Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 07. Mai 2015 - 13 L 1607/15.A
Gericht
Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte B. & T. aus C. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 29. April 2015 bei Gericht gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 3335/15.A gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. April 2015 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
5I. Der hier gestellte Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Absatz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antrag ist auch innerhalb von einer Woche nach Zustellung des Bescheides und damit fristgerecht erhoben worden (§ 74 Absatz 1 AsylVfG).
7II. Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8Die im summarischen Eilverfahren gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
9Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil Bulgarien für dessen Prüfung zuständig ist. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
10Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß ihrem Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, also auch auf den Asylantrag des Antragstellers vom 10. Dezember 2014.
11Nach den Vorschriften der Dublin III-VO ist Bulgarien der zuständige Staat für die Prüfung dieses Asylantrags.
12Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien aus der EURODAC-Datei festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 13 Absatz 1 Satz 1 Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Nachdem dem Bundesamt Erkenntnisse vorlagen, dass der Antragsteller vor seiner Einreise in die Bundesrepublik in Bulgarien gewesen ist, hat es Bulgarien unter dem 30. Januar 2015 um Übernahme des Antragstellers gebeten. Die bulgarischen Behörden nahmen das Übernahmeersuchen des Bundesamtes am 30. März 2015 an. Bulgarien ist daher grundsätzlich verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Aufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, aufzunehmen (Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO). Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
13Lediglich vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass sich der Antragsteller auf einen etwaigen Verstoß gegen diese Fristenregelung auch nicht berufen könnte, da die Vorschrift ihm kein subjektives Recht einräumt.
14Vgl. hierzu ausführlich Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014– 13 K 8286/13.A –, juris.
15Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, sich freiwillig bei den zuständigen Behörden in Bulgarien zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Dies betreffend regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, die ausweislich der der Dublin III-VO vorangestellten Erwägungen (Nr. 24) entsprechend anwendbar ist, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
16Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
17Hat es der Asylbewerber folglich selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu der von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB abgeleitete – Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“), sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen.
18Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der Zuständigkeit Bulgariens eine Verpflichtung der Antragsgegnerin begründen könnten, von dem Selbsteintrittsrecht nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Antragsteller nach Bulgarien abzuschieben.
19Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die jeweiligen Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen – wie die der bisherigen Dublin II VO – zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin.
20Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteile vom 10. Dezember 2013 – C 394/12 –, juris, Rn. 60, 62 und 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7.
21Die Antragsgegnerin ist aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO zugunsten des Antragstellers – nach Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, diesen nach Bulgarien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs,
22EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
23der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben syste-misch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
24Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
25Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
26EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
27Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
28Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
29Im Eilverfahren bedeutet dies, dass das erkennende Gericht bei der nur möglichen summarischen Prüfung anhand der tatsächlichen Erkenntnislage im Zeitpunkt seiner Entscheidung festzustellen hat, ob der aufnehmende Mitgliedstaat trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens seine Verpflichtungen jedenfalls soweit einhält, dass eine Rückführung zumutbar erscheint.
30Verwaltungsgericht Berlin, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 – 23 L 899.14 A –, juris, Rn. 6 m.w.N. und 4. August 2014 – 34 L 78.14 A –, juris, Rn. 9.
31Bei der Bewertung der in Bulgarien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Antragstellers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können),
32vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rn. 130.
33Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten.
34Gemessen hieran und unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller Gefahr liefe, nach der Rücküberstellung nach Bulgarien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen.
35Das Gericht verkennt zwar nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände in Bulgarien. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. So listen Amnesty International in seinem Bericht vom März 2014 sowie European Council on Refugees and Exiles (ECRE) in seiner Stellungnahme vom 7. April 2014 – trotz Anerkennung gewisser Verbesserungen – weiterhin mangelhafte Bedingungen auf und plädieren dafür, von einer Überstellung von Flüchtlingen nach Bulgarien abzusehen. Auch Bordermonitoring führt in seinem Bericht vom 7. Juli 2014 über die Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Bulgarien Missstände auf und spricht sich gegen Überstellungen im Dublin-Verfahren nach Bulgarien aus, solange in Bulgarien keine menschliche Behandlung aller Asylsuchenden gewährleistet ist.
36VG Würzburg, Beschluss vom 18. August 2014 – W 6 S 14.50098 –, juris, Rn. 17.
