Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 25. Nov. 2014 - Au 3 K 13.1401

bei uns veröffentlicht am25.11.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss des Landratsamtes ... für das Vorhaben „Hochwasserrückhaltebecken ...“ mit Maßnahmen zur Strukturverbesserung an der ... (Gewässer zweiter Ordnung).

1. Der Kläger ist Vollerwerbs- und Biolandwirt und bewirtschaftet nach seinen Angaben als Bioland-Vertragsbetrieb 36,70 Hektar landwirtschaftlich (davon 5,6 Hektar Grünland) und 5,94 Hektar forstwirtschaftlich genutzte Fläche ohne Viehhaltung. Er ist Eigentümer der Grundstücke FlNr. ... mit 6,00 Hektar Ackerland und ... mit 2,12 Hektar Acker-/Grünland sowie 2,35 Hektar Wald der Gemarkung ... und FlNr. 150 der Gemarkung Ried mit 2,80 Hektar Grünland. Die Grundstücke sind ausschließlich als Einstaufläche - die FlNr. ... mit einer Teilfläche von etwa 2/3 und die FlNr. 150 vollständig als Einstaufläche HQ100 (hundertjährliches Hochwasser) sowie zu 3/4 bei einem HQ5 - betroffen. Diese Grundstücke liegen teilweise im Überschwemmungsgebiet der ... - das mit Verordnung vom 31. Oktober 2013 festgesetzt wurde - sowie vollständig im Vorranggebiet Hochwasser nach dem Regionalplan (Region 9).

Mit Schreiben vom 23. Juli 2008 beantragte das Wasserwirtschaftsamt ... für den Vorhabenträger (nunmehr der ...) - unter Vorlage der Entwurfsplanung vom 25. Juni 2008 - die wasserrechtliche Planfeststellung für das streitgegenständliche Vorhaben. Dazu war im Vorfeld eine Untersuchung möglicher Alternativen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes für den Markt ... im Rahmen einer Machbarkeitsstudie (30.6.2003) erfolgt, die dann aufgrund zwischenzeitlicher Hochwasserprobleme bei Gemeinden im Oberlauf der ... (... und ... im Landkreis ...) durch Studie vom 15. März 2007 erweitert worden war. Als erster Schritt zur Umsetzung des Schutzkonzepts sei die Errichtung des Rückhaltebeckens (Volumen 1.250.000 m³) an der ... bei ... vorgesehen; durch das Becken und den gesteuerten Betriebsauslass werde der Hochwasserabfluss der ... in diesem Bereich von 28,3 m³/s auf einen Regelabfluss von 14,5 m³/s reduziert. Daneben sind ein Becken an der ... am südöstlichen Ortsrand von ... und ergänzende Objektschutzmaßnahmen innerorts geplant. Durch die Rückhaltemaßnahmen im Bereich ... werde auch der Hochwasserschutz für die flussabwärts liegenden Gemeinden im ...tal (... und ...) verbessert. Die Planunterlagen wurden vom 30. September bis 31. Oktober 2008 bei der Verwaltungsgemeinschaft ... und vom 10. Oktober bis 10. November 2008 beim Markt ... zur Einsicht ausgelegt.

Der Kläger äußerte sich mit am 20. Oktober 2008 eingegangenem Schreiben (s. Bl. 323 ff. der Behördenakten). Er trug insbesondere vor, seinen Betrieb seit dem Jahr 1996 nach der EG-Öko-Verordnung 2092/91 und den Richtlinien des Biolandverbandes zu bewirtschaften. Von der Planung seien fast 30% seiner landwirtschaftlichen und 40% seiner forstwirtschaftlichen Flächen betroffen; bei einer Überflutung seiner Flächen müsse er mit einer Existenzgefährdung rechnen. Der Erörterungstermin fand im Zeitraum vom 19. bis 21. Oktober 2010 statt; das Ergebnisprotokoll beinhaltet hierzu u. a., dass der Frage nach der Ermittlung der Existenzgefährdung laut Verhandlungsleitung nochmals nachgegangen werde.

Mit Beschluss des ... Augsburg vom 30. Juli 2013 wurde der Plan zur Errichtung des Dammes „Hochwasserrückhaltebecken ...“ bei Flusskilometer 62,250 der ... im Bereich des Ortsteiles ... des Marktes ... mit naturnaher Verlegung eines Grabens einschließlich der notwendigen Ausgleichsmaßnahmen im Bereich südlich des geplanten Dammbauwerkes von Flusskilometer 62,180 bis 63,200 festgestellt. Zudem wurde der Plan zur wesentlichen Umgestaltung der ... durch Durchführung von Strukturverbesserungen im Bereich zwischen Ortsanfang ... und Bahnlinie ... -... bei Flusskilometer ca. 60,400 bis 61,850 sowie Bahnlinie ... -... und geplantem Dammbauwerk bei Flusskilometer ca. 61,850 bis 62,180 festgestellt. Die Nebenbestimmungen enthalten unter A.III.1.6. u. a. Anordnungen zur Beweissicherung der bisherigen Standortverhältnisse. Zur Entschädigung beinhaltet A.VI.1. des Bescheides u. a., dass der ... als Maßnahmeträger verpflichtet ist, Dritten entstehende Vermögensschäden, die ursächlich auf die gegenständliche Gewässerausbaumaßnahme (HRB ...) zurückzuführen sind, auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen (§§ 96, 98, 99 WHG, Art. 47 Satz 1 BayWG) auszugleichen (§ 98 Abs. 1 WHG). Das Rückhaltebecken ... ist danach ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtkonzepts für den Schutz des Marktes ... und in seiner Wirkung unabhängig von weiteren Maßnahmen dieses Konzepts, da es durch Hochwasserrückhalt die Hochwassersituation für ... direkt verbessere. Mit der Umsetzung des Gesamtkonzepts soll die bestehende Bebauung vor einem hundertjährlichen Hochwasserereignis (HQ100) geschützt werden. Das gegenständliche Vorhaben umfasst folgende bauliche Anlagen: Dammbauwerk mit Rücklaufdamm (Länge ca. 250 m, Rücklaufdamm ca. 300 m, Höhe ca. 2,50 m), Durchlassbauwerk (Drosseleinrichtung), Hochwasserentlastung und Rückstauklappe am ...graben. Das Becken mit einem Gesamtstauraum von 1.250.000 m³ ist als Trockenbecken ohne Dauerstau geplant und wird im Hauptschluss von der ... direkt durchflossen. Der Einstau erfolge erst ab einem 2 bis 3-jährlichen Hochwasser (ca. 14 m³/s am Pegel ...). Die Einstaudauer variiere je nach Fülle der Hochwasserwelle und reiche von wenigen Stunden bis zu etwa zwei bis drei Tagen bei einem HQ100. Beim Bemessungsfall 1 (HQ500 = 38,5 m³/s) und beim Bemessungsfall 2 (HQ5000 = 53,8 m³/s) stelle sich bei der 70 m breiten Hochwasserentlastungsanlage eine ca. 0,46 m hohe Überströmung ein; diese Breite gewährleiste die Einhaltung des erforderlichen Freibordes. Der klägerische Einwand sei unbegründet, unter Berücksichtigung der festgesetzten Entschädigungsregelung sei nach den Beurteilungen der Ämter für Landwirtschaft und Forsten ... und ... von keiner Existenzgefährdung auszugehen. Das Grundstück FlNr. ... liege außerhalb der vom Hochwasserrückhaltebecken beanspruchten Flächen; die FlNr. ... sei mit einer Teilfläche von etwa 2/3 und die FlNr. ... sei vollständig als Einstaufläche HQ100 sowie zu 3/4 bei einem HQ5 betroffen. Beide Grundstücke lägen teilweise im vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet der ... sowie vollständig im Vorranggebiet Hochwasser nach dem Regionalplan (s. S. 307 f. des Bescheides).

2. Der Kläger beantragt:

Der Planfeststellungsbeschluss des Landratsamtes ... vom 30. Juli 2013 wird aufgehoben.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, der Beschluss sei rechtswidrig; zumindest sei festzustellen, dass er bis zur Behebung von Mängeln, insbesondere der Lösung des Problems der Existenzgefährdung nicht vollziehbar sei. Der Kläger führe seit 1996 einen Bioland-Betrieb mit speziellen Anforderungen an Pflege und Bewirtschaftung des Bodens, welcher durch das Vorhaben in seiner Existenz massiv gefährdet sei. Dies sei von der Planfeststellungsbehörde rein formal behandelt, aber nicht materiell geprüft worden, obwohl der Kläger die Besorgnis der Existenzgefährdung - neben der Verletzung seines Eigentums wegen fachplanungsrechtlicher Unzulässigkeit des Vorhaben (insofern werde auf Au 3 K 13.1402 u. a. verwiesen) - im Rahmen seiner Einwendungen substantiiert dargelegt habe. Das Amt für Landwirtschaft ... (...) habe in seiner Stellungnahme (vom 19.2.2009 s. Bl. 779 ff. der Behördenakten) festgestellt, dass die Existenzgefährdung bei Aufrechterhaltung des diesbezüglichen Einwands vom örtlich zuständigen Amt (Augsburg) in einem einzelbetrieblichen Gutachten zu überprüfen sei. Zudem sei festgehalten, dass bei Einstauereignissen Ertrags- und Ernteausfallschäden - aufgrund des nicht unerheblichen Flächenanteils des Betriebes - finanzielle und fütterungstechnische Probleme in größerem Umfang zur Folge haben könnten. Falls die Schäden jedoch finanziell ausgeglichen würden, dürfte eine Existenzgefährdung durch das Vorhaben kaum zu erwarten sein, sofern notwendige Futterzukäufe möglich seien. Aufgrund der Begrenztheit des Angebots von ökologisch erzeugten Futtermitteln könnten hochwasserbedingte Engpässe den Betrieb in eine schwierige Lage versetzen. Hinsichtlich des Umfangs der Betroffenheit sei unzutreffend, dass das Grundstück FlNr. ... lediglich zu 2/3 im Einstaubereich eines HQ100 liege. Das Grundstück liege mit einer Fläche von 0,5 bis 1,0 Hektar in derselben Höhenlage, wie das Nachbargrundstück FlNr. ...; diese Teilfläche werde zu Unrecht vom Einstaubereich eines HQ5 ausgenommen. Hierzu - wie auch zur Überflutungsfläche bei einem HQ100 - werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt, da Letztere bei sachverständiger Untersuchung erheblich größer als 136 Hektar sein dürfte; ggf. liege auch das Grundstück FlNr. ... in der Einstaufläche. Selbst wenn dieses nicht überstaut werden sollte, trete aufgrund des Grabensystems und der Topographie bei Hochwasser ein Rückstau ein, der zu erheblichen Bewirtschaftungsausfällen führe.

Der Kläger, der befürchtet im Fall einer Überschwemmung die Umstellungsphase zur Anerkennung als Biobetrieb neu durchlaufen zu müssen, liefere sein Getreide aus kontrolliertem biologischen Anbau an Abnehmer für regionale, biologische Produkte. Er trug im Nachgang zum Augenscheinstermin ergänzend vor, es gebe keine „Biolandverordnung“, zutreffend sei stattdessen die Bezeichnung „Richtlinien des Biolandverbandes“. Der Biograsaufwuchs auf der Grünlandteilfläche der FlNr. ... und der Fläche FlNr. ... werde u. a. teilweise an eine konventionelle Biogasanlage geliefert, in manchen Jahren auch als Heu an Biobetriebe verkauft. Der letzte Schnitt werde regelmäßig an einen Biobetrieb als Einstreu abgegeben.

Mit Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 17. November 2014 wurde ergänzend ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen u. a. für Wasserwirtschaft über die wassertechnischen Voraussetzungen, Berechnungen und Beschreibungen zum Genehmigungsverfahren des Vorhabens (vom 10.11.2014) vorgelegt, auf das im Einzelnen Bezug genommen wird. Danach sei die Standortwahl für das gegenständliche Becken nur anhand der Investitionskosten durchgeführt worden; ein Gesamtkonzept mit gegenseitiger wasserwirtschaftlicher Ergänzung verschiedener Varianten werde nicht dargestellt. Zur Ermittlung des Beckenvolumens ist festgehalten, dass nicht geklärt worden sei, ob dieses auch benötigt werde; der Sachverständige vermisse eine ingenieurmäßige Retentionsberechnung. Eine Variation der Niederschlagshöhe/-dauer hinsichtlich des Scheitelabflusses sei durchgeführt worden, diese sei aber für die Ermittlung des Speichervolumens falsch. Die Retention im Einzugsgebiet werde nicht aufgrund einer Speicherberechnung durchgeführt, sondern es würden „die im Einzugsgebiet vorhandenen Rückhaltemöglichkeiten angesetzt“; dieses Vorgehen entspreche nicht ingenieurmäßigen Ansätzen und sei falsch. Es sei bei der vorhandenen flachen Geländemorphologie ein „fatales Unterfangen“, eine Beckengröße nach dem digitalem Geländemodell zu bestimmen. In einer instationären zweidimensionalen hydraulischen Berechnung werde der maximale Abfluss im Gewässer ... im Unterlauf der Sperre ... bestimmt zu Qmax = 14,5 m³/s; eine gutachterliche Prüfung sei ohne die nicht vorliegende Untersuchung vom 8. März 2008 nicht möglich. In der Umweltverträglichkeitsvorprüfung fehle in der Abwägung das Schutzgut „Mensch“ hinsichtlich der Existenzgefährdung der Betroffenen innerhalb des Staubereiches. Eine Würdigung der Auswirkungen auf das Schutzgut „Landwirtschaft und Existenzgefährdung“ sei nicht vorgenommen worden, ebenso fehle eine Nutzwertanalyse unter Berücksichtigung der Entschädigungsproblematik.

3. Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Selbst bei einem unterstellten Mangel im Abwägungsvorgang wäre dieser nur erheblich, wenn er offensichtlich und für das Ergebnis von Einfluss gewesen wäre, hierfür sei nichts ersichtlich. Relevante Abwägungsfehler seien nicht erkennbar. Die Frage, ob der jeweiligen Planung eine gerechte Interessenabwägung zugrunde liege, sei der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht uneingeschränkt zugänglich. Insbesondere könne ein Rechtsverstoß nicht darin liegen, dass die Behörde sich in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und die Zurückstellung eines anderen entschieden habe. Eine Existenzgefährdung des klägerischen Betriebes sei rechtsfehlerfrei verneint worden; der Kläger habe diese weder hinreichend substantiiert vorgetragen, noch sei eine solche anderweitig ersichtlich. Die Behörde habe die privaten Eigentumsbelange entsprechend ihrer hohen Gewichtung in die Abwägung eingestellt und soweit möglich die Beeinträchtigung der Landwirtschaft berücksichtigt, im Rahmen der Abwägungsentscheidung dem Hochwasserschutz aber Priorität eingeräumt. Die Behörde habe dabei - neben der klägerseits angeführten Stellungnahme des Amtes für Landwirtschaft und Forsten ... (...) - auch die Stellungnahme des örtlichen Amtes für Landwirtschaft und Forsten ... (vom 26.3.2009) berücksichtigt. Ein Ermittlungsdefizit wegen fehlender Einholung eines landwirtschaftlichen Sachverständigengutachtens liege nicht vor. Denn die Flächen des Klägers würden nicht durch Flächenentzug, sondern nur mittelbar in Anspruch genommen, so dass die Einholung eines derartigen Gutachtens nicht veranlasst gewesen sei. Selbst bei einem Verlust von bis zu fünf Prozent der Betriebsflächen, könne die Behörde auch ohne Gutachten davon ausgehen, dass ein Vorhaben nicht zur Existenzgefährdung führe (vgl. BVerwG, U. v. 14.4.2010 - 9 A 13.08). Der Kläger habe keine durchgreifenden Gründe aufgezeigt, die einer Realisierung des Vorhabens entgegenstünden; hierzu werde auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen (s. S. 306 - 317). Hinsichtlich des Ist-Zustandes und der Betroffenheit der Grundstücke werde auf die ergänzende Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes (vom 27.3.2014) verwiesen:

FlNr. ...: Einstaubereich etwa zu 3/4 bei HQ5, vollständig bei HQ100,

FlNr. ...: Einstaubereich HQ5 geringfügig, HQ100 zu 2/3 betroffen,

FlNr. ...: das Grundstück liegt außerhalb des Einstaubereichs des Beckens; der tiefste Punkt liegt bei 464,5 m über NN, die Einstauhöhe HQ100 bei 462,88 m über NN. Danach ist eine Beeinträchtigung auch durch Rückstau über den Graben nicht zu erwarten. Die Überschwemmungssituation der beiden betroffenen Grundstücke werde durch die Planung nicht wesentlich verschlechtert. Das natürliche Überschwemmungsgebiet HQ5 und der HQ5-Einstaubereich des Grundstücks FlNr. ... seien annähernd gleich groß; infolge der Rückstauklappe werde das Grundstück daher durch das Hochwasserrückhaltebecken sogar geringfügig weniger belastet als im derzeitigen Ist-Zustand (vgl. Pläne Nr. 7.2 bis 7.4 des Bescheids). Auch beim Flurstück FlNr. ... seien das natürliche Überschwemmungsgebiet HQ5 und der HQ5-Einstaubereich annähernd identisch; das Grundstück werde aber durch das Hochwasserrückhaltebecken bei seltenen größeren Hochwasserereignissen (HQ100) stärker belastet als im Ist-Zustand.

Ergänzend wurde dargelegt, dass das Wasserwirtschaftsamt das Einstauverhalten auf den Grundstücken FlNr. ... der Gemarkung ... und FlNr. ... der Gemarkung ... erneut geprüft habe. Der Einstau verhalte sich danach wie in der Planung vom 25. Juni 2008 dargestellt.

4. Der vorgesehene Einstaubereich und die klägerischen Grundstücke wurden durch die Berichterstatterin in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 1. August 2014 verwiesen.

5. In der mündlichen Verhandlung stellte der Bevollmächtigte des Klägers einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der exakten Ermittlung der HQ100-Grenzlinie. Die Kammer lehnte den Beweisantrag durch in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschluss ab und gab eine kurze Begründung

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg. Der Planfeststellungsbeschluss des Landratsamtes ... vom 30. Juli 2013 in seiner zur gerichtlichen Prüfung gestellten Form einschließlich des in der mündlichen Verhandlung übergebenen Änderungsbescheids vom 12. November 2014 weist keine Rechtsfehler auf, die zu seiner Aufhebung oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit führen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses am 30. Juli 2013 (st. Rspr.; vgl. BVerwG, B. v. 28.7.2014 - 7 B 22/13 - juris; U. v. 18.7. 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184; B. v. 17.1.2013 - 7 B 18/12 - juris m. w. N.). An der Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts ändert sich auch dann nichts, wenn - wie vorliegend mit Änderungsbescheid vom 12. November 2014 - nach Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses eine punktuelle Nachbesserung in Form einer unwesentlichen Planänderung erfolgt (forstliches Beweissicherungsverfahren; Art. 76 Abs. 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - BayVwVfG). Dieser geänderte Plan beruht zwar im Entstehungsvorgang auf mehreren Beschlüssen; indem der Än-derungsbeschluss dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss „anwächst“, kommt es aber inhaltlich zu einer einheitlichen Planungsentscheidung (vgl. BVerwG, B. v. 17.1.2013 - 7 B 18/12 - juris; U. v. 18.3.2009 - 9 A 31/07 - NVwZ 2010, 63; Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 75 Rn. 47).

A. Die Klage ist zulässig; insbesondere ist der Kläger klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO, denn hierfür genügt nach der Rechtsprechung ein nachteiliges Betroffensein in einem abwägungserheblichen Belang. Zwar entfaltet der angefochtene Planfeststellungsbeschluss aufgrund der diesbezüglich getroffenen Anordnung (s. S. 4 des Bescheids) enteignungsrechtliche Vorwirkung (vgl. § 71 Satz 1 und 3 des Wasserhaushaltsgesetzes - WHG; Art. 28 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über die entschädigungspflichtige Enteignung - BayEG), doch ist der Kläger nicht enteignungsbetroffen, da sein Grundeigentum für das Vorhaben nicht unmittelbar in Anspruch genommen wird. Er kann aber geltend machen, eigene abwägungserhebliche Belange seien nicht bzw. nicht mit dem ihnen gebührenden Gewicht in die Abwägung eingeflossen (vgl. BVerwG, U. v. 2.10.2013 - 9 A 23/12 - NVwZ 2014, 367; U. v. 14.2.1975 - IV C 21.74 - BVerwGE 48, 56; Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 272; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 42 Rn. 112).

Die Klage wurde auch fristgerecht erhoben (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der Planfeststellungsbeschluss vom 30. Juli 2013 wurde am 2. August 2013 öffentlich bekanntgemacht (Art. 74 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG i. V. m. Art. 83 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Wassergesetzes - BayWG - a. F.); nach Art. 81 BayWG sind bei Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. März 2010 bereits begonnene Verfahren nach den bisher geltenden Verfahrensvorschriften zu Ende zu führen (vgl. BayVGH, U. v. 18.12.2012 - 8 B 12.431 - KommunalPraxis BY 2013, 276). Der Beschluss gilt den Betroffenen mit dem Ende der Auslegungsfrist (19.8.2013) gemäß Art. 73 Abs. 5 Satz 3 BayVwVfG als zugestellt; die Klagefrist wurde demnach gewahrt. Mit Blick auf die Einbeziehung des Änderungsbescheids ist davon auszugehen, dass sich der Abwehrwille des Klägers nunmehr gegen die veränderte Planungsentscheidung richtet, in der der ursprüngliche Beschluss inhaltlich - wenn auch modifiziert - weiterwirkt (vgl. BVerwG, U. v. 18.3.2009 - 9 A 31/07 - NVwZ 2010, 63).

B. Die Klage ist jedoch nicht begründet; dies gilt auch für das im Aufhebungsantrag als „minus“ enthaltene Begehren, die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 9.6.2004 - 9 A 11/03 - BVerwGE 121, 72). Denn der Planfeststellungsbeschluss vom 30. Juli 2013 verletzt nicht das aus dem Abwägungsgebot folgende Recht auf gerechte Abwägung schutzwürdiger und mehr als nur geringfügig berührter privater Belange des Klägers (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Kläger ist, wie dargelegt, nicht enteignungsbetroffen. Dementsprechend kann er eine gerichtliche (Abwägungs-)Kontrolle lediglich hinsichtlich seiner eigenen Belange verlangen (vgl. BVerwG, U. v. 2.10.2013 - 9 A 23/12 - NVwZ 2014, 367). Ein sog. Vollüberprüfungsanspruch, der eine gerichtliche Überprüfung auch im Hinblick auf objektive Rechtsverstöße beinhaltet, steht ihm demnach nicht zu.

I.

Rechtsgrundlage des Planfeststellungsbeschlusses ist Art. 68 Abs. 3 WHG. Das streitgegenständliche Hochwasserrückhaltebecken, das nach § 67 Abs. 2 Satz 3 WHG als ein den Hochwasserabfluss beeinflussender Deich- und Dammbau einem Gewässerausbau gleichsteht (vgl. BayVGH, B. v. 19.7.2013 - 8 ZB 12.403 - KommunalPraxis BY 2013, 353; Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, 10. Aufl. 2010, § 67 Rn. 43), bedarf gemäß § 68 Abs. 1 WHG der Planfeststellung. Gleiches gilt für die Maßnahmen zur Strukturverbesserung an bzw. entlang der ... als Gewässerausbau in Form der wesentlichen Umgestaltung eines Gewässers (§ 67 Abs. 2 Satz 1 WHG).

II.

Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich und im Übrigen seitens des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch nicht (mehr) geltend gemacht worden. Zumal Verfahrensvorschriften Drittschutz nur zur Verwirklichung des Rechts auf gerechte Abwägung der durch die Planung berührten Belange des Klägers entfalten (vgl. Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 151).

Unabhängig davon ist der Planfeststellungsbeschluss formell rechtmäßig. Die Zuständigkeit des Landratsamtes Augsburg als untere Wasserbehörde folgt aus Art. 63 Abs. 1 Satz 2 BayWG (der inhaltlich der Vorgängerregelung in Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BayWG a. F. entspricht) i. V. m. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 der Landkreisordnung (LKrO), Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG. Der Planfeststellungsbeschluss ist ordnungsgemäß zu Stande gekommen; Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger zunächst die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für das Vorhaben als erforderlich erachtet hat, ist nicht ersichtlich, dass er geltend machen kann, ihn berührende Umweltbelange seien wegen des Unterlassens einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft ermittelt worden.

Unabhängig davon begegnet die bekanntgemachte gegenteilige Feststellung des Landratsamtes nach Art. 83 Abs. 3 Satz 1 BayWG a. F., keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (s. S. 202 ff der Behördenakten; § 70 Abs. 2 WHG i. V. m. Art. 81 BayWG, Art. 83 Abs. 3 Satz 1 und 2 BayWG a. F. und Nr. 13.13 der Anlage III, I. Teil, zum BayWG a. F., §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 3a Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG und § 3d UVPG a. F. i. V. m. Nr. 13.13 der Anlage 1); im Übrigen besteht auch kein eigenständiges subjektives Recht eines planbetroffenen Klägers auf Durchführung einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung. Die erfolgte Vorprüfung - der die Umweltverträglichkeitsstudie (vom 25.6.2008) sowie eine Würdigung des Wasserwirtschaftsamtes und der Unteren Naturschutzbehörde zugrunde liegen - ist anhand der vorgesehenen Kriterien erfolgt und das Ergebnis ist nachvollziehbar (s. S. 190 ff der Behördenakten). Nachvollziehbarkeit in diesem Sinne bedeutet, dass das Ergebnis der behördlichen Prognose durch ein Gericht nicht auf materielle Richtigkeit, sondern lediglich auf Plausibilität zu überprüfen ist (vgl. VGH BW, B. v. 25.9.2012 - 10 S 731/12 - DVBl 2012, 1506 m. w. N.). Zu beanstandende Rechtsfehler, welche die Nachvollziehbarkeit ausschließen, sind nicht zu erkennen. Insbesondere wurde das Kriterium bzw. Schutzgut „Mensch“ nachvollziehbar berücksichtigt. Die gerügte Nutzwert-analyse stellt ein formalisiertes Verfahren zur Bewertung der Umweltauswirkungen dar, das herangezogen werden kann (vgl. Nr. 0.6.1.3 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPVwV), keineswegs aber zwingend anzuwenden ist.

III.

Die Verletzung einer dem Kläger zustehenden materiellen Rechtsposition ist nicht gegeben. Der Beklagte hat die rechtlich geschützten Belange des Klägers ordnungsgemäß abgewogen.

1. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ist - unabhängig von der vorgenannten eingeschränkten Rügebefugnis des Klägers - gegeben.

a) Die nachfolgenden Darlegungen zur Planrechtfertigung erfolgen daher lediglich ergänzend und mit Blick auf den diesbezüglichen Vortrag des Klägers, zumal dann im Rahmen der Abwägung hinsichtlich der Abschnittsbildung eine Bezugnahme erfolgen kann. Gleichwohl könnte eine fehlende Planrechtfertigung der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar bedarf die Planfeststellung einer den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) Stand haltenden Rechtfertigung, wenn der festgestellte Plan für die Enteignungsbehörde bindend (enteignungsrechtliche Vorwirkung) ist (vgl. BVerfG (Kammer), B. v. 15.2.2007 - 1 BvR 300/06, 1 BvR 848/06 - NVwZ 2007, 573; BVerwG, U. v. 26.4.2007 - 4 C 12/05 - BVerwGE 128, 358; BayVGH, U. v. 18.12.2012 - 8 B 431 - KommunalPraxis BY 2013, 276), jedoch ist der Kläger insoweit mangels unmittelbarer Inanspruchnahme seines Grundeigentums nicht rügebefugt.

Eine Enteignung kann danach nur dann gerechtfertigt sein, wenn das Vorhaben objektiv, d. h. in jeder Beziehung rechtmäßig ist. Da eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist, muss der Zweck der Planung auf die Verwirklichung solcher öffentlicher Belange ausgerichtet sein, die als Gemeinwohlbelange zu qualifizieren sind. Das Vorhaben muss im enteignungsrechtlichen Sinne objektiv erforderlich, d. h. vernünftigerweise geboten sein.

b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das planfestgestellte Vorhaben dient mit seinem Ziel der Verbesserung des Hochwasserschutzes für den Markt ... dem Wohl der Allgemeinheit (vgl. BayVGH, B. v. 19.9.2013 - 8 ZB 11.1052 - juris); mit dem streitgegenständlichen Rückhaltebecken soll als erster Schritt das Schutzkonzept für ... umgesetzt werden. Mit der Umsetzung des Gesamtkonzepts soll die bestehende Bebauung vor einem 100-jährlichen Hochwasserereignis geschützt werden. Nach den Darlegungen des Wasserwirtschaftsamtes kam es bei den Hochwasserereignissen der vergangenen Jahre (z. B. im Jahr 2000, 2002 und 2005) im Ortsbereich von ... u. a. durch Ausuferungen der ... zu erheblichen Sachschäden; die Hochwassersituation der ... in ... ist aus diesen Gründen kritisch und bedarf dringend der wirksamen Entschärfung, größere Abflussspitzen gefährden die am Gewässer liegende Wohn-/Bebauung und Infrastruktur (s. S. 44 ff. des Planfeststellungsbeschlusses; Gutachten im wasserwirtschaftlichen Verfahren vom 2.9.2009 und 27.1.2011, Bl. 834 ff. und 1310 ff. der Behördenakten). Danach ist die Notwendigkeit von technischen Hochwasserschutzmaßnahmen (wie Rückhaltebecken) gegeben, da ein ausreichender Hochwasserschutz von ... nur durch derartige Maßnahmen erreicht werden kann; zudem muss der Durchfluss am Pegel ... von etwa 38,9 m³/s auf rund 26,9 m³/s reduziert werden, um ein 100-jährliches Hochwasserereignis (HQ100) ohne größere Schäden beherrschen zu können (s. S. 1311 f., S. 1314 Rückseite der Behördenakten). Das Vorhaben dient dem Wohl der Allgemeinheit, da der Hochwasserschutz (vgl. §§ 72 ff. WHG) einer größeren Anzahl von Anwesen mit einer bestimmten Siedlungsstruktur bezweckt wird (vgl. Schenk in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand 15.9.2012, Art. 39 Rn. 3). Die vorliegende Planung verfolgt damit ein Gemeinwohlinteresse von „nachgerade überragender Bedeutung“ (vgl. BVerfG (Kammer), B. v. 15.3.1998 - 1 BvR 1084/92 - NVwZ 1998, 725).

Darüber hinaus ist das streitgegenständliche Vorhaben auch - im Hinblick auf die konkreten Umstände des Einzelfalles - erforderlich, d. h. vernünftigerweise geboten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Vorhaben nicht erst dann erforderlich, wenn es unausweichlich ist, sondern bereits dann, wenn es objektiv vernünftigerweise geboten ist (vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2007 - 4 C 12/05 - BVerwGE 128, 358). Davon ist hier auszugehen. Denn das planfestgestellte Hochwasserrückhaltebecken stellt ein selbstständig hochwasserwirksames Gewässerausbauvorhaben dar, welches aufgrund seines relativ großen Rückhaltevolumens - unabhängig von weiteren Maßnahmen - bereits einen effektiven Schutz für den Markt ... vor Hochwasser gewährleistet; Begünstigte sind auch die Gemeinden im weiteren Verlauf der ... bis zur Gemeinde ... Die streitgegenständliche Maßnahme führt schon zu einer erheblichen Verbesserung der Hochwassersituation in den Unterliegergemeinden, wenn auch ein 100-jährlicher Hochwasserschutz erst mit Umsetzung des Gesamtkonzepts gewährleistet werden kann. Das geplante Becken bewirkt sowohl eine Verminderung der Abflussspitze als auch eine zeitliche Verzögerung des Hochwasserabflusses für ... und führt dadurch auch zu einer deutlichen Verbesserung der Hochwassersituation in den Gemeinden unterstrom des geplanten Rückhaltebeckens; dabei wurde der notwendige Inhalt des Rückhalteraums des Beckens nachvollziehbar bemessen (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 45; Nr. 4.2.1 des Gutachtens des Wasserwirtschaftsamtes, Bl. 840 der Behördenakten). Die Rüge, dieses sei zu groß bemessen, greift demzufolge nicht durch (s.a. nachfolgend unter 3.c).

Der Einwand, es fehle ein übergreifendes Konzept, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Planfeststellung in Abschnitten oder Stufen ist - vor allem bei der Straßenplanung - üblich und in der Rechtsprechung als grundsätzliche Möglichkeit zur Bildung von Teilabschnitten für ein Gesamtvorhaben anerkannt (vgl. BVerwG, B. v. 24.2.2004 - 4 B 101/03 - juris; U. v. 10.4.1997 - 4 C 5/96 - BVerwGE 104, 236; Czychowski/Reinhardt, WHG, § 69 Rn. 3 f.). Die Voraussetzungen der Abschnittsbildung bei der wasserrechtlichen Planfeststellung regelt § 69 Abs. 1 WHG. Danach können Gewässerausbauten einschließlich notwendiger Folgemaßnahmen, die wegen ihres räumlichen oder zeitlichen Umfangs in selbstständigen Abschnitten oder Stufen durchgeführt werden, in entsprechenden Teilen zugelassen werden, wenn dadurch die erforderliche Einbeziehung der erheblichen Auswirkungen des gesamten Vorhabens auf die Umwelt nicht ganz oder teilweise unmöglich wird. Gewässerausbau ist die Herstellung, die Beseitigung und die wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG). Die Abschnittsbildung setzt demnach ein „Gesamt-Gewässerausbauvor-haben“ zur Herstellung, Beseitigung oder wesentlichen Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer voraus, das nach dem planerischen Ermessen der Planfeststellungsbehörde aufgespalten wird (vgl. BayVGH, B. v. 19.7.2013 - 8 ZB 12.403 - KommunalPraxis BY 2013, 353). Nach diesen Maßgaben ist vorliegend bereits nicht von einem in Teilabschnitte aufgespaltenen Gewässerausbau auszugehen; denn ein in Teilabschnitte aufgespaltetes Ausbauvorhaben gibt es hier nicht. Es liegt vielmehr, wie dargelegt, eine selbstständig hochwasserwirksame Planung vor, die in ihrer Funktionalität und Wirkung - unabhängig von weiteren Maßnahmen - bereits zu einer erheblichen Verbesserung des Hochwasserschutzes an der ... führt. Dementsprechend geht auch die Planfeststellungsbehörde von keiner abschnittsweisen Zulassung i. S. v. § 69 Abs. 1 WHG aus (vgl. S. 55 des Planfeststellungsbeschlusses).

Unabhängig davon besteht vorliegend jedoch auch die Planrechtfertigung für eine abschnittsweise Verwirklichung, so dass das klägerseits vermisste „übergreifende Konzept“ hier auch dann entbehrlich wäre, wenn sich das streitbefangene Vorhaben lediglich als Teilabschnitt eines Gesamtausbauvorhabens darstellen würde. Soweit darüber hinaus vorgetragen wird, der mit dem Vorhaben verfolgte Zweck sei missverständlich dargestellt und es bleibe offen, welche weiteren Maßnahmen und wie das Becken an der ... zu realisieren seien, um den Schutz vor einem HQ100 zu bewirken, greifen diese Einwände aufgrund dessen ebenfalls nicht durch; denn der Bau eines Hochwasserrückhaltebeckens mit einem Schutzniveau unterhalb eines 100-jährlichen Hochwasserereignisses ist hier vernünftigerweise geboten. Wird ein Vorhaben abschnittsweise verwirklicht, ist für die Bejahung der Planrechtfertigung erforderlich, dass für das Gesamtvorhaben ein Bedarf besteht und die Abschnittsbildung zur Durchführung des Gesamtvorhabens „vernünftigerweise geboten“ ist (vgl. BayVGH, B. v. 19.7.2013 - 8 ZB 12.403 - KommunalPraxis BY 2013, 353 m. w. N.). Mit diesen Erfordernissen soll gewährleistet werden, dass die Teilplanung auch dann nicht sinnlos wird, wenn sich das Gesamtplanungskonzept nachträglich als nicht realisierbar erweist oder aufgegeben wird. Ausreichend ist hierbei die Prognose, dass der Verwirklichung der weiteren Planungsschritte keine von vornherein unüberwindlichen rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (vgl. BVerwG, B. v. 24.2.2004 - 4 B 101/03 - juris; U. v. 10.4.1997 - 4 C 5/96 - BVerwGE 104, 236). Entscheidend ist dabei, dass die Gefahr eines funktionslosen Planungstorsos ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 18.3.2009 - 9 A 39/07 - BVerwGE 133, 239; BayVGH, B. v. 19.7.2013 - 8 ZB 12.403 - KommunalPraxis BY 2013, 353 m. w. N.). Die Gefahr eines funktionslosen Planungsabschnitts ist bei der Verwirklichung des planfestgestellten Hochwasserrückhaltebeckens gerade nicht gegeben. Zwar wird entsprechend dem klägerischen Vortrag unter Nr. 1 der Erläuterung zur Entwurfs- und Genehmigungsplanung - die Bestandteil des Bescheides ist (Anlage 1 der Planunterlagen) - zum Vorhabenträger ausgeführt, dass die vorliegende Planung den Schutz des Marktes ... vor einem bis zu 100-jährlichen Hochwasserereignis bewirkt. Sowohl im Rahmen der Erläuterung von Art und Umfang des Vorhabens (s. Nr. 4 des Erläuterungsberichts, Anlage 1 der Planunterlagen) als auch im Planfeststellungsbeschluss kommt jedoch klar zum Ausdruck, dass der HQ100-Schutz für den Markt ... durch das streitgegenständliche Vorhaben und ein Rückhaltebecken an der ... sowie Objektschutzmaßnahmen innerorts erzielt werden kann (s. S. 54 des Planfeststellungsbeschlusses). Zudem ist das Vorhaben nach den insoweit auch klägerseits nicht infrage gestellten Feststellungen des Planfeststellungsbeschlusses - unabhängig von weiteren geplanten Maßnahmen für einen 100-jährlichen Hochwasserschutz - für sich genommen geeignet, zu einer wesentlichen Verbesserung der Hochwassersituation für ... gegenüber dem bisherigen Zustand beizutragen (s.o.).

Ob das angestrebte Ziel zweckmäßigerweise durch andere Maßnahmen an an-derer Stelle mit weniger Belastungen erreicht werden kann, betrifft nicht die Plan-rechtfertigung. Vielmehr ist diese Frage („Variantendiskussion“) im Rahmen der Überprüfung der Abwägungsentscheidung zu behandeln (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 18.7.2007 - 8 ZB 06.2973 - juris; VG Augsburg, U. v. 13.4.2010 - Au 3 K 08.1528 - nachfolgend BayVGH, B. v. 2.8.2010 - 8 ZB 10.1336 - beide juris).

2. Zwingende Versagungsgründe i. S. d. § 68 Abs. 3 WHG, auf die sich der Kläger berufen könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Nach § 68 Abs. 3 WHG darf der Plan nur festgestellt werden, wenn eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken oder eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, nicht zu erwarten ist und andere Anforderungen nach diesem Gesetz oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllt werden.

3. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht - zulasten des Klägers - gegen das Abwägungsgebot.

Das für jede hoheitliche Fachplanung und demnach auch für die wasserrechtliche Planfeststellung geltende Abwägungsgebot verlangt, dass die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, U. v. 18.5.1990 - 7 C 3/90 - BVerwGE 85, 155; B. v. 28.1.2009 - 7 B 45/08 - NVwZ 2009, 521 zu § 31 WHG a. F.). Die gerichtliche Kontrolle des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses ist insoweit darauf beschränkt, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat (Abwägungsausfall), in die Abwägung alle öffentlichen und privaten Belange eingestellt wurden, die nach Lage der Dinge einzustellen waren (Abwägungsdefizit), die Bedeutung dieser Belange zutreffend erkannt wurde und der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen wurde (Abwägungsfehleinschätzung), die zur objektiven Gewichtigkeit der Belange in einem sachgerechten Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität). Innerhalb dieses Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Planfeststellungsbehörde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit für die Zurückstellung eines anderen Belanges entscheidet. Der Behörde ist gerade aufgetragen, in Ausübung ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit eine derartige Abwägung vorzunehmen und dabei alle naheliegenden Vor- und Nachteile zu ermitteln, diese zu gewichten und verantwortlich abzuwägen (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 - BVerwGE 34, 301; U. v. 14.2.1975 - IV C 21.74 - BVerwGE 48, 56; U. v. 7.7.1978 - IV C 79.76 - BVerwGE 56, 110; BayVGH, U. v. 18.12.2012 - 8 B 12.431 - KommunalPraxis BY 2013, 276).

Liegt ein Abwägungsmangel vor, ist dieser gemäß § 70 Abs. 1 Halbsatz 2 WHG i. V. m. Art. 69 Satz 1 BayWG, Art. 75 Abs. 1a Satz 1 BayVwVfG nur dann erheb-lich, wenn er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist (vgl. BVerwG, B. v. 16.8.1995 - 4 B 92/95 - UPR 1995, 445; U. v. 12.8.2009 - 9 A 64/07 - BVerwGE 134, 308). Zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führt ein erheblicher Abwägungsmangel nach Art. 75 Abs. 1a Satz 2 BayVwVfG nur dann, wenn er nicht durch Planergänzung oder in einem ergänzenden Verfahren behoben werden kann.

Ausgehend von diesem Maßstab ist ein erheblicher Abwägungsmangel nicht festzustellen. Die Planfeststellungsbehörde hat die von der Planung betroffenen öffentlichen und privaten Belange in ihrer Bedeutung erkannt, in die Prüfung vollständig eingestellt und gegenüber den übrigen Belangen auch nicht in beachtlicher Weise objektiv fehlgewichtet. Die Verletzung einer dem Kläger zustehenden materiellen Rechtsposition ist nicht gegeben, seinen Belangen wurde bei der gebotenen Abwägung hinreichend Rechnung getragen.

a) Das streitgegenständliche Hochwasserrückhaltebecken stellt - wie dargelegt - ein selbstständig hochwasserwirksames Vorhaben dar. Unabhängig davon begegnet die Bildung von Abschnitten durch die Aufteilung eines Vorhabens in das planfestgestellte Rückhaltebecken und weitere Maßnahmen keinen rechtlichen Bedenken. Denn bei der wasserrechtlichen Planfeststellung ist eine Abschnittsbildung grundsätzlich zulässig (vgl. BayVGH, B. v. 15.11.2010 - 8 CS 10.2078 - juris) und die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend gegeben (s. dazu die vorstehenden Ausführungen unter B.III.1., auf die insoweit Bezug genommen wird).

b) Auch die planerische Abwägung hinsichtlich der Standortwahl bzw. Planungsvarianten leidet nicht an den vom Kläger gerügten Mängeln.

aa) Die Auswahl unter verschiedenen in Frage kommenden Standorten bzw. Varianten gehört zur fachplanerischen Abwägungsentscheidung, die nur begrenzt gerichtlich überprüfbar ist. Die Planfeststellungsbehörde handelt dabei nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Variante ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, durch eigene Ermittlungen ansatzweise zu planen und sich hierbei gar von der Erwägung einer „besseren“ Planung leiten zu lassen (vgl. BVerwG, U. v. 17.5.2002 - 4 A 28/01 - BVerwGE 116, 254). Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl zwischen verschiedenen Varianten sind erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte sich unter Berücksichtigung aller betroffenen Belange als die insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B. v. 12.4.2005 - 9 VR 41/04 - DVBl 2005, 916). Die Planungsbehörde hat, wenn Alternativlösungen ernsthaft in Betracht kommen, sie als Teil des Abwägungsmaterials mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Varianten jeweils berührten Belange unter Einschluss des Gesichtspunkts der Umweltverträglichkeit einzubeziehen. Sie ist aber nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offen zu halten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Auch im Bereich der Planungsalternative braucht sie den Sachverhalt nur so zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist. Die Behörde ist befugt, eine Alternative, die ihr auf der Grundlage einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheint, schon in einem früheren Verfahrensstadium auszuscheiden (vgl. st. Rspr.. BVerwG, U. v. 9.6.2004 - 9 A 11/03 - BVerwGE 121, 72 m. w. N.).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen setzt sich der angefochtene Planfeststellungsbeschluss sowohl mit der Standortwahl für das geplante Rückhaltebecken als auch der Alternativenprüfung bzw. Variantenuntersuchung in ausreichendem Maße auseinander (s. S. 46 ff., 53 und 55 f. des Beschlusses). Danach ergab sich das streitgegenständliche Vorhaben und damit die gewählte Variante als Ergebnis der mit dem Wasserwirtschaftsamt als amtlichen Sachverständigen grundsätzlich abgestimmten Studien (Machbarkeitsstudie und ergänzende Studie). Für die Machbarkeitsstudie wurden zunächst hydrologische und hydraulische Berechnungen der Hochwasserabflüsse durchgeführt. Es erfolgten Untersuchungen verschiedener Standorte und dann alternativ mehrerer Kombinationen von Maßnahmen; ausschlaggebend für das geplante Vorhaben waren dabei u. a. die hohe Wirksamkeit durch die Nähe des Dammbauwerks zu der zu schützenden Bebauung und die günstigen örtlichen Verhältnisse zur Schaffung eines ausreichenden Stauraumvolumens (s.a. Nr. 6 der Anlage 6 der Planunterlagen). In der mündlichen Verhandlung wies der Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes insoweit ergänzend darauf hin, dass nach den Untersuchungen keine Variante ohne ein Hochwasserrückhaltebecken bei ... sinnvoll war; ein Rückhaltebecken bei ... lag nach Ansicht des Wasserwirtschaftsamtes zu weit flussaufwärts, ein Becken bei ... hätte ein Volumen von lediglich 200.000 m³ gebracht. Nach den vorgenannten Maßgaben drängt sich eine andere Variante bzw. Kombination mehrerer kleinerer Becken nicht als vorzugswürdig auf, so dass die Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Verfahrens, dessen Grundlage der eingereichte Plan ist, insoweit auch nicht gehalten war, auf eine Planänderung hinzuwirken (vgl. Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 126).

Die Rügen zur Bemessung bzw. Berechnung des (notwendigen) Rückhaltevolumens des planfestgestellten Vorhabens greifen nicht durch. Der Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes legte diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dar, dass der Beklagte entgegen der Ansicht des klägerseits beigezogenen Sachverständigen nicht von falschen Parametern ausging; den fachlichen Aussagen des Wasserwirtschaftsamtes kommt insofern ein hoher Erkenntniswert zu (vgl. BayVGH, B. v. 19.9.2013 - 8 ZB 11.1052 - juris m. w. N.). Er wies zunächst darauf hin, dass die ortsnahe Hochwasserentlastung maßgebliches Kriterium für die getroffene Standortwahl war sowie, dass die zurückzuhaltende Wassermenge nur mit einem Becken bei ... bewältigt werden kann. Ausgangspunkt der Berechnung des Rückhaltevolumens war dabei, dass in der ...straße in ... noch ein Freibord von 0,5 m verbleiben sollte. Zur Ermittlung des langfristigen Abflusses der ... standen die Aufzeichnungen des Pegels ... - hier werden bzw. wurden regelmäßig die Wasserstände aufgezeichnet - zur Verfügung. Das Niederschlags-Abfluss-Modell, mit dem ermittelt wird, wo welche Wassermenge anfällt, erfasst nach den Ausführungen des Wasserwirtschaftsamtes das ganze Gelände; die Hydrologie wurde mit dem Landesamt für Wasserwirtschaft abgestimmt. Der Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes stellte klar, dass die Annahme der Klägerseite, die Ermittlung des Volumens sei fehlerhaft nur über den Scheitelabfluss erfolgt, unzutreffend ist; denn die Abflusskurve mit der größten Fülle hat zufällig den gleichen Scheitelwert wie die Abflusskurve mit der höchsten Spitze (s.a. S. 14 Anlage 1 der Planunterlagen). Soweit geltend gemacht wird, die Auswirkungen der Klimaänderung seien nicht berücksichtigt worden, d. h. die Planung für das Bemessungshochwasser sei insoweit - in Widerspruch zu den sonstigen Einwänden zur Größe des Beckens - zu gering angelegt, trifft dies ebenfalls nicht zu. Nach Art. 44 Abs. 2 BayWG sind bei der Planung von Hochwasserschutzeinrichtungen die Auswirkungen der Klimaänderung angemessen zu berücksichtigen; in der Gesetzesbegründung hierzu ist ausgeführt, dass bei Festsetzung eines Klimazuschlags von 15% von einer angemessenen Berücksichtigung ausgegangen werden kann (vgl. LT-Drs. 16/2868 S. 44). Im Rahmen des gegenständlichen Hochwasserschutzes wurde den Auswirkungen der Klimaänderung angemessen Rechnung getragen; dies lässt sich sowohl der vorgenannten ergänzenden Studie vom 15. März 2007 (S.4) als auch der Anlage 1 der Planunterlagen (S. 18) entnehmen.

Auch die klägerseits angesprochene Bereitschaft des Marktes ... zur Kostentragung führt insoweit zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Soweit der Kläger vorträgt, die Kostenträgerschaft sei unvollständig dargestellt, ist ebenfalls kein Abwägungsfehler erkennbar. Das Interesse an einer kostengünstigen Lösung gehört zu den abwägungserheblichen öffentlichen Belangen. Es kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch für die Auswahl unter mehreren Varianten ausschlaggebend sein und hätte selbst gegenüber dem Interesse eines Grundeigentümers, nicht enteignend in Anspruch genommen zu werden, keinen generellen Nachrang (vgl. BVerwG, U. v. 3.3.2011 - 9 A 8/10 - BVerwGE 139, 150; U. v. 27.10.1999 - 11 A 31/98 - NVwZ 2000, 435). Demgegenüber war vorliegend das günstige Kosten-Nutzenverhältnis lediglich ein maßgebliches Kriterium für das streitgegenständliche Vorhaben (neben anderen Kriterien, s.o.). Soweit die Marktgemeinde ... sozusagen für die - durch die Hochwasserschutzmaßnahme begünstigte - örtliche Gemeinschaft Verpflichtungen übernimmt, um das geplante Vorhaben durchführbar zu machen, führt dies insoweit zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Vielmehr sieht Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BayWG (der Art. 57 Abs. 2 Satz 2 BayWG a. F. ersetzt) gerade ein Eintrittsrecht der örtlich zuständigen Gemeinde vor, so dass es in deren Ermessen steht, Beiträge der Kosten des Ausbauvorhabens, das den Vorteil einer Schadensabwehr beinhaltet, zu übernehmen (vgl. Schenk in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand: 15.3.2014, Art. 42 BayWG 2010 Rn. 21; Rottenwallner ZfW 2014, 27 ff.). Zudem ist festzuhalten, dass in Anlage 2 der Planunterlagen eine Kostenschätzung enthalten ist, welche die Investitionskosten zur Umsetzung des geplanten Beckens und der Strukturverbesserungen beinhaltet. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, denn die Kosten eines Vorhabens können erst dann exakt berechnet werden, wenn die komplette Ausbauplanung vorliegt und alle Gewerke vergeben sind (vgl. Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 127). Die der Variantenprüfung zugrunde liegende Kostenschätzung kann daher grundsätzlich nur dann gerichtlich beanstandet werden, wenn keine geeigneten Erkenntnismittel herangezogen wurden oder die gezogenen Schlüsse nicht nachvollziehbar sind (vgl. BVerwG, U. v. 3.3.2011 - 9 A 8/10 - BVerwGE 139, 150; U. v. 5.12.1986 - 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 zur gerichtlichen Überprüfung von Prognosen). Anhaltspunkte dafür sind vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich.

c) Die Planfeststellungsbehörde hat auch den privaten Belangen des Klägers - die dieser vor allem mit Blick auf seinen Biobetrieb geltend macht - in der rechtlich gebotenen Weise Rechnung getragen. Sie macht - wie dargelegt - von ihrer eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit nicht schon dann fehlerhaften Gebrauch, wenn sie sich in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Hintansetzung eines anderen entscheidet. Für abwägungserhebliche Belange gilt, dass sie in der Abwägung hinter gewichtigere gegenläufige Belange zurückgestellt werden dürfen; auch die Wahrung von Eigentümerinteressen nötigt die Behörde nicht zur Wahl einer Variante, die sich ihr nach Lage der Dinge nicht als bessere Lösung aufzudrängen brauchte (vgl. BVerwG, U. v. 23.2.2005 - 4 A 1/04 - DVBl 2005, 913; U. v. 9.11.2000 - 4 A 51/98, 4 VR 21/98 - NVwZ 2001, 682 m. w. N.).

aa) Gemessen hieran begegnet die angefochtene Abwägungsentscheidung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landratsamt Augsburg hat im Rahmen der Abwägung berücksichtigt, dass die Durchführung der Hochwasserschutzmaßnahme einen öffentlichen Belang mit sehr hohem Gewicht darstellt und der beabsichtigte Gewässerausbau dem Wohl der Allgemeinheit dient; durch die Maßnahme wird der Hochwasserschutz für bebaute Bereiche von ..., ... und ... verbessert (s. S. 41, 62 des Planfeststellungsbeschlusses). Ausweislich der Stellungnahmen im Planfeststellungsbeschluss zu den Einwendungen des Klägers hat sich die Planfeststellungsbehörde mit der Situation seiner Grundstücke und mit den durch das Vorhaben bedingten Veränderungen dieser Situation konkret auseinander gesetzt (s. S. 306 ff. des Planfeststellungsbeschlusses). Die Behörde hat über die Einwendungen entschieden und trotz abwägungserheblicher privater Belange und nachteiliger Wirkungen sich gleichwohl für die Verwirklichung des Vorhabens entschieden. Dies macht den Kern ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit aus; es liegt in ihrer Befugnis, die Vorzugswürdigkeit des vorgenannten öffentlichen Belangs gegenüber den privaten Belangen des Klägers zu bestimmen (s. S. 72, 131, 155ff. und 268 ff. des Planfeststellungsbeschlusses; vgl. BVerwG, B. v. 17.2.1997 - 4 VR 17/96, 4 A 41/96 - NuR 1998, 305; U. v. 5.12.1986 - 4 C 13/85 - BVerwGE 75, 214).

bb) Die Planfeststellungsbehörde hat Art und Ausmaß der mittelbaren Betroffenheit der klägerischen Grundstücke ausreichend ermittelt und bei ihrer Entscheidung angemessen berücksichtigt. Dies gilt auch mit Blick auf die geltend gemachte Existenzgefährdung.

