2012 – 4 MC 133/12 –, juris Rn. 14 ff.
55Auf die vorläufige Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist nicht abzustellen. Die in Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2 2. Alt. Dublin II VO normierte Sechsmonatsfrist verfolgt vom Sinn und Zweck der Regelung her in Anbetracht der praktischen Komplexität und der organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung einhergehen, das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaates erfolgen. Diese Zielsetzung liefe leer, wenn die Frist schon zu einem Zeitpunkt begönne, in dem noch nicht sicher ist, dass die Überstellung überhaupt in Zukunft erfolgen wird, weil lediglich vorläufig die Vollziehung der Überstellung ausgesetzt wurde und die Entscheidung in der Hauptsache noch aussteht,
56vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 – juris, UA Rn. 40, 45.
57Inwieweit es aus denselben Erwägungen nicht auf die Hauptsacheentscheidung, sondern erst auf deren Rechtskraft ankäme, kann für die hier zu treffende Entscheidung mangels Erheblichkeit dahinstehen.
58Der von den Klägern eingelegte Rechtsbehelf – die Klage – hatte schließlich aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2 2. Alt. Dublin II VO. Denn das Gericht hat zunächst mit Beschluss vom 23. Mai 2012 der seinerzeitigen Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufgegeben, Maßnahmen zum Vollzug der Überstellung nach Italien für die Dauer von sechs Monaten vorläufig auszusetzen (Az.: 21 L 855/12.A). Mit Beschluss vom 3. Dezember 2012 (Az.: 21 L 2103/12.A) ordnete das Gericht sodann die aufschiebende Wirkung der hiesigen Klage gegen den Bescheid vom 3. Juli 2012 an. Darauf, ob das mitgliedstaatliche Recht die Aussetzung des Vollzugs der Abschiebungsanordnung grundsätzlich normativ vorsieht oder - wie der zum Zeitpunkt der Entscheidung (noch) geltende § 34a Abs. 2 AsylVfG - nicht, kommt es nicht an.
59Der mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 geänderte § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n.F., wonach Anträge gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen – und damit grundsätzlich zulässig – sind, ist zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht Inkraftgetreten.
60Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2 2. Alt. Dublin II VO stellt schon nach seinem Wortlaut ausdrücklich darauf ab, ob dem eingelegten Rechtsbehelf tatsächlich aufschiebende Wirkung zukommt („... aufschiebende Wirkung hat;“) und nicht darauf, ob es nach dem innerstaatlichen Recht zulässig ist, die aufschiebende Wirkung anzuordnen,
61vgl. - zur vergleichbaren Norm des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II VO - Nds.OVG, Beschluss vom 2. August 2012 – 4 MC 133/12 –, juris Rn. 17 m.w.N.
62Im Übrigen ist es nach der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland nicht unzulässig, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellung anzuordnen. Denn der generelle legislative Ausschluss vorläufigen Rechtsschutzes wird in Fortführung des zu § 26a AsylVfG ergangenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts und unter Beachtung der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für den Fall einer auf § 34a Abs. 1 in Verbindung mit § 27a AsylVfG gestützten Abschiebungsanordnung insoweit (verfassungs- und unionsrechtskonform) teleologisch dahingehend reduziert, dass in eng umgrenzten Ausnahmefällen ebensolcher in Betracht kommt,
63so auch OVG NRW, Beschluss vom 1. März 2012 – 1 B 234/12.A –, juris Rn. 8 ff. mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94 und auf BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, juris.
64Insoweit macht es hier keinen Unterschied, ob die zu Gunsten der Kläger angeordnete Aussetzung der Abschiebung auf geschriebenem Gesetzesrecht oder auf einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Auslegung beruht,
65insoweit sind die Erwägungen des EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 –, juris, zum Beginn der Überstellungsfrist jedenfalls ab Hauptsacheentscheidung auf die hiesige nationale Rechtslage übertragbar auch wenn, anders als in dem entschiedenen Fall offenbar in Schweden, das geschriebene Recht einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung hier nicht vorsieht.
66Einer Entscheidung, ob Art. 20 Abs. 1 lit. d), Abs. 2 Dublin II VO den Klägern überhaupt ein subjektives Recht vermittelt,
67verneinend etwa VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 - RN 9 K 11.30445 -, juris Rn. 18,
68bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.
692. Die Beklagte ist nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO zur Ausübung des eigenen Prüfrechts (sog. Selbsteintrittsrecht) verpflichtet.
70Nach dieser Norm kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin II VO zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem hier sachgerecht ausgeübten Ermessen. Eine Reduzierung des Ermessens auf Null ist nicht gegeben.
71Der durch die Dublin II VO geschaffenen Zuständigkeitsregelung zwecks Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems, vgl. Art. 78 AEUV, liegt die Annahme zugrunde, in allen Mitgliedstaaten sei die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sichergestellt, sog. „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“. Eine Durchbrechung dieser Zuständigkeitsordnung aufgrund einer Reduzierung des Ermessens eines Mitgliedstaats nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO auf Null kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Asylbewerber von einem Sonderfall betroffen ist, der von dem vorgenannten Konzept / Prinzip nicht aufgefangen wird.
72Von einem solchen Ausnahmefall ist dann auszugehen, wenn es ernst zu nehmende und durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in dem Mitgliedstaat, in den abgeschoben werden soll, in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz gewährt wird. Im Hinblick auf die Ziele und das System der Dublin II VO genügt hierfür aber nicht jeder Verstoß gegen die GFK, die EMRK, die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten einschließlich deren zum Teil bereits in Kraft getretener Neufassung, der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, ferner gegen die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, einschließlich deren Neufassung, der bereits zum Teil in Kraft getretenen Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes. Erforderlich ist vielmehr, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 Grundrechtecharta (vgl. zur Tragweite der garantierten Rechte der Charta Art. 52 Abs. 3 Satz 1 Grundrechtecharta) bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein,
73vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94; OVG NRW, Beschluss vom 1. März 2012 – 1 B 234/12.A –, juris Rn. 17; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 – 17 K 1506/12.A –; VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 - 17 L 660/13.A und vom 6. Februar 2013 - 17 L 150/13.A –, juris; vgl. auch die vom BVerfG im Urteil vom 14. Mai 1996 ‑ 2 BvR 1938/93 ‑, juris Rn. 189 herausgearbeiteten Fallgruppen der schlagartigen Veränderung der für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat bzw. der generellen Lösung von den Konventionsverpflichtungen.
74a. In Anbetracht dieser Rechtsprechung besteht derzeit keine Verpflichtung der Beklagten, den Asylantrag der Kläger in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Auf Grundlage des dem Gericht gegebenen Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern in Italien ist aktuell nicht zu befürchten, dass systemische Mängel betreffend das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen vorliegen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat Italien ausgesetzt zu werden.
75Hinweise etwa dergestalt, dass dort Schutzgesuche zunächst schon überhaupt nicht geprüft würden, sind nicht ernstlich ersichtlich. Das Auswärtige Amt kommt in seiner im Rahmen eines Amtshilfeersuchens abgegebenen jüngsten ausführlichen Stellungnahme an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013 (Ziff. 1, 2) zu dem Ergebnis, dass keine neueren Fälle bekannt wären, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende, die in Italien um Schutz nachsuchen wollen, bei ihrer Einreise auf dem Seeweg oder dem Landweg die Einreise bzw. der Aufenthalt in Italien verweigert worden sei. Es seien auch keine jüngeren Fälle ersichtlich, in denen sie nach ihrer Einreise in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben worden seien, ohne dass sie in Italien – wie von ihnen beabsichtigt – einen Asylantrag hätten stellen können oder in denen sie nach ihrer Einreise trotz eines in Italien gestellten Asylantrags zurückgeführt bzw. abgeschoben worden seien. Bei sog. „Dublin-II-Rückkehrern“ - wie hier - sei gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr ihren bereits gestellten Asylantrag weiterverfolgen bzw. erstmals einen Asylantrag stellen könnten. Demnach wird Asylbewerbern ein effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt,
76vgl. hierzu auch die früheren Feststellungen in der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an das VG Freiburg vom 11. Juli 2012, S. 5 sowie die Feststellungen im Urteil des VG Augsburg vom 11. Januar 2013 ‑ Au 6 K 12.30358 ‑, juris Rn. 25 unter Auswertung weiterer Erkenntnisse, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.
77Diese Annahme wird insbesondere durch das Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V. aus Dezember 2012 zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28. September 2012 nicht durchgreifend erschüttert, da sich dieses in erster Linie mit den Aufnahmebedingungen, der Sicherung des Lebensunterhalts und der Gesundheitsfürsorge der Asylsuchenden in Italien beschäftigt.
78Hinsichtlich der Aufnahmebedingungen, der Sicherung des Lebensunterhalts und der Gesundheitsfürsorge lassen sich in Italien zwar Mängel ausmachen. Insbesondere die durch überlastete Aufnahmeeinrichtungen bestehende Gefahr der Obdachlosigkeit, die etwa durch das vorzitierte Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe oder die Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI) an das VG Darmstadt vom 20. November 2012 geschildert wird, ist vor dem Hintergrund der Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2003/9/EG zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten bzw. Art. 17 Abs. 2 und Art. 18 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, durchaus zu beachten. Allerdings handelt es sich unter Würdigung weiterer Erkenntnisse derzeit nicht um einen systemischen Mangel charakterisierende strukturelle landesweite Missstände, die eine individuelle Gefährdung eines jeden Einzelnen oder einer nennenswerten Anzahl von Asylbewerbern im Falle der Abschiebung nach Italien begründeten und die von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen würden. Eine – unmenschliche oder erniedrigende Behandlung herbeiführende – beachtliche Unterschreitung der von dem Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen kann vielmehr nicht ausgemacht werden.
79Das Auswärtige Amt stellt in der vorzitierten Auskunft vom 21. Januar 2013 unter Ziff. 4. denn auch fest, derzeit könnten alle Asylbewerber/Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Wie auch in der an das VG Freiburg vom 11. Juli 2012 ergangenen Stellungnahme wird erneut betont, es gebe gegebenenfalls lokale/regionale Überbelegungen (in Teilen Süditaliens), landesweit seien aber genügend Plätze vorhanden. Zusätzlich zu den staatlichen und öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale (und karitative) Einrichtungen, so dass meist ein Unterbringungsplatz in der Nähe gefunden werden könne. Zudem würden Dublin-II Rückkehrer von der Polizei bei Ankunft auf dem Flughafen in Empfang genommen und es werde ihnen sodann eine Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt bzw. das Asylverfahren noch weitergeführt werde (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013, Ziff. 1.4).
80Auch der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) stellt in seiner gutachterlichen Stellungnahme an das VG Braunschweig vom 24. April 2012 auf Seite 3 ff. fest, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden hätten und davon auszugehen sei, dass Unterkunft, Ernährung und medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Italien sichergestellt sei, wenn ein formaler Antrag gestellt wurde, so lange der Zeitraum von 6 Monaten Verfahrensdauer nicht überschritten werde und soweit die aktuellen Zahlen der Asylbewerber die Kapazitäten nicht überstiegen.
81Der bereits ältere Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe über das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien vom Mai 2011 weist zwar auf seinerzeitige Schwierigkeiten bei der Unterbringung und der Information über den bestehenden Anspruch auf Gesundheitsversorgung hin, eine grundsätzliche Abkehr Italiens von seiner Völker- und europarechtlicher Verpflichtung gegenüber Flüchtlingen kann darin jedoch nicht gesehen werden,
82so auch Nds. OVG, Beschluss vom 2. Mai 2012 – 13 MC 22/12 –, juris UA S. 8.
83Sollten kurzfristige Überlastungen der Aufnahmeeinrichtungen – etwa durch ein aufgrund aktueller politischer Ereignisse hervorgerufenes hohes Flüchtlingsaufkommen – vorkommen, stellte dies ebenso keinen systemischen Mangel dar, wie eine nur örtlich begrenzte Kapazitätenüberschreitung. Denn nicht jede partielle Unterschreitung des unionsrechtlich gebotenen Schutzniveaus rechtfertigt bereits die Annahme eines systemischen Mangels,
84vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 84 ff.
85Etwas anderes würde heißen, die betreffenden Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in der Dublin II VO in ihrem Kern auszuhöhlen und die Verwirklichung des Ziels zu gefährden, rasch den Mitgliedsstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Maßgeblich ist auch, dass die italienischen Behörden gegen die Beseitigung der Missstände Maßnahmen ergreifen. So wurde etwa die Notstandsgesetzgebung, durch die die Unterbringung einer erheblichen Anzahl aus den nordafrikanischen Ländern kommenden Asylsuchenden seinerzeit innerhalb kürzester Zeit erreicht werden sollte, bis Ende Februar 2013 verlängert,
86vgl. den unter www.proasyl.de abrufbaren Newsletter Italien Dezember 2012, Seite 1,
87und es wurden kurzfristig im Jahre 2011/2012 20.000 Aufnahmeplätze in kleinen bis mittleren Einrichtungen in Italien geschaffen,
88vgl. ASGI-Bericht an das VG Darmstadt vom 20. November 2012, S. 10.
89Anlässlich des Ende Februar 2013 ausgelaufenen Notstandes ist in einem internen Runderlass der Regierung vom 18. Februar 2013 festgelegt worden, die Präfekturen (Regierungspräsidien), die die Leitung des Notstandes vom Zivilschutz übernommen haben, müssten dafür Sorge tragen, dass besonders schutzbedürftige Personen nicht obdachlos würden, sondern in einem Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge (SPRAR-Projekt) untergebracht würden,
90vgl. den unter www.proasyl.de abrufbaren Newsletter Italien März 2013, Seite 1.
91Angesichts dessen kann von einem Untätig bleiben oder gar einer Gleichgültigkeit der italienischen Behörde keine Rede sein.
92Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnislage und der gegenwärtig nicht ansteigenden Zuströme von Asylbewerbern nach Italien (Anlandungen im Süden Italiens nach vorzitierter Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013, Ziff. 9: 2011: 62.692; 2012: 13.267 Personen; Beruhigung der Lage in den nordafrikanischen Staaten) kann eine – die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung „implizierende“ – beachtliche, systemische Unterschreitung der von dem Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt insgesamt nicht ausgemacht werden,
93vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 – 17 K 1506/12.A –; VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –; VG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2013 - 6 K 2643/12.A; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2013 – OVG 7 S 33.13 –, juris Rn. 13 ff.; VG Regensburg, Gerichtsbescheide vom 26. Februar 2013 ‑ RN 9 K 11.30445 ‑ und vom 8. Januar 2013 – RN 7RN 7 K 12.30397 -; VG Augsburg, Urteil vom 11. Januar 2013 - Au 6 K 12.30358 -; VG Schwerin, Beschluss vom 27. September 2012 ‑ 8 B 434/12 As ‑, juris; VG Osnabrück, Urteil vom 23. Januar 2012 – 5 A 212/11 -, juris; siehe auch den Nichtannahmebeschluss, BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2012 – 2 BvR 285/12 –, juris; a.A. u.a. VG Cottbus, Beschluss vom 8. März 2013 ‑ VG 1 L 54/13.A ‑ n.v.; VG Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A, juris.
94b. Auch unter Berücksichtigung der Situation der Kläger selbst ist keine andere Bewertung geboten. Ungeachtet der unter a. gemachten Ausführungen kann es zwar im Einzelfall aus individuellen, in der Person des Asylsuchenden liegenden und damit von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ von vornherein nicht erfassten Gründen geboten sein, von Überstellungen in den anderen Mitgliedstaat abzusehen. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls kann geben, ob die Kläger zu den in Art. 17 Abs. 1 Richtlinie 2003/9/EG bzw. Art. 21 Richtlinie 2013/33/EU aufgeführten - nach Einzelfallprüfung gem. Art. 17 Abs. 2 Richtlinie 2003/9/EG / Art. 22 Richtlinie 2013/33/EU entsprechend anerkannten - besonders schutzbedürftigen Personengruppen zählen (z.B. Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Behinderte, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern).
95Beachtliche, in der Person der Kläger liegende Gründe von der Überstellung nach Italien abzusehen liegen indes nicht vor. Die von dem Kläger zu 1. behauptete Herzerkrankung stellt – selbst bei deren Wahrunterstellung – einen solchen beachtlichen Grund nicht dar.
96Hinsichtlich der behaupteten Erkrankung ist schon nicht vorgetragen, dass diese in Italien nicht behandelbar bzw. eine Medikamentation nicht möglich wäre. Entsprechendes ist nach der derzeitigen Erkenntnislage auch nicht ersichtlich. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung in Italien ist für Asylsuchende - trotz zuweilen auftretender praktischer Erschwernisse - grundsätzlich hinreichend gewährleistet. Ausweislich der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013 haben Asylbewerber während des Asylverfahrens Anspruch auf freie medizinische Versorgung, Ziff. 5.1; dies wird auch von dem vorzitierten Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe aus Dezember 2012, S. 45, 58 im Wesentlichen bestätigt. Das Auswärtige Amt geht weiter davon aus, Asylbewerber seien in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt, Ziff. 6. Die Anmeldung beim Servizio Sanitario Nazionale (Nationaler Gesundheitsdienst) sei obligatorisch und ermögliche die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und bei Spezialisten oder zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtige. Für die Registrierung und den Erhalt des Gesundheitsausweises benötigten die Asylbewerber eine Aufenthaltserlaubnis (die sie in einer Aufnahmeeinrichtung erhielten), eine Steuernummer (die sie bei der Einreise-Agentur erhielten) sowie eine feste Adresse (Ziff. 6.2 des Gutachtens des Auswärtigen Amtes sowie S. 45f. des Gutachtens von borderline-europe). Da nach dem jüngsten Gutachten des Auswärtigen Amtes derzeit grundsätzlich alle Asylbewerber - wie dargelegt - untergebracht werden können und insbesondere Dublin-II Rückkehren eine Unterkunft zugewiesen wird, ist nicht ersichtlich, dass die Kläger keine Wohnsitznahme werden vorweisen können. Ungeachtet dessen können sie sich selbst bei fehlendem festen Wohnsitz um eine Sammeladresse bemühen. Denn die Caritas bietet solche Adressen für Personen an, die keinen festen Wohnsitz haben, diesen jedoch u.a. für den Erhalt der Gesundheitskarte benötigen (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes, Ziff. 6.2). Eine solche „virtuelle Wohnsitznahme“ ist insbesondere in Rom recht umfangreich möglich (vgl. S. 46 Gutachten borderline-europe). Im Übrigen steht nach zitierter Auskunft des Auswärtigen Amtes (Ziff. 6.2) eine kostenfreie medizinische Versorgung selbst Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Die stets bestehende Notambulanz sei - ungeachtet einer Registrierung - für alle Personen in Italien kostenfrei zugänglich. Aktuell sei die Not- und Grundversorgung (vgl. Art. 15 Richtlinie 2003/9/EG) selbst für illegal aufhältige Personen garantiert. Daneben sei u.a. für kranke Personen eine spezielle Versorgung und Betreuung vorgesehen (Ziff. 8). Für sie gebe es speziell zusammengesetzte Teams bestehend aus Sozialarbeitern, Erziehern, Psychologen und Psychotherapeuten.
97Es ist nach alledem nicht ersichtlich, dass der Kläger zu 1. in Italien nicht hinreichend medizinisch versorgt werden könnte oder keinen Zugang zu einer solchen Versorgung hätte; auch kann ihm zugemutet werden, sich beim Nationalen Gesundheitsdienst registrieren zu lassen. Einschränkungen oder sonstige Gebrechlichkeiten des Klägers zu 1., die ihm dies verwehrt sein ließen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies hat sich auch nach der Befragung des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Außer der Tatsache, dass er Atemnot bekomme, wenn er sich anstrenge, benannte er keine weiteren Symptome seiner Krankheit, die ihn im Alltag oder bei besonderen Situationen einschränken. Sein Gesundheitszustand wurde von den Klägern zu keinem Zeitpunkt als Grund angeführt, der einer Rückkehr nach Italien entgegenstehe. Vielmehr wurde von beiden Klägern sowohl in der Befragung vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung betont, es sei von Anfang ihr Ziel gewesen, nach Deutschland zu kommen, da hier Familie bzw. Angehörige lebten. Sonstige Umstände, die eine besondere Schutzbedürftigkeit – auch der Kläger zu 2. oder 3. – begründen könnten, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen.
98Scheidet ein Anspruch der Kläger auf Ausübung des sog. Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO und schon damit eine Verletzung ihrer Rechte aus, kann dahin stehen, ob die Vorschrift über die Zuständigkeit für die Prüfung von Asylanträgen nach der Dublin II VO überhaupt subjektive Rechte begründet,
99vgl. dazu Nds.OVG, Beschluss vom 2. August 2012 – 4 MC 133/12 –, juris, m.w.N.; Vorlagebeschluss des Hessischen VGH vom 22. Dezember 2010 - 6 A 2717/09.A - an den Europäischen Gerichtshof, juris -, Rechtssache C-4/11 EuGH.
100II. Die Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor.
1011. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote hinsichtlich Italiens bestehen nicht. Soweit eine Erkrankung des Klägers zu 1. geltend gemacht wird, handelt es sich jedenfalls nicht um eine solche die – wie ausgeführt – nicht in Italien behandelt werden könnte bzw. die zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führte.
1022. Soweit im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (nur) vom Bundesamt inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe zu prüfen sein sollten,
103vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris Rn. 4,
104stünden solche der Aufenthaltsbeendigung hier ebenfalls nicht entgegen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die behauptete Erkrankung des Klägers zu 1. Diese begründet – als wahr unterstellt – nicht dessen Reiseunfähigkeit. Ein inlandsbezogenes Ausreisehindernis in Form von Reiseunfähigkeit liegt nur vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Ausreise bzw. Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern wird. Im Hinblick auf den Kläger zu 1. sind eine im vorgenannten Sinne beachtliche Erkrankung und das ernsthafte Risiko, dass sich sein Zustand bei einer Abschiebung wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern wird, nicht hinreichend glaubhaft gemacht. In dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Attest des Dr. Simon vom 4. Mai 2012 werden dem Kläger eine familiäre HCM (Hypertrophe Kardiomyopathie – eine Erkrankung der Herzmuskulatur) und eine massive Hyperthyreose (Überfunktion der Schilddrüse) attestiert, die derzeit behandelt würden. Das – über ein Jahr alte – Attest vom 4. Mai 2012 belegt schon zum einen nicht den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers zu 1. Zum anderen benennt das Attest lediglich eine Diagnose (HCM) und verweist im Übrigen auf einen – dem Gericht nicht vorliegenden – Befundbericht. Dem Attest sind keine konkreten Angaben über den Grad der Erkrankung, die Symptome, bzw. über die Reise(un)fähigkeit des Klägers zu 1. zu entnehmen. Gleiches gilt für die gestellte Diagnose einer massiven Hyperthyreose. Auch während der Befragung des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung wurde eine Reiseunfähigkeit vom Kläger zu 1. selbst nicht thematisiert. Die Kläger bzw. ihr Prozessbevollmächtigter haben keine konkreten Umstände benannt, aus denen sich die Reiseunfähigkeit ergibt. Eine behandelte Erkrankung – auch des Herz- Kreislaufsystems – führt nicht zwingend zur Reiseunfähigkeit. Die – ohne nähere Begründung – behauptete Infarktgefahr ist für das Gericht nicht nachvollziehbar.
105Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag des Prozessbevollmächtigten der Kläger, Beweis über die Tatsache zu erheben, dass bei dem Kläger zu 1. Reiseunfähigkeit vorliegt durch Einholung eines fachärztlichen kardiologischen Gutachters, unterlag bereits gemäß § 87b Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO der Präklusion. Demnach können nach Ablauf einer gesetzten Frist verspätet vorgebrachte Beweismittel zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde (a.), der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt (b.) und er über die Folgen einer Fristversäumnis belehrt worden ist (c.).
106a. Mit der Ladung vom 31. Juli 2013 hat das Gericht die Kläger aufgefordert, bis zum 23. August 2013 (Eingang bei Gericht) etwaige neue Tatsachen und Beweismittel anzugeben, sowie Urkunden vorzulegen, auf die sie sich zur Begründung der Klage stützen wollen, insbesondere Nachweise über die Herzerkrankung des Klägers zu 1., die zur Reiseunfähigkeit des Klägers führen soll. Innerhalb der Frist reichten die Kläger keine Nachweise zu den Akten, bzw. kündigten keinen Beweisantrag an. Die Zulassung des erst in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags würde nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits auch verzögern, weil der Prozess bei Zulassung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung. Da das Einholen eines Sachverständigengutachtens und die erneute Durchführung einer mündlichen Verhandlung voraussichtlich mehrere Monate in Anspruch nehmen dürften, ist von einer nicht unerheblichen Verzögerung auszugehen, die auch kausal durch den verspäteten Beweisantrag herbeigeführt worden wäre.
107b. Die Verspätung des Vorbringens wurde auch nicht genügend entschuldigt, § 87b Abs. 3 Nr. 2 VwGO. Ähnlich wie bei § 60 Abs. 1 VwGO ist darauf abzustellen, ob die Beteiligten diejenige Sorgfalt angewendet haben, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalls zuzumuten war. Die Kläger haben sich das Verhalten ihres Prozessbevollmächtigten nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen zu lassen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat es ohne nachvollziehbaren Grund versäumt, ein aktuelles Attest über die Erkrankung des Klägers zu 1. zu den Akten zu reichen, aus denen sich Anhaltspunkte für die Reiseunfähigkeit des Klägers zu 1. ergeben, bzw. einen Beweisantrag anzukündigen. Zwischen Beauftragung des Prozessbevollmächtigten durch die Kläger Mitte Juni 2013 und der Ladung, mit der die Kläger zur Angabe von Tatsachen und Beweismittel zwecks Nachweis insbesondere der Reiseunfähigkeit des Klägers zu 1. bis zum 23. August 2013 aufgefordert wurden, lag ein angemessener Zeitraum, der ‑ selbst unter Berücksichtigung des Sommerurlaubs des Prozessbevollmächtigten ‑ ausreichend Zeit ließ, tätig zu werden.
108c. Die Kläger wurden auch bei Setzung der Frist gemäß § 87b Abs. 2 VwGO in der Ladung vom 31. Juli 2013 über die Möglichkeit des Zurückweisens von Vorbringen oder Beweismitteln nach Ablauf der hierfür gesetzten Frist entsprechend § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwGO belehrt.
109d. Es ist dem Gericht schließlich nicht möglich, ohne besonderen Aufwand den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung der Beteiligten zu ermitteln, § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO. Das Gericht hat deshalb unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles sein ihm zustehendes Ermessens dahingehend ausgeübt, von der Präklusionsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Die Folgen der Präklusion sind dabei nicht all zu gewichtig, weil der Beweisantrag ohnehin aus den nachfolgend ausgeführten Gründen als unsubstantiiert abzulehnen war.
110Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten, aus denen die Reiseunfähigkeit des Klägers zu 1. folgen soll. Aus dem vorgelegten Attest vom 4. Mai 2012 – welches überdies keine Auskunft über den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers zu 1. gibt – geht lediglich die Diagnose von zwei Krankheiten hervor, die zum Zeitpunkt der Attestausstellung behandelt wurden. Auch aus der Befragung des Klägers zu 1. haben sich keine Anhaltspunkte für seine Reiseunfähigkeit ergeben. Es handelt sich um einen reinen Ausforschungsbeweis, der erst dazu dient, das Begehren schlüssig zu machen.
111Für sonstige Abschiebungshindernisse sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Entsprechendes wurde auch nicht vorgetragen.
112C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ergibt sich aus § 30 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. Januar 2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Be klagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterle gung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils voll streckbaren Be trages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Voll streckung Si cherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu voll streckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 15. November 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 4. Dezember 2012 die Anerkennung als Asylberechtigter.
3Er hatt
t
e
nach eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 23. April 2013 und ausweislich der Abfrage des Bundesam tes in der Eurodac-Datenbank bereits am 13. Mai 2012 in Belgien Asyl beantragt; der An trag ist
war
abgelehnt worden.
Das Bundesamt richtete am 26. November 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Belgien. Die belgischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e Dublin II-VO.
5Mit Bescheid vom 30. Januar 2014, dem Kläger zugestellt am 5. Februar 2014, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Belgien an.
6Am 18. Februar 2014 hat der Kläger Klage erhoben.
7Er ist der Ansicht, dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer vorliege, da seit der Antragstellung am 4. Dezember 2012 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 26. November 2013 knapp 12 Monate verstrichen seien.
8Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 30. Januar 2014 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerken nen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen.
9Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts,
beantragt er nunmehr,
den Bescheid des Bundesamtes vom 30. Januar 2014 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sie
sichdie Beklagte
auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes.
Die Beteiligten haben übereinstimmend am 22. Juli und 7. August 2014 auf mündliche Ver handlung verzichtet (Bl. 37 und Bl. 39 d. Gerichtsakte).
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge richtsakte sowie der beigezogenen VerwaltungsvorgängeBezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Kammer konnte gemäß § 101 Absatz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) über die Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf ver zichtet haben.
18Der Kläger konnte sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren zu einer Anfechtungsklage umstellen, ohne dass es auf die Voraussetzungen für eine Klageänderung nach § 91 VwGO ankommt. Es handelt sich um eine nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Beschränkung des Klageantrags.
19Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 91, Rn. 9.
20Die Klage ist zulässig (vgl. unter I.) und begründet (vgl. unter II.).
21I. Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante VwGO. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage bedarf es nicht.
22Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 30. Januar 2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abge lehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungs begehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegeh rens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formel len und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundes amt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvor schriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zustän dig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegeh rens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
23Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. März 2014 ‑
–
1
A
21/12.A
–, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2.
Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und Urteil vom 15. Januar 2010, – 11 K 8136/09.A –, S. 4; VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VG Hamburg, Urteil vom 15.
März 2012, – 10 A 227/11 –, juris, Rn. 16; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S. 5; VG Trier, Urteil vom 18. Mai 2011, –
5 K 198/11.TR–
, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, – A 4 K 4052/08 –, S. 4; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn.
21, § 34a Rn. 64 f.
Eine Verpflichtungsklage, die unmittelbar auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG oder aber – hilfsweise – die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschie bungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gerichtet ist, scheidet ebenso aus. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundes amt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet.
25Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ff. = juris, Rn. 10.
26Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutz begehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15.
28Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entschei dungen, die – wie hier – auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwen dung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als un zulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruch reif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verlo ren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Absatz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Absatz 3 VwGO vorgesehen ist. Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergeb nis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, son dern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Ge waltenteilung aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zumindest bedenklich wäre.
29VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, Urteil vom 26. April 2013 ‑
–
17
K
1777/12.A –, juris, Rn. 18 und Urteil vom 19. März 2013 – 6 K 2643/12.A –, juris, Rn. 16; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 17 f.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2014 – 10 A 1242/12 –, juris, Rn. 19; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20; VG Hannover, Urteil vom 7. November 2013 – 2 A 4696/12 –, juris, Rn. 20; VG Hamburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – 10 A 581/13 –, juris, Rn. 18; VG Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A –, juris, Rn. 16 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. September 2012 – A 11 K 2519/12 –, juris, Rn. 15; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, 10 A 227/11, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, A 4 K 4052/08, S 5; vgl. zum vergleichbaren Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn.
15 ff.
Überdies würden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung und damit zum „Durchentscheiden“ bestünde. Ge langt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergeb nis, das Begehren sei gemäß §§ 29a, 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtli chen Kontrolle und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Klägers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach gerichtlicher Prüfung als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Absatz 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgespro chen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was im Widerspruch zu dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes stünde.
31VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 16.
32Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Beschei des ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.
33II. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 30. Januar 2014 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Absatz 1 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
34Anders als von der Beklagten angenommen ist nicht Belgien, sondern (inzwischen) die Beklagte zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Eu ropäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
35Eine Zuständigkeit Belgiens besteht indes nicht (mehr). Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Arti kel 49 Unterabsatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylan träge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Ge suchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO).
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 –, juris, Rn. 27, sowie bereits VG Düsseldorf, Be schluss vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris Rn. 13 = NRWE.
37Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das Übernahmeersuchen wurde am 26. November 2013 an Belgien gestellt. Der Überstellung an Belgien und damit seiner Zuständigkeit für die Durchführung des Asyl verfahrens steht entgegen, dass seit der Stellung des Asylantrags am 4. Dezember 2012 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens an Belgien am 26. November 2013 knapp zwölf Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit zwar allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat – vorliegend ausweislich des Eurodac-Treffers der Kategorie 1 und der eige nen Angaben des Antragstellers in der Anhörung beim Bundesamt am 23. April 2013 in Belgien – ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asyl bewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt.
38Vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 3. April 2014 – 13 L 390/14.A –, juris, Rn. 13 und vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
39Es liegt aber ein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zu ständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Euro päischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständi gen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen.
40Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 108.
41Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein.
42Vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 3. April 2014 – 13 L 390/14.A –, juris, Rn. 17 und vom 24.
Februar 2014 – 13 L 2685/13.A – juris und www.nrwe.de; VG Göttingen, Beschluss vom 11.
Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris Rn. 10; A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 ‑
–
33
L 450.13 A –, juris Rn. 8.
Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäischen Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin III-VO für Wie deraufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichts hof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unange messen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeit raums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asyl antrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Mo naten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann.
44Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 2014 – 13 L 390/14.A –, juris, Rn. 19 sowie i. E. Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n. v.
45Hier sind zwischen der Stellung des Asylantrags und der Stellung des Übernahmeersuchens durch die Beklagte knapp zwölf Monate vergangen. Es sind auch keine Um stände erkennbar, die diese ungewöhnlich lange, nach der zitierten Rechtsprechung des Europäi schen Gerichtshofs die Grundrechte des Klägers verletzende Verfahrens dauer im Einzel fall rechtfertigen könnte. Die Beklagte ist daher verpflichtet, nach den Modalitäten des Arti kel 3 Absatz 2 Dublin II-VO den Asylantrag des Klägers selbst zu prüfen.
46Dem Kläger ist es auch nicht verwehrt sich hierauf zu berufen. Dahingestellt bleiben kann, ob und wann sich ein Asylbewerber auf die Nichtbeachtung der in der Dublin II-VO bzw. Dublin III-VO geregelten Fristen (vgl. Artikel 17 Absatz 1 und Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 Dublin II-VO) berufen kann.
47Vgl. zu dieser Problematik den Nachtrag des Vorsitzenden Richters am BVerwG, Prof. Dr. Uwe Berlit, zum Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.
/
14 –, juris.
Jedenfalls besteht bei einer unangemessen langen Verfahrensdauer nach der vorzitierten Rechtsprechung des EuGH einunmittelbar aus den Grundrechten abzuleitendes subjekti ves Recht des Asylbewerbersauf Durchführung des Asylverfahrens in dem Mitgliedstaat, welcher die Verzögerung zu verantworten hat . Auch unter Berücksichtigung von Artikel 18 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) und den der Dublin II-VO vorangestellten Erwägungen 4 und 15 kann nicht jegliche Außerachtlassung der Oblie genheit, ein Übernahmeersuchen in angemessener Zeit nach Asylantragstellung an den für zuständig erachteten Mitgliedstaat zu richten, konsequenzlos bleiben.
49VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. April 2014 – 17 L 429/14.A –, juris, Rn. 30 m.w.N.
50Das BVerwG führt in der zitierten Entscheidung,
51Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7
52a us, dass der Asylbewerber nach der Zustimmung zur Aufnahme durch den aufnehmen den Mitgliedstaat der auf Art ikel 10 Dublin II-VO gegründeten Zuständigkeit (Zuständigkeit wegen illegalen Grenzübertritts) n ur entgegenhalten kann, dass in dem übernehmenden Staat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen bestehen. Hierbei geht es aber nur um Abwehrrechte gegen die Überstellung in den konkreten Staat. Die Frage einer grundrechtsrelevanten unangemessenen Verfahrensdauer war dort nicht Gegenstand des Verfahrens und ist konsequenterweise vom BVerwG von vornherein nicht beantwortet worden.
53Ein anderes Verständnisstünde auch der Rechtsprechung des EuGH entgegen, von der sich das BVerwG nicht abgegrenzt hat . Danach hat
54„der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, […] jedoch darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt wer den, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zustän digen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 343/2003 selbst prüfen“
55EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 98 und 108.
56Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der neueren Rechtsprechung des EuGH,
57vgl. Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris,
58auf die sich das BVerwG in seiner Entscheidung vom 19. März 2014 indes ausdrücklich stützt.
59Vgl. BVerwG, Beschluss 19. März 2014 – 10 B 6/14 –, juris, Rn. 7.
60Mit der Problematik einer unangemessenen Verfahrensdauer setzt sich der EuGH in die ser Entscheidung nicht auseinander. Zwar heißt es in den Entscheidungsgründen, dass Artikel 19 Absatz 2 Dublin II-VO dahin auszulegen sei, dass in einem Fall, in dem ein Mit gliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, d. h. als der Mitgliedstaat der ersten Einreise des Asylbewerbers in das Unionsgebiet, der Asylbewerber der Heranzie hung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten könne, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der EU-GR-Charta ausgesetzt zu werden.
61EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 62.
62Indes ist diese Antwort in den Kontext des von dem vorlegenden Gericht zu entscheiden den Ausgangsverfahrens und der damit einhergehenden Vorlagenfrage zu setzen. Das von dem vorlegenden Gericht, dem österreichischen Asylgerichtshof, zu entscheidende Ausgangsverfahren betraf – vereinfacht dargestellt – die Situation, dass die Asylbewerbe rin, nachdem Ungarn einer Überstellung zugestimmt und das österreichische Bundesasyl amt daher ihren Asylantrag als unzulässig abgelehnt hatte, erstmals vorgetragen hat, dass nicht Ungarn sondern Griechenland der zuständige Mitgliedstaat sei. Dementsprechend hatte der vorlegende Asylgerichtshof im Ergebnis allein die Frage zu entscheiden, ob sich die Antragstellerin, nachdem Ungarn der Aufnahme der Asylbewerberin zugestimmt hat, noch darauf berufen konnte, dass die Voraussetzungen des Artikel 10 Absatz 1 Dublin II-VO im Hinblick auf den aufnahmebereiten Staat gar nicht erfüllt seien. Die vorliegend zu entscheidende Frage, ob eine unangemessen lange Verfahrensdauer ein subjektives Recht des Asylbewerbers begründet, lag dem Vorlageverfahren danach nicht zu Grunde. Insoweit ist auch nicht erkennbar, dass der EuGH diese Konstellation mitentscheiden und insofern von seiner vorherigen Rechtsprechung abweichen wollte. Dies schon deshalb nicht, weil es bei der Frage nach einer unangemessenen Verfahrensdauer nicht darum geht, welcher (andere) Mitgliedstaat nach der Dublin- Verordnung für die Prüfung eines Asylbegehrens zuständig ist. Es geht vielmehr um die Problematik, dass ein Mitgliedstaat bei einer unangemessen langen Verfahrensdauer zum Schutz der Grundrechte des Asyl bewerbers von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen muss. Der Asylbewerber macht mit anderen Worten nicht geltend, dass ein anderer Mitgliedstaat zuständig (gewor den) ist, sondern dass sich ein Mitgliedstaat infolge einer unangemessenen Verfahrens dauer nicht mehr auf die Zuständigkeitsregeln berufen kann und selbst über das Asylbegeh ren zu befinden hat.
63Vgl. auch VG Cottbus, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 1 L 174/14.A –, juris, Rn. 21; VG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 7. Juli 2014 – 3 A 416/14 –, juris, Rn. 39 ff.; VG Göttingen, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 B 86/14 –, juris, Rn. 22; VG Münster, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 9 L 465/14.A –, juris, Rn. 12 ff. m.w.N.
64Liegen die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG demnach nicht vor, ist die auf § 34a Ab satz 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung ebenfalls rechtswidrig.
65Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegen stands wert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
66Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Der Antrag des Antragstellers, in Abänderung des Beschlusses der Kammer 27. Februar 2014 – 5 L 233/14.TR die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage 5 K 232/14.TR anzuordnen, wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
- 1
Der im Tenor des Beschlusses bezeichnete Antrag des Antragstellers ist nicht begründet.
- 2
Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - können Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO zwar grundsätzlich jederzeit aufgehoben und geändert werden. Hierbei handelt es sich indessen um ein selbständiges Verfahren, das nicht dazu dient, die Richtigkeit eines nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses zu überprüfen. Vielmehr soll das Gericht lediglich in die Lage versetzt werden, den jeweiligen - veränderten - Erfordernissen der augenblicklichen Situation Rechnung zu tragen. Von daher kann ein Beteiligter gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO eine Abänderung eines auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen gerichtlichen Beschlusses nur dann mit Aussicht auf Erfolg beantragen, wenn veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorgetragen werden, die geeignet sind, eine Änderung der Entscheidung herbeizuführen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 1999 - 11 VR 13/98 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 8 ME 184/11 -, beide veröffentlicht bei juris). Vorliegend fehlt es indessen an einer dahingehenden Veränderung.
- 3
Insoweit macht sich die Kammer die nachfolgend wiedergegebenen Gründe des Beschlusses des VG Würzburg vom 11. Juni 2014 - W 6 S 14.50065 -, juris, zu eigen, die auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar sind:
- 4
„17
- 5
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO war nach diesen Vorgaben aus zwei sich selbständig tragenden Gründen abzulehnen. Die Regelungen zur Überstellungsfrist in der Dublin-II-VO berühren zum einen weder subjektive Rechte der zu überstellenden Antragsteller, noch vermögen sie solche zu begründen. Zum anderen begann die sechsmonatige Überstellungsfrist nicht schon mit der Wiederaufnahmeerklärung der norwegischen Behörden vom 28. November 2013, sondern mit den zurückweisenden Beschlusses vom 17. Dezember 2013, der der Antragsgegnerin laut Empfangsbekenntnis am 23. Dezember 2013 zugestellt wurde, zu laufen. Die Überstellungsfrist ist damit zum maßgeblichen Zeitpunkt der heutigen Entscheidung noch nicht abgelaufen.
