Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 22. Feb. 2016 - 1 K 389/15
Tenor
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
Es wird festgestellt, dass die in der Sitzung des Beklagten am 25. September 2014 unter TOP 17, 19, 22, 23, 25 und 26.2, Ziffern 1.2 und 1.4 durchgeführten Wahlen ungültig sind.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Mit der Klage beanstandet die Klägerin die Wahl der Mitglieder verschiedener Ausschüsse und Gremien in der Sitzung des beklagten Rates am 25. September 2014.
3Die Klägerin ist eine Ratsgruppe, die von zwei Ratsmitgliedern, die der Partei C.------- Q. O. angehörten, gebildet wurde und die Bezeichnung „Ratsgruppe Q. O.“ trug. Nachdem die beiden Mitglieder der Ratsgruppe aus der Partei Q. O. ausgetreten und der Partei Q E. beigetreten waren, beschlossen sie am 6. August 2015, die Ratsgruppe werde in „Ratsgruppe Q. E. im Rat der Stadt S. “ umbenannt. Dies wurde dem Oberbürgermeister der Stadt S. mit Schreiben gleichen Datums mitgeteilt.
4In der Sitzung des beklagten Rates am 25. September 2014 wurden die Mitglieder einiger Ausschüsse und Vertreter der Stadt S. in mehreren Gremien gewählt. Vorab nahm der Beklagte unter Tagesordnungspunkt 5.1 eine Stellungnahme der Bezirksregierung E1. vom 11. August 2014 zu einer Eingabe der Klägerin zur Kenntnis. Darin vertrat die Bezirksregierung die Auffassung, bei Ausschusswahlen nach § 50 Abs. 3 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) und Gremienwahlen gemäß § 50 Abs. 4 GO NRW sei eine geheime Wahl – anders als in § 50 Abs. 2 GO NRW ‑ nicht vorgesehen. Abs. 3 der Vorschrift sei als spezielle Regelung anzusehen, die es ausschließe, Abs. 2 Satz 1 insoweit ergänzend heranzuziehen. Diese Auslegung werde dadurch bestätigt, dass § 67 Abs. 2 Satz 7 GO NRW – im Gegensatz zu § 50 Abs. 3 GO NRW – einen ausdrücklichen Hinweis auf die geheime Wahl enthalte. Hierzu führte Ratsmitglied I. , der Sprecher der Klägerin, in der Ratssitzung aus, er teile die Auffassung der Bezirksregierung nicht, und kündigte eine Klage der Klägerin vor dem Verwaltungsgericht an, falls bei den anstehenden Wahlen die geheime Wahl ausgeschlossen würde.
5Bei den nachfolgend aufgeführten Wahlen, zu denen die Klägerin (mit Ausnahme der Wahlen unter Tagesordnungspunkt 26.2, Ziffern 1.1, 1.3, 1.5, 2. und 3.) eigene Wahlvorschläge vorgelegt hatte, beantragte sie jeweils geheime Abstimmung:
6TOP 17: Bestellung von Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern für den Integrationsrat
7TOP 18: Bildung des Kommunalwahlausschusses für die 15. Wahlperiode (2014-2020)
8TOP 19: Bildung des Kreiswahlausschusses für die Landtagswahl 2017
9TOP 22: Konferenz der Ratsmitglieder beim Städtetag Nordrhein-Westfalen, hier: Benennung von Ratsmitgliedern
10TOP 23: Wahl von Vertretern der Stadt S. in den Polizeibeirat bei der Kreispolizeibehörde
11TOP 25: C1. Symphoniker – Orchester der Städte S. und T. GmbH – Vertreter der Stadt S. in der Gesellschafterversammlung und im Aufsichtsrat
12TOP 26.2: Stadtsparkasse S. – Neuwahl des Verwaltungsrates
13Der Oberbürgermeister lehnte die geheime Wahl jeweils unter Bezugnahme auf die von der Bezirksregierung dargelegte Rechtsauffassung ab. Ratsmitglied I. gab hiergegen jeweils seinen Protest zu Protokoll. Die Wahlen wurden in offener Abstimmung durchgeführt. Fast alle Wahlvorschläge der Klägerin blieben erfolglos. Lediglich unter Tagesordnungspunkt 18 wurden die beiden von der Klägerin als Beisitzer des Kommunalwahlausschusses und Stellvertreter benannten Kandidaten gewählt.
14Mit anwaltlichem Schreiben vom 1. Oktober 2014 forderte die Klägerin den Oberbürgermeister auf, die genannten Wahlen zu beanstanden und wiederholen zu lassen. Mit Antwortschreiben vom 24. November 2014 bekräftigte der Oberbürgermeister seine Rechtsauffassung.
15Die Klägerin hat am 20. Januar 2015 Klage erhoben, mit der sie die Feststellung erstrebt hat, dass die in der Ratssitzung am 25. September 2014 unter Tagesordnungspunkten 17, 18, 19, 22, 23, 25 und 26.2 durchgeführten Wahlen ungültig sind. In der mündlichen Verhandlung hat sie die Klage hinsichtlich der Wahlen unter Tagesordnungspunkten 18 und 26.2, Ziffern 1.1, 1.3, 1.5, 2. und 3. zurückgenommen.
16Sie macht geltend: Die Wahlen hätten geheim, d.h. durch die Abgabe von Stimmzetteln, durchgeführt werden müssen, da sie – die Klägerin – durch ihren Sprecher der offenen Abstimmung widersprochen bzw. geheime Wahl beantragt habe. Dies ergebe sich aus Ziffer 14.1 der Geschäftsordnung des Rates und aus § 50 Abs. 2 Satz 1 GO NRW. Diese Vorschrift sei als allgemeinere Regelung hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung einer Wahl in den Fällen des § 50 Abs. 3, 4 GO NRW ergänzend heranzuziehen, da diese Absätze keine Regelung zur Frage der geheimen oder offenen Wahl enthielten.
17Die Klägerin beantragt nunmehr,
18festzustellen, dass die in der Sitzung des Beklagten am 25. September 2014 unter TOP 17, 19, 22, 23, 25 und 26.2, Unterpunkte 1.2 und 1.4 durchgeführten Wahlen ungültig sind.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Er führt ergänzend zu seinem außergerichtlichen Vorbringen aus:
22Es bestünden bereits Zweifel an der Klagebefugnis der Klägerin. Die Partei Q. O. existiere weiterhin; Q. E. sei nicht deren Rechtsnachfolgerin. Da die beiden ehemaligen Mitglieder der Gruppe Q. O. ihr Mandat im Rat nach ihrem Austritt aus der Partei Q. O. nicht mehr für diese Partei wahrnähmen und keine weiteren Ratsmitglieder dieser Partei angehörten, sei die Ratsgruppe Q. O. erloschen. Die Partei Q. E. habe bei der letzten Kommunalwahl nicht zur Wahl gestanden und könne deshalb keine Ratsgruppe bilden. Eine Ratsgruppe Q. E. existiere nicht.
23Der Oberbürgermeister habe die Anträge auf geheime Wahl zu Recht zurückgewiesen. § 50 Abs. 3, 4 GO NRW sehe die Möglichkeit einer geheimen Wahl nicht vor. Aus Ziffern 14.1, 14.2 der Geschäftsordnung des Rates ergebe sich nichts anderes; diese Vorschriften verwiesen auf § 50 GO NRW. Auch wenn man annähme, dass die Wahlen durch Abgabe von Stimmzetteln hätten durchgeführt werden müssen, sei fraglich, ob dieser Fehler zur Ungültigkeit aller in Rede stehenden Wahlen führe. Denn die Relevanz für das Wahlergebnis hänge von der Zahl der zu wählenden Personen ab, die bei den einzelnen Wahlen unterschiedlich gewesen sei.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten (ein Heft) ergänzend Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, d.h. bezüglich der Wahlen unter Tagesordnungspunkten 18 und 26.2, Ziffern 1.1, 1.3, 1.5, 2. und 3., war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
27Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
28Sie ist als im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreits erhobene Feststellungsklage statthaft (§ 43 Abs. 1 VwGO).
29Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass die beiden Mitglieder der Klägerin nach Klageerhebung aus der Partei Q. O. ausgetreten und der Partei Q. E. beigetreten sind, und die Klägerin von „Ratsgruppe Q. O.“ in „Ratsgruppe Q. E. im Rat der Stadt S. “ umbenannt worden ist. Zwar kommt Parteien eine wichtige Rolle bei der Wahl des Rates einer Gemeinde zu. Insbesondere sind sie berechtigt, Wahlvorschläge einzureichen (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen – Kommunalwahlgesetz, KWahlG NRW). Das Mandat der gewählten Ratsmitglieder ist aber von der Parteizugehörigkeit unabhängig. Der Austritt aus einer Partei und ggf. Eintritt in eine andere Partei lässt das Mandat unberührt.