Der Kläger kann den Planunterlagen den wesentlichen Umfang seiner mittelbaren Betroffenheit entnehmen, seine Grundstücke sind ausschließlich als Einstaufläche - die FlNr. ... mit einer Teilfläche von etwa 2/3 bei einem HQ100 und nur geringefügug bei einem HQ5 sowie die FlNr. ... vollständig als Einstaufläche HQ100 sowie zu 3/4 bei einem HQ5 - betroffen. Diese Grundstücke liegen teilweise im Überschwemmungsgebiet der ... sowie vollständig im Vorranggebiet Hochwasser nach dem Regionalplan für die Region Augsburg. Die Einstaubereiche bei einem HQ100 und HQ5 sind zudem in den Anlagen Nr. 7.2 bis 7.4 der Planunterlagen, betroffene Waldflächen in Anlage Nr. 7.5 der Planunterlagen dargestellt.

(1) Der Planfeststellungsbeschluss ist demnach hinreichend bestimmt i. S. v. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG; dies gilt auch mit Blick auf die ermittelte Einstaufläche im Falle eines hundertjährlichen Hochwassers. Die Rüge, die Linie, die den Einstau bei HQ100 begrenze, sei unzureichend ermittelt worden, greift demgegenüber nicht durch. In den Planunterlagen und Beschreibungen, die Gegenstand der Planfeststellung sind, wird der Einstaubereich bei einem hundertjährlichen Hochwasser sowohl zeichnerisch als auch mit einer bestimmten Flächengröße (136 Hektar) angegeben; die Gräben, die durch Rückstau ausufern, wurden dabei berücksichtigt und in die Planung einbezogen (s.a. S. 109 des Planfeststellungsbeschlusses; vgl. VG Augsburg, U. v. 13.4.2010 - Au 3 K 08.1528 - nachfolgend BayVGH, B. v. 12.8.2010 - 8 ZB 10.1336 - beide juris). Das gilt auch für die Auswirkungen des Wassereinstaus auf das Grundwasser sowie auf angrenzende Flächen mit und ohne landwirtschaftliche Bodendränung (s. Anlage 3 der Planunterlagen - das überarbeitete hydrogeologische Gutachten vom 14.4.2008 berücksichtigt u. a. die landwirtschaftliche Dränung; S. 58 f., 112 des Bescheids). Bereits in der ergänzenden Stellungnahme (vom 29.4.2014, Bl. 129 der Gerichtsakte) stellte das Wasserwirtschaftsamt u. a. fest, dass weiterhin keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermittlung der Größe der Einstaufläche bestehen. Der Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes legte diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dar, dass entgegen der Ansicht der Klägerseite hierfür nicht lediglich ein horizontales Raster von 50 m und ein vertikales Raster von 3 m angesetzt wurden. Dieses grobe Raster diente zur Bestimmung des Niederschlagsabflussgebietes, klägerseits würden hier zwei Dinge miteinander vermengt. Die bei einem hundertjährlichen Hochwasser vom Einstau betroffenen Flächen wurden vielmehr mittels des digitalen Geländemodells ermittelt und unter Verwendung von Laserscandaten des Vermessungsamtes mittels Fotogrammmetrie überprüft (s.a. Niederschrift zum Augenschein vom 1.8.2014; vgl. zur Verwendung eines digitalen Geländemodells der Vermessungsverwaltung OVG RhPf, U. v. 2.3.2010 - 1 A 10176/09 - Schriftt u Rspr 2010, 26; VG München, U. v. 27.11.2007 - M 2 K 06.4703 - juris; VG Augsburg, U. v. 19.2.2013 - Au 3 K 12.1265 - juris zum vorläufigen Überschwemmungsgebiet bei ...).

Das Gericht hat nach den in den behördlichen Akten vorhandenen Gutachten und den in der mündlichen Verhandlung erfolgten Erläuterungen keine Zweifel an den Erklärungen des Wasserwirtschaftsamtes; zumal den fachlichen Aussagen des Wasserwirtschaftsamtes insofern ein hoher Erkenntniswert zukommt. Allein die Erwiderung des Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung, bei diesen Aussagen handle es sich um nicht nachprüfbare Behauptungen, begründet nicht die Notwendigkeit eines weiteren Gutachtens. Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts eine besondere Bedeutung zukommt, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen. Deshalb haben sie grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2014 - 8 ZB 14.385 - KommunalPraxis BY 2014, 349 m. w. N.; U. v. 14.2.2005 - 26 B 03.2579 - BayVBl 2005, 726). Die Notwendigkeit der Einholung weiterer Gutachten zur Aufhellung des Sachverhalts ist lediglich dann geboten, wenn sich dem Gericht der Eindruck aufdrängen muss, dass das Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend ist, wenn es auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht, wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Sachverständigen bestehen, wenn ein anderer Gutachter über neuere oder überlegenere Forschungsmittel verfügt oder wenn die Erkenntnisse, die in dem Gutachten ihren Niederschlag gefunden haben, durch substantiierte Einwände der Beteiligten ernsthaft infrage gestellt erscheinen (vgl. BVerwG B. v. 23.2.1994 - 4 B 35/94 - BayVBl 1994, 444; BayVGH, B. v. 4.8.2014 - 8 ZB 14.385 - a. a. O.). Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.

(2) Mit der Rüge, der Erwerb der Flächen im HQ5-Einstaubereich sei im Grundstücksverzeichnis nicht vorgesehen, kann der Kläger die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht in Frage stellen.

Nach den Planunterlagen ist hier davon auszugehen, dass die im Zeitpunkt der Planfeststellung gegebene objektive Nutzbarkeit der betroffenen Teilflächen durch den Einstau nicht entzogen bzw. aufgehoben oder ausgeschlossen wird, da diese Teilflächen wie bisher landwirtschaftlich genutzt werden können und mit dem Vorhaben keine (dauerhaften) Nutzungsbeschränkungen verbunden sind. Dementsprechend beinhaltet der angefochtene Bescheid insoweit keine final auf Enteignung gerichteten Planfestsetzungen, wie dies hinsichtlich der für das Dammbauwerk bzw. der für die naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen in Anspruch zu nehmenden Grundstücke bzw. Grundstücksteilflächen der Fall ist (vgl. VG Augsburg, U. v. 25.3.2011 - Au 7 K 10.585 u. a.; nachfolgend BayVGH, B. v. 19.9.2013 - 8 ZB 11.1052 - beide juris). Das Eigentum des Klägers kann insoweit aber mittelbar beeinträchtigt werden, da eine Einwirkung in Form eines Einstaus, d. h. einer Überschwemmung durch das Vorhaben verursacht werden kann (vgl. Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 78, 83; VG München, U. v. 24.6.2014 - M 2 K 13.5909 - juris). Das Vorhaben kann sich demnach - als Folge der Zulassungsentscheidung - auf die klägerischen Teilgrundstücke nachteilig auswirken (vgl. Hönig, Fachplanung und Enteignung, § 13, S. 94), ohne dieses selbst unmittelbar in Anspruch zu nehmen.

Denn maßgeblich hierfür ist, ob ein staatlicher Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben auf vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen, die durch Art 14 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) geschützt sind, gerichtet ist. Dann liegt eine Enteignung, andernfalls eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vor (vgl. Papier in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: Juli 2014, Art. 14 Rn. 359 f.). Eigentumseinwirkungen durch Realakte - ob gezielt gegen das Eigentum gerichtet oder nicht - stellen demnach keine Enteignungen dar. Die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat den zwischenzeitlich in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung „ausgeuferten“ Enteignungsbegriff wieder erheblich eingeschränkt und zum großen Teil auf seinen klassischen Gehalt zurückgeführt (vgl. Papier; a.a.O; Art. 14 Rn. 354; BVerfG, B. v. 15.7.1981 - 1 BvL 77/78 - BVerfGE 58, 300 [sog. Nassauskiesung]; B. v. 22.5.2001 - 1 BvR 1512/97, 1 BvR 1677/97 - BVerfGE 104, 1 [sog. Baulandumlegung]). Danach ist nicht jeder Entzug eine Enteignung i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG; diese ist vielmehr auf solche Fälle beschränkt, in denen Güter hoheitlich beschafft werden (vgl. Papier, a. a. O., Art. 14 Rn. 361 unter Bezugnahme auf BVerfG, B. v. 16.2.2000 - 1 BvR 202/91, 1 BvR 315/99 - BVerfGE 102, 1 [sog. Altlastenentscheidung]; B. v. 22.5.2001 a. a. O.) Auch wenn damit die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums eine erhebliche begriffliche Erweiterung erfahren haben, so unterliegen sie doch eigenen sachlichen Grenzen und können etwa wegen unverhältnismäßiger Einschränkung der privatnützigen Verwend- und Verfügbarkeit des Eigentums unzumutbar sein. Es ergibt sich daher die sachliche Problematik, inwieweit Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums entschädigungslos zulässig sind; die Grenze der entschädigungsfreien Sozialbindung wird überschritten, wenn eine bisher ausgeübte Nutzung, die u. a. der Lage und der Ortsgebundenheit des Eigentums entspricht, untersagt wird (vgl. Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 84; Papier in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 409 und 426).

Ausgehend von diesen Maßgaben begegnet die Annahme des Beklagten, dass insoweit keine Enteignung gegeben ist, vorliegend keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach den Planunterlagen ist das Vorhaben als Trockenbecken ohne Dauerstau geplant und wird im Hauptschluss von der ... direkt durchflossen; der Einstau erfolgt danach erst ab einem 2 bis 3-jährlichen Hochwasser, die Einstaudauer reicht von wenigen Stunden bis zu etwa zwei bis drei Tagen bei einem HQ100. Die Einstauhäufigkeit ist abhängig von der Lage. Die betroffenen klägerischen Grundstücke sind hier insbesondere durch ihre teilweise Lage im Überschwemmungsgebiet und die Lage im Vorranggebiet Hochwasser geprägt (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1993 - 7 C 26/92 - BVerwGE 94, 1 zur sog. Situationsgebundenheit). Der HQ5-Einstaubereich des Grundstücks FlNr. ... deckt sich nahezu mit dem natürlichen Überschwemmungsgebiet im Falle eines HQ5; nach den Darlegungen des Wasserwirtschaftsamtes wird das Grundstück aufgrund der Rückstauklappe durch das Hochwasserrückhaltebecken sogar geringfügig weniger belastet als im derzeitigen Ist-Zustand (vgl. Pläne Nr. 7.2 bis 7.4 der Planunterlagen). Der Planfeststellungsbeschluss beinhaltet diesbezüglich, dass die Grundstücke weiterhin landwirtschaftlich nutzbar sind und der Fortbestand von Wäldern nicht dauerhaft verhindert wird. Dem Einwand des Wert- sowie Einkommensverlustes (Vermögensschäden) infolge Einstau wird durch die Entschädigungsregelung in Ziffer A.VI. und zudem durch Beweissicherung Rechnung getragen; eine Minderung des Verkehrswertes kommt danach nur in Betracht, soweit sie den Ertragswert übersteigt (s. S. 33 f., 63 und 294 des Bescheides), demnach fand auch dieser Belang im Rahmen der Abwägung Berücksichtigung. Die Vorschrift des § 96 WHG, auf die in diesem Zusammenhang Bezug genommen wird, erfasst Fälle, die unterhalb der vorgenannten verfassungsrechtlichen Enteignungsgrenze liegen und gilt u. a. für nachteilige Einwirkungen eines Ausbauvorhabens auf das Recht eines anderen, mithin auch für befürchtete Einstauschäden (vgl. § 70 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 3 WHG); nach § 96 Abs. 1 Satz 4 WHG ist die Minderung des Verkehrswertes auszugleichen, soweit sie die Minderung des Ertragswertes übersteigt (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 96 Rn. 4 f., 9 und 32). Eine Entschädigung erfolgt demnach im Falle eines tatsächlichen Einstaus. Liegt demgegenüber eine Beeinträchtigung vor, die zu einer teilweisen Eigentumsentziehung führt (vgl. VGH BW, v. 30.7.1985 - 5 S 2553/84 - DVBl 1986, 364), bleibt der Rechtsentzug selbst und die Entscheidung über die damit verbundenen Entschädigungsfragen dem ggf. (gesondert) durchzuführenden Enteignungsverfahren vorbehalten (vgl. BVerwG, U. v. 7.7.2004 - 9 A 21/03 - NVwZ 2004, 1358; VG Augsburg, U. v. 25.3.2011 - Au 7 K 10.585 u. a.; nachfolgend BayVGH, B. v. 19.9.2013 - 8 ZB 11.1052 - beide juris).

Der Einwand des Klägers, er erwarte eine Auseinandersetzung mit der Differenzwertmethode, kann die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ebenfalls nicht in Frage stellen. Denn diese stellt lediglich eine mögliche Methode zur Ermittlung eines enteignungsrechtlich relevanten Arrondierungsschadens dar (vgl. BGH, U. v. 8.10.1981 - III ZR 46/80 - DVBl 1982, 352; OLG Hamburg, U. v. 13.9.1996 - 1 U 203/94 - OLGR Hamburg 1997, 38).

Soweit für landwirtschaftliche Grundstücke, die bei Hochwasser (neu) überflutet werden, die Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit empfohlen wird, ergibt sich hieraus - unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der Dar-legungen im Planfeststellungsbeschluss - nicht, dass diese im vorliegenden Fall zwingend erforderlich ist. Zwar gewährt die Planfeststellung, auch wenn sie prinzipiell geeignet ist, eigentumsbeschränkende Wirkungen zulasten Dritter zu entfalten (vgl. Korbmacher, DÖV 1982, 517 ff.), kein Recht, Grundstücke anderer in Besitz zu nehmen (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 70 Rn. 17; Schenk in Sieder/Zeitler, WHG, Stand: 1.5.2014, § 68 Rn. 29 unter Verweis auf § 31 WHG a. F. Rn. 324; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. Aufl. 1987, Rn. 681), jedoch ist vorliegend insoweit, wie dargelegt, von keiner (teilweisen) Enteignung auszugehen, so dass die Flächen im HQ5-Einstaubereich im Grundstücksverzeichnis nicht enthalten sind.

Entgegen der Ansicht des Klägers erfordert hier der Einstau keinen zusätzlichen Duldungsausspruch; denn dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss kommt u. a. Gestaltungswirkung zu. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG regelt die Planfeststellung rechtsgestaltend alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen. Ist der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden, so sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen (vgl. Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG i. V. m. § 70 Abs. 1 WHG; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 75 Rn. 17 und 34 zu dieser Duldungswirkung). Kraft seiner Gestaltungswirkung überwindet der Planfeststellungsbeschluss demnach rechtlich geschützte private und öffentliche Belange, die der Verwirklichung des Vorhabens sonst entgegenstünden (vgl. BVerwG, B. v. 17.12.1993 - 4 B 200/93 - NVwZ 1994, 682).

(3) Auch mit Blick auf die geltend gemachte Existenzgefährdung ist vorliegend im Ergebnis kein Abwägungsfehler festzustellen. Einerseits zeichnet sich - unter Berücksichtigung der gegebenen konkreten Betroffenheit des Klägers - eine reale Möglichkeit der Existenzgefährdung nicht ab. Andererseits konnte die Planfeststellungsbehörde dem vorgenannten öffentlichen Belang des Hochwasserschutzes für bebaute Bereiche gegenüber den abwägungserheblichen Belangen des Klägers Priorität einräumen.

Nutzt der Eigentümer ein Grundstück, das ihm der Planfeststellungsbeschluss entzieht, im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs, kann die Existenz des Betriebes gefährdet sein, wenn der Eigentümer auf den ihm verbleibenden Flächen den Betrieb nicht mehr rentabel führen kann (vgl. BVerwG, U. v. 9.6.2010 - 9 A 20/08 - DVBl 2011, 36; U. v. 14.4.2010 - 9 A 13/08 - BVerwGE 136, 332; U. v. 28.1.1999 - 4 A 18/98 - NuR 1999, 510; BayVGH, B. v. 9.9.2014 - 8 A 13.40047 - juris m. w. N.; VGH BW, U. v. 23.9.2013 - 3 S 284/11 - VblBW 2014, 357; Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG § 74 Rn. 77). Die Planfeststellungsbehörde kann dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig auch ohne Einholung eines landwirtschaftlichen Sachverständigengutachtens davon ausgehen, dass ein Vorhaben nicht zu einer Existenzgefährdung oder gar Existenzvernichtung eines landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebs führt, wenn der Verlust an Eigentumsflächen oder von langfristig gesicherten Pachtflächen einen Anhaltswert von fünf Prozent der Betriebsfläche nicht überschreitet (vgl. BVerwG, U. v. 14.4.2010 - 9 A 13/08 - a. a. O.).

Demgegenüber ist der Kläger, wie dargelegt, vorliegend gerade nicht enteignend betroffen, weil seine Grundstücke durch das Vorhaben nicht unmittelbar - als Deichaufstandsflächen oder für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen - in Anspruch genommen werden; die betroffenen landwirtschaftlichen Teilflächen werden ihm - im Gegensatz zu dem Sachverhalt, welcher der vorgenannten Rechtsprechung zugrunde lag (vgl. BVerwG, U. v. 14.4.2010 - 9 A 13/08 - a. a. O.) - durch den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss nicht entzogen, sondern sie sind ausschließlich als Einstauflächen betroffen. Nach den Planunterlagen ist hier davon auszugehen, dass die im Zeitpunkt der Planfeststellung gegebene objektive Nutzbarkeit der betroffenen Teilflächen durch den Einstau nicht entzogen bzw. aufgehoben wird, weil diese auch im Falle des Klägers wie bisher landwirtschaftlich genutzt werden können und mit dem Vorhaben keine (dauerhaften) Nutzungsbeschränkungen verbunden sind (s.o. III.3.c.bb).

Mit Blick auf die konkrete Betroffenheit des Klägers liegt hier insbesondere keine Abwägungsfehleinschätzung bzw. -disproportionalität vor. Der Kläger ist Vollerwerbs- und Biolandwirt. Er hat daher zu Recht darauf hingewiesen, dass er als Bioland-Vertragsbetrieb speziellen Anforderungen bei Pflege und Bewirtschaftung des Bodens unterliegt und befürchtet bei einem Einstau eine Kontamination durch belastetes Wasser von konventionellen Flächen, mit der Folge, insoweit möglicherweise die Umstellungsphase hinsichtlich der betroffenen Fläche (zur Nutzung als Biobetrieb) erneut durchlaufen zu müssen. Soweit der Kläger aber unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Amtes für Landwirtschaft Krumbach (vom 19.2.2009 s. Bl. 779 ff. der Behördenakten) die Einholung eines einzelbetrieblichen Gutachtens für erforderlich erachtet hat, ist demgegenüber festzuhalten, dass die Fachbehörde dies mit Blick auf notwendige - unter Umständen aber nicht mögliche - Futterzukäufe vorsah. Die Frage des Futterzukaufs bzw. ob diesbezüglich aufgrund begrenztem Bioaufwuchs Engpässe entstehen können, stellt sich jedoch vorliegend mangels Viehhaltung des Klägers nicht. Der Kläger baut vielmehr Getreide an und liefert es nach seinen Darlegungen als kontrollierter biologischer Betrieb an Abnehmer für regionale, biologische Betriebe. Das Grundstück FlNr. ... der Gemarkung ... nutzt er derzeit mit einer Teilfläche von etwa 1,50 Hektar als Ackerland, eine Teilfläche von etwa 0,50 Hektar ist Grünland, ebenso wie FlNr. ... der Gemarkung Ried mit 2,80 Hektar. Den Biograsaufwuchs dieser Grünlandflächen liefert der Kläger nach seinen Angaben teilweise an eine konventionelle Biogasanlage, in manchen Jahren verkauft er diesen auch als Heu an Biobetriebe. Die klägerische Annahme, nahezu 30% seiner landwirtschaftlichen Fläche sei von dem Vorhaben, d. h. als Einstaufläche betroffen, erweist sich folglich als unzutreffend. Die Planfeststellungsbehörde hat im Rahmen ihrer Abwägung - unter Verweis auf die Entschädigungsregelung - die Bedeutung der klägerischen Belange nicht verkannt.

Der Planfeststellungsbeschluss leidet demnach im Hinblick auf die Zurückweisung des Existenzgefährdungseinwands des Klägers an keinem beachtlichen Abwägungsmangel.

4. Nach allem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

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(1) Die Planfeststellungsbehörde stellt den Plan fest (Planfeststellungsbeschluss). Die Vorschriften über die Entscheidung und die Anfechtung der Entscheidung im förmlichen Verwaltungsverfahren (§§ 69 und 70) sind anzuwenden. (2) Im Planfeststell

Wasserhaushaltsgesetz - WHG 2009 | § 68 Planfeststellung, Plangenehmigung


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Wasserhaushaltsgesetz - WHG 2009 | § 14 Besondere Vorschriften für die Erteilung der Bewilligung


(1) Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn die Gewässerbenutzung 1. dem Benutzer ohne eine gesicherte Rechtsstellung nicht zugemutet werden kann,2. einem bestimmten Zweck dient, der nach einem bestimmten Plan verfolgt wird, und3. keine Benutzu

Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG | § 3 Grundsätze für Umweltprüfungen


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(1) Für die Planfeststellung und die Plangenehmigung gelten § 13 Absatz 1 und § 14 Absatz 3 bis 6 entsprechend; im Übrigen gelten die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Für die Erteilung von Planfeststellungen und Plangenehmigungen im Zu

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(1) Dient der Gewässerausbau dem Wohl der Allgemeinheit, so kann bei der Feststellung des Plans bestimmt werden, dass für seine Durchführung die Enteignung zulässig ist. Satz 1 gilt für die Plangenehmigung entsprechend, wenn Rechte anderer nur unwese

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Tenor Die Anträge werden abgelehnt.Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.Der Streitwert wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt. Gründe  1 Die beim sachlich zuständigen Verwaltun

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 07. Apr. 2011 - 9 A 8/10

bei uns veröffentlicht am 07.04.2011

Tenor Der Antrag der Kläger vom 31. März 2011 auf Berichtigung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 17. Februar 2011 wird abgelehnt. Gründe

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 09. Juni 2010 - 9 A 20/08

bei uns veröffentlicht am 09.06.2010

Tatbestand 1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 28. November 2007 und den Planergänzungsbeschluss vom 5. Oktober 2009 für den

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 02. März 2010 - 1 A 10176/09

bei uns veröffentlicht am 02.03.2010

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 15. Juli 2008 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschl

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 25. Feb. 2009 - 9 A 13/08

bei uns veröffentlicht am 25.02.2009

Tenor Der Bescheid vom 02. Januar 2008 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des

Referenzen

(1) Eine nach diesem Gesetz zu leistende Entschädigung hat den eintretenden Vermögensschaden angemessen auszugleichen. Soweit zum Zeitpunkt der behördlichen Anordnung, die die Entschädigungspflicht auslöst, Nutzungen gezogen werden, ist von dem Maß ihrer Beeinträchtigung auszugehen. Hat die anspruchsberechtigte Person Maßnahmen getroffen, um die Nutzungen zu steigern, und ist nachgewiesen, dass die Maßnahmen die Nutzungen nachhaltig gesteigert hätten, so ist dies zu berücksichtigen. Außerdem ist eine infolge der behördlichen Anordnung eingetretene Minderung des Verkehrswerts von Grundstücken zu berücksichtigen, soweit sie nicht nach Satz 2 oder Satz 3 bereits berücksichtigt ist.

(2) Soweit als Entschädigung durch Gesetz nicht wasserwirtschaftliche oder andere Maßnahmen zugelassen werden, ist die Entschädigung in Geld festzusetzen.

(3) Kann auf Grund einer entschädigungspflichtigen Maßnahme die Wasserkraft eines Triebwerks nicht mehr im bisherigen Umfang verwertet werden, so kann die zuständige Behörde bestimmen, dass die Entschädigung ganz oder teilweise durch Lieferung elektrischen Stroms zu leisten ist, wenn die entschädigungspflichtige Person ein Energieversorgungsunternehmen ist und soweit ihr dies wirtschaftlich zumutbar ist. Die für die Lieferung des elektrischen Stroms erforderlichen technischen Vorkehrungen hat die entschädigungspflichtige Person auf ihre Kosten zu schaffen.

(4) Wird die Nutzung eines Grundstücks infolge der die Entschädigungspflicht auslösenden behördlichen Anordnung unmöglich oder erheblich erschwert, so kann der Grundstückseigentümer verlangen, dass die entschädigungspflichtige Person das Grundstück zum Verkehrswert erwirbt. Lässt sich der nicht betroffene Teil eines Grundstücks nach seiner bisherigen Bestimmung nicht mehr zweckmäßig nutzen, so kann der Grundstückseigentümer den Erwerb auch dieses Teils verlangen. Ist der Grundstückseigentümer zur Sicherung seiner Existenz auf Ersatzland angewiesen und kann Ersatzland zu angemessenen Bedingungen beschafft werden, so ist ihm auf Antrag anstelle einer Entschädigung in Geld das Eigentum an einem Ersatzgrundstück zu verschaffen.

(5) Ist nach § 97 die begünstigte Person entschädigungspflichtig, kann die anspruchsberechtigte Person Sicherheitsleistung verlangen.

(1) Über Ansprüche auf Entschädigung ist gleichzeitig mit der dem Anspruch zugrunde liegenden Anordnung zu entscheiden. Die Entscheidung kann auf die Pflicht zur Entschädigung dem Grunde nach beschränkt werden.

(2) Vor der Festsetzung des Umfangs einer Entschädigung nach Absatz 1 hat die zuständige Behörde auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hinzuwirken, wenn einer der Beteiligten dies beantragt. Kommt eine Einigung nicht zustande, so setzt die Behörde die Entschädigung fest.

Ein Ausgleich nach § 52 Absatz 5 und § 78a Absatz 5 Satz 4 ist in Geld zu leisten. Im Übrigen gelten für einen Ausgleich nach Satz 1 § 96 Absatz 1 und 5 und § 97 entsprechend.

(1) Über Ansprüche auf Entschädigung ist gleichzeitig mit der dem Anspruch zugrunde liegenden Anordnung zu entscheiden. Die Entscheidung kann auf die Pflicht zur Entschädigung dem Grunde nach beschränkt werden.

(2) Vor der Festsetzung des Umfangs einer Entschädigung nach Absatz 1 hat die zuständige Behörde auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hinzuwirken, wenn einer der Beteiligten dies beantragt. Kommt eine Einigung nicht zustande, so setzt die Behörde die Entschädigung fest.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss des Landratsamtes A. für das Vorhaben „Hochwasserrückhaltebecken S.“ mit Maßnahmen zur Strukturverbesserung an der Zusam (Gewässer zweiter Ordnung).

1. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. ... der Gemarkung ... mit 10,9611 Hektar, das sich aus einer Gebäude- und Freifläche sowie Acker- und Grünland zusammensetzt und in der südwestlichen Ecke mit einer Maschinenhalle bzw. Feldscheune bebaut ist. Durch das Vorhaben ist das Grundstück als vorübergehendes Baufeld mit 157 m² und als dauerhaft beschränkte Ausgleichsfläche mit 13.148 m² sowie als Einstaufläche (zu etwa ¾) betroffen. Das Grundstück liegt zu etwa 1/3 im Überschwemmungsgebiet der Zusam, dessen Festsetzung mit Verordnung vom 31. Oktober 2013 erfolgte.

Mit Schreiben vom 23. Juli 2008 beantragte das Wasserwirtschaftsamt ... für den Vorhabenträger (nunmehr der Freistaat Bayern) - unter Vorlage der Entwurfsplanung vom 25. Juni 2008 - die wasserrechtliche Planfeststellung für das streitgegenständliche Vorhaben. Dazu war im Vorfeld eine Untersuchung möglicher Alternativen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes für den Markt ... im Rahmen einer Machbarkeitsstudie (30.6.2003) erfolgt, die dann aufgrund zwischenzeitlicher Hochwasserprobleme bei Gemeinden im Oberlauf der Zusam (... und ... im Landkreis G.) durch die Studie vom 15. März 2007 erweitert worden war. Als erster Schritt zur Umsetzung des Schutzkonzepts sei die Errichtung des Rückhaltebeckens (Volumen 1.250.000 m³) an der Zusam bei S. vorgesehen; durch das Becken und den gesteuerten Betriebsauslass werde der Hochwasserabfluss der Zusam in diesem Bereich von 28,3 m³/s auf einen Regelabfluss von 14,5 m³/s reduziert. Daneben sind ein Becken an der Kleinen Roth am südöstlichen Ortsrand von ... und ergänzende Objektschutzmaßnahmen innerorts geplant. Durch die Rückhaltemaßnahmen im Bereich ... werde auch der Hochwasserschutz für die flussabwärts liegenden Gemeinden im Zusamtal (... und ...) verbessert. Die Planunterlagen wurden vom 30. September bis 31. Oktober 2008 bei der Verwaltungsgemeinschaft ... und vom 10. Oktober bis 10. November 2008 beim Markt ... zur Einsicht ausgelegt.

Der Kläger trug mit Schreiben vom 10. November 2008 (Bl. 511 der Behördenakte) insbesondere vor, im Jahr 2001 das landwirtschaftliche Anwesen und die dazugehörenden Flächen seiner Eltern übernommen und seither eine erhebliche Summe für Haus und Anwesen investiert zu haben. Zur Rückzahlung der Kredite verwende er die Miet- und Pachteinnahmen; bei Bau des Dammes würde ein Großteil dieser existenziell notwendigen Einnahmen wegfallen. Das Grundstück FlNr. ... verliere an Wert und könne nicht mehr verpachtet werden; die Maschinenhalle würde durch ständige Überflutungen unbrauchbar.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten (vom 13.11.2008) erhob der Kläger weitere Einwendungen gegen die Planung. Zugleich wurden tabellarische Einwendungen vorgelegt (s. Bl. 349 ff., 402 ff. der Behördenakte). Es wurde im Wesentlichen vorgetragen, der mit dem Vorhaben verfolgte Zweck sei missverständlich dargestellt. Einerseits werde im Erläuterungsbericht angesprochen, dass die vorliegende Maßnahmenplanung den Schutz des Marktes ... bis zu einem HQ100 bewirke, andererseits werde ausgeführt, das Schutzkonzept werde teilweise umgesetzt. Es bleibe offen, welche weiteren Maßnahmen am Oberlauf der Zusam und wie das Becken an der Kleinen Roth zu realisieren seien, um den Schutz vor einem HQ100 zu bewirken. Zudem sei die Kostenträgerschaft unvollständig dargestellt; hier stelle sich die Frage, ob - aufgrund der Bereitschaft des Marktes ... zur Kostentragung und damit zur Entlastung des originär zuständigen Bezirks Schwaben - dieser ein den rechtlichen Anforderungen nicht genügendes Projekt mit falscher Abschnittsbildung am falschen Ort verfolge. Der Kläger sei durch Grundabtretungen bzw. Verkehrswertverluste betroffen. Der Beklagte müsse umfangreiche Flächen erwerben (Deichaufstandsflächen samt Flächen für die Hochwasserentlastung, Flächen für die Verlegung des Grabens vor dem Dammbauwerk, Flächen für den Rücklaufdamm zwischen S. und ... sowie Flächen für die südlich des Dammbauwerks im Rückhaltebecken geplante Strukturverbesserung - Mäandrierung); hierfür gebe es kein Grunderwerbsverzeichnis bzw. keinen Grunderwerbsplan. Aus dem Grundstücksverzeichnis (Beilage 5: Auflistung der Grundstückseigentümer; Lagepläne Maßstab 1:5000) sei nicht ersichtlich, welche Flächen in Anspruch genommen würden. Es werde nicht dargelegt, welche unzumutbaren Restflächen erworben werden müssen; auch der Anspruch auf Entschädigung für die Verkehrswertminderung von Überschwemmungsflächen werde ausgeblendet. Insofern werde eine Auseinandersetzung mit der Differenzwertmethode erwartet. Laut Erläuterungsbericht (S. 23, 43) würden bei einem HQ100 im Rückhaltebecken 136 Hektar überflutet, wohingegen derzeit im Falle eines HQ100 53,5 Hektar überflutet würden. Der Kläger bezweifle die erstgenannte Flächenangabe und befürchte angesichts der zahlreichen Gräben und des zu erwartenden Rückstaus eine Überflutung von etwa 200 Hektar, insbesondere in Richtung ... Zudem werde aufgrund der fehlenden Höhenangaben die Bemessung der Überschwemmungsfläche im Waldbereich in Zweifel gezogen. Es bestehe auch die Gefahr, dass bei einem Einstau das Grundwasser - insbesondere im Bereich der Dämme - ansteige, mit der Folge einer Beeinträchtigung der an das Becken angrenzenden Flächen in Form von Bewirtschaftungserschwernissen und Ertragsausfällen. Der Erläuterungsbericht verweise insoweit auf eine Stellungnahme des Amtes für Landwirtschaft und Forsten ... (vom 28.6.2007), die sich auf eine hydrogeologische Standortuntersuchung einer Ingenieurgesellschaft stütze; danach könne bei Flächen, die 0,5 m höher als der Einstaubereich liegen, davon ausgegangen werden, dass durch einen maximal 10 Tage andauernden erhöhten Grundwasserspiegel (max. 0,5 m unter Geländeoberkante) die landwirtschaftliche Nutzung nicht beeinträchtigt werde. Die Flächen, die 0 bis 0,5 m unter dem Einstaubereich liegen, sollten bei einem Einstau begutachtet und eventuelle Schäden entschädigt werden. Diese spekulative Prognose sei ungeeignet, die diesbezüglichen Eingriffsfolgen abzuschätzen, dies gelte vor allem auch für Schäden, die an den Gebäuden des Ortsteiles ... zu erwarten seien. Die vorgenannte Standortuntersuchung enthalte insoweit divergierende Prognosen; nach der ersten Entwurfsfassung des hydrogeologischen Gutachtens (vom 30.8.2005) sei davon auszugehen, „dass durch den Einstau der Grundwasserspiegel in einem Bereich von 20 bis 40 m ab dem Rand der Einstaufläche erhöht wird“. Demgegenüber beinhalte die überarbeitete Fassung dieses Gutachtens (vom 14.4.2008) hierzu: „Die Berechnungen zeigen, dass an den Rändern des Stauraumes je nach Einstaudauer eine Beeinflussung des Grundwassers bis in eine Entfernung von rund 30 m bis 60 m zu erwarten ist“. Die Eingriffsfolgen für die Waldbestände seien nicht untersucht worden.

Die Planfeststellung leide an mehreren nicht heilbaren Fehlern: Es fehle die Planrechtfertigung, da das Vorhaben untauglich sei, den Markt ... vor einem HQ100 zu schützen. Hinzu komme, dass bei Verwirklichung der im Oberlauf erforderlich erachteten Maßnahmen das Becken zu groß dimensioniert - also nicht erforderlich - sei. Nach den fachplanungsrechtlichen Grundsätzen einer einheitlichen Planungsentscheidung müsse nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ein übergreifendes Konzept verwirklicht werden, dieses fehle. Die durch die Zusam ausgelöste Hochwasserproblematik könne aber nicht isoliert für ... betrachtet werden. Die Planung enthalte keine Variantendiskussion; es werde ohne Begründung festgestellt, dass sich der Vorhabenträger in enger Abstimmung mit der Gemeinde ... für die Alternative 1 entschieden habe, insofern liege ein „totaler Abwägungsausfall“ vor. Es liege eine unzulässige Abschnittsbildung vor. Zudem sei der Klimafaktor, für den die Gesetzesbegründung zu Art. 61 Abs. 2 BayWG einen Zuschlag von 15% auf den Bemessungsabfluss vorsehe, nicht berücksichtigt worden. Vorsorglich werde beantragt, Auflagen (zur Dokumentation der derzeitigen Grundwasserverhältnisse, zur Beweissicherung des Zustandes der Gebäude im Auswirkungsbereich der Maßnahme sowie für ein pflanzensoziologisches Gutachten zur Beweissicherung der derzeitigen Erzeugungsbedingungen) und einen Entschädigungsvorbehalt aufzunehmen. Es werde bestritten, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich ist.

Zum nachgereichten Grundstücksverzeichnis wurde (am 2.7.2012) vorgetragen, die beanspruchte Ausgleichsfläche, um die Zusam mäandernd auszugestalten, betrage unter Berücksichtigung der unregelmäßigen Form tatsächlich 18.000 m².

Mit Beschluss des Landratsamtes A. vom 30. Juli 2013 wurde der Plan zur Errichtung des Dammes „Hochwasserrückhaltebecken S.“ bei Flusskilometer 62,250 der Zusam im Bereich des Ortsteiles S. des Marktes ... mit naturnaher Verlegung eines Grabens einschließlich der notwendigen Ausgleichsmaßnahmen im Bereich südlich des geplanten Dammbauwerkes von Flusskilometer 62,180 bis 63,200 festgestellt. Zudem wurde der Plan zur wesentlichen Umgestaltung der Zusam durch Durchführung von Strukturverbesserungen im Bereich zwischen Ortsanfang ... und Bahnlinie Augsburg-Ulm bei Flusskilometer ca. 60,400 bis 61,850 sowie Bahnlinie Augsburg-Ulm und geplantem Dammbauwerk bei Flusskilometer ca. 61,850 bis 62,180 festgestellt. Zur Entschädigung beinhaltet A.VI. des Bescheides u. a., dass der Freistaat als Maßnahmeträger verpflichtet ist, Dritten entstehende Vermögensschäden, die ursächlich auf die gegenständliche Gewässerausbaumaßnahme (HRB S.) zurückzuführen sind, auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen (§§ 96, 98, 99 WHG, Art. 47 Satz 1 BayWG) auszugleichen (§ 98 Abs. 1 WHG). Das Rückhaltebecken S. ist danach ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtkonzepts für den Schutz des Marktes ... und in seiner Wirkung unabhängig von weiteren Maßnahmen dieses Konzepts, da es durch Hochwasserrückhalt die Hochwassersituation für ... direkt verbessere. Mit der Umsetzung des Gesamtkonzepts soll die bestehende Bebauung vor einem hundertjährlichen Hochwasserereignis (HQ100) geschützt werden. Das gegenständliche Vorhaben umfasst folgende bauliche Anlagen: Dammbauwerk mit Rücklaufdamm (Länge ca. 250 m, Rücklaufdamm ca. 300 m, Höhe ca. 2,50 m), Durchlassbauwerk (Drosseleinrichtung), Hochwasserentlastung und Rückstauklappe am Auegraben. Das Becken mit einem Gesamtstauraum von 1.250.000 m³ ist als Trockenbecken ohne Dauerstau geplant und wird im Hauptschluss von der Zusam direkt durchflossen. Der Einstau erfolge erst ab einem 2 bis 3-jährlichen Hochwasser (ca. 14 m³/s am Pegel F.). Die Einstaudauer variiere je nach Fülle der Hochwasserwelle und reiche von wenigen Stunden bis zu etwa zwei bis drei Tagen bei einem HQ100. Beim Bemessungsfall 1 (HQ500 = 38,5 m³/s) und beim Bemessungsfall 2 (HQ5000 = 53,8 m³/s) stelle sich bei der 70 m breiten Hochwasserentlastungsanlage eine ca. 0,46 m hohe Überströmung ein; diese Breite gewährleiste die Einhaltung des erforderlichen Freibordes. Im Rahmen der Begründung der Entscheidung über die Einwendungen ist u. a. zu Grundstück FlNr. ..., Gemarkung ..., ausgeführt: „Die aus Sicht des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beurteilte unzumutbar landwirtschaftlich bewirtschaftbare Restfläche ist im Plan ‚Restflächen‘ unter Ziffer A.I.3. Anlage 5.6 dargestellt. Das Grundstück liegt ca. zu 1/3 im vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet der Zusam sowie zu 1/2 im Vorranggebiet Hochwasser nach dem Regionalplan“ (s. S. 131, 251 f. und 253 ff. des Bescheides).

2. Der Kläger hat am 16. September 2013 Klage erhoben; er beantragt:

Der Planfeststellungsbeschluss des Landratsamtes A. vom 30. Juli 2013 wird aufgehoben.

Der Beschluss sei rechtswidrig, zumindest sei festzustellen, dass er bis zur Behebung von Mängeln nicht vollziehbar ist. Der Kläger sei unmittelbar in seinem Eigentumsrecht betroffen. Das erst im Mai 2012 nachgereichte Grundstücksverzeichnis sehe vor, dass eine Teilfläche von etwa 13.148 m² des vorgenannten Grundstücks zum Zwecke der Sicherung als naturschutzrechtlicher Ausgleich mit einer Grunddienstbarkeit belastet wird. Dieses Verzeichnis beinhalte nicht den Umfang der Einstaufläche. Unter Bezugnahme auf die erhobenen Einwendungen wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass dem Vorhaben die Planrechtfertigung fehle. Die vorgenannte Machbarkeitsstudie habe fünf Standorte - drei davon am Oberlauf der Zusam - untersucht, eine Begründung für die gewählte Alternative fehle. Insbesondere sei offen, ob das Vorhaben bzw. ein geringerer Schutzgrad als HQ100 den Einstau der Fläche von (mindestens) 136 Hektar rechtfertige und wie hoch der Schutzgrad ist. Der Bescheid gebe nicht an, wo der HQ20-Bereich liege, insofern blieben weitere Anträge, insbesondere hinsichtlich der pflanzensoziologischen Bestandsaufnahme vorbehalten (S. 20 des Bescheids). Dem Vorhaben fehle die Abwägung mit den Eigentümerinteressen; im Erläuterungsbericht werde lediglich eine Stellungnahme des Landwirtschaftsamtes (vom 28.6.2007) angeführt, die sich auf die Eingriffsfolgen außerhalb der Einstaufläche beziehe. Die Machbarkeitsstudie, auf die sich die Planfeststellungsbehörde stütze, untersuche die Varianten ausschließlich hinsichtlich der technischen Realisierbarkeit. Die spezielle Eigentumsbetroffenheit des Klägers werde im Bescheid mangelhaft abgewogen. Es werde zwar festgestellt, dass das klägerische Grundstück zu etwa 3/4 im HQ5-Einstaubereich liege, statt den Erwerb im Grundstücksverzeichnis vorzusehen, werde aber nur eine vage Absichtserklärung festgehalten (s.S. 253 des Bescheides). Bei der noch zu treffenden Abwägungsentscheidung seien folgende Belange aufzuklären: Die tatsächliche Einstaufläche sei (ggf. durch ein Sachverständigengutachten) zu ermitteln, es fehle eine Ermittlung der behaupteten Einstaufläche von 136 Hektar. Es sei unklar, wie die Maschinenhalle geschützt werden soll, der Bescheid (S. 254) verweise lediglich auf eine Stellungnahme der Gemeinde ..., wonach diese nicht vom Hochwasserrückhalt, sondern von einem Hochwasser am ... betroffen sei. Hinsichtlich der Bemessung der Überschwemmungsfläche im Waldbereich bestünden Zweifel, hierzu werde auf die Klagebegründung im Verfahren Au 3 K 13.1404 verwiesen. Bezüglich der Beeinträchtigung der an das Becken angrenzenden Flächen fehle eine Auseinandersetzung mit dem Klägervortrag, es werde lediglich festgestellt, die hydrogeologische Standortuntersuchung sei plausibel und nachvollziehbar.

Mit Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 17. November 2014 wurde ergänzend ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen u. a. für Wasserwirtschaft über die wassertechnischen Voraussetzungen, Berechnungen und Beschreibungen zum Genehmigungsverfahren des Vorhabens (vom 10.11.2014) vorgelegt, auf das im Einzelnen Bezug genommen wird. Danach sei die Standortwahl für das gegenständliche Becken nur anhand der Investitionskosten durchgeführt worden; ein Gesamtkonzept mit gegenseitiger wasserwirtschaftlicher Ergänzung verschiedener Varianten werde nicht dargestellt. Zur Ermittlung des Beckenvolumens ist festgehalten, dass nicht geklärt worden sei, ob dieses auch benötigt werde; der Sachverständige vermisse eine ingenieurmäßige Retentionsberechnung. Eine Variation der Niederschlagshöhe/-dauer hinsichtlich des Scheitelabflusses sei durchgeführt worden, diese sei aber für die Ermittlung des Speichervolumens falsch. Die Retention im Einzugsgebiet werde nicht aufgrund einer Speicherberechnung durchgeführt, sondern es würden „die im Einzugsgebiet vorhandenen Rückhaltemöglichkeiten angesetzt“; dieses Vorgehen entspreche nicht ingenieurmäßigen Ansätzen und sei falsch. Es sei bei der vorhandenen flachen Geländemorphologie ein „fatales Unterfangen“, eine Beckengröße nach dem digitalem Geländemodell zu bestimmen. In einer instationären zweidimensionalen hydraulischen Berechnung werde der maximale Abfluss im Gewässer Zusam im Unterlauf der Sperre S. bestimmt zu Qmax = 14,5 m³/s; eine gutachterliche Prüfung sei ohne die nicht vorliegende Untersuchung vom 8. März 2008 nicht möglich. In der Umweltverträglichkeitsvorprüfung fehle in der Abwägung das Schutzgut „Mensch“ hinsichtlich der Existenzgefährdung der Betroffenen innerhalb des Staubereiches. Eine Würdigung der Auswirkungen auf das Schutzgut „Landwirtschaft und Existenzgefährdung“ sei nicht vorgenommen worden, ebenso fehle eine Nutzwertanalyse unter Berücksichtigung der Entschädigungsproblematik.

3. Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Selbst bei einem unterstellten Mangel im Abwägungsvorgang wäre dieser nur erheblich, wenn er offensichtlich und für das Ergebnis von Einfluss gewesen wäre; hierfür sei nichts ersichtlich. Die Einwendungen zur Planrechtfertigung griffen nicht durch; rechtlich relevante Abwägungsfehler seien nicht erkennbar. Die Planrechtfertigung bestehe, das Vorhaben sei vernünftigerweise geboten (s. S. 43 ff. des Bescheides). Die Entscheidung für das Becken S., das im öffentlichen Interesse liege, sei auch hinsichtlich dessen Wirksamkeit und der privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Anforderungen zum Hochwasserschutz für ... schlüssig, plausibel und nachvollziehbar. Der Untersuchungsrahmen sei ausreichend gewesen; eine günstigere Alternative dränge sich nicht auf. Der Vorhabenträger habe mit Schreiben des Wasserwirtschaftsamtes vom 2. Mai 2014 die der Entscheidung zugrundeliegenden Erwägungen ergänzend erläutert, insbesondere die Kriterien für die Standortwahl der Becken und die Auswahl der Vorzugsvariante (u. a. Becken möglichst nahe am zu schützenden Bereich, keine Beeinträchtigung bebauter Bereiche, Schutz durch eine möglichst geringe Anzahl von Becken, möglichst geringe Eingriffe in Natur und Landschaft, Reduzierung des Flächenbedarfs und der Eigentumsbetroffenheit, Gesamtkosten). Auch das Wasserwirtschaftsamt als amtlicher Sachverständiger habe mit ergänzendem Schreiben vom 29. April 2014 die Geeignetheit des Standorts bestätigt und begründe dies mit der Topographie (Engstelle im Tal) und damit geringer baulicher Eingriffe, der Nähe zu ... und der einhergehenden hohen Wirksamkeit sowie der Größe des realisierbaren Rückhalteraums. Gemessen an den Anforderungen des Abwägungsgebots seien die klägerischen Einwände rechtsfehlerfrei abgewogen worden. Nach der Rechtsprechung seien die Grenzen der planerischen Variantenwahl erst überschritten, wenn sich der Behörde eine andere Lösung hätte aufdrängen müssen (BVerwG, U. v. 9.6.2004 - 9 A 11/03). Im Rahmen der Planentscheidung habe eine sachgerechte Abwägung und ausreichende Gewichtung der Eigentumseingriffe stattgefunden; die Behörde habe aber dem Hochwasserschutz im Rahmen der Abwägungsentscheidung Priorität eingeräumt. Die Inanspruchnahme privaten Eigentums sei gerechtfertigt, da das Vorhaben dem Wohl der Allgemeinheit diene; die Grundstücksverhandlungen seien im Übrigen nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens. Der Vorhabenträger habe die Eigentumsbelange durch folgende Kriterien berücksichtigt: Wahl der Variante mit nur zwei Becken, am Standort S. sei das Dammbauwerk in die schmalste Stelle des Zusamtals in diesem Bereich integriert, Einbau einer Rückstauklappe an der ... Straße, das natürliche Überschwemmungsgebiet bei HQ100 dehne sich nahezu auf die Hälfte des Einstaubereichs des gegenständlichen Beckens aus. Der Grunderwerbsplan, der durch den Plan zu den unwirtschaftlich nutzbaren Restflächen (Stand: 11.2.2013) ergänzt worden sei, genüge den Anforderungen. Eine dingliche Sicherung der HQ5-Einstaufläche sei weder gesetzlich vorgesehen noch anderweitig festgelegt; eine Verpflichtung des Vorhabenträgers zum Erwerb dieser Fläche widerspräche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die dauerhafte dingliche Sicherung bzw. Beschränkung der Ausgleichsflächen sei insoweit das mildere Mittel. Im Rahmen der verfügten Entschädigungsregelung sei § 96 Abs. 4 WHG einschlägig. Die Betroffenheit des klägerischen Grundstücks ergebe sich aus dem Bescheid; dieses liege auch zu etwa 1/3 im zwischenzeitlich festgesetzten (natürlichen) Überschwemmungsgebiet der Zusam. Mangels geeigneter Grundstücke des Freistaates habe auf das klägerische Grundstück als geeignete naturschutzrechtliche Ausgleichsfläche zurückgegriffen werden müssen. Die Maschinenhalle befinde sich außerhalb des Einstaubereichs und werde nach der vorgenannten Stellungnahme vom 29. April 2014 im Hochwasserfall der Zusam auch nicht durch Rückstau oder Ausuferung des ... berührt. Soweit das klägerische Grundstück durch den Einstau erstmalig oder zusätzlich überflutet werde, seien Vermögensschäden entsprechend der Regelung im Bescheid auszugleichen; die vorgesehene Ausgleichsfläche sei Planungsbestandteil und unterliege der verfügten Entschädigungsregelung. Für die zu erwartenden Nachteile (auch Verkehrswertminderung und unwirtschaftlich nutzbare Restflächen) sei eine Entschädigung zu leisten. Nach der fachlichen Beurteilung des amtlichen Sachverständigen bestünden keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermittlung der Einstaufläche; diesbezüglich werde auf Nr. 3.3 und 4.2.2 der Anlage 1 (Erläuterungsbericht) verwiesen. Die Tatsache, dass die detaillierte Höhe des Schutzgrades nicht festgestellt sei, ändere nichts an der Notwendigkeit und Rechtfertigung der Planung, die als eigenständige Maßnahme eine deutliche Verbesserung des Hochwasserschutzes bewirke. Bezüglich der angrenzenden Flächen werde auf den Bescheid (S. 111 f.) verwiesen. Die zur Beweissicherung festgelegte pflanzensoziologische Bestandsaufnahme (A.III.1.6.10 des Bescheides) sei hinreichend bestimmt; der HQ20-Einstaubereich sei noch zu ermitteln. Hinsichtlich der Würdigung der klägerischen Einwendungen werde im Übrigen auf den Bescheid verwiesen.

4. Der vorgesehene Einstaubereich und die klägerischen Grundstücke wurden durch die Berichterstatterin in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 1. August 2014 verwiesen.

5. In der mündlichen Verhandlung stellte der Bevollmächtigte des Klägers einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der exakten Ermittlung der HQ100-Grenzlinie. Die Kammer lehnte den Beweisantrag durch in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschluss ab und gab eine kurze Begründung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg. Der Planfeststellungsbeschluss des Landratsamtes Augsburg vom 30. Juli 2013 in seiner zur gerichtlichen Prüfung gestellten Form einschließlich des in der mündlichen Verhandlung übergebenen Änderungsbescheids vom 12. November 2014 weist keine Rechtsfehler auf, die zu seiner Aufhebung oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit führen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses am 30. Juli 2013 (st. Rspr.; vgl. BVerwG, B. v. 28.7.2014 - 7 B 22/13 - juris; U. v. 18.7. 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184; B. v. 17.1.2013 - 7 B 18/12 - juris m. w. N.). An der Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts ändert sich auch dann nichts, wenn - wie vorliegend mit Änderungsbescheid vom 12. November 2014 - nach Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses eine punktuelle Nachbesserung in Form einer unwesentlichen Planänderung erfolgt (forstliches Beweissicherungsverfahren; Art. 76 Abs. 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - BayVwVfG). Dieser geänderte Plan beruht zwar im Entstehungsvorgang auf mehreren Beschlüssen; indem der Änderungsbeschluss dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss „anwächst“, kommt es aber inhaltlich zu einer einheitlichen Planungsentscheidung (vgl. BVerwG, B. v. 17.1.2013 - 7 B 18/12 - juris; U. v. 18.3.2009 - 9 A 31/07 - NVwZ 2010, 63; Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 75 Rn. 47).

A. Die Klage ist zulässig; insbesondere ist der Kläger klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Die Klagebefugnis eines Grundeigentümers ist gegeben, wenn sein Grundeigentum unmittelbar vom Vorhaben berührt wird und der Planfeststellungsbeschluss insoweit enteignungsrechtliche Vorwirkung entfaltet (vgl. BayVGH, B. v. 25.7.2007 - 8 ZB 06.2667 - juris; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 42 Rn. 112). Der Kläger ist enteignungsbetroffen, denn sein vorgenanntes Grundstück wird in einer Teilfläche (13.148 m²) dauerhaft als - dinglich gesicherte - Ausgleichsfläche in Anspruch genommen, so dass er aufgrund der angeordneten enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. § 71 Satz 1 und 3 des Wasserhaushaltsgesetzes - WHG; Art. 28 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über die entschädigungspflichtige Enteignung - BayEG) unmittelbar in seinem durch Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützten Grundeigentum betroffen ist (vgl. A.III.3.10 des Planfeststellungsbeschlusses; BVerwG, U. v. 12.8.2009 - 9 A 64/07 - BVerwGE 134, 308; U. v. 23.8.1996 - 4 A 29/95 - DBVl. 1997, 68; BayVGH, U. v. 18.12.2012 - 8 B 431 - KommunalPraxis BY 2013, 276).

Die Klage wurde auch fristgerecht erhoben (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der Planfeststellungsbeschluss vom 30. Juli 2013 wurde am 2. August 2013 öffentlich bekanntgemacht (Art. 74 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG i. V. m. Art. 83 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Wassergesetzes - BayWG - a. F.); nach Art. 81 BayWG sind bei Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. März 2010 bereits begonnene Verfahren nach den bisher geltenden Verfahrensvorschriften zu Ende zu führen (vgl. BayVGH, U. v. 18.12.2012 - 8 B 12.431 - KommunalPraxis BY 2013, 276). Der Beschluss gilt den Betroffenen mit dem Ende der Auslegungsfrist (19.8.2013) gemäß Art. 73 Abs. 5 Satz 3 BayVwVfG als zugestellt; die Klagefrist wurde demnach gewahrt. Mit Blick auf die Einbeziehung des Änderungsbescheids ist davon auszugehen, dass sich der klägerische Abwehrwille nunmehr gegen die veränderte Planungsentscheidung richtet, in der der ursprüngliche Beschluss inhaltlich - wenn auch modifiziert - weiterwirkt (vgl. BVerwG, U. v. 18.3.2009 - 9 A 31/07 - NVwZ 2010, 63).