18
- 6
Eine mögliche Überschreitung der Überstellungsfrist wäre unerheblich, da allein ein Verstoß gegen die Fristenregelungen der Dublin-II-VO für sich keine subjektiven Rechte der Asylbewerber verletzt, sofern damit keine Grundrechtsverletzung einhergeht. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 10.12.2013 – C-394/12 – NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich die Antragsteller nicht auf die Versäumung von Fristen berufen können. Denn die Dublin-II-VO gewährt den Antragstellern keinen subjektiv einklagbaren Rechtsanspruch darauf, dass ihr Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedsstaat geprüft wird, den sie für zuständig halten. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem nur insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung der Asylgewährung verpflichtet sein muss. Die Fristbestimmungen der Dublin-II-VO dienen indes einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedsstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedsstaat zu gewähren. Der Europäische Gerichtshof hat für den Fall, dass der zuständige Mitgliedsstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber einer Überstellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (vgl. allgemein BVerwG, B.v. 15.4.2014 – 10 B 16/14 – juris; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris; OVG RhPf, U.v. 21.2.2014 – 10 A 10656/13 – juris sowie VG Ansbach, U.v. 19.5.2014 – AN 1 K 14.30087 – juris; VG Augsburg, B.v. 21.2.2014 – AU 7 S 14.30093 – juris; VG Osnabrück, B.v. 19.2.2014 – 5 B 12/14 – juris).
- 7
Die vorstehenden Erwägungen gelten auch für die hier relevante Überstellungsfrist im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens. Die Überstellungsfrist dient nicht dem Schutz der Antragsteller, sondern wie die sonstigen Fristbestimmungen allein den objektiven Zwecken einer sachgerechten Verteilung der mit Durchführung der Asylverfahren verbundenen Lasten in Abstimmung mit dem um Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedsstaat. Die Dublin-II-VO enthält auch insoweit vor allem Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten untereinander. Etwas anderes mag – anders als hier – gelten, wenn die Überstellungsfrist abgelaufen und der ersuchte Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit wäre oder wenn es sonst zur unverhältnismäßigen weiteren Verzögerungen käme. Ansonsten würden selbst bei einer Überschreitung der Überstellungsfrist keine subjektiven Rechte der Antragsteller verletzt (a. A. VG Magdeburg, U.v. 28.2.2014 – 1 A 413/13 – juris). Das Gericht folgt damit der Rechtsauffassung, die konkret in Bezug auf die Überschreitung der Überstellungsfristen eine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller verneint (so VG Hamburg, B.v. 8.4.2014 – 17 AE 1762/14 – juris; VG Berlin, B.v. 19.3.2014 – 33 L 90.14 A; offen gelassen von VG München, G.v. 28.4.2014 – M 21 K 13.31396 – juris; VG Düsseldorf, B.v 7.4.2014 – 2 L 55/14.A – juris; VG Regensburg, B.v. 13.12.2013 – RO 9 S 13.30618 – juris).
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- 8
Unabhängig von den vorstehenden Gründen ist festzustellen, dass die Überstellungsfrist nicht abgelaufen ist. Zwar sind seit der Wiederaufnahmeerklärung der norwegischen Behörden mit Schreiben vom 28. November 2013 mehr als sechs Monate vergangen, jedoch ist für den Beginn der sechsmonatigen Überstellungsfrist auf die Entscheidung im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 17. Dezember 2013 (W 6 S 13.30520 – juris) abzustellen, die der Antragsgegnerin am 23. Dezember 2013 zugestellt wurde und ihr eine Abschiebung ermöglichte.
21
- 9
Das Gericht teilt nicht die gegenteilige Auffassung, die mit Hinweis auf Wortlaut sowie Sinn und Zweck und Systematik der Dublin-Verordnungen von einer Reihe von Gerichten vertreten wird (siehe etwa VG Hannover, B.v. 13.5.2014 – 6 B 9277/14 – juris; B.v. 31.3.2014 – 1 B 6483/14 – juris; VG Karlsruhe, B.v. 15.4.2014 – A 1 K 25/14 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 24.3.2014 – 13 L 644/14.A; VG Magdeburg, U.v. 28.2.2014 – 1 A 413/13 – juris; VG Oldenburg, B.v. 21.1.2013 – 3 B 7136/13 – Asylmagazin 2014, 79 – juris).
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- 10
Denn nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin-II-VO erfolgt die Überstellung, sobald es materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedsstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Entsprechend diesem Wortlaut ist mit der „Entscheidung über den Rechtsbehelf“ nicht nur die Entscheidung über die Klage in der Hauptsache zu verstehen, sondern auch die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO im Sofortverfahren. Der Rechtsbehelf (Sofortantrag) hat nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 AsylVfG kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Das Gericht trifft mit dem daraufhin ergehenden Beschluss im Sofortverfahren in der Sache (auch) eine individuelle Entscheidung über den Fortbestand der aufschiebenden Wirkung. Denn bei rechtzeitiger Antragstellung erklärt § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung einstweilen bis zu einer gerichtlichen Entscheidung für nicht zulässig. Der Sofortantrag hat so selbst „aufschiebende Wirkung“ im Sinne von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin-II-VO hat, weil der Begriff der aufschiebenden Wirkung im Europarecht unabhängig von der differenzierenden nationalen Terminologie in einem weiten Sinn zu verstehen ist. Nach § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG ist die Antragsgegnerin ist gehindert, die Abschiebung des Betroffenen an den zuständigen Mitgliedsstaat zu organisieren und durchzuführen. Diese Wirkung erfüllt den unionsrechtlichen Begriff der aufschiebenden Wirkung. Vor diesem Hintergrund bedingt auch die Formulierung in Art. 27 Abs. 3 Buchst. c der Dublin-III-VO, die hier ohnehin nicht gilt, keine andere Auslegung (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 27a AsylVfG, 94. Ergänzungslieferung Juni 2012 Rn. 193 sowie 98. Ergänzungslieferung November 2013 Rn. 227 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, 83. Aktualisierung Dezember 2013, § 34a AsylVfG Rn. 47; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 313 ff.).
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Weiter sprechen die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelungen zur Überstellungsfrist für einen Fristlauf in Abhängigkeit von der Entscheidung in der Sofortsache. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29. Januar 2009 (C-19/08 – Slg. 2009, I-495) betrifft zwar nicht die vorliegende Fallkonstellation, jedoch hat der Europäische Gerichtshof übergreifend ausdrücklich festgehalten, dass die Europäische Kommission gerade deshalb die sechsmonatige Frist vorgeschlagen hat, um den für die Mitgliedsstaaten bei der Durchführung der Überstellung bestehenden praktischen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen. Die zunächst auf einen Monat festgesetzte Überstellungsfrist wurde in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin-II-VO ausdrücklich auf sechs Monate erhöht. Der Europäische Gerichtshof führt weiter aus, dass den betroffen Mitgliedsstaaten in jeder Konstellation die Frist von sechs Monaten in vollem Umfang zur Regelung der technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung zur Verfügung stehen soll. Dieses explizite Ziel des Dublin-Verordnungsgebers würde verfehlt, wenn man missachten würde, dass die Antragsgegnerin mit der Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG für einen gewissen Zeitraum innerhalb der sechs Monate rechtlich gehindert wäre, die notwendigen Maßnahmen für die Überstellung zu treffen und die Überstellung (Abschiebung) durchzuführen. Das dagegen vereinzelt ins Feld geführte Argument, dass die Antragsgegnerin intern die Überstellung vorbereiten könnte (vgl etwa VG Hannover, B.v. 31.3.2014 – 1 B 6483/14 – juris), ändert nichts an der Tatsache, dass sie von Rechts wegen gehindert ist, in dieser Phase des anhängigen Sofortantrags außenwirksame Maßnahmen zur Abschiebung zu treffen oder eine Abschiebung gar durchzuführen. Bei einer gegenteiligen Auslegung könnte ein Antragsteller gerade durch die Einlegung von Rechtsbehelfen die vom Verordnungsgeber der Dublin-II-VO vorgesehene Überstellungsfrist von sechs Monaten verkürzen. Jedenfalls soweit der Aufnahmestaat weiterhin zur Aufnahme bereits ist, kann dem Antragsteller die Stellung eines erfolglosen Sofortantrages nicht zugute kommen.
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- 12
Das Gericht folgt demnach der Rechtsauffassung, die wegen § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG und Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 letzter Halbsatz Dublin-II-VO mit dem Erlass (Zustellung) des Beschlusses im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine neuen sechsmonatigen Überstellungsfrist ausgelöst sieht (VG München, G.v. 28.4.2014 – M 21 K 13.31396 – juris; VG Hamburg, B.v. 8.4.2014 – 17 AE 1762/14 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 7.4.2014 – 2 L 55/14.A – juris; VG Ansbach, B.v. 31.3.2014 – AN 9 S 13.31028 – AuAS 2014, 103; VG Regensburg, B.v. 13.12.2013 – RO 9 S 13.30618 – juris; VG Göttingen, B.v. 28.11.2013 – 2 B 887/13 – Asylmagazin 2014, 79 – juris; ebenso Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 27a, 94. Ergänzungslieferung Juni 2012 Rn. 192 ff. und 98. Ergänzungslieferung November 2013 Rn. 226 ff.; Marx, Änderungen im Dublin-Verfahren nach der Dublin III-VO, ZAR 2014, 5; offen gelassen von VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris; VG Berlin, B.v. 19.3.2014 – 33 L 90.14 A – juris).
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- 13
Am Rande wird angemerkt, ohne dies weiter zu vertiefen, dass bei der gegenteiligen Rechtsauffassung, die einer Klage im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nunmehr aufschiebende Wirkung zuerkennt, damit nun formal die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 letzter Halbsatz Dublin-II-VO erfüllt und die Überstellungsfrist bei wörtlicher Auslegung bis zur Entscheidung in der Hauptsache verlängert würde. Dies wäre ein in sich widersprüchliches und nicht nachvollziehbares Ergebnis (und wird auch von der gegenteiligen Auffassung so nicht vertreten).“
- 14
Von daher ist die Kammer der Auffassung, dass im Fall des Antragstellers die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen ist, da mit der Bekanntgabe des Beschlusses vom 27. Februar 2014 eine neue Frist in Lauf gesetzt wurde, die bislang noch nicht abgelaufen ist.
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Des Weiteren vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass das nunmehr vorgelegte ärztliche Attest vom 2. Juli 2014 eine Abänderung des Beschlusses vom 27. Februar 2014 gebieten würde, denn der Antragsteller hat seine gesundheitlichen Probleme bereits im Verfahren 5 L 233/14.TR geltend gemacht, wobei das nunmehr vorgelegte Attest keine wesentliche Veränderung im Verhältnis zu dem in dem vorgenannten Verfahren vorgelegten Attest vom 6. Februar 2014 beinhaltet.
- 16
Von daher kann der Abänderungsantrag mit der auf § 154 Abs. 1 VwGO beruhenden Kostenentscheidung keinen Erfolg haben; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
- 17
Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Tenor
1. Der Antrag vom 2. April 2014 wird abgelehnt.
2. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
Gründe
I.
- 1
Die Antragsteller begehren die Abänderung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangener Beschlüsse wegen geltend gemachter veränderter Umstände.
- 2
Die Antragsteller, Mutter und Vater mit zweien ihrer drei Kinder, Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volkszugehörigkeit, beantragten am 3. Mai 2013 in der Republik Polen Asyl. Sie reisten weiter in die Bundesrepublik Deutschland und stellten dort am 15. Mai 2013 ebenfalls Asylanträge. Daraufhin ersuchte die Antragsgegnerin die Republik Polen am 18. Juni 2013 um Wiederaufnahme der Antragsteller. Hiermit erklärte sich die Republik Polen mit Schreiben vom 21. Juni 2013 einverstanden.
- 3
Mit Bescheid vom 27. Juni 2013 erklärte die Antragsgegnerin die Asylanträge der Antragsteller für unzulässig und ordnete deren Abschiebung nach Polen an. Für die Behandlung der Asylanträge sei Polen aufgrund des dort anhängigen Asylverfahrens zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Polen als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb der in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (im Folgenden: Dublin II-VO) festgesetzten Fristen durchzuführen.
- 4
Am 22. Juli 2013 erhoben die Antragsteller gegen den Bescheid vom 27. Juni 2013 Klage (Az. 17 A 2892/13). Zudem beantragten sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Az. 17 AE 2893/13). Das Verwaltungsgericht Hamburg lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 13. August 2013, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ab.
- 5
Die Antragsgegnerin teilte der Republik Polen mit Schreiben vom 21.Oktober 2013 mit, dass eine Überstellung der Antragsteller derzeit nicht möglich sei, weil diese untergetaucht seien. Die Überstellung erfolge spätestens bis zum 21. Dezember 2014.
- 6
Am 19. November 2013 beantragten die Antragsteller die Abänderung des Beschlusses vom 13. August 2013 sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (Az. 17 AE 4953/13). Das Verwaltungsgericht Hamburg lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 12. Dezember 2013 ab. Die dagegen erhobene Anhörungsrüge wies das Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 8. Januar 2014 zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlüsse vom 12. Dezember 2013 und 8. Januar 2014 verwiesen.
- 7
Am 18. Februar 2014 ersuchte die Antragsgegnerin die Republik Polen unter Verweis auf das Verfahren der Antragsteller um Aufnahme des am 11. August 2013 geborenen jüngsten Kindes der Antragsteller zu 1. und 2., dessen Geburtsurkunde am 28. Januar 2014 ausgestellt worden war. Die Republik Polen nahm das Aufnahmeersuchen mit Schreiben vom 21. Februar 2014 an. Mit Bescheid vom 24. Februar 2014 erklärte die Antragsgegnerin den Asylantrag des jüngsten Kindes der Antragsteller zu 1. und 2. für unzulässig und ordnete dessen Abschiebung nach Polen an. Polen sei für die Behandlung des Asylantrages nach Art. 20 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) zuständig.
- 8
Am 3. März 2013 wurde für das jüngste Kind der Antragsteller zu 1. und 2. Klage gegen den Bescheid vom 24. Februar 2014 Klage erhoben (Az. 17 A 1003/14) und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt (Az. 17 AE 1004/14). Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die für die Antragsteller abgelaufene Überstellungsfrist verwiesen.
- 9
Am 2. April 2014 haben die Antragsteller erneut um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie beantragen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage unter Abänderung der Beschlüsse vom 13. August 2013, 12. Dezember 2013 und 8. Januar 2014, hilfsweise, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass ihre Überstellung nach Polen einstweilen nicht statthaft ist. Zur Begründung tragen sie vor, die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens sei auf Deutschland übergegangen, da die sechsmonatige Überstellungsfrist abgelaufen sei. Die Frist sei auch aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht verlängert worden. Die Behauptung der Antragsgegnerin, sie seien „untergetaucht“ bzw. „flüchtig“ sei ohne Halt und widerlegt.
- 10
Mit Beschluss vom 8. April 2014 hat der Einzelrichter die Rechtssache wegen grundsätzlicher Bedeutung auf die Kammer übertragen.