30Vgl. Wansleben, in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Stand: Dezember 2015, § 43 Anm. 1.2; von Lennep, in: Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand: Juni 2015, § 43 Anm. II.2.
31Damit korrespondierend werden Fraktionen und Gruppen nicht von Parteien, sondern von Ratsmitgliedern gebildet, die – unabhängig davon, dass der Parteizugehörigkeit große praktische Bedeutung zukommt – nicht derselben Partei oder überhaupt einer Partei angehören müssen. Es genügt vielmehr, dass sich die Ratsmitglieder auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung zu möglichst gleichgerichtetem Wirken zusammengeschlossen haben (§ 56 Abs. 1 Sätze 1, 3 GO NRW). Unter diesen Voraussetzungen können auch Ratsmitglieder unterschiedlicher Parteizugehörigkeit eine Fraktion oder Gruppe bilden.
32Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 –, juris, Rn. 12; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 29. Oktober 2014 – 1 K 4415/14 –, juris, Rn. 40, bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 28. Januar 2015 – 15 A 2439/14 –, juris.
33Vor diesem Hintergrund ist die klagende Ratsgruppe nicht erloschen, sondern besteht unter neuem Namen fort. Der Übertritt von Mitgliedern einer Ratsgruppe von einer Partei in eine andere Partei und die darauf beruhende Umbenennung der Gruppe lässt deren Bestand jedenfalls dann unberührt, wenn die Mitglieder der Gruppe – wie hier – unverändert bleiben und die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Sätze 1, 3 GO NRW fortbestehen. Der Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, die Zweifel daran begründen würden, dass diese Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Solche Umstände sind auch im Übrigen nicht ersichtlich; die Mitglieder der Klägerin sind beide in dieselbe Partei gewechselt.
34Das Rubrum wurde von Amts wegen entsprechend geändert.
35Das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 43 Abs. 1 VwGO) folgt daraus, dass die Wahlen im Falle der Ungültigkeit zu wiederholen sind, was der Klägerin eine Chance eröffnen würde, ihre Wahlvorschläge durchzusetzen. Zudem besteht das Feststellungsinteresse auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die Frage, ob eine Wahl nach § 50 Abs. 3 oder 4 GO NRW durch Abgabe von Stimmzetteln durchzuführen ist, wenn jemand widerspricht, kann sich jederzeit erneut stellen.
36Soweit die Klägerin die Klage aufrecht erhalten hat, hat diese auch in der Sache Erfolg.
37Die Durchführung der Wahlen unter Tagesordnungspunkten 17, 19, 22, 23, 25 und 26.2, Ziffern 1.2 und 1.4 in der Sitzung des Beklagten am 25. September 2014 in offener Abstimmung war rechtswidrig.
38Nach § 50 Abs. 2 Satz 1 GO NRW werden Wahlen, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt oder wenn niemand widerspricht, durch offene Abstimmung, sonst durch Abgabe von Stimmzetteln, vollzogen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Bezirksregierung E1. gilt diese Bestimmung auch für die Wahl der Mitglieder eines Ausschusses (§ 50 Abs. 3 Sätze 2–6 GO NRW) und die Wahl von Vertretern oder Mitgliedern in Gremien (§ 50 Abs. 4 Satz 1 GO NRW), die vorliegend durchgeführt wurden. Dies ergibt sich aus der gestuften Systematik des § 50 GO NRW. Absatz 1 der Vorschrift enthält allgemeine Bestimmungen für Beschlüsse. Absatz 2 regelt Näheres zu Wahlen, die als Beschlüsse mit personellem Gegenstand einzuordnen sind, und geht insoweit als speziellere Vorschrift Absatz 1 vor. Absatz 3 sind spezielle Regelungen für die Wahl der Mitglieder von Ausschüssen zu entnehmen, und Absatz 4 erklärt die Bestimmungen des Absatzes 3 für auf die Wahl von Vertretern und Mitgliedern in bestimmten Gremien entsprechend anwendbar.
39Dieser Struktur folgend verdrängen § 50 Abs. 3, 4 GO NRW als speziellere Regelungen Absatz 2 der Vorschrift, soweit sie spezifische Regelungen für die Wahl der Mitglieder der Ausschüsse sowie von Vertretern und Mitgliedern in Gremien enthalten. Als speziellere Regelungen in diesem Sinne sind die Bestimmungen über das Wahlsystem bei Ausschusswahlen anzusehen, die es ermöglichen, durch einstimmige Annahme eines einheitlichen Wahlvorschlages zu entscheiden (Satz 1), und für den Fall, dass davon kein Gebrauch gemacht wird, Verhältniswahl anordnen (Sätze 2 bis 6). Diese Regelungen gehen dem in Absatz 2 Satz 2 niedergelegten Grundsatz der Mehrheitswahl vor. Absatz 2 ist indes ergänzend heranzuziehen, soweit die Absätze 3 und 4 keine Regelungen enthalten, insbesondere hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung der Wahl, d.h. der Frage, ob die Wahl offen oder geheim durch Abgabe von Stimmzetteln durchgeführt wird (Absatz 2 Satz 1). Aus dem Gesetz ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Auffassung des Beklagten und der Bezirksregierung E1. , Absatz 3 sei auch insoweit als abschließende Regelung anzusehen. Diese Auslegung kann auch nicht auf einen Vergleich mit der Regelung in § 67 Abs. 2 Sätze 1, 7 GO NRW gestützt werden, wonach die Stellvertreter des Bürgermeisters in geheimer Wahl zu bestimmen sind. Darin liegt eine in § 50 Abs. 2 Satz 1 GO NRW ausdrücklich zugelassene gesetzliche Abweichung („wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt“) von dem Grundsatz der offenen Abstimmung. Aus dem Fehlen eines entsprechenden Zusatzes in § 50 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 GO NRW folgt lediglich, dass die Mitglieder der Ausschüsse nicht zwingend in geheimer Wahl zu wählen sind. Daraus kann nicht abgeleitet werden, die Ausschusswahlen seien stets in offener Abstimmung durchzuführen.
40Im Ergebnis ebenso Faber, in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Stand: Dezember 2015, § 50 Anm. 6.3.2.
41Ziffer 14.1 der Geschäftsordnung für den Rat der Stadt S. , die Bezirksvertretungen und die Ausschüsse vom 17. Februar 2009, zuletzt geändert mit Wirkung vom 4. Juli 2014, auf die sich die Beteiligten beziehen, kann kein eigenständiger Regelungsgehalt entnommen werden. Die Vorschrift wiederholt fast wörtlich § 50 Abs. 2 Satz 1 GO NRW und verweist im Übrigen auf § 50 GO NRW.
42Nach alledem hätten die vorliegend verfahrensgegenständlichen Wahlen auf den jeweils von (den Mitgliedern) der Klägerin gestellten Antrag durch Abgabe von Stimmzetteln vollzogen werden müssen.
43Anlässlich des vorliegenden Verfahrens bedarf es keiner Entscheidung, ob § 50 Abs. 2 Satz 1 GO NRW auch in den Fällen des § 50 Abs. 3 Satz 1 (einheitlicher Wahlvorschlag), Abs. 3 Satz 7 (Wahl eines Nachfolgers bei Ausscheiden eines Ausschussmitglieds) und Abs. 4 Sätze 2, 3 GO NRW (Wahl von Nachfolgern bei Ausscheiden von Vertretern in Gremien) Anwendung findet.
44Der aufgezeigte Verfahrensfehler führt zur Ungültigkeit der im Tenor bezeichneten Wahlen. Diese sind zu wiederholen.
45Die Gemeindeordnung NRW enthält keine Regelung zur Rechtsfolge eines Verfahrensfehlers bei einer Wahl nach § 50 Abs. 2 bis 4 GO NRW. Insoweit kann aber auf die zum Kommunalwahlrecht entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Ein Verfahrensfehler, der für das Wahlergebnis ohne Bedeutung geblieben ist, kann die Ungültigkeit und die Wiederholung einer Wahl nicht rechtfertigen. Eine Wahl muss dann wiederholt werden, wenn bei ordnungsgemäßem Verlauf die „reale Möglichkeit“ eines anderen Wahlergebnisses bestanden hätte. Daran fehlt es nur dann, wenn nach der Lebenserfahrung und den konkreten Fallumständen Auswirkungen der Unregelmäßigkeit auf das Wahlergebnis praktisch so gut wie auszuschließen sind, ganz fernliegen, höchst unwahrscheinlich erscheinen oder sich gar als lebensfremd darstellen.
46Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. November 1991 – 15 B 3521/91 –, juris, Rn. 16 ff. m.w.N.