B. Die Klage ist jedoch nicht begründet; dies gilt auch für das im Aufhebungsantrag als „minus“ enthaltene Begehren, die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 9.6.2004 - 9 A 11/03 - BVerwGE 121, 72). Die Planrechtfertigung ist gegeben, der streitgegenständlichen Planung stehen auch keine zwingenden Versagungsgründe entgegen (§ 68 Abs. 3 WHG); Abwägungsmängel sind nicht gegeben.

[24] Der Kläger ist, wie dargelegt, enteignungsbetroffen. Die Planung unterliegt daher einer gerichtlichen Überprüfung auch im Hinblick auf objektive Rechtsverstöße (sog. Vollüberprüfung), soweit der Fehler für die Inanspruchnahme des Grundstückes des Klägers kausal ist. Denn der Kläger hat einen Anspruch darauf, von einer Entziehung seines Grundeigentums verschont zu bleiben, die nicht dem Wohl der Allgemeinheit dient (Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG), insbesondere nicht gesetzmäßig ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.8.2009 - 9 A 64/07 - BVerwGE 134, 308; BayVGH, U. v. 18.12.2012 - 8 B 12.431 - KommunalPraxis BY 2013, 276).

I.

Rechtsgrundlage des Planfeststellungsbeschlusses ist Art. 68 Abs. 3 WHG. Das streitgegenständliche Hochwasserrückhaltebecken, das nach § 67 Abs. 2 Satz 3 WHG als ein den Hochwasserabfluss beeinflussender Deich- und Dammbau einem Gewässerausbau gleichsteht (vgl. BayVGH, B. v. 19.7.2013 - 8 ZB 12.403 - KommunalPraxis BY 2013, 353; Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, 10. Aufl. 2010, § 67 Rn. 43), bedarf gemäß § 68 Abs. 1 WHG der Planfeststellung. Gleiches gilt für die Maßnahmen zur Strukturverbesserung an bzw. entlang der Zusam als Gewässerausbau in Form der wesentlichen Umgestaltung eines Gewässers (§ 67 Abs. 2 Satz 1 WHG).

II.

Der Planfeststellungsbeschluss ist formell rechtmäßig. Die Zuständigkeit des Landratsamtes A. als untere Wasserbehörde folgt aus Art. 63 Abs. 1 Satz 2 BayWG (der inhaltlich der Vorgängerregelung in Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BayWG a. F. entspricht) i. V. m. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 der Landkreisordnung (LKrO), Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG. Der Planfeststellungsbeschluss ist ordnungsgemäß zu Stande gekommen; Verfahrensfehler sind insoweit nicht ersichtlich und im Übrigen seitens des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch nicht (mehr) geltend gemacht worden.

Soweit der Kläger zunächst die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für das Vorhaben als erforderlich erachtet hat, ist festzuhalten, dass gegen die bekanntgemachte gegenteilige Feststellung des Landratsamtes nach Art. 83 Abs. 3 Satz 1 BayWG a. F., keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen (s. S. 202 ff der Behördenakten; § 70 Abs. 2 WHG i. V. m. Art. 81 BayWG, Art. 83 Abs. 3 Satz 1 und 2 BayWG a. F. und Nr. 13.13 der Anlage III, I. Teil, zum BayWG a. F., §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 3a Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG und § 3d UVPG a. F. i. V. m. Nr. 13.13 der Anlage 1). Mit der Anfechtung der Planfeststellung kann der Kläger zwar die von der Behörde nach § 3a Satz 1 UVPG getroffene Feststellung, dass für das Vorhaben keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, inzident überprüfen lassen; denn die Feststellung ist nicht selbstständig anfechtbar (Art. 83 Abs. 3 Satz 3 BayWG a. F.; § 3a Satz 3 UVPG). Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich dabei auf die verfahrensmäßigen und inhaltlichen Anforderungen an die Vorprüfung der UVP-Pflicht im Einzelfall (vgl. BVerwG, U. v. 7.12.2006 - 4 C 16/04 - BVerwGE 127, 208). Sofern für ein Vorhaben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalles im vorgenannten I. Teil vorgesehen ist, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der im II. Teil aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge zu berücksichtigen wären (Nr. 2 Satz 1 und Nr. 4 des II. Teils der Anlage III zum BayWG a. F.). Insoweit muss die Behörde aufgrund summarischer Ermittlungen und Bewertungen eine Prognose anstellen. Angesichts des Gesetzeswortlauts („Einschätzung“ der Behörde) und wegen des Prognosecharakters der Vorprüfung ist davon auszugehen, dass die Behörde einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraum („Einschätzungsprärogative“) besitzt (vgl. BVerwG, U. v. 7.12.2006 - 4 C 16/04 - BVerwGE 127, 208 zum insoweit inhaltsgleichen § 3c Satz 1 UVPG). Ausgehend von diesen Maßgaben ist hier die Vorprüfung - der die Umweltverträglichkeitsstudie (vom 25.6.2008) sowie eine Würdigung des Wasserwirtschaftsamtes und der Unteren Naturschutzbehörde zugrunde liegen - anhand der vorgesehenen Kriterien erfolgt und das Ergebnis ist nachvollziehbar (s. S. 190 ff der Behördenakten).

Nachvollziehbarkeit in diesem Sinne bedeutet, dass das Ergebnis der behördlichen Prognose durch ein Gericht nicht auf materielle Richtigkeit, sondern lediglich auf Plausibilität zu überprüfen ist (vgl. VGH BW, B. v. 25.9.2012 - 10 S 731/12 - DVBl 2012, 1506 m. w. N.). Zu beanstandende Rechtsfehler, welche die Nachvollziehbarkeit ausschließen, liegen lediglich dann vor, wenn die Vorprüfung Ermittlungsfehler aufweist, die so schwer wiegen, dass sie das Ergebnis der Vorprüfung in Frage stellen, oder das Ergebnis die Grenzen des fachlich Vertretbaren überschreitet; vorliegend ist weder das eine noch das andere zu erkennen. Insbesondere wurde im Rahmen der Vorprüfung das Kriterium bzw. Schutzgut „Mensch“ nachvollziehbar berücksichtigt; die gerügte Nutzwertanalyse stellt ein formalisiertes Verfahren zur Bewertung der Umweltauswirkungen dar, das herangezogen werden kann (vgl. Nr. 0.6.1.3 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPVwV), keineswegs aber zwingend anzuwenden ist. Ein im gerichtlichen Verfahren zu beanstandender Fehler im dargestellten Sinne ist demnach nicht gegeben; zumal unabhängig davon kein eigenständiges subjektives Recht des planbetroffenen Klägers auf Durchführung einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Die vorgenannten Vorschriften gewähren - wie Verfahrensvorschriften auch sonst - Drittschutz vielmehr nur zur bestmöglichen Verwirklichung der materiellrechtlichen Rechtspositionen, hier also der entscheidungserheblichen drittschützenden Normen des Umweltrechts einschließlich des Abwägungsgebots, konkret bezogen auf die gerechte Abwägung der eigenen durch die Planung berührten Umweltbelange (vgl. BVerwG, U. v. 20.12.2011 - 9 A 30/10 - DVBl 2012, 501; Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 151). Die Feststellung, dass für das Vorhaben keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, erweist sich nach diesen Maßgaben als rechtmäßig.

[29] III. Der Planfeststellungsbeschluss ist auch materiell rechtmäßig.

1. Die Planrechtfertigung für das streitgegenständliche Vorhaben ist gegeben.

a) Nach § 71 Satz 3 WHG ist der festgestellte Plan dem Enteignungsverfahren zugrunde zu legen und für die Enteignungsbehörde bindend. Wegen dieser enteignungsrechtlichen Vorwirkung der Planfeststellung bedarf die - hier wasserrechtliche - Fachplanung nach ständiger Rechtsprechung einer auch den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG Stand haltenden Rechtfertigung (vgl. BVerfG (Kammer), B. v. 15.2.2007 - 1 BvR 300/06, 1 BvR 848/06 - NVwZ 2007, 573; BVerwG, U. v. 26.4.2007 - 4 C 12/05 - BVerwGE 128, 358; U. v. 6.12.1985 - 4 C 59/82 - BVerwGE 72, 282; BayVGH, U. v. 18.12.2012 - 8 B 431 - KommunalPraxis BY 2013, 276; B. v. 18.1.2005 - 8 Cs 04.1724 - UPR 2005, 454). Denn eine Enteignung kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn das begünstigte Vorhaben objektiv, d. h. in jeder Beziehung rechtmäßig ist. Da eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist, muss der Zweck der Planung auf die Verwirklichung solcher öffentlicher Belange ausgerichtet sein, die als Gemeinwohlbelange zu qualifizieren sind. Das streitgegenständliche Vorhaben muss im enteignungsrechtlichen Sinne objektiv erforderlich, d. h. vernünftigerweise geboten sein.

b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das planfestgestellte Vorhaben dient mit seinem Ziel der Verbesserung des Hochwasserschutzes für den Markt ... dem Wohl der Allgemeinheit (vgl. BayVGH, B. v. 19.9.2013 - 8 ZB 11.1052 - juris); mit dem streitgegenständlichen Rückhaltebecken soll als erster Schritt das Schutzkonzept für ... umgesetzt werden. Mit der Umsetzung des Gesamtkonzepts soll die bestehende Bebauung vor einem 100-jährlichen Hochwasserereignis geschützt werden. Nach den Darlegungen des Wasserwirtschaftsamtes kam es bei den Hochwasserereignissen der vergangenen Jahre (z. B. im Jahr 2000, 2002 und 2005) im Ortsbereich von ... u. a. durch Ausuferungen der Zusam zu erheblichen Sachschäden; die Hochwassersituation der Zusam in ... ist aus diesen Gründen kritisch und bedarf dringend der wirksamen Entschärfung, größere Abflussspitzen gefährden die am Gewässer liegende Wohn-/Bebauung und Infrastruktur (s. S. 44 ff. des Planfeststellungsbeschlusses; Gutachten im wasserwirtschaftlichen Verfahren vom 2.9.2009 und 27.1.2011, Bl. 834 ff. und 1310 ff. der Behördenakten). Danach ist die Notwendigkeit von technischen Hochwasserschutzmaßnahmen (wie Rückhaltebecken) gegeben, da ein ausreichender Hochwasserschutz von ... nur durch derartige Maßnahmen erreicht werden kann; zudem muss der Durchfluss am Pegel F. von etwa 38,9 m³/s auf rund 26,9 m³/s reduziert werden, um ein 100-jährliches Hochwasserereignis (HQ100) ohne größere Schäden beherrschen zu können (s. S. 1311 f., S. 1314 Rückseite der Behördenakten). Das Vorhaben dient dem Wohl der Allgemeinheit, da der Hochwasserschutz (vgl. §§ 72 ff. WHG) einer größeren Anzahl von Anwesen mit einer bestimmten Siedlungsstruktur bezweckt wird (vgl. Schenk in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand 15.9.2012, Art. 39 Rn. 3). Die vorliegende Planung verfolgt damit ein Gemeinwohlinteresse von „nachgerade überragender Bedeutung“ (vgl. BVerfG (Kammer), B. v. 15.3.1998 - 1 BvR 1084/92 - NVwZ 1998, 725).

Darüber hinaus ist das streitgegenständliche Vorhaben auch - im Hinblick auf die konkreten Umstände des Einzelfalles - erforderlich, d. h. vernünftigerweise geboten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Vorhaben nicht erst dann erforderlich, wenn es unausweichlich ist, sondern bereits dann, wenn es objektiv vernünftigerweise geboten ist (vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2007 - 4 C 12/05 - BVerwGE 128, 358). Davon ist hier auszugehen. Denn das planfestgestellte Hochwasserrückhaltebecken stellt ein selbstständig hochwasserwirksames Gewässerausbauvorhaben dar, welches aufgrund seines relativ großen Rückhaltevolumens - unabhängig von weiteren Maßnahmen - bereits einen effektiven Schutz für den Markt ... vor Hochwasser gewährleistet; Begünstigte sind auch die Gemeinden im weiteren Verlauf der Zusam bis zur Gemeinde ... Die streitgegenständliche Maßnahme führt schon zu einer erheblichen Verbesserung der Hochwassersituation in den Unterliegergemeinden, wenn auch ein 100-jährlicher Hochwasserschutz erst mit Umsetzung des Gesamtkonzepts gewährleistet werden kann. Das geplante Becken bewirkt sowohl eine Verminderung der Abflussspitze als auch eine zeitliche Verzögerung des Hochwasserabflusses für ... und führt dadurch auch zu einer deutlichen Verbesserung der Hochwassersituation in den Gemeinden unterstrom des geplanten Rückhaltebeckens; dabei wurde der notwendige Inhalt des Rückhalteraums des Beckens nachvollziehbar bemessen (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 45; Nr. 4.2.1 des Gutachtens des Wasserwirtschaftsamtes, Bl. 840 der Behördenakten). Die Rüge, dieses sei zu groß bemessen, greift demzufolge nicht durch (s. a. nachfolgend unter 3.c).

c) Der Einwand des Klägers, es fehle ein übergreifendes Konzept, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Planfeststellung in Abschnitten oder Stufen ist - vor allem bei der Straßenplanung - üblich und in der Rechtsprechung als grundsätzliche Möglichkeit zur Bildung von Teilabschnitten für ein Gesamtvorhaben anerkannt (vgl. BVerwG, B. v. 24.2.2004 - 4 B 101/03 - juris; U. v. 10.4.1997 - 4 C 5/96 - BVerwGE 104, 236; Czychowski/Reinhardt, WHG, § 69 Rn. 3 f.). Die Voraussetzungen der Abschnittsbildung bei der wasserrechtlichen Planfeststellung regelt § 69 Abs. 1 WHG. Danach können Gewässerausbauten einschließlich notwendiger Folgemaßnahmen, die wegen ihres räumlichen oder zeitlichen Umfangs in selbstständigen Abschnitten oder Stufen durchgeführt werden, in entsprechenden Teilen zugelassen werden, wenn dadurch die erforderliche Einbeziehung der erheblichen Auswirkungen des gesamten Vorhabens auf die Umwelt nicht ganz oder teilweise unmöglich wird. Gewässerausbau ist die Herstellung, die Beseitigung und die wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG). Die Abschnittsbildung setzt demnach ein „Gesamt-Gewässerausbauvorhaben“ zur Herstellung, Beseitigung oder wesentlichen Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer voraus, das nach dem planerischen Ermessen der Planfeststellungsbehörde aufgespalten wird (vgl. BayVGH, B. v. 19.7.2013 - 8 ZB 12.403 - KommunalPraxis BY 2013, 353). Nach diesen Maßgaben ist vorliegend bereits nicht von einem in Teilabschnitte aufgespaltenen Gewässerausbau auszugehen; denn ein in Teilabschnitte aufgespaltetes Ausbauvorhaben gibt es hier nicht. Es liegt vielmehr, wie dargelegt, eine selbstständig hochwasserwirksame Planung vor, die in ihrer Funktionalität und Wirkung - unabhängig von weiteren Maßnahmen - bereits zu einer erheblichen Verbesserung des Hochwasserschutzes an der Zusam führt. Dementsprechend geht auch die Planfeststellungsbehörde von keiner abschnittsweisen Zulassung i. S. v. § 69 Abs. 1 WHG aus (vgl. S. 55 des Planfeststellungsbeschlusses).

Unabhängig davon besteht vorliegend jedoch auch die Planrechtfertigung für eine abschnittsweise Verwirklichung, so dass das klägerseits vermisste „übergreifende Konzept“ hier auch dann entbehrlich wäre, wenn sich das streitbefangene Vorhaben lediglich als Teilabschnitt eines Gesamtausbauvorhabens darstellen würde. Soweit darüber hinaus vorgetragen wird, der mit dem Vorhaben verfolgte Zweck sei missverständlich dargestellt und es bleibe offen, welche weiteren Maßnahmen und wie das Becken an der Kleinen Roth zu realisieren seien, um den Schutz vor einem HQ100 zu bewirken, greifen diese Einwände aufgrund dessen ebenfalls nicht durch; denn der Bau eines Hochwasserrückhaltebeckens mit einem Schutzniveau unterhalb eines 100-jährlichen Hochwasserereignisses ist hier vernünftigerweise geboten. Wird ein Vorhaben abschnittsweise verwirklicht, ist für die Bejahung der Planrechtfertigung erforderlich, dass für das Gesamtvorhaben ein Bedarf besteht und die Abschnittsbildung zur Durchführung des Gesamtvorhabens „vernünftigerweise geboten“ ist (vgl. BayVGH, B. v. 19.7.2013 - 8 ZB 12.403 - KommunalPraxis BY 2013, 353 m. w. N.). Mit diesen Erfordernissen soll gewährleistet werden, dass die Teilplanung auch dann nicht sinnlos wird, wenn sich das Gesamtplanungskonzept nachträglich als nicht realisierbar erweist oder aufgegeben wird. Ausreichend ist hierbei die Prognose, dass der Verwirklichung der weiteren Planungsschritte keine von vornherein unüberwindlichen rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (vgl. BVerwG, B. v. 24.2.2004 - 4 B 101/03 - juris; U. v. 10.4.1997 - 4 C 5/96 - BVerwGE 104, 236). Entscheidend ist dabei, dass die Gefahr eines funktionslosen Planungstorsos ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 18.3.2009 - 9 A 39/07 - BVerwGE 133, 239; BayVGH, B. v. 19.7.2013 - 8 ZB 12.403 - KommunalPraxis BY 2013, 353 m. w. N.). Die Gefahr eines funktionslosen Planungsabschnitts ist bei der Verwirklichung des planfestgestellten Hochwasserrückhaltebeckens gerade nicht gegeben. Zwar wird entsprechend dem klägerischen Vortrag unter Nr. 1 der Erläuterung zur Entwurfs- und Genehmigungsplanung - die Bestandteil des Bescheides ist (Anlage 1 der Planunterlagen) - zum Vorhabenträger ausgeführt, dass die vorliegende Planung den Schutz des Marktes ... vor einem bis zu 100-jährlichen Hochwasserereignis bewirkt. Sowohl im Rahmen der Erläuterung von Art und Umfang des Vorhabens (s. Nr. 4 des Erläuterungsberichts, Anlage 1 der Planunterlagen) als auch im Planfeststellungsbeschluss kommt jedoch klar zum Ausdruck, dass der HQ100-Schutz für den Markt ... durch das streitgegenständliche Vorhaben und ein Rückhaltebecken an der Kleinen Roth sowie Objektschutzmaßnahmen innerorts erzielt werden kann (s. S. 54 des Planfeststellungsbeschlusses). Zudem ist das Vorhaben nach den insoweit auch vom Kläger nicht infrage gestellten Feststellungen des Planfeststellungsbeschlusses - unabhängig von weiteren geplanten Maßnahmen für einen 100-jährlichen Hochwasserschutz - für sich genommen geeignet, zu einer wesentlichen Verbesserung der Hochwassersituation für den Markt ... gegenüber dem bisherigen Zustand beizutragen (s. auch B.III.1.b).

Ob das angestrebte Ziel zweckmäßigerweise durch andere Maßnahmen an anderer Stelle mit weniger Belastungen erreicht werden kann, betrifft nicht die Planrechtfertigung. Vielmehr ist diese Frage („Variantendiskussion“) im Rahmen der Überprüfung der Abwägungsentscheidung zu behandeln (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 18.7.2007 - 8 ZB 06.2973 - juris; VG Augsburg, U. v. 13.4.2010 - Au 3 K 08.1528 - nachfolgend BayVGH, B. v. 2.8.2010 - 8 ZB 10.1336 - beide juris).

2. Verstöße gegen zwingende Vorschriften des Wasserrechts (§ 68 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AltWHG WHG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der streitgegenständlichen Planung stehen auch keine zwingenden Versagungsgründe nach sonstigen öffentlichrechtlichen Vorschriften entgegen (§ 68 Abs. 3 Nr. 2 AltWHG WHG).

3. Der Beklagte hat bei der Feststellung des Plans im Planfeststellungsbeschluss vom 30. Juli 2013 das ihm gesetzlich eingeräumte Planungsermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt; insbesondere verstößt der Planfeststellungsbeschluss nicht gegen das fachplanerische Abwägungsgebot.

Das für jede hoheitliche Fachplanung und demnach auch für die wasserrechtliche Planfeststellung geltende Abwägungsgebot verlangt, dass die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, U. v. 18.5.1990 - 7 C 3/90 - BVerwGE 85, 155; B. v. 28.1.2009 - 7 B 45/08 - NVwZ 2009, 521 zu § 31 WHG a. F.). Die gerichtliche Kontrolle des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses ist insoweit darauf beschränkt, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat, in die Abwägung alle öffentlichen und privaten Belange eingestellt wurden, die nach Lage der Dinge einzustellen waren, die Bedeutung dieser Belange zutreffend erkannt wurde und der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen wurde, die zur objektiven Gewichtigkeit der Belange in einem sachgerechten Verhältnis steht. Innerhalb dieses Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Planfeststellungsbehörde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit für die Zurückstellung eines anderen Belanges entscheidet. Der Behörde ist gerade aufgetragen, in Ausübung ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit eine derartige Abwägung vorzunehmen und dabei alle naheliegenden Vor- und Nachteile zu ermitteln, diese zu gewichten und verantwortlich abzuwägen (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 - BVerwGE 34, 301; U. v. 14.2.1975 - IV C 21.74 - BVerwGE 48, 56; U. v. 7.7.1978 - IV C 79.76 - BVerwGE 56, 110; BayVGH, U. v. 18.12.2012 - 8 B 12.431 - KommunalPraxis BY 2013, 276).

Liegt ein Abwägungsmangel vor, ist dieser gemäß § 70 Abs. 1 Halbsatz 2 WHG i. V. m. Art. 69 Satz 1 BayWG, Art. 75 Abs. 1a Satz 1 BayVwVfG nur dann erheblich, wenn er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist (vgl. BVerwG, B. v. 16.8.1995 - 4 B 92/95 - UPR 1995, 445; U. v. 12.8.2009 - 9 A 64/07 - BVerwGE 134, 308). Zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führt ein erheblicher Abwägungsmangel nach Art. 75 Abs. 1a Satz 2 BayVwVfG nur dann, wenn er nicht durch Planergänzung oder in einem ergänzenden Verfahren behoben werden kann.

Ausgehend von diesem Maßstab ist ein erheblicher Abwägungsmangel nicht festzustellen. Die Planfeststellungsbehörde hat die von der Planung betroffenen öffentlichen und privaten Belange in ihrer Bedeutung erkannt, in die Prüfung vollständig eingestellt und gegenüber den übrigen Belangen auch nicht in beachtlicher Weise objektiv fehlgewichtet. Insbesondere ist das Vorhaben weder unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Abschnittsbildung noch hinsichtlich der Variantenwahl zu beanstanden, auch den Eigentümerinteressen wurde bei der gebotenen Abwägung hinreichend Rechnung getragen.

a) Das streitgegenständliche Hochwasserrückhaltebecken stellt - wie dargelegt - ein selbstständig hochwasserwirksames Vorhaben dar. Unabhängig davon begegnet die Bildung von Abschnitten durch die Aufteilung eines Vorhabens in das planfestgestellte Rückhaltebecken und weitere Maßnahmen keinen rechtlichen Bedenken. Denn bei der wasserrechtlichen Planfeststellung ist eine Abschnittsbildung grundsätzlich zulässig (vgl. BayVGH, B. v. 15.11.2010 - 8 CS 10.2078 - juris) und die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend gegeben (s. B.III.1.).

b) Auch die planerische Abwägung hinsichtlich der Standortwahl bzw. Planungsvarianten leidet nicht an den vom Kläger gerügten Mängeln.

aa) Die Auswahl unter verschiedenen in Frage kommenden Standorten bzw. Varianten gehört zur fachplanerischen Abwägungsentscheidung, die nur begrenzt gerichtlich überprüfbar ist. Die Planfeststellungsbehörde handelt dabei nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Variante ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, durch eigene Ermittlungen ansatzweise zu planen und sich hierbei gar von der Erwägung einer „besseren“ Planung leiten zu lassen (vgl. BVerwG, U. v. 17.5.2002 - 4 A 28/01 - BVerwGE 116, 254). Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl zwischen verschiedenen Varianten sind erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte sich unter Berücksichtigung aller betroffenen Belange als die insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B. v. 12.4.2005 - 9 VR 41/04 - DVBl 2005, 916). Die Planungsbehörde hat, wenn Alternativlösungen ernsthaft in Betracht kommen, sie als Teil des Abwägungsmaterials mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Varianten jeweils berührten Belange unter Einschluss des Gesichtspunkts der Umweltverträglichkeit einzubeziehen. Sie ist aber nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offen zu halten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Auch im Bereich der Planungsalternative braucht sie den Sachverhalt nur so zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist. Die Behörde ist befugt, eine Alternative, die ihr auf der Grundlage einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheint, schon in einem früheren Verfahrensstadium auszuscheiden (vgl. st. Rspr.. BVerwG, U. v. 9.6.2004 - 9 A 11/03 - BVerwGE 121, 72 m. w. N.).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen setzt sich der angefochtene Planfeststellungsbeschluss sowohl mit der Standortwahl für das geplante Rückhaltebecken als auch der Alternativenprüfung bzw. Variantenuntersuchung in ausreichendem Maße auseinander (s. S. 46 ff., S. 53 und S. 55 f. des Beschlusses). Danach ergab sich das streitgegenständliche Vorhaben und damit die gewählte Variante als Ergebnis der mit dem Wasserwirtschaftsamt als amtlichen Sachverständigen grundsätzlich abgestimmten Studien (Machbarkeitsstudie und ergänzende Studie). Für die Machbarkeitsstudie wurden zunächst hydrologische und hydraulische Berechnungen der Hochwasserabflüsse durchgeführt. Es erfolgten Untersuchungen verschiedener Standorte und dann alternativ mehrerer Kombinationen von Maßnahmen; ausschlaggebend für das geplante Vorhaben waren dabei u. a. die hohe Wirksamkeit durch die Nähe des Dammbauwerks zu der zu schützenden Bebauung und die günstigen örtlichen Verhältnisse zur Schaffung eines ausreichenden Stauraumvolumens (s. a. Nr. 6 der Anlage 6 der Planunterlagen). In der mündlichen Verhandlung wies der Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes insoweit ergänzend darauf hin, dass nach den Untersuchungen keine Variante ohne ein Hochwasserrückhaltebecken bei S. sinnvoll war; ein Rückhaltebecken bei ... lag nach Ansicht des Wasserwirtschaftsamtes zu weit flussaufwärts, ein Becken bei ... hätte ein Volumen von lediglich 200.000 m³ gebracht. Nach den vorgenannten Maßgaben drängt sich eine andere Variante bzw. Kombination mehrerer kleinerer Becken nicht als vorzugswürdig auf, so dass die Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Verfahrens, dessen Grundlage der eingereichte Plan ist, insoweit auch nicht gehalten war, auf eine Planänderung hinzuwirken (vgl. Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 126).

Die Rügen zur Bemessung bzw. Berechnung des (notwendigen) Rückhaltevolumens des planfestgestellten Vorhabens greifen nicht durch. Der Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes legte diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dar, dass der Beklagte entgegen der Ansicht des klägerseits beigezogenen Sachverständigen nicht von falschen Parametern ausging; den fachlichen Aussagen des Wasserwirtschaftsamtes kommt insofern ein hoher Erkenntniswert zu (vgl. BayVGH, B. v. 19.9.2013 - 8 ZB 11.1052 - juris m. w. N.). Er wies zunächst darauf hin, dass die ortsnahe Hochwasserentlastung maßgebliches Kriterium für die getroffene Standortwahl war sowie, dass die zurückzuhaltende Wassermenge nur mit einem Becken bei S. bewältigt werden kann. Ausgangspunkt der Berechnung des Rückhaltevolumens war dabei, dass in der Bahnhofstraße in ... noch ein Freibord von 0,5 m verbleiben sollte. Zur Ermittlung des langfristigen Abflusses der Zusam standen die Aufzeichnungen des Pegels F. - hier werden bzw. wurden regelmäßig die Wasserstände aufgezeichnet - zur Verfügung. Das Niederschlags-Abfluss-Modell, mit dem ermittelt wird, wo welche Wassermenge anfällt, erfasst nach den Ausführungen des Wasserwirtschaftsamtes das ganze Gelände; die Hydrologie wurde mit dem Landesamt für Wasserwirtschaft abgestimmt. Der Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes stellte klar, dass die Annahme der Klägerseite, die Ermittlung des Volumens sei fehlerhaft nur über den Scheitelabfluss erfolgt, unzutreffend ist; denn die Abflusskurve mit der größten Fülle hat zufällig den gleichen Scheitelwert wie die Abflusskurve mit der höchsten Spitze (s. a. S. 14 Anlage 1 der Planunterlagen). Soweit geltend gemacht wird, die Auswirkungen der Klimaänderung seien nicht berücksichtigt worden, d. h. die Planung für das Bemessungshochwasser sei insoweit - in Widerspruch zu den sonstigen Einwänden zur Größe des Beckens - zu gering angelegt, trifft dies ebenfalls nicht zu. Nach Art. 44 Abs. 2 BayWG sind bei der Planung von Hochwasserschutzeinrichtungen die Auswirkungen der Klimaänderung angemessen zu berücksichtigen; in der Gesetzesbegründung hierzu ist ausgeführt, dass bei Festsetzung eines Klimazuschlags von 15% von einer angemessenen Berücksichtigung ausgegangen werden kann (vgl. LT-Drucks. 16/2868 S. 44). Im Rahmen des gegenständlichen Hochwasserschutzes wurde den Auswirkungen der Klimaänderung angemessen Rechnung getragen; dies lässt sich sowohl der vorgenannten ergänzenden Studie vom 15. März 2007 (S.4) als auch der Anlage 1 der Planunterlagen (S. 18) entnehmen.

Auch die klägerseits angesprochene Bereitschaft des Marktes ... zur Kostentragung führt insoweit zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Soweit der Kläger vorträgt, die Kostenträgerschaft sei unvollständig dargestellt, ist ebenfalls kein Abwägungsfehler erkennbar. Das Interesse an einer kostengünstigen Lösung gehört zu den abwägungserheblichen öffentlichen Belangen. Es kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch für die Auswahl unter mehreren Varianten ausschlaggebend sein und hätte selbst gegenüber dem Interesse eines Grundeigentümers, nicht enteignend in Anspruch genommen zu werden, keinen generellen Nachrang (vgl. BVerwG, U. v. 3.3.2011 - 9 A 8/10 - BVerwGE 139, 150; U. v. 27.10.1999 - 11 A 31/98 - NVwZ 2000, 435). Demgegenüber war vorliegend das günstige Kosten-Nutzenverhältnis lediglich ein maßgebliches Kriterium für das streitgegenständliche Vorhaben (neben anderen Kriterien, s. o.). Soweit die Marktgemeinde ... sozusagen für die - durch die Hochwasserschutzmaßnahme begünstigte - örtliche Gemeinschaft Verpflichtungen übernimmt, um das geplante Vorhaben durchführbar zu machen, führt dies insoweit zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Vielmehr sieht Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BayWG (der Art. 57 Abs. 2 Satz 2 BayWG a. F. ersetzt) gerade ein Eintrittsrecht der örtlich zuständigen Gemeinde vor, so dass es in deren Ermessen steht, Beiträge der Kosten des Ausbauvorhabens, das den Vorteil einer Schadensabwehr beinhaltet, zu übernehmen (vgl. Schenk in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand: 15.3.2014, Art. 42 BayWG 2010 Rn. 21; Rottenwallner ZfW 2014, 27 ff.). Zudem ist festzuhalten, dass in Anlage 2 der Planunterlagen eine Kostenschätzung enthalten ist, welche die Investitionskosten zur Umsetzung des geplanten Beckens und der Strukturverbesserungen beinhaltet. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, denn die Kosten eines Vorhabens können erst dann exakt berechnet werden, wenn die komplette Ausbauplanung vorliegt und alle Gewerke vergeben sind (vgl. Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 127). Die der Variantenprüfung zugrunde liegende Kostenschätzung kann daher grundsätzlich nur dann gerichtlich beanstandet werden, wenn keine geeigneten Erkenntnismittel herangezogen wurden oder die gezogenen Schlüsse nicht nachvollziehbar sind (vgl. BVerwG, U. v. 3.3.2011 - 9 A 8/10 - BVerwGE 139, 150; U. v. 5.12.1986 - 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 zur gerichtlichen Überprüfung von Prognosen). Anhaltspunkte dafür sind vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich.

c) Die Planfeststellungsbehörde hat auch den Belangen des Klägers in der rechtlich gebotenen Weise Rechnung getragen. Da der Planfeststellungsbeschluss enteignungsrechtliche Vorwirkung hat, musste das Interesse des Klägers am Erhalt des Eigentums und der weiteren Nutzung mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt und mit den öffentlichen Interessen an der Verwirklichung des Vorhabens zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden. Denn im Enteignungsverfahren ist dann nur noch über die Modalitäten der Eigentumsübertragung einschließlich der Entschädigung, namentlich deren Höhe, zu befinden; Fragen der Entschädigung sind (grundsätzlich) nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens (vgl. Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 75 Rn. 28). Die Behörde kann die Betroffenen insoweit auf das Enteignungsverfahren verweisen. Sie macht - wie dargelegt - von ihrer eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit nicht schon dann fehlerhaften Gebrauch, wenn sie sich in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Hintansetzung eines anderen entscheidet. Für das Eigentum gilt insoweit in gleicher Weise wie für sonstige abwägungserhebliche Belange, dass es in der Abwägung hinter gewichtigere gegenläufige Belange zurückgestellt werden darf. Die Wahrung von Eigentümerinteressen nötigt die Behörde nicht zur Wahl einer Variante, die sich ihr nach Lage der Dinge nicht als bessere Lösung aufzudrängen brauchte (vgl. BVerwG, U. v. 23.2.2005 - 4 A 1/04 - DVBl 2005, 913; U. v. 9.11.2000 - 4 A 51/98, 4 VR 21/98 - NVwZ 2001, 682 m. w. N.). Die Planfeststellungsbehörde kann grundsätzlich davon ausgehen, dass das rein wirtschaftliche Interesse der Enteignungsbetroffenen - wie hier insbesondere die Höhe des Pachtertrags des Klägers für sein Grundstück - im Entschädigungsverfahren angemessen berücksichtigt wird (vgl. BVerwG, B. v. 30.9.1998 - BVerwG 4 VR 9.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 142 S. 290 f.).

aa) Gemessen hieran begegnet die angefochtene Abwägungsentscheidung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landratsamt A. hat im Rahmen der Abwägung berücksichtigt, dass die Durchführung der Hochwasserschutzmaßnahme einen öffentlichen Belang mit sehr hohem Gewicht darstellt und der beabsichtigte Gewässerausbau dem Wohl der Allgemeinheit dient; durch die Maßnahme wird der Hochwasserschutz für bebaute Bereiche von ..., ... und ... verbessert (s. S. 41, 62 des Planfeststellungsbeschlusses). Ausweislich der Stellungnahmen im Planfeststellungsbeschluss zu den Einwendungen des Klägers hat sich die Planfeststellungsbehörde mit der Situation des Grundstücks und mit den durch das Vorhaben bedingten Veränderungen dieser Situation konkret auseinander gesetzt. Die Behörde hat über die Einwendungen entschieden und trotz abwägungserheblicher privater Belange und nachteiliger Wirkungen sich gleichwohl für die Verwirklichung des Vorhabens entschieden. Dies macht den Kern ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit aus; es liegt in ihrer Befugnis, die Vorzugswürdigkeit des vorgenannten öffentlichen Belangs gegenüber den privaten Belangen des Klägers zu bestimmen (s. S. 72, 131, 155ff. und 251 ff. des Planfeststellungsbeschlusses; vgl. BVerwG, B. v. 17.2.1997 - 4 VR 17/96, 4 A 41/96 - NuR 1998, 305; U. v. 5.12.1986 - 4 C 13/85 - BVerwGE 75, 214). Besondere Belange des Klägers dahingehend, dass sich seine wirtschaftliche Situation aufgrund besonderer Verhältnisse trotz Entschädigung erheblich verschlechtern werde, sind nicht dargelegt worden.

Der Einwand des Klägers, er erwarte eine Auseinandersetzung mit der Differenzwertmethode, kann die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht in Frage stellen. Denn diese stellt lediglich eine mögliche Methode zur Ermittlung eines enteignungsrechtlich relevanten Arrondierungsschadens dar (vgl. BGH, U. v. 8.10.1981 - III ZR 46/80 - DVBl 1982, 352; OLG Hamburg, U. v. 13.9.1996 - 1 U 203/94 - OLGR Hamburg 1997, 38). Unabhängig von Anlage 5.6 der Planunterlagen, Plan Restflächen, ist über die Entschädigung (auch) für die Folgewirkungen, die durch den unmittelbaren Zugriff auf das klägerische Teilgrundstück für das Restgrundstück entstehen, erst im nachfolgenden Enteignungsverfahren zu entscheiden. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob dem Enteignungsbetroffenen wegen derartiger Folgewirkungen ein Anspruch auf Übernahme des Restgrundstücks zusteht (vgl. BVerwG, U. v. 27.6.2007 - 4 A 2004/05 - BVerwGE 129, 83; BayVGH, U. v. 18.10.2006 - 22 B 05.233 - BayVBl 2007, 402).

bb) Die unmittelbare Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks in einer Teilfläche (13.148 m²) als Deichaufstandsfläche ist rechtmäßig und verstößt insbesondere auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Planfeststellungsbehörde hat auch Art und Ausmaß der mittelbaren Betroffenheit des klägerischen Grundstücks ausreichend ermittelt und bei ihrer Entscheidung angemessen berücksichtigt.

Der Kläger kann dem Grundstücksverzeichnis mit Grunderwerbsplan im Maßstab 1:1000 und Plan „Restflächen“ (vom 28.3.2012, s. Anlage 5.6 zum Bescheid) - neben der vorübergehend in Anspruch zu nehmenden Fläche - die dauerhaft in Anspruch zu nehmende Teilfläche seines Grundstücks FlNr. 1570 der Gemarkung ... nach dem konkreten Flächenbedarf entnehmen und insoweit den wesentlichen Umfang der Enteignungsbetroffenheit erkennen (vgl. BVerwG, U. v. 25.3.1988 - 4 C 1/85 - NVwZ 1989, 252; BayVGH, B. v. 19.7.2013 - 8 ZB 12.403 - KommunalPraxis BY 2013, 353). Er kann den Planunterlagen auch den wesentlichen Umfang seiner mittelbaren Betroffenheit entnehmen, das Grundstück lag bzw. liegt zu etwa 1/3 im (natürlichen, zunächst vorläufig gesicherten und zwischenzeitlich festgesetzten) Überschwemmungsgebiet der Zusam sowie zu ½ im Vorranggebiet Hochwasser des Regionalplans für die Region ... (Region Nr. 9) und ist als Einstaufläche zu etwa ¾ betroffen; der Einstaubereich bei einem HQ5 ist zudem in den Anlagen Nr. 7.3 und 7.4 der Planunterlagen dargestellt (s. S. 131 und 255 des Bescheides).

(1) Der Planfeststellungsbeschluss ist demnach hinreichend bestimmt i. S. v. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG; dies gilt auch mit Blick auf die ermittelte Einstaufläche im Falle eines hundertjährlichen Hochwassers. Die Rüge, die Linie, die den Einstau bei HQ100 begrenze, sei unzureichend ermittelt worden, greift demgegenüber nicht durch. In den Planunterlagen und Beschreibungen, die Gegenstand der Planfeststellung sind, wird der Einstaubereich bei einem hundertjährlichen Hochwasser sowohl zeichnerisch als auch mit einer bestimmten Flächengröße (136 Hektar) angegeben; die Gräben, die durch Rückstau ausufern, wurden dabei berücksichtigt und in die Planung einbezogen (s. a. S. 109 des Planfeststellungsbeschlusses; vgl. VG Augsburg, U. v. 13.4.2010 - Au 3 K 08.1528 - nachfolgend BayVGH, B. v. 12.8.2010 - 8 ZB 10.1336 - beide juris). Das gilt auch für die Auswirkungen des Wassereinstaus auf das Grundwasser sowie auf angrenzende Flächen mit und ohne landwirtschaftliche Bodendränung (s. Anlage 3 der Planunterlagen - das überarbeitete hydrogeologische Gutachten vom 14.4.2008 berücksichtigt u. a. die landwirtschaftliche Dränung; S. 58 f., 112 des Bescheids). Bereits in der ergänzenden Stellungnahme (vom 29.4.2014, Bl. 129 der Gerichtsakte) stellte das Wasserwirtschaftsamt u. a. fest, dass weiterhin keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermittlung der Größe der Einstaufläche bestehen und die klägerische Maschinenhalle, wie im Gutachten vom 27. Januar 2011 dargelegt, außerhalb dieser Einstaufläche liegt (s. a. S. 162 des Bescheides). Der Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes legte diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dar, dass entgegen der Ansicht der Klägerseite hierfür nicht lediglich ein horizontales Raster von 50 m und ein vertikales Raster von 3 m angesetzt wurden. Dieses grobe Raster diente zur Bestimmung des Niederschlagsabflussgebietes, klägerseits würden hier zwei Dinge miteinander vermengt. Die bei einem hundertjährlichen Hochwasser vom Einstau betroffenen Flächen wurden vielmehr mittels des digitalen Geländemodells ermittelt und unter Verwendung von Laserscandaten des Vermessungsamtes mittels Fotogrammmetrie überprüft (s. a. Niederschrift zum Augenschein vom 1.8.2014; vgl. zur Verwendung eines digitalen Geländemodells der Vermessungsverwaltung OVG RhPf, U. v. 2.3.2010 - 1 A 10176/09 - Schriftt u Rspr 2010, 26; VG München, U. v. 27.11.2007 - M 2 K 06.4703 - juris; VG Augsburg, U. v. 19.2.2013 - Au 3 K 12.1265 - juris zum vorläufigen Überschwemmungsgebiet bei ...).

Das Gericht hat nach den in den behördlichen Akten vorhandenen Gutachten und den in der mündlichen Verhandlung erfolgten Erläuterungen keine Zweifel an den Erklärungen des Wasserwirtschaftsamtes; zumal den fachlichen Aussagen des Wasserwirtschaftsamtes insofern ein hoher Erkenntniswert zukommt. Allein die Erwiderung des Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung, bei diesen Aussagen handle es sich um nicht nachprüfbare Behauptungen, begründet nicht die Notwendigkeit eines weiteren Gutachtens. Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts eine besondere Bedeutung zukommt, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen. Deshalb haben sie grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2014 - 8 ZB 14.385 - KommunalPraxis BY 2014, 349 m. w. N.; U. v. 14.2.2005 - 26 B 03.2579 - BayVBl 2005, 726). Die Notwendigkeit der Einholung weiterer Gutachten zur Aufhellung des Sachverhalts ist lediglich dann geboten, wenn sich dem Gericht der Eindruck aufdrängen muss, dass das Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend ist, wenn es auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht, wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Sachverständigen bestehen, wenn ein anderer Gutachter über neuere oder überlegenere Forschungsmittel verfügt oder wenn die Erkenntnisse, die in dem Gutachten ihren Niederschlag gefunden haben, durch substantiierte Einwände der Beteiligten ernsthaft infrage gestellt erscheinen (vgl. BVerwG B. v. 23.2.1994 - 4 B 35/94 - BayVBl 1994, 444; BayVGH, B. v. 4.8.2014 - 8 ZB 14.385 - a. a. O.). Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.

(2) Mit seiner Rüge, der Erwerb der Flächen im HQ5-Einstaubereich sei im Grundstücksverzeichnis nicht vorgesehen, kann der Kläger die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ebenfalls nicht in Frage stellen.

Nach den Planunterlagen ist hier davon auszugehen, dass die im Zeitpunkt der Planfeststellung gegebene objektive Nutzbarkeit der betroffenen Teilfläche dem Kläger durch den Einstau nicht entzogen bzw. aufgehoben oder ausgeschlossen wird, da diese Teilfläche wie bisher landwirtschaftlich genutzt werden kann und mit dem Vorhaben keine (dauerhaften) Nutzungsbeschränkungen verbunden sind (s. S. 253 ff. des Planfeststellungsbeschlusses). Dementsprechend beinhaltet der angefochtene Bescheid insoweit keine final auf Enteignung gerichteten Planfestsetzungen, wie dies hinsichtlich der für das Dammbauwerk bzw. für die naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen in Anspruch zu nehmenden Grundstücke bzw. Grundstücksteilflächen der Fall ist (vgl. VG Augsburg, U. v. 25.3.2011 - Au 7 K 10.585 u. a.; nachfolgend BayVGH, B. v. 19.9.2013 - 8 ZB 11.1052 - beide juris). Das Eigentum des Klägers kann insoweit aber mittelbar beeinträchtigt werden, da eine Einwirkung in Form eines Einstaus, d. h. einer Überschwemmung durch das Vorhaben verursacht werden kann (vgl. Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 78, 83; VG München, U. v. 24.6.2014 - M 2 K 13.5909 - juris). Das Vorhaben kann sich demnach - als Folge der Zulassungsentscheidung - auf das klägerische Teilgrundstück nachteilig auswirken (vgl. Hönig, Fachplanung und Enteignung, § 13, S. 94), ohne dieses selbst unmittelbar in Anspruch zu nehmen.

Denn maßgeblich hierfür ist, ob ein staatlicher Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben auf vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen, die durch Art 14 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) geschützt sind, gerichtet ist. Dann liegt eine Enteignung, andernfalls eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vor (vgl. Papier in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: Juli 2014, Art. 14 Rn. 359 f.). Eigentumseinwirkungen durch Realakte - ob gezielt gegen das Eigentum gerichtet oder nicht - stellen demnach keine Enteignungen dar. Die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat den zwischenzeitlich in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung „ausgeuferten“ Enteignungsbegriff wieder erheblich eingeschränkt und zum großen Teil auf seinen klassischen Gehalt zurückgeführt (vgl. Papier; a. a.O; Art. 14 Rn. 354; BVerfG, B. v. 15.7.1981 - 1 BvL 77/78 - BVerfGE 58, 300 [sog. Nassauskiesung]; B. v. 22.5.2001 - 1 BvR 1512/97, 1 BvR 1677/97 - BVerfGE 104, 1 [sog. Baulandumlegung]). Danach ist nicht jeder Entzug eine Enteignung i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG; diese ist vielmehr auf solche Fälle beschränkt, in denen Güter hoheitlich beschafft werden (vgl. Papier, a. a. O., Art. 14 Rn. 361 unter Bezugnahme auf BVerfG, B. v. 16.2.2000 - 1 BvR 202/91, 1 BvR 315/99 - BVerfGE 102, 1 [sog. Altlastenentscheidung]; B. v. 22.5.2001 a. a. O.) Auch wenn damit die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums eine erhebliche begriffliche Erweiterung erfahren haben, so unterliegen sie doch eigenen sachlichen Grenzen und können etwa wegen unverhältnismäßiger Einschränkung der privatnützigen Verwend- und Verfügbarkeit des Eigentums unzumutbar sein. Es ergibt sich daher die sachliche Problematik, inwieweit Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums entschädigungslos zulässig sind; die Grenze der entschädigungsfreien Sozialbindung wird überschritten, wenn eine bisher ausgeübte Nutzung, die u. a. der Lage und der Ortsgebundenheit des Eigentums entspricht, untersagt wird (vgl. Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 84; Papier in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 409 und 426).

Ausgehend von diesen Maßgaben begegnet die Annahme des Beklagten, dass insoweit keine Enteignung gegeben ist, vorliegend keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach den Planunterlagen ist das Vorhaben als Trockenbecken ohne Dauerstau geplant und wird im Hauptschluss von der Zusam direkt durchflossen; der Einstau erfolgt danach erst ab einem 2 bis 3-jährlichen Hochwasser, die Einstaudauer reicht von wenigen Stunden bis zu etwa zwei bis drei Tagen bei einem HQ100. Die Einstauhäufigkeit ist abhängig von der Lage. Das klägerische Grundstück ist hier insbesondere durch seine o.g. Lage im Überschwemmungsgebiet der Zusam und im Vorranggebiet Hochwasser geprägt (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1993 - 7 C 26/92 - BVerwGE 94, 1 zur sog. Situationsgebundenheit). Hieran anknüpfend beinhaltet der Planfeststellungsbeschluss, dass die verbleibende Teilfläche des Grundstücks des Klägers weiterhin landwirtschaftlich nutzbar ist und das Hochwasserrückhaltebecken einer Verpachtung nicht entgegensteht; dem Einwand des Wert- sowie Einkommensverlustes (Vermögensschäden) infolge Einstau wird durch die Entschädigungsregelung in Ziffer A.VI. Rechnung getragen, eine Minderung des Verkehrswertes kommt danach nur in Betracht, soweit sie den Ertragswert übersteigt (s. S. 33 f., 63 und 255 des Bescheides), demnach fand auch dieser Belang im Rahmen der Abwägung Berücksichtigung. Die Vorschrift des § 96 WHG, auf die in diesem Zusammenhang Bezug genommen wird, erfasst Fälle, die unterhalb der vorgenannten verfassungsrechtlichen Enteignungsgrenze liegen und gilt u. a. für nachteilige Einwirkungen eines Ausbauvorhabens auf das Recht eines anderen (vgl. § 70 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 3 WHG); nach § 96 Abs. 1 Satz 4 WHG ist die Minderung des Verkehrswertes auszugleichen, soweit sie die Minderung des Ertragswertes übersteigt (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 96 Rn. 4 f., 9 und 32). Liegt demgegenüber eine Beeinträchtigung vor, die zu einer teilweisen Eigentumsentziehung führt (vgl. VGH BW, v. 30.7.1985 - 5 S 2553/84 - DVBl 1986, 364), bleibt der Rechtsentzug selbst und die Entscheidung über die damit verbundenen Entschädigungsfragen, wie ausgeführt, dem gesondert durchzuführenden Enteignungsverfahren vorbehalten (vgl. BVerwG, U. v. 7.7.2004 - 9 A 21/03 - NVwZ 2004, 1358; VG Augsburg, U. v. 25.3.2011 - Au 7 K 10.585 u. a.; nachfolgend BayVGH, B. v. 19.9.2013 - 8 ZB 11.1052 - beide juris).

Soweit für landwirtschaftliche Grundstücke, die bei Hochwasser (neu) überflutet werden, die Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit empfohlen wird, ergibt sich hieraus - unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der Darlegungen im Planfeststellungsbeschluss - nicht, dass diese im vorliegenden Fall zwingend erforderlich ist. Zwar gewährt die Planfeststellung, auch wenn sie prinzipiell geeignet ist, eigentumsbeschränkende Wirkungen zulasten Dritter zu entfalten (vgl. Korbmacher, DÖV 1982, 517 ff.), kein Recht, Grundstücke anderer in Besitz zu nehmen (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 70 Rn. 17; Schenk in Sieder/Zeitler, WHG, Stand: 1.5.2014, § 68 Rn. 29 unter Verweis auf § 31 WHG a. F. Rn. 324; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. Aufl. 1987, Rn. 681), jedoch ist vorliegend insoweit, wie dargelegt, von keiner (teilweisen) Enteignung auszugehen, so dass die Flächen im HQ5-Einstaubereich im Grundstücksverzeichnis nicht enthalten sind.

Entgegen der Ansicht des Klägers erfordert hier der Einstau keinen zusätzlichen Duldungsausspruch; denn dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss kommt u. a. Gestaltungswirkung zu. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG regelt die Planfeststellung rechtsgestaltend alle öffentlichrechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen. Ist der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden, so sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen (vgl. Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG i. V. m. § 70 Abs. 1 WHG; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 75 Rn. 17 und 34 zur Duldungswirkung). Kraft seiner Gestaltungswirkung überwindet der Planfeststellungsbeschluss demnach rechtlich geschützte private und öffentliche Belange, die der Verwirklichung des Vorhabens sonst entgegenstünden (vgl. BVerwG, B. v. 17.12.1993 - 4 B 200/93 - NVwZ 1994, 682).

4. Nach allem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger wendet sich gegen eine wasserrechtliche Planfeststellung für den Ausbau der Götzinger Achen im Ortsbereich K. zum Schutz gegen ein 50-jährliches Hochwasser. Das planfestgestellte Vorhaben bildet die erste Stufe einer zweistufigen Gesamtmaßnahme, die den schadlosen Abfluss eines 100-jährlichen Hochwassers sicherstellen soll. Auf die Klage des Klägers gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 4. Juli 2005 stellte das Verwaltungsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 27. März 2007 die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Beschlusses fest: Er leide an einem - in einem ergänzenden Verfahren grundsätzlich heilbaren - Abwägungsmangel hinsichtlich der privaten Belange des Klägers, weil die Planfeststellungsbehörde verkannt habe, dass ein weiteres Grundstück des Klägers von der Planung teilweise in Anspruch genommen werde. Hinsichtlich des im Hauptantrag geltend gemachten Aufhebungsantrags wurde die Klage abgewiesen: Insbesondere bestehe für das Vorhaben eine hinreichende Planrechtfertigung. Die nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens gegen den Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des ergänzenden Bescheids vom 30. August 2010 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dem Aufhebungsbegehren stehe in weiten Teilen die Bindungswirkung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27. März 2007 entgegen; danach bleibe die Klage ohne Erfolg, soweit erneut die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses wegen eines Mangels begehrt werde, der bereits im Vorprozess geltend gemacht worden sei oder hätte geltend gemacht werden können. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Formelle und materielle Fehler der Planfeststellung lägen nicht vor, insbesondere seien Abwägungsmängel nicht gegeben.

2

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen; hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

3

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Die Beschwerde rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil weicht nicht vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - (BVerwGE 130, 299 = Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 30) ab.

5

Nach dieser Entscheidung (Randnummern 25 f.) kann der Kläger, auf dessen Klage die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses festgestellt, das Aufhebungsbegehren hingegen rechtskräftig abgewiesen worden ist, ein erneutes Aufhebungsbegehren gegen den Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Planänderungs- bzw. Planergänzungsbeschlusses insoweit geltend machen, als Gegenstand des ergänzenden Verfahrens und des dieses abschließenden Beschlusses auch aufhebungsrelevante Gesichtspunkte der Planungsentscheidung waren.