- 11
Die Sachakten der Antragsgegnerin, die Ausländerakten der Freien und Hansestadt Hamburg sowie die Gerichtsakten zu den Verfahren 17 A 2892/13, 17 AE 2893/13, 17 AE 4953/13, 17 A 1003/14, 17 AE 1004/14, 17 E 800/14 und 17 K 698/14 haben bei der Entscheidung vorgelegen.
II.
- 12
1. Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entscheidet nach § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG die Kammer, weil der Einzelrichter die Rechtssache wegen grundsätzlicher Bedeutung mit Beschluss vom heutigen Tage auf die Kammer übertragen hat.
- 13
2. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 2. April 2014 hat weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.
- 14
a) Der auf Abänderung der Beschlüsse vom 13. August 2013, 12. Dezember 2013 und 8. Januar 2014 gerichtete Hauptantrag ist nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO unbegründet. Es liegen keine veränderten Umstände vor, welche die Änderung der ergangenen Beschlüsse rechtfertigen könnten.
- 15
Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die Zuständigkeit für die Durchführung ihres Asylverfahrens nicht wegen Ablaufs der Überstellungsfrist von der Republik Polen auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. d der Dublin II-VO erfolgt die Überstellung gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, so geht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 der Dublin II-VO die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Diese Frist kann nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 der Dublin II-VO höchstens auf 18 Monate verlängert werden, wenn der Asylbewerber flüchtig ist.
- 16
Im Verfahren der Antragsteller wurde nach Sachaktenlage die Überstellungsfrist wirksam bis zum 21. Dezember 2014 verlängert. Aus dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 der Dublin II-VO („kann […] verlängert werden“) ergibt sich, dass die Fristverlängerung nicht automatisch erfolgt. Erforderlich ist hierfür nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 (besser 3) der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 343/2003 (im Folgenden: Dublin II-DVO) vielmehr, dass der Mitgliedstaat, der die Überstellung aus einem der in Art. 20 Abs. 2 der Dublin II-VO genannten Gründe nicht innerhalb der in Art. 20 Abs. 1 lit. d. der Dublin II-VO vorgesehenen regulären Frist von sechs Monaten vornehmen kann, den zuständigen Mitgliedstaat darüber vor Ablauf dieser Frist unterrichtet. Eine derartige Unterrichtung hat die Antragsgegnerin der Republik Polen mit ihrem Schreiben vom 21.Oktober 2013 zukommen lassen, in dem sie ausgeführt hat, dass eine Überstellung der Antragsteller derzeit nicht möglich sei, weil diese untergetaucht seien, und die Überstellung spätestens bis zum 21. Dezember 2014 erfolge.
- 17
Es kann dahinstehen, ob die Antragsteller „flüchtig“ im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 der Dublin II-VO waren. Die einschränkenden Voraussetzungen für die Verlängerung der Überstellungsfrist berühren nämlich weder subjektive Rechte der zu überstellenden Asylbewerber noch vermögen sie solche zu begründen. Sie bezwecken nicht den Schutz der Betroffenen, sondern dienen allein objektiven Zwecken, einer (sach)gerechten Verteilung der mit der Durchführung der Asylverfahren verbundenen Lasten in Abstimmung mit dem um Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedstaat.
- 18
Die Dublin II-VO, in der die Kriterien und das Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats festgelegt sind, beinhaltet vor allem Verpflichtungen der Mitgliedstaaten untereinander. Dies gilt auch für die Fristen in Kapitel V (Art. 17 Abs. 1, 18 Abs. 1, Abs. 6 und Abs. 7, 19 Abs. 3 und Abs. 4, 20 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 der Dublin II-VO), das das Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten regelt.
- 19
Zwar sind als Reflex des Zuständigkeitsübergangs nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1, 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO ausnahmsweise auch subjektive Rechte der Asylbewerber betroffen, wenn die Überstellungsfristen nach Art. 19 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1, 20 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 Dublin II-VO ohne Überstellung der Asylbewerber abgelaufen sind und der ersuchte Mitgliedstaat nunmehr nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit ist. Denn könnten Asylbewerber in einer solchen Situation die Aufhebung eines von der Antragsgegnerin erlassenen Dublin-Bescheides gerichtlich nicht durchsetzen, bestände die Gefahr, dass die Asylanträge in keinem Mitgliedstaat materiell geprüft würden. Dies wäre weder mit dem nach Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GRCh) gewährleisteten Asylrecht noch mit dem Grundsatz in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Dublin II-VO, wonach die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag eines Drittstaatsangehörigen materiell prüfen, vereinbar und sollte mit den Regelungen zum Zuständigkeitsübergang – die im zuvor maßgeblichen Dubliner Übereinkommen nicht enthalten waren – ausdrücklich vermieden werden (s. Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat, KOM/2001/0447 endg., Nr. 4 zu Art. 20, juris: Vermeidung der Kategorie sog. „refugees in orbit“).
- 20
Anders stellt es sich jedoch bei den hier in Rede stehenden Voraussetzungen für die Fristverlängerung nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 der Dublin II-VO dar. Diese einschränkenden Voraussetzungen dienen, wie eingangs festgestellt, nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht dem Schutz der zu überstellenden Asylbewerber, sondern den genannten öffentlichen Belangen. Bestreitet der Mitgliedstaat, der die Wiederaufnahme zugesagt hat, das Vorliegen eines zur Fristverlängerung berechtigenden Grundes – wie hier die Republik Polen – nicht, bleiben die Rechte der Asylbewerber gewahrt. Denn es ist im Einklang mit Art. 18 GRCh und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Dublin II-VO gewährleistet, dass die materielle Prüfung ihrer Asylanträge erfolgen wird.
- 21
Im Übrigen sprächen selbst bei Ablauf der Überstellungsfrist, die Bereitschaft der Republik Polens zur Wiederaufnahme der Antragsteller vorausgesetzt, der auch das Öffentliche Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gegen die Annahme einer Verletzung der Antragsteller in einer subjektiven Rechtsposition. Als positivrechtliche Ausprägung dieses Grundsatzes ist der in § 162 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgedanke anzusehen. Nach § 162 Abs. 2 BGB gilt der Eintritt einer Bedingung als nicht erfolgt, wenn deren Eintritt von der Partei, zu deren Vorteil sie gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt wird. So dürfte es sich bei den Antragstellern im Hinblick auf die eine Einhaltung der regulären Überstellungsfrist verhindernden Umstände verhalten. Nach den Angaben in den Ausländerakten der Freien und Hansestadt Hamburg für die Antragsteller spricht vieles dafür, dass diese ihren Mitwirkungspflichten bei der Beantragung einer Geburtsurkunde für das am 11. August 2013 geborene Kind treuwidrig nicht nachgekommen sind. Ohne Geburtsurkunde konnte jedoch, wie den Antragstellern zu 1. und 2. offenbar bekannt war, eine Überstellung des neugeborenen Kindes und damit auch der übrigen Antragsteller nicht erfolgen. Die Antragsteller wurden seitens des Einwohnerzentralamts der Freien und Hansestadt Hamburg wiederholt – so sind Aufforderungen vom 17. Juli 2013, 19. August 2013, 23. September 2013, 1. Oktober 2013, 7. November 2013 und 19. November 2013 dokumentiert – aufgefordert, eine Geburtsurkunde zu beantragen. Diesen Aufforderungen sind sie indes nicht nachgekommen. Der Antragsteller zu 1. äußerte ausweislich eines Aktenvermerks vom 19. November 2013 gegenüber dem Dolmetscher Herrn G. sogar, dass er die Geburtsurkunde für das Kind nicht vorlegen werde, da die Familie sonst abgeschoben würde. Eine Geburtsurkunde wurde erst am 28. Januar 2014 auf Antrag des Einwohnerzentralamts der Freien und Hansestadt Hamburg ausgestellt, nachdem dieses die Pässe und Eheurkunde der Antragsteller zu 1. und 2. aus Polen angefordert und deren Übersetzung veranlasst hatte.
- 22
b) Der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO gerichtete Hilfsantrag - Verpflichtung der Antragsgegnerin, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Überstellung der Antragsteller nach Polen einstweiligen nicht statthaft ist - ist bereits unzulässig. Dies ergibt sich aus § 123 Abs. 5 VwGO. Danach gelten die Vorschriften des § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO nicht für die Fälle des § 80 VwGO. Hier aber liegt ein solcher Fall vor. Das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller ist nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu beurteilen.
III.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. Januar 2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Be klagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterle gung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils voll streckbaren Be trages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Voll streckung Si cherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu voll streckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 15. November 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 4. Dezember 2012 die Anerkennung als Asylberechtigter.
3Er hatt
t
e
nach eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 23. April 2013 und ausweislich der Abfrage des Bundesam tes in der Eurodac-Datenbank bereits am 13. Mai 2012 in Belgien Asyl beantragt; der An trag ist
war
abgelehnt worden.
Das Bundesamt richtete am 26. November 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Belgien. Die belgischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e Dublin II-VO.
5Mit Bescheid vom 30. Januar 2014, dem Kläger zugestellt am 5. Februar 2014, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Belgien an.
6Am 18. Februar 2014 hat der Kläger Klage erhoben.
7Er ist der Ansicht, dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer vorliege, da seit der Antragstellung am 4. Dezember 2012 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 26. November 2013 knapp 12 Monate verstrichen seien.
8Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 30. Januar 2014 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerken nen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen.
9Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts,
beantragt er nunmehr,
den Bescheid des Bundesamtes vom 30. Januar 2014 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sie
sichdie Beklagte
auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes.
Die Beteiligten haben übereinstimmend am 22. Juli und 7. August 2014 auf mündliche Ver handlung verzichtet (Bl. 37 und Bl. 39 d. Gerichtsakte).
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge richtsakte sowie der beigezogenen VerwaltungsvorgängeBezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Kammer konnte gemäß § 101 Absatz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) über die Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf ver zichtet haben.
18Der Kläger konnte sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren zu einer Anfechtungsklage umstellen, ohne dass es auf die Voraussetzungen für eine Klageänderung nach § 91 VwGO ankommt. Es handelt sich um eine nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Beschränkung des Klageantrags.
19Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 91, Rn. 9.
20Die Klage ist zulässig (vgl. unter I.) und begründet (vgl. unter II.).
21I. Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante VwGO. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage bedarf es nicht.
22Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 30. Januar 2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abge lehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungs begehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegeh rens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formel len und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundes amt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvor schriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zustän dig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegeh rens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
23Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. März 2014 ‑
–
1
A
21/12.A
–, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2.
Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und Urteil vom 15. Januar 2010, – 11 K 8136/09.A –, S. 4; VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VG Hamburg, Urteil vom 15.
März 2012, – 10 A 227/11 –, juris, Rn. 16; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S. 5; VG Trier, Urteil vom 18. Mai 2011, –
5 K 198/11.TR–
, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, – A 4 K 4052/08 –, S. 4; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn.
21, § 34a Rn. 64 f.
Eine Verpflichtungsklage, die unmittelbar auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG oder aber – hilfsweise – die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschie bungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gerichtet ist, scheidet ebenso aus. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundes amt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet.
25Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ff. = juris, Rn. 10.
26Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutz begehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15.
28Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entschei dungen, die – wie hier – auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwen dung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als un zulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruch reif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verlo ren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Absatz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Absatz 3 VwGO vorgesehen ist. Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergeb nis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, son dern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Ge waltenteilung aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zumindest bedenklich wäre.
29VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, Urteil vom 26. April 2013 ‑
–
17
K
1777/12.A –, juris, Rn. 18 und Urteil vom 19. März 2013 – 6 K 2643/12.A –, juris, Rn. 16; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 17 f.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2014 – 10 A 1242/12 –, juris, Rn. 19; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20; VG Hannover, Urteil vom 7. November 2013 – 2 A 4696/12 –, juris, Rn. 20; VG Hamburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – 10 A 581/13 –, juris, Rn. 18; VG Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A –, juris, Rn. 16 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. September 2012 – A 11 K 2519/12 –, juris, Rn. 15; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, 10 A 227/11, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, A 4 K 4052/08, S 5; vgl. zum vergleichbaren Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn.
15 ff.
Überdies würden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung und damit zum „Durchentscheiden“ bestünde. Ge langt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergeb nis, das Begehren sei gemäß §§ 29a, 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtli chen Kontrolle und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Klägers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach gerichtlicher Prüfung als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Absatz 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgespro chen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was im Widerspruch zu dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes stünde.
31VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 16.
32Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Beschei des ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.
33II. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 30. Januar 2014 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Absatz 1 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
34Anders als von der Beklagten angenommen ist nicht Belgien, sondern (inzwischen) die Beklagte zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Eu ropäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
35Eine Zuständigkeit Belgiens besteht indes nicht (mehr). Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Arti kel 49 Unterabsatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylan träge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Ge suchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO).
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 –, juris, Rn. 27, sowie bereits VG Düsseldorf, Be schluss vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris Rn. 13 = NRWE.
37Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das Übernahmeersuchen wurde am 26. November 2013 an Belgien gestellt. Der Überstellung an Belgien und damit seiner Zuständigkeit für die Durchführung des Asyl verfahrens steht entgegen, dass seit der Stellung des Asylantrags am 4. Dezember 2012 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens an Belgien am 26. November 2013 knapp zwölf Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit zwar allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat – vorliegend ausweislich des Eurodac-Treffers der Kategorie 1 und der eige nen Angaben des Antragstellers in der Anhörung beim Bundesamt am 23. April 2013 in Belgien – ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asyl bewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt.
38Vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 3. April 2014 – 13 L 390/14.A –, juris, Rn. 13 und vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
39Es liegt aber ein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zu ständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Euro päischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständi gen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen.
40Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 108.
41Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein.
42Vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 3. April 2014 – 13 L 390/14.A –, juris, Rn. 17 und vom 24.
Februar 2014 – 13 L 2685/13.A – juris und www.nrwe.de; VG Göttingen, Beschluss vom 11.
Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris Rn. 10; A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 ‑
–
33
L 450.13 A –, juris Rn. 8.
Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäischen Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin III-VO für Wie deraufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichts hof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unange messen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeit raums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asyl antrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Mo naten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann.
44Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 2014 – 13 L 390/14.A –, juris, Rn. 19 sowie i. E. Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n. v.