47Nach diesen Grundsätzen ist bei den vorliegend in Rede stehenden Wahlen die „reale Möglichkeit“ eines anderen Wahlergebnisses anzunehmen. Bei den durchgeführten Wahlen entfielen – entsprechend der Stärke der Klägerin – jeweils zwei Stimmen auf ihren Wahlvorschlag. Soweit sich die Fraktion Die Linke mit einem eigenen Wahlvorschlag beteiligte hatte, entfielen – ebenfalls entsprechend ihrer Stärke – drei Stimmen auf diesen Vorschlag. Alle übrigen Stimmen vereinigte der jeweilige gemeinsame Vorschlag mehrerer Fraktionen und Gruppen auf sich. Zwar mag es nicht wahrscheinlich erscheinen, dass die Ratsmitglieder bei geheimer Wahl in nennenswerter Anzahl anders gewählt, d.h. gegen den Vorschlag der eigenen Fraktion oder Gruppe gestimmt hätten. Nach dem dargestellten Maßstab ist ein wahrscheinlich anderes Wahlergebnis aber insoweit nicht erforderlich, sondern es genügt, dass ein abweichendes Stimmverhalten mit Auswirkungen auf das Wahlergebnis nicht auszuschließen ist. Das ist hier der Fall. Es kann nicht mit der nötigen Gewissheit davon ausgegangen werden, dass alle Ratsmitglieder auch bei geheimer Wahl mit ihrer Fraktion oder Gruppe gestimmt hätten. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass in der fraktions- oder gruppeninternen Abstimmung unterlegene Ratsmitglieder die geheime Wahl genutzt hätten, ihre abweichende Auffassung zum Ausdruck zu bringen. Ebenso kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich Ratsmitglieder von der Kontrolle durch ihre Fraktion oder Gruppe befreit für einen anderen Wahlvorschlag entschieden hätten, weil sie die vorgeschlagenen Personen als besser geeignet für das konkrete Gremium ansahen als die Kandidaten des eigenen Vorschlags.
48Dem Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass Auswirkungen des Verfahrensfehlers auf das Ergebnis umso unwahrscheinlicher sind, je geringer die Anzahl der zu wählenden Personen ist, da mit geringerer Anzahl der zu vergebenden Mandate die zur Erlangung eines Mandats erforderliche Stimmenzahl steigt. Auch wenn bei der Wahl nur weniger Mitglieder oder zu entsendender Vertreter die Wahrscheinlichkeit eines anderen Ergebnisses gering sein mag, ist dies aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit auszuschließen. Bei Anlegung eines weniger strengen Maßstabs wäre das auch zum Schutz des einzelnen Ratsmitglieds bestehende Recht auf geheime Wahl nicht effektiv gerichtlich durchsetzbar mit der Folge, dass dieses Recht leerlaufen würde.
49Da das Gericht über das Begehren der Klägerin nicht hinausgehen darf (§ 88 VwGO), ist der Tenor auf die antragsgemäße Feststellung der Ungültigkeit der verfahrensgegenständlichen Wahlen beschränkt. Mit Blick auf den außergerichtlichen Fortgang weist die Kammer aber darauf hin, dass die in der Sitzung des Beklagten am 25. September 2014 unter Tagesordnungspunkten 17, 19, 22, 23, 25 und 26.2, Ziffern 1.2 und 1.4 durchgeführten Wahlen zu wiederholen sind, auch wenn dies nicht im Tenor dieses Urteils angeordnet wird. Dies gilt – als Folge der Ungültigkeit der Wahlen unter Tagesordnungspunkt 26.2, Ziffern 1.2 und 1.4 – auch für die Wahlen unter Tagesordnungspunkt 26.2, Ziffern 1.3, 1.5, 2. und 3., wenngleich diese nicht (mehr) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Die Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrates der Stadtsparkasse aus dem Kreis der Dienstkräfte (Ziffer 1.3) hat nach § 12 Abs. 4 Satz 1 des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen (SpkG) zusammen mit der Wahl der sachkundigen Mitglieder des Verwaltungsrates (Ziffer 1.2) in einem Wahlgang zu erfolgen. Nach demselben Verfahren sind die Stellvertreter der sachkundigen Mitglieder (Ziffer 1.4) und der Dienstkräfte (Ziffer 1.5) zu wählen (§ 12 Abs. 4 Satz 2 SpkG). Der erste und zweite Stellvertreter des vorsitzenden Mitglieds des Verwaltungsrates (Ziffern 2. und 3.) werden nach § 11 Abs. 2 SpkG aus den Mitgliedern des Verwaltungsrates gewählt, d.h. die Wahl der Stellvertreter des Vorsitzenden setzt die vorherige Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrates voraus.
50Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Ungültigkeit und die Wiederholung der Wahlen die Rechtswirksamkeit der bisherigen Tätigkeit der betroffenen Ausschüsse und Gremien in der bisherigen Besetzung nicht berührt (vgl. die ausdrückliche Regelung für das Kommunalwahlrecht in § 40 Abs. 3 Satz 2 KWahlG NRW).
51Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Kammer gewichtet den Anteil der Kosten, der auf den von der Klägerin zurückgenommenen Teil der Klage entfällt, mit 1/5. Die Klägerin hat die Klage bezüglich eines von ursprünglich sieben beanstandeten Tagesordnungspunkten vollständig und bezüglich eines weiteren Tagesordnungspunktes teilweise zurückgenommen. Das entspricht einem Anteil von 2/14 + 1/14 = 3/14 = etwa 1/5.
52Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Klägerin eine Fraktion im Rat der Stadt X. ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils beitreibbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Bei den im Mai 2014 durchgeführten Kommunalwahlen wurden von der Liste der Partei Q. O. die Wahlbewerber D. H. und H1. X1. sowie von der Liste der Partei S. der Wahlbewerber U. L. in die Vertretung der Stadt X. gewählt.
3Mit Schreiben an den Beklagten vom 3. Juni 2014 teilte Frau H. mit, dass sie mit den Ratsmitgliedern X1. und L. die Fraktion „Q. O. / S. “ im Rat der Stadt X. gegründet habe. Dem Schreiben war das Sitzungsprotokoll der konstituierenden Sitzung vom 3. Juni 2014 sowie das darin beschlossene Fraktionsstatut beigefügt. Dieses enthält u.a. unter Nr. 2 eine Regelung, wonach Angelegenheiten von grundsätzlicher politischer Bedeutung in Abstimmung mit dem Q. O. -Kreisvorstand sowie dem Kreisvorstand der S. beschlossen werden. Nach dem Sitzungsprotokoll wurden (jeweils einstimmig) Frau H. zur Fraktionsvorsitzenden und Herr I. zum Fraktionsgeschäftsführer gewählt.
4Mit Schreiben vom 10. Juni 2014 teilte der Beklagte mit, dass die o.g. Regelung im Fraktionsstatut möglicherweise mit dem Grundsatz des freien Mandats unvereinbar sei und eine in wesentlicher Hinsicht übereinstimmende politische Überzeugung konstitutives Merkmal einer Fraktion sei. Vor diesem Hintergrund bestünden Zweifel, ob tatsächlich eine Fraktion vorliege.
5Hierauf erwiderten die Ratsmitglieder H. , X1. und L. unter dem 14. Juni 2014, sie erhielten keine Weisungen von Parteigliederungen; es gehe nur um politischen Austausch mit den jeweiligen Kreisvorständen, die in Grundsatzfragen – natürlich rechtlich unverbindlich – Empfehlungen aussprechen könnten. Bei Vorgesprächen hätten sie die Überzeugung gewonnen, in allen relevanten kommunalpolitischen Fragen gemeinsame Grundüberzeugungen zu haben. Diese sollten nunmehr durch die gemeinsame Arbeit in einer Ratsfraktion politisch durchgesetzt werden. Die Parteien Q. O. und S. hätten sich in der Vergangenheit bei überregionalen Wahlkämpfen gegenseitig unterstützt und auch Wahlkämpfe zusammen bestritten; die Parteiprogramme seien in wesentlichen Punkten deckungsgleich.
6Mit Schreiben vom 17. Juni 2014 teilte der Beklagte mit, es läge auch in Ansehung der Mitteilung vom 14. Juni 2014 keine Fraktion vor. Nur bei einem Zusammenschluss aus Personen, die für dieselbe Partei oder Wählergruppe angetreten seien, streite eine Vermutung für das Vorliegen einer grundsätzlichen politischen Übereinstimmung. Hier sei das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einer Fraktion dezidiert mit Blick auf die im Rahmen des Zusammenschlusses getroffenen Vereinbarungen, deren tatsächlicher Anwendung sowie die Bekundungen der Mitglieder zu prüfen. Hier seien weder im Fraktionsstatut vom 3. Juni 2014 die übereinstimmenden politischen Überzeugungen im Einzelnen dargestellt, noch sprächen sonstige Umstände für eine gemeinsame inhaltliche Grundüberzeugung.