6

Einen hiervon abweichenden Rechtssatz hat der Verwaltungsgerichtshof mit seinen Ausführungen unter Randnummer 31 der Entscheidungsgründe, wonach der Kläger aufhebungsrelevante Mängel nur insoweit geltend machen kann, „als der neue, ergänzende Regelungsgehalt des Planfeststellungsbeschlusses im (neuen) Bescheid ... betroffen ist", nicht aufgestellt. Etwas anderes könnte nur dann angenommen werden, wenn der Begriff des „ergänzenden Regelungsgehalts" einschränkend im Sinne einer Änderung des verfügenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses zu verstehen wäre und demnach nur den Fall beträfe, dass der Kläger durch den Planergänzungsbeschluss erstmals oder weitergehend als bisher betroffen ist. Der Begriff des ergänzenden Regelungsgehalts kann aber auch rechtserhebliche Erwägungen im Begründungsteil des Planergänzungsbeschlusses umfassen, die die im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss ausgesprochene Vorhabenzulassung und darauf bezogene Anordnungen unberührt lassen. Dies gilt nicht nur für solche Erwägungen, die im ergänzenden Verfahren zur Korrektur von Abwägungsfehlern gemäß § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG angestellt werden und als solche der gerichtlichen Kontrolle unterliegen (vgl. Urteil vom 8. Januar 2014 - BVerwG 9 A 4.13 - Rn. 16), sondern auch für Erwägungen, die sich auf von der Rechtskraft des das Aufhebungsbegehren abweisenden Urteils erfasste Umstände beziehen, diese einer neuerlichen Sachprüfung mit dem Ergebnis einer Bestätigung der ursprünglichen Entscheidung unterziehen und insoweit im Sinne eines Zweitbescheides die Rechtsschutzmöglichkeiten wieder eröffnen (siehe hierzu Urteile vom 19. Dezember 2007 - BVerwG 9 A 22.06 - BVerwGE 130, 138 Rn. 22 ff. = Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 15 und vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 7 C 3.08 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 51 Rn. 14).

7

Von einem solchen weiten Verständnis des Begriffs Regelungsgehalt geht der Verwaltungsgerichtshof ersichtlich aus. Denn er prüft unter Randnummer 35 der Entscheidungsgründe ausdrücklich, ob der ergänzende Planfeststellungsbeschluss die Frage der Planrechtfertigung erneut aufgeworfen und insoweit wiederum eine - das Vorliegen der Planrechtfertigung bestätigende - Sachentscheidung getroffen hat. Der Verwaltungsgerichtshof verneint dies unter Verweis auf die Ausführungen im Planergänzungsbeschluss (S. 6 <2.3>, 10). Dieser bezieht sich insoweit auf die im vorangegangenen Klageverfahren nicht beanstandeten Erwägungen im Planfeststellungsbeschluss, bezeichnet eine „erneute Diskussion der Planrechtfertigung" als „nicht veranlasst", und befasst sich im Übrigen aber nicht mit dem vom Kläger herangezogenen, im ergänzenden Verfahren erstellten Plan (Anlage 6, Plan-Nr. 1) vom 26. Februar 2009 „Überschwemmungsgrenzen Vergleich" (siehe hierzu auch das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2010, juris Rn. 32). Insoweit prüft der Verwaltungsgerichtshof - in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - aufhebungsrelevante Gesichtspunkte. Einen von der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssatz legt das angefochtene Urteil demnach nicht zugrunde.

8

2. Die Rechtssache hat auch nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die der Kläger ihr beimisst.

9

a) Die Voraussetzungen, unter denen ein Kläger, gegenüber dem der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss aufgrund der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit nicht bestandskräftig geworden ist, nach Abschluss eines ergänzenden Verfahrens im Rahmen einer neuen Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Planergänzungsbeschlusses weiterhin ein Aufhebungsbegehren geltend machen kann, sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit der oben unter 1. zitierten Entscheidung geklärt. Daraus folgt zugleich, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten desjenigen Klägers, gegenüber dem der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss in Bestandskraft erwachsen ist (siehe hierzu Urteile vom 19. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 20 und vom 8. Januar 2014 a.a.O. Rn. 16, sowie Beschluss vom 4. Juli 2012 - BVerwG 9 VR 6.12 - Buchholz 407.4 § 17e FStrG Nr. 14 Rn. 12, jeweils m.w.N.), sich hiervon unterscheiden.

10

b) Auch die hieran anschließende Frage nach der inhaltlichen Reichweite und den prozessualen Wirkungen eines Urteils, mit dem die Klage, soweit sie auf die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtet war, abgewiesen worden ist, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Es ist geklärt, dass aufgrund der präjudiziellen Wirkung der rechtskräftigen Verneinung eines Aufhebungsanspruchs eine weitere Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Planergänzungsbeschlusses, sofern im ergänzenden Verfahren aufhebungsrelevante Gesichtspunkte nicht erneut geprüft worden sind, keinen Erfolg haben kann. Da die Verneinung eines Aufhebungsanspruchs bei zulässiger Klage zugleich das Fehlen aufhebungsrelevanter Rechtsmängel voraussetzt, ist auch für die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des geänderten Planfeststellungsbeschlusses wegen einer hierauf bezogenen Rechtswidrigkeit kein Raum.

11

c) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist des Weiteren geklärt, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses ankommt (vgl. etwa Urteile vom 23. April 1997 - BVerwG 11 A 7.97 -BVerwGE 104, 337 <347> = Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 16 S. 35, vom 1. April 2004 - BVerwG 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <283> = Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 16 S. 82 und vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 4.12 -BVerwGE 147, 184 Rn. 34).

12

Der Kläger zeigt nicht substantiiert auf, dass diese Rechtsprechung insoweit einer rechtsgrundsätzlichen Überprüfung bedürfte, als es abweichend hiervon für die Bestimmung der Beschaffenheit eines Grundstücks - hier der Eignung als Retentionsfläche - auf den Beginn der Auslegung im Planfeststellungsverfahren ankomme. Der Kläger verweist auf enteignungsrechtliche Grundsätze, wonach der so genannte Qualitätsstichtag als der Zeitpunkt für die Ermittlung des Zustands des Enteignungsobjekts entgegen dem gesetzlich normierten Regelfall, der auf den Tag des Eingriffs abstellt (siehe etwa § 93 Abs. 4 Satz 2 BauGB), unter dem Gesichtspunkt der so genannten Vorwirkung der Enteignung dann vorzuverlegen ist, wenn bereits vorherige Entscheidungen das Grundstück von jeglicher konjunktureller Weiterentwicklung ausschließen (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2000 - III ZR 18/00 - NVwZ 2001, 351 <352>; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 93 Rn. 5). Die Beschwerdebegründung legt indes nicht dar, dass diese Erwägungen, mit denen die finanziellen Folgen von Planungsentscheidungen realitätsnah erfasst werden sollen, auf die Fallgestaltung des Erlasses eines Planfeststellungsbeschlusses übertragbar sein könnten. Denn mit dem Planfeststellungsbeschluss soll ein aktuelles Sachproblem bewältigt werden, so dass die Bezugnahme auf frühere und nunmehr hypothetische Umstände fern liegt. Den vom Kläger befürchteten „Manipulationen" im Hinblick auf eine bevorstehende Planung ist gegebenenfalls mit hierauf bezogenen rechtlichen Instrumenten zu begegnen.

13

d) Schließlich führt auch die Frage, ob es dem Abwägungsgebot genügt, im Rahmen einer Planfeststellung nur diejenigen vorübergehend in Anspruch zu nehmenden Flächen zu ermitteln, die nicht freiwillig vom jeweiligen Eigentümer zur Verfügung gestellt werden, oder ob sämtliche eigentumsmäßigen Betroffenheiten Privater einschließlich aller auch nur vorübergehend in Anspruch zu nehmenden Flächen ermittelt und in die Abwägung eingestellt werden müssen, nicht zur Zulassung der Revision. Denn der Kläger zeigt jedenfalls die Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht auf. Das angefochtene Urteil führt aus, dass die Entscheidungserheblichkeit eines unterstellten Abwägungsmangels im Sinne von Art. 75 Abs. 1a Satz 1 BayVwVfG nicht ersichtlich sei. Diese Einschätzung wird durch das Vorbringen des Klägers nicht substantiiert erschüttert. Denn das Gewicht der Eigentümerinteressen ist offensichtlich als gering zu bewerten, wenn die Eigentümer der vorübergehenden Inanspruchnahme ihrer Grundstücke zustimmen und damit zu erkennen geben, dass sie mit dem Vorhaben einverstanden sind oder diesem jedenfalls keine Hindernisse in den Weg legen wollen.

14

3. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.

15

Ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Das leistet die Beschwerde weder in Bezug auf die Gehörsrüge noch auf den jeweils ergänzend behaupteten Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz.

16

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verlangt vom Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Daraus folgt aber keine Verpflichtung des Gerichts, jeglichen Vortrag in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden. Vielmehr ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Anderes gilt nur dann, wenn besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Gericht ein bestimmtes Vorbringen nicht berücksichtigt hat. Dieser Ausnahmefall ist indessen nicht gegeben, wenn das Gericht den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt gelassen hat, namentlich wenn er nach der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts nicht entscheidungserheblich war (stRspr, vgl. etwa Beschlüsse vom 8. August 2012 - BVerwG 7 B 1.12 - juris Rn. 5 und vom 13. Dezember 2010 - BVerwG 7 B 64.10 - juris Rn. 24 [insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 11 Art. 31 GG Nr. 2], jeweils m.w.N.). Hiernach lässt das Beschwerdevorbringen einen Gehörsverstoß nicht erkennen.

17

Der Kläger trägt zum einen vor, dass der Verwaltungsgerichtshof den Inhalt des in den Planunterlagen des ergänzenden Verfahrens enthaltenen und von ihm im Gerichtsverfahren nochmals vorgelegten Plans vom - richtigerweise - 26. Februar 2009 „Überschwemmungsgrenzen Vergleich" und seinen hierauf bezogenen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen, jedenfalls aber inhaltlich völlig verkannt habe. Der Verwaltungsgerichtshof sei der Ansicht, der Plan enthalte keine neuen Erkenntnisse, die für die Beurteilung von Planrechtfertigung, Abschnittsbildung und Null-Variante hinsichtlich des streitgegenständlichen, auf ein 50-jährliches Hochwasser bezogenen Vorhabens von Bedeutung seien. Er verweise zur Begründung auf einen bereits im ursprünglichen Planfeststellungsverfahren erstellten Plan, der sich auf ein 100-jährliches Hochwasser beziehe. Damit verkenne der Verwaltungsgerichtshof ersichtlich den Inhalt des Plans vom 26. Februar 2009. Dem ist nicht zu folgen. Zu Unrecht stützt sich die Beschwerde insoweit auf die Ausführungen unter Randnummer 42 des angefochtenen Urteils. Denn der Verwaltungsgerichtshof verweist dort lediglich im Hinblick auf das Problem einer Anstoßwirkung darauf, dass diese schon durch einen den ursprünglichen Planunterlagen beigefügten Plan gewährleistet worden sei, auf dem die von einem 100-jährlichen Hochwasser betroffenen Grundstücke verzeichnet seien, der neue Plan aber keine weitergehenden Betroffenheiten begründe. Ungeachtet der inhaltlichen Bewertung dieser Erwägungen lassen sie nicht den Schluss zu, der Verwaltungsgerichtshof habe den Inhalt des Plans vom 26. Februar 2009 sowie den Vortrag des Klägers nicht zur Kenntnis genommen und sei vielmehr im Widerspruch zu den sonstigen zutreffenden Erwähnungen des Ausbauziels des Vorhabens davon ausgegangen, dass der Plan nicht gleichermaßen auf 50-jährliches Hochwasser bezogen sei. Der Kläger wendet sich insoweit letztlich im Gewand der Verfahrensrüge gegen eine in seinen Augen unzutreffende Bewertung des Sachverhalts.

18

Zum anderen rügt der Kläger einen Gehörsverstoß, weil der Verwaltungsgerichtshof sich mit seinem Vorbringen zur Null-Variante wegen der im Gerichtsverfahren fortwirkenden materiellen Präklusion von diesbezüglichen Einwendungen inhaltlich nicht auseinandergesetzt habe. Gegen eine solche Bewertung gewährt der Anspruch auf rechtliches Gehör aber keinen Schutz. Der Kläger greift mit seiner Beschwerde vielmehr die tatsächliche und rechtliche Würdigung seines Vorbringens durch den Verwaltungsgerichtshof an, was einer Gehörsrüge indessen nicht zum Erfolg verhelfen kann (Beschluss vom 9. August 2010 - BVerwG 9 B 10.10 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 12 Rn. 5).

19

b) Eine als Verfahrensfehler rügefähige Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes ist mit diesem Vortrag ebenso wenig dargetan. (Angebliche) Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts, die dem Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO genügen muss, sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen (vgl. nur Beschluss vom 14. Juli 2010 - BVerwG 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4). Eine Ausnahme kommt bei einer selektiven oder aktenwidrigen Beweiswürdigung, bei einem Verstoß gegen Denkgesetze oder einer sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht. Eine Aktenwidrigkeit der tatsächlichen Feststellungen liegt vor, wenn zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Inhalt der zum Verfahren beigezogenen Akten ein offensichtlicher Widerspruch besteht (vgl. Beschlüsse vom 28. März 2012 - BVerwG 8 B 76.11 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 76 Rn. 8, vom 13. Februar 2012 - BVerwG 9 B 77.11 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7 und vom 17. Mai 2011 - BVerwG 8 B 98.10 - juris Rn. 8, jeweils m.w.N.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht aufgezeigt.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Gründe

I.

1

Die Kläger wenden sich gegen Planfeststellungsbeschlüsse für den viergleisigen Ausbau der bislang zweigleisigen Eisenbahnstrecke 3900 auf dem Gebiet der Stadt Frankfurt am Main im Zuge des Gesamtprojekts des Ausbaus zwischen Friedberg und Frankfurt-West. Sie sind Eigentümer von bzw. Erbbauberechtigte an Grundstücken entlang dieses Ausbauabschnitts, die durch das Planvorhaben zum Teil in Anspruch genommen werden sollen.

2

Auf den Antrag der beigeladenen Vorhabenträgerin stellte das Eisenbahn-Bundesamt nach Durchführung zweier Offenlegungen mit Beschluss vom 6. Mai 2004 den Plan fest. Nicht berücksichtigte Einwendungen der Kläger gegen das Vorhaben wurden zurückgewiesen. Der Beigeladenen wurde gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG aufgegeben, zur Vermeidung nachteiliger Folgen für die Natur bis zum 30. Juni 2005 planergänzende Unterlagen zu naturschutzrechtlichen Maßnahmen vorzulegen. Gegen diesen Beschluss erhoben die Kläger Klage zum Verwaltungsgerichtshof.

3

Mit Schreiben vom 19. Juni 2006 beantragte die Beigeladene eine Änderung des festgestellten Plans gemäß § 76 Abs. 1 VwVfG im Hinblick auf eine nunmehr vorliegende neue Verkehrsprognose auf der Grundlage des Bundesverkehrswegeplans 2003 und sich hieraus ergebende Änderungen für die Lärmprognose und das Lärmschutzkonzept, Ergänzungen zum Artenschutz und die Auflösung des naturschutzrechtlichen Vorbehalts. Nach Durchführung der öffentlichen Auslegung stellte das Eisenbahn-Bundesamt mit Beschluss vom 23. Juni 2009 die Planänderung betreffend die Anpassung der Schallschutzmaßnahmen sowie die Auflösung des Vorbehalts aus dem Planfeststellungsbeschluss vom 6. Mai 2004 zur vollständigen Kompensation des naturschutzrechtlichen Defizits fest. Die Einwendungen der Kläger wurden zurückgewiesen, soweit ihnen nicht entsprochen wurde. Auch hiergegen erhoben die Kläger Klage mit dem zuletzt gestellten Antrag, den Planfeststellungsbeschluss vom 6. Mai 2004 in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 23. Juni 2009 aufzuheben, hilfsweise eine Planergänzung bzw. ein ergänzendes Verfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts durchzuführen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, dass bezüglich des Schutzes vor erheblichen Belästigungen durch Immissionen gemäß § 41 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und 3 BImSchG strikt das Vermeidungsgebot beachtet wird und als Schutzmaßnahmen ausschließlich trassenbezogene bauliche Schutzmaßnahmen oder betriebsregelnde Maßnahmen ergriffen bzw. festgesetzt werden, soweit es Immissionen betrifft, bei den Berechnungen den Schienenbonus nicht in Ansatz zu bringen und höchst hilfsweise, die Beklagte zu Entschädigungsleistungen zu verpflichten.

4

Aufgrund mündlicher Verhandlung, in der die Beklagte verschiedene Änderungen an den angefochtenen Beschlüssen erklärt und namentlich die Nebenbestimmungen zum Erschütterungsschutz aufgehoben hatte, wies der Verwaltungsgerichtshof die Klage ab. Die Kläger könnten die Planaufhebung nicht beanspruchen, weil sie - bis auf den Kläger zu 11 - bezüglich der überwiegenden Zahl ihrer Einwendungen bereits präkludiert seien und zudem die angefochtenen Planfeststellungsbeschlüsse weder an Verfahrens- noch an materiellen Fehlern litten, die zu ihrer Aufhebung führten. Auch die auf Planergänzung gerichteten Anträge könnten keinen Erfolg haben, soweit nicht die Beklagte bereits zu Protokoll des Gerichts in der mündlichen Verhandlung Planergänzungen zugesagt habe. Insbesondere sei der Aspekt des Lärmschutzes in der Abwägung der Planfeststellungsbehörde mit keinem Fehler behaftet, der zur Aufhebung oder zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen müsse.

5

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

II.

6

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet. Teilweise genügt sie schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, teilweise - nämlich hinsichtlich der Fragen zur Belastung durch Erschütterungen und sekundären Luftschall - geht sie angesichts der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung von vornherein ins Leere (siehe unten 2.b); im Übrigen dringt sie in der Sache nicht durch.

7

1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Ein Verfahrensmangel ist im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Dem wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht.

8

a) Die Kläger geben - insoweit im Stil einer Berufungsbegründung - große Teile ihres erstinstanzlichen Vortrags wieder und stellen dem die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs gegenüber, der hieraus nicht die den Klägern - wie von diesen als rechtlich geboten erachtet - günstigen Schlüsse gezogen hat. Damit wird indessen weder ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs noch eine als Verfahrensfehler rügefähige Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes dargetan.

9

aa) (Angebliche) Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts, die dem Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO genügen muss, sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Eine Ausnahme kommt bei einer selektiven oder aktenwidrigen Beweiswürdigung, bei einem Verstoß gegen Denkgesetze oder einer sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht. Eine Aktenwidrigkeit der tatsächlichen Feststellungen liegt vor, wenn zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Inhalt der zum Verfahren beigezogenen Akten ein offensichtlicher Widerspruch besteht. Dazu muss der Beschwerdeführer die konkreten Textstellen aus dem vorinstanzlichen Verfahren bezeichnen, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Das leisten die Kläger nicht. Denn ihrem Vortrag ist lediglich zu entnehmen, dass sie vor dem Hintergrund ihres umfangreichen Vorbringens die rechtliche Würdigung durch den Verwaltungsgerichtshof sowohl im Ergebnis als auch in einer Vielzahl entscheidungserheblicher Fragestellungen für unzutreffend halten. Konkrete Widersprüche zum Akteninhalt zeigen sie demgegenüber nicht auf. Sofern die Kläger vermeintlich widersprüchliche Rechtsausführungen beanstanden, fehlt jeglicher Bezug zum Verfahrensrecht.

10

bb) Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die für die Entscheidung erheblichen Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Daraus folgt aber keine Verpflichtung des Gerichts, jeglichen Vortrag in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden. Vielmehr ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Anderes gilt nur dann, wenn besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Gericht ein bestimmtes Vorbringen nicht berücksichtigt hat. Hierfür ist nichts ersichtlich. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich vielmehr mit den Ausführungen der Kläger auseinandergesetzt und ist - soweit dies in der Sache erforderlich war - in angemessenem Umfang auf deren Argumentation eingegangen. Letztlich wenden sich die Kläger dagegen, dass der Verwaltungsgerichtshof ihre Auffassung zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Beschlüsse nicht geteilt hat. Aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO folgt jedoch keine Verpflichtung der Gerichte, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen.

11

b) Auch mit dem weiteren Vorbringen ist ein Gehörsverstoß nicht dargetan.

12

Eine Überraschungsentscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof nicht getroffen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs gebietet, dass die Beteiligten Gelegenheit erhalten, sich zu allen entscheidungserheblichen Rechtsfragen sachgemäß, zweckentsprechend und erschöpfend erklären zu können. Daraus folgt allerdings nicht, dass das Tatsachengericht verpflichtet ist, die Beteiligten schon in der mündlichen Verhandlung auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es eine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Eine Ausnahme hiervon gilt dann, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt oder eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die Beschwerdeführer zeigen nicht auf, an welcher Stelle der Verwaltungsgerichtshof sein Urteil auf Gesichtspunkte stützt, die im gerichtlichen Verfahren überhaupt nicht - auch nicht schriftsätzlich - angesprochen worden sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Frage in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden ist oder nicht. Denn die Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Schreiben des Berichterstatters vom 13. Mai 2011 hatte keine Hinweispflicht zur Folge; es weist auf ein zentrales Rechtsproblem lediglich hin, ohne indessen eine irgendwie geartete Festlegung zu enthalten. Soweit, was die Beklagte allerdings bestreitet, eine vom Planvorhaben unabhängige Lärmsanierung auch in der mündlichen Verhandlung nicht angesprochen worden sein sollte, so wäre ein diesbezüglicher Gehörsverstoß unerheblich, da die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs auf den diesbezüglichen Feststellungen nicht beruht.

13

Soweit die Kläger einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens behaupten, weil der Verwaltungsgerichtshof bestimmte am ersten Tag der mündlichen Verhandlung zu den Akten gereichte Schriftstücke ihnen nicht zur Kenntnis gegeben habe, ist ebenfalls ein Gehörsverstoß angesprochen. Diese Rüge greift hier aber jedenfalls deswegen nicht durch, weil die auch vor dem Verwaltungsgerichtshof anwaltlich vertretenen Kläger nicht alles getan haben, um den jetzt beanstandeten Verfahrensfehler zu verhindern. Sie haben es unterlassen, jedenfalls am zweiten Tag der mündlichen Verhandlung die Verlesung oder Aushändigung der Schriftstücke zu verlangen oder diese einzusehen.

14

Ihr Rügerecht haben die Kläger auch insoweit verloren, als sie die Verletzung des fairen Verfahrens und einen Gehörsverstoß darin sehen, dass Aussagen eines Schallgutachters der Beigeladenen verwertet worden sind, die in der mündlichen Verhandlung nicht protokolliert worden sind. Die außerdem behauptete Unrichtigkeit der Wiedergabe der Aussage kann nicht mit der Verfahrensrüge, sondern nur gemäß § 119 VwGO mittels eines fristgebundenen Antrags auf Tatbestandsberichtigung geltend gemacht werden; dabei ist unbeachtlich, dass die als unrichtig beanstandete Tatsachenfeststellung sich in den Entscheidungsgründen des Urteils findet.

15

c) Mit der Aufklärungsrüge dringen die Kläger ebenso wenig durch. Zur Darlegung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärungspflicht getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht insbesondere durch die Stellung eines unbedingten Beweisantrags oder zumindest durch eine bloße Beweisanregung in Gestalt eines so genannten Hilfsbeweisantrags auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben gerügt wird, hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen.

16

Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Mehrzahl der Beweisangebote zumindest auch deswegen nicht nachgegangen, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht entscheidungserheblich seien. Das beurteilt sich allein nach dem materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofs, selbst wenn dieser verfehlt sein sollte, und trägt die Ablehnung weiterer Sachaufklärung. Die Kläger legen nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidungserheblichkeit jeweils gemessen an seinem Rechtsstandpunkt verkannt hat. Sie zeigen ebenso wenig auf, inwieweit die von ihnen selbst teilweise als reine Beweisermittlungsanträge eingeordneten Beweisangebote und Beweisanregungen sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs sehr wohl auf bestimmte Schriftstücke bezogen haben.

17

Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich auch nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof von Rechts wegen gehalten war, zur Frage der weiteren Anwendbarkeit des so genannten Schienenbonus eine weitere sachverständige Auskunft durch das Umweltbundesamt einzuholen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies im Anschluss an die Rechtsprechung des beschließenden Senats abgelehnt. Der Senat hat im Urteil vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 7 A 14.09 - (Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 52 ff.) ausgeführt, dass derzeit einhellige fachwissenschaftliche Aussagen, die ein Festhalten am Schienenbonus ungeachtet des dem Verordnungsgeber eingeräumten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums als unvertretbar erscheinen ließen, nicht festgestellt werden könnten. Die Kläger legen nicht dar, inwieweit eine Auskunft des Umweltbundesamts, das eine vom Senat bereits verwertete Studie in Auftrag gegeben hatte, geeignet sein könnte, diese Einschätzung zu erschüttern. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Darlegungen in der Begründung des Beweisantrags vom 16. November 2011, Seite 9 - 12. Auch hier macht die Beschwerde nicht deutlich, inwieweit die darin erwähnten Studien angesichts der vom Senat gleichfalls berücksichtigten Untersuchung von Mersch-Sundermann vom April 2010 zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen könnten.

18

Auch im Übrigen legt die Beschwerde nicht dar, warum sich dem Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Die Beschwerde erschöpft sich insofern im Wesentlichen darin, das Vorgehen des Verwaltungsgerichtshofs als fehlerhaft anzugreifen, weil unter Zugrundelegung der abweichenden Rechtsansicht der Kläger eine weitere Sachverhaltsaufklärung für erforderlich erachtet wird. Damit wird aber ein Aufklärungsmangel nicht aufgezeigt.

19

d) Zu Unrecht machen die Kläger schließlich geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof ihren Klageantrag nicht zutreffend erfasst und nicht erschöpfend verbeschieden habe. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof im angefochtenen Urteil - im Gegensatz zu Entscheidungen in Parallelverfahren - den Hilfsantrag auf Durchführung eines ergänzenden Verfahrens, dessen Anliegen allerdings sachdienlich allein auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses gerichtet sein kann (Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 <372> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 113 S. 99<105>), nur hinsichtlich des Lärmschutzes der Sache nach angesprochen. Der klagabweisende Entscheidungsausspruch erfasst aber dieses Klagebegehren unter allen geltend gemachten Gesichtspunkten. Da der Verwaltungsgerichtshof von der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht ausgegangen ist, fehlt es auch an jeglichem Ansatzpunkt für ein ergänzendes Verfahren, das durch den Ausspruch der Nichtvollziehbarkeit gesichert wird. Die Entscheidungsgründe mögen insoweit unvollständig sein. Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO folgt daraus aber nicht.

20

2. Auch die Grundsatz- und die Divergenzrügen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

21

a) Soweit die Kläger sich gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage des für die gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse maßgeblichen Zeitpunkts wenden, zeigen sie weder einen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.

22

aa) Die Revision ist insoweit nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des angefochtenen Urteils zu den von den Beschwerdeführern genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen. Das Beschwerdevorbringen genügt hierzu bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen divergenzfähigen Gerichts aufgestellten tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Dagegen reicht es nicht aus, wenn lediglich eine fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen aufgezeigt wird, die die genannten Gerichte in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.

23

Die Kläger entnehmen dem Urteil des Senats vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 7 A 7.09 - (Buchholz 442 § 18 AEG Nr. 69 S. 40) den Rechtssatz, dass "zum Zeitpunkt des Planänderungsbeschlusses die Planrechtfertigung unverändert vorliegen muss, mithin entsprechendes geprüft werden muss und dass sich die ursprüngliche Planfeststellungsentscheidung immer noch, auch unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte aus dem Planänderungsverfahren und dem Stichtag der Planänderungsentscheidung als insgesamt abwägungsfehlerfrei darstellen muss". Das trifft aber so nicht zu. Denn mit der Frage, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines nachträglich im Wege einer Planänderung ergänzten Planfeststellungsbeschlusses maßgeblich ist, befasst sich das genannte Urteil nicht.

24

Gleichfalls ohne Erfolg rügen die Kläger eine Abweichung von den Urteilen vom 7. März 2007 - BVerwG 9 C 2.06 - (BVerwGE 128, 177 = Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 27 S. 2) und vom 23. April 1997 - BVerwG 11 A 7.97 - (BVerwGE 104, 337 = Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 16 S. 27) sowie vom Beschluss vom 7. April 1997 - BVerwG 4 B 64.97 - (Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 10 S. 26). Aus diesen Entscheidungen ergibt sich nach Ansicht der Kläger der Rechtssatz, dass "zwischen dem Zeitraum eines Ursprungsplanfeststellungsbeschlusses ... und dem Zeitraum eines Änderungsplanfeststellungsbeschlusses ... sorgfältig zu prüfen ist, ob gegebenenfalls Entwicklungen eingetreten sind, die, vorliegend im Besonderen in Form der Verkehrsprognose und den Zielen des Vorhabens (Stichwort Alternativ- und Entlastungsstrecke für Güterverkehr) seit dem Ursprungsplanfeststellungsbeschluss derartige Änderungen eingetreten sind, dass über den Gesamtplan nur unter Beachtung dieser Änderungen einheitlich zum Stichtag des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses entschieden werden kann". Einen solchen Rechtssatz hat das Bundesverwaltungsgericht aber in keiner der erwähnten Entscheidungen, auch nicht sinngemäß, aufgestellt; diese äußern sich zur hier entscheidungserheblichen Rechtsfrage nicht. Der von den Klägern formulierte Rechtssatz gibt lediglich die rechtlichen Schlussfolgerungen wieder, die nach deren Verständnis aus den Entscheidungen zu ziehen sind.

25

bb) Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.). Daran fehlt es hier.

26

Die Kläger halten insoweit für grundsätzlich klärungsbedürftig,

(1) "ob ... maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage generell oder für die Themenbereiche des Planänderungsbeschlusses derjenige des Planänderungsbeschlusses oder derjenige des Ausgangsbeschlusses ist";

(2) "ob das vorliegend eingeleitete Planänderungsverfahren, das in Bezug auf Schall- und Erschütterungsschutz darauf beruht, dass zum Zeitpunkt des Ausgangsplanfeststellungsbeschlusses eine fehlerhafte Verkehrsprognose zugrunde gelegt worden war, in Bezug auf den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt verglichen werden kann mit den Rechtsprechungsgrundsätzen im Urteil BVerwG vom 20.01.2010 - 9 A 22.08 - Rn. 28 oder ob die Inhalte des vorliegenden Planänderungsverfahrens von so großem Gewicht sind, dass die Ausgewogenheit der Gesamtplanung oder eines Planungsteils in Frage gestellt werden kann, mithin eine planerische Abwägung des Gesamtvorhabens zum Stichtag des Planänderungsbeschlusses erforderlich ist";

(3) "ob in einer Konstellation eines Planfeststellungsverfahrens, bei dem Schall-, Erschütterungs- und Naturschutz sowie artenschutzfachliche Gutachten neu erstellt werden mit Auswirkungen auf neue Gesamtbeurteilungen des Projekts, neue Bau- und Schutzmaßnahmen aller Art, der durch Planänderungsbeschluss entstehende neue Gesamtplan umfassend nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ergehens des Planänderungsbeschlusses zu beurteilen ist";

(4) "ob in Fallkonstellationen, in denen eine Planänderung vor Realisierung des Vorhabens durchgeführt wird aufgrund einer neuen Verkehrsprognose, dass die zugrunde zu legende Prognose für Schutzmaßnahmen aller Art auch zum Stichtag der Planänderungsentscheidung noch aktuell und gültig vorliegen muss";

(5) "ob in einer Fallkonstellation, in der sicher feststeht, dass eine bisher zugrunde gelegte Verkehrsprognose bis zur Inbetriebnahme des Planfeststellungsvorhabens überholt sein wird, insbesondere wenn bereits lange vor Erreichen dieses Prognosehorizonts eine neue Verkehrsprognose vorliegt, dann auch in einem gerichtlichen Verfahren gegen einen Planfeststellungsbeschluss die neue Verkehrsprognose im Entscheidungszeitraum der mündlichen Verhandlung mit heranzuziehen ist";

(6) "ob bei einem auf einen bestimmten Abschnitt eines Gesamtvorhabens bezogenen Planfeststellungsverfahren, das infolge eines Planänderungsverfahrens und eines damit in Verbindung stehenden gerichtlichen Verfahrens noch nicht rechtskräftig entschieden ist, für die Rechtmäßigkeit der gewählten Abschnittsbildung auch Faktoren zu berücksichtigen sind, die bis zum Ergehen des Planänderungsbeschlusses und/oder der gerichtlichen Tatsachenentscheidung über den Planfeststellungsbeschluss aus einem Nachbarplanfeststellungsabschnitt bekannt geworden sind".

27

Diese Fragen sind, soweit ihnen ein verallgemeinerungsfähiger Gehalt zukommt und sie sich im angestrebten Revisionsverfahren als entscheidungserheblich erweisen, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, an der sich der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich orientiert hat, geklärt. Hiernach kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses an (stRspr; vgl. etwa Urteile vom 1. April 2004 - BVerwG 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <283> = Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 16 S. 75 <83> und vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 <319> Rn. 52 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 m.w.N.). Das gilt in gleicher Weise für die Begründetheit einer auf § 74 Abs. 2 VwVfG gestützten Verpflichtungsklage auf Planergänzung (Urteil vom 23. April 1997 a.a.O. S. 347). An der Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts ändert sich auch dann nichts, wenn der Planfeststellungsbeschluss nach seinem Ergehen im Wege einer Planergänzung insbesondere mit veränderten Schutzauflagen versehen wird, namentlich dann, wenn durch eine solche Änderung ursprüngliche Mängel des Planfeststellungsbeschlusses beseitigt werden sollen. Die Beibehaltung des ursprünglichen Prognosehorizonts setzt allerdings voraus, dass im Planergänzungsverfahren lediglich solche Rechtsfehler behoben werden, die für die Planungsentscheidung insgesamt nicht von so großem Gewicht sind, dass dadurch die Ausgewogenheit der Gesamtplanung oder eines abtrennbaren Planungsteils in Frage gestellt wird, und die durch eine Schutzauflage behoben werden können (Urteile vom 20. Januar 2010 - BVerwG 9 A 22.08 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 55 Rn. 28 und vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72 <81 f.> = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 34<50 f.>). Hiervon geht der Verwaltungsgerichtshof aus, wenn er ausführt, dass die Planergänzung im Planänderungsbeschluss die Gesamtkonzeption des Plans nicht berührt. Diese Feststellung wird nicht mit durchgreifenden Zulassungsrügen in Frage gestellt.

28

b) Das Vorbringen der Kläger zu den prozessualen Folgerungen, die der Verwaltungsgerichtshof aus der Erklärung des Eisenbahn-Bundesamts zur neuerlichen Entscheidung über die Erschütterungsbelastungen gezogen hat, führt ebenso wenig auf einen Zulassungsgrund.

29

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass die diesbezüglichen Aussagen des Planänderungsbeschlusses mit verfügendem Charakter gegenstandslos geworden sind, nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eine Planergänzung unter Aufhebung derjenigen Regelungen, die im Zusammenhang mit den Beweissicherungsmessungen stehen, zugesagt hat. Die Beklagte hat sich zudem verpflichtet, nach Vorlage einer von der Beigeladenen zugesagten neu zu erstellenden erschütterungstechnischen Untersuchung weitere Planergänzungen insofern vorzunehmen. Von dieser Erklärung ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs auch die Aussage des Planänderungsbeschlusses erfasst, die Kosten für die Realisierung der Schutzmaßnahmen am Oberbau stünden in keinem angemessenen Verhältnis zum Schutzzweck. Sie erfasst auch die Fragen des sekundären Luftschalls. In der Sache handelt es sich hierbei um einen Vorbehalt nach § 74 Abs. 3 VwVfG, der durch ein nachfolgendes Planänderungsverfahren aufzulösen ist (Urteil vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 7 A 14.09 - NVwZ 2011, 676 Rn. 23, insoweit in Buchholz nicht abgedruckt).

30

Die auf die Belastungen durch Erschütterungen und sekundären Luftschall bezogenen Rügen sind folglich im vorliegenden Verfahren nicht mehr von Bedeutung. Die vom Verwaltungsgerichtshof hierzu gegebenen Hinweise entfalten keine Bindungswirkung für das nachfolgende Planänderungsverfahren. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat insofern keine rechtlichen Maßstäbe verbindlich vorgegeben.

31

aa) Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zeigen die Kläger nicht auf.

32

Sie entnehmen den Urteilen vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 19.94 - (BVerwGE 100, 370 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 113 S. 99) und vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 19.95 - (BVerwGE 102, 358 = Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 12 S. 23) den Rechtssatz, dass "bei der Neudurchführung fehlerhafter Verfahrensschritte ein ergänzendes Verfahren durchzuführen ist und bis zur Vorlage eines Planfeststellungsänderungsbeschlusses die Nichtvollziehbarkeit des fehlerhaften Planfeststellungsbeschlusses festzustellen ist". Das trifft insoweit zu, als - wie in dem dem zweiten Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt - ein erheblicher Verfahrensfehler vorliegt. Von dem so zu verstehenden Rechtssatz ist der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht abgewichen. Er geht nämlich davon aus, dass bezüglich der hier noch zu bewältigenden Erschütterungsbelastung ein materieller Fehler, nämlich ein erheblicher Mangel in der Abwägung vorliegt, der allerdings im Wege der Planergänzung behoben werden kann und deshalb nicht die Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses im Übrigen in Frage stellt.

33

Von dem im Urteil vom 24. März 2011 - BVerwG 7 A 3.10 - (Buchholz 406.400 § 19 BNatSchG 2002 Nr. 7 Rn. 84) aufgestellten Rechtssatz, dass der Schluss auf die (Teil-)Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses erst dann gezogen werden darf, "wenn sich im gerichtlichen Verfahren herausstellt, dass eine Abwägung nicht oder auf der Grundlage eines nur unzureichend ermittelten Tatsachenmaterials stattgefunden hat", ist der Verwaltungsgerichtshof nicht abgewichen. Einen Rechtssatz, der sich mit diesen Aussagen ausdrücklich in Widerspruch setzt, hat er nicht formuliert. Auch der Sache nach hat er sich lediglich zu den aus der (Teil-)Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses, hier in Bezug auf die Erschütterungsbelastungen, zu ziehenden rechtlichen Folgerungen verhalten.

34

bb) Mit der hierauf bezogenen Grundsatzrüge dringen die Kläger ebenso wenig durch. Sie werfen in dieser Hinsicht als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"ob in der Konstellation eines Planfeststellungsbeschlusses, bei dem ein wesentlicher Konfliktbereich (z.B. Erschütterungen) von Grund auf neu erarbeitet und festgesetzt werden muss, stets der Gesichtspunkt der Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zumindest der Feststellung der (Teil-)Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit gerichtlicherseits zu prüfen ist und hilfsweise bei Relevanz eines Verpflichtungsklageantrages anstelle eines reinen Planergänzungsbeschlusses ein Planänderungsverfahren oder ein ergänzendes Verfahren der Planfeststellungsbehörde aufzuerlegen ist".

35

Die Frage weist, soweit ihr fallübergreifende Bedeutung zukommt, keinen Klärungsbedarf auf. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist vielmehr geklärt, dass das Planergänzungsverfahren dazu dient, solche Rechtsfehler zu beheben, die für die Planungsentscheidung insgesamt nicht von so großem Gewicht sind, dass dadurch die Ausgewogenheit der Gesamtplanung oder eines abtrennbaren Planungsteils in Frage gestellt wird, und die durch eine Schutzauflage behoben werden können (Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72 <81 f.> m.w.N. = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 34<51>). Ob hiervon auszugehen ist, ist jeweils eine Frage des Einzelfalles. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt das bezüglich der Erschütterungsbelastungen der Anlieger der Bahnstrecke an; dies entspricht im Übrigen einer weit verbreiteten Praxis (siehe Urteil vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 7 A 14.09 - NVwZ 2011, 676 Rn. 23, insoweit in Buchholz nicht abgedruckt).

36

Die in diesem Zusammenhang weiter für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage,

"ob im Rahmen des ergänzenden Verfahrens oder auch nur bei einer reinen Planergänzung ein Verwaltungsverfahren nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht mit Beteiligungs-, Akteneinsichts- und Anhörungsrechten durchzuführen ist oder aber ein spezielles Offenlage- und Anhörungsverfahren nach für die Planfeststellung maßgeblichen Grundsätzen und unter Anwendung des § 73 VwVfG",

ist, da sie auf erst noch durchzuführende Verfahren bezogen ist, im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich und folglich schon deswegen nicht klärungsfähig.

37

c) aa) In Bezug auf die Ausführungen zur Lärmbelastung zeigt die Beschwerde eine Divergenz gleichfalls nicht auf.

38

Mit der von den Klägern wiedergegebenen Passage aus dem Urteil vom 7. März 2007 - BVerwG 9 C 2.06 - (BVerwGE 128, 177 = Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 27) wird ein divergenzfähiger Rechtssatz nicht benannt. Denn die Frage, ob eine zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen äußerstenfalls zumutbare Geräuscheinwirkung in einem bestimmten Geräuschpegel zutreffend ausgedrückt ist, ist eine außerrechtliche Fachfrage, die in der Tatsacheninstanz im Wege der Sachverhaltsermittlung zu klären ist (Beschluss vom 21. Januar 2008 - BVerwG 4 B 50.07 - juris Rn. 13 m.w.N.). In welcher Hinsicht eine Abweichung von dem Urteil vom 12. April 2000 - BVerwG 11 A 18.98 - (BVerwGE 111, 108 = Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 49 S. 3) gegeben sein soll, wird nicht ansatzweise dargelegt.

39

bb) Die Beschwerde hält ferner für grundsätzlich klärungsbedürftig,

(1) "ob es von Verfassungs wegen unter dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot sowie den Einzelgrundrechten aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 GG geboten ist, nach dem Stand der Lärmwirkungsforschung festgestellte gesundheitsgefährdende Schallpegel (Beurteilungspegel und Spitzenpegel außen und innen) gesetzlich oder in Rechtsverordnungen zu normieren und dadurch verbindliche Grenzwerte festzusetzen";

(2) "ob auch zur Beurteilung gesundheitsgefährdender Wirkungen von Lärm in Außenwohnbereichen, wozu auch unzumutbare Beeinträchtigungen der Kommunikation und der Rekreation gehören, Spitzenpegel von Verkehrsvorbeifahrten zu ermitteln und zu bewerten sind und dass festzulegen ist, ab welcher Pegelspitze sowie ob ohne oder mit Schienenbonus von 5 dB(A) solche gesundheitsgefährdenden Beeinträchtigungen in Außenwohnbereichen vorliegen können (Schwelle zur Gesundheitsgefährdung)".

40

Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Soweit die Kläger - auch in weiteren Fragen - das gesamte Regelungssystem der §§ 41 ff. BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV und der 24. BImSchV sowie § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 und § 75 Abs. 2 VwVfG in Frage stellen, bedarf es bezüglich der gesetzlichen Vorgaben nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens um festzustellen, dass der Senat sich von der Verfassungswidrigkeit dieser Normen als Voraussetzung für die von den Klägern ausdrücklich oder doch der Sache nach erstrebten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht wird überzeugen können (vgl. Beschluss vom 29. November 2010 - BVerwG 7 B 68.10 - Buchholz 445.5 § 14 WaStrG Nr. 11 Rn. 2). Ungeachtet des Vorbringens der Kläger bestehen schon keine ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Vorschriften (Urteile vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 103, 107, vom 5. März 1997 - BVerwG 11 A 25.95 - BVerwGE 104, 123 <129 ff.> = Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 25 und vom 21. März 1996 - BVerwG 4 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13 S. 32<39> = juris Rn. 21).

41

Nichts anderes gilt für die untergesetzlichen Regelungen. Auch diese haben angesichts fortbestehender technisch-wissenschaftlicher Unsicherheiten und des daraus folgenden weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums des Verordnungsgebers weiterhin Bestand (Urteil vom 21. März 1996 a.a.O. <33, 39> = juris Rn. 14, 21). Für den so genannten Schienenbonus, zu dem die Kläger weitere Fragen formulieren, hat der Senat dies zuletzt im Urteil vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 7 A 14.09 - (Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 = juris Rn. 52 ff.) unter Verwertung neuerer Erkenntnisse dargelegt. Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigen die Kläger nicht auf.

42

d) Die Beschwerde hält unter der Überschrift "Immissionsschutz" für grundsätzlich klärungsbedürftig,

(1) "ob die Prüfung, ob gesundheitsgefährdende Beurteilungs- oder Spitzenpegel zu erwarten sind, bereits durch den Vorhabensträger in der schalltechnischen Untersuchung vorzunehmen ist mit der Maßgabe, dass ermittelt und abgeschätzt werden muss, ob bei streckennahen Gebäuden gesundheitsgefährdende Beurteilungs- oder Spitzenpegel außen oder innen einwirken können und dass auf dieser Grundlage über Schutzmaßnahmen aller Art zu entscheiden ist und die Planfeststellungsbehörde diese Erkenntnisse in die Gesamtabwägung zu dem Vorhaben mit einfließen lassen muss";

(2) "ob nachts im Innenraum generell keine gesundheitsgefährdenden Pegelspitzen auftreten dürfen oder ab welchem zahlenmäßigen Umfang solcher Pegelüberschreitungen abwägungsrelevante Schutzansprüche bestehen";

(3) "ob (Zusammenhang mit dem Schutz vor gesundheitsgefährdenden Innenpegeln) auch hier das Primat aktiven Schallschutzes deswegen vorrangig zu prüfen und zu realisieren ist, um Hausbewohnern so weit wie möglich einen gesunden Nachtschlaf bei gekipptem oder geöffnetem Fenster zu ermöglichen".

43

Auch diese Fragen, die sich auf das Abwägungsgebot im Zusammenhang mit der Zumutbarkeit von Schienenverkehrslärm beziehen, rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Die allgemeinen Anforderungen an die planerische Bewältigung der Lärmbelästigung ergeben sich ausgehend vom Abwägungsgebot in § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG ohne Weiteres aus den gesetzlichen Bestimmungen. Gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung von Eisenbahnen - unbeschadet des § 50 BImSchG und vorbehaltlich der Regelung in Absatz 2 - sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Verkehrsgeräusche sind schädlich, wenn die in § 2 16. BImSchV festgeschriebenen Immissionsgrenzwerte (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) überschritten werden. Die in den Anlagen zu § 3 16. BImSchV vorgeschriebenen Berechnungsverfahren stellen sicher, dass das Maß des verfassungsrechtlich Zulässigen eingehalten wird (Urteil vom 21. März 1996 a.a.O. Rn. 21). Hierzu ist zu berücksichtigen, dass hohe Pegelspitzen erheblichen Einfluss auf die Höhe des Dauerschallpegels haben. Die Frage nach der Zulässigkeit gesundheitsgefährdender Pegelspitzen knüpft im Übrigen an tatsächliche Feststellungen an, die der Verwaltungsgerichtshof so nicht getroffen hat. Des Weiteren gilt auch hier, dass die zahlenmäßige Bestimmung von höchstzulässigen Pegelspitzen eine außerrechtliche Fachfrage darstellt. Die rechtlichen Maßstäbe, die für die Abwägung zwischen aktivem und passivem Schallschutz zu beachten sind, sind in der Rechtsprechung geklärt (Urteile vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 72.07 - BVerwGE 134, 45 = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 52 Rn. 63 f. und vom 20. Januar 2010 - BVerwG 9 A 22.08 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 55 = juris Rn. 48 m.w.N.)

44

Hinsichtlich der weiteren Frage,

"ob als Lärmvermeidungsmaßnahme im Sinne des aktiven Schallschutzes in diesem Rahmen stets auch betriebsregelnde Maßnahmen zu prüfen und zu erwägen sind, vorrangig vor Entschädigungsmaßnahmen aller Art, zu der bekanntlich passiver Schallschutz gehört",

legen die Kläger die Klärungsfähigkeit nicht dar. Der Verwaltungsgerichtshof lässt die Frage, ob in einem eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss betriebsregelnde Maßnahmen überhaupt getroffen werden können, unter Hinweis auf Ermessenspielräume der Planfeststellungsbehörde dahinstehen. Die Kläger führen vor diesem Hintergrund aber nicht, wie geboten, aus, dass die genannte Frage in einem Revisionsverfahren zu beantworten ist.

45

e) Ferner halten die Beschwerdeführer für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob im Rahmen der Gesamtlärmbelastung bei dem von dem in Rede stehenden Vorhaben ausgehenden Lärm neben dem Beurteilungspegel auch die Pegelspitzen einzelner Verkehrsereignisse generell, von der Anzahl her gesehen sowie tags und nachts zu ermitteln und in Relation zu der Ist-Situation und der sonstigen Verkehrsbelastung durch andere Verkehrsträger zu stellen ist".

46

Auch aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen. Denn die Art und Weise der Ermittlung der Gesamtlärmbelastung bei einem Zusammentreffen nicht gleichartiger Verkehrswege ist eine außerrechtliche Fachfrage, die revisionsgerichtlicher Klärung nicht zugänglich ist (Beschluss vom 24. November 2010 - BVerwG 4 BN 28.10 - ZfBR 2011, 165 m.w.N.).

47

f) aa) Hinsichtlich des Schutzes vor Baulärm behaupten die Kläger eine Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit der Fundstelle NVwZ 2001, 71. Im dort veröffentlichten Urteil vom 15. März 2000 - BVerwG 11 A 42.97 - (BVerwGE 110, 370 = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 33 S. 66) finden sich indessen keine Ausführungen zum Baulärm.

48

bb) Die Frage,

"ob bei einem Planfeststellungsvorhaben eine Immissionsprognose dergestalt anzustellen ist, ob bei betroffenen Streckenanliegern mit Sicherheit zu erwarten ist, dass geltende Richtwerte nach der AVV-Baulärm, die nicht überschritten werden dürfen, überschritten werden und ob in der Folge dann der Planfeststellungsbeschluss eine Entscheidung über etwaig erforderliche Schutzmaßnahmen treffen muss",

wirft einen verallgemeinerungsfähigen Klärungsbedarf nicht auf. Denn sie ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu beantworten.

49

Im Übrigen wird die Beigeladene im Wege der Auflage verpflichtet, die einschlägigen Vorschriften nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG zu beachten und die in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm - Geräuschimmissionen - AVV Baulärm - festgelegten Werte einzuhalten. Weiter ist der Beigeladenen aufgegeben worden, den Baustellenbetrieb regelmäßig auf die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Vorgaben zu überwachen und die Einhaltung der Immissionswerte gemäß der AVV Baulärm durch Messung seitens eines Sachverständigen nachzuweisen. Die Beigeladene hat somit sicherzustellen, dass es nicht zu einer Überschreitung der in der AVV Baulärm festgesetzten Werte kommt. Dass diese Werte nicht eingehalten werden könnten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Folglich bedarf es auch keiner Immissionsprognose bezüglich des zu erwartenden Baulärms.

50

g) Die von der Beschwerde im Zusammenhang mit der Verschattung durch die geplanten Lärmschutzwände aufgeworfenen Fragen rechtfertigen - auch soweit diese mit ihrer Formulierung nicht bereits ausdrücklich auf die Besonderheiten des Einzelfalles abstellen - ebenso wenig die Zulassung der Revision. Denn die Zumutbarkeit einer Verschattung ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (Urteil vom 23. Februar 2005 - BVerwG 4 A 4.04 - BVerwGE 123, 37 <48> = Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 23 S. 60<75>). Ob dessen ungeachtet in rechtsgrundsätzlicher Weise jedenfalls eine allgemeine Erheblichkeitsschwelle hinsichtlich der Verminderung der Besonnung in den Wintermonaten bestimmt werden könnte, kann dahinstehen. Die Kläger legen nämlich nicht dar, dass die Frage, die auf den von ihnen genannten Wert von 20 % bezogen ist, im erstrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich und damit klärungsfähig wäre. Die vorliegenden Unterlagen lassen jedenfalls - soweit ersichtlich - den Schluss, dass bei den Klägern diese Schwelle überschritten sein könnte, nicht zu.

51

h) Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich schließlich auch nicht im Hinblick auf die so genannte Anstoßfunktion der öffentlichen Bekanntmachung der Auslegung der Planungsunterlagen nach (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 AEG a.F. i.V.m.) § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG; sie sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt. § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG zielt darauf ab, die im Veröffentlichungsgebiet Betroffenen durch Angabe der räumlichen Lage sowie der Art des Vorhabens zu ermuntern, sich für die Planung zu interessieren und nach Bedarf hieran als Einwender mitzuwirken; es soll ihnen bewusst gemacht werden, dass sie erforderlichenfalls weitere Schritte unternehmen müssen, um ihre Interessen wahrnehmen zu können. Dazu gehört in erster Linie, die Vorhabensunterlagen einzusehen (Urteile vom 16. August 1995 - BVerwG 11 A 2.95 - Buchholz 407.3 § 3 VerkPBG Nr. 1 S. 2<6> = juris Rn. 30, vom 23. April 1997 - BVerwG 11 A 7.97 - BVerwGE 104, 337 <342> = Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 16 S. 27 und vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <376 f.> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 39<43 f.>). Einen über diese Grundsätze hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

52

i) Schließlich verhelfen die im Zusammenhang mit der Finanzierbarkeit sowie der Nichtdurchführung eines Raumordnungsverfahrens als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen der Beschwerde ebenso wenig zum Erfolg. Sie knüpfen jeweils an tatsächliche Feststellungen an, die der Verwaltungsgerichtshof so nicht getroffen hat; die Klärungsfähigkeit der Fragen ist demnach nicht dargetan.

53

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Dient der Gewässerausbau dem Wohl der Allgemeinheit, so kann bei der Feststellung des Plans bestimmt werden, dass für seine Durchführung die Enteignung zulässig ist. Satz 1 gilt für die Plangenehmigung entsprechend, wenn Rechte anderer nur unwesentlich beeinträchtigt werden. In den Fällen der Sätze 1 und 2 ist die Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung nicht selbständig anfechtbar.

(2) Die Enteignung ist zum Wohl der Allgemeinheit zulässig, soweit sie zur Durchführung eines festgestellten oder genehmigten Plans notwendig ist, der dem Küsten- oder Hochwasserschutz dient. Abweichend von Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, bedarf es keiner Bestimmung bei der Feststellung oder Genehmigung des Plans. Weitergehende Rechtsvorschriften der Länder bleiben unberührt.

(3) Der festgestellte oder genehmigte Plan ist dem Enteignungsverfahren zugrunde zu legen und für die Enteignungsbehörde bindend.

(4) Im Übrigen gelten die Enteignungsgesetze der Länder.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 13. August 2012, mit dem der Planfeststellungsbeschluss für den sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 3 (Frankfurt-Nürnberg) im Abschnitt Anschlussstelle (AS) Würzburg-Heidingsfeld/westlich Mainbrücke Randersacker vom 17. Dezember 2009 hinsichtlich der neuen Überführung des öffentlichen Feldwegs "Langer Kniebrecherweg" über die Bundesstraße B 19 (künftig: Überführung) geändert wird. Die lichte Weite der Überführung wird von 28 m auf 44,64 m und die Breite zwischen den Brückengeländern von 5,5 m auf 6 m vergrößert. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 3. März 2011 die Klage mehrerer Enteignungsbetroffener - darunter auch der Klägerin - gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 abgewiesen (- BVerwG 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 215).