45Hier sind zwischen der Stellung des Asylantrags und der Stellung des Übernahmeersuchens durch die Beklagte knapp zwölf Monate vergangen. Es sind auch keine Um stände erkennbar, die diese ungewöhnlich lange, nach der zitierten Rechtsprechung des Europäi schen Gerichtshofs die Grundrechte des Klägers verletzende Verfahrens dauer im Einzel fall rechtfertigen könnte. Die Beklagte ist daher verpflichtet, nach den Modalitäten des Arti kel 3 Absatz 2 Dublin II-VO den Asylantrag des Klägers selbst zu prüfen.
46Dem Kläger ist es auch nicht verwehrt sich hierauf zu berufen. Dahingestellt bleiben kann, ob und wann sich ein Asylbewerber auf die Nichtbeachtung der in der Dublin II-VO bzw. Dublin III-VO geregelten Fristen (vgl. Artikel 17 Absatz 1 und Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 Dublin II-VO) berufen kann.
47Vgl. zu dieser Problematik den Nachtrag des Vorsitzenden Richters am BVerwG, Prof. Dr. Uwe Berlit, zum Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.
/
14 –, juris.
Jedenfalls besteht bei einer unangemessen langen Verfahrensdauer nach der vorzitierten Rechtsprechung des EuGH einunmittelbar aus den Grundrechten abzuleitendes subjekti ves Recht des Asylbewerbersauf Durchführung des Asylverfahrens in dem Mitgliedstaat, welcher die Verzögerung zu verantworten hat . Auch unter Berücksichtigung von Artikel 18 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) und den der Dublin II-VO vorangestellten Erwägungen 4 und 15 kann nicht jegliche Außerachtlassung der Oblie genheit, ein Übernahmeersuchen in angemessener Zeit nach Asylantragstellung an den für zuständig erachteten Mitgliedstaat zu richten, konsequenzlos bleiben.
49VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. April 2014 – 17 L 429/14.A –, juris, Rn. 30 m.w.N.
50Das BVerwG führt in der zitierten Entscheidung,
51Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7
52a us, dass der Asylbewerber nach der Zustimmung zur Aufnahme durch den aufnehmen den Mitgliedstaat der auf Art ikel 10 Dublin II-VO gegründeten Zuständigkeit (Zuständigkeit wegen illegalen Grenzübertritts) n ur entgegenhalten kann, dass in dem übernehmenden Staat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen bestehen. Hierbei geht es aber nur um Abwehrrechte gegen die Überstellung in den konkreten Staat. Die Frage einer grundrechtsrelevanten unangemessenen Verfahrensdauer war dort nicht Gegenstand des Verfahrens und ist konsequenterweise vom BVerwG von vornherein nicht beantwortet worden.
53Ein anderes Verständnisstünde auch der Rechtsprechung des EuGH entgegen, von der sich das BVerwG nicht abgegrenzt hat . Danach hat
54„der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, […] jedoch darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt wer den, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zustän digen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 343/2003 selbst prüfen“
55EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 98 und 108.
56Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der neueren Rechtsprechung des EuGH,
57vgl. Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris,
58auf die sich das BVerwG in seiner Entscheidung vom 19. März 2014 indes ausdrücklich stützt.
59Vgl. BVerwG, Beschluss 19. März 2014 – 10 B 6/14 –, juris, Rn. 7.
60Mit der Problematik einer unangemessenen Verfahrensdauer setzt sich der EuGH in die ser Entscheidung nicht auseinander. Zwar heißt es in den Entscheidungsgründen, dass Artikel 19 Absatz 2 Dublin II-VO dahin auszulegen sei, dass in einem Fall, in dem ein Mit gliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, d. h. als der Mitgliedstaat der ersten Einreise des Asylbewerbers in das Unionsgebiet, der Asylbewerber der Heranzie hung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten könne, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der EU-GR-Charta ausgesetzt zu werden.
61EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 62.
62Indes ist diese Antwort in den Kontext des von dem vorlegenden Gericht zu entscheiden den Ausgangsverfahrens und der damit einhergehenden Vorlagenfrage zu setzen. Das von dem vorlegenden Gericht, dem österreichischen Asylgerichtshof, zu entscheidende Ausgangsverfahren betraf – vereinfacht dargestellt – die Situation, dass die Asylbewerbe rin, nachdem Ungarn einer Überstellung zugestimmt und das österreichische Bundesasyl amt daher ihren Asylantrag als unzulässig abgelehnt hatte, erstmals vorgetragen hat, dass nicht Ungarn sondern Griechenland der zuständige Mitgliedstaat sei. Dementsprechend hatte der vorlegende Asylgerichtshof im Ergebnis allein die Frage zu entscheiden, ob sich die Antragstellerin, nachdem Ungarn der Aufnahme der Asylbewerberin zugestimmt hat, noch darauf berufen konnte, dass die Voraussetzungen des Artikel 10 Absatz 1 Dublin II-VO im Hinblick auf den aufnahmebereiten Staat gar nicht erfüllt seien. Die vorliegend zu entscheidende Frage, ob eine unangemessen lange Verfahrensdauer ein subjektives Recht des Asylbewerbers begründet, lag dem Vorlageverfahren danach nicht zu Grunde. Insoweit ist auch nicht erkennbar, dass der EuGH diese Konstellation mitentscheiden und insofern von seiner vorherigen Rechtsprechung abweichen wollte. Dies schon deshalb nicht, weil es bei der Frage nach einer unangemessenen Verfahrensdauer nicht darum geht, welcher (andere) Mitgliedstaat nach der Dublin- Verordnung für die Prüfung eines Asylbegehrens zuständig ist. Es geht vielmehr um die Problematik, dass ein Mitgliedstaat bei einer unangemessen langen Verfahrensdauer zum Schutz der Grundrechte des Asyl bewerbers von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen muss. Der Asylbewerber macht mit anderen Worten nicht geltend, dass ein anderer Mitgliedstaat zuständig (gewor den) ist, sondern dass sich ein Mitgliedstaat infolge einer unangemessenen Verfahrens dauer nicht mehr auf die Zuständigkeitsregeln berufen kann und selbst über das Asylbegeh ren zu befinden hat.
63Vgl. auch VG Cottbus, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 1 L 174/14.A –, juris, Rn. 21; VG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 7. Juli 2014 – 3 A 416/14 –, juris, Rn. 39 ff.; VG Göttingen, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 B 86/14 –, juris, Rn. 22; VG Münster, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 9 L 465/14.A –, juris, Rn. 12 ff. m.w.N.
64Liegen die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG demnach nicht vor, ist die auf § 34a Ab satz 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung ebenfalls rechtswidrig.
65Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegen stands wert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
66Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterle gung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils voll streckbaren Be trages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Si cherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben Anfang Oktober 2012 nach Melilla, wo er am 25. Oktober 2012 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Bereits am 14. Januar 2013 beantragte der Kläger unter dem Namen U. E. in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Den Antrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 13. März 2013 als unzulässig ab und ord nete die Abschiebung nach Spanien an. Die Überstellung erfolgte am 10. April 2013.
3Am 3. Juni 2013 reiste der Kläger erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und be antragte am 7. Juni 2013 – unter dem im Rubrum angegebenen Namen – Asyl. Ausweis lich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank vom 27. August 2013 ist der Kläger zuvor in Spanien erkennungsdienstlich behandelt worden.
4Das Bundesamt richtete am 29. August 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Spanien. Die spanischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. September 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.
5Mit Bescheid vom 4. Oktober 2013, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mittels Ein schreiben vom 17. Oktober 2013 zugestellt, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Spanien an. Der Kläger erhielt am 23. Oktober 2012 im Rahmen eines Besprechungstermins eine Kopie des Bescheides von seinem Prozessbevollmächtigten.
6Am 25. Oktober 2013 hat der Kläger Klage erhoben.
7Er ist der Ansicht, die Vermutung, dass in Spanien ein ordnungsgemäßes Asylverfahren durchgeführt werde, könne widerlegt werden. Dort sei ihm die Asylantragstellung verwei gert worden. Zudem sei die Überstellungsfrist abgelaufen. Hierauf könne sich der Kläger auch berufen. Die Verfahrensverschleppung stelle einen Grundrechtseingriff dar und Grundrechte seien unstreitig subjektiv-rechtlicher Natur.Ihm werde sein Recht auf Durch führung eines Asylverfahrens abgesprochen, hielte sich Spanien im Zeitpunkt der gerichtli chen Entscheidung nicht mehr für zuständig. Ob die spanischen Behörden sich noch an ihre Zustimmung gebunden fühlen, sei völlig offen.
8Ursprünglich hat der Kläger sinngemäß beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Be scheides des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 zu verpflichten subsidiären Schutz ge mäß § 4 AsylVfG zuzuerkennen und Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) festzustellen,
;
hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten,
,
das Asylverfahren durchzuführen.
Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts beantragt er nunmehr,
10den Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung des Bun desamtes. Überdies ist sie der Ansicht, dass die Überstellungsfrist mit der Bekanntgabe des ablehnenden Eilbeschlusses vom 7. Januar 2014 (13 L 2168/13.A) neu zu laufen be ginne bzw. die Überstellungsfrist auf Grund des gemäß § 80 Absatz 7 Verwaltungsge richtsordnung (VwGO) erlassenen Eilbeschlusses vom 24. März 2014 bis zur Erledigung des Hauptsacheverfahrens ausgesetzt sei.
14Der am 25. Oktober 2013 vom Kläger gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides anzuordnen, wurde mit Be schluss vom 7. Januar 2014 abgelehnt (13 L 2168/13.A) .
15Auf den weiteren , unter dem 18. März 2014 gestellten Antrag des Klägers gemäß § 80 Ab s atz . 7 VwGO hat das Gericht mit Beschluss vom 24. März 2014 unter Abänderung des Beschlusses vom 7. Januar 2014 die angestrebte aufschiebende Wirkung angeordnet. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen darauf gestützt, dass bereits mehr als sechs Mo nate vergangen seien, seit Spanien seine Bereitschaft z ur Übernahme des Klägers erklärt habe (13 L 644/14.A) .
16Die Beteiligten haben übereinstimmend am 18. Juni und 23. Juni 2014 auf mündliche Verhandlung verzichtet (Bl. 50 und Bl. 51 d. Gerichtsakte).
17Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Kammer konnte gemäß § 101 Absatz 2 VwGO über die Klage ohne mündliche Ver handlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf verzichtet haben.
20Der Kläger konnte sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren zu einer Anfechtungsklage umstellen, ohne dass es auf die Voraussetzungen für eine Klageänderung nach § 91 VwGO ankommt. Es handelt sich um eine nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Beschränkung des Klageantrags.
21Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 91, Rn. 9.
22Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig (vgl. unter I.), aber unbegründet (vgl. unter II.).
23I. Die Klage ist zulässig. Sie ist statthaft (vgl. unter 1.) und auch fristgerecht erhoben wor den (vgl. unter 2.).
241. Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante VwGO. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage – gerichtet auf das Rechts schutzziel, dass die Beklagte das Asylverfahren durchführt – bedarf es nicht.
25Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 4. Oktober 2013, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abge lehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungs begehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegeh rens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formel len und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundes amt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvor schriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zustän dig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegeh rens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
26Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2.
Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; VG Düsseldorf, Urteile
vom 27. Juni 2014 ‑
–
13
K
654/14.A –, juris, Rn. 22, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und Urteil vom 15.
Januar 2010, – 11 K 8136/09.A –, S. 4; VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, –10 A 227/11 –, juris, Rn. 16; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S.
5; VG Trier, Urteil vom 18. Mai 2011, – 5 K 198/11.TR –, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3.
März 2010, – A 4 K 4052/08 –, S. 4; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn.
21, § 34a Rn. 64 f.
Diese Verfahrenssituation ist vergleichbar mit derjenigen, die im Falle der Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens nach den §§ 33, 32 AsylVfG entsteht. In letzterer Konstellation ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Anfech tungsklage allein gegen den Einstellungsbescheid des Bundesamtes statthaft. Mit der Auf hebung des Einstellungsbescheids wird nämlich ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
28Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
29Eine Verpflichtungsklage, die unmittelbar auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG oder aber – hilfsweise – die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschie bungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltgesetzes AufenthG)
gerichtet ist, scheidet ebenso aus. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Auslän der“ den Klageweg beschreitet.
BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ff. = juris, Rn. 10.
31Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutz begehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15.
33Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entschei dungen, die – wie hier – auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als un zulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruch reif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verlo ren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Absatz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Ab satz 3 VwGO vorgesehen ist. Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Er gebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zumindest bedenklich wäre.
34VG Düsseldorf, Urteile
vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 30, vom
26. April 2013 ‑
–
17
K
1777/12.A –, juris, Rn. 18 und Urteil vom 19. März 2013 – 6 K 2643/12.A –, juris, Rn. 16; VG
München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 17 f.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2014 – 10 A 1242/12 –, juris, Rn. 19; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 ‑
–
RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20; VG Hannover, Urteil vom 7. November 2013 – 2 A 4696/12 –, juris, Rn. 20; VG Hamburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – 10 A 581/13 –, juris, Rn. 18; VG Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A –, juris, Rn. 16 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. September 2012 ‑
–
A 11 K 2519/12 –, juris, Rn. 15; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, – 10 A 227/11 –, juris, Rn.
16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, – A 4 K 4052/08 –, S. 5; vgl. zum vergleichbaren Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
Überdies würden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung und damit zum „Durchentscheiden“ bestünde. Ge langt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergeb nis, das Begehren sei gemäß §§ 29a, 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtli chen Kontrolle und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Klägers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach gerichtlicher Prüfung als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Absatz 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgespro chen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was im Widerspruch zu dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes stünde.
36VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 – 13 K 654/14.A –, juris, Rn. 32; VG München, Gerichtsbe scheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 16.
37Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Beschei des ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.
382. Der Kläger hat die Klage auch innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des an gegriffenen Bescheides des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 und damit fristgerecht im Sinne von § 74 Absatz 1 AsylVfG erhoben.