7In einer (weiteren) Sitzung am 24. Juni 2014 beschlossen die Ratsmitglieder H. , X1. und L. das Fraktionsstatut vom 24. Juni 2014 und wählten u.a. Frau H. zur Fraktionsvorsitzenden und Herrn I. zum Fraktionsgeschäftsführer. Das Fraktionsstatut vom 24. Juni 2014 ähnelt dem vom 3. Juni 2014, enthält allerdings eine Präambel, nach der eine grundsätzliche politische Übereinstimmung in allen relevanten politischen Fragen festgestellt worden sei. Als rechte Demokraten verfolge man gemeinsame politische Ziele im Rat und habe sich daher zu einem möglichst gleichgerichteten kommunalpolitischen Wirken in der Fraktion Q. O. / S. im Rat der Stadt X. zusammengeschlossen. Demgegenüber ist die genannte Regelung zur Abstimmung mit den Kreisvorständen in grundsätzlichen Fragen nicht mehr enthalten. Zuletzt wurde in der Sitzung ein „11 Punkte Plan“ als Grundsatzprogramm der Fraktion einstimmig beschlossen.
8Mit Schreiben vom 25. Juni 2014 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten auf, nunmehr das Vorliegen einer Fraktion bis zum 27. Juni 2014 zu bestätigen.
9Hierauf erwiderte der Beklagte unter dem 27. Juni 2014, noch immer liege keine Fraktion vor. Es sei unklar, wie sich die Fraktionsgründungen vom 3. und 24. Juni 2014 zueinander verhalten sollten. Zudem seien bisher keine Aktivitäten im Hinblick auf die Umsetzung des „11 Punkte Plans“ glaubhaft gemacht, so dass es an der erforderlichen sichtbaren praktischen Umsetzung des Zusammenschlusses zu gemeinsamem Wirken fehle.
10Am 8. Juli 2014 hat die Klägerin Klage erhoben und gleichzeitig die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird unter dem Aktenzeichen 1 L 1555/14 geführt.
11Sie hält die Klage für zulässig und begründet. Ihre Beteiligungsfähigkeit folge aus § 61 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach Vereinigungen, denen ein Recht zustehen könne, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligungsfähig seien. Fraktionen seien u.a. in der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (GO NRW) besondere Mitwirkungsrechte zugewiesen, wie etwa nach § 47 Abs. 1 Satz 4 GO NRW das Recht auf unverzügliche Einberufung des Rates oder gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 GO NRW das Recht, vom Bürgermeister zu einem Tagesordnungspunkt eine Stellungnahme zu verlangen. Hier gehe es gerade darum, ob die Klägerin eine Fraktion im Sinne des § 56 GO NRW sei. Daher sei neben der Beteiligungsfähigkeit auch die Antragsbefugnis zu bejahen. Lediglich hilfsweise werde eine Änderung des Rubrums dahingehend angeregt, dass die einzelnen Ratsmitglieder H. , X1. und L. , die den Prozessbevollmächtigten der Klägerin jeweils auch einzeln bevollmächtigt hätten, mit der Klage ihr Fraktionsbildungsrecht verfolgten.
12Ob die Klägerin tatsächlich eine Fraktion im Sinne des § 56 GO NRW sei, sei demgegenüber eine Frage der im Ergebnis ebenfalls zu bejahenden Begründetheit der Klage. Bezüglich der erforderlichen grundsätzlichen politischen Übereinstimmung sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den beiden hinter den Mitgliedern der Klägerin stehenden Parteien um politische Gruppierungen mit einer ähnlichen und in vielen Punkten vergleichbaren rechten Ausrichtung handele. Auch die Parteiprogramme seien im Wesentlichen deckungsgleich. Beide Gruppierungen verstünden sich als rechtsdemokratisch, positionierten sich islamkritisch und gälten in der Öffentlichkeit als „rechte“ Parteien. Bereits bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl 2012 habe man eng zusammengearbeitet; die S. hätten damals zugunsten von Q. O. auf einen eigenen Wahlantritt verzichtet und ihre Anhänger aufgefordert, Q. O. zu wählen. Selbst der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz habe in diversen Veröffentlichungen über diese Kooperationsbemühungen berichtet.
13Die Ausführungen des Beklagten zu Differenzen vor den Kommunalwahlen 2014 seien größtenteils unzutreffend. Die aufgrund der Auswertung anonymer und nicht von den Ratsmitgliedern H. , X1. und L. stammender Beiträge in rechten Internetforen gezogenen Schlussfolgerungen seien nicht tragfähig und sagten vor allem nichts über gemeinsame politische Überzeugungen der fraglichen Ratsmitglieder aus. In diversen Vorgesprächen, bei denen der dann am 24. Juni 2014 beschlossene „11 Punkte Plan“ inhaltlich erarbeitet worden sei, hätten die Ratsmitglieder H. , X1. und L. die Überzeugung gewonnen, in alle relevanten kommunalpolitischen Fragen auf einer Wellenlänge zu liegen und gemeinsame Grundüberzeugungen zu haben. Unbedenklich sei, dass zuvor Sondierungsgespräche mit anderen politischen Gruppierungen stattgefunden hätten, da dies üblich sei. Gerade der Umstand, dass erst danach der Zusammenschluss erfolgt sei, belege die festgestellte weitgehende politische Übereinstimmung zwischen den Ratsmitgliedern H. , X1. und L. .
14Dass gemeinsame Ziele verfolgt werden sollten, werde auch durch das beschlossene „11 Punkte Programm“ belegt. Es ginge nicht lediglich darum, nur die finanziellen und rechtlichen Vorteile des Fraktionsstatus „abzugreifen“. Das werde auch durch das Fraktionsstatut vom 24. Juni 2014 deutlich, wonach ein auf inhaltlicher Übereinstimmung basierender Zusammenschluss gewollt sei. Schließlich sei auch ein im Einzelfall abweichendes Stimmverhalten als Ausdruck des freien Mandats unschädlich. Bis auf den vom Beklagten benannten Einzelfall hätten die Ratsmitglieder H. , X1. und L. stets einheitlich abgestimmt und ihr Stimmverhalten auch vorher koordiniert. Zudem seien sie gemeinsam als Gruppe aufgetreten. Weiterhin finde mehrmals pro Woche ein Austausch statt und würden gemeinsame Anträge, Anfragen und Initiativen erarbeitet. In der Ratssitzung vom 25. August 2014 seien zwei gemeinsame Änderungsanträge (zur Reduzierung der Zahl der Bürgermeister aus haushaltspolitischen Gründen und zum Maßnahmepaket gegen Antisemitismus) eingereicht worden. Weiter habe die Ratsgruppe Q. O. in dieser Sitzung das Ratsmitglied L. für die Wahl zum ehrenamtlichen Bürgermeister vorgeschlagen und auch aufgestellt. Dieser habe bei der Wahl dann auch vier Stimmen erhalten. Auch bei der Ausschusswahl sei die Zusammenarbeit und die Absicht gleichgerichteten Wirkens der drei fraglichen Ratsmitglieder dokumentiert worden, denn das Ratsmitglied L. sei auf Vorschlag der Ratsgruppe Q. O. in den Finanzausschuss gewählt worden und der als Kommunalwahlkandidat von der Partei Die S. aufgestellte V. M. sei ebenfalls auf Vorschlag der Ratsgruppe Q. O. zum stellvertretenden Mitglied des Bauausschusses gewählt worden. Zudem seien noch weitere Mitglieder der S. benannt worden, die sich aber nicht hätten durchsetzen können. Auch bei der weiteren Ratssitzung am 30. September 2014 sei das gemeinsame politische Wirken fortgesetzt worden. Es seien drei gemeinsame Änderungsanträge (zum Thema Demokratie stärken und Vielfalt erhalten, zur Neufassung der Satzung des Jugendamtes und zum Thema Schulsozialarbeit) eingebracht worden; auch in der Sitzung vom 30. September 2014 sei einheitlich abgestimmt worden. Nach dem Ablauf von nunmehr vier Ratssitzungen ergäbe sich nach den Gesamtumständen unzweifelhaft ein nachhaltiges vertrauensvolles Zusammenwirken der Ratsmitglieder H. , X1. und L. .
15Die Klägerin beantragt,
16festzustellen, dass sie eine Fraktion im Rat der Stadt X. ist.
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er hält den Antrag für unzulässig und für unbegründet. Die Klägerin sei nicht beteiligungsfähig, da sie eigene Rechte (und die Möglichkeit ihrer Durchsetzung) erst durch die Ankerkennung als Fraktion durch die Gemeinde erlange. Erst durch diesen konstitutiven Akt erwüchsen ihr kommunale Rechte und Pflichten, so dass die Feststellung einer Fraktion als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal bezeichnet werden könne. Diese Anerkennung sei aber bisher seitens der Stadt X. nicht erfolgt.