2

Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen wie folgt: Sie werde durch die mehrjährigen Bauarbeiten erheblichen Lärm- und Schadstoffbelastungen ausgesetzt. Gerade die Überführung sei von zentraler Bedeutung für die Abwicklung des Bauverkehrs. Die an der Überführung geplanten Änderungen erlaubten einen noch stärkeren Bauverkehr mit zusätzlichen Immissionen. Hierüber hätte nicht isoliert entschieden werden dürfen, sondern nur zusammen mit den außerdem vorgesehenen Ergänzungen und Änderungen der Planung. Dies folge aus den Grundsätzen der Einheitlichkeit und Konzentration der Planfeststellung, der Pflicht zur Vorlage einer einheitlichen Ausführungsplanung nach der im Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss abgegebenen Protokollerklärung und dem aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes und dem Projektbegriff der UVP-Richtlinie herzuleitenden Gebot, die nachteiligen Auswirkungen aller unmittelbar mit dem Ausbau der A 3 verbundenen Maßnahmen auf Mensch und Umwelt insgesamt zu betrachten. Die Änderung der Überführung sei zudem Voraussetzung für den Bau der Behelfsbrücke über die B 19; sie hätte daher als Folgemaßnahme in das auf die Behelfsbrücke bezogene ergänzende Planfeststellungsverfahren einbezogen werden müssen. Von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht abgesehen worden. Diesen Verfahrensfehler könne nach Unionsrecht jeder zum Kreis der "betroffenen Öffentlichkeit" zählende Private unabhängig davon geltend machen, ob das Vorhaben seine eigenen Belange berühre.

3

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 13. August 2012 aufzuheben.

4

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Er verteidigt in der Sache die angefochtene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

6

1. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO für diesen Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Eine Streitigkeit "betrifft" im Sinne dieser Vorschrift das Planfeststellungsverfahren, wenn sie Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens ist (Beschlüsse vom 12. Juni 2007 - BVerwG 7 VR 1.07 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 25 Rn. 8 und vom 11. Juli 2013 - BVerwG 9 VR 5.13 - NVwZ 2013, 1219 Rn. 8; stRspr). Dazu zählt auch der hier in Rede stehende Streit darüber, ob eine Planänderung ohne erneutes Planfeststellungsverfahren zugelassen werden durfte (§ 17d Satz 1 FStrG i.V.m. § 76 Abs. 2 VwVfG).

7

2. Die Klage ist mangels Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) unzulässig. Die Klägerin kann sich nicht auf eigene Rechte berufen, deren Verletzung zumindest möglich erscheint (vgl. Urteil vom 22. Mai 1980 - BVerwG 3 C 2.80 - BVerwGE 60, 154 <157 f.> = Buchholz 451.731 KHG Nr. 3 S. 20 f.).

8

a) Die Verletzung einer der Klägerin zustehenden materiellen Rechtsposition ist ausgeschlossen.

9

aa) Die Klägerin kann keine Verletzung ihres Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) geltend machen. Der Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 zum Ausbau der A 3, der den Zugriff auf das Grundeigentum der Klägerin eröffnet, ist ihr gegenüber bestandskräftig geworden. Daher kann sie Änderungen oder Ergänzungen dieser Planung nur angreifen, wenn sie gerade erstmals oder weitergehend als bisher betroffen wird (Urteil vom 19. Dezember 2007 - BVerwG 9 A 22.06 - BVerwGE 130, 138 = Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 15 jeweils Rn. 20 und Beschluss vom 17. September 2004 - BVerwG 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 S. 4 f.; ebenso Beschluss vom 22. September 2005 - BVerwG 9 B 13.05 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189 Rn. 4 ff. zu im ergänzenden Verfahren ergangenen Planänderungen). Gegenstand des angefochtenen Änderungsbescheides ist lediglich eine Ausdehnung der lichten Weite der Überführung und der Breite zwischen den Brückengeländern. Hierfür wird nicht erneut auf das Grundeigentum der Klägerin zugegriffen.

10

bb) Eine Verletzung des aus dem Abwägungsgebot (§ 17 Satz 2 FStrG) folgenden Rechts auf gerechte Abwägung schutzwürdiger und mehr als nur geringfügig berührter privater Belange ist ebenfalls nicht möglich (vgl. Urteile vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <66> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 19 S. 12 und vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 16; Beschluss vom 9. November 1979 - BVerwG 4 N 1.78 u.a. - BVerwGE 59, 87 <102 f.> = Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 18 = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 6; stRspr).

11

(1) Die Klägerin kann nicht die Berücksichtigung derjenigen bauzeitlichen Immissionen verlangen, die dem Ausbau der A 3 zuzurechnen sind. Aufgrund des ihr gegenüber bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 ist sie zur Duldung dieser Belastungen verpflichtet (§ 17c FStrG i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Dazu gehören auch die Lärm- und Schadstoffeinwirkungen durch den Bauverkehr zur Verwirklichung des planfestgestellten Ausbaus, der auf eigens dafür planfestgestellten Baustraßen - u.a. auf dem "Langen Kniebrecherweg" samt Überführung über die B 19 - abgewickelt wird.

12

(2) Es ist ausgeschlossen, dass die Änderungen am Überführungsbauwerk für sich genommen zu Belastungen der mehr als 2 km entfernt wohnenden Klägerin durch Lärm und Schadstoffe führen können.

13

Die Aufweitung der Breite zwischen den Geländern der Überführung von 5,5 m auf 6 m ist für den Umfang des Bauverkehrs und dessen räumliche und zeitliche Verteilung ohne jede Bedeutung. Diese Maßnahme dient nach den von der Klägerin nicht in Abrede gestellten Angaben des Beklagten der Anpassung der Fahrbahnbreite zwischen den Geländern an die Fahrbahnbreite der Rampen der Überführung; dadurch soll die dort vorgesehene Betriebsumfahrt für den Winter- und Straßenbetriebsdienst auf der A 3 verbessert werden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass durch die Aufweitung kein Gegenverkehr der Baufahrzeuge auf der Überführung ermöglicht wird. Die Kapazität der Baustraße "Langer Kniebrecherweg" bleibt also im Wesentlichen unverändert.

14

Das gilt auch mit Blick auf die Vergrößerung der lichten Weite der Überführung. Die Annahme der Klägerin, dadurch könnten entlang der B 19 verlaufende Baustraßen unterhalb der Überführung eingerichtet werden, trifft nicht zu. Solche Baustraßen sind weder Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses noch des angefochtenen Änderungsbescheides. Sie können im Übrigen ausweislich der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung gezeigten Lichtbilder der bereits errichteten Überführung auch tatsächlich nicht eingerichtet werden. Soweit die Klägerin darauf verweist, die Überführung ermögliche einen Bauverkehr in Richtung Süden, ist nicht erkennbar, dass gerade die streitgegenständlichen Änderungsmaßnahmen hierfür verantwortlich sein könnten. Der angefochtene Bescheid legt keine weiteren Baustraßen fest und nur die planfestgestellten Baustraßen dürfen über den Gemeingebrauch hinaus durch Baufahrzeuge genutzt werden (Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 S. 40, 510 und 519 f.). Sollte die Klägerin geltend machen wollen, die Auf- und Abfahrrampen der Überführung seien tatsächlich abweichend von der Planung errichtet worden, um Möglichkeiten für einen Bauverkehr in Richtung Süden zu schaffen, ist dies für den vorliegenden Rechtsstreit unbeachtlich. Denn die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Streitigkeiten über fernstraßenrechtliche Planfeststellungsverfahren gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO umfasst nicht Streitigkeiten darüber, ob die konkrete Bauausführung sich im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses hält (vgl. Beschluss vom 11. Juli 2013 a.a.O. Rn. 8 f. m.w.N.). Gegenstand der nicht unter die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO fallenden Ausführungsplanung ist im Übrigen auch die für die Beurteilung der bauzeitlichen Belastungen eigentlich relevante genaue räumliche und zeitliche Verteilung des Bauverkehrs. Schließlich können die Änderungen am Überführungsbauwerk selbst keinen nennenswerten zusätzlichen Bauverkehr auslösen, weil die dazu notwendigen Bauarbeiten nur einen geringen Umfang aufweisen.

15

(3) Die Klägerin meint, eine gerechte Abwägung ihrer Belange könne nicht auf die durch die Änderungen am Überführungsbauwerk verursachten Auswirkungen beschränkt werden, sondern setze eine auf sämtliche Änderungen und Ergänzungen der Planfeststellung bezogene Gesamtbetrachtung aller Immissionen voraus, auch wenn über die einzelnen Maßnahmen gesondert entschieden worden sei. Jedenfalls bei der danach gebotenen Berücksichtigung der kumulativen Wirkung aller Planänderungen bzw. -ergänzungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie in abwägungserheblicher Weise zusätzlichen Lärm- und Schadstoffbelastungen ausgesetzt werde. Dem kann nicht gefolgt werden. Dabei kann offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Kläger mit Blick auf das drittschützende Gebot gerechter Abwägung privater Belange überhaupt verlangen kann, dass eventuelle nachteilige Auswirkungen anderer, von ihm nicht angefochtener Maßnahmen zur Änderung oder Ergänzung der Planfeststellung berücksichtigt werden. Wie ausgeführt, wird die Klägerin durch die hier angefochtene Planänderung in keiner Weise belastet. Selbst wenn unterstellt wird, dass es eine von mehreren Maßnahmen ausgehende, kumulativ auf die Klägerin wirkende und daher nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sachgerecht zu bewertende Immissionsbelastung gibt, können jedenfalls die Änderungen an der Überführung hierzu keinen Beitrag leisten.

16

b) Der Klägerin steht eine Klagebefugnis auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensrecht zu. Die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften ist regelmäßig kein Selbstzweck, sondern dient der besseren Durchsetzung von materiellen Rechten und Belangen. Daher können Verfahrensrechte eine Klagebefugnis grundsätzlich nicht selbständig begründen, sondern nur unter der Voraussetzung, dass sich der behauptete Verfahrensverstoß auf eine materiell-rechtliche Position des Klägers ausgewirkt haben kann (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 19; stRspr). Hier liegen die von der Klägerin in Anspruch genommenen Verfahrensrechte bereits nicht vor.

17

aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass über die Änderungen am Überführungsbauwerk isoliert und nicht zusammen mit weiteren Änderungen und Ergänzungen der Planung entschieden wurde. Den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (§ 17d FStrG i.V.m. § 76 VwVfG, § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG) lässt sich nicht entnehmen, dass über alle Modifikationen eines Planfeststellungsbeschlusses nur einheitlich entschieden werden kann. Eine solche Pflicht zur Entscheidungskonzentration wäre im Übrigen auch nicht sachgerecht, weil sich die Notwendigkeit punktueller Änderungen der Planung nicht notwendig zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern nicht selten in unterschiedlichen Phasen der Bauausführung herausstellen wird. Die Klägerin kann einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf einheitliche Entscheidung - insbesondere auf Einbeziehung der Änderungen an der Überführung in die Planergänzung zur Behelfsbrücke der B 19 unter dem Gesichtspunkt einer "Folgemaßnahme" - auch nicht aus dem Abwägungsgebot herleiten. Wie bereits ausgeführt, ist die hier angefochtene Maßnahme in keiner Weise konfliktträchtig. Daher kann das Gebot der umfassenden Bewältigung aller durch die Planung aufgeworfenen Konflikte einer isolierten Zulassung der Planänderung nicht entgegenstehen.

18

bb) Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die in der mündlichen Verhandlung am 17. Februar 2011 zu Protokoll erklärte Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, wonach "dem Vorhabenträger aufgegeben wird, vor Baubeginn seine Ausführungsplanung der Planfeststellungsbehörde zur Ergänzung oder Änderung der Planfeststellung oder zur Genehmigung vorzulegen." Sie meint, aufgrund dieser Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 könne sie verlangen, dass der Vorhabenträger die Ausführungsplanung als Ganzes vorlegt und die Planfeststellungsbehörde hierüber einheitlich durch Genehmigung oder durch Änderung bzw. Ergänzung der Planfeststellung entscheidet. Das trifft nicht zu.

19

Hintergrund der Protokollerklärung ist die nach ständiger Rechtsprechung eröffnete Möglichkeit, die Bauausführung aus der Planfeststellung auszuklammern, soweit sie lediglich nach dem Stand der Technik lösbare Probleme aufwirft; die Pflicht zur Vorlage der Ausführungsplanung vor Baubeginn ermöglicht der Planfeststellungsbehörde die Prüfung und Entscheidung darüber, ob diese Grenze eingehalten ist (vgl. Urteil vom 3. März 2011 a.a.O. Rn. 50 m.w.N.). Es ist nicht erkennbar, weshalb die Planfeststellungsbehörde diesen Prüfauftrag von vornherein nur dann sachgerecht sollte wahrnehmen können, wenn die Ausführungsplanung als Ganze vorgelegt wird. Dass dem nicht so ist, zeigt im Übrigen das Urteil vom 3. März 2011, mit dem die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau der A 3 abgewiesen wurde. Darin wird die Frage, ob die weitere Ausführung verschiedener baulicher Maßnahmen (Abbruch der alten Talbrücke Heidingsfeld und deren Neubau, Errichtung des Katzenbergtunnels, Behelfsfahrbahn der A 3 und Behelfsbrücke der B 19) aus der Planfeststellung ausgeklammert werden durfte, jeweils gesondert abgehandelt (vgl. Rn. 51 bis 57, 63). Erst recht erschließt sich nicht, weshalb sich aus der Protokollerklärung eine Pflicht der Planfeststellungsbehörde ergeben sollte, über alle von ihr nach Prüfung der Ausführungsplanung als notwendig erachteten Änderungen oder Ergänzungen der Planung einheitlich zu entscheiden. Unabhängig davon ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass hier eine besondere Situation vorliegt, die ausnahmsweise für die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung über alle Modifikationen der Planfeststellung sprechen könnte.

20

c) Die Klägerin rügt schließlich, die angefochtene Planänderung bilde nach § 3b UVPG zusammen mit sonstigen Änderungen der Planfeststellung und allen bauzeitlichen Maßnahmen wie insbesondere der Behelfsbrücke der B 19 und der Behelfsfahrbahn der A 3 ein Projekt, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 UmwRG und mit Blick auf die Anforderungen des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl EU Nr. L 26 S. 1) - UVP-RL - könne sie diesen Fehler unabhängig von der Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte und Belange i.S.d. § 42 Abs. 1 VwGO geltend machen. Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen.

21

In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass sich ein Einzelner nicht unabhängig von der Betroffenheit in eigenen materiellen Rechten auf die Verfahrensfehler einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung berufen kann. § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG stellt keine "andere gesetzliche Bestimmung" i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO dar, die Einzelnen eine von der möglichen eigenen Betroffenheit unabhängige Klagebefugnis verleiht, sondern betrifft die Begründetheitsprüfung. Die genannten Fehler führen abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Begründetheit der Klage, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften des UVP-Rechts der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts Einzelner dienen; abweichend von § 46 VwVfG erstreckt sich die Begründetheitsprüfung außerdem nicht auf die Frage, ob diese Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können (Urteile vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 21 f. und - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3 jeweils Rn. 34; ebenso Beschluss vom 27. Juni 2013 - BVerwG 4 B 37.12 - juris Rn. 10). Insoweit wird den Einzelnen folglich eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition eingeräumt. Für deren Klagebefugnis bleibt es hingegen bei dem allgemeinen Erfordernis, dass eine eigene Betroffenheit durch die Zulassung des UVP-pflichtigen Vorhabens möglich erscheint.

22

Wie der Senat ebenfalls bereits ausgesprochen hat, können vernünftigerweise keine Zweifel daran bestehen, dass diese Ausgestaltung der Klagebefugnis mit Unionsrecht vereinbar ist (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 23). Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. b UVP-RL kann das nationale Recht den Zugang zu Gerichten davon abhängig machen, dass der Kläger eine Rechtsverletzung geltend macht. Das nationale Recht kann nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 UVP-RL ferner in Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als Rechtsverletzung gilt. Den Mitgliedstaaten steht es frei, diese Rechtspositionen auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken (EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - Rs. C-115/09, Trianel - NJW 2011, 2779 Rn. 45). Das Unionsrecht gebietet mithin nicht die Einführung einer UVP-rechtlichen Popular- oder Interessentenklage ohne die Notwendigkeit eigener Betroffenheit. Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Spielraum genutzt und auch für den Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie an der Systementscheidung zugunsten eines auf subjektive Rechte Einzelner zugeschnittenen Rechtsschutzes festgehalten (BTDrucks 16/2495 S. 7 f.). Auch widerspricht es offenkundig weder dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gericht zu gewähren noch dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip, dass ein Einzelner nur dann gegen die Zulassung eines UVP-pflichtigen Vorhabens klagen kann, wenn überhaupt die Möglichkeit besteht, dass er dadurch betroffen wird (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 23).

23

Das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gibt keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Der Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 7. Januar 2004 - Rs. C-201/02, Wells - (NVwZ 2004, 593) geht fehl. Die im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens ergangene Entscheidung betraf nicht die Frage, ob Einzelne den Verfahrensmangel einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von eigener Betroffenheit klageweise geltend machen können. Dasselbe gilt für das von der Klägerin außerdem in Bezug genommene, im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens ergangene Urteil des Gerichtshofs vom 11. August 1995 - Rs. C-431/92 - (NVwZ 1996, 369); auf Rügemöglichkeiten Einzelner kam es in diesem Zusammenhang nicht an (Rn. 26). Wenn die Klägerin meint, nach Unionsrecht dürfe der Zugang zu Gericht allein von der Zugehörigkeit des Einzelnen zur "betroffenen Öffentlichkeit" i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Buchst. e UVP-RL abhängig gemacht werden, übersieht sie, dass sich die den Mitgliedstaaten eröffnete Systementscheidung zugunsten eines subjektiven Rechtsschutzes nach dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 UVP-RL gerade auf den Zugang der "Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit" zu den Gerichten bezieht; zu Klagemöglichkeiten der allgemeinen Öffentlichkeit trifft die UVP-Richtlinie ohnehin keine Aussagen.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 13. August 2012, mit dem der Planfeststellungsbeschluss für den sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 3 (Frankfurt-Nürnberg) im Abschnitt Anschlussstelle (AS) Würzburg-Heidingsfeld/westlich Mainbrücke Randersacker vom 17. Dezember 2009 hinsichtlich der neuen Überführung des öffentlichen Feldwegs "Langer Kniebrecherweg" über die Bundesstraße B 19 (künftig: Überführung) geändert wird. Die lichte Weite der Überführung wird von 28 m auf 44,64 m und die Breite zwischen den Brückengeländern von 5,5 m auf 6 m vergrößert. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 3. März 2011 die Klage mehrerer Enteignungsbetroffener - darunter auch der Klägerin - gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 abgewiesen (- BVerwG 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 215).

2

Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen wie folgt: Sie werde durch die mehrjährigen Bauarbeiten erheblichen Lärm- und Schadstoffbelastungen ausgesetzt. Gerade die Überführung sei von zentraler Bedeutung für die Abwicklung des Bauverkehrs. Die an der Überführung geplanten Änderungen erlaubten einen noch stärkeren Bauverkehr mit zusätzlichen Immissionen. Hierüber hätte nicht isoliert entschieden werden dürfen, sondern nur zusammen mit den außerdem vorgesehenen Ergänzungen und Änderungen der Planung. Dies folge aus den Grundsätzen der Einheitlichkeit und Konzentration der Planfeststellung, der Pflicht zur Vorlage einer einheitlichen Ausführungsplanung nach der im Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss abgegebenen Protokollerklärung und dem aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes und dem Projektbegriff der UVP-Richtlinie herzuleitenden Gebot, die nachteiligen Auswirkungen aller unmittelbar mit dem Ausbau der A 3 verbundenen Maßnahmen auf Mensch und Umwelt insgesamt zu betrachten. Die Änderung der Überführung sei zudem Voraussetzung für den Bau der Behelfsbrücke über die B 19; sie hätte daher als Folgemaßnahme in das auf die Behelfsbrücke bezogene ergänzende Planfeststellungsverfahren einbezogen werden müssen. Von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht abgesehen worden. Diesen Verfahrensfehler könne nach Unionsrecht jeder zum Kreis der "betroffenen Öffentlichkeit" zählende Private unabhängig davon geltend machen, ob das Vorhaben seine eigenen Belange berühre.

3

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 13. August 2012 aufzuheben.

4

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Er verteidigt in der Sache die angefochtene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

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1. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO für diesen Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Eine Streitigkeit "betrifft" im Sinne dieser Vorschrift das Planfeststellungsverfahren, wenn sie Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens ist (Beschlüsse vom 12. Juni 2007 - BVerwG 7 VR 1.07 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 25 Rn. 8 und vom 11. Juli 2013 - BVerwG 9 VR 5.13 - NVwZ 2013, 1219 Rn. 8; stRspr). Dazu zählt auch der hier in Rede stehende Streit darüber, ob eine Planänderung ohne erneutes Planfeststellungsverfahren zugelassen werden durfte (§ 17d Satz 1 FStrG i.V.m. § 76 Abs. 2 VwVfG).

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2. Die Klage ist mangels Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) unzulässig. Die Klägerin kann sich nicht auf eigene Rechte berufen, deren Verletzung zumindest möglich erscheint (vgl. Urteil vom 22. Mai 1980 - BVerwG 3 C 2.80 - BVerwGE 60, 154 <157 f.> = Buchholz 451.731 KHG Nr. 3 S. 20 f.).

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a) Die Verletzung einer der Klägerin zustehenden materiellen Rechtsposition ist ausgeschlossen.

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aa) Die Klägerin kann keine Verletzung ihres Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) geltend machen. Der Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 zum Ausbau der A 3, der den Zugriff auf das Grundeigentum der Klägerin eröffnet, ist ihr gegenüber bestandskräftig geworden. Daher kann sie Änderungen oder Ergänzungen dieser Planung nur angreifen, wenn sie gerade erstmals oder weitergehend als bisher betroffen wird (Urteil vom 19. Dezember 2007 - BVerwG 9 A 22.06 - BVerwGE 130, 138 = Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 15 jeweils Rn. 20 und Beschluss vom 17. September 2004 - BVerwG 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 S. 4 f.; ebenso Beschluss vom 22. September 2005 - BVerwG 9 B 13.05 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189 Rn. 4 ff. zu im ergänzenden Verfahren ergangenen Planänderungen). Gegenstand des angefochtenen Änderungsbescheides ist lediglich eine Ausdehnung der lichten Weite der Überführung und der Breite zwischen den Brückengeländern. Hierfür wird nicht erneut auf das Grundeigentum der Klägerin zugegriffen.

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bb) Eine Verletzung des aus dem Abwägungsgebot (§ 17 Satz 2 FStrG) folgenden Rechts auf gerechte Abwägung schutzwürdiger und mehr als nur geringfügig berührter privater Belange ist ebenfalls nicht möglich (vgl. Urteile vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <66> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 19 S. 12 und vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 16; Beschluss vom 9. November 1979 - BVerwG 4 N 1.78 u.a. - BVerwGE 59, 87 <102 f.> = Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 18 = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 6; stRspr).

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(1) Die Klägerin kann nicht die Berücksichtigung derjenigen bauzeitlichen Immissionen verlangen, die dem Ausbau der A 3 zuzurechnen sind. Aufgrund des ihr gegenüber bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 ist sie zur Duldung dieser Belastungen verpflichtet (§ 17c FStrG i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Dazu gehören auch die Lärm- und Schadstoffeinwirkungen durch den Bauverkehr zur Verwirklichung des planfestgestellten Ausbaus, der auf eigens dafür planfestgestellten Baustraßen - u.a. auf dem "Langen Kniebrecherweg" samt Überführung über die B 19 - abgewickelt wird.

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(2) Es ist ausgeschlossen, dass die Änderungen am Überführungsbauwerk für sich genommen zu Belastungen der mehr als 2 km entfernt wohnenden Klägerin durch Lärm und Schadstoffe führen können.

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Die Aufweitung der Breite zwischen den Geländern der Überführung von 5,5 m auf 6 m ist für den Umfang des Bauverkehrs und dessen räumliche und zeitliche Verteilung ohne jede Bedeutung. Diese Maßnahme dient nach den von der Klägerin nicht in Abrede gestellten Angaben des Beklagten der Anpassung der Fahrbahnbreite zwischen den Geländern an die Fahrbahnbreite der Rampen der Überführung; dadurch soll die dort vorgesehene Betriebsumfahrt für den Winter- und Straßenbetriebsdienst auf der A 3 verbessert werden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass durch die Aufweitung kein Gegenverkehr der Baufahrzeuge auf der Überführung ermöglicht wird. Die Kapazität der Baustraße "Langer Kniebrecherweg" bleibt also im Wesentlichen unverändert.

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Das gilt auch mit Blick auf die Vergrößerung der lichten Weite der Überführung. Die Annahme der Klägerin, dadurch könnten entlang der B 19 verlaufende Baustraßen unterhalb der Überführung eingerichtet werden, trifft nicht zu. Solche Baustraßen sind weder Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses noch des angefochtenen Änderungsbescheides. Sie können im Übrigen ausweislich der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung gezeigten Lichtbilder der bereits errichteten Überführung auch tatsächlich nicht eingerichtet werden. Soweit die Klägerin darauf verweist, die Überführung ermögliche einen Bauverkehr in Richtung Süden, ist nicht erkennbar, dass gerade die streitgegenständlichen Änderungsmaßnahmen hierfür verantwortlich sein könnten. Der angefochtene Bescheid legt keine weiteren Baustraßen fest und nur die planfestgestellten Baustraßen dürfen über den Gemeingebrauch hinaus durch Baufahrzeuge genutzt werden (Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 S. 40, 510 und 519 f.). Sollte die Klägerin geltend machen wollen, die Auf- und Abfahrrampen der Überführung seien tatsächlich abweichend von der Planung errichtet worden, um Möglichkeiten für einen Bauverkehr in Richtung Süden zu schaffen, ist dies für den vorliegenden Rechtsstreit unbeachtlich. Denn die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Streitigkeiten über fernstraßenrechtliche Planfeststellungsverfahren gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO umfasst nicht Streitigkeiten darüber, ob die konkrete Bauausführung sich im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses hält (vgl. Beschluss vom 11. Juli 2013 a.a.O. Rn. 8 f. m.w.N.). Gegenstand der nicht unter die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO fallenden Ausführungsplanung ist im Übrigen auch die für die Beurteilung der bauzeitlichen Belastungen eigentlich relevante genaue räumliche und zeitliche Verteilung des Bauverkehrs. Schließlich können die Änderungen am Überführungsbauwerk selbst keinen nennenswerten zusätzlichen Bauverkehr auslösen, weil die dazu notwendigen Bauarbeiten nur einen geringen Umfang aufweisen.

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(3) Die Klägerin meint, eine gerechte Abwägung ihrer Belange könne nicht auf die durch die Änderungen am Überführungsbauwerk verursachten Auswirkungen beschränkt werden, sondern setze eine auf sämtliche Änderungen und Ergänzungen der Planfeststellung bezogene Gesamtbetrachtung aller Immissionen voraus, auch wenn über die einzelnen Maßnahmen gesondert entschieden worden sei. Jedenfalls bei der danach gebotenen Berücksichtigung der kumulativen Wirkung aller Planänderungen bzw. -ergänzungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie in abwägungserheblicher Weise zusätzlichen Lärm- und Schadstoffbelastungen ausgesetzt werde. Dem kann nicht gefolgt werden. Dabei kann offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Kläger mit Blick auf das drittschützende Gebot gerechter Abwägung privater Belange überhaupt verlangen kann, dass eventuelle nachteilige Auswirkungen anderer, von ihm nicht angefochtener Maßnahmen zur Änderung oder Ergänzung der Planfeststellung berücksichtigt werden. Wie ausgeführt, wird die Klägerin durch die hier angefochtene Planänderung in keiner Weise belastet. Selbst wenn unterstellt wird, dass es eine von mehreren Maßnahmen ausgehende, kumulativ auf die Klägerin wirkende und daher nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sachgerecht zu bewertende Immissionsbelastung gibt, können jedenfalls die Änderungen an der Überführung hierzu keinen Beitrag leisten.

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b) Der Klägerin steht eine Klagebefugnis auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensrecht zu. Die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften ist regelmäßig kein Selbstzweck, sondern dient der besseren Durchsetzung von materiellen Rechten und Belangen. Daher können Verfahrensrechte eine Klagebefugnis grundsätzlich nicht selbständig begründen, sondern nur unter der Voraussetzung, dass sich der behauptete Verfahrensverstoß auf eine materiell-rechtliche Position des Klägers ausgewirkt haben kann (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 19; stRspr). Hier liegen die von der Klägerin in Anspruch genommenen Verfahrensrechte bereits nicht vor.

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aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass über die Änderungen am Überführungsbauwerk isoliert und nicht zusammen mit weiteren Änderungen und Ergänzungen der Planung entschieden wurde. Den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (§ 17d FStrG i.V.m. § 76 VwVfG, § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG) lässt sich nicht entnehmen, dass über alle Modifikationen eines Planfeststellungsbeschlusses nur einheitlich entschieden werden kann. Eine solche Pflicht zur Entscheidungskonzentration wäre im Übrigen auch nicht sachgerecht, weil sich die Notwendigkeit punktueller Änderungen der Planung nicht notwendig zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern nicht selten in unterschiedlichen Phasen der Bauausführung herausstellen wird. Die Klägerin kann einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf einheitliche Entscheidung - insbesondere auf Einbeziehung der Änderungen an der Überführung in die Planergänzung zur Behelfsbrücke der B 19 unter dem Gesichtspunkt einer "Folgemaßnahme" - auch nicht aus dem Abwägungsgebot herleiten. Wie bereits ausgeführt, ist die hier angefochtene Maßnahme in keiner Weise konfliktträchtig. Daher kann das Gebot der umfassenden Bewältigung aller durch die Planung aufgeworfenen Konflikte einer isolierten Zulassung der Planänderung nicht entgegenstehen.

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bb) Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die in der mündlichen Verhandlung am 17. Februar 2011 zu Protokoll erklärte Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, wonach "dem Vorhabenträger aufgegeben wird, vor Baubeginn seine Ausführungsplanung der Planfeststellungsbehörde zur Ergänzung oder Änderung der Planfeststellung oder zur Genehmigung vorzulegen." Sie meint, aufgrund dieser Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 könne sie verlangen, dass der Vorhabenträger die Ausführungsplanung als Ganzes vorlegt und die Planfeststellungsbehörde hierüber einheitlich durch Genehmigung oder durch Änderung bzw. Ergänzung der Planfeststellung entscheidet. Das trifft nicht zu.

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Hintergrund der Protokollerklärung ist die nach ständiger Rechtsprechung eröffnete Möglichkeit, die Bauausführung aus der Planfeststellung auszuklammern, soweit sie lediglich nach dem Stand der Technik lösbare Probleme aufwirft; die Pflicht zur Vorlage der Ausführungsplanung vor Baubeginn ermöglicht der Planfeststellungsbehörde die Prüfung und Entscheidung darüber, ob diese Grenze eingehalten ist (vgl. Urteil vom 3. März 2011 a.a.O. Rn. 50 m.w.N.). Es ist nicht erkennbar, weshalb die Planfeststellungsbehörde diesen Prüfauftrag von vornherein nur dann sachgerecht sollte wahrnehmen können, wenn die Ausführungsplanung als Ganze vorgelegt wird. Dass dem nicht so ist, zeigt im Übrigen das Urteil vom 3. März 2011, mit dem die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau der A 3 abgewiesen wurde. Darin wird die Frage, ob die weitere Ausführung verschiedener baulicher Maßnahmen (Abbruch der alten Talbrücke Heidingsfeld und deren Neubau, Errichtung des Katzenbergtunnels, Behelfsfahrbahn der A 3 und Behelfsbrücke der B 19) aus der Planfeststellung ausgeklammert werden durfte, jeweils gesondert abgehandelt (vgl. Rn. 51 bis 57, 63). Erst recht erschließt sich nicht, weshalb sich aus der Protokollerklärung eine Pflicht der Planfeststellungsbehörde ergeben sollte, über alle von ihr nach Prüfung der Ausführungsplanung als notwendig erachteten Änderungen oder Ergänzungen der Planung einheitlich zu entscheiden. Unabhängig davon ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass hier eine besondere Situation vorliegt, die ausnahmsweise für die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung über alle Modifikationen der Planfeststellung sprechen könnte.

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c) Die Klägerin rügt schließlich, die angefochtene Planänderung bilde nach § 3b UVPG zusammen mit sonstigen Änderungen der Planfeststellung und allen bauzeitlichen Maßnahmen wie insbesondere der Behelfsbrücke der B 19 und der Behelfsfahrbahn der A 3 ein Projekt, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 UmwRG und mit Blick auf die Anforderungen des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl EU Nr. L 26 S. 1) - UVP-RL - könne sie diesen Fehler unabhängig von der Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte und Belange i.S.d. § 42 Abs. 1 VwGO geltend machen. Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen.

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In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass sich ein Einzelner nicht unabhängig von der Betroffenheit in eigenen materiellen Rechten auf die Verfahrensfehler einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung berufen kann. § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG stellt keine "andere gesetzliche Bestimmung" i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO dar, die Einzelnen eine von der möglichen eigenen Betroffenheit unabhängige Klagebefugnis verleiht, sondern betrifft die Begründetheitsprüfung. Die genannten Fehler führen abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Begründetheit der Klage, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften des UVP-Rechts der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts Einzelner dienen; abweichend von § 46 VwVfG erstreckt sich die Begründetheitsprüfung außerdem nicht auf die Frage, ob diese Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können (Urteile vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 21 f. und - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3 jeweils Rn. 34; ebenso Beschluss vom 27. Juni 2013 - BVerwG 4 B 37.12 - juris Rn. 10). Insoweit wird den Einzelnen folglich eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition eingeräumt. Für deren Klagebefugnis bleibt es hingegen bei dem allgemeinen Erfordernis, dass eine eigene Betroffenheit durch die Zulassung des UVP-pflichtigen Vorhabens möglich erscheint.

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Wie der Senat ebenfalls bereits ausgesprochen hat, können vernünftigerweise keine Zweifel daran bestehen, dass diese Ausgestaltung der Klagebefugnis mit Unionsrecht vereinbar ist (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 23). Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. b UVP-RL kann das nationale Recht den Zugang zu Gerichten davon abhängig machen, dass der Kläger eine Rechtsverletzung geltend macht. Das nationale Recht kann nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 UVP-RL ferner in Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als Rechtsverletzung gilt. Den Mitgliedstaaten steht es frei, diese Rechtspositionen auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken (EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - Rs. C-115/09, Trianel - NJW 2011, 2779 Rn. 45). Das Unionsrecht gebietet mithin nicht die Einführung einer UVP-rechtlichen Popular- oder Interessentenklage ohne die Notwendigkeit eigener Betroffenheit. Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Spielraum genutzt und auch für den Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie an der Systementscheidung zugunsten eines auf subjektive Rechte Einzelner zugeschnittenen Rechtsschutzes festgehalten (BTDrucks 16/2495 S. 7 f.). Auch widerspricht es offenkundig weder dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gericht zu gewähren noch dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip, dass ein Einzelner nur dann gegen die Zulassung eines UVP-pflichtigen Vorhabens klagen kann, wenn überhaupt die Möglichkeit besteht, dass er dadurch betroffen wird (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 23).

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Das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gibt keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Der Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 7. Januar 2004 - Rs. C-201/02, Wells - (NVwZ 2004, 593) geht fehl. Die im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens ergangene Entscheidung betraf nicht die Frage, ob Einzelne den Verfahrensmangel einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von eigener Betroffenheit klageweise geltend machen können. Dasselbe gilt für das von der Klägerin außerdem in Bezug genommene, im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens ergangene Urteil des Gerichtshofs vom 11. August 1995 - Rs. C-431/92 - (NVwZ 1996, 369); auf Rügemöglichkeiten Einzelner kam es in diesem Zusammenhang nicht an (Rn. 26). Wenn die Klägerin meint, nach Unionsrecht dürfe der Zugang zu Gericht allein von der Zugehörigkeit des Einzelnen zur "betroffenen Öffentlichkeit" i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Buchst. e UVP-RL abhängig gemacht werden, übersieht sie, dass sich die den Mitgliedstaaten eröffnete Systementscheidung zugunsten eines subjektiven Rechtsschutzes nach dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 UVP-RL gerade auf den Zugang der "Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit" zu den Gerichten bezieht; zu Klagemöglichkeiten der allgemeinen Öffentlichkeit trifft die UVP-Richtlinie ohnehin keine Aussagen.

(1) Gewässer sind so auszubauen, dass natürliche Rückhalteflächen erhalten bleiben, das natürliche Abflussverhalten nicht wesentlich verändert wird, naturraumtypische Lebensgemeinschaften bewahrt und sonstige nachteilige Veränderungen des Zustands des Gewässers vermieden oder, soweit dies nicht möglich ist, ausgeglichen werden.

(2) Gewässerausbau ist die Herstellung, die Beseitigung und die wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer. Ein Gewässerausbau liegt nicht vor, wenn ein Gewässer nur für einen begrenzten Zeitraum entsteht und der Wasserhaushalt dadurch nicht erheblich beeinträchtigt wird. Deich- und Dammbauten, die den Hochwasserabfluss beeinflussen, sowie Bauten des Küstenschutzes stehen dem Gewässerausbau gleich.

(1) Der Gewässerausbau bedarf der Planfeststellung durch die zuständige Behörde.

(2) Für einen Gewässerausbau, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, kann anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung erteilt werden. Die Länder können bestimmen, dass Bauten des Küstenschutzes, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, anstelle einer Zulassung nach Satz 1 einer anderen oder keiner Zulassung oder einer Anzeige bedürfen.

(3) Der Plan darf nur festgestellt oder genehmigt werden, wenn

1.
eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken oder eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, nicht zu erwarten ist und
2.
andere Anforderungen nach diesem Gesetz oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllt werden.

(4) Maßnahmen zur wesentlichen Umgestaltung einer Binnenwasserstraße des Bundes oder ihrer Ufer nach § 67 Absatz 2 Satz 1 und 2 führt, soweit sie erforderlich sind, um die Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 zu erreichen, die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes im Rahmen ihrer Aufgaben nach dem Bundeswasserstraßengesetz hoheitlich durch.

(1) Gewässer sind so auszubauen, dass natürliche Rückhalteflächen erhalten bleiben, das natürliche Abflussverhalten nicht wesentlich verändert wird, naturraumtypische Lebensgemeinschaften bewahrt und sonstige nachteilige Veränderungen des Zustands des Gewässers vermieden oder, soweit dies nicht möglich ist, ausgeglichen werden.

(2) Gewässerausbau ist die Herstellung, die Beseitigung und die wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer. Ein Gewässerausbau liegt nicht vor, wenn ein Gewässer nur für einen begrenzten Zeitraum entsteht und der Wasserhaushalt dadurch nicht erheblich beeinträchtigt wird. Deich- und Dammbauten, die den Hochwasserabfluss beeinflussen, sowie Bauten des Küstenschutzes stehen dem Gewässerausbau gleich.

(1) Für die Planfeststellung und die Plangenehmigung gelten § 13 Absatz 1 und § 14 Absatz 3 bis 6 entsprechend; im Übrigen gelten die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Für die Erteilung von Planfeststellungen und Plangenehmigungen im Zusammenhang mit der Errichtung, dem Betrieb und der Modernisierung von Anlagen zur Nutzung von Wasserkraft, ausgenommen Pumpspeicherkraftwerke, gilt § 11a Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 bis 5 entsprechend; die §§ 71a bis 71e des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind anzuwenden.

(2) Das Planfeststellungsverfahren für einen Gewässerausbau, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, muss den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechen.

(3) Erstreckt sich ein beabsichtigter Ausbau auf ein Gewässer, das der Verwaltung mehrerer Länder untersteht, und ist ein Einvernehmen über den Ausbauplan nicht zu erreichen, so soll die Bundesregierung auf Antrag eines beteiligten Landes zwischen den Ländern vermitteln.

Umweltprüfungen umfassen die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der erheblichen Auswirkungen eines Vorhabens oder eines Plans oder Programms auf die Schutzgüter. Sie dienen einer wirksamen Umweltvorsorge nach Maßgabe der geltenden Gesetze und werden nach einheitlichen Grundsätzen sowie unter Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt.