39Dabei ist die Bekanntgabe vorliegend allerdings noch nicht durch die mit Schreiben vom 17. Oktober 2013 erfolgte Übersendung des Bescheides an den Prozess bevollmächtigten des Klägers bewirkt worden. Denn der Prozessbevollmächtigte war insoweit kein Empfangsberechtigter des Klägers im Sinne von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszu stellungsgesetzes (VwZG). Wird ein Asylantrag – wie vorliegend – nur nach § 27a AsylVfG abgelehnt, ist nach § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG die Entschei dung zusammen mit der Abschiebungsandrohung nach § 34a AsylVfG dem Ausländer persönlich zuzustellen und kommt mithin eine Empfangsvertretung durch den Prozessbe vollmächtigten nicht in Be tracht. Dementsprechend soll, wenn der Ausländer durch einen Bevollmächtigten vertreten wird oder er einen Empfangsberechtigten benannt hat, diesem nach § 31 Absatz 1 Satz 6 AsylVfG auch lediglich ein Abdruck der Entscheidung zugeleitet werden. Dieser Mangel der förmlichen Zustellung wurde aber vorliegend gemäß § 8 VwZG geheilt. Nach dieser Vorschrift gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt, oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Empfangsberechtigter ist dabei derjenige, an den die Zustel lung nach dem Gesetz zu richten war,
40vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, BVerwGE 104, 301 und = juris, Rn. 27; Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. Oktober 1986 – VII R 58/83 –, juris, Rn. 24,
41vorliegend also nach § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG der Kläger selbst, der im Übri gen auch tatsächlich als Adressat in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 benannt ist.
42Der Empfangsberechtigte hat das Schriftstück im Sinne von § 8 VwZG erhalten, wenn es ihm vorgelegen hat und er die Möglichkeit hatte, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen; dass er es auch in Besitz genommen hat, ist nicht erforderlich,
43vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997, a.a.O., m.w.N.
44Darüber hinaus setzt die Heilung von Zustellungsmängeln voraus, dass die Behörde den Willen hatte, den Bescheid bekannt zu geben,
45BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, a.a.O. und juris, Rn. 29 und Beschluss vom 31. Mai 2006 – 6 B 65.05 –, NVwZ 2006, 943 = juris, Rn. 7, m.w.N.
46Nach diesen Maßgaben gilt der Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 als dem Kläger am 23. Oktober 2013 mit heilender Wirkung im Sinne von § 8 VwZG zuge stellt. Nach den Angaben des Prozessbevollmächtigten des Klägers fand an diesem Tag ein Be sprechungstermin wegen des mit Schreiben vom 17. Oktober 2013 an die Kanzlei über mittelten Bescheides statt, bei dem der Kläger vom Erlass des Bescheides Kenntnis er halten hat. Zwar reicht die bloße (mündliche) Übermittlung des In halts des Bescheides an den Empfangsberechtigten durch eine Ersatzperson nicht aus, um dem Empfangsberech tigten die nach § 8 VwZG erforderliche zuverlässige Kenntnis des zuzustellenden Schrift stücks zu verschaffen,
47vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, a.a.O. und juris, Rn. 27.
48Allerdings wurde dem Kläger nach Angaben seines Prozessbevollmächtigten am 23. Oktober 2013 anlässlich des Besprechungstermins zugleich auch eine Kopie des Bescheides ausgehändigt. Die Aushändigung der Bescheidkopie war zur Vermittlung der erforderlichen Kenntnis aber geeignet, da sie das Original nach Inhalt und Fassung wiedergibt.
49Die Beklagte hatte schließlich hinsichtlich des Bescheides auch den erforderlichen Bekanntgabewillen. Der Bescheid ist mit Wissen und Wollen der Beklagten und in der Ab sicht, Rechtsfolgen gegenüber dem Kläger auszulösen, aus dem internen behördlichen Bereich herausgegeben worden. Dass Anschreiben und Bescheid willentlich den internen Bereich des Bundesamtes verlassen haben, folgt unzweifelhaft aus der be wussten Wahl des Übermittlungswegs per Einschreiben und dem Vorliegen eines hierüber gesondert gefertigten Aktenvermerks nach § 4 Absatz 2 Satz 4 VwZG (Bl. 67 der Beiakte Heft 1) so wie der zeitgleichen gesonderten Übermittlung des Bescheides auch noch an die zustän dige Ausländerbehörde (Bl. 64 der Beiakte Heft 1). Der Wille, hinsichtlich des Klägers Rechtsfolgen herbeizuführen, ergibt sich ohne weiteres aus dem an den Prozessbevoll mächtigten gerichteten Begleitschreiben vom 17. Oktober 2013, das in der Betreffzeile ausdrücklich den Namen des Klägers und den Bezug zu seinem Asyl verfahren und zudem die Mitteilung enthält, dass dem Prozessbevollmächtigten – der aus der Sicht des Bun desamtes der Empfangsberechtigte des Klägers war – der Be scheid vom 4. Oktober 2013 „zugestellt“ werde. Zur Heilung nicht erforderlich ist, dass ge rade auch die nachträgliche Kenntniserlangung durch den Adressaten vom Willen der Be hörde umfasst ist,
50vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, a.a.O. und juris, Rn. 29.
51Die zweiwöchige Klagefrist begann mithin am Tag nach der Bekanntgabe, also am Donnerstag, den 24. Oktober 2013, § 57 Absatz 2 VwGO i.V.m. § 222 Absatz 1 ZPO, § 187 Absatz 1 BGB und endete gemäß § 57 Absatz 2 VwGO i.V.m. § 222 Absatz 1 ZPO, § 188 Absatz 2 BGB am Mittwoch, den 6. November 2013. Die Klage ist bereits am Freitag, den 25. Oktober 2013 und damit fristgerecht bei Gericht eingegangen.
52II. D Indes ist der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2013 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Absatz 1 VwGO.
53Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Ab schiebung des Klägers nach Spanien angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylan trag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäi schen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchfüh rung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
54Maßgebliche Rechtsvor schrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verord nung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Dritt staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Ver handlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung – wie hier – auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist. Zwar ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitglied staats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist ( Dublin III-VO) , bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist . Denn Gemäß Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO aber für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden, anwendbar . Anderes gilt allen falls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
55vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris, Rn. 13 und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 11.
561. Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Spanien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Kläger gestellten Asylantrags. Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien aus der EURODAC-Datei festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschrit ten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 10 Absatz 1 Satz 1 Dublin II-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt vom 23. August 2013 vor seiner Einreise in die Bundes republik in Spanien gewesen. Überdies folgt aus der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank vom 27. August 2013, dass er bereits am 25. Oktober 2012 im spani schen Melilla erkennungsdienstlich behandelt worden ist. Der Kläger hat die Grenze Spa niens auch illegal überschritten, da er nach seinen eigenen Angaben ohne Ausweispapiere und Aufenthaltsberechtigung eingereist ist und zudem die vom Bundesamt durchgeführte Visa-Abfrage für ihn keinen Treffer ergeben hat.
572. Die danach vorliegende Zuständigkeit Spaniens ist auch nicht nach Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 Dublin II-VO erloschen. Danach endet die Zuständigkeit zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Offen bleiben kann insoweit, ob der Kläger erst am Tag der erkennungsdienstlichen Behandlung, also am 25. Oktober 2012 erstmals in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist und von den Behörden aufgegriffen worden ist oder ob die Einreise – wie der Kläger erstmals im gerichtlichen Verfahren vorträgt – bereits Anfang Oktober 2012 erfolgt ist. Denn der illegale Grenzübertritt lag in jedem Fall zum Zeitpunkt der für die Anwendung der Kriterien des Kapitels III maßgeblichen Zuständigkeitsbestim mung, die spätestens mit der Entscheidung Spaniens über das Aufnahmegesuch mit Schreiben vom 17. September 2013 ihren Abschluss fand (Artikel 19 Absatz 1Dublin II-VO ), noch keine zwölf Monate zurück.
58Dass diese Frist – unterstellt der Kläger sei wie behauptet bereits Anfang Oktober 2012 nach Spanien eingereist – im Zeitpunkt der nach obigen Ausführungen erst am 23. Oktober 2013 erfolgten Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes abgelaufen war, würde ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung führen.
59Nach Artikel 3 Absatz 1 Satz 2 Dublin II-VO finden die Regelungen des Kapitels III, zu de nen Artikel 10 gehört, ausschließlich im Rahmen des Verfahrens zur Bestimmung des zu ständigen Mitgliedstaates Anwendung. Daher berechtigt Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 Dublin II-VO zwar einen Mitglied staat, ein an ihn gerichtetes Aufnahme- oder Wiederaufnahmeersuchen eines anderen Mitgliedstaates abzulehnen, sofern der illegale Grenzübertritt im Zeitpunkt des Ersuchens bereits mehr als zwölf Monate zurückliegt. Nach Abschluss des Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung ist der Anwendungsbe reich des Kapitels III dagegen nicht mehr eröffnet und führt Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 Dublin II-VO daher nicht zu einem nachträglichen Wegfall der be reits nach der Dublin II-Verordnung bestimmten Zuständigkeit. Dementsprechend regelt Kapitel V, dass die nach den Kriterien des Kapitels III bestehende Zuständigkeit eines er suchten Mitgliedstaates nachträglich nur unter den Voraussetzungen von Artikel 16 Absatz 3 und 4 Dublin II-VO erlöschen oder wegen eines Fristversäumnisses des ersuchenden Mitgliedstaates nach Artikel 17 Absatz 1 Satz 2, Artikel 19 Absatz 4 oder Artikel 20 Absatz 2 Dublin II-VO auf den ersuchenden Mitgliedstaat selbst übergehen kann. Überdies sieht Artikel 5 Absatz 2 Dublin II-VO vor, dass bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mit gliedstaats von der Situation ausgegangen wird, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
603. Die Zuständigkeit Spaniens ist auch nicht nach Maßgabe der Artikel 16 ff. Dublin II-VO wieder erloschen oder auf Deutschland übergegangen. Die Pflicht Spaniens, den Kläger aufzunehmen, folgt aus Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a) Dublin II-VO, wonach der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedsstaat gehalten ist, einen Asylbewerber, der einen Antrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt hat, nach Maß gabe der Artikel 17 bis 19 Dublin II-VO aufzunehmen.
61Nachdem die am 27. August 2013 erfolgte Recherche der Beklagten in der Eurodac-Da tenbank für den Kläger einen Treffer ergab und damit Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit Spaniens für die Prüfung des Asylantrags des Klägers bestanden, hat die Beklagte bereits am 29. August 2013 via DubliNet rechtzeitig inner halb der Frist nach Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin II-VO von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrags am 7. Juni 2013 das Aufnahmeersuchen an Spanien gerichtet. Spanien hat seinerseits am 17. September 2013 und mithin innerhalb von zwei Monaten nach seiner Befassung mit dem Gesuch im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Dublin II-VO entschieden.
62Der Kläger kann nicht geltend machen, dass die in Art . ikel 19 Abs atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO geregelte Sechs-Monatsfrist zu einem Übergang der Zuständigkeit von Spanien auf die Beklagte geführt hat.
63a) Diese Frist ist noch nicht abgelaufen. Sie beginnt im vorliegenden Fall erst zu laufen, nachdem das Gericht in der Hauptsache über die Klage entschieden hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Vorschrift des Artikel 19 Abs atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO. Da nach erfolgt die Überstellung , sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wideraufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Mit dem in der zweiten Alternative dieser Vorschrift in Bezug genommenen Rechtsbehelf ist das gegen die Abschiebung gerichtete Hauptsacheverfah ren gemeint, nicht schon das Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz, auch wenn bereits während dessen Anhängigkeit gemäß § 34a Abs atz . 2 Satz 2 AsylVfG eine Abschiebung zu unterbleiben hat.
64Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, DVBl. 2014, 790 = juris, Rn. 53; Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, juris, Rn. 5 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss im Verfahren gleichen Rubrums vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A –, juris, Rn. 12 ff.
65Dieser Rechtsbehelf hatte aufgrund der gerichtlichen Anordnung vom 24. März 2014 im Verfahren nach § 80 Absatz 7 VwGO (13 L 644/14.A) aufschiebende Wirkung. Deshalb kann die Frist zur Überstellung und damit auch eine mögliche Frist, deren Ablauf zu einer unzumutbar langen Verfahrensdauer führen kann, erst mit der Entscheidung über diesen Rechtsbehelf – mithin mit Rechtskraft dieses Urteils – zu laufen beginnen. Artikel 19 Ab s atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO benennt insoweit zwar nicht die Rechtskraft, sondern die „Entscheidung über den Rechtsbehelf“. Da diese Formulierung jedoch in unmittelbarem Zusammenhang zur der diesem Rechtsbehelf beizumessenden aufschiebenden Wirkung verwendet wird, kann dies nur im Sinne einer rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsbehelf verstanden werden.
66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 13 A 827/14.A –, juris, Rn. 5.
67Ohne Bedeutung ist insoweit, dass die Kammer im vorgenannten Beschluss vom 24. März 2014 – anders als hier – zu der Annahme gelangt ist, die maßgebliche Frist sei bereits ab gelaufen. Denn Artikel 19 Abs atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO ermöglicht jedenfalls auch eine Überstellung innerhalb der hier noch nicht laufenden Frist von sechs Monaten ab der Entscheidung über den Rechtsbehelf. Im Übrigen hält die Kammer an ihrer allein im sum marischen Verfahren nach § 80 Absatz 5 und 7 VwGO vertretenen Auffassung, wonach sich der Kläger auf den Ablauf dieser Frist beruf en kann, nicht länger fest (s. hierzu unten, b) ).
68Dasselbe Ergebnis ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Überstellungsfrist. Durch die in Artikel 19 Absatz 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO geregelte Überstellungsfrist soll es den Mitgliedstaaten ermöglicht werden , die Überstellung mitsamt ihren technischen Prob leme n zu bewerkstelligen. Die Frist für die Durchführung der Überstellung kann daher erst zu laufen beginnen, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Über stellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass diese Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt hat, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen. Denn es ist davon auszugehen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die Absicht hatte, dem Erfordernis der zügigen Bearbeitung der Asylanträge den gerichtlichen Schutz zu opfern, den die Mitgliedstaaten gewährleisten, deren Gerichte die Durchführung einer Überstellungsentscheidung aussetzen können und es somit dem Asylbewerber er möglichen, die ihn betreffenden Entscheidungen wirksam anzugreifen. Andernfalls be fände sich der Mitgliedstaat, der im Rahmen des Überstellungsverfahrens beschlossen hat, gegebenenfalls mit aufschiebender Wirkung versehene Rechtsbehelfe zu schaffen, und der daher hinnehmen müsste, dass die Frist, über die er für die Ausweisung des Asyl bewerbers verfügt, um die Zeit verkürzt wird, die die innerstaatlichen Gerichte benötigen, um über den Rechtsstreit in der Sache zu entscheiden, in einer misslichen Lage, da er, wenn es ihm nicht gelänge, die Überstellung des Asylbewerbers innerhalb des sehr kurzen Zeitraums zu organisieren, der zwischen der Entscheidung des Tatrichters und dem Ablauf der Frist für die Durchführung der Überstellung liegt, Gefahr liefe, letztlich als für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig bestimmt zu werden.