37Indes ist für das Gericht entscheidend, dass UNHCR in seiner aktualisierten Bestandsaufnahme vom April 2014 („UNHCR Observations: Current Situation of Asylum in Bulgaria – April 2014“) nicht mehr darauf beharrt, von Dublin-Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien abzusehen. Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office – EASO) hat ebenfalls keine Empfehlung ausgesprochen, von der Rückstellung nach Bulgarien abzusehen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Drittstaat, der nach den Kriterien der Dublin-III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind,
38vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C 528/11 –, NVwZ-RR 2013, 660.
39Maßgebend für UNHCR war, dass die bulgarischen Behörden und ihre Partner in den letzten drei Monaten signifikante Anstrengungen mit Blick auf die Lebensbedingungen für Asylsuchende und das Asylsystem unternommen haben. Die Bedingungen in den Aufnahmezentren haben sich verbessert. Es gibt Zugang zur medizinischen Versorgung. Auch die Unterstützung durch EASO brachte erhebliche Verbesserungen. In dem Bericht des UNHCR ist ausgeführt, trotz weiter gegebener Schwächen und Defizite des Asylsystems in Bulgarien sei angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen, zahlreichen Verbesserungen eine allgemeine Aussetzung von Dublin-Überstellungen nach Bulgarien ‑ mit Ausnahme besonders schutzwürdiger Personen ‑ nicht mehr angezeigt. Die in den Aufnahmezentren festgestellten Bedingungen hätten sich seit Dezember 2013 spürbar verbessert; dies betreffe den Zugang zur medizinischen Primärversorgung, Unterstützung durch Dolmetscherdienste im Anmelde- und Asylverfahren, bei der Unterkunft und der finanziellen Unterstützung. Bulgarien sei von der EU finanziell, logistisch und personell unterstützt worden. Die bulgarische Regierung hab sich dem Problem nicht verschlossen, sondern konstruktiv mit UNHCR und EASO zusammengearbeitet.
40VG Würzburg, Beschluss vom 18. August 2014 – W 6 S 14.50098 –, juris Rn. 18; VG Bremen, Urteil vom 16. Juli 2014 – 1 K 152/14 –, juris Rn. 32; VG Ansbach, Urteil vom 10. Juli 2014 – AN 11 K 14.30366 –, juris, Rn. 27; VG München, Beschluss vom 7. Mai 2014 – M 11 S 14.50163 –, juris, Rn. 17 ff.
41Die Bulgarien vorgeworfenen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot durch Zurückschiebungen an der bulgarisch-türkischen Grenze,
42vgl. dazu etwa den Bericht von Pro Asyl von April 2015 (a.a.O.), S. 27 f,
43betreffen den Antragsteller nicht, weil er sich bereits auf Unionsgebiet befindet. Anhaltspunkte dafür, dass Bulgarien in Bezug auf Dublin-Rückkehrer gegen das Refoulement-Verbot verstößt, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Asylbewerber, die wie der Antragsteller aus anderen Mitgliedsstaaten der EU nach Bulgarien zurückkehren, haben grundsätzlich keine Hindernisse beim Zugang zum Asylverfahren aufgrund ihrer Rückkehr. Ist der Asylantrag bei der Rückkehr noch nicht entschieden, wird für die Person (grundsätzlich) in Bulgarien eine Entscheidung getroffen. Hat ein Asylbewerber Bulgarien verlassen und erscheint nicht oder wirkt an einem Verfahrensschritt nicht mit, so wird das Verfahren allerdings nach zehn Tagen des Nichterscheinens bzw. der fehlenden Mitwirkung ausgesetzt. Kehrt der Antragsteller sodann innerhalb von drei Monaten nach Registrierung seines Antrags nach Bulgarien zurück, wird das Verfahren wiedereröffnet und grundlegend geprüft. Erfolgt die Rückkehr in die Republik Bulgarien dagegen erst nach Ablauf dieser Frist, so gilt die Anwesenheit des Asylbewerbers als illegal und er wird in Abschiebungshaft genommen, es sei denn er kann „objektive Gründe“ für einen Wechsel seines Wohnortes, sein Nichterscheinen bei der zuständigen Behörde oder seine fehlende Mitwirkung darlegen. Grundsätzlich ist es möglich, dass der Betroffene nach Beendigung seines Verfahrens einen Folgeantrag stellt; es werden dann aber nur die mit dem Folgeantrag geltend gemachten neuen Gründe geprüft. Bei Dublin-Rückkehrern, wie dem Antragsteller, wird das Asylverfahren indessen grundsätzlich – unabhängig davon, ob die vorstehend genannten Fristen verstrichen sind – wiedereröffnet, und zwar an der Stelle, an welcher der Stillstand eingetreten ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Dublin-Rückkehrer einer Fortführung des Verfahrens in Bulgarien zustimmt. Eine Prüfung seines Antrags ist dann prinzipiell sichergestellt; der Betroffene genießt dieselben Rechte wie andere Asylbewerber auch. Das Verfahren wird nur dann nicht mehr eröffnet, wenn eine Anhörung bereits durchgeführt und das Verfahren daraufhin endgültig beendet worden ist. In diesem Fall hat auch der Dublin-Rückkehrer nur noch die Möglichkeit, einen Folgeantrag zu stellen.
44Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 4. Mai 2015 – 15 L 947/15.A –, S. 5 f.; Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 10. Februar 2015 – 10 K 1660/14.A –, juris, Rn. 88; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014, – A 11 S 1778/14 –, juris, Rn. 58.
45Schließlich lässt sich auch nicht feststellen, dass der Antragsteller in Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit inhaftiert werden wird. Dublin-Rückkehrer genießen grundsätzlich die gleichen Rechte wie andere Antragsteller im Erstverfahren, d.h. sie werden im Anschluss an die Rückkehr üblicherweise in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Nur solche im Dublin-Verfahren überstellte Personen, deren Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes durch eine bestands- bzw. rechtskräftige Entscheidung abgelehnt worden ist und die keinen Folgeantrag stellen, können in einer Haftanstalt festgehalten werden, aus der heraus dann die Abschiebung durchgeführt wird. Dies betraf im Zeitraum von 1. Januar bis zum 30. Oktober 2014 nur 7 von 143 Dublin-Rückkehrern.
46Vgl. UNHCR, Auskunft an das Verwaltungsgericht Minden vom 23. Dezember 2014, S. 4 der auszugsweisen Übersetzung aus dem Englischen.
47Abgesehen davon begründet die Möglichkeit, dass Asylbewerber nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs in Abschiebungshaft genommen werden, für sich genommen noch keinen systemischen Mangel des bulgarischen Asylsystems. Mit einer Anordnung von Abschiebungshaft wird nämlich das zulässige Ziel verfolgt, den Zugriff auf einen Ausländer sicherzustellen, dessen Abschiebung ohne Inhaftnahme ansonsten erschwert oder gar vereitelt würde. Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Buchst. f EMRK lässt ausdrücklich zu, dass die Freiheit einer Person beschränkt wird, wenn gegen sie ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist. Nach Artikel 3 Absatz 1 Satz 1 Dublin-III-VO haben die Mitgliedstaaten die Pflicht, jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, zu prüfen. Dabei haben sie die durch die erstmals in der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vom 13. Dezember 2005 (ABl. L 326) und neugefasst in der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180/60) bestimmten einheitlichen Standards zu beachten. Zu diesen Mindestgarantien zählt, dass die Verwaltung mit aller gebotenen Sorgfalt die entsprechenden Erklärungen der betroffenen Person zur Kenntnis nimmt, indem sie sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht und ihre Entscheidung eingehend begründet. Die Verfahrensgarantien umfassen jedoch nicht das Recht, im Falle eines bereits negativ abgeschlossenen Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat verbleiben zu dürfen und von Maßnahmen verschont zu werden, die der Durchsetzung der Ausreisepflicht dienen. Namentlich erfolgt die Inhaftnahme in einem solchen Fall nicht mehr allein deshalb, weil der Betroffene Asylbewerber ist (vgl. Artikel 18 Absatz 1 der RL 2005) bzw. weil er einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (Artikel 26 Absatz 1 RL 2013). Die Haft zum Zweck der Sicherung einer Abschiebung begründet demnach noch keinen systemischen Mangel im Sinne der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung.
48Vgl. dazu VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2015 – 13 K 501/14.A –, juris Rn. 81 m.w.N.; VG Minden, Urteil vom 10. Februar 2015, 15 K 1660/14.A, juris, Rn. 89 ff. unter Hinweis auf VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013, 33 L 450.13 A, juris, Rn. 14 ff.
49Bei einer Gesamtwürdigung der dargestellten Erkenntnisse geht das Gericht im Ergebnis davon aus, dass die noch bestehenden Umstände jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren. Auch der Umstand, dass sich die Situation in Bulgarien deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel.
50Vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 18. August 2014 – W 6 S 14.50098 –, juris Rn. 19.
51Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG keine Bedenken. Es sind weder zielstaatsbezogene noch in der Person des Antragstellers, also inlandsbezogene, Abschiebungshindernisse ersichtlich.
52Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den geschilderten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 166 VwGO, 114 Absatz 1 Satz 1 ZPO).
53Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
54Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
55Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.