Tenor

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die beim sachlich zuständigen Verwaltungsgerichtshof (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO) gestellten Anträge, die aufschiebende Wirkung der Klagen der Antragsteller gegen die der Beigeladenen vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erteilte 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung (nachfolgend: 2. SAG) für das Kernkraftwerk Obrigheim vom 24.10.2011 wiederherzustellen (§ 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO), haben jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Genehmigung überwiegen das entgegengesetzte Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen.
Die Antragsteller haben zur Unterstützung ihres Vorbringens vollinhaltlich auf eine „fachliche Begründung zum Eilantrag bezüglich der 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung“ des Gutachtensbüros ... vom 29.02.2012 verwiesen. Derartige Stellungnahmen und Ausarbeitungen können inhaltlich nicht berücksichtigt werden. Dies folgt aus § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Für die dem anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Antragsteller aufgegebene eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs ist die Bezugnahme auf Ausführungen eines Dritten nicht ausreichend (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.07.1977 - 8 CB 84.76 - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 47; Urteil vom 19.05.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1). Das Gebot, sich vor dem Verwaltungsgerichtshof durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige postulationsfähige Person vertreten zu lassen, soll die Sachlichkeit des Verfahrens und die sachkundige Erörterung des Streitfalles, insbesondere der entscheidungserheblichen Rechtsfragen, gewährleisten. Das erfordert, dass der anwaltliche Prozessbevollmächtigte in erkennbarer Weise die Verantwortung für den Sachvortrag übernimmt. Daher stellt es keine formgerechte Antragsbegründung dar, wenn der bevollmächtigte Rechtsanwalt sich Ausführungen der von ihm vertretenen Partei oder eines Dritten lediglich zu eigen macht, ohne dass erkennbar wird, dass er eine eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes vorgenommen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.07.1998 - 4 B 140.88 - Buchholz 406.11 § 236 BauGB Nr. 1). Die in der fachlichen Begründung des Gutachters vom 29.02.2012 enthaltenen Ausführungen sind deshalb nur insoweit berücksichtigungsfähig, wie sich der anwaltliche Prozessbevollmächtigte hiermit in der Antragsbegründungsschrift oder den sonstigen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgelegten Schriftsätzen zumindest ansatzweise auseinandergesetzt und sie sich damit im Einzelnen zu eigen gemacht hat.
Keiner abschließenden Klärung bedarf, ob die von dem Antragsgegner und der Beigeladenen aufgeworfenen sonstigen Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Anträge durchgreifen. Jedenfalls bei summarischer Prüfung spricht jedoch vieles dafür, dass die Antragsteller in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt sind. Zwar begründet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats die bloße Behauptung, es könne ein Reaktorunfall eintreten, der zu der Freisetzung von erheblichen Mengen radioaktiver Stoffe führen könne, noch nicht die Klagebefugnis bzw. die nach gleichen rechtlichen Maßstäben zu beurteilende Antragsbefugnis (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.06.1991 - 7 C 43/90 - BVerwGE 88, 286; Urteil des Senats vom 07.03.1995 - 10 S 2822/92 - ZUR 1996, 33 - jeweils m.w.N.). Die Antragsteller machen jedoch noch hinreichend substantiiert geltend, dass bei Durchführung der mit der 2. SAG gestatteten Abbaumaßnahmen Störfälle eintreten können, die zur Freisetzung von Radioaktivitätskonzentrationen führen, die erheblich über dem maßgeblichen Störfallgrenzwert liegen würden, und es deshalb zu einem Schaden an ihren schützenswerten Rechtsgütern kommen kann. Auch dürfte sich ihrem Vorbringen noch entnehmen lassen, dass das zu einem solchen Schaden führende Risiko so hinreichend wahrscheinlich ist, dass hiergegen Vorsorge nach § 7 Abs. 2 Nrn. 3 bzw. 5 AtG i.V.m. § 7 Abs. 3 Satz 2 AtG getroffen werden muss und dass diese Vorsorge als Voraussetzung der angefochtenen Genehmigung ihrer Ansicht nach nicht getroffen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11.01.1985 - 7 C 74.82 - BVerwGE 70, 365). Ferner dürfte den Antragstellern auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen zustehen. Soweit ersichtlich ist der von der gegenständlichen Genehmigung gedeckte Abbau der Großkomponenten des Primärkreislaufs gegenwärtig noch nicht vollständig abgeschlossen. Diese Fragen bedürfen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keiner abschließenden Klärung. Denn die Anträge haben jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der 2. SAG vom 24.10.2011 in einer den formellen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet (dazu unter 1.). Bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage haben die Antragsteller keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür dargetan, dass die angefochtene Genehmigung entweder in formeller oder materieller Hinsicht rechtswidrig ist und sie in eigenen drittschützenden Rechten verletzt (dazu unter 2.). Schließlich überwiegt das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der 2. SAG auch bei einer von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache losgelösten freien Interessenabwägung das Aussetzungsinteresse der Antragsteller (dazu unter 3.).
1. Die unter A.VI. des angegriffenen Bescheids erklärte Anordnung der sofortigen Vollziehung der 2. SAG unterliegt zunächst mit Blick auf die formellen Begründungsanforderungen keinen durchgreifenden Bedenken.
Zweck des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist es, die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts anzuhalten. Außerdem sollen dem Betroffenen die für die Sofortvollzugsanordnung maßgeblichen Gründe zur Kenntnis gebracht werden, so dass ihm eine Verteidigung seiner Rechte möglich ist. Ferner soll die Begründung der Sofortvollzugsanordnung die Grundlage für eine gerichtliche Kontrolle der Anordnung bilden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.01.2001 - 19 B 1757/00 u.a. - NJW 2001, 3427; Senatsbeschluss vom 24.06.2002 - 10 S 985/02 - VBlBW 2002, 441). Dementsprechend muss aus der Begründung hinreichend nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts den Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt und aus welchen im dringenden öffentlichen Interesse liegenden Gründen sie es für gerechtfertigt oder geboten hält, den durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ansonsten eintretenden vorläufigen Rechtsschutz des Betroffenen einstweilen zurückzustellen. Demgemäß genügen - wie die Antragsteller zu Recht hervorheben - pauschale und nichtssagende formelhafte Wendungen dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht.
Die von dem Antragsgegner verfügte Sofortvollzugsanordnung und deren Begründung genügen den vorstehend bezeichneten Anforderungen. Der Antragsgegner hat zur Begründung der verfügten sofortigen Vollziehung der 2. SAG im Wesentlichen ausgeführt, die sofortige Ausnutzung der Genehmigung entspreche dem Interesse der Allgemeinheit an einem unterbrechungsfreien und zügigen Abbau des stillgelegten Kernkraftwerks Obrigheim (vgl. Begründung der Genehmigung S. 52). Ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Genehmigung bestehe die Gefahr, dass der bereits beschrittene Weg des direkten Abbaus des Kernkraftwerks unterbrochen werde; auch habe die Beigeladene ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der ihr erteilten Genehmigung. Darüber hinaus hat der Antragsgegner eine Interessenabwägung mit den Belangen betroffener Dritter vorgenommen und darauf abgehoben, dass die Genehmigung einen überschaubaren Sachverhalt betreffe und gegen die ebenfalls überschaubaren Risiken ausreichend Vorsorge getroffen worden sei. Mit dieser Begründung hat der Antragsgegner - noch - hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, aus welchen Gründen des öffentlichen Interesses er es für sachgerecht hält, den durch die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage regelmäßig eintretenden Schutz des Betroffenen im Einzelfall zurückzustellen. Weitergehende, auf den Einzelfall bezogene Erwägungen waren in diesem Zusammenhang nicht zwingend anzustellen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO lediglich eine - von der materiellen Prüfung des Bestehens eines Sofortvollzugsinteresses zu unterscheidende - formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert. Ob die insoweit verlautbarten Erwägungen der Behörde inhaltlich zutreffen, ist für die Einhaltung dieses formellen Begründungserfordernisses nicht von Bedeutung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10.12.2010 - 10 S 2173/10 - VBlBW 2011, 196; sowie vom 20.09.2011 - 10 S 625/11 - juris). Das Gericht nimmt im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene Interessenabwägung vor und ist nicht auf die bloße Überprüfung der von der Behörde getroffenen Entscheidung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beschränkt (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 05.06.2001 - 1 SN 38/01 - NVwZ-RR 2001, 610).
2. Jedenfalls bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage leidet die 2. SAG für das Kernkraftwerk Obrigheim vom 24.10.2011 weder an einem durchgreifenden formellen (dazu unter 2.1) noch an einem materiellen (dazu unter 2.2) Fehler, der die Antragsteller in drittschützenden Rechtspositionen verletzt.
2.1 Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die 2. SAG nicht bereits deshalb formell rechtswidrig, weil eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung überhaupt nicht (dazu unter 2.1.1) bzw. fehlerhaft durchgeführt wurde (dazu unter 2.1.2) oder eine zwingend notwendige Öffentlichkeitsbeteiligung unterblieben ist (dazu unter 2.1.3).
2.1.1 Zwar können die Antragsteller rügen, eine zwingend notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht unterblieben. Diese Rüge ist jedoch unbegründet, da die mit der 2. SAG genehmigten Stilllegungs- und Abbaumaßnahmen nicht zwingend einer vollständigen Umweltverträglichkeitsprüfung nach der allein in Betracht kommenden Bestimmung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG zu unterziehen waren.
10 
2.1.1.1 Zutreffend weisen die Antragsteller darauf hin, dass nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 24.11.2011 - 9 A 24.10 - DVBl. 2012, 447) auch von einem Vorhaben lediglich mittelbar Betroffene eine zu Unrecht unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine zu Unrecht unterbliebene Vorprüfung des Einzelfalles über die UVP-Pflichtigkeit rügen können, ohne dass es darauf ankommt, ob sich der Fehler im Ergebnis auf ihre Rechtsposition ausgewirkt haben kann. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG u.a. dann verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt und nicht in zulässiger Weise nachgeholt worden ist. Nach § 4 Abs. 3 UmwRG gilt dies entsprechend für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nrn. 1 und 2 VwGO. Diese Regelungen räumen Individualklägern - abweichend von der früheren Rechtslage (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 13.12.2007 - 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83) - ein subjektives Recht auf Durchführung einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. auf Vorprüfung ein mit der Folge, dass ein Verfahrensfehler als beachtlich einzustufen ist. Danach kann die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung bereits dann verlangt werden, wenn die in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten Verfahrensverstöße vorliegen, ohne dass es darauf ankommt, ob sich diese Verstöße auf die Entscheidung ausgewirkt haben; es handelt sich insoweit um eine Sonderregelung, welche die Relevanz bestimmter Verfahrensverstöße gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht erweitert (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2011 - 9 A 23.10 - a.a.O.). Die Bestimmung des § 4 Abs. 1 UmwRG ist nach ihrem Wortlaut eindeutig in dem Sinne, dass bereits die Nichtdurchführung einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung einen Aufhebungsanspruch begründet. Indem § 4 Abs. 3 UmwRG die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nrn. 1 und 2 VwGO für entsprechend anwendbar erklärt, bringt er zum Ausdruck, dass auch insoweit das Fehlen einer unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer UVP-Vorprüfung unabhängig von den sonst nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geltenden einschränkenden Maßgaben zur Begründetheit der Klage führt.
11 
2.1.1.2 Zutreffend ist der Antragsgegner davon ausgegangen, dass die mit der 2. SAG genehmigten einzelnen Abbau- und Stilllegungsmaßnahmen nicht einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen waren, sondern dass lediglich eine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen war. Nach der allein in Betracht kommenden einschlägigen Bestimmung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG sind UVP-pflichtig u.a.
12 
„bei ortsfesten Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen die insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung, zum sicheren Einschluss oder zum Abbau der Anlage oder von Anlagenteilen; ausgenommen sind ortsfeste Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen, deren Höchstleistung 1 KW thermische Dauerleistungen nicht überschreitet; einzelne Maßnahmen zur Stilllegung, zum sicheren Einschluss oder zum Abbau der in Halbsatz 1 bezeichneten Anlagen oder von Anlagenteilen gelten als Änderung im Sinne von § 3e Abs. 1 Nr. 2;“
13 
Danach bestimmt der Wortlaut von Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG eindeutig, dass nur die insgesamt geplanten Maßnahmen nach dieser Bestimmung UVP-pflichtig sind; die einzelnen Maßnahmen zur Stilllegung, zum sicheren Einschluss oder zum Abbau dagegen „gelten als Änderung im Sinne von § 3e Abs. 1 Nr. 2“. Bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung folgt, dass lediglich vor der Entscheidung über den erstmaligen Antrag auf eine Stilllegungsgenehmigung gemäß § 7 Abs. 3 AtG eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, auch wenn den Antragstellern zuzugeben ist, dass die einschlägige Bestimmung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG das Wort „erstmalig“ nicht verwendet. Der 3. Halbsatz der Bestimmung stellt jedoch klar, dass die einzelnen Maßnahmen nur dann UVP-pflichtig sind, wenn die gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG durchzuführende Vorprüfung des Einzelfalls ergibt, dass die einzelnen Maßnahmen erhebliche nachteilige Auswirkungen haben können, die nicht bereits im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Maßnahme insgesamt beurteilt wurden. Haben die einzelnen Maßnahmen nach der Vorprüfung jedoch keine über die insgesamt geplanten Maßnahmen hinausgehenden erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen, bedarf es für sie keiner gesonderten Umweltverträglichkeitsprüfung.
14 
Dieser Befund wird durch eine systematische und historische Gesetzesauslegung bestätigt. Die gesetzliche Regelung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG steht im engen systematischen Zusammenhang mit der untergesetzlichen Bestimmung des § 19b der Verordnung über das Verfahren bei der Genehmigung von Anlagen nach § 7 des Atomgesetzes - Atomrechtliche Verfahrensverordnung (AtVfV). Diese Bestimmung enthält die verfahrensrechtlichen Regelungen für die Erteilung einer Stilllegungsgenehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG. Nach § 19b Abs. 1 AtVfV müssen die Unterlagen, die einem erstmaligen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG beizufügen sind, auch Angaben zu den insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung, zum sicheren Einschluss und zum Abbau der Anlage oder von Anlagenteilen enthalten, die insbesondere die Beurteilung ermöglichen, ob die beantragten Maßnahmen weitere Maßnahmen nicht erschweren oder verhindern und ob eine sinnvolle Reihenfolge der Abbaumaßnahmen vorgesehen ist. Nach § 19b Abs. 1 Satz 2 AtVfV ist in den Unterlagen darzulegen, „wie die geplanten Maßnahmen verfahrensmäßig umgesetzt werden sollen und welche Auswirkungen die Maßnahmen nach dem jeweiligen Planungsstand voraussichtlich auf die in § 1a genannten Schutzgüter haben werden“. Die Verfahrensvorschrift des § 19b Abs. 1 Satz 2 AtVfV bestimmt somit, dass mit dem erstmaligen Eintrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG die Auswirkungen der insgesamt geplanten Maßnahmen auf die Schutzgüter der Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem jeweiligen Planungsstand darzulegen sind. Anknüpfend hieran regelt § 19b Abs. 3 AtVfV, dass sich die Umweltverträglichkeitsprüfung auf die insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau erstreckt. Das der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 19b AtVfV zugrundeliegende Regelungskonzept bestätigt deshalb bei einer systematischen Betrachtung den Wortlautbefund der gesetzlichen Bestimmung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG, wonach lediglich die insgesamt geplanten Stillegungsmaßnahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, spätere Einzelmaßnahmen jedoch als Änderung gelten und deshalb nur vorprüfungspflichtig im Sinne von § 3e Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG sind.
15 
Fehl geht in diesem Zusammenhang der Einwand der Antragsteller, dass eine untergesetzliche Verfahrensregelung wie § 19b AtVfV die höherrangige Gesetzesbestimmung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG nicht abändern kann. Die Antragsteller verkennen dabei, dass die Verfahrensbestimmungen der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung nicht das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz abändern, sondern lediglich zu dessen Auslegung herangezogen werden. Im Übrigen ist die Umweltverträglichkeitsprüfung bei atomrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 2a Abs. 1 Satz 2 AtG vorrangig nach den Verfahrensvorschriften der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung durchzuführen; dies ist im Hinblick auf die in § 4 UVPG enthaltene Subsidiaritätsklausel rechtlich nicht bedenklich. Eine derartige systematische Betrachtung ist trotz der unterschiedlichen Normenhierarchie der herangezogenen Bestimmungen hier vor allem deshalb statthaft, weil beide Bestimmungen nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers von einem einheitlichen Regelungskonzept getragen werden. Nach der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz (BT-Drs. 14/4599 vom 14.11.2000, S. 115 f.) trägt die neu eingeführte Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung im weiteren Sinne von Reaktoren der Neuregelung in Anhang I Nr. 2, 2. Anstrich der UVP-Änderungsrichtlinie Rechnung: „Hierzu wird in den geänderten Vorschriften der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung eine Umweltverträglich-keitsprüfung im gestuften Verfahren zur Genehmigung von Errichtung und Betrieb vorgesehen, ohne allerdings die einzelnen Genehmigungen nach § 7 Abs. 1 AtG durch ein vorläufiges positives Gesamturteil als feststellenden Regelungsbestandteil zu verbinden. Damit ist vor Beginn der Stilllegung und des Abbaus im Rahmen der Erteilung der ersten Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die insgesamt vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen. Der letzte Halbsatz in Nr. 11.1 stellt in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht klar, dass unbeschadet dessen - bei Reaktoren zusätzlich - in jedem Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG die jeweils beantragten Maßnahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen“. Auch die Begründung spricht eher für die Vorstellung des Gesetzgebers, dass lediglich vor Beginn der Stilllegung und des Abbaus im Rahmen der Erteilung der ersten Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die insgesamt vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen ist und die späteren Genehmigungen zugeordneten einzelnen Abbauschritte lediglich vorbehaltlich einer nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG durchzuführenden Vorprüfung des Einzelfalles umweltverträglichkeitsprüfungspflichtig sind.
16 
2.1.1.3 Vor Erteilung der 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung vom 28.08.2008 hat der Antragsgegner eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt, die sich entsprechend den Vorgaben der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG auf die insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerkes bezogen hat. Die 1. SAG enthält unter B.III. (S. 118 ff.) eine zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen, die auf der von der Beigeladenen erarbeiteten Umweltverträglichkeitsuntersuchung zum Vorhaben „Stilllegung und Abbau der Anlage KWO (Gesamtvorhaben)“ beruht. Damit sind die insgesamt geplanten Maßnahmen der Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerks - wie von Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG gefordert - vor Erteilung der 1. SAG einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen worden. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die vor Erteilung der 1. SAG durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung der insgesamt geplanten Maßnahmen fehlerfrei erfolgt ist. Einwendungen gegen die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung wurden damals weder von Trägern öffentlicher Belange noch von Anwohnern erhoben; auch ist die 1. SAG vom 28.08.2008 in Bestandskraft erwachsen. Damit steht Einwendungen gegen die damals durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung - unabhängig von einer möglichen Präklusion nach § 7 Abs. 1 Satz 2 AtVfV - bereits die Bestandskraft der 1. SAG entgegen.
17 
2.1.1.4 Entgegen der Auffassung der Antragsteller war vor Erteilung der 2. SAG eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung nicht deshalb erforderlich, weil diese Genehmigung die 1. SAG vollständig ersetzen sollte bzw. nach dem Willen der Beigeladenen ein völlig eigenständiges Genehmigungsverfahren eröffnet worden sei. Die Antragsteller verkennen in diesem Zusammenhang das Verhältnis der streitgegenständlichen 2. SAG zur bestandskräftig gewordenen 1. SAG vom 28.08.2008. Maßgebend für das Verhältnis der beiden Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen zueinander ist der Regelungsinhalt der 2. SAG, wie er sich aus dem Empfängerhorizont vor allem von Drittbetroffenen ergibt. Gerade im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren ist es im Hinblick auf den Einwendungsausschluss für Drittbetroffene nach Ablauf der Auslegungsfrist (§ 7 AtVfV), im gestuften Verfahren darüber hinaus auch durch die Bestandskraft vorangegangener Teilgenehmigungen (§ 7b AtG), rechtsstaatlich geboten, bei der Auslegung von Genehmigungsbescheiden auch auf den Empfängerhorizont potentiell Drittbetroffener abzustellen. Denn sonst obläge Drittbetroffenen zwar eine Anfechtungslast mit allen rechtlichen Nachteilen bei Versäumung von Anfechtungsfristen, ohne dass gewährleistet wäre, dass sie der Anfechtungslast auch tatsächlich nachkommen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.06.1991 - 7 C 43.90 - a.a.O.; Senatsurteil vom 07.03.1995 - 10 S 2822/92 - a.a.O.).
18 
Bei der gerade auch aus Rechtsschutzgründen gebotenen objektiven Auslegung der 2. SAG aus dem Empfängerhorizont eines Drittbetroffenen kann entgegen der Auffassung der Antragsteller keine Rede davon sein, dass die 2. SAG die 1. SAG vollständig abgelöst habe. Vielmehr hat die 2. SAG nach ihrem eindeutigen Tenor und ihrer Begründung lediglich die Vornahme einzelner Abbaumaßnahmen vor allem im Kontrollbereich genehmigt und darüber hinaus das Stilllegungsreglement teilweise geändert. Fehl geht insbesondere die Grundannahme der Antragsteller, die 2. SAG habe den Betrieb des externen Brennelementlagers im sog. „Notstandsgebäude“ (Bau 37) insgesamt und umfassend neu genehmigt.
19 
Bei der Ermittlung des Regelungsinhalts der 2. SAG durch Auslegung ist primär auf den Entscheidungstenor, daneben auf die von der Genehmigungsbehörde gegebene Begründung abzustellen. Dabei ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Bescheidtenors und seiner Systematik mit der gebotenen Eindeutigkeit, dass die 2. SAG die 1. SAG nicht vollständig ersetzen sollte. So gestattet die 2. SAG ausweislich des Bescheidausspruchs in A.I.1.1 (S. 6) „den Abbau der nachfolgend tabellarisch aufgeführten Anlagenteile der Anlage KWO“; insoweit wurde durch die angegriffene 2. SAG der Regelungsinhalt der 1. SAG vom 28.08.2008 erweitert. Zum anderen wird gemäß A.I.1.2 (S. 13) der 2. SAG das Betriebsreglement für die Fortführung des Stilllegungsbetriebs dahingehend geändert, dass die in A.II. Nr. 25 bis Nr. 56 dieser Genehmigung genannten Unterlagen die entsprechenden Unterlagen in A.II. Nr. 16 bis Nr. 48 des Stilllegungsreglements der 1. SAG ersetzen. Die 2. SAG enthält deshalb nach ihrem eindeutigen Tenor lediglich eine gegenständlich beschränkte Änderung des Stilllegungsbetriebs, ohne diesen insgesamt und erneut vollständig zu legalisieren.
20 
Für dieses Verständnis spricht auch die von der Genehmigungsbehörde gegebene Begründung zum Verhältnis der beiden Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen zueinander. Der Antragsgegner umschreibt in der beigegebenen Begründung den Genehmigungsumfang dahingehend, das „die 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung neben dem Abbau von Anlagenteilen im Kontrollbereich und von weiteren Anlagenteilen im Überwachungsbereich auch die Fortführung des mit der 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung genehmigten Stilllegungsbetriebs nach einem geänderten Stilllegungsreglement“ beinhalte (B.I.2 der 2. SAG, S. 32). Übereinstimmend hiermit stellt die Genehmigung unter B.I.2.2 (S. 34 f. der 2. SAG) klar, dass der mit der 1. SAG genehmigte Stilllegungsbetrieb mit der 2. SAG weiter gilt. Unter B.I.2.3 (S. 36 f. der 2. SAG) grenzt der Antragsgegner den Regelungsumfang der 1. und 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung ausdrücklich voneinander ab. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „die 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung als eine zur 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung selbständige Genehmigung neben diese“ trete. Sie löse die für das KWO geltende 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für den weiteren Abbau insoweit ab, als in ihr Festlegungen und Gestattungen aus der 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung in Teilen angepasst, übernommen und geändert wurden; daneben enthalte sie die gesamten einhüllenden Gestattungen, die bis zum Ende des gesamten Stilllegungs- und Abbauvorhabens gelten sollten. Damit stellt die Genehmigungsbehörde auch in der Begründung eindeutig klar, dass Gegenstand der 2. SAG im Hinblick auf das Stilllegungsreglement nur die dort ausdrücklich genannten Änderungen sind, nicht jedoch das Stilllegungsreglement insgesamt. Soweit keine Änderungen im Stilllegungsreglement durch die 2. SAG vorgenommen werden, verbleibt es nach der eindeutigen Regelung im Bescheidtenor und der oben wiedergegebenen Begründung vielmehr bei dem Stilllegungsbetrieb entsprechend den Regelungen der bestandskräftigen 1. SAG.
21 
Ein gegenteiliges Verständnis kann auch nicht den sonstigen Regelungselementen des Bescheidtenors entnommen werden. Zutreffend weisen die Antragsteller zwar darauf hin, dass sich die 2. SAG gemäß A.I.1.5 auch auf den Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen nach § 2 Abs. 1 AtG und mit Kernbrennstoffen nach § 2 Abs. 3 AtG erstreckt. Aus dieser Bestimmung kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die 2. SAG das Betriebsreglement und insbesondere den Betrieb des externen Brennelementlagers vollständig neu regele. Bei der von den Antragstellern herangezogenen Regelung handelt es sich lediglich um die Erstreckung der atomrechtlichen Genehmigung auf einen an sich nach § 7 Abs. 1 StrlSchV genehmigungsbedürftigen Umgang mit Kernbrennstoffen gemäß § 7 Abs. 2 StrlSchV. Soweit eine solche Erstreckung der atomrechtlichen Genehmigung erfolgt, ist eine eigenständige Genehmigung nach § 7 Abs. 1 StrlSchV nicht mehr erforderlich. Bereits aus der Binnensystematik von § 7 StrlSchV und daneben aus dem systematischen Zusammenhang mit den atomrechtlichen Bestimmungen folgt, dass die Erstreckung nur soweit reichen kann, wie die atomrechtliche Genehmigung eine entsprechende Regelung enthält, die erstreckungsfähig ist. Hieraus folgt zugleich, dass die in A.I.1.5 enthaltene Erstreckung gemäß § 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StrlSchV nicht weiter reichen kann als die im sonstigen Bescheidtenor enthaltenen atomrechtlichen Gestattungen. Auch in Bezug auf das Stilllegungsreglement kann die Erstreckung deshalb nicht über die durch die 2. SAG genehmigten Änderungen hinausgehen und nicht die Brennelementlagerung im Notstandsgebäude eigenständig regeln.
22 
Entgegen der Auffassung der Antragsteller kann aus der Systematik der in A.III. des Genehmigungstenors beigegebenen Nebenbestimmungen nicht ein abweichendes Verständnis des Genehmigungsumfangs der 2. SAG hergeleitet werden. Zwar beinhalten die Nebenbestimmungen insbesondere in A.III.3. Maßgaben zur Handhabung bestrahlter Brennelemente, die keine Beschränkung auf das Betriebsreglement der 2. SAG erkennen lassen. In der Einleitung zu den verfügten Nebenbestimmungen (S. 18 der 2. SAG) weist die Genehmigungsbehörde aber darauf hin, dass sämtliche Nebenbestimmungen an die Stelle der Nebenbestimmungen der 1. SAG treten und damit für den Gestattungsumfang beider Genehmigungen Geltung beanspruchen sollen. Bereits daraus folgt, dass die Genehmigungsbehörde lediglich aus Gründen der Klarheit sämtliche Nebenbestimmungen wiederholt und zusammengefasst hat, ohne damit eine inhaltlich abweichende Regelung gegenüber der 1. SAG zu treffen.
23 
Ebenso wenig können aus dem Genehmigungsantrag der Beigeladenen vom 15.12.2008 Anhaltspunkte für ein abweichendes Verhältnis der beiden Genehmigungen zueinander hergeleitet werden. Zutreffend weisen die Antragsteller freilich darauf hin, dass die Beigeladene in ihrem ursprünglichen Antragsschreiben vom 15.12.2008 selbst von einem anderen Verständnis der beantragten Genehmigung zu der bestandskräftig erteilten 1. SAG ausgegangen ist. So führte die Beigeladene in dem Antragsschreiben vom 15.12.2008 ausdrücklich aus, „dass die vorliegend beantragte 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung die 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung vollständig ablöst und bis zum Ende des gesamten Vorhabens gelten soll“. Damit hat die Beigeladene ihren eindeutigen Willen zum Ausdruck gebracht, dass sie ein umfassendes und vollständig eigenständiges Genehmigungsverfahren in Gang setzen wollte, mit dem das Stilllegungsreglement für das Kernkraftwerk insgesamt einer neuen genehmigungsrechtlichen Grundlage unterstellt werden sollte. Für einen derartigen Willen der Beigeladenen sprechen auch weitere Ausführungen in der Begründung ihres Genehmigungsantrags. Zu Recht weist die Beigeladene aber darauf hin, dass ihr Antragsschreiben vom 15.12.2008 nicht für die Ermittlung des Genehmigungsinhalts der 2. SAG maßgeblich ist. Wie oben näher dargestellt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Ermittlung des Inhalts einer atomrechtlichen Genehmigung gerade aus Rechtsschutzgründen auf den Inhalt der Genehmigungsurkunde selbst abzustellen, vor allem primär auf den Bescheidtenor und daneben die von der Behörde beigegebene Begründung. Auf Umstände außerhalb der Genehmigungsurkunde kann allenfalls untergeordnet und zur Beseitigung von Auslegungszweifeln abgestellt werden, wobei sich die Auslegung dabei freilich nicht in Widerspruch zu dem ausdrücklichen Bescheidinhalt setzen darf. Im Übrigen hat die Beigeladene ihre Ausführungen in dem ursprünglichen Antragsschreiben vom 15.12.2008 im Genehmigungsverfahren nicht aufrecht erhalten, sondern mit Schreiben an den Antragsgegner vom 31.08.2009 berichtigt. Dabei führte die Beigeladene ausdrücklich aus, dass die 2. SAG nunmehr eine zur 1. SAG selbständige Genehmigung darstellen solle; als solche trete die 2. SAG neben die 1. SAG. Regelungen der 1. SAG könnten gegenstandslos und in Teilen angepasst oder übernommen werden (vgl. S. 2 des Anschreibens der Beigeladenen vom 31.08.2009). Von diesem geänderten Verständnis der Beigeladenen ist im Übrigen - wie oben dargestellt - auch die Genehmigungsbehörde in der Begründung der 2. SAG ausgegangen (vgl. S. 37).
24 
Auch der Versuch der Antragsteller, aus den dem Genehmigungsantrag beigefügten Unterlagen ein anderweitiges Verständnis der beiden Genehmigungen zueinander herzuleiten, geht fehl. Zuzugeben ist den Antragstellern zwar, dass der von der Beigeladenen vorgelegte technische Bericht „Stilllegung und Abbau KWO - 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung - Störfallbetrachtung“ des Gutachters ... vom 31.03.2010 offenbar davon ausgeht, dass das Stilllegungsreglement durch die 2. SAG vollständig neu geregelt werden soll. Hierfür spricht, dass der Gutachter in seiner Störfallbetrachtung auch Szenarien berücksichtigt, die lediglich von der 1. SAG umfasste Maßnahmen beinhalten. Auch hier gelten jedoch die oben angestellten Erwägungen, wonach für die Ermittlung des Genehmigungsinhalts primär auf die Genehmigung selbst, nicht jedoch auf die Antragsunterlagen abzustellen ist. Im Übrigen ist der technische Bericht des Gutachters ... weder Grundlage noch Inhalt der 2. SAG; er ist in A.II. der 2. SAG nicht als Genehmigungsgrundlage erwähnt.
25 
Aus ähnlichen Gründen kann auch aus den der Genehmigung zugrundeliegenden Erläuterungsberichten Nrn. 1, 13 und Nr. 15 nicht entnommen werden, dass die 2. SAG den Betrieb des externen Lagerbeckens neu genehmige. Diese Erläuterungsberichte enthalten im Wesentlichen eine Beschreibung des Anlagenzustandes in verschiedener Hinsicht, etwa eine Charakterisierung des radiologischen Ausgangszustands oder eine Beschreibung des Gesamtvorhabens. Es liegt deshalb auf der Hand, dass in diesen Unterlagen technische Beschreibungen enthalten sind, die über den Regelungsinhalt der beantragten 2. SAG hinausgehen. Von diesem Verständnis ist auch der Antragsgegner ausgegangen, der diese Unterlagen unter A.II. der 2. SAG lediglich als Grundlage der Genehmigung, nicht aber als Genehmigungsinhalt aufgeführt hat. Entgegen der Auffassung der Antragsteller kann schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass in dem von der Beigeladenen mit dem Genehmigungsantrag vorgelegten Stilllegungshandbuch der Betrieb des externen Brennelementlagers in Bau 37 wiederholt erwähnt wird, geschlossen werden, der Stilllegungsbetrieb solle mit der 2. SAG insgesamt und umfassend neu geregelt werden. Zum einen ist - wie oben näher dargestellt - aus Rechtsschutzgesichtspunkten zur Ermittlung des Genehmigungsinhalts nicht auf technische Unterlagen wie das Stilllegungshandbuch abzustellen. Zum anderen trägt das neu erstellte Stilllegungshandbuch der Beigeladenen lediglich dem Umstand Rechnung, dass durch die 2. SAG der Stilllegungsbetrieb modifiziert wurde, was im Stilllegungshandbuch zu berücksichtigen war. Schließlich ist bei der hier vorzunehmenden Auslegung der von den Antragstellern herangezogene Schriftwechsel zwischen dem Antragsgegner und dem Bundesministerium für Umwelt unergiebig. Das von den Antragstellern erwähnte e-mail des Bundesumweltministeriums vom 12.10.2011 ist in anderen, nämlich aufsichtlichen Zusammenhängen ergangen und bezieht sich auf den geplanten Abbau von Elementen des externen Brennelementlagers im Notstandsgebäude. Der - nach dem oben Gesagten für die Auslegung der Genehmigung im Übrigen nicht maßgeblichen - Korrespondenz des Antragsgegners mit der Aufsichtsbehörde lässt sich deshalb nichts für die hier in Rede stehende Frage des Umfangs des Betriebsreglements der 2. SAG entnehmen.
26 
Nach alldem kann entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht davon ausgegangen werden, dass die 2. SAG den Stilllegungsbetrieb insgesamt erneut geregelt und dabei den Betrieb des externen Brennelementlagers im Notstandsgebäude eigenständig gestattet hat. Gegenstand des Antrags auf Erteilung der 2. SAG waren deshalb nur die dort im Einzelnen aufgeführten Änderungen des Stilllegungsreglements, nicht jedoch die „insgesamt geplanten Maßnahmen“ im Sinne von Nr. 11.1.1 der Anlage 1 zum UVPG.
27 
2.1.2 Entgegen der Auffassung der Antragsteller leidet die von dem Antragsgegner durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalles nicht an einem zur Aufhebung der Genehmigung führenden relativen Verfahrensfehler. Dabei spricht zwar vieles dafür, dass § 4 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG - anders als die Überschrift nahelegt - keine abschließende Regelung über die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern enthält, sondern nur die dort genannten Fallgruppen zu absoluten Verfahrensfehlern erklärt, ohne die Beachtlichkeit anderer Verfahrensfehler nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. etwa § 46 VwVfG, § 44a VwGO) auszuschließen (vgl. hierzu näher Urteil des Senats vom 20.07.2011 - 10 S 2102/09 - ZUR 2011, 600 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dies bedarf hier jedoch ebenso wenig einer weitergehenden Erörterung wie die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts umstrittene Frage, ob ein gegenteiliges Normverständnis mit den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere Art. 10a Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG in der durch die Richtlinie 2003/35/EG geänderten Fassung, jetzt Art. 11 RL 2011/92/EU vereinbar ist (vgl. hierzu Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2012 - 7 C 20.11 - NVwZ 2012, 448). Jedenfalls bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung leidet die von dem Antragsgegner durchgeführte Vorprüfung der einzelnen Maßnahmen, die Gegenstand der 2. SAG sind, auf ihre Umweltrelevanz gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG i.V.m. § 3c Satz 1 und 3 UVPG nicht an einem im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden relativen Verfahrensfehler.
28 
2.1.2.1 Beruht die Entscheidung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG, ist gemäß § 3a Satz 4 UVPG die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem gerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens ausschließlich daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Diese Einschränkung des gerichtlichen Kontrollumfangs gilt auch für alle Fälle der Vorprüfung, in denen auf § 3c UVPG verwiesen wird, mithin auch für die Vorprüfung nach Maßgabe von § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG (vgl. hierzu näher Dienes in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3a UVPG RdNr. 26.1). Gemäß der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 551/06, S. 43 f.) soll durch die Regelung des § 3a Satz 4 UVPG dem Umstand Rechnung getragen werden, dass § 3c UVPG der zuständigen Behörde mit der Formulierung „nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung“ einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumt. Nachvollziehbarkeit im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass das Ergebnis der behördlichen Prognose nach § 12 UVPG durch ein Gericht nicht auf materielle Richtigkeit, sondern lediglich auf Plausibilität zu überprüfen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.07.2010 - OVG 11 S 45.09 - juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 24.02.2010 - 5 Bs 24/10 - UPR 2010, 445). Im gerichtlichen Verfahren zu beanstandende Rechtsfehler, welche die Nachvollziehbarkeit ausschließen, liegen lediglich dann vor, wenn die Vorprüfung entweder Ermittlungsfehler aufweist, die so schwer wiegen, dass sie ersichtlich auf das Ergebnis durchschlagen konnten, oder wenn das Ergebnis außerhalb des Rahmens zulässiger Einschätzung liegt (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 24.02.2010 - 5 Bs 24/10 - a.a.O.).
29 
Jedenfalls bei summarischer Prüfung ist nicht davon auszugehen, dass die von dem Antragsgegner durchgeführte Umweltverträglichkeitsvorprüfung einen derartigen schwerwiegenden Ermittlungs- oder Bewertungsfehler aufweist, der im gerichtlichen Verfahren beanstandet werden könnte. Auch die Antragsteller legen nicht dar, dass die durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls an einem Verfahrensfehler leidet oder deren Ergebnis nicht nachvollziehbar wäre. Die Beigeladene hat die mit der 2. SAG beantragten Einzelmaßnahmen einer Vorprüfung nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3c Satz 1 und 3 UVPG unterzogen und das Ergebnis in dem den Antragsunterlagen beigefügten Bericht vom 11.12.2008 festgehalten. Dabei ist die Beigeladene zu dem Ergebnis gelangt, dass die geplanten Einzelmaßnahmen keine wesentlichen Umweltauswirkungen auf die Schutzgüter des § 1a AtVfV bzw. § 2a UVPG haben. Der Antragsgegner hat - wie sich einem Aktenvermerk vom 26.01.2009 entnehmen lässt - die Vorprüfung der Beigeladenen dahingehend kritisch gewürdigt, ob die relevanten Auswirkungen des Vorhabens der 2. SAG auf die Schutzgüter durch die Ergebnisse der im Rahmen des Gesamtvorhabens durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung vollständig erfasst wurden und abgedeckt sind. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass bei der Ausnutzung der 2. SAG keine umweltrelevanten Wirkungen eintreten, die zu erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen gegenüber den Umweltauswirkungen führen, die Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung im Verfahren zur Erteilung der 1. SAG waren. Dieses Ergebnis hat der Antragsgegner ordnungsgemäß gemäß § 3a Satz 2 UVPG öffentlich bekannt gemacht. Zutreffend weisen die Antragsteller freilich darauf hin, dass der Prüfvermerk des Antragsgegners vom 26.01.2009 über die Plausibilität der durchgeführten Vorprüfung sehr knapp gehalten ist, weshalb die von der Genehmigungsbehörde in diesem Zusammenhang im Einzelnen angestellten Erwägungen nicht vollständig nachvollzogen werden können. Dies führt jedenfalls bei summarischer Prüfung gleichwohl nicht zu einem im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden Fehler im oben dargestellten Sinne, da die von der Beigeladenen durchgeführten Vorprüfungen in ihrem Bericht vom 11.12.2008 wesentlich detaillierter dargestellt sind und die Behörde sich ersichtlich diese Erwägungen zu Eigen gemacht hat.
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2.1.2.2. Entgegen der Auffassung der Antragsteller enthält die 2. SAG bei summarischer Sachverhaltsprüfung keine relevanten Änderungen gegenüber der im Rahmen der Erteilung der 1. SAG durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung, die eine zumindest teilweise neue Verträglichkeitsprüfung erforderlich gemacht hätten. Vielmehr hält sich der mit der 2. SAG genehmigte Abbau und die Änderungen des Stilllegungsreglements im Rahmen der im Antrag zur 1. SAG dargestellten insgesamt geplanten Maßnahmen, die Gegenstand der durchgeführten Prüfung nach Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG waren.
31 
Eine wesentliche Abänderung des mit der 2. SAG genehmigten Vorhabens gegenüber der im Rahmen der 1. SAG dargelegten Gesamtmaßnahme kann nicht in der Errichtung der Materialschleuse zum Reaktorgebäude gesehen werden. Der Bau der neuen Materialschleuse ist nicht Gegenstand der 2. SAG, sondern wurde mit einer bestandskräftigen Änderungsgenehmigung zur 1. SAG vom 21.04.2010 legalisiert. Bereits aufgrund der Bestandskraft dieser Änderungsgenehmigung kann die Errichtung der Materialschleuse als solche nicht als den Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung überschreitende Änderung angesehen werden. In diesem Zusammenhang ist deshalb lediglich die Umweltrelevanz von Änderungen des Betriebsreglements zu betrachten, die durch die Errichtung der Materialschleuse eingetreten sind. Bei summarischer Prüfung dürfte der Antragsgegner zutreffend davon ausgegangen sein, dass durch die wohl untergeordneten Änderungen des Betriebsreglements durch Errichtung der neuen Materialschleuse keine derartigen umweltrelevanten Auswirkungen eintreten können, die den Rahmen der bei Erteilung der 1. SAG insgesamt geprüften Maßnahmen überschreiten. Hiergegen spricht, dass bereits im Sicherheitsbericht zur 1. SAG vom 19.05.2006 davon ausgegangen wurde, dass im Zuge der Abbaumaßnahmen bauliche Änderungen im Reaktorgebäude notwendig werden können (vgl. S. 112 des Sicherheitsberichts zur 1. SAG).
32 
Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist auch durch die abweichende Gestaltung der einzelnen Genehmigungsschritte keine wesentliche Änderung der insgesamt geplanten Maßnahmen eingetreten, die Gegenstand der 1. SAG und der Umweltverträglichkeitsprüfung vor deren Erteilung waren. Zutreffend weisen die Antragsteller in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Beigeladene mit ihrem Antrag zur Erteilung der 2. SAG von den Genehmigungsschritten abweicht, welche im Sicherheitsbericht zur 1. SAG vom 19.05.2006 und dem damaligen Genehmigungsantrag dargestellt waren. Insbesondere hat der damalige Genehmigungsantrag vorgesehen, dass in einem umfassenderen 2. Abbauschritt die stärker aktivierten Anlagenteile des Kon-trollbereichs vollständig abgebaut werden sollen, vor allem auch der Reaktordruckbehälter (vgl. die Darstellung der vorgesehenen Genehmigungsschritte im Sicherheitsbericht vom 19.05.2006, S. 12, 15 und 16). Von diesem ursprünglich geplanten Verfahrensablauf weicht der Antrag der Beigeladenen zur Erteilung der 2. SAG insoweit ab, als nunmehr ein weiterer Genehmigungsschritt vorgesehen wird und mit der beantragten 2. SAG lediglich ein Teil der aktivierten Anlagenteile im Kontrollbereich abgebaut werden soll. So soll die 2. SAG nur noch den Abbau des Reaktordruckbehälterdeckels, nicht jedoch des stark aktivierten Reaktordruckbehälterunterteils, der Reaktoreinbauten sowie des biologischen Schilds im Kontrollbereich umfassen; diese Abbaumaßnahmen sollen vielmehr einer bereits beantragten, jedoch noch nicht erteilten 3. SAG vorbehalten bleiben.
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Durch diese geänderte Genehmigungsabfolge wird indes nicht der mit der 1. SAG geprüfte Gesamtumfang der geplanten Maßnahmen mit der Folge verlassen, dass nunmehr eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung des Vorhabens zu erfolgen hätte. Zum einen hat die Beigeladene bereits in ihrem Sicherheitsbericht vom 19.05.2006 (S. 16) explizit darauf hingewiesen, dass bei der für den zweiten Genehmigungsschritt noch durchzuführenden Detailabbauplanung sich unter Berücksichtigung der Verfahrensökonomie und von technischen Notwendigkeiten ergeben könne, dass zur Umsetzung der Abbauarbeiten im zweiten Abbauschritt mehr als nur ein Genehmigungsantrag erforderlich werde. Aufgrund dieser Angaben im Sicherheitsbericht stand bereits bei Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung des Gesamtvorhabens im Rahmen der 1. SAG fest, dass die vorgesehenen Genehmigungsschritte keine verbindliche Planung darstellen. Zum anderen weisen der Antragsgegner und die Beigeladene zutreffend darauf hin, dass allein eine geänderte Abfolge der zu beantragenden Genehmigungen und die Zuordnung der Abbauschritte hierzu nicht zu relevanten Umweltauswirkungen führen kann. Maßgeblich hierfür ist allein, ob die mit der ursprünglichen Planung vorgesehenen konkreten Abbaumaßnahmen bzw. Abbauschritte eingehalten werden oder ob auch insoweit eine relevante Änderung eingetreten ist. Wie sich der Darstellung der Abbaufolge auf S. 76 f. des Sicherheitsberichts vom 19.05.2006 entnehmen lässt, wird durch die geänderte Aufteilung der Genehmigungsschritte nicht von den technisch vorgesehenen Abbaumaßnahmen abgewichen. Im Übrigen wies die Beigeladene bei der Beschreibung des zweiten Abbauschritts (S. 90 f. des Sicherheitsberichts) bereits darauf hin, dass die konkrete Abbaufolge erst im Rahmen der Detailplanung des 2. Abbauschritts festgelegt werden könne. Durch die mit der 2. SAG vorgenommene Modifizierung tritt deshalb keine Änderung der technischen Abbauplanung ein, sondern lediglich eine Verschiebung von Maßnahmen in einen späteren Genehmigungsschritt. Gerade im Hinblick auf die Umweltrelevanz eines Vorhabens ist jedoch unerheblich, in welchem Genehmigungsschritt eine konkrete Einzelmaßnahme erfolgen soll. Entscheidend ist allein, dass sich die Ausführungsmaßnahmen innerhalb der insgesamt geplanten Maßnahmen halten, die Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung der 1. SAG waren. Unerheblich dürfte in diesem Zusammenhang auch der Hinweis der Antragsteller sein, durch den Abbau des Reaktordruckbehälters in zwei Genehmigungsschritten stünden das Druckbehälter-Unterteil und die stark aktivierten Kerneinbauten für längere Zeit offen. Dem steht bereits entgegen, dass auch in der ursprünglich geprüften Genehmigungsplanung und dem Sicherheitsbericht vom 19.05.2006 keine zeitlichen Vorgaben für den Abbau des Reaktordruckbehälters enthalten waren. Auch ohne die nunmehr vorgesehene Aufspaltung des Abbaus des Reaktordruckbehälters in zwei Genehmigungsschritten war deshalb nicht sichergestellt, dass dieser in einem engen zeitlichen Rahmen abgebaut wird.
34 
Eine wesentliche Änderung dürfte schließlich nicht dadurch eingetreten sein, dass eine längere Lagerung der Brennelemente im externen Nasslager (sog. Notstandsgebäude, Bau 37) erfolgen soll. Zutreffend weisen die Antragsteller freilich darauf hin, dass nach der ursprünglichen zeitlichen Planung der Beigeladenen bis ca. 2011 alle bestrahlten Brennelemente in das beantragte Standortzwischenlager verbracht werden sollten, so dass die Anlage bei Beginn des zweiten Abbauschrittes brennstofffrei gewesen wäre. Die weitere Lagerung der abgebrannten Brennstäbe im Notstandsgebäude führt jedoch entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht dazu, dass der Rahmen der im Zuge der Erteilung der 1. SAG durchgeführten Umweltverträglichkeits-prüfung überschritten würde. Zum einen handelt es sich bei der oben dargestellten zeitlichen Abfolge lediglich um eine unverbindliche Planung der Beigeladenen, die unter dem Vorbehalt veränderter Umstände, insbesondere einer Verzögerung der Genehmigungserteilung für das Standortzwischenlager, stand. So wurde bereits im Sicherheitsbericht zur 1. SAG vom 19.05.2006 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass möglicherweise der Abtransport der bestrahlten Brennelemente aus der Anlage KWO nicht - wie vorgesehen - bis ca. 2011 abgeschlossen sein könne, etwa weil das beantragte BE-Zwischenlager zu diesem Zeitpunkt noch nicht betriebsbereit sei (vgl. S. 70 und 90 des Sicherheitsberichts). In diesem Fall sollte nach der im Sicherheitsbericht vom 19.05.2006 dargelegten Konzeption der Stilllegungsbetrieb unter dem Regime der 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung auch die weitere Lagerung der bestrahlten KWO-Brennelemente im externen Nasslager bis zum vollständigen Abtransport aus der Anlage umfassen. Aufgrund dieser Darstellungen im Sicherheitsbericht war die weitergehende Lagerung von Brennelementen im externen Lager auch zum Zeitpunkt des zweiten Abbauschritts Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung, die im Rahmen der Erteilung der 1. SAG durchgeführt wurde.
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Zum anderen wurde die externe Brennelementlagerung im Notstandsgebäude mit einer der Beigeladenen erteilten Genehmigung vom 26.10.1998 gestattet, welche bestandskräftig wurde (vgl. hierzu auch den im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss des Senats vom 15.09.1999 - 10 S 1991/99 - VBlBW 2000, 149). Etwaige mit der externen Brennelementlagerung verbundenen Umweltauswirkungen waren bei Erteilung der 2. SAG daher nur insoweit in den Blick zu nehmen, als das Betriebsreglement in Bezug hierauf geändert wurde. Jedenfalls bei summarischer Prüfung ist nichts dafür ersichtlich, dass sich die geringfügigen Änderungen des Betriebsreglements hinsichtlich der Lagerung der Brennelemente im externen Nasslager in einer für die Schutzgüter der Umweltverträglichkeitsprüfung relevanten Weise auswirken könnten. Ferner sollten nach den Darlegungen im Sicherheitsbericht die mit der 2. SAG beantragten Abbaumaßnahmen dergestalt rückwirkungsfrei erfolgen, dass die Lagerung der Brennelemente und der hierfür erforderlichen Sicherheitseinrichtungen im Notstandsgebäude durch die Maßnahmen nicht beeinträchtigt werden kann. Eine wesentliche Abweichung durch die längere Lagerung, bezogen auf die insgesamt geplanten Maßnahmen, liegt deshalb nicht vor.
36 
Nach alldem hat der Antragsgegner die mit der 2. SAG geplanten Einzelmaßnahmen zu Recht keiner weiteren vollständigen Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen, sondern lediglich rechtsfehlerfrei eine Vorprüfung des Einzelfalles gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG durchgeführt.
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2.1.3 Entgegen der Auffassung der Antragsteller war vor Erteilung der 2. SAG weder eine obligatorische (dazu unter 2.1.3.1) noch eine fakultative (dazu unter 2.1.3.2) Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen.
38 
2.1.3.1 Zutreffend ist der Antragsgegner davon ausgegangen, dass die von der Beigeladenen im Rahmen der 2. SAG beantragten Einzelmaßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerks Obrigheim nicht einer obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung bedurften. Gemäß § 19b Abs. 2 AtVfV kann abweichend von § 4 Abs. 4 AtVfV von einer Bekanntmachung und Auslegung des Vorhabens dann nicht abgesehen werden, wenn für eine ortsfeste Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen, deren Höchstleistung 1 KW thermische Dauerleistung überschreitet, erstmals eine Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG beantragt wird. Bei den von der Beigeladenen beantragten Maßnahmen handelte es sich jedoch nicht um einen erstmaligen Antrag auf Erteilung einer Stilllegungs- und Abbaugenehmigung im Sinne von § 7 Abs. 3 AtG. Auch wenn es sich bei der 1. und 2. Stilllegungsgenehmigung - wie oben unter 2.1.1.3 näher dargestellt - um selbständige Genehmigungen und nicht um Teilgenehmigungen im Sinne von § 18 AtVfV handelt, sind die Genehmigungen aufeinander bezogen und gestatten ein einheitliches Vorhaben im Sinne von § 19b Abs. 1 AtVfV. In diesem Zusammenhang kann auf die oben angestellten Erwägungen zu der Bestimmung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz verwiesen werden, da diese auch im hier in Rede stehenden Zusammenhang Geltung beanspruchen. Schließlich war - wie oben näher dargestellt - für die mit der 2. SAG beantragten Maßnahmen keine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, so dass eine obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung auch nicht gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 AtVfV geboten war.
39 
2.1.3.2 Der Antragsgegner hat unter fehlerfreier Betätigung seines Ermessens von einer erneuten fakultativen Öffentlichkeitsbeteiligung vor Erteilung der 2. SAG abgesehen. Die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Absehen von einer fakultativen Öffentlichkeitsbeteiligung nach Ermessen gemäß § 19b, § 4 Abs. 4 AtVfV lagen vor. Nach § 19b Abs. 1 AtVfV müssen die Unterlagen, die einem erstmaligen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG beizufügen sind, u.a. Angaben zu den insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau der Anlage oder von Anlagenteilen enthalten. Für den hier in Rede stehenden weiteren Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG bleibt es dagegen gemäß 19b Abs. 2 AtVfV bei der allgemeinen Bestimmung des § 4 Abs. 4 Satz 1 AtVfV. Danach kann die Genehmigungsbehörde von der Bekanntmachung und Auslegung unter den in § 4 Abs. 2 AtVfV genannten Voraussetzungen absehen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn im Sicherheitsbericht keine zusätzlichen oder anderen Umstände darzulegen wären, die nachteilige Auswirkungen für Dritte besorgen lassen.
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Diese Voraussetzungen liegen jedenfalls bei summarischer Prüfung für das Genehmigungsverfahren der 2. SAG vor. Im Sicherheitsbericht zur 1. SAG ist das Gesamtvorhaben der Stilllegung und des Abbaus des Kernkraftwerks Obrigheim in einer den Anforderungen des § 19b Abs. 1 Satz 1 AtVfV genügenden Weise dargestellt. Die Beigeladene hat in ihrem Sicherheitsbericht vom 19.05.2006 das von ihr verfolgte Gesamtkonzept zum Abbau und zur Stilllegung der von ihr betriebenen kerntechnischen Anlage in den Grundzügen so konkret beschrieben, dass auch für Dritte eine Beurteilung der insgesamt geplanten Maßnahmen möglich war. Insbesondere hat sie im Sicherheitsbericht die insgesamt geplanten Maßnahmen, die Reihenfolge der einzelnen Abbauschritte und die dabei zu verwendenden Methoden so detailliert dargestellt, dass auch die interessierte Öffentlichkeit sowohl die mögliche Rückwirkungsfreiheit der Maßnahmen als auch das Vorliegen einer sinnvollen Abbaureihenfolge prüfen konnte. Auch hat die Beigeladene in den Unterlagen den Anforderungen des § 19b Abs. 1 Satz 2 AtVfV entsprechend weiter dargelegt, welche Auswirkungen die Maßnahmen nach dem jeweiligen Planungsstand voraussichtlich auf die in § 1a AtVfV genannten Schutzgüter haben werden. Wie oben unter 2.1.2.2 näher dargelegt, wichen die mit der 2. SAG gestatteten Einzelmaßnahmen auch nicht in einer Weise von der im Sicherheitsbericht zur 1. SAG dargestellten Abbauplanung ab, dass der vorgegebene Rahmen der Gesamtmaßnahmen überschritten worden wäre. Es stand deshalb im Ermessen des Antragsgegners, auf eine fakultative Öffentlichkeitsbeteiligung zu verzichten.
41 
Wie sich aus der Begründung der 2. SAG (B.I. 2.4.1) ergibt, hat der Antragsgegner das ihm eröffnete Ermessen erkannt; die im Rahmen der Ermessensausübung angestellten Erwägungen leiden nicht an einem im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden Mangel. Der Antragsgegner hat sich bei der Ausübung seines Ermessens im Wesentlichen davon leiten lassen, dass die Durchführung einer fakultativen Öffentlichkeitsbeteiligung weder relevante neue Informationen für die zu treffende Genehmigungsentscheidung liefern würde noch für die Rechtsschutz suchende Öffentlichkeit erforderlich wäre. In diesem Zusammenhang hat er darauf abgehoben, dass durch die beantragten Abbau- und Stilllegungsmaßnahmen keine nachteiligen Auswirkungen für Dritte zu erwarten seien und bei der Durchführung eines fakultativen Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens nicht mit einem wesentlichen Erkenntnisgewinn gerechnet werden könne. Diese Einschätzung des Antragsgegners ist zumindest vertretbar und kann deshalb nicht als ermessensfehlerhaft beanstandet werden. Vor diesem Hintergrund begegnet auch die abschließend von dem Antragsgegner getroffene Abwägungsentscheidung zwischen den Belangen der interessierten Öffentlichkeit und dem öffentlichen Interesse an einer beschleunigten Durchführung der Stilllegungsmaßnahmen bzw. der privaten Belange der Beigeladenen keinen Bedenken.
42 
Lediglich zur Ergänzung wird darauf hingewiesen, dass die Antragsteller wohl auch bei einer fehlerhaft unterbliebenen Öffentlichkeitsbeteiligung nicht in eigenen Rechten verletzt wären. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermittelt das atomrechtliche Verfahrensrecht Drittschutz nur im Hinblick auf eine bestmögliche Verwirklichung einer materiellen Rechtsposition. Dies hat zur Folge, dass ein auf einen Fehler des Verwaltungsverfahrens gestützter Rechtsbehelf eines Dritten nur Erfolg haben kann, wenn er dartut, dass und inwieweit sich die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschrift auf seine materiell-rechtliche Rechtsposition ausgewirkt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.01.1997 - 11 C 7.95 - BVerwGE 104, 36; sowie Beschluss vom 12.07.1993 - 7 B 114.92 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 42). Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Dritte infolge des Verfahrensfehlers daran gehindert worden ist, Umstände vorzutragen, welche die Behörde nicht beachtet hat, denen sie aber bei einer den Anforderungen des § 7 Abs. 3 und Abs. 2 AtG entsprechenden Ermittlung und Bewertung von Risikofaktoren hätte nachgehen müssen. Eine derartige Beeinträchtigung ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten wird von den Antragstellern nicht dargetan und liegt bereits deshalb fern, weil ihnen von dem Antragsgegner jedenfalls nach Erteilung der 2. SAG umfassende Akteneinsicht gewährt worden ist.
43 
Nach alledem ist die 2. SAG nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.
44 
2.2 Die der Beigeladenen erteilte 2. SAG leidet jedenfalls bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht an einem durchgreifenden materiell-rechtlichen Mangel. Der Antragsgegner hat die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik den Antragstellern gegenüber erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die genehmigten Stilllegungs- und Abbaumaßnahmen gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG (dazu unter 2.2.1) und einen den Antragstellern gegenüber erforderlichen Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG (dazu unter 2.2.2) als gewährleistet ansehen dürfen. Auch kann der Antrag nicht auf die behauptete fehlende Entsorgungsvorsorge gestützt werden (dazu unter 2.2.3).
45 
2.2.1 Jedenfalls bei summarischer Prüfung durfte der Antragsgegner die gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG i.V.m. § 7 Abs. 3 Satz 2 AtG erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die mit der 2. SAG gestatteten Einzelmaßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau der kerntechnischen Anlage der Beigeladenen als getroffen ansehen.
46 
2.2.1.1 Ob die erforderliche Vorsorge gegen Schäden im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG gewährleistet ist, kann der Senat nur eingeschränkt überprüfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus der Normstruktur des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, dass die Exekutive die Verantwortung für die Risikoermittlung und Risikobewertung trägt, auch für die Entscheidung über Art und Ausmaß von Risiken, die hingenommen oder nicht hingenommen werden müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.01.1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115; BVerfG, Beschluss vom 10.11.2009 - 1 BvR 1178/07 - NVwZ 2010, 114 - jeweils mit weiteren Nachweisen aus der umfassenden Rechtsprechung). Daraus folgt, dass es nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein kann, die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen. Die Exekutive ist für die Risikoermittlung und -bewertung, also auch für die Entscheidung über Art und Ausmaß von Risiken, die hingenommen oder nicht hingenommen werden müssen, allein verantwortlich (BVerwG, Urteil vom 14.01.1998 - 11 C 11.96 - a.a.O.; Urteil vom 10.04.2008 - 7 C 39.07 - BVerwGE 131, 129). Reichweite und Grenzen des sog. exekutiven Funktionsvorbehalts ergeben sich aus dem materiellen Recht, namentlich dessen Sinn und Zweck.
47 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dient der Funktionsvorbehalt der Exekutive einem dynamischen Grundrechtsschutz und rechtfertigt sich auch daraus, dass im Atomrecht die erforderliche Schadensvorsorge am in die Zukunft hinein offenen, die bestmögliche Verwirklichung des Schutzzwecks des § 1 Nr. 2 AtG gewährleistenden Maßstab des Stands von Wissenschaft und Technik zu messen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 - 7 C 1.11 - ZNER 2012, 288). Es ist insoweit nicht Sache der Gerichte, Prognosen der Genehmigungsbehörde im Hinblick auf Situationen zu korrigieren, die allenfalls im Grenzbereich des nach praktischer Vernunft noch Möglichen liegen können. Allerdings ist das Maß des erforderlichen Schutzes normativ vorgegeben. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 AtG legt die Exekutive normativ auf den Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsoge fest und lässt die Genehmigungserteilung nur zu, wenn Gefahren und Risiken durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage „praktisch ausgeschlossen“ erscheinen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12.11.2008 - 1 BvR 2456/06 - DVBl. 2009, 642). Dementsprechend unterliegen die behördliche Risikoermittlung und -bewertung einschließlich des hinzunehmenden Restrisikos nur einer eingeschränkten Nachprüfung. Die Gerichte sind darauf beschränkt zu überprüfen, ob die der behördlichen Beurteilung zugrunde liegende Risikoermittlung und -bewertung auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Behördenentscheidung Rechnung trägt, die Behörde also im Hinblick auf die Ergebnisse des von ihr durchgeführten Genehmigungsverfahrens „diese Überzeugung von Rechts wegen haben durfte“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.1987 - 7 C 4.85 - BVerwGE 78, 177; Beschluss vom 02.07.1998 - 11 B 30.97 - NVwZ 1999, 654; Urteil vom 10.04.2008 - 7 C 39.07 - a.a.O.). Das Gericht ist deshalb auf die Nachprüfung beschränkt, ob die Genehmigungsbehörde willkürfrei annehmen durfte, dass der erforderliche Schutz gegen die Risiken einer Leben oder Gesundheit Drittbetroffener möglicherweise gefährdenden Freisetzung ionisierender Strahlen nach Maßgabe des insoweit vorgesehenen Sicherungs- und Schutzkonzepts gewährleistet ist und Risiken damit praktisch nicht zu gegenwärtigen sind. Die Behörde darf aber nicht maßgebliche wissenschaftliche Erkenntnisse negieren oder in grober Weise fehl gewichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.08.1996 - 11 C 9.95 - DVBl. 1997, 52). Unsicherheiten bei der Risikoermittlung und -bewertung ist nach Maßgabe des sich daraus ergebenden Besorgnispotenzials durch hinreichend konservative Annahmen Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 - 7 C 1.11 - a.a.O.).
48 
2.2.1.2 Bei Anwendung dieser Grundsätze durfte der Antragsgegner davon ausgehen, dass die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Beeinträchtigungen, die aus einer planmäßigen Durchführung der mit der 2. SAG gestatteten Abbaumaßnahmen und des genehmigten Stilllegungsreglements herrühren, getroffen worden ist. Welches Risiko hiernach bei der Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung Drittbetroffenen zugemutet werden darf, ergibt sich nicht unmittelbar aus § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 12 Abs. 1 Nr. 2 AtG die Exekutive dazu ermächtigt, näher zu bestimmen, welche Vorsorge zu treffen ist, damit bestimmte Strahlendosen und Konzentrationen radioaktiver Stoffe in der Luft und im Wasser nicht überschritten werden. Die erforderliche Vorsorge dafür, dass bestimmte Strahlendosen und bestimmte Konzentrationen radioaktiver Stoffe in Luft und Wasser nicht überschritten werden, wird durch die Bestimmung der Dosisgrenzwerte (§ 47 StrlSchV) konkretisiert. Dieser Wert konkretisiert die Schutzwirkung zugunsten Dritter, weil er die äußerste, nicht mehr überschreitbare Grenze der erforderlichen Schadensvorsorge und damit nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch den Einzelnen vor den Gefahren und Risiken der Kernenergie bewahren soll. Soweit die Genehmigungsbehörde im Rahmen ihrer Entscheidung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik dem Einzelnen gegenüber erforderliche Vorsorge gegen Schäden als getroffen ansehen darf, hat es damit auch für den Drittschutz sein Bewenden. Mehr als die erforderliche Vorsorge, die auf den praktischen Ausschluss eines sich als Grundrechtsverletzung darstellenden Schadens hinausläuft, kann ein Dritter nicht verlangen. Insbesondere gibt es keinen Anspruch eines Dritten auf weitergehende Minimierung der Strahlenexpositionen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.04.2008 - 7 C 39.07 - a.a.O.; Urteil vom 22.12.1980 - 7 C 84.78 - BVerwGE 61, 256).
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Die Genehmigungsbehörde ist aufgrund der von der Beigeladenen vorgelegten fachkundigen Berechnungen, die von dem gemäß § 20 AtG herangezogenen Sachverständigen geprüft worden sind, zu dem Ergebnis gelangt, dass bei Durchführung der Stilllegungsmaßnahmen und einem ordnungsgemäßen Stilllegungsbetrieb die gemäß § 47 StrlSchV hinzunehmenden Werte bei weitem nicht erreicht werden. Die Antragsteller haben insoweit nicht substantiiert vorgebracht, durch welche Defizite der Schadensvorsorge sie sich in eigenen Rechten verletzt fühlen. Letztendlich wird von den Antragstellern nicht geltend gemacht, dass die Überschreitung von Grenzwerten für den bestimmungsgemäßen Stilllegungsbetrieb droht. Die Antragsteller sehen vielmehr lediglich einen Verstoß gegen das Strahlenminimierungsgebot des § 6 StrlSchV, der nach dem oben Gesagten jedoch nicht drittschützend ist.
50 
2.2.1.3 Entgegen der Auffassung der Antragsteller durfte die Genehmigungsbehörde bei summarischer Prüfung auch die erforderliche Vorsorge gegen die Auswirkungen von Störfällen, die in Ausnutzung der mit der 2. SAG genehmigten Einzelmaßnahmen zu betrachten waren, als getroffen ansehen. Die erforderliche Vorsorge dafür, dass bestimmte Strahlendosen bei den zu betrachtenden Störfallereignissen nicht überschritten werden, wird durch den anwendbaren Störfallplanungswert abschließend konkretisiert; auch insoweit gibt es keinen Anspruch eines Dritten auf weitergehende Minimierung der Strahlenexposition bei den zu betrachtenden Störfallereignissen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22.01.1997 - 11 C 7.95 - BVerwGE 104, 36; sowie vom 10.04.2008 - 7 C 39.07 - a.a.O.). Zutreffend ist die Genehmigungsbehörde auch davon ausgegangen, dass der für den Abbau und die Stilllegung von Kernkraftwerken maßgebende Störfallplanungswert gemäß § 117 Abs. 16 StrlSchV i.V.m. § 50 StrlSchV 50 mSv beträgt.
51 
Jedenfalls bei summarischer Prüfung ist die von der Genehmigungsbehörde durchgeführte Störfallbetrachtung nicht zu beanstanden. Die Beigeladene hat mit ihren Genehmigungsunterlagen eine Störfallbetrachtung des Sachverständigenbüros ... vom 31.03.2010 vorgelegt, die von dem amtlich bestellten Sachverständigen (§ 20 AtG) und der Genehmigungsbehörde kritisch gewürdigt wurde. Die Gutachter haben im Rahmen ihrer Störfallbetrachtung sämtliche zu unterstellenden sicherheitstechnisch bedeutsamen Ereignisabläufe des Stilllegungsbetriebes und des Abbaus der kerntechnischen Anlage der Beigeladenen untersucht. Zutreffend haben die Sachverständigen für die Ermittlung der relevanten Ereignisabläufe den Stilllegungsleitfaden vom 12.08.2009 sowie ergänzend die Störfall-Leitlinien zugrunde gelegt. In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben hat der Gutachter radiologisch repräsentative Ereignisabläufe für Einwirkungen von Innen (EVI) und Einwirkungen von außen (EVA) untersucht und ist zu der rechnerischen Prognose gelangt, dass der einzuhaltende Störfallplanungswert von 50 mSv bei Weitem - für die meisten zu betrachtenden Szenarien um mehrere Größenordnungen - unterschritten wird. Die Antragsteller zeigen nicht substantiiert auf, dass weitere Störfallabläufe zu betrachten gewesen wären, oder dass gegen die Prognose der bei den angenommenen Störfällen eintretenden Strahlenexpositionen durchgreifende Bedenken bestehen. Ergänzend ist anzumerken, dass die Sachverständigen im Rahmen der Störfallbetrachtung auch Szenarien betrachtet haben, die nach dem zutreffenden rechtlichen Ansatz der Genehmigungsbehörde nicht in Ausnutzung der 2. SAG eintreten können. So haben die Gutachter bei ihrer Störfallbetrachtung u.a. den Einsturz der Lagergebäude Bau 39 und Bau 52 unterstellt und dessen Auswirkungen untersucht, obwohl die Lagerung von Abfallgebinden in diesen Gebäuden nicht mit der gegenständlichen 2. SAG, sondern bereits mit der bestandskräftigen 1. SAG vom 28.08.2008 genehmigt worden ist. In ähnlicher Weise haben die Gutachter die Lagerung der Brennelemente im externen Lagerbecken in ihre Betrachtung einbezogen, obwohl diese - wie oben unter 2.1.1.4 näher dargestellt - nicht Genehmigungsinhalt der 2. SAG war. Jedenfalls nach den im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein bestehenden beschränkten gerichtlichen Erkenntnismöglichkeiten ist deshalb davon auszugehen, dass Ermittlungsdefizite hinsichtlich der Identifizierung der Störfallszenarien und Bewertungsdefizite hinsichtlich der Auswirkungen der zu betrachtenden Störfälle nicht vorliegen. Die Genehmigungsbehörde durfte deshalb die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Schadensvorsorge gegen Störfälle im Sinne von § 7 Abs. 3 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG als getroffen ansehen.
52 
2.2.2 Zu Recht dürfte die Genehmigungsbehörde auch davon ausgegangen sein, dass der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG i.V.m. § 7 Abs. 3 AtG zu Gunsten der Antragsteller gegeben ist. In der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG auch dem Schutz individueller Rechte eines in der Nähe einer kerntechnischen Anlage wohnenden Drittbetroffenen gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter dient, sofern diese nicht dem Bereich des Restrisikos zuzuordnen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.04.2008 - 7 C 39.07 - a.a.O.; sowie vom 22.03.2012 - 7 C 1.11 - a.a.O.). Zutreffend weisen die Antragsteller ferner in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die von ihnen befürchteten Anschläge auf eine atomrechtliche Anlage als Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG anzusehen sind. Die Begriffe der „Störmaßnahmen“ und „sonstige(n) Einwirkungen Dritter“ sind denkbar weit gefasst, um entsprechend dem Gebot des dynamischen Grundrechtsschutzes auch gegenüber neuen Bedrohungsformen durch Handeln Dritter den erforderlichen Schutz bei atomrechtlichen Anlagen zu gewährleisten. Der Tatbestand schließt deshalb den Schutz vor Terror- und Sabotageakten sowie anderen Gefahren beispielsweise aus einem Flugzeugabsturz oder aus dem Transport gefährlicher Güter auf an der Anlage vorbeiführenden Verkehrswegen ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1989 - 7 C 31.87 - BVerwGE 81, 185). Auch ist der nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderliche Drittschutz gegen Störeinwirkungen von außen nicht auf die erforderliche Vorsorge gegen Auslegungsstörfälle beschränkt (vgl. näher Urteil vom 10.04.2008 - 7 C 39.07 - a.a.O.).
53 
Die Antragsteller sehen vor allem den erforderlichen Schutz gegen die Einwirkung Dritter durch den gezielten Absturz eines großen Verkehrsflugzeuges auf das externe Brennelementlager im Notstandsgebäude (Bau 37) als nicht gewährleistet an und weisen zutreffend darauf hin, dass die Genehmigungsbehörde dieses Szenario vor Erteilung der 2. SAG nicht erneut betrachtet hat (vgl. Genehmigungsbegründung S. 49). Entgegen der Auffassung der Antragsteller dürfte diese Vorgehensweise der Genehmigungsbehörde rechtlich nicht zu beanstanden sein.
54 
Dies folgt bereits daraus, dass die Errichtung und der Betrieb des externen Brennelementlagers im Notstandsgebäude - wie oben unter 2.1.1.4 im Einzelnen dargestellt - nicht Regelungsgegenstand der 2. SAG ist. Vielmehr wurde die Errichtung und der Betrieb der externen Brennelementlagerung im Notstandsgebäude mit bestandskräftiger Genehmigung vom 26.10.1998 gestattet. Mit der 1. SAG vom 28.08.2008 wurde die externe Brennelementlagerung in den Stilllegungsbetrieb einbezogen und das Stilllegungs- bzw. Betriebsreglement der Lagerung neu geregelt. Die 2. SAG dagegen enthält im Hinblick auf die externe Brennelementlagerung nach ihrem eindeutigen Tenor und der von der Behörde gegebenen Begründung nur eine gegenständlich beschränkte Änderung des Stilllegungsbetriebs, nicht jedoch eine umfassende und neue Regelung. Bereits aus Gründen der Bestandskraftpräklusion können die Antragsteller deshalb der 2. SAG nicht entgegenhalten, dass der erforderliche Schutz gegen Einwirkungen Dritter durch den gezielten Absturz einer großen Verkehrsmaschine auf das externe Brennelementlagerbecken nicht gewährleistet sei.
55 
Im Übrigen könnten die Antragsteller selbst dann, wenn die 2. SAG eine umfassende Neuregelung des Stilllegungsbetriebes des externen Brennelementlagers enthielte, die Rechtmäßigkeit der 2. SAG nicht mit der Erwägung in Zweifel ziehen, Vorsorge gegen die Auswirkungen eines gezielten Flugzeugabsturzes sei nicht hinreichend getroffen worden. Dem steht die bestandskräftige Genehmigung vom 26.10.1998 entgegen, mit der u.a. der Einbau von Brennelement-Lagergestellen in das externe Brennelementlagerbecken im Notstandsgebäude genehmigt wurde. Insofern liegt eine bestandskräftige Errichtungsgenehmigung für ein dauerhaftes Lagerbecken im Notstandsgebäude vor. Eine Errichtungsgenehmigung enthält nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die verbindliche Feststellung, dass eine genehmigungskonform errichtete Anlage die atomrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt (vgl. BVerwG, Urteile vom 22.01.1997 - 11 C 7.95 - a.a.O.; sowie vom 07.06.1991 - 7 C 43.90 - a.a.O.). Bei Erteilung einer nachfolgenden Betriebsgenehmigung ist insbesondere auch die Genehmigungsvoraussetzung des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG nur noch bezüglich des Betriebsreglements zu prüfen, nicht jedoch bezüglich der früher bestandskräftig genehmigten Errichtung. Mit der Betriebsgenehmigung wird die Genehmigungsfrage neu lediglich im Hinblick auf den Betrieb aufgeworfen. Nur in diesem Umfang können Drittbetroffene mit einer gegen die Betriebsgenehmigung gerichteten Anfechtungsklage Ermittlungs- und Bewertungsdefizite im Bereich der Schadensvorsorge bzw. dem Schutz vor Einwirkungen Dritter rügen. Für den Drittschutz folgt hieraus insbesondere auch, dass die Betriebsgenehmigung nicht mehr mit materiell-rechtlichen Einwendungen bekämpft werden kann, die thematisch zum Regelungsgehalt einer früheren Errichtungsgenehmigung gehören; solchen Einwendungen ist vielmehr lediglich nach Maßgabe des § 17 AtG im aufsichtlichen Verfahren Rechnung zu tragen. Dies gilt selbst dann, wenn von den Drittbetroffenen Einwendungen aufgrund einer veränderten Sachlage geltend gemacht werden, die erst nach Erlass der vorangegangenen Errichtungsgenehmigung entstanden sind. Auch eine derartige Sachverhaltsänderung kann lediglich Anlass zum aufsichtlichen Einschreiten auf der Grundlage von § 17 AtG bieten, nicht jedoch einredeweise einer Betriebsgenehmigung entgegengehalten werden (vgl. hierzu ausführlich BVerwG, Urteil vom 22.01.1997 - 11 C 7.95 - a.a.O.). Bereits aus diesem Verhältnis von bestandskräftig gewordener Errichtungs- zu der hier in Rede stehenden Betriebsgenehmigung folgt, dass die Antragsteller diese nur mit der Einwendung bekämpfen können, die erforderliche Vorsorge gegen Einwirkungen Dritter im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG sei insoweit nicht gewährleistet, als die Genehmigungsfrage hinsichtlich der Errichtung gerade durch die Änderung des Betriebsreglements neu aufgeworfen wird. Dies wird jedoch von den Antragstellern nicht behauptet und ist auch fernliegend. Vielmehr machen die Antragsteller im Kern geltend, das externe Brennelementlager im Notstandsgebäude sei konstruktiv nicht gegen die Folgen eines gezielten Flugzeugabsturzes ausgelegt. Der Einwand bezieht sich auf die generelle bauliche Eignung des Lagergebäudes, nicht jedoch auf Fragen des Betriebsreglements.
56 
Lediglich zur Ergänzung wird darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner vor Erteilung der 1. SAG die Frage eines gezielten Flugzeugabsturzes im Hinblick auf § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG geprüft hat (vgl. hierzu B.II.4.5 S. 111 f. der 1. SAG). Die Genehmigungsbehörde gelangte dabei nach Auswertung der Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden zu dem Ergebnis, dass nach dem Maßstab der praktischen Vernunft ein absichtlich herbeigeführter Flugzeugabsturz auf eine Anlage, die den Leistungsbetrieb eingestellt und offensichtlich keinen besonderen Symbolwert und kein hohes Gefährdungspotenzial aufweise, nicht zu unterstellen sei; sie hat deshalb dieses Szenario dem Restrisiko zugeordnet. Dahingestellt kann bleiben, ob diese Betrachtung auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch vertretbar ist; zutreffend weisen die Antragsteller insoweit darauf hin, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in vergleichbaren Fallkonstellationen das Szenario „gezielter Flugzeugabsturz“ nicht dem Restrisiko, sondern dem Bereich der Schadensvorsorge zuzuordnen ist (BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 - 7 C 1.11 - a.a.O.). Die Genehmigungsbehörde hat jedenfalls unabhängig hiervon die von der Betreiberin vorgelegte Abschätzung der radiologischen Folgen eines absichtlich herbeigeführten Flugzeugabsturzes für den Nachbetrieb betrachtet und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass auch dabei der maßgebliche Eingreifrichtwert für Evakuierungsmaßnahmen in Höhe von 100 mSv eingehalten wird. Mit den im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln kann mangels aussagekräftiger Angaben in der Begründung der 2. SAG freilich nicht nachvollzogen werden, von welchen konkreten Lastannahmen diese Prognose ausgeht.
57 
Das Abstellen auf den Eingreifrichtwert für Evakuierungsmaßnahmen nach Katastrophenschutzgrundsätzen dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein. Jedenfalls sind die in Rede stehenden Szenarien terroristischer Anschläge durch einen gezielten Flugzeugabsturz nach geltendem Recht nicht dem Bereich der auslegungsbestimmenden Störfälle zuzurechnen. Infolge dessen ist die erforderliche Schadensvorsorge nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hier nicht nach den Störfallplanungswerten zu bemessen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.08.2006 - 7 B 38.06 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 1). Der in § 49 Abs. 1 StrlSchV für den Anwendungsbereich dieser Vorschrift verwendete Begriff des Störfalls ist in § 3 Abs. 1 Nr. 28 Satz 1 StrlSchV als Ereignisablauf definiert, bei dessen Eintreten der Betrieb der Anlage oder die Tätigkeit aus sicherheitstechnischen Gründen nicht fortgeführt werden kann und für den die Anlage auszulegen ist oder für den bei der Tätigkeit vorsorglich Schutzvorkehrungen vorgesehen sind. Damit knüpft die Vorschrift der Sache nach an die Störfall-Leitlinien vom 18.10.1983 an, deren Gegenstand die Schadensvorsorge im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ist, nicht dagegen näher bestimmte andere Ereignisse, wie etwa Szenarien infolge gezielten Flugzeugabsturzes, die wegen ihres geringen Risikos keine Auslegungsstörfälle mehr sind. Bei der gebotenen Konkretisierung des Rechtsbegriffs des erforderlichen Schutzes gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG muss deshalb das allgemeine Schutzziel maßgeblich sein, dass eine Gefährdung von Leben und Gesundheit infolge erheblicher Direktstrahlung oder infolge der Freisetzung einer erheblichen Menge radioaktiver Stoffe verhindert werden muss. Als Orientierungsmaßstab kommen daher die Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei unfallbedingten Freisetzungen von Radionukliden, verabschiedet von der Strahlenschutzkommission am 17./18.12.1998, in Betracht (vgl. hierzu näher BayVGH, Urteil vom 09.01.2006 - 22 A 04.40010 u.a. - juris). Der von der Genehmigungsbehörde herangezogene Eingreifrichtwert für Evakuierungsmaßnahmen in Höhe von 100 mSv bei einem Integrationszeitraum von sieben Tagen ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.
58 
Nach alldem durfte die Genehmigungsbehörde den erforderlichen Schutz vor Schäden im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG und gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG von Rechts wegen als gegeben ansehen.
59 
2.3 Ohne Erfolg machen die Antragsteller geltend, der erforderliche Entsorgungsnachweis für die in der Anlage noch vorhandenen Brennelemente sei von der Beigeladenen nicht geführt worden. Die Antragsteller bringen in diesem Zusammenhang vor, die 2. SAG genehmige die Verbringung der bestrahlten Brennelemente aus dem internen Brennelementlagerbecken im Reaktorgebäude in das Lagerbecken des Notstandsgebäudes; im Fall einer Störung im Notstandsgebäude stehe keine weitere Lagerungsmöglichkeit mehr zur Verfügung, die erforderliche Redundanz sei somit nicht gegeben. Dabei machen die Antragsteller mit diesem Vorbringen ein „anlagenimmanentes“ Entsorgungsrisiko geltend, das grundsätzlich als Klagegrund anerkannt ist (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 22.10.1987 - 7 C 4.85 - a.a.O.). Die diesem Vorbringen zugrunde liegende Annahme, die 2. SAG genehmige die Lagerung der bestrahlten Brennelemente in dem externen Becken, trifft jedoch - wie wiederholt dargelegt - nicht zu. Vielmehr wird durch die 2. SAG lediglich das Betriebsreglement des externen Brennelementlagerbeckens in Einzelheiten modifiziert, ohne dieses freilich umfassend und erneut zu legalisieren.
60 
Fehl geht insbesondere die Annahme der Antragsteller, durch die 2. SAG werde das Verbringen der Brennelemente aus dem internen Brennelementlager in das Notstandsgebäude erstmalig gestattet. Wie oben näher dargestellt, wurde die Errichtung und der Betrieb des externen Brennelementlagers mit bestandskräftig gewordener Genehmigung vom 26.10.1998 gestattet; mit der 1. SAG vom 28.08.2008 wurde das externe Brennelementlager in das Stilllegungsreglement einbezogen. Ferner befanden sich sämtliche Brennelemente zum Zeitpunkt der Erteilung der 2. SAG bereits im externen Brennelementlagerbecken. Im Reaktorgebäude befinden sich nach Vortrag der Beigeladenen seit Ende März 2007 keine Brennelemente mehr. Jedenfalls bei summarischer Prüfung dürfte der Antragsgegner auch ohne Rechtsfehler davon ausgegangen sein, dass ein weiteres redundantes Brennelementlagerbecken nicht erforderlich ist. Vielmehr ist die Genehmigungsbehörde sachverständig beraten zu der Einschätzung gelangt, dass das externe Brennelementlager die erforderlichen Sicherungseinrichtungen aufweist und dass die mit der 2. SAG gestatteten Maßnahmen keine Rückwirkungen auf dessen Betrieb haben. Im Übrigen ging auch das im Sicherheitsbericht zur 1. SAG vom 19.05.2006 dargestellte Stilllegungs- und Abbaukonzept der Beigeladenen davon aus, dass sich die abgebrannten Brennstäbe zum Zeitpunkt der Erteilung der 2. SAG allenfalls im externen Brennelementlagerbecken befinden sollen, sofern die primär vorgesehene Verbringung in ein Standortzwischenlager nicht durchgeführt werden konnte. Eine Rückverbringung der Brennelemente in das interne Brennelementlagerbecken war dagegen nach dem Stilllegungskonzept der Beigeladenen zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt. In Übereinstimmung mit diesem Konzept hat auch die Reaktorsicherheitskommission in ihrer vor Erteilung der 1. SAG abgegebenen Stellungnahme vom 11./12.12.2007 empfohlen, dass die Brennelemente nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände in das interne Nasslager zurücktransportiert werden dürfen (siehe S. 20 der Stellungnahme). Eine derartige Rückverbringung in das interne Brennelementlager dürfte jedenfalls mit Errichtung der neuen Materialschleuse zum Reaktorgebäude zudem technisch unmöglich geworden sein. Vor Erteilung der hierzu erforderlichen Errichtungsgenehmigung vom 21.04.2010 hat der Antragsgegner sachverständig beraten geprüft, ob der Abtransport der Brennelemente aus dem externen Brennelementlager technisch möglich ist und keine Notwendigkeit für den Rücktransport in das interne Brennelementlagerbecken besteht. Aufgrund der Bestandskraft der Änderungsgenehmigung vom 21.04.2010 können die Antragsteller mithin nicht mehr geltend machen, dass ein Abtransport der Brennelemente aus dem externen Brennelementlagerbecken nicht möglich sei bzw. das interne Brennelementlagerbecken aus Redundanzgründen weiterhin benötigt werde.
61 
Des Weiteren machen die Antragsteller geltend, es fehle an der vom Gesetz vorausgesetzten realistischen Planung für die zeitnahe Errichtung eines standortnahen Zwischenlagers, in das die Brennelemente nach Beendigung der Lagerungen im externen Elementbecken verbracht werden könnten. Dies stehe im Widerspruch zu der in § 9a Abs. 1 b AtG enthaltenen Anforderung, dass der Entsorgungsnachweis für bestrahlte Brennelemente auf einer realistischen Planung beruhen müsse und nachzuweisen sei, dass hierfür rechtlich und technisch verfügbare Zwischenlagerkapazitäten bereitstehen. Diesem Einwand braucht jedenfalls im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht weiter nachgegangen werden, da die insoweit einschlägige und von den Antragstellern selbst herangezogene Vorschrift des § 9a AtG keinen Drittschutz vermittelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.01.1997 - 11 C 7.95 - a.a.O.; Beschluss vom 22.08.1991 - 7 B 153.90 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 37).
62 
3. Auch bei einer von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache losgelösten Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Genehmigung das entgegengesetzte Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen.
63 
Der Senat teilt dabei die Einschätzung des Antragsgegners, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an einem zeitnahen Rückbau des Kernkraftwerkes Obrigheim besteht. Dieser liegt nicht zuletzt auch im wohlverstandenen Interesse der Anwohner und damit auch der Antragsteller, da mit dem Rückbau der Anlage und insbesondere dem Abtransport der demontierten Großkomponenten des Primärkreislaufs das geltend gemachte Besorgnispotenzial weiter reduziert wird. Zutreffend hat der Antragsgegner in diesem Zusammenhang auch auf die Gefahr hingewiesen, dass bei einer längeren Unterbrechung des Abbaus des Kernkraftwerks sich dieses Projekt in der Reihe der anderen Rückbauvorhaben nach der Abschaltung von acht deutschen Kernkraftwerken nach hinten verschieben könnte und damit eine erhebliche Zeitverzögerung zu befürchten wäre. Schließlich hat die Beigeladene nachvollziehbar im Einzelnen näher dargelegt, dass gerade die Durchführung der mit der 2. SAG gestatteten Abbaumaßnahmen von Großkomponenten des Primärkreislaufs für den vorgesehenen Zeitrahmen von essentieller Bedeutung ist. Auch hat die Beigeladene ein erhebliches wirtschaftliches Interesse am Sofortvollzug und der zügigen Durchführung von bereits vergebenen Abbaumaßnahmen dargelegt. Keiner abschließenden Klärung bedarf in diesem Zusammenhang, ob die von der Beigeladenen vorgelegten Berechnungen der wirtschaftlichen Auswirkungen bei einer den Eilanträgen vollständig stattgebenden Entscheidung nachvollziehbar sind. Denn der Senat stellt bei der Interessenabwägung im Wesentlichen auf das öffentliche Interesse am zügigen Rückbau des Kernkraftwerks und lediglich untergeordnet auf die wirtschaftlichen Belange der Beigeladenen ab.
64 
Gegenüber diesen für die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung streitenden Interessen muss das Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen zurücktreten. Zwar haben vor allem die Rechtsgüter Leben und Gesundheit, zu deren Schutz die Antragsteller die erforderliche Vorsorge beanspruchen, einen hohen Rang. Die Antragsteller haben jedoch - wie ausgeführt - einen Erfolg ihrer Klagen nicht als hinreichend wahrscheinlich dartun können. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass es bei der Beurteilung dieser Erfolgsaussichten ausschließlich um die Fragen einer Risikoerhöhung im vorgelagerten Bereich der Vorsorge bzw. um bloße Besorgnispotentiale geht. Auch dies lässt es eher zumutbar erscheinen, dass die Antragsteller den Vollzug der Genehmigung vorläufig hinnehmen. Zu berücksichtigen ist weiter, dass eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen für die Antragsteller geringe Vorteile bringen würde. Bei einem Erfolg der Eilanträge könnte der Abbau der in A.I.1.1 der 2. SAG genannten Anlagenteile nicht fortgesetzt werden. Dies dürfte für die Antragsteller jedoch lediglich von untergeordneter Bedeutung sein, da vor allem die kritischen Großkomponenten des Primärkreislaufs, deren Abbau von der 2. SAG gestattet wird, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits weitgehend demontiert sind. Auch damit hat sich das von den Antragstellern geltend gemachte Besorgnispotenzial, sofern es auf den Abbau von Anlagenteilen des Primärkreislaufs bezogen ist, bereits bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weiter reduziert. Im Übrigen haben die Antragsteller weniger gegen die mit der 2. SAG gestatteten Abbaumaßnahmen Einwendungen erhoben, sondern sich gegen den Betrieb des externen Nasslagers im Notstandsgebäude gewendet. Dieser würde jedoch auch bei einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen nicht vollständig unterbunden werden, da er - wie oben näher dargestellt - nicht Gegenstand der 2. SAG ist. Deshalb bestünde auch bei einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung die Möglichkeit, dass der Stilllegungsbetrieb unter dem Regime der 1. SAG weitergeführt wird. Bei einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung könnten die Antragsteller daher ihr Hauptziel, nämlich die Unterbindung der weiteren Brennelementlagerung im Notstandsgebäude, nicht erreichen. Daher ist das Suspensivinteresse der Antragsteller aufgrund der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles als gering zu bewerten.
65 
Nach alledem bleibt der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen ohne Erfolg.
66 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten den Antragstellern aufzuerlegen.
67 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG sowie § 39 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen Nrn. 1.5, 6.2 i.V.m. Nr. 2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004 (VBlBW 2004, 467).
68 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Gewässerausbauten einschließlich notwendiger Folgemaßnahmen, die wegen ihres räumlichen oder zeitlichen Umfangs in selbständigen Abschnitten oder Stufen durchgeführt werden, können in entsprechenden Teilen zugelassen werden, wenn dadurch die erforderliche Einbeziehung der erheblichen Auswirkungen des gesamten Vorhabens auf die Umwelt nicht ganz oder teilweise unmöglich wird.