69Vgl. Europäische r Gerichtshof ( EuGH ) , Urteil vom 29. Januar 2009, – C-19/08 –, juris, S . 11, Rn. 44 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, Rn. 12 ff., und Be schluss vom 8. Mai 2014 – 13 A 827/14.A –, juris, Rn. 3.
70Vor diesem Hintergrund geht auch die im klägerischen Schriftsatz vom 11. September 2014 geäußerte Ansicht fehl, es bedürfe zunächst einer aktuellen Bestätigung der Über nahmebereitschaft Spaniens. Denn bei der Fristberechnung ab der Rechtskraft dieser Ent scheidung handelt es sich um eine von zwei gleichwertig nebeneinander bestehenden Al ternativen innerhalb der Vorschrift des Artikel 19 Abs atz . 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO. Da ein Fristablauf objektiv nicht gegeben ist, kann auch Spanien sich nicht hierauf berufen. Im Übrigen würde auch die Möglichkeit, dass sich der übernehmende Staat auf den Ablauf der Frist beruft, dem Kläger nicht den entsprechenden Einwand in Form eines subjektiven Rechts an die Hand geben. Sollte der an sich übernehmende Staat die Aufnahme verwei gern, deckt sich dies mit dem vom Kläger verfolgten Interesse, im Bundesgebiet zu ver bleiben und – sollte kein anderer, dritter Staat zuständig sein – eine Prüfung seines An trags durch die Beklagte zu erreichen. Wäre der übernehmende Staat hingegen noch im mer zur Aufnahme bereit, würden hierdurch – wie nachstehend ausgeführt – keine subjektiven Rechte des Klägers verletzt.
71Die Beklagte ist vorliegend bis zur Entscheidung über die Hauptsache auf Grund des stattgebenden Beschlusses vom 24. März 2014, worin die aufschiebende Wirkung der vor liegenden Klage angeordnet worden ist , an der Überstellung des Klägers nach Spanien rechtlich und daher nicht nur aufgrund der erforderlichen Modalitäten für eine Überstellung gehindert gewesen . Die Überstellungsfrist beginnt erst mit Rechtkraft dieses Urteils zu laufen.
72b) Selbst wenn es hier jedoch auf den Ablauf der Sechs-Monatsfrist in der ersten Altern
a
tive des Art
ikel
.
19 Abs
atz
.
3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO ankäme, also beginnend mit der Annahme des Antrags auf Aufnahme durch Spanien
,
am
17.
Septem
ber 2013, könnte sich der Kläger nicht auf den Ablauf dieser Frist berufen.
Zwar endete die Frist zur Überstellung des Klägers zunächst
,
mit Ablauf des 17. März 2014, da Spanien der Aufnahme bereits am 17. September 2013 zugestimmt hatte
.
Der Kläger kann sich auf einen möglichen Verstoß gegen die Überstellungsfristjedoch nicht berufen. Allein ein Verstoß gegen die Fristenre gelungen der Dublin II-VO verletzt für sich keine subjektiven Rechte der Asylbewerber, sofern damit keine Grundrechtsverletzung einhergeht. Insoweit gibt die Kammer auf der Grundlage der sog. Abdullahi-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs,
74Urteil vom 10. Dezember 2013, – C-394/12 –, juris; vgl.
,
nachfolgend
auch BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7,
ihre bisherige Rechtsprechungim Beschluss vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A – auf und geht davon aus, dass sich der Kläger nicht auf die Versäumung der Überstellun g s f rist berufen kann. Ob eine Vorschrift dem Schutz subjektiver Interessen dient, folgt maßgeblich aus dem In halt und Regelungszweck der anzuwendenden Norm. Nach seinem Wortlaut regelt Artikel 19 Absatz 3 Unterabsatz 1 Dublin II-VO allein einen Verfahrensablauf zwischen zwei Ho heitssubjekten ohne Bezug zu nehmen auf den Asylbewerber selbst. Die dort konstituierte mitgliedstaatliche Obliegenheit steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der DublinII-VO, der letztlich in der Verwirklichung des in Artikel 78 Absatz 1 Vertrag über die Arbeits weise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehenen gemeinsamen europäischen Asyl systems besteht, vgl. auch Artikel 78 Absatz 2 lit e) AEUV. Grundgedanke der DublinII-VO ist ausweislich den der Verordnung vorangestellten Erwägungen (3 und 16), eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu entwerfen. Eine solche Formel sollte nach den Erwägungen auf objekti ven und gerechten Kriterien basieren, die insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten.
76EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 18. April 2013, – C-4/11 –, juris, Rn. 57 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, juris, Rn. 37.
77Die Fristbestimmungen der Dublin II-VO dienen dementsprechend einer zeitnahen Fest stellung des zuständigen Mitgliedsstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber dem Kläger (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen be stimmten Mitgliedsstaat zu gewähren. Der EuGH hat für den Fall, dass der zuständige Mitgliedsstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber einer Über stellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnah mebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann.
78EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, – C-394/12 –, juris, Rn. 60 und 62; BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 – 10 B 16.
/
14 –, juris, Rn. 12; VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 ‑
–
W
6
S
14.50065 –, juris, Rn. 18 m.w.N.
Obschon der Abdullahi- Entscheidung keine generelle Aussage zur subjektiv-rechtlichen Dimension von (Überstellungs-)Fristen zu nehmen ist,
80vgl. hierzu auch schon VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 – 13 K 1117/14.A – Seite 9 und 10 des Urteilsabdrucks m.w.N.,zur Veröffentlichung bei juris und www.nrwe.de vorgesehen,
81gelten die vorstehenden Erwägungen auch für die hier relevante Überstellungsfrist im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens. Die Überstellungsfrist dient nicht dem Schutz des Klägers, sondern wie die sonstigen Fristbestimmungen allein den objektiven Zwecken einer sachgerechten Verteilung der mit Durchführung der Asylverfahren verbundenen Lasten in Abstimmung mit dem um (Wieder-)Aufnahme ersuchten Mitglieds
staat. Die Dublin II-VO enthält auch insoweit vor allem Verpflichtungen der Mitglieds
staaten untereinander. Etwas anderes mag – anders als hier – gelten, wenn die Überstellungsfrist abgelaufen und der ersuchte Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit wäre oder wenn es sonst zur unverhältnismäßigen weiteren Verzögerungen käme (s.u.). Denn die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem der Dublin II-Ver ordnung lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein muss.
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, juris; Rn.
25; Offen gelassen vom OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 ‑
–
14
A
1943/11.A
–, juris, Rn. 24; VG Trier, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 5 L 1271/14.TR –, juris, Rn.
6 f.; VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, juris, Rn. 19; VG Hamburg, Beschluss vom 8. April 2014 – 17 AE 1762/14 –, juris, Rn. 18; VG Berlin, Beschluss vom 19. März 2014 – 33 L 90.14 A –, juris; VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 – RN 9 K 11.30445 –, juris, Rn. 18; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 234.
Dieses Ergebnis wird zudem durch folgende Überlegung bestätigt: Dem Asylbewerber bleibt es in jedem Fall unbenommen, sich freiwillig bei der ihm genannten Stelle des ande ren Mitgliedstaates zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. In soweit regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe 1) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (DVO Dublin II-VO), dass die Überstel lung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
84Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
85Hat es der Asylbewerber aber selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgtund dass sie überhaupt erfolgt
,
kann er mithin
selbst zu einer von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet
schon der
allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach §
242 BGB abgeleiteten
– Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) sich
auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschlandzu
berufen. Insoweit ist es ihm auch nicht unzumutbar, sich zunächst in den anderen Mitgliedstaat zu begeben und dort den Ausgang des Hauptsacheverfahrens ab zuwarten.
OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2011 – 14 B 1011/11.A –, juris, Rn. 16.
874. Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der genannten Zuständigkeit Spaniens eine Verpflichtung der Beklagten begründen könnten, vom Selbsteintrittsrecht nach Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 Dublin II-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Kläger nach Spanien abzuschieben.
88a) Zwar besteht bei einer unangemessenen Verfahrensdauer ein aus den Grundrechten abzuleitendes subjektives Recht des Asylbewerbers auf Durchführung des Asylverfahrens in dem Mitgliedstaat, welcher die Verzögerung zu verantworten hat.
89EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 –, juris, Rn. 35 und Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑
–
C-411/10 et al. –, juris, Rn. 98 und 108; VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 ‑
–
13
K
1117/14.A
– m.w.N.
Das kann aber ohnehin nur dann gelten, wenn der Antragsteller durch zu langes Zuwarten des Bundesamtes um den zeitnah en Fortgang des Verfahrens auf Feststellung seiner Asylberechtigung bzw. seiner internationalen Schutzberechtigung gebracht wird. Hat der Kläger es jedoch selbst in der Hand, die Prüfung seines Antrags dadurch voranzutreiben, dass er sich freiwillig in den hierfür zuständigen Mitgliedstaat begibt, ist eine Grundrechts verletzung wegen zu langer Verfahrensdauer ausgeschlossen (s.o. , 3. b) ) .
91Selbst
wenn der Grund für die verzögerte Einreise bzw. Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat allein in die Sphäre der Beklagten fiele, wofür vorliegend nichts spricht, fehlt
e
es i
ndes schon
an einer solch unangemessen langen Verfahrensdauer. Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäi schen
Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 19 Absatz 3 Dublin II-VO vor sieht, dass die Überstellung spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Annahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, erfolgt. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleich gesetzt werden mit der vom EuGH angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 19 Absatz 3 Dublin II-VO von sechs Monaten zuzüglich der durch § 24 Absatz 4 AsylVfG für die inner staatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von zwölf Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann.
Vgl. zur Stellung eines Aufnahmeantrags VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2014 ‑ 13 L 2685/13.A –, juris, Rn. 22.
93Damit einhergehend sieht auch Artikel 19 Absatz 4 Satz 2, 1. Alternative Dublin II-VO vor, dass die Frist zur Überstellung höchstens auf ein Jahr verlängert werden kann, wenn diese aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte.
94Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen.
95b) Die Beklagte ist schließlich auch nicht gehindert, den Kläger nach Spanien zu überstel len, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwach stellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behand lung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich bringen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
96EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, S. 413,
97der Fall wäre, liegen nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sine können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
98EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
99Gemessen hieran ist nicht ersichtlich, dass der Kläger Gefahr liefe, nach der Rück über stellung nach Spanien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen. Es liegen dem erkennenden Gericht keinerlei Erkenntnismittel vor, die die Befürchtung recht fertigen könnten, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im oben genannten Sinne bestehen,
100vgl. Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 4 L 398/14.A –, juris, Rn. 23 f. m.w.N.; Verwaltungsgericht Potsdam, Beschluss vom 23. Juni 2014 – 6 L 551/14.A –, juris, Rn. 11; Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 27. Mai 2014 – Au 7 S 14.50094 –, juris, Rn. 50.
101Es ergeben sich auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Spanien das Asylgesuch des Klägers nicht in einem ordnungsgemäßen Asylverfahren prüfen wird. Denn Spanien hat unter Wahrung seiner aus der Dublin II-VO folgende Obliegenheiten bereits zweimal fristgerecht seine Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers an erkannt. Soweit der Kläger demgegenüber im gerichtlichen Verfahren vorgebracht hat, ihm sei in Spanien sowohl bei seiner Ersteinreise im Oktober 2012 als auch nach der Über stellung aus Deutschland im April 2013 jeweils die Stellung eines Asylantrags tatsächlich verweigert worden, ist dieses unsubtsantiierte Vorbringen nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht glaubhaft. Der Kläger hat hierzu schon selbst keine widerspruchsfreien Angaben gemacht. Im Rahmen der Anhörung beim Bun desamt am 23. Januar 2013 hat er ausdrücklich angegeben, noch in keinem europäischen Land einen Asylantrag gestellt zu haben (Bl. 39 Beiakte Heft 2). Anlässlich seiner erneuten Asylantragstellung in Deutschland am 7. Juni 2013 hat er zwar in der Anhörung am 23. August 2013 angegeben, er habe in Spanien gefragt, ob er Asyl beantragen könne, was aber abgelehnt worden sei. Allerdings schilderte er diese angebliche Verweigerung der Asylantragstellung als eine solche im Zusammenhang mit der Ersteinreise und damit im Widerspruch zu seinem Vorbringen vom 23. Januar 2013. Zudem legte er nicht offen, dass er unter einem Aliasnamen bereits zuvor in Deutschland einen Asylantrag gestellt hatte und nach Spanien zurückgeführt worden war. Da gerade die Verweigerung eines Asylverfahrens nach der Rücküberstellung nach Spanien nach den Angaben des Klägers im gerichtlichen Verfahren aber der wesentliche Anlass der erneuten Einreise nach Deutschland im Juni 2013 gewesen sein soll, wäre zu erwarten gewesen, dass er diesen für ihn so ent scheidenden Umstand dann auch in der Anhörung am 23. August 2013 schildert. Dies umso mehr, als der Rücküberstellung vom 10. April 2013 eine ausdrückliche Aufnahmeer klärung Spaniens vom 7. März 2013 zugrunde lag. Die Einschätzung, dass dem diesbe züglichen Vorbringen des Klägers kein Glauben geschenkt werden kann, stützt das Ge richt ergänzend darauf, dass der Kläger auch zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal in beiden Anhö rungen vollkommen unterschiedliche und nicht miteinander in Einklang zu bringende An gaben gemacht hat und zudem seinen ersten Asylantrag unter einem falschen Namen gestellt hat, sich mithin insgesamt nicht als glaubwürdig erweist.
102Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen keine Bedenken. Insbesondere besteht auch kein Abschiebungshin der nis. Gemäß § 34a Absatz 1 Satz 1 a. E. AsylVfG setzt die Anordnung der Abschiebung neben der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG voraus, dass sie auch durch geführt werden kann. Es sind weder zielstaatsbezogene, noch in der Person des Klägers bestehende, also inlandsbezogene, Abschiebungshindernisse ersicht lich.
103Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichts k osten ergibt sich aus § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30Ab satz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
104Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.