20Aus dem selben Grund sei die Klägerin auch nicht antragsbefugt, denn mangels Existenz könne sie durch die Ablehnung der Feststellung des Fraktionsstatus auch nicht in eigenen Rechten verletzt sein. Lediglich die drei Ratsmitglieder könnten in ihrem Recht auf Bildung einer Fraktion nach § 56 GO NRW verletzt sein.
21Zudem lägen die für das Vorliegen einer Fraktion erforderlichen Voraussetzungen nicht vor. Es fehle an der notwendigen grundsätzlichen politischen Übereinstimmung. Die Parteien Q. O. und S. konkurrierten miteinander im rechtskonservativen Parteienspektrum. Auch wenn punktuell Kooperationen in Erwägung gezogen würden, bestünde gerade in X. Uneinigkeit und Ablehnung zwischen den politischen Akteuren der beiden Parteien. Das werde u.a. deutlich durch die anlässlich der Errichtung einer Moschee in X. 2012 offen zu Tage getretenen Differenzen. Das Vorgehen und die Aktionen der jeweils anderen Partei seien abgelehnt und unsachlich kritisiert worden. Dies habe sich im Vorfeld der Kommunalwahlen 2014 fortgesetzt. Im Dezember 2013 hätte das Ratsmitglied L. persönlich beim Wahlamt Schreiben eingereicht, durch die verschiedene X2. Bürger ihre Unterstützungsunterschriften für die Partei Q. O. widerrufen hätten, weil ihre Unterschriften unter Angabe falscher Tatsachen erschlichen worden seien.
22Dementsprechend habe Herr L. nach seiner Wahl zum Ratsmitglied auch zunächst nicht den Kontakt zu Frau H. und Herrn X1. gesucht, sondern andere Koalitionsmöglichkeiten ausgelotet. Auch der „11 Punkte Plan“ genüge nicht zum Beleg eines gemeinsamen politischen Willens, denn dieser sei erst aufgrund der geäußerten Bedenken mit der „zweiten“ Fraktionsgründung am 24. Juni 2014 vorgelegt worden. Soweit die Klägerin auf Anträge aus der Ratssitzung vom 25. August 2014 verweise, sei dies als tagespolitische Reaktion zu werten, die aufgrund des gleichartigen Parteienspektrums, dem die Ratsmitglieder H. , X1. und L. angehörten, kein Beleg für ein nachhaltiges politisches Zusammenwirken sei. Nennenswerte Aktivitäten zur Umsetzung des „11 Punkte Plans“ seien nicht dargelegt worden. Auch hätten die Ratsmitglieder H. , X1. und L. in der konstituierenden Sitzung des Rates vom 16. Juni 2014 zum TOP 3.1 – VO/0000/14 – nicht einheitlich abgestimmt. Dass tatsächlich kein nachhaltiges und einheitliches Zusammenwirken erfolge, werde auch durch die (nur) von der Ratsgruppe Q. O. am 15. September 2014 gestellte große Anfrage (Drucks. Nr. VO/0000/14) zur Abweisung eines Bürgerantrages der Bürgerin T. L. deutlich. Das Ratsmitglied L. habe sich dieser Anfrage nicht angeschlossen und es sei auch kein gemeinsamer Briefkopf verwendet worden. Vor diesem Hintergrund sei nicht auszuschließen, dass die Fraktion lediglich gegründet worden sei, um finanzielle Vorteile und eine Stärkung der Rechtsposition zu erlangen.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens, des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes (1L 1555/14) sowie des übersandten Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Klage ist zulässig und begründet.
26Nach den Grundsätzen des kommunalverfassungsrechtlichen Organstreits können Streitigkeiten, die aus dem kommunalen Organisationsrecht folgen und den organschaftlichen Funktionsablauf bestimmende Befugnisse und Pflichten bestimmter Organe oder Organteile untereinander betreffen, Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sein.
27OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 2002 – 15 A 2604/99 –; Urteil der Kammer vom 12. Juni 2012 – 1 K 1637/11 –.
28Ist bereits die rechtliche Existenz des Organs – hier der Klägerin – als Voraussetzung konkret bestehender Befugnisse strittig, kann auch dies Gegenstand der kommunalverfassungsrechtlichen Feststellungsklage sein.
29Vgl. VG Dresden, Urteil vom 20. Januar 2009 – 7 K 1388/06 –.
30Das erforderliche Feststellungsinteresse folgt aus der Weigerung des Beklagten, die Klägerin als Fraktion anzuerkennen und die hieraus resultierende Vorenthaltung von Rechten und Zuwendungen.
31Im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage. Insbesondere ist die Klägerin auch beteiligungsfähig. Am verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligungsfähig sind nach § 61 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann. In Anwendung dieser Vorschrift kann eine Fraktion als kommunales Kollegialorgan, dem u.a. durch die Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (GO NRW) eigene Wahrnehmungskompetenzen zugewiesen sind, am Kommunalverfassungsstreitverfahren teilnehmen.
32Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage, § 61 Rdnrn. 9 und 11.
33Zwar ist es hier zwischen den Beteiligten gerade streitig, ob die Klägerin eine Fraktion und damit nach der vorgenannten Regelung beteiligungsfähig ist. Allerdings entspricht es allgemeinen Grundsätzen, den Kläger im Streit um die – hier mit der beantragten Feststellung der Fraktionseigenschaft gleichzusetzenden – Beteiligungsfähigkeit als beteiligungsfähig zu behandeln.
34Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage, § 61 Rdnr. 3, Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, § 61 Rdnr. 8; U. /Putzo, ZPO, 26. Auflage, § 50 Rdnr. 11, jeweils m.w.N.; im Ergebnis so offenbar auch VG Dresden, Urteil vom 20. Januar 2009 – 7 K 1388/06 –.
35Ob die Klägerin tatsächlich eine Fraktion ist, ist im Rahmen der Begründetheit der Klage zu klären.
36Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten handelt es sich bei der Klägerin um eine Fraktion im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 GO NRW.
37Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 GO NRW sind Fraktionen freiwillige Vereinigungen von Ratsmitgliedern oder von Mitgliedern einer Bezirksvertretung, die sich auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung zu möglichst gleichgerichtetem Wirken zusammengeschlossen haben.
38Aus dieser gesetzlichen Regelung folgt zunächst, dass es für die Entstehung einer Fraktion nicht eines konstitutiven, anerkennenden Aktes der Gemeinde oder des (Ober-)Bürgermeisters bedarf. Dies bedeutet entgegen der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Befürchtung des Beklagtenvertreters nicht, dass jeder sich als Fraktion bezeichnenden Vereinigung die Rechte und Befugnisse einer Fraktion einzuräumen wären. Die Gemeinde ist durch das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet, (nur) Fraktionen im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 GO NRW die diesen nach den einschlägigen kommunalrechtlichen Regelungen zustehenden Vergünstigungen zu gewähren. Dies setzt eine entsprechende Prüfung der Fraktionseigenschaft durch die Gemeinde voraus, erfordert aber keinen weiteren, auch nach der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehenen konstitutiven Anerkennungsakt.
39Allerdings entsteht die Fraktionseigenschaft nicht schon mit der bloßen – wenn auch bereits rechtlich verfestigten – Absicht, eine Fraktion zu bilden. Aus dem gesetzlichen Erfordernis, dass sich die Ratsmitglieder zusammengeschlossen „haben“ müssen, folgt, dass der Zusammenschluss bereits verwirklicht sein muss. Zudem ergibt sich aus der finalen Präposition „zu“ möglichst gleichgerichtetem Wirken, dass die Fraktionseigenschaft nicht davon abhängt, dass ein gleichgerichtetes Wirken auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung bereits vorliegt; allerdings muss dieser Zweck dem Zusammenschluss zugrunde liegen.
40Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 –, vom 20. Juni 2008 – 15 B 788/08 – und vom 19. Juni 2013 – 15 b 279/13 –.
41Gemessen an diesen Voraussetzungen handelt es sich bei der Klägerin um eine Fraktion im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 GO NRW. Die Mitglieder der Klägerin wurden in der Kommunalwahl von Mai 2014 in den Rat der Stadt X. gewählt und haben sich in den Sitzungen am 3. und 24. Juni 2014 freiwillig zu der Vereinigung „Q. O. / S. “ im Rat der Stadt X. zusammengeschlossen. Dabei steht der Umstand, dass der Zusammenschluss am 24. Juni 2014 erneut und in weiten Teilen inhaltsgleich vorgenommen wurde, aus Sicht der Kammer der Annahme der Ernsthaftigkeit nicht entgegen. Offensichtlich erfolgte der erneute Zusammenschluss in Ansehung der vom Beklagten in seinen Schreiben vom 10. und 17. Juni 2014 geäußerten Bedenken in der Absicht, dieses Mal den rechtlichen Anforderungen zu genügen. Damit belegt die formale Wiederholung des Gründungsaktes eher die Ernsthaftigkeit der Absicht, gemäß der beschlossenen Vereinbarung agieren zu wollen.