(2) § 17 gilt entsprechend für die Zulassung des vorzeitigen Beginns in einem Planfeststellungsverfahren und einem Plangenehmigungsverfahren nach § 68.

(1) Gewässer sind so auszubauen, dass natürliche Rückhalteflächen erhalten bleiben, das natürliche Abflussverhalten nicht wesentlich verändert wird, naturraumtypische Lebensgemeinschaften bewahrt und sonstige nachteilige Veränderungen des Zustands des Gewässers vermieden oder, soweit dies nicht möglich ist, ausgeglichen werden.

(2) Gewässerausbau ist die Herstellung, die Beseitigung und die wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer. Ein Gewässerausbau liegt nicht vor, wenn ein Gewässer nur für einen begrenzten Zeitraum entsteht und der Wasserhaushalt dadurch nicht erheblich beeinträchtigt wird. Deich- und Dammbauten, die den Hochwasserabfluss beeinflussen, sowie Bauten des Küstenschutzes stehen dem Gewässerausbau gleich.

(1) Gewässerausbauten einschließlich notwendiger Folgemaßnahmen, die wegen ihres räumlichen oder zeitlichen Umfangs in selbständigen Abschnitten oder Stufen durchgeführt werden, können in entsprechenden Teilen zugelassen werden, wenn dadurch die erforderliche Einbeziehung der erheblichen Auswirkungen des gesamten Vorhabens auf die Umwelt nicht ganz oder teilweise unmöglich wird.

(2) § 17 gilt entsprechend für die Zulassung des vorzeitigen Beginns in einem Planfeststellungsverfahren und einem Plangenehmigungsverfahren nach § 68.

(1) Der Gewässerausbau bedarf der Planfeststellung durch die zuständige Behörde.

(2) Für einen Gewässerausbau, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, kann anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung erteilt werden. Die Länder können bestimmen, dass Bauten des Küstenschutzes, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, anstelle einer Zulassung nach Satz 1 einer anderen oder keiner Zulassung oder einer Anzeige bedürfen.

(3) Der Plan darf nur festgestellt oder genehmigt werden, wenn

1.
eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken oder eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, nicht zu erwarten ist und
2.
andere Anforderungen nach diesem Gesetz oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllt werden.

(4) Maßnahmen zur wesentlichen Umgestaltung einer Binnenwasserstraße des Bundes oder ihrer Ufer nach § 67 Absatz 2 Satz 1 und 2 führt, soweit sie erforderlich sind, um die Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 zu erreichen, die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes im Rahmen ihrer Aufgaben nach dem Bundeswasserstraßengesetz hoheitlich durch.

(1) Vorübergehende Verschlechterungen des Zustands eines oberirdischen Gewässers verstoßen nicht gegen die Bewirtschaftungsziele nach den §§ 27 und 30, wenn

1.
sie auf Umständen beruhen, die
a)
in natürlichen Ursachen begründet oder durch höhere Gewalt bedingt sind und die außergewöhnlich sind und nicht vorhersehbar waren oder
b)
durch Unfälle entstanden sind,
2.
alle praktisch geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um eine weitere Verschlechterung des Gewässerzustands und eine Gefährdung der zu erreichenden Bewirtschaftungsziele in anderen, von diesen Umständen nicht betroffenen Gewässern zu verhindern,
3.
nur solche Maßnahmen ergriffen werden, die eine Wiederherstellung des vorherigen Gewässerzustands nach Wegfall der Umstände nicht gefährden dürfen und die im Maßnahmenprogramm nach § 82 aufgeführt werden und
4.
die Auswirkungen der Umstände jährlich überprüft und praktisch geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um den vorherigen Gewässerzustand vorbehaltlich der in § 29 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 genannten Gründe so bald wie möglich wiederherzustellen.

(2) Wird bei einem oberirdischen Gewässer der gute ökologische Zustand nicht erreicht oder verschlechtert sich sein Zustand, verstößt dies nicht gegen die Bewirtschaftungsziele nach den §§ 27 und 30, wenn

1.
dies auf einer neuen Veränderung der physischen Gewässereigenschaften oder des Grundwasserstands beruht,
2.
die Gründe für die Veränderung von übergeordnetem öffentlichen Interesse sind oder wenn der Nutzen der neuen Veränderung für die Gesundheit oder Sicherheit des Menschen oder für die nachhaltige Entwicklung größer ist als der Nutzen, den die Erreichung der Bewirtschaftungsziele für die Umwelt und die Allgemeinheit hat,
3.
die Ziele, die mit der Veränderung des Gewässers verfolgt werden, nicht mit anderen geeigneten Maßnahmen erreicht werden können, die wesentlich geringere nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben, technisch durchführbar und nicht mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden sind und
4.
alle praktisch geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um die nachteiligen Auswirkungen auf den Gewässerzustand zu verringern.
Bei neuen nachhaltigen Entwicklungstätigkeiten des Menschen im Sinne des § 28 Nummer 1 ist unter den in Satz 1 Nummer 2 bis 4 genannten Voraussetzungen auch eine Verschlechterung von einem sehr guten in einen guten Gewässerzustand zulässig.

(3) Für Ausnahmen nach den Absätzen 1 und 2 gilt § 29 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Der Antrag der Kläger vom 31. März 2011 auf Berichtigung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 17. Februar 2011 wird abgelehnt.

Gründe

1

Der Antrag ist gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO zulässig, jedoch unbegründet. Die Niederschrift ist nicht unrichtig, weil für den darin von den Klägern vermissten Vorgang in der mündlichen Verhandlung keine Protokollierungspflicht bestand.

2

Nach der umfangreichen tatsächlichen und rechtlichen Erörterung der Streitsache wurde den Beteiligten - entsprechend der zu Beginn der mündlichen Verhandlung einvernehmlich vorgesehenen Verfahrensweise - am Abend des zweiten Verhandlungstages das Wort erteilt, um ihre Anträge zu stellen. Daraufhin regten die Prozessbevollmächtigten der Kläger die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union an und stellten neben ihren Sachanträgen, einem Antrag auf Abtrennung eines Teils des Rechtsstreits, einem Kostenantrag und einem Antrag auf Schriftsatznachlass hilfsweise auch mehrere ausdrücklich als solche bezeichnete Beweisanträge zur Niederschrift des Gerichts und begründeten diese. Alle diese Vorgänge wurden in der Niederschrift festgehalten. Danach erhielten die Beteiligten das Wort zu abschließendem Vortrag, wovon die Prozessbevollmächtigten der Kläger durch ein längeres Plädoyer Gebrauch machten. In diesem Rahmen wiederholten sie auch den Antrag aus ihrem Schriftsatz vom 31. Januar 2011 auf Beiziehung der in diesem Schriftsatz genannten Akten der Autobahndirektion Nordbayern, weil diese entscheidungserheblich seien, und machten hierzu Rechtsausführungen. Schon aus diesem Ablauf ergibt sich, dass die Prozessbevollmächtigten der Kläger damit keinen - gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO protokollierungspflichtigen - formellen Beweisantrag nach § 86 Abs. 2 VwGO gestellt, sondern nur eine Beweisanregung gegeben haben. Abgesehen davon wurde mit ihren Rechtsausführungen zur Entscheidungserheblichkeit der genannten Akten kein in tatsächlicher Hinsicht hinreichend substantiiertes Beweisthema bezeichnet, wie es für einen Beweisantrag nach § 86 Abs. 2 VwGO erforderlich ist.

3

Mangels einer von Amts wegen bestehenden Protokollierungspflicht hätte der Vorgang gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 4 ZPO nur auf Antrag der Kläger in die Niederschrift aufgenommen werden müssen. Die Kläger behaupten aber in ihrem Berichtigungsantrag selbst nicht, dass sie in der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Protokollierungsantrag gestellt haben. Die unsubstantiierte Behauptung, der Beiziehungsantrag sei von ihren Prozessbevollmächtigten "ins Protokoll diktiert" worden, reicht dafür nicht aus.

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 15. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht zuvor der die Vollstreckung zuvor betreibende Beteiligte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung des Beklagten vom 20. Januar 2006, die der Beigeladenen zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück Parzellen Nrn. …/. und …/. in Flur .. der Gemarkung K...-M... erteilt worden ist. Das Wohnhaus ist zwischenzeitlich errichtet worden.

2

Der Kläger ist Eigentümer des unmittelbar nordöstlich an das vorgenannte Grundstück angrenzenden Grundstücks Parzellen Nrn. …/. und …/. in Flur . der Gemarkung M..., das ebenfalls mit einem Wohnhaus gebaut ist. Die Grundstücke der Beteiligten liegen in dem durch die am 21. Dezember 1999 in Kraft getretene Verordnung der damaligen Bezirksregierung Koblenz vom 10. Dezember 1999 (Staatsanzeiger 1999, S. 2055 ff.) festgestellten Überschwemmungsgebiet an der Mosel. Zwischen den Beteiligten besteht Streit vor allem darüber, ob das Vorhaben der Beigeladenen - teilweise - in den Abflussbereiches des Überschwemmungsgebietes hineinragt und dadurch eine das Grundstück des Klägers schädigende Neerströmung im Falle eines Hochwassers bewirken wird.

3

Am 4. August 2005 beantragte die Beigeladene bei der Stadt Koblenz die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses auf ihrem Grundstück. Außerdem begehrte sie von dem Beklagten eine wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung von dem Verbot, innerhalb des Überschwemmungsgebietes der Mosel zu bauen. In dem wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren legte die Beigeladene eine Berechnung ihres Architekten vor, wonach der Saldo des Retentionsraumverlustes durch den Baukörper im Überschwemmungsgebiet einerseits und eines Retentionsraumgewinnes durch Abgrabungen andererseits einen Retentionsraumgewinn von 9,10 m³ ergeben sollte.

4

Mit Bescheid vom 20. Januar 2006 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die beantragte wasserrechtliche Genehmigung und mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 die Stadt Koblenz ihrerseits die beantragte Baugenehmigung. Am 11. März 2007 legte der Kläger gegen die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung Widerspruch ein. Bereits zuvor hatte er am 8. Januar 2007 gegen die Baugenehmigung Widerspruch eingelegt und am 7. Februar 2007 beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Baugenehmigung anzuordnen. Den letztgenannten Antrag hatte er u.a. damit begründet, das Vorhaben liege zumindest teilweise im Abflussbereich und die Retentionsraumberechnung des Architekten der Beigeladenen sei fehlerhaft, weil diese u.a. als Ausgangsgeländeoberfläche für die Berechnung des Retentionsraumverlustes bzw. des Retentionsraumgewinnes durch Abgrabungen im Zuge der Verwirklichung des streitigen Vorhabens nicht die früher vorhandene natürlichen Geländeoberfläche, sondern eine durch ungenehmigte Anschüttungen der Beigeladenen zwischenzeitlich veränderte Geländeoberfläche zugrunde lege. Aufgrund des Umstandes, dass das von der Beigeladenen geplante Vorhaben in den Abflussbereich hinein rage, seien nachteilige Auswirkungen für sein Grundstück zu erwarten. Das Vorhaben werde nämlich eine Neerströmung hervorrufen. Die somit zu erwartende Strudelbildung werde zu Beeinträchtigungen seines Grundstückes führen.

5

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag durch Beschluss vom 14. März 2007 (1 L 166/07.KO) ab. Die Beschwerde hiergegen wurde durch Beschluss des Senates vom 19. Juli 2007 (1 B 10321/07.OVG) zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Senat aus, gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 LWG könne von dem in Abs. 1 S. 1 der Norm geregelten Verbot der Errichtung baulicher Anlagen in dem Überschwemmungsgebiet dann eine Ausnahme genehmigt werden, wenn die in § 89 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2 bis 4 LWG im Einzelnen genannten Voraussetzungen erfüllt seien. Zwar sei bezüglich der früher geltenden Fassung des § 89 LWG und der darin geregelten Verbot- und Genehmigungsvorbehalte der Rechtsauffassung vertreten worden, diese dienten ausschließlich der Wahrung öffentlicher Interessen und entfalteten keine drittschützende Wirkung. Indessen habe der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 89 Abs. 2 LWG nunmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass durch die gesetzlichen Verbote des § 89 LWG und die normierten Voraussetzungen, die erfüllt sein müssten, damit von dem Bauverbot eine Befreiung erteilt werden könne, nicht nur die Wahrung des öffentlichen Belanges des Hochwasserschutzes, sondern auch der Schutz der Nachbarn vor nachteiligen Auswirkungen durch bauliche Veränderungen in dem Überschwemmungsgebiet verfolgt werde. Der Gesetzgeber habe nämlich als Voraussetzung für die Genehmigung einer Ausnahme geregelt, dass von der Zulassung des Vorhabens keine nachteiligen Auswirkungen auf die Oberlieger oder die Unterlieger zu erwarten sein dürften. Damit spreche der Gesetzgeber einen individualisierbaren Kreis von potentiell Betroffenen an, dessen Schutz vor nachteiligen Auswirkungen des geplanten Vorhabens die zuständige Behörde bei der Entscheidung über die Ausnahme von dem Bauverbot des § 89 Abs. 1 Satz 1 LWG zu berücksichtigen habe. Indessen rechtfertige nicht schon jeder objektive Verstoß gegen § 89 LWG die Annahme, darin liege bereits für sich genommen eine Verletzung der Rechte des betroffenen Nachbarn, ohne dass zu prüfen sei, ob der Verstoß tatsächlich zu einer Beeinträchtigung des Nachbaranwesens führe. Der Gesetzgeber habe nämlich ausdrücklich darauf abgestellt, dass eine Ausnahme von dem Bauverbot nur dann genehmigt werden könne, wenn keine nachteiligen Auswirkungen zu erwarten seien. Das in der genannten Vorschrift verankerte Gebot, die Belange der Eigentümer der von der Errichtung eines Bauvorhabens in einem Überschwemmungsgebiet potentiell betroffenen Grundstücke zu berücksichtigen, sei mit dem in §§ 34, 35 BauGB und § 15 Abs. 1 BauNVO verankerten bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot vergleichbar, das allein dann zu Lasten des jeweiligen Nachbarn verletzt sei, wenn aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalles gerade sein Anwesen durch die Zulassung des Vorhabens beeinträchtigt werde. Insofern könne § 89 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LWG als die Regelung eines wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebotes verstanden werden. Dieses sei nur dann verletzt, wenn tatsächlich feststellbare Beeinträchtigungen des Ober- bzw. Unterliegergrundstücks im Zusammenhang mit der Errichtung eines Bauvorhabens in einem Überschwemmungsgebiet zu erwarten stünden. So liege der Fall indessen hier nicht. Zwar seien die Einwendungen des Klägers gegen die Retentionsraumberechnung des Architekten der Beigeladenen nachvollziehbar und plausibel. Indessen sei angesichts der Ausdehnung des Überschwemmungsgebietes in dem fraglichen Bereich auszuschließen, dass sich aus dem von dem Kläger ermittelten Verlusts an Retentionsraum nachteilige Auswirkungen auf das Anwesen ergeben könnten. Gefährdungen seines Anwesens durch die von ihm behauptete Neerströmung seien nicht zu erwarten.

6

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger am 27. November 2007 Klage erhoben, zu deren Begründung er unter Bezugnahme auf die Ausführungen seines Beistandes, des Dipl.-Ing. E…, seine Ausführungen vertieft und darauf hingewiesen hat, dass die Fehler bei der Berechnung der Veränderungen des Retentionsraumes durch das zugelassene Bauvorhaben und auch die Auftriebsgefahr des nicht flutbaren Kellers des Vorhabens der Beigeladenen fehlerhaft bewertet worden seien. Durch letzteres sieht er Versorgungsleitungen seines Anwesens als gefährdet an. Durch die Lage des Wohnhauses der Beigeladenen im Abflussbereich der Mosel und die hierdurch zu erwartenden Neer- und Wirbelströmungen könnten Erosionsschäden auf seinem Grundstück selbst und Beschädigungen durch eingetriebene Schwimmstoffe entstehen. Auch könnte von dem Hochwasser mitgeführtes Material durch die Neerströmung auf sein Grundstück getrieben werden und nach Abfluss des Hochwassers darauf verbleiben.

7

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 15. Juli 2008 abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die angefochtene Genehmigung verstoße nicht zu Lasten des Klägers gegen § 89 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LWG. Diese Vorschrift habe zwar nachbarschützende Wirkung. Sie sei aber deshalb nicht verletzt, weil mit hinreichender Gewissheit davon auszugehen sei, dass das Vorhaben nicht zu nachteiligen Auswirkungen auf das benachbarte Anwesen des Klägers führen werde. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zur Begründung auf die Ausführungen des Senates in dem Beschluss vom 19. Juni 2007 Bezug genommen. Es hat des Weiteren ausgeführt, dass selbst dann, wenn man den von dem Kläger errechneten Retentionsraumverlust durch die Errichtung des Wohnhauses der Beigeladenen unterstelle, der behauptete Retentionsraumverlust wegen der Breite der Mosel im Stadtgebiet Koblenz und des dortigen Überschwemmungsgebietes für den Ausgang des Rechtsstreites ohne Bedeutung sei. Der Kläger habe auch nicht substantiiert dargelegt, dass eine Auftriebsgefahr des Vorhabens der Beigeladenen im Falle einer Überschwemmung bestehe, die sein Eigentum gefährden könne. Angesichts des Eigengewichtes des geplanten Gebäudes und der zu berücksichtigenden Nutzlast könne der errechnete Auftrieb die behauptete Auftriebsgefahr nicht begründen. Nach einer Stellungnahme des Statikers für das Wohnhaus bestehe bezüglich der Auftriebsgefahr eine 4-fache Sicherheit. Angesichts dieser Umstände sei seiner auf die Klärung dieser Behauptung gerichteten Beweisanregung nicht nachzugehen.

8

Bezüglich der behaupteten Neerströmung habe der Beklagte plausibel dargelegt, dass das Wohnhaus des Klägers angesichts der Lage des Wohnhauses der Beigeladenen im Fließschatten der Mosel liege. Neerströmungen könnten in den großen Buhnenfeldern größerer Flüsse auftreten, seien hier aber nicht zu erwarten. Zwar habe der Dipl.-Ing. E… für den Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, Neerströmungen könnten auch in kleinräumigeren Bereichen auftreten. Auf Fragen des Gerichtes habe er aber nur auf einen ihm bekannten Fall verwiesen, in dem der Abstand zwischen zwei Gebäuden am Rheinufer ca. 20 bis 30 m betragen habe und es zu Schäden an einem Haus gekommen sei. Diese Verhältnisse seien mit der Situation bezüglich der Grundstücke des Klägers und der Beigeladenen schon deshalb nicht vergleichbar, weil das Vorhaben der Beigeladenen einen Abstand von weniger als 10 m zum Wohnhaus des Klägers aufweise. Vor diesem Hintergrund habe auch insoweit der entsprechenden Beweisanregung des Klägers nicht nachgegangen werden müssen.

9

Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt der Kläger sein Vorbringen zu dem von ihm ermittelten Retentionsraumverlust und bezüglich der von ihm befürchteten Auftriebsgefahr für das Vorhaben der Beigeladenen und vertieft seine Ausführungen zu der seiner Auffassung nach durch das streitige Vorhaben hervorgerufenen, sein Anwesen schädigende Neerströmung im Falle eines Hochwassers. Im vorliegenden Fall sei zu beachten, dass die sogenannte Streichlinie, die für die Abgrenzung des Abflussbereiches maßgeblich sei, fehlerhaft ermittelt worden sei. Die zu erwartenden Neerströmungen bei einem Hochwasser führten zu Schäden an seinem Anwesen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wie sie in dem Urteil deutlich werde, könnten Neerströmungen, die grundsätzlich maßstabsunabhängig seien, auch in kleinräumigeren Bereichen entstehen. Solche Neerströmungen entstünden keineswegs nur bei größeren Buhnenanlagen, sondern auch bei Entfernungen, wie sie hier zwischen dem Vorhaben der Beigeladenen und seinem Anwesen bestünden. Es gehe ihm darum, Verschärfungen der Hochwassersituation abzuwehren, die zu erheblichen Schäden an seinem Wohnhaus führen könnten. Der Beklagte berücksichtigte bei seiner Argumentation nicht den jeweiligen Flussverlauf, der für die Beurteilung der zu erwartenden Auswirkungen eines Gebäudes im Überschwemmungsgebiet auf benachbarte Anwesen jedoch maßgeblich sei. Bei der Aufzählung ähnlich erscheinender Fälle durch den Beklagten werde nämlich kein Unterschied gemacht, ob ein Gebäude in einer strömungstechnisch ungefährlichen Flussinnenkurve oder in einer Flussaußenkurve mit erheblich höherer Fließgeschwindigkeit sowie stark erodierendem Wasserdruck liege. Das Haus der Beigeladenen liege im unteren Drittel einer Außenkurve. Nicht umsonst sei hier im Gegensatz zum gegenüberliegenden Moselweißer Ufer das M...er Ufer mit einer schweren Steinschüttung gepanzert. In der Außenkurve sei das tiefere Wasser, hier erfolge die Hochwasserabfuhr. Daher seien die von dem Beklagten angeführten Vergleichsfälle völlig unzutreffend. Das Anwesen der Beigeladenen rage am Weitesten in das Hochwasserabflussbett aller von dem Beklagten aufgeführten Grundstücke hinein und das auch noch an einer für Hochwasserabfuhr äußerst ungünstigen Stelle. Wegen der quer zum Strom stehenden Wandscheiben erfolge keine Durchströmung des bei Hochwasser in Fließrichtung sehr schnell abströmenden Abflusses. Dies werde Schäden aus Rammstößen eintreibender Schwimmstoffe, erhebliche Verschmutzungen durch Treibgut sowie Erosionsschäden im Gartenbereich verursachen.

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Diese Einschätzung werde auch nicht durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt. Das eingeholte Sachverständigengutachten berücksichtige nämlich wesentliche Umstände nicht oder nicht in zureichendem Maße und gehe von teilweise fehlerhaften Annahmen aus. Außerdem habe der Sachverständige die tatsächlichen Geländehöhen im Umfeld der Anwesen nicht zutreffend zu Grunde gelegt und kleinräumige Strukturen, die Einfluss auf die Strömungsverhältnisse haben könnten, nicht hinreichend berücksichtigt. Des Weiteren sei zweifelhaft, ob der Sachverständige hinreichend beachtet habe, dass die Grundstücke der Beteiligten in einer Außenkurve der Mosel lägen, weshalb dort höhere Fließgeschwindigkeiten auftreten könnten. Darüber hinaus sei der Sachverständige deshalb zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt, weil er bezüglich der auch von ihm angenommenen Neerströmung eine Rückströmung von der W. Straße zur Mosel hin zwischen den Anwesen der Beteiligten annehme, die aufgrund der Geländeverhältnisse und der hier eine Rückströmung verhindernden kleinräumigen Strukturen gar nicht auftreten könne. Daher sei von einer höheren Fließgeschwindigkeit der Neerströmung auszugehen, als sie der Sachverständige ermittelt habe.

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Es sei ihm auch nicht verwehrt, sich wegen der von ihm befürchteten Schäden an seinem Grundstück im Hochwasserfall gegen die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung zu wenden. Es fehle ihm nämlich nicht das Rechtsschutzinteresse an der vollen Aufhebung der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung. Im Gegensatz zum Fachplanungsrecht könnten hier nämlich nicht im Wege der Verpflichtungsklage anderweitige Schutzmaßnahmen eingeklagt werden. Es sei Sache der zuständigen Behörde, nach Aufhebung der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung darüber zu befinden, ob gegebenenfalls unter Auflagen und Bedingungen eine erneute wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung erteilt werden könne. Gleiches gelte bezüglich seines Widerspruchs gegen die erteilte Baugenehmigung. Dass die Beigeladene im Wege des Sofortvollzuges ihr Wohnhaus bereits errichtet habe, stehe dem nicht entgegen, da sie insoweit auf eigenes Risiko gebaut habe. Schließlich könne er sich auch auf den wasserrechtlichen Nachbarschutz berufen. Die gegenteilige Auffassung der Beigeladenen überzeuge nicht, weil sie im Ansatz bereits die in § 89 Abs. 1 und 2 LWG geregelten, jeweils unterschiedlichen Fallgestaltungen in unzulässiger Weise vermische. Folge man der Auffassung der Beigeladenen, gebe es im ungeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB grundsätzlich keinen Drittschutz.

12

Der Kläger beantragt,

13

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 17. Juli 2008 die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung des Beklagten vom 20. Januar 2006 in der Gestalt des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 29. Oktober 2007 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er trägt vor, zwar sei wohl der Auffassung zu folgen, dass § 89 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LWG nachbarschützend sei. Allerdings verstoße die angefochtene Ausnahmegenehmigung nicht gegen diese Vorschrift, weil tatsächlich keine nachteiligen Auswirkungen des hierdurch zugelassenen Vorhabens der Beigeladenen auf das Anwesen des Klägers zu befürchten seien. Das gelte auch für die von ihm angesprochene Gefahr durch das Auftreten einer durch das Anwesen der Beigeladenen hervorgerufenen Neerströmung Hierzu legt der Beklagte eine Liste vergleichbarer Fallgestaltungen an der Mosel vor und führt aus, dass das Vorhaben der Beigeladenen im Verhältnis zu dem Anwesen des Klägers dazu keinen Sonderfall darstelle. Dass in vergleichbaren Fällen Schäden durch Neerströmungen entstanden wären, sei ihr nicht bekannt. Dass auch im vorliegenden Fall eine derartige Gefahr nicht bestehe, habe die Beweisaufnahme bestätigt. Auch die vom Kläger behauptete Auftriebsgefahr bestehe nicht. Eine solche sei nach der im Baugenehmigungsverfahren geprüften Statik ausgeschlossen.

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Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

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die Berufung zurückzuweisen.

19

Sie trägt vor, dem Kläger fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage, weil das streitige Bauwerk, von dem er nachteilige Auswirkungen auf sein Grundstück im Falle eines Hochwassers befürchte, bereits genehmigt und errichtet worden sei. Eine Aufhebung der Baugenehmigung und die Forderung der Beseitigung des bereits errichteten Bauvorhabens könnten nicht in Betracht kommen, weil dies unverhältnismäßig sei. Allenfalls seien Schutzvorkehrungen denkbar. Darüber hinaus sei § 89 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LWG aber auch nicht nachbarschützend. Die Vorschrift richte sich lediglich an einen Plangeber in einem Bauleitplanungsverfahren. Hieraus werde deutlich, dass sie nicht drittschützend sein könne. Auch die Bezugnahme in § 89 Abs. 1 S. 2 LWG auf die genannte Vorschrift ändere daran nichts, weil die Problematik in einem Plangebiet gemäß § 30 BauGB im jeweiligen Planaufstellungsverfahren bereits schon abgearbeitet sei. Gleiches gelte für den Fall, dass ein Vorhaben im ungeplanten Innenbereich errichtet werde, weil § 34 BauGB insoweit planersetzende Funktion habe. Darüber hinaus stünden aber auch keine nachteiligen Auswirkungen auf das Anwesen des Klägers durch das Bauvorhaben zu erwarten. Der von dem Kläger behauptete Retentionsraumverlust habe wegen der konkreten Umstände des vorliegenden Falls ersichtlich keine nachteiligen Auswirkungen. Die Behauptungen des Klägers bezüglich der Auftriebsgefahr seien unsubstantiiert. Das massiv gebaute Haus könne nicht auftreiben.

20

Schließlich seien auch keine nachteiligen Auswirkungen durch Neerströmungen zu befürchten. Mit dem Hinweis auf eine geringfügig zu verändernde Streichlinie könne eine Gefährdung des Anwesens des Klägers nicht begründet werden. Die durchgeführte Beweisaufnahme bestätige ihre Auffassung, dass Schäden an dem Anwesen des Klägers durch ihr Vorhaben im Falle eines Hochwassers nicht zu erwarten stünden. Bei der von ihm behaupteten Gefahr, dass durch Neerströmungen Unrat auf sein Grundstück getragen und dort abgelagert werden könne, handele es sich um unbedeutende Nachteile.

21

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 9. Juli 2009 Beweis erhoben zu den Auswirkungen von durch das Bauvorhaben der Beigeladenen hervorgerufenen Neerströmungen auf das Grundstück des Klägers durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Prof. Dr. J... vom 19. Januar 2010, dessen ergänzende Stellungnahme vom 1. März 2010 sowie auf die Niederschrift über die Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2010.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten (2 Hefte), die Bauakte zu dem Vorhaben der Beigeladenen (1 Heft) sowie die Gerichtsakte 1 L 166/07.KO. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

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Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist die Klage allerdings zulässig. Dem Kläger fehlt es nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, weil ihr Bauvorhaben schon errichtet worden ist und eine vollständige Beseitigung ihres Anwesens nach ihrer Meinung auch dann nicht verlangt werden könnte, sondern allenfalls dessen Abänderung, wenn es so, wie es errichtet worden ist, tatsächlich zu einer das Anwesen des Klägers schädigenden Neerströmung im Hochwasserfall führen würde. Bei dieser Argumentation übersieht die Beigeladene nämlich, dass die von ihr in Anspruch genommene Baugenehmigung nicht bestandskräftig geworden ist, sie also auf eigenes Risiko gebaut hat. Das bloße Vorhandensein des Baukörpers, gegen dessen Genehmigung sich der Kläger nach wie vor mit Rechtsmitteln wendet, steht der Geltendmachung der Verletzung eigener Rechte durch die angefochtene wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung deshalb nicht entgegen. Des Weiteren ist es nicht Aufgabe des Klägers in einem solchen Fall, wie hier, durch eine auf ganz bestimmte Abänderungen eines Bauvorhabens abzielende Verpflichtungsklage rechtmäßige – seine Nachbarrechte nicht verletzende – Zustände herbeizuführen. Er kann sich zulässigerweise darauf beschränken, eine seine eigenen Rechte verletzende Genehmigung anzugreifen, wobei es nach deren gegebenenfalls erfolgter Aufhebung dann dem Bauherrn überlassen bleibt, neue, diese Rechte beachtende Unterlagen zur Genehmigung vorzulegen, und der zuständigen Behörde, in einem neuen Genehmigungsverfahren die zur Herstellung rechtmäßiger Zustände erforderlichen Regelungen zu treffen. Dass es hierzu, wenn die Behauptungen des Klägers zuträfen, was allerdings im Rahmen der Begründetheit seiner Klage zu prüfen ist, keines – aus der Sicht der Beigeladenen unverhältnismäßigen – Totalabrisses ihres Anwesens bedürfte, wird schon aus der Abbildung 3 des Gutachtens des Sachverständigen vom 19. Januar 2010 ohne weiteres erkennbar, die die Gestaltung ihres Anwesens in dem vorliegend streitigen Bereich zeigt. Während nämlich das Erdgeschoss zur Stützung des Obergeschosses dort einen Pfeiler aufweist, der eine Durchströmung ermöglicht, wird das Erdgeschoss seinerseits dort durch die geschlossene Wandscheibe des zur Mosel hin offenen Kellergeschosses getragen, die solches verhindert, wogegen sich der Kläger im Kern wendet. Von daher ist nichts dafür ersichtlich, dass vorliegend eine aus rechtlichen Gründen unabänderliche Situation bestünde, in der eine für ihn positive Entscheidung in dem vorliegenden Verfahren ihm keinen Nutzen bringen könnte, weshalb das erforderliche Rechtsschutzinteresse zu verneinen wäre.