42Weiterhin erfolgte der Zusammenschluss auch auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung. Der Annahme einer solchen grundsätzlichen politischen Übereinstimmung steht zunächst der Umstand nicht entgegen, dass die Mitglieder der Klägerin X1. und H. über die Wahlliste der Partei Q. O. , das Mitglied der Klägerin L. hingegen über die Wahlliste der Partei S. in die Vertretung gewählt wurden. Denn das Fraktionsbildungsrecht ist Ausfluss des freien Mandats der Ratsmitglieder, die in ihrer Tätigkeit ausschließlich dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung verpflichtet und an Aufträge (auch des Wählers) nicht gebunden sind.
43OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 –.
44Allerdings besteht in Fällen politisch extrem heterogener Zusammensetzung besonderer Anlass festzustellen, ob die erforderliche grundsätzliche politische Übereinstimmung besteht oder ob lediglich ein formaler Zusammenschluss zur Erlangung finanzieller Vorteile oder einer stärkeren Rechtsposition für die Verfolgung der uneinheitlichen individuellen politischen Ziele der einzelnen Mitglieder vorliegt. Demgegenüber ergibt sich bei einem Zusammenschluss aus Personen, die für ein und dieselbe Partei oder Wählergruppe angetreten sind, bereits aus dem Parteizusammenschluss bzw. dem mitgliedschaftlich organisierten Zusammenschluss der Wahlberechtigten zum Zwecke gemeinsamer Wahlvorschläge (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 Kommunalwahlgesetz), dass auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung ein möglichst gleichgerichtetes Wirken erfolgen soll. Weiterer Indizien bedarf es im letztgenannten Fall regelmäßig nicht.
45Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 – und vom 19. Juni 2013 – 15 B 279/13 –.
46Eine in diesem Sinne politisch extrem heterogene Zusammensetzung liegt hier indes nicht vor. Sowohl die Partei Q. O. als auch die Partei S. gehören dem rechten Parteienspektrum an und präsentieren sich rechtskonservativ und kritisch gegenüber Zuwanderung und dem wachsenden Einfluss islamischer Kultur.
47Vgl. hierzu die über die Internetauftritte der Parteien verfügbaren Informationen – www.S .de und www.Q........net.
48Schon vor diesem Hintergrund nimmt es nicht Wunder, dass die Mitglieder der Klägerin vortragen, in allen relevanten politischen Fragen eine grundsätzliche politische Übereinstimmung festgestellt zu haben (vgl. auch die Präambel des Fraktionsstatut vom 24. Juni 2014). Zwar kommt es angesichts des freien Mandats nicht zwingend auf die politischen Überzeugungen der Parteien an, denen die gewählten Ratsmitglieder angehören. Diese können aber jedenfalls dann zugrunde gelegt werden, wenn sich die gewählten Ratsmitglieder – wie hier – nach der Wahl nicht erkennbar von ihrer Partei distanziert und einer abweichenden politischen Richtung zugewandt haben. Weitere indizielle Bedeutung für eine tatsächlich bestehende grundsätzliche politische Übereinstimmung kommt auch dem am 24. Juni 2014 beschlossenen „11 Punkte Plan“ zu, der verschiedene von den Mitgliedern der Klägerin angestrebte kommunalpolitische Ziele fixiert. Anhaltspunkte dafür, dass diese kommunalpolitischen Ziele lediglich zum Schein formuliert wurden, um eine tatsächlich nicht vorhandene grundsätzliche politische Übereinstimmung vorzutäuschen, liegen nicht vor. Die danach im Ergebnis zu bejahende Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung wird auch durch den Hinweis des Beklagten auf das Verhalten der Mitglieder der Klägerin im Wahlkampf und unmittelbar nach der Kommunalwahl 2014 nicht in Frage gestellt. Dass gerade kleinere, dem selben Spektrum zuzuordnende Parteien einen intensiven, um Abgrenzung und Profilierung bemühten und den direkten Konkurrenten unter Umständen auch hart angehenden Wahlkampf führen, liegt auf der Hand und kann deshalb bei späterer Gründung einer Fraktion nicht als Indiz für eine fehlende grundsätzliche politische Übereinstimmung herangezogen werden. Denn die potentiellen Wähler entstammen derselben, ebenfalls kleineren Gruppe und sollen trotz vergleichbarer politischer Ausrichtung der konkurrierenden Parteien und den dadurch bedingten Mangel an Abgrenzungsargumenten beeinflusst werden, sich für die jeweilige Gruppierung zu entscheiden. Ferner ist auch der Umstand, dass das Mitglied der Klägerin L. sich nach den Angaben des Beklagten noch kurze Zeit vor der Gründung der Klägerin nach anderen Bündnismöglichkeiten erkundigt hat, kein Indiz für eine tatsächlich nicht gegebene Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung. Im Politikbetrieb ist es – auch auf Bundes- und Landesebene – üblich, vor dem Abschluss von Fraktions- oder Koalitionsvereinbarungen Bündnismöglichkeiten mit verschiedenen Gruppierungen zu prüfen. Auch der Sache nach ist es kein wirklichkeitsfernes politisches Phänomen, dass selbst zwischen Vertretern gegensätzlicher extremer politischer Anschauungen in Wirklichkeit dennoch in vielen Fragen eine grundsätzliche politische Übereinstimmung besteht.
49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 –.
50Kommt es dann – wie hier – nach Sondierungsgesprächen im Ergebnis zur Fraktionsbildung mit Vertretern der der eigenen Partei in politischer Hinsicht am nächsten stehenden Partei, spricht dies gerade dafür, dass der grundsätzlichen politischen Übereinstimmung bei der Wahl des Fraktionspartners eine zentrale Bedeutung zukam. Schließlich sei angemerkt, dass ausweislich der gesetzlichen Regelung nur eine „grundsätzliche“, also sich nicht zwingend auf alle Bereiche und alle Einzelheiten erstreckende politische Übereinstimmung erforderlich ist. Daher ist es ersichtlich nicht von Bedeutung, dass die Mitglieder der Klägerin bzw. die hinter diesen stehenden Parteien vor der Kommunalwahl 2014 nach dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung und den Inhalten der Schriftsätze der Beteiligten zur Verfolgung des (gemeinsamen) Ziels der Verhinderung des Moscheebaus verschiedene Ansätze verfolgt haben.
51Weiterhin hat die Klägerin auch zur Überzeugung der Kammer dargetan, dass dem Zusammenschluss der Zweck zugrunde liegt, möglichst gleichgerichtet zusammenzuwirken. Wie ausgeführt hängt die Fraktionseigenschaft nicht davon ab, dass ein gleichgerichtetes Wirken auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung bereits vorliegt. Die Absicht möglichst gleichgerichteten Zusammenwirkens kann aber unter Umständen – etwa bei schon längerem Bestehen der (vermeintlichen) Fraktion – nur dann als glaubhaft angesehen werden, wenn sich der Zweck des Zusammenschlusses nicht nur aus einer politischen Absichtserklärung ergibt, sondern er darüber hinaus auch sichtbaren – praktischen – Ausdruck gefunden hat.
52Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2013 – 15 B 279/13 –.
53Ob der erforderliche Zweck verfolgt werden soll, bemisst sich allgemein nach den Vereinbarungen im Rahmen des Zusammenschlusses und gegebenenfalls ihrer tatsächlichen Anwendung sowie den Bekundungen der Mitglieder des Zusammenschlusses, soweit sich die Erklärungen als glaubhaft erweisen.
54Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 –, vom 20. Juni 2008 – 15 B 788/08 – und vom 19. Juni 2013 – 15 B 279/13 –.
55Zusammenfassend muss sich aus den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalles der zuverlässige Schluss ergeben, dass der Zusammenschluss nachhaltig auf das gleichgerichtete Zusammenwirken ausgerichtet ist.
56In Anwendung dieser Grundsätze liegt das erforderliche Merkmal hier vor. Zunächst ergeben sich aus dem am 24. Juni 2014 vereinbarten (und offenbar das Statut vom 3. Juni 2014 ablösenden) Statut gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass dem Zusammenschluss tatsächlich die Absicht möglichst gleichgerichteten Zusammenwirkens zugrunde liegt. Bei dieser Bewertung kommt der Funktion von Fraktionen besondere Bedeutung zu, die Willensbildung und Entscheidungsfindung im Plenum vorzuprägen, indem sie vor der Plenardebatte und -abstimmung in interner Meinungsbildung Willensblöcke bilden, die sie im Plenum möglichst geschlossen zur Geltung bringen.
57Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 1975 – III A 551/73 –.
58Der Wesenskern einer Fraktion liegt darin, dass ihre Mitglieder unter Aufgabe ihrer vollen politischen Autonomie auf die Ausübung eines Teiles ihrer politischen Gestaltungsrechte zu Gunsten einer Bündelung durch die Fraktion verzichten.
59Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 –.
60Diesem Wesenskern entsprechen die in §§ 1 Nr. 2, 4 Nr. 1 und 10 Nr. 1 des Statuts enthaltenen Regelungen, wonach die Fraktion für ihre Mitglieder verbindliche Beschlüsse fasst, die Mitglieder u.a. im Rat die Gesamtlinie der Fraktion vertreten sollen und in Angelegenheiten von wesentlicher politischer Bedeutung in erhöhtem Maße gehalten sind, dem Mehrheitsbeschluss der Fraktion zu folgen, sowie Abstimmungen mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen erfolgen. Denn diese Regelungen fördern durch eine in ihnen angelegte Begrenzung der politischen Autonomie des einzelnen Fraktionsmitgliedes eine einheitliche Willensbildung und eine geschlossene Geltendmachung des Fraktionswillens. Weiter schaffen die am 3. bzw. 24. Juni 2014 erfolgte Wahl eines Fraktionsgeschäftsführers wie auch die in §§ 4 Nrn. 2, 7 des Statuts enthaltenen Regelungen, wonach die Fraktionsmitglieder verpflichtet sind, an den Fraktions- und Ratssitzungen teilzunehmen, und die Fraktion wenigstens einmal pro Woche tagt, die Grundlage dafür, dass die Fraktion tatsächlich Bündelungs- und Koordinierungsaufgaben wahrnehmen kann.
61Auch die tatsächlichen Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung anwesenden Mitglieder der Klägerin geben keine Anhaltspunkte, an der Ernsthaftigkeit ihrer erklärten Absicht zu zweifeln, künftig im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 GO NRW möglichst gleichgerichtet und nachhaltig zu wirken. So haben die Mitglieder der Klägerin unter anderem ausgeführt, sich seit der Gründung der Klägerin wöchentlich zu Fraktionssitzungen zu treffen und hierbei ihr Vorgehen abzustimmen. Dass diese Angaben unzutreffend sein könnten, ist nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang ist aus Sicht der Kammer auch zu berücksichtigen, dass vom Beklagten weder nachvollziehbare Gründe dargelegt wurden, noch solche sonst ersichtlich sind, weshalb die Mitglieder der Klägerin nicht ernsthaft die weitere Zusammenarbeit im Rahmen der von ihnen gegründeten Fraktion anstreben sollten. Eine Fraktion ist ein Zweckbündnis, dass ihren Mitgliedern durch die gegenüber denen der Einzelratsmitglieder umfangreicheren Fraktionsrechte und die bessere finanzielle Ausstattung Möglichkeiten bietet, politische Ziele effektiver durchzusetzen. Schon deshalb ist es für Ratsmitglieder grundsätzlich sinnvoll, sich in Fraktionen zusammenzuschließen. Die Fraktionsmitgliedschaft bedingt zwar in gewissem Umfang eine Zurückstellung der eigenen politischen Autonomie. Dieser Aspekt steht aber der Entscheidung zum Zusammenschluss mit anderen Ratsmitgliedern in einer Fraktion in geringerem Umfang entgegen, wenn – wie hier – die Fraktionsmitglieder aus dem selben Parteienspektrum stammen und bereits vor der Fraktionsbildung gleiche oder ähnliche politische Vorstellungen verfolgt haben. Denn dann wirkt sich der Verlust individueller politischer Gestaltungsoptionen faktisch kaum aus.
62Schließlich besteht entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht deshalb Anlass, den vorstehend geschilderten, dem Zusammenschluss zugrunde liegenden Zweck in Zweifel zu ziehen, weil er keinen ausreichend sichtbaren – praktischen – Ausdruck gefunden hat. Die Forderung nach einem sichtbaren – praktischen – Ausdruck der Zusammenwirkungsabsicht gewinnt vor allem bei bereits längerem Bestehen der (vermeintlichen) Fraktion Bedeutung.
63Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2013 – 15 B 279/13 –.
64Diese Situation liegt hier gerade noch nicht vor, denn die Fraktion wurde erst vor einigen Monaten gegründet und seit der Gründung der Fraktion haben erst vier Ratssitzungen stattgefunden. Schon vor diesem Hintergrund können keine übertriebenen Erwartungen an die von der Klägerin zu verlangenden Aktivitäten gestellt werden. Hierbei ist weiter zu berücksichtigen, dass die Klägerin, die vom Beklagten bisher nicht als Fraktion angesehen wurde und deshalb die (nur) Fraktionen zustehenden Befugnisse nicht ausüben konnte, vergleichsweise geringe Möglichkeiten hatte, ihre – etwa in dem „11 Punkte Plan“ fixierten ‑ politischen Ziele anzugehen. So steht das insoweit bedeutsame Recht, Anträge unmittelbar in den Rat einzubringen, nach § 8 Abs. 1 der Geschäftsordnung für den Rat der Stadt X. (Geschäftsordnung) Fraktionen, aber nicht Gruppen oder Einzelratsmitgliedern zu. Die von dem Terminsvertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerte Einschätzung, die Klägerin hätte ihre Ziele in der seit ihrer Gründung verstrichenen Zeit auch durch eine Zusammenarbeit mit anderen Ratsfraktionen oder -gruppen verfolgen können, erscheint gerade auch mit Blick auf die deutliche Positionierung der Mitglieder der Klägerin im rechten Spektrum und die Ablehnungshaltung der anderen Fraktionen unrealistisch.
65Unabhängig hiervon hat die Absicht der Mitglieder der Klägerin, tatsächlich nachhaltig möglichst gleichgerichtet zusammenzuwirken, aber dennoch einen auch praktischen Ausdruck erfahren. So haben die Mitglieder der Klägerin nicht nur in den Ratssitzungen vom 25. August und 30. September 2014 insgesamt fünf gemeinsame Änderungsanträge (die jedenfalls hinsichtlich der inhaltlich berührten Gesichtspunkte der Kostenreduzierung und Islamkritik Parallelen zu in dem „11 Punkte Plan“ fixierten Inhalten aufweisen) gestellt, sondern zudem bei den in der Ratssitzung vom 25. August 2014 erfolgten Ausschusswahlen erreicht, dass auf Vorschlag der als Ratsgruppe Q. O. agierenden Mitglieder der Klägerin H. und X1. das Mitglied der Klägerin L. in den Finanzausschuss und der ebenfalls der Partei S. angehörende V. M. zum stellvertretenden Mitglied des Bauausschusses gewählt wurden. Gerade diese Zusammenarbeit bei der Ausschusswahl erscheint nur vor dem Hintergrund eines von den Mitgliedern der Klägerin tatsächlich angestrebten nachhaltigen Zusammenwirkens sinnvoll. Ansonsten hätte es für die Mitglieder der Klägerin H. und X1. keine Veranlassung gegeben, den genannten, nicht ihrer Partei angehörenden Personen zu einem (stellvertretenden) Ausschusssitz zu verhelfen. Auch sonst bietet das vorgetragene Verhalten der Mitglieder der Klägerin keinen Ansatz für begründete Zweifel an der Fraktionseigenschaft der Klägerin. Auch ist ein uneinheitliches Stimmverhalten im Einzelfall (hier in der konstituierenden Ratssitzung vom 16. Juni 2014 zum TOP 3.1 „Ausschussstruktur beibehalten – Antrag der Fraktion M1. vom 6. Juni 2014“, wobei der Rat mehrheitlich mit den Stimmen der Mitglieder der Klägerin H2. und X1. und bei Enthaltung des Mitgliedes der Klägerin L. beschloss, die Behandlung des Antrages der Fraktion M1. auf die Ratssitzung vom 30. Juni 2014 zu vertagen) nicht geeignet, die – im Übrigen offenbar auch tatsächlich praktizierte – Absicht, möglichst gleichgerichteten Wirkens in Frage zu stellen. Ebenso unergiebig ist der vom Beklagten angesprochene Umstand, dass (nur) durch die Ratsgruppe Q. O. am 15. September 2014 eine große Anfrage gem. § 9 Geschäftsordnung zur Abweisung eines Bürgerantrages durch den Beklagten erfolgte. Die Mitglieder der Klägerin haben hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, das Mitglied der Klägerin L. habe sich an dieser großen Anfrage nicht beteiligen wollen, weil es sich im Hinblick darauf als befangen angesehen habe, dass der den Gegenstand der Anfrage darstellende Bürgerantrag von seiner Ehefrau gestellt worden sei. Das ist – unabhängig von der Frage, ob hierdurch ein Mitwirkungshindernis begründet wird – jedenfalls nachvollziehbar.
66Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
67Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
3Dies ist nur der Fall, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wobei es zur Darlegung (§ 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO) dieses Berufungszulassungsgrundes ausreicht, wenn die Begründung einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 ‑ 15 A 2914/09 -, vom 25. September 2008 ‑ 15 A 3231/07 -, vom 9. September 2008 ‑ 15 A 1791/07 ‑ und vom 28. August 2008 - 15 A 1702/07 ‑.
5Für die Darlegung dieses Berufungszulassungsgrundes ist somit erforderlich, dass konkrete tatsächliche oder rechtliche Feststellungen im angefochtenen Urteil aus ebenso konkret dargelegten Gründen als (inhaltlich) ernstlich zweifelhaft dargestellt werden.
6Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 ‑ 15 A 2914/09 - und vom 2. November 1999 ‑ 15 A 4406/99 -.
7Davon ausgehend sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht ersichtlich. Im Einzelnen:
81. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und dabei die Klägerin ohne Rechtsfehler für beteiligtenfähig gemäß § 61 Nr. 2 VwGO gehalten. Hiergegen wendet der Beklagte nichts Durchgreifendes ein. Es geht vorliegend nicht um die Frage, wem das Recht auf Fraktionsbildung zusteht, sondern ob die Klägerin eine Fraktion ist.
92. Das Vorbringen des Beklagten, aus dem „Vorwahlverhalten“ der Mitglieder der Klägerin ergebe sich, dass ihr Zusammenschluss nicht nachhaltig auf ein gleichgerichtetes Zusammenwirken im Sinne der Rechtsprechung des Senats ausgerichtet sei,
10vgl. zu diesem für das Bestehen einer Fraktion i. S. v. § 56 Abs. 1 S. 1 GO NRW notwendigem Kriterium OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2013 – 15 B 279/13 -, juris,
11weshalb der Klägerin kein Fraktionsstatus i. S. v. § 56 Abs. 1 S. 1 GO NRW zukomme, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung.
12Zum einen geht aus der für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Antragsbegründung nur vage hervor, worin das gegen die Fraktionsbildung im Sinne vorzitierter Vorschrift sprechende „Vorwahlverhalten“ der Mitglieder der Klägerin konkret liegen soll. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang überzeugend ausgeführt, dass die bei den Mitgliedern der Klägerin festzustellende grundsätzliche politische Übereinstimmung durch ihr Verhalten im Wahlkampf und unmittelbar nach der Kommunalwahl 2014 nicht in Frage gestellt werde. Dass gerade kleinere, demselben politischen Spektrum zuzuordnende Parteien einen intensiven, um Abgrenzung und Profilierung bemühten und den direkten Konkurrenten u. U. auch hart angehenden Wahlkampf führen, ist politische Normalität und kann daher – wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – bei späterer Gründung einer Fraktion nicht als Indiz für eine fehlende grundsätzliche politische Übereinstimmung herangezogen werden. Der Beklagte überbewertet das Verhalten der Mitglieder der Klägerin im Wahlkampf. Er nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass die Wählerklientel der hier in Rede stehenden Wahlvorschlagsträger klein und politisch weitgehend ähnlich ausgerichtet ist. Mit Blick auf den Mangel an inhaltlichen Abgrenzungskriterien haben die hinter den Mitgliedern der Klägerin stehenden Parteien durch die Art und Weise des Wahlkampfes auf die Wahlentscheidung ihres Wähler-klientels Einfluss zu nehmen versucht.
13Eine andere Beurteilung des Vorgangs ist auch nicht unter Berücksichtigung des Verhaltens des Ratsmitglieds L. am 18. Dezember 2013 angezeigt, als dieser persönlich Erklärungen über das Zurückziehen von Unterstützungsunterschriften für die Gruppierung „ “ übergab. Dieses weit vor der Kommunalwahl liegende Verhalten des Ratsmitglieds L. reicht nicht aus, um die aus der Gesamtschau der Indizien abzuleitende Fraktionseigenschaft der Klägerin i. S. v. § 56 Abs. 1 S. 1 GO NRW durchgreifend in Frage zu stellen.
14Dies gilt auch für den vom Beklagten in Bezug genommenen Umstand, das Ratsmitglied L. habe nach der Wahl noch andere Bündnismöglichkeiten ausgelotet, bevor er sich der Klägerin angeschlossen habe. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hierin kein gegen eine grundsätzliche politische Übereinstimmung der Mitglieder der Klägerin sprechendes Indiz gesehen, und zwar auch soweit das Ratsmitglied L. etwa Sympathien in Richtung der Fraktion geäußert haben soll. Es gehört vielmehr zu normalen politischen Geschehensabläufen, vor dem Abschluss von Fraktions- oder Koalitionsvereinbarungen verschiedene Bündnismöglichkeiten auszuloten. Dabei ist es – wie der Senat bereits an anderer Stelle festgestellt hat – kein wirklichkeitsfernes politisches Phänomen, dass selbst zwischen Vertretern gegensätzlicher extremer politischer Anschauungen in Wirklichkeit dennoch in vielen Fragen eine grundsätzliche politische Übereinstimmung besteht.
15OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 -,
163. Der Beklagte geht ferner davon aus, dass die Aufstellung des „11-Punkte-Plans“ erst zur „zweiten“ Fraktionsgründung gegen die Ernsthaftigkeit des Zusammenschlusses der Klägerin spreche. Dem folgt der Senat nicht. Selbst wenn die Mitglieder der Klägerin mit diesem Plan auf die rechtlichen Vorhaltungen des Beklagten reagiert haben, liegt darin kein die Fraktionseigenschaft i. S. v. § 56 Abs. 1 S. 1 GO NRW ausschließender Umstand. Es entspricht vielmehr rechtsstaatlichen Grundsätzen, innerhalb eines Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens unter Berücksichtigung ggf. zu beachtender (gesetzlicher) Ausschlussfristen zu bestimmten, für den Ausgang des Verfahrens maßgeblichen Aspekten ergänzend und vertiefend vorzutragen bzw. solche Aspekte in das Verfahren einzuführen. Dies entspricht prinzipiell auch der Ansicht des Beklagten, wenn er in seinem Schreiben an die Klägerin vom 11. Juni 2014 ausführt, sie möge zu den erforderlichen übereinstimmenden Grundüberzeugungen substantiierend vortragen.
17Im Übrigen ist auf der Grundlage des Vorbringens des Beklagten nicht erkennbar, dass die im „11-Punkte-Plan“ festgehaltenen politischen Absichten dem Zusammenschluss der Mitglieder der Klägerin nicht von Anfang an zugrunde gelegen haben.
184. Weiterhin schlussfolgert der Beklagte aus den Umständen der „ersten“ Fraktionsgründung vom 3. Juni 2014 und der nachfolgenden „zweiten“ Fraktionsgründung vom 24. Juni 2014, dass dem Zusammenschluss der Klägerin die erforderliche Ernsthaftigkeit fehlt. Dieser Bewertung hat indes schon das Verwaltungsgericht zutreffend entgegen gehalten, dass der am 24. Juni 2014 vorgenommene „zweite“ Zusammenschluss lediglich eine formale Wiederholung des (ersten) Gründungsaktes am 3. Juni 2014 darstelle. Zweck der Wiederholung war, nunmehr in rechtlicher Hinsicht bedenkenfrei zu dokumentieren, dass der Zusammenschluss auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung erfolgte. Dass es sich dabei um ein bloßes Lippenbekenntnis handelte, ist für den Senat nicht ersichtlich. Die Wahlvorschlagsträger der Mitglieder der Klägerin gehören beide zum rechten Parteienspektrum und präsentieren sich inhaltlich weitgehend gleich.
195. Schließlich führt auch die Einschätzung des Beklagten, es ließen sich im Zeitraum von der Kommunalwahl bis heute keine die Fraktionseigenschaft der Klägerin hinreichend belegenden Umstände feststellen, nicht zur Zulassung der Berufung. Im Rahmen der gebotenen Gesamtschau ergibt sich, dass die Klägerin Fraktion i. S. v. § 56 Abs. 1 S. 1 GO NRW ist. Dies hat das Verwaltungsgericht überzeugend und in Übereinstimmung mit der jüngsten Rechtsprechung des Senats,
20vgl. Beschluss vom 12. Dezember 2014 – 15 B 1139/14 -, juris,
21im Einzelnen dargelegt. Für eine hiervon abweichende Würdigung des Sachverhalts besteht auch unter Berücksichtigung der letztlich nur die gegenteilige Auffassung zum Ausdruck bringenden Antragsbegründung des Beklagten kein Anlass.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG.
23Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.