25

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

26

Die angefochtene wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung des Beklagten vom 20. Januar 2006, durch die der Beigeladenen die Errichtung eines Wohnhauses im Überschwemmungsgebiet der Mosel gestattet worden ist, verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. Das gilt ungeachtet des zwischen den Beteiligten bestehenden Streites über den mit der Baumaßnahme verbundenen Verlust an Retentionsraum auch dann, wenn die Annahmen des Klägers über den mit der Errichtung des Wohnhauses der Beigeladenen verbundenen Retentionsraumverlustes zutreffen sollten, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 19. Juni 2008 (1 B 10321/07.OVG) ausgeführt hat. Daran hält der Senat nach wie vor fest und nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Aufführungen in dem genannten Beschluss Bezug, zumal der Kläger im Berufungsverfahren keine Anhaltspunkte substantiiert dafür vorgetragen hat, dass hier mit einer spürbaren Veränderung der Hochwasserhöhe durch den von ihm errechneten Retentionsraumverlust zu rechnen wäre. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sein Anwesen bzw. dessen Versorgungsleitungen durch einen Auftrieb des Anwesens der Beigeladenen im Fall eines Hochwassers geschädigt werden könnten, wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil ausgeführt hat, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls Bezug genommen wird. Auch dem ist der Kläger nämlich nicht substantiieret entgegengetreten.

27

Die angefochtene Genehmigung verletzt den Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber auch insoweit nicht in seinen Rechten, soweit das Bauvorhaben der Beigeladenen die Strömungsverhältnisse bei einem Hochwasser verändert, also auch nicht hinsichtlich der von dem Kläger in seiner Argumentation in den Vordergrund gerückten Neerströmung, die zwar tatsächlich zu erwarten steht, wegen der sich hier entwickelnden geringen Fließgeschwindigkeit aber nicht zu Schäden an dem Anwesen des Klägers führen wird.

28

Das Vorbringen des Klägers im Hauptsacheverfahren gibt Anlass, wie bereits in dem genannten Eilbeschluss vom 18. Juni 2007, noch einmal darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Nachbarstreit lediglich zu prüfen ist, ob durch die angefochtene Ausnahmegenehmigung eigene Rechte des Klägers verletzt werden. Demgegenüber ist es für die Entscheidung unerheblich, ob das Vorhaben der Beigeladenen objektiv rechtmäßig im Überschwemmungsgebiet zugelassen worden ist. Die eigene Rechtsverletzung des Klägers folgt auch nicht daraus, dass eine Vorschrift, die, wie hier § 89 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 LWG, nicht allein im Schutz öffentlicher Interessen sondern auch dem Schutz potentiell betroffener Dritter dient, nicht beachtet worden ist, sondern ausschließlich daraus, dass dieser Verstoß zu von dem Dritten, hier von dem Kläger, nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen führt. Denn dieser Drittschutz kann alleine in dem aus der maßgeblichen wasserrechtlichen Norm ableitbaren Rücksichtnahmegebot begründet sein. Dieses ist aber nur dann verletzt, wenn die angegriffene behördliche Maßnahme zu einer von den Betroffenen nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung führt. Deshalb ist im vorliegenden Verfahren entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu prüfen, ob das Vorhaben der Beigeladenen in dem Überschwemmungsgebiet der Mosel überhaupt hätte zugelassen werden dürfen. Entscheidungserheblich ist ausschließlich, ob die Zulassung des Vorhabens durch die angefochtene wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung unter der Voraussetzung, dass die einschlägigen Norm drittschützend ist, tatsächlich zu für den Kläger nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen seines Anwesens führen wird, wie er behauptet. Zwischen den Beteiligten ist allerdings nicht nur streitig, ob solche unzumutbaren Beeinträchtigungen tatsächlich zu erwarten stehen. Vielmehr streiten die Beteiligten auch darüber, ob die einschlägige, das Bauen in Überschwemmungsgebieten regelnde Norm überhaupt drittschützenden Charakter hat. Von einem drittschützenden Charakter in der im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblichen Vorschrift des Landesrechtes, nämlich dem § 89 LWG, ist der Senat in seinem Beschluss vom 19. Juni 2007 ausgegangen. Auf die den Beteiligten bekannten Ausführungen hierzu, an denen der Senat festhält, wird Bezug genommen.

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Hiergegen hat die Beigeladene im Berufungsverfahren eingewandt, § 89 Abs. 2 LWG, dessen Satz 2 Nr. 3 die Vermeidung von nachteiligen Auswirkungen auf Ober- und Unterlieger in einem Überschwemmungsgebiet fordert, richte sich allein an die Träger der Bauleitplanung für den Fall einer Bauleitplanung in einem Überschwemmungsgebiet und nicht an Bauinteressenten und Vorhabenträger für konkrete Projekte, weshalb im vorliegenden Fall hieraus ein Drittschutz zugunsten des Klägers nicht abgeleitet werden könne. Aus dem Umstand, dass sich die maßgebliche wasserrechtliche Bestimmung an die Träger der Bauleitplanung richte, folge, dass der Gesetzgeber damit ausschließlich den Schutz öffentlicher Interessen verfolge, Leitlinien für die kommunale Planung gebe und gerade nicht einen Nachbarschutz bezwecke. Die nachbarschützenden Aspekte des Hochwasserschutzes seien demnach durch die jeweilige Bauleitplanung abgearbeitet, wenn darin die Bebaubarkeit einer Fläche in dem Überschwemmungsgebiet grundsätzlich festgestellt worden sei bzw. sich aus der planersetzenden Bestimmung des § 34 BauGB ergebe. Diese Argumentation überzeugt indes nicht.

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Sie überzeugt nicht einmal ohne weiteres für Plangebiete im Sinne von § 30 BauGB. Insoweit ist bezüglich der dort bauplanungsrechtlich zulässigen Vorhaben auf § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu verweisen, der eine Nachsteuerung im Einzelfall zur Gewährleistung des Nachbarschutzes regelt. Weshalb bezüglich der wasserrechtlichen Bestimmungen über die Zulassung von Bauvorhaben in Überschwemmungsgebieten nach § 89 Abs. 1 Satz 2 LWG dies nicht gleichermaßen gelten sollte, erläutert die Beigeladene nicht. Indessen handelt es sich im vorliegenden Fall nicht einmal um ein Plangebiet gemäß § 30 BauGB. Allenfalls kann § 34 BauGB einschlägig sein, wobei allerdings durchaus Zweifel daran bestehen. Es könnte nämlich einiges dafür sprechen, dass das Vorhaben der Beigeladenen im Außenbereich errichtet worden ist, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 19. Juli 2007 ausgeführt hat. Worin allerdings – wenn tatsächlich von einer Innenbereichslage bezüglich des Grundstücks der Beigeladenen auszugehen wäre - die den Drittschutz abarbeitenden Umstände bezüglich noch zu bebauender Baulücken in gewachsenen ungeplanten Gebieten in den Überschwemmungsgebieten - insbesondere am Rhein und an der Mosel - liegen sollten, legt die Beigeladene nicht dar. Die planersetzende Funktion des § 34 BauGB ergibt sich nämlich lediglich daraus, dass die gewachsene vorhandene Bebauung in der näheren Umgebung den Rahmen in Bezug auf das Maß und die Art der zulässigen baulichen Nutzung für weiter hinzutretende Bauten vorgibt. Daraus folgt indessen nicht, dass der gewachsenen baulichen Struktur eines Gebietes eine Abarbeitung des Drittschutzes für den Hochwasserfall immanent wäre.

31

Und schließlich blendet die Beigeladene bei ihrer Argumentation, die im Kern lediglich auf § 89 Abs. 2 LWG abstellt, die Regelung in § 89 Abs. 1 Satz 2 LWG aus, die die Genehmigung von Ausnahmen zur der Errichtung von Vorhaben in Überschwemmungsgebieten regelt. Nach dieser Vorschrift kann eine Ausnahmegenehmigung, wie sie vorliegend von dem Kläger angefochten worden ist, nur dann erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des § 89 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2 bis 4 vorliegen. Dazu zählt auch die in § 89 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LWG genannte Forderung, dass keine nachteiligen Auswirkungen auf Ober- und Unterlieger zu erwarten sind. Soweit hierzu im Schrifttum (Jeromin und Praml, Hochwasserschutz und wasserrechtliches Rücksichtnahmegebot in NVwZ 2009, 1079 ff.) die Auffassung vertreten wird, „der Gesetzgeber habe lediglich aus Vereinfachungsgründen“ - und damit wohl versehentlich - die vorgenannte Nr. 3 in den Voraussetzungskatalog für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung aufgenommen, erscheint das schon vor dem Hintergrund nicht plausibel, dass der Landesgesetzgeber bei der Formulierung von § 89 Abs. 1 Satz 2 LWG durchaus differenziert hat, welche Voraussetzungen des § 89 Abs. 2 Satz 2 LWG für die Zulassung von Einzelvorhaben gelten sollten. So ist nämlich auf § 89 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LWG, der sich ersichtlich allein an einen Plangeber richtet, in § 89 Abs. 1 Satz 2 LWG bezüglich der Zulassung von Einzelvorhaben nicht Bezug genommen. Der Gesetzgeber hat also zweifellos gesehen, dass hier zu unterscheiden ist. Letztlich war der Landesgesetzgeber, selbst wenn der Auffassung der Beigeladenen zu folgen wäre, dass die rahmenrechtliche Regelung des § 31b WHG a.F. bezüglich der Zulassung von Einzelvorhaben in Überschwemmungsgebieten keine drittschützende Wirkung hat, auch nicht gehindert, in Ausfüllung des Rahmenrechtes landesrechtlich einen Drittschutz zu regeln. Dies hat er getan, wie der Senat in seinem Beschluss vom 19. Juni 2007 bereits ausgeführt hat.

32

Die Annahme einer drittschützenden Wirkung der genannten Vorschrift ist aber entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht deshalb auszuschließen, weil praktische Gründe gegen die Zuerkennung eines wasserrechtlichen Gebotes zur Rücksichtnahme sprächen. Zu der vergleichbaren Problematik im Zusammenhang mit § 4 Abs. 1 Satz 2 WHG a.F., der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht drittschützende Wirkung hatte, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 15. Juli 1987 (BVerwG 78, 40 ff.) folgendes ausgeführt:

33

Ein durch die wasserrechtlichen Gestattungstatbestände geschützter Personenkreis ist zwar in den genannten Vorschriften nicht eindeutig räumlich abgegrenzt. Darauf kommt es aber nach der neueren Rechtsprechung des Senats zum öffentlich-rechtlichen Nachbarschutz nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr, dass sich aus individualisierenden Merkmalen des Genehmigungstatbestandes ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (BVerwG, Urteil vom 19. September 1986 - 4 C 8.84 -, Buchholz 446.19 Nr. 71). Das trifft für die wasserrechtlichen Gestaltungstatbestände zu. Ihr Schutzumfang lässt sich ablesen. Danach sind die Gewässer so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang damit auch dem Nutzen einzelner dienen und dass jede vermeidbare Beeinträchtigung unterbleibt.

34

Geschützt sind (nach den für die Wasserbehörde verbindlichen allgemeinen Grundsätzen des § 1 Abs. 1 WHG) in erster Linie die Träger wasserwirtschaftlicher Belange des Allgemeinwohls, insbesondere der öffentlichen Trinkwasserversorgung. Darüber hinaus gehören zu dem Kreis der nach dieser Vorschrift geschützten Personen alle rechtmäßigen Wasserbenutzer und schließlich diejenigen Personen, deren private Belange nach Lage der Dinge von der Benutzung betroffen werden und deren Beeinträchtigung nach dem Gesetz tunlichst zu vermeiden ist.

35

Das in § 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 18 und § 1a Abs. 1 WHG für Erlaubnis und Bewilligung gleichermaßen verankerte Gebot, auf Belange anderer Rücksicht zu nehmen, vermittelt freilich ungeachtet seines objektiv-rechtlichen Geltungsanspruches Drittschutz nur insoweit, als die Belange eines anderen in einer qualifizierten und individualisierten Weise betroffen sind (vgl. z.B. BVerwGE 52, 122, 129 ff.; zuletzt BVerwG, Urteil vom 19. September 1986 a.a.O). Wann das der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden.

36

Das gilt für die im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebliche Vorschrift des Landesrechtes - § 89 LWG - bezüglich des Bauens in Überschwemmungsgebieten gleichermaßen. Aus dem Umstand, dass es im Einzelfall schwierig sein mag, das Bestehen oder Nichtbestehen einer Beeinträchtigung zu klären, kann nicht abgeleitet werden, dass grundsätzlich ein Nachbarschutz nicht in Frage komme. Vielmehr ist zu prüfen, ob eine grundsätzlich nachbarschützende Vorschrift aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalles tatsächlich verletzt worden ist. Insoweit stellt sich die Situation nicht anders dar, als etwa bei dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme. Zu klären, ob dieses z.B. wegen der erdrückenden Wirkung eines Bauvorhabens verletzt ist, ist Aufgabe der tatrichterlichen Wertung auf der Grundlage der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Vergleichbar liegt der Fall hier, in dem zu prüfen ist, ob das Anwesen des Klägers wegen seiner räumlichen Nähe zu den potentiell durch das Vorhaben der Beigeladenen betroffenen Grundstücken im Hochwasserfall zählt und ob das Bauvorhaben der Beigeladenen tatsächlich zu Beeinträchtigungen führt. Im vorliegenden Fall hat die Beweisaufnahme ergeben, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen tatsächlich zu einer Veränderung der Strömungsverhältnisse in diesem engeren räumlichen Bereich führt. Darüber wird zwischen den Beteiligten wohl auch nicht mehr gestritten. Damit ist ein Merkmal gegeben, das eine Individualisierbarkeit ermöglicht. Streit besteht vielmehr hinsichtlich der Frage, ob diese geänderten Strömungsverhältnisse zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für das klägerische Anwesen führen. Das bezüglich des individualisierbaren Kreises des Betroffenen zu beurteilen, ist Aufgabe des Tatsachengerichts. Das scheitert entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht aus Rechtsgründen schon daran, dass es dafür keinen einfach anzulegenden Maßstab gibt.

37

Ist somit bezüglich der im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung geltenden – und allein maßgeblichen - Vorschrift des § 89 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LWG von einer auch dem Nachbarschutz dienenden gesetzlichen Regelung auszugehen, deren Verletzung durch die Zulassung des Bauvorhabens der Beigeladenen auf die Nachbarklage des Klägers hin zu überprüfen ist, so könnte sich indes zwischenzeitlich eine andere Situation deshalb ergeben haben, weil am Tage vor der mündlichen Verhandlung - am 1. März 2010 - das Wasserhaushaltsgesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) in Kraft getreten ist. Hierdurch ist nämlich eine Rechtsänderung eingetreten. Diese beruht darauf, dass infolge der „Föderalismusreform“ durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) die dem Bund bis dahin zustehende Befugnis zur Rahmengesetzgebung bezüglich des Wasserhaushalts entfallen ist, die der Landesgesetzgeber seinerseits durch das Landeswassergesetz ausfüllen konnte. Gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung nunmehr auch auf den Wasserhaushalt, was zur Folge hat, dass das vorgenannte Wasserhaushaltsgesetz vom 31. Juli 2009 nunmehr unmittelbar geltendes Recht ist, da der Landesgesetzgeber von dem ihm eingeräumten Befugnis vom Bundesrecht abzuweichen bislang keinen Gebrauch gemacht hat. Zwar ist bei einer Anfechtungsklage, wie sie der Kläger erhoben hat, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Das war vorliegend der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides der SGD-Nord vom 29. Oktober 2007, als § 89 LWG noch anzuwenden war. Abweichend von diesem allgemeinen Grundsatz berücksichtigt die Rechtsprechung bei Nachbaranfechtungsklagen jedoch der letzten Verwaltungsentscheidung nachfolgende Rechtsänderungen dann, wenn eine angegriffene, ursprünglich möglicherweise fehlerhafte Genehmigung unter Berücksichtigung der neuen Rechtslage rechtmäßig ist, weil es keinen Sinn machen würde, eine Genehmigung aufzuheben, die unter Geltung der neuen Rechtslage sofort wieder neu erteilt werden müsste. Der Frage, ob die angefochtene Genehmigung eigene Rechte des Klägers verletzt, wäre vor diesem Hintergrund dann nicht mehr nachzugehen, wenn davon auszugehen wäre, dass das Wasserhaushaltsgesetz in seiner derzeit geltenden Fassung in den hier maßgeblichen Bestimmungen des § 78 WHG n.F. einen Drittschutz nicht - mehr – regelt, die angefochtenen Genehmigung deshalb eigenen Rechte des Kläger nicht verletzen und er sie nach der derzeitigen Rechtslage daher auch nicht erfolgreich anfechten könnte. Indessen spricht einiges dafür, dass die Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes den nach dem Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung im bisherigen Wasserhaushaltsgesetz verankerten Drittschutz und damit das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot nicht aufgegeben hat.

38

Dabei ist zunächst zu beachten, dass der Blick nicht auf die speziellen Vorschriften bezüglich der Überschwemmungsgebiete - früher § 31b WHG a.F. und heute § 78 WHG n.F. - zu verengen ist und dass das Bundesverwaltungsgericht das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot in seiner Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 3. Juli 1987, ZfW 1988, 337 ff., vom 15. Juli 1987 a.a.O. und vom 19. Februar 1988 in juris) aus § 4 Abs. 1 Satz 2 WHG abgeleitet hat. Hierzu hat es in seinem Urteil vom 15. Juli 1987 (a.a.O.) dargelegt, dass das materielle Entscheidungsprogramm für alle Arten der Gestattung von Gewässerbenutzungen von der jeweiligen Form der Gestattung weitgehend unabhängig ist und weiter ausgeführt:

39

„... Allen Gestattungstatbeständen gemeinsam sind vor allem die Gebote, das - erstens - das öffentliche Wohl vorrangig zu beachten ist, und - zweitens - darüber hinaus nachteilige Wirkungen für andere zu vermeiden sind. Das zuletzt genannte Gebot gelangt in grundsätzlicher Weise bereits in § 1a Abs. 1 WHG zum Ausdruck, wonach vermeidbare Beeinträchtigungen unterbleiben sollen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 WHG sind Auflagen zulässig, „um nachteilige Wirkungen für andere zu verhüten oder auszugleichen.“ Gerade dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass gleichermaßen bei der Erteilung einer Erlaubnis nach § 7 oder einer Bewilligung nach § 8 WHG zumindest auch die individuellen Interessen Dritter zu berücksichtigen sind. ...“

40

Dementsprechend wird auch in der Kommentierung des Wasserhaushaltsgesetzes (Czychowski/Reinhardt, WHG 9. Aufl. § 4 Rn. 29 m.w.N.) der genannten Vorschrift eine drittschützende Funktion zugesprochen. Unabhängig davon, dass es sich wohl nach der vorstehend erläuternden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts um einen in dem damaligen § 4 Abs. 1 Satz 2 WHG verankerten allgemeinen Grundsatz handelt, sind auch die speziellen, den Hochwasserschutz regelnden Vorschriften des § 31b WHG a.F. bzw. des § 32 WHG in der davor geltenden Fassung in der Kommentarliteratur ebenfalls als Nachbarschutz vermittelnd angesehen worden (vgl. Czychowski, WHG 7. Auflage § 32 Rn. 28 und Czychowski/Reinhard, WHG 9. Auflage § 31b Rn. 83).

41

Die dem zuvor geltenden § 4 Abs. 1 Satz 2 WHG entsprechende Vorschriften findet sich nunmehr in § 13 WHG, dessen Abs. 1 regelt, dass Inhalts- und Nebenbestimmungen der Erlaubnis und der Bewilligung auch nachträglich sowie zu dem Zweck zulässig sind, nachteilige Wirkungen für andere zu vermeiden oder auszugleichen. Von daher spricht jedenfalls die Formulierung des neu gefassten Wasserhaushaltsgesetzes nicht dafür, dass der Gesetzgeber ein wasserrechtliches Rücksichtnahmegebot bei der Neufassung des WHG nunmehr ausschließen wollte. Auch die Vorschrift des § 13 WHG n.F. ist wie schon § 4 WHG a.F. systematisch den gemeinsamen Bestimmungen zugeordnet.

42

Soweit das Vorbringen der Beigeladenen dahingehend als zu verstehen sein sollte, dass der genannten – gemeinsamen - Bestimmung die Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes für die Überschwemmungsgebiete – hier § 78 WHG n.F. – als spezielle Regelungen vorgehen, folgt daraus nicht zweifelsfrei, dass die Regelung in § 78 Abs. 3 WHG n.F., die nunmehr bezüglich der Genehmigung baulicher Anlagen in einem Überschwemmungsgebiet unmittelbar geltendes Recht ist, ohne weitere Sachaufklärung die Abweisung der Nachbarklage gebieten würde, weil sie keinerlei drittschützende Wirkung entfaltete. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die bisherige gesetzliche Formulierung des § 31b WHG a.F. durch die Neufassung des Gesetzes in dem nunmehrigen § 78 Abs. 3 WHG n.F. insoweit keine Veränderung erfahren hat, weshalb die Interpretation der bisherigen gesetzlichen Regelungen durch die Kommentarliteratur (a.a.O.) auf das nunmehr geltende Recht übertragbar ist. Zum anderen ist zu sehen, dass § 78 Abs. 3 Satz 1 WHG n.F. – wie auch das bisherige Recht – eine Formulierung enthält, die in ständiger Rechtsprechung des Bayerischen VGH bezüglich des Bayerischen Landesrechts – des § 61 Abs. 2 Satz 2 WasG BY – als drittschützend verstanden worden ist (vgl. Urteil vom 8. November 1990, BRS 52, 181; Beschluss vom 30. April 1997, BRS 59, 180; Urteil vom 14. Februar 2005, BRS 69 Nr. 171; Beschluss vom 3. August 2006 in juris). Diese Rechtsprechung knüpft an die Formulierung in dem seinerzeitigen Artikel 61 Abs. 2 Satz 2 WasG BY an, wonach bezüglich der Errichtung baulicher Anlagen in Überschwemmungsgebieten Ausnahmen genehmigt werden konnten, „wenn und soweit dadurch der Wasserabfluss, die Höhe des Wasserstandes ... nicht nachteilig beeinflusst werden können“. Eine vergleichbare Formulierung findet sich nunmehr in § 78 Abs. 3 Nr. 2 WHG n.F. Vor diesem Hintergrund spricht daher Einiges dafür, dass sich die in Bezug auf das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot, das in der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang anerkannt worden ist und dessen Verletzung von dem Kläger im vorliegenden Fall geltend gemacht wird, durch die eingetretene Rechtsänderung nichts Grundlegendes geändert hat. Indessen bedarf die Frage im vorliegenden Verfahren keiner abschließenden Klärung, weil auch dann, wenn unter der geänderten Rechtslage von einer Fortgeltung dieses drittschützenden wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebots auszugehen wäre, die Berufung des Klägers gleichwohl erfolglos bleiben muss, weil die Zulassung des Vorhabens der Beigeladenen durch den Beklagten ihm gegenüber nicht rücksichtslos ist, wie die Beweisaufnahme ergeben hat.

43

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht für den Senat kein begründeter Zweifel daran, dass die Zulassung des Vorhabens der Beigeladenen keine unzumutbaren Beeinträchtigungen des Anwesens des Klägers im Falle eines Hochwassers bewirken wird. In seinem Gutachten vom 19. Januar 2010 gelangt der Sachverständige Prof. Dr. Ing. J... zu dem Ergebnis, dass sich zwischen dem Anwesen des Klägers und dem von dort aus gesehenen stromaufwärts genehmigten und inzwischen errichteten Vorhaben der Beigeladenen zwar eine Drehströmung einstellen wird (dargestellt im „Bereich 1“ in den Abbildungen 13 und 14 des Gutachtens vom 19. Januar 2010), dadurch aber keine signifikante Neerströmung entstehen wird und dass sich eher günstige Strömungsverhältnisse durch den Wohnhausneubau der Beigeladenen für das Anwesen des Klägers ergeben werden (S. 17 ff. des vorgenannten Gutachtens). An diesem Ergebnis hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 1. März 2010 unter Würdigung der hiergegen von dem Beistand des Klägers, dem Herrn Dipl.-Ing. E..., vorgetragenen Bedenken ausdrücklich festgehalten. Auch nach der eingehenden Erörterung der klägerseits vorgetragenen Einwendungen gegen das Gutachten in der mündlichen Verhandlung ist der Sachverständige ausdrücklich bei seinem Ergebnis geblieben. Der Senat sieht ebenfalls keinen Anlass, dieses Ergebnis mit Blick auf die Einwendungen des Klägers in Zweifel zu ziehen.

44

Dabei gibt das Vorbringen des Klägers in dem Schriftsatz vom 22. Februar 2010 zunächst Anlass darauf hinzuweisen, dass nur diejenigen von ihm vorgetragenen Beanstandungen des Gutachtens des Sachverständigen vom 19. Januar 2010 zu berücksichtigen sind, die Aussagen oder Annahmen des Gutachters betreffen, die für die Beantwortung der gestellten Beweisfrage relevant sind. Daher ist z.B. der wohl eher akademischen Frage, ob eine bestimmte, von dem Sachverständigen angesprochene Fließgeschwindigkeit als „moderat“ oder als „hoch“ einzustufen ist, ebenso wenig nachzugehen, wie zu prüfen ist, ob der Begriff des hundertjährigen Hochwassers verständlich genug erläutert worden ist. Maßgeblich ist allein, ob der Sachverständige methodisch richtig vorgegangen und ob er bei dem von ihm der Abschätzung der Folgen des Bauvorhabens der Beigeladenen für das Anwesen des Klägers zugrunde gelegten Rechenmodell von zutreffenden Annahmen ausgegangen ist.

45

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die methodische Vorgehensweise des Sachverständigen auch von dem Beistand des Klägers als dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechend bestätigt worden ist. Die von der Klägerseite gegen das Ergebnis des Sachverständigen vorgetragenen Bedenken beziehen sich, wie auch die Erörterung in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, im Wesentlichen auf die Fragen, ob die Geländesituation zutreffend berücksichtigt worden ist, ob die Fließgeschwindigkeit im Bereich der Anwesen der Beteiligten zutreffend angenommen worden ist und ob von dem Sachverständigen zu Unrecht eine die im Hochwasserfall anzunehmende Drehströmung zwischen den Anwesender Beteiligten störende Rückströmung von der W. Straße zur Mosel hin mit der Folge angenommen worden ist, dass von ihm die Fließgeschwindigkeit innerhalb der Drehströmung (im Bereich 1 in den Abb. 13 und 14 des Gutachtens vom 19. Januar 2010) zu gering eingeschätzt worden ist. Die insoweit von dem Kläger vorgetragenen Bedenken hat der Sachverständige zur Überzeugung des Senates in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 1. März 2010 sowie in seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung jedoch ausräumen können.

46

Soweit der Kläger in dem Schriftsatz vom 22. Februar 2010 bezüglich einzelner in dem Gutachten erwähnter Geländedaten eingewandt hat, der Sachverständige sei hier von unzutreffenden Daten ausgegangen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige bereits in seinem Gutachten vom 19. Januar 2010 (dort Ziffer 4.3.2) darauf hingewiesen hat, ein digitales Geländemodell zugrunde gelegt zu haben, wie er dies auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 1. März 2010 (dort S. 2) noch einmal erläutert hat. Damit beruht die seinem Rechenmodell zugrunde gelegte jeweilige Geländehöhe nicht etwa auf fehlerhaft vor Ort ermittelten Daten, sondern auf dem dem Sachverständigen von dem Landesamt für Vermessung- und Geobasisinformationen Rheinland-Pfalz übermittelten digitalen Geländemodell. Dass diese Vorgehensweise bei der Begutachtung fehlerhaft wäre, trägt der Kläger nicht substantiiert vor. Darüber hinaus ist der Einwand des Klägers aber auch deshalb unerheblich, weil der Sachverständige seine Überlegungen auf eine vergleichende Betrachtungsweise unter Zugrundelegung des gleichen digitalen Geländemodells gestützt hat. Er hat nämlich die Strömungszustände im Falle eines Hochwassers am Haus des Klägers mit dem Wohnhausneubau der Beigeladenen, mit den Strömungsverhältnisse in dem angenommenen Fall verglichen hat, dass das Haus der Beigeladenen nicht vorhanden wäre. Von daher kann es letztlich dahinstehen, ob das digitale Geländemodell, das der Sachverständige bei beiden Betrachtungen verwandt hat, zu jeder Stelle der Anwesen der Beteiligten tatsächlich die exakt zutreffende Geländehöhe annimmt.

47

Die Einwendungen des Klägers bezüglich der Strömungsgeschwindigkeit sind ebenfalls nicht geeignet, den Feststellungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Soweit der Kläger unter Hinweis auf höhere Strömungsgeschwindigkeiten im eigentlichen Abflussbereich der Mosel die Annahmen des Sachverständigen auf S. 16 seines Gutachtens in Frage stellt, ist dem nämlich entgegen zu halten, dass der Sachverständige nicht etwa von einer von ihm angenommenen Fließgeschwindigkeit im Abflussbereich ausgehend durch Rückrechnung die Strömungsgeschwindigkeit im Vorland der Mosel im Bereich der Anwesen der Beteiligten ermittelt hat. Vielmehr beruhen seine diesbezüglichen Feststellungen auf dem Rechenmodell, das auf der Grundlage des digitalen Geländemodelles für den maßgeblichen Bereich zwischen den Anwesen der Beteiligten die von ihm in dem Gutachten niedergelegten Werte ergeben hat. Dafür spielen aber – wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat – als Eingabewerte die im Hochwasserfall abfließenden Wassermengen und die im digitalen Geländemodell zugrunde gelegte Geländestruktur eine Rolle, wie auch die Rauheit des jeweiligen Untergrundes, nicht aber die Fließgeschwindigkeit im eigentlichen Abflussbereich der Mosel. Die von dem Sachverständigen ermittelten Daten für den Bereich zwischen den Anwesen der Beteiligten sind also unabhängig von den jeweilig sich ergebenden Daten für den Abflussbereich ermittelt worden.

48

Auch der Hinweis des Klägers, sein Anwesen wie das Grundstück der Beigeladenen lägen am sogenannten Prallhang einer Moselkurve, was der Sachverständige nicht als die Strömungsgeschwindigkeit erhöhend berücksichtigt habe, gibt dem Senat keinen Anlass, die Aussagen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Zum einen ist schon darauf hinzuweisen, dass ausweislich des dem Senat vorliegenden Kartenmaterials (Quelle: topografische Karte 1:25.000 des Landesamtes für Vermessung- und Geobasis Information in Rheinland-Pfalz) die Anwesen der Beteiligten allenfalls am Ausgang der eher stromaufwärts am nördlichen Ende des Ortsteils Güls der Stadt Koblenz vorhandenen Moselkurve liegen. Unabhängig davon hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert, was sich im Übrigen aber schon aus Abb. 10 des Gutachtens vom 19. Januar 2010 ergibt, dass das zugrunde gelegte digitale Geländemodell insoweit eine großräumige Betrachtung ermöglichte, weshalb ausgeschlossen werden kann, dass wegen einer bei der Begutachtung nur kleinräumig erfolgten Betrachtung der Strömungsverhältnisse die von dem Kläger angesprochen erhöhte Fließgeschwindigkeit am Prallhang unberücksichtigt geblieben wäre.

49

Bedenken gegen das Ergebnis der Begutachtung ergeben sich entgegen der Auffassung des Klägers aber nicht im Hinblick auf die von dem Kläger angesprochenen möglichen Rückströmungen von der W. Straße zur Mosel hin im Falle eines Hochwassers bzw. deren Verhinderung durch kleinräumige Strukturen zwischen den Anwesen der Beteiligten. Diese Bedenken des Klägers, wie sie von ihm bzw. von seinem Beistand Dipl.-Ing. E... in der mündlichen Verhandlung erläutert und anhand einer zu den Akten gereichten Einzeichnung des hundertjährigen Hochwassers (HQ 100) in einem Lageplan dargestellt worden sind, greifen die gutachterlichen Feststellungen im Wesentlichen mit dem Argument an, dass in dem Bereich zwischen den Wohnhäusern des Klägers und der Beigeladenen eine Rückströmung von Hochwasser von der W. Straße in Richtung Mosel gar nicht auftreten werde, weshalb die von dem Sachverständigen für den „Bereich 1“ angenommene Drehströmung hierdurch auch nicht in ihrer Ausbildung gehindert werden könne. Diese Ausführungen stützen sich zum einen darauf, dass der Sachverständige ausweislich der Abbildungen 11 bis 14 seines Gutachtens vom 19. Januar 2010 einen größeren Überflutungsbereich angenommen habe, als er tatsächlich eintreten werde. Zum anderen verweist der Kläger darauf, dass eine Anpflanzung zwischen seinem Anwesen und der Zaunanlage an der Grundstücksgrenze - eine Thuja-Hecke - und vorhandenes Strauchwerk auf dem Grundstück der Beigeladenen zwischen der gemeinsamen Grundstücksgrenze und dem Wohngebäude der Beigeladenen eine Rückströmung von der W. Straße zur Mosel hin verhindere.

50

Bezüglich der Größe der zeichnerisch dargestellten Überflutungen im Bereich der W. Straße hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass in der zeichnerischen Darstellung der gefundenen Ergebnisse in den Abb. 11 bis 14 seines Gutachtens der Genauigkeitsschwerpunkt nicht an den Rändern des darin dargestellten Bereiches lag, der deutlich über das nähere Umfeld der Anwesen des Klägers und der Beigeladenen hinaus geht, sondern maßgeblich die Genauigkeit in dem Bereich zwischen den genannten Wohnhäusern war, also in dem „Bereich 1“ in den vorgenannten Abbildungen. Deshalb ist es letztlich unerheblich, ob Teilbereiche der genannten Abbildungen in dem Gutachten, auf die es für die Beantwortung der Beweisfragen nicht ankommt, die Abgrenzung des hundertjährigen Hochwassers (HQ 100) zutreffend wiedergeben. Maßgeblich ist allein die Genauigkeit in dem Bereich zwischen den Anwesen der Beteiligten. Dass diese in dem dann überfluteten Bereich liegen, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

51

Unabhängig hiervon geht der Senat aber auch davon aus, dass derartige Hecken und Strauchwerk, wie sie von der Klägerseite angesprochen werden, nicht vollständig wasserdicht sein werden, also eine Durchströmung zulassen. Im Übrigen ist in der von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung vorgelegten zeichnerischen Darstellung die von ihm angesprochene Tujahecke auf seinem Grundstück nicht als den gesamten Zwischenraum zwischen seinem Haus und der Nachbargrenze zum Grundstück Beigeladenen verschließend dargestellt. Darüber hinaus hat der Sachverständige auf S. 17 seines Gutachtens bereits erläutert, dass es sich bei dem von ihm verwandten Rechenmodell um ein vereinfachtes Abbild der Natur handelt, in dem untergeordnete kleinräumige Strukturen - wie solche Hecken und solches Strauchwerk - nicht enthalten sind, dass die Effekte dieser Strukturen jedoch lediglich eine untergeordnete Bedeutung hätten. Im Rahmen der Erörterung in der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige erläutert, dass ein völliger Wegfall einer Rückströmung zwischen den Anwesen des Klägers und der Beigeladenen dazu führe, dass die Drehströmung, die auch er im Hochwasserfall ausweislich der Darstellung in seinem Gutachten angenommen habe, sich dann ungestört ausbilde. Dabei handele es sich jedoch nicht um einen bis auf die Sohle reichenden Wirbel, sondern um eine walzenartige Strömung, die auch dann, wenn eine etwas höhere Strömungsgeschwindigkeit angesetzt werde, als er sie angenommen habe, nicht zu Schädigungen an dem Anwesen des Klägers führen werde. Wie der Sachverständige erläutert hat, hat er bei seiner Untersuchung die ungünstigsten Hochwasserverhältnisse zugrunde gelegt. Bei niedrigeren Hochwasserständen - bei denen nach dem Vorbringen des Klägers keine Rückströmungen auftreten - sei mit einer geringeren Strömungsgeschwindigkeit in der Drehströmung im Bereich zwischen den Häusern des Klägers und der Beigeladenen zu rechnen, weshalb auch dann eine Beeinträchtigung des Anwesens des Klägers auszuschließen sei.

52

Vor diesem Hintergrund besteht keinen Anlass für den Senat, dem hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers nachzugehen, weil der Sachverhalt bereits hinreichend geklärt ist. Die von dem Kläger begehrte weitere Beweisaufnahme durch Einholung eines Obergutachtens soll nach diesem Antrag dazu dienen, zu klären, wie sich die Verhältnisse in dem Bereich zwischen den Anwesen des Klägers und der Beigeladenen bei einer höheren Strömungsgeschwindigkeit darstellen, und des Weiteren, wie sie sich darstellen würden, wenn zwischen den Häusern eine Rückströmung von der W. Straße in Richtung Mosel nicht stattfinde.

53

Wie der Sachverständige bereits in seiner ergänzenden Stellungnahme zum 1. März 2010 (dort auf S. 3) ausgeführt hat, treten im Vorlandbereich, in dem die Anwesen der Beteiligten liegen, sehr unregelmäßige Strömungen auf, weshalb der Ansatz des Klägers, ausgehend von der von ihm angenommenen Fließgeschwindigkeit im eigentlichen Moselbett Rückschlüsse auf die Strömungsgeschwindigkeit des Vorlandbereich zu ziehen, und damit die Annahmen des Sachverständigen bezüglich der Strömungsgeschwindigkeit in dem speziellen Bereich zwischen den Anwesen der Beteiligten, dem „Bereich 1“ in den Abbildungen des Gutachtens vom 19. Januar 2010, in Frage zu stellen, nach der Auffassung des Senates schon deshalb nicht geeignet ist, Zweifel an den Aussagen des Sachverständigen zu begründen. Darüber hinaus beruhen die Annahmen des Sachverständigen über die Strömungsgeschwindigkeit in der Drehströmung zwischen den Anwesen der Beteiligten auf einem Rechenmodell, das gar nicht von der Fließgeschwindigkeit im eigentlichen Moselbett ausgeht. Die von ihm genannten Werte sind unabhängig von der Fließgeschwindigkeit im Moselbett anhand des digitalen Geländemodells sowie der anderen hierzu benötigten Angaben für diesen konkreten Bereich errechnet worden. Angesichts dessen sieht der Senat die Frage als hinreichend geklärt. Sie bedarf deshalb keiner weiteren Sachaufklärung durch eine ergänzende Beweisaufnahme.

54

Das gleiche gilt bezüglich des weiteren Punktes, den der Kläger durch eine ergänzende Beweisaufnahme klären möchte, nämlich das Vorhandensein einer Rückströmung zwischen der W. Straße und der Mosel in dem Bereich zwischen den Anwesen der Beteiligten. Auch diesen Punkt erachtet der Senat als hinreichend geklärt, weil der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert hat, hier keine die Ausbildung der walzartigen Drehströmung wesentlich behindernde Rückströmung angenommen zu haben und des Weiteren dargelegt hat, dass auch eine eventuell höhere Strömungsgeschwindigkeit in der von ihm angenommenen Drehströmung in dem vorgenannten „Bereich 1“ nicht zu Schäden an dem Anwesen des Klägers führen werde.

55

Soweit der Kläger schließlich vorgetragen hat, eine unzumutbare Beeinträchtigung durch die Zulassung des Anwesens der Beigeladenen bestehe für ihn darin, dass durch die vorgenannte Drehströmung Schwimmstoffe auf sein Grundstück getrieben und dort abgelagert würden, mag das zwar so sein. Der Senat erachtet das allerdings für ein allgemeines Risiko desjenigen, der wie der Kläger und die Beigeladene im Überschwemmungsgebiet der Mosel baut, aus dem Abwehransprüche indessen nicht abgeleitet werden können.

56

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung bezüglich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen folgt aus § 162 Abs. 3 VwGO. Danach entsprach es vorliegend der Billigkeit, diese Kosten dem Kläger aufzuerlegen, da die Beigeladene durch die Stellung eines eigenen Antrages ein Kostenrisiko übernommen hat.

57

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

58

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

59

Beschluss

60

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger, ein Landwirt, wendet sich gegen eine einem Wasserversorgungsverein erteilte gehobene wasserrechtliche Erlaubnis zur Trinkwassergewinnung.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2014 abgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht in einer den Begründungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt wurde.

Der ausschließlich vom Prozessbevollmächtigten des Klägers begründete Vortrag durchdringt den Streitstoff nicht in der Weise, die sich aus Art. 63 Abs. 3 BayWG 2010 ergibt, und ist mithin unsubstanziiert. Entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs übersieht der Kläger nämlich den Einschätzungsvorsprung der im wasserrechtlichen Verfahren tätig gewordenen wasserrechtlichen Fachbehörden (hier Wasserwirtschaftsamt), die er nicht einfach durch Behauptungen - mag er auch von ihnen überzeugt sein - beiseite schieben kann. Nach dieser ständigen Rechtsprechung gilt vielmehr Folgendes (vgl. etwa BayVGH, B. v. 2.5.2011 - 8 ZB 10.2312 - BayVBl. 2012, 47/48 m. zahlr. w. N. aus der st. Rspr.):

„Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH v. 26.7.2000, BayVBl. 2002, 2829; v. 7.10.2001 BayVBl. 2003, 753; v. 14.2.2005 BayVBl. 2005, 726/727; v. 15.11.2010 - 8 CS 10.2078 - juris). Weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen, haben sie grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten (vgl. BayVGH v. 26.4.2001 - 22 ZB 01.863 - juris). In der Rechtsprechung ist außerdem geklärt, dass sich ein Tatsachengericht ohne einen Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht grundsätzlich auch auf gutachtliche Stellungnahmen anderer Behörden stützen kann, und zwar auch dann, wenn sie von der federführenden Behörde bereits im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden (vgl. BayVGH v. 26.2.2007 BayVBl. 2008, 21/22 m. w. N.). Die Notwendigkeit einer Abweichung und eventuellen Einholung weiterer Gutachten zur Aufhellung des Sachverhalts ist lediglich dann geboten, wenn sich dem Erstgericht der Eindruck aufdrängen muss, dass das Gutachten des Wasserwirtschaftsamts unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend ist, wenn es auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht, wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Sachverständigen bestehen, wenn ein anderer Gutachter über neuere oder überlegenere Forschungsmittel verfügt oder wenn die Erkenntnisse, die in dem Gutachten ihren Niederschlag gefunden haben, durch substanziierte Einwände der Beteiligten ernsthaft infrage gestellt erscheinen (vgl. BVerwG v. 6.2.1985 BVerwGE 71, 38; v. 26.6.1992 Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89; v. 23.2.1994 BayVBl. 1994, 444/445).“

Solche qualifizierten Einwendungen, die regelmäßig auf ein einschlägiges Sachverständigengutachten gestützt sein müssten, fehlen hier mit der Folge, dass es bereits an einer hinreichenden Begründung des Zulassungsantrags im Sinn des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mangelt.

Kostenentscheidung: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Planfeststellung für einen Bauabschnitt des Hochwasserschutzes im Bereich des unteren ...tals. Sie ist Eigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks FlNr. ... (Gemarkung ...).

Nach Durchführung des Anhörungsverfahrens, in dem die Klägerin fristgerecht Einwendungen erhob, erließ das Landratsamt ... am ... November 2013 einen Bescheid, mit dem der Plan des Freistaats Bayern, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt (WWA) ..., vom ... Mai 2012 für Hochwasserschutzmaßnahmen an der ... im Bauabschnitt ... von Fluss-km ... bis zu Fluss-km ... gemäß Antrag vom 1. Oktober 2012 unter Inhalts- und Nebenbestimmungen (vgl. Ziff. II des Bescheids) nach § 67 Abs. 1 WHG festgestellt wurde (Ziff. I. 1. des Bescheids). Der beantragte Ausbau dient dem Schutz bebauter Bereiche im Ortsteil ... auf der Nordseite der ... in der Marktgemeinde ... vor einem 100-jährlichen Hochwasser der ... „und damit dem Wohl der Allgemeinheit“ (Ziff. I. 2. des Bescheids). Nach der Beschreibung des Vorhabens in Ziff. I. 3. des Bescheids wird in dem Bauabschnitt der bestehende, direkt an der ... verlaufende Deich abgetragen und ein neuer Deich an die Grenze zu den Privatgrundstücken zurückverlegt und nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik neu aufgebaut. Der Deich wird mit Deichkronenweg und statisch wirksamer Innendichtung ausgeführt.

Am 27. Dezember 2013 erhob die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte,

den Bescheid des Landratsamts ... vom ... November 2013 betreffend die Planfeststellung zum Hochwasserschutz im unteren ...tal Bauabschnitt 03 ... aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss vom ... November 2013 rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf.

Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 14. Februar 2012 im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Planfeststellungsbescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Es fehle an der Planrechtfertigung für das Vorhaben, außerdem sei die Abwägung rechtsfehlerhaft. Das klägerische Grundstück sei während der vergangenen 35 Jahre, in denen die Klägerin dort lebe, noch nie von Hochwasser betroffen gewesen. Auch der Keller sei stets trocken geblieben. Die mit dem Vorhaben verbundenen nachteiligen Wirkungen und Beeinträchtigungen seien aber nur gerechtfertigt, wenn eine Überschwemmungsgefahr für das klägerische Grundstück bei einem HQ100 auch tatsächlich bestehe, was nicht der Fall sei. Das Grundstück der Klägerin liege tiefer als die Nachbarbebauung und entwässere Niederschlagswasser zur ... hin. Dies werde durch das Vorhaben ausgeschlossen. Durch die Innendichtung des Deichs werde ein Rückstau des Grundwassers eintreten, Niederschlagswasser werde vom Deich auf das klägerische Grundstück abgeleitet, insgesamt drohe eine Vernässung des Grundstücks bis hin zu einer Gefährdung der Statik des Wohnhauses. Wurzelschäden an der Bepflanzung des klägerischen Grundstücks drohten. Bei einer früheren Planung des Vorhabens sei noch ein Abstand des Deichs zum klägerischen Grundstück von rund acht Metern vorgesehen gewesen. Dieser falle nun ohne Notwendigkeit vollständig weg. Insoweit liege auch eine fehlerhafte Alternativenprüfung vor. Flussaufwärts und -abwärts sei der Damm nicht verlegt, sondern lediglich saniert worden. Andernorts stünde ausreichend Platz für zusätzlichen Retentionsraum zur Verfügung. Ausreichender Hochwasserschutz sei auch gewährleistet, wenn die Deichrückverlegung erst im Anschluss an die bebauten Privatgrundstücke stromabwärts erfolge. Auch sei zu vermuten, dass die Zurückverlegung des Deichs erfolge, um Platz für eine weitere ...brücke zu schaffen. Es ergäben sich nachteilige Wirkungen für die Klägerin, denn das klägerische Grundstück werde vom Deichkronenweg, auf dem ein Geh- und Radweg vorgesehen sei, direkt einsehbar. Lärm werde insoweit nicht mehr abgeschirmt. Auch werde das Wohnhaus durch den Wegfall der bisherigen Bepflanzung stärker Wind und Wetter ausgesetzt. Eine schützende Neubepflanzung sei nicht möglich. Insgesamt werde eine erhebliche Wertminderung für das klägerische Grundstück sowie eine massive Beeinträchtigung der Privatsphäre und Wohnqualität erwartet. Natur- und landschaftsschutzrechtliche Bestimmungen würden verletzt werden. Während der Bauphase drohten Beschädigungen des Wohngebäudes. Im Übrigen liege hinsichtlich der Bekanntmachung des Vorhabens ein Formverstoß vor. Nach erfolgter Akteneinsicht begründete der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 6. Juni 2014 ergänzend die Klage und ging dabei insbesondere auf den Aspekt der Schaffung von Retentionsraum vor dem Hintergrund der Planung des Hochwasserrückhaltebeckens ... sowie auf die Abstimmung des Vorhabens mit dem Brückenbauvorhaben des Markts ... ein.

Der Beklagte beantragte am 18. Februar 2014,

die Klage abzuweisen

und verwies zunächst auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids. Mit Schreiben des Landratsamts ... vom 21. März 2014 wurde ergänzend zur Klagebegründung Stellung genommen.

In der mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2014 wiederholten und vertieften die Beteiligten ihre schriftsätzlich vorgetragenen Standpunkte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, sowie auf die vom Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

Die zulässige Klage ist in Haupt- und Hilfsantrag nicht begründet.

Der Bescheid des Landratsamts ... vom ... November 2013 weist keine Rechtsfehler auf, die zu seiner Aufhebung oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen könnten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Durchführung des Anhörungsverfahrens ist nicht zu beanstanden (nachfolgend I.). Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ist gegeben (nachfolgend II.). Ein Verstoß gegen zwingendes Recht ist nicht ersichtlich (nachfolgend III.) und die Abwägungsentscheidung ist gerichtlich nicht zu beanstanden (nachfolgend IV.). Auf die Frage einer möglichen Präklusion einzelner Einwendungen (§ 70 Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 73 Abs. 4 Satz 3 BayVwVfG) braucht deshalb nicht eingegangen zu werden.

I. Kein Verfahrensfehler ergibt sich daraus, dass auf die Auslegung der Verfahrensunterlagen vom 29. April 2013 bis 29. Mai 2013 (erst) durch Bekanntmachung an den Amtstafeln des Markts ... ab dem 26. April 2014 hingewiesen wurde. Nach Art. 73 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG haben die Gemeinden, in denen der Plan auszulegen ist, die Auslegungvorher ortsüblich bekanntzumachen. Damit ist eine Bekanntmachung der Auslegung auch erst einen Tag vor ihrem Beginn zulässig (Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 73 Rn. 50; vgl. auch BayVGH, B.v. 19.3.2010 – 22 ZB 09.3157 – juris Rn. 7). Im Übrigen sind hinsichtlich der (nur) mittelbar planbetroffenen Klagepartei, die fristgerecht Einwendungen erhoben hat, Auswirkungen eines – unterstellten – Verfahrensfehlers bei der Bekanntmachung der Auslegung auf subjektive Rechtspositionen weder schlüssig vorgetragen noch ersichtlich und kann auch deshalb diese Verfahrensrüge ihrer Klage nicht zum Erfolg verhelfen (vgl. Neumann, a.a.O, § 73 Rn. 147; Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand April 2013, § 42 Rn. 266).

II. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben steht außer Frage.

1. Die Planrechtfertigung ist gegeben, wenn für das beabsichtigte Vorhaben gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes ein Bedarf besteht, die geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also objektiv erforderlich ist. Das ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern wenn es vernünftigerweise geboten ist (st. Rspr., vgl. etwa: BayVGH, B.v. 18.1.2005 – 8 CS 04.1724 – juris Rn. 38; BVerwG, U.v. 24.11.1989 – 4 C 41/88 – juris Rn. 47 ff. m.w.N). Dabei bezieht sich die Planrechtfertigung auf das Vorhaben als solches (das „Ob überhaupt“). Über die genaue Lage des Vorhabens im Raum, und damit beispielsweise über die Wahl zwischen alternativ möglichen Trassen, entscheidet erst die Abwägung aller betroffenen Belange. Deshalb ist die die Klagepartei wesentlich bewegende Frage der Deichverlegung vom Standort des Bestandsdeichs hin zu den Grenzen der privaten Wohngrundstücke keine Frage der Planrechtfertigung (Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 74 Rn. 38). Die Planrechtfertigung kann aber grundsätzlich auch von der Klagepartei, die mangels vollständiger oder teilweiser Entziehung von Grundeigentum durch das Vorhaben lediglich mittelbar planbetroffen ist (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 25.7.2007 – 8 ZB 06.2667 – juris Rn. 7), in Frage gestellt werden (BVerwG, U.v. 9.11.2006 – 4 A 2001/06 – juris Rn. 33; BVerwG, U.v. 26.4.2007 – 4 C 12/05 – juris Rn. 48).

Gemessen hieran und vor dem Hintergrund der § 6 Abs. 1 Nr. 6, §§ 72 ff. WHG bestehen keine Zweifel an der Planrechtfertigung des Vorhabens. Nach dem Gutachten des amtlichen Sachverständigen im wasserrechtlichen Verfahren (WWA ... vom 24.10.2012, S. 3) dient das planfestgestellte Vorhaben dem bislang nicht ausreichenden Schutz des Markts ..., Ortsteil ... (linke ...seite), vor einem hundertjährlichen Hochwasser (HQ100) zuzüglich 1,0 m Freibord. Es ist Teil des aus 40 Einzelbauabschnitten bestehenden integralen Konzepts zum Schutz der bebauten Bereiche im unteren ...tal, in denen ein erhebliches Schadenspotential besteht. Nach dem Erläuterungsbericht (vom 3.5.2012, S. 4) werden durch das Vorhaben etwa 350 Anwesen mit rund 1.000 – 1.200 Einwohnern sowie große Gewerbe- und Industrieflächen geschützt.

2. Die Argumentation, das planfestgestellte Vorhaben sei angesichts der geplanten oder jedenfalls möglichen Dimensionierung des Hochwasserrückhaltebeckens (HRB) ... überflüssig, stellt die Planrechtfertigung nicht in Frage.

Insoweit wird verkannt, dass das (derzeit im Planfeststellungsverfahren befindliche) Hochwasserrückhaltebecken ... in seiner geplanten Dimensionierung (nur) einen Baustein des Gesamtkonzepts zum Schutz des unteren ...tals darstellt. Es dient dem erforderlichen Retentionsraumausgleich wegen der Abflussverschärfung durch Deicherhöhungen und Deichneubauten in zurückversetzter Lage bezogen auf das gesamte untere ...tal sowie dem Rückhalt des Hochwassers dort auf Grund von Klimaänderungen (sog. Klimaänderungsfaktor von 15 %). Dabei ist es nach den diesbezüglichen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung nur Ziel des Vorhabensträgers, Siedlungsraum im ohnehin dicht und flussnah bebauten unteren ...tal durch Hochwassermaßnahmen vor einem HQ100 zu schützen, nicht etwa auch landwirtschaftliche Flächen. Dass der fragliche Bauabschnitt deshalb nicht vernünftigerweise geboten wäre, weil der Hochwasserschutz insoweit durch das HRB ... gewährleistet werden könnte, ist deshalb nicht ersichtlich, zumal bei Unterstützung einer derartigen Forderung der in den 40 Einzelbauabschnitten betroffenen Anlieger (HRB statt Deichsanierung/-neubau mit Rückverlegung) ein effektiver Hochwasserschutz durch den Vorhabensträger nicht mehr verwirklichbar erschiene.

III. Das planfestgestellte Vorhaben verstößt nicht gegen zwingende Rechtsvorschriften.

1. Die Klagepartei als mittelbar Planbetroffene kann sich nicht auf einen Verstoß gegen Bestimmungen des Natur- und Landschaftsschutzes im Hinblick auf die Rodung des bisherigen Waldbestands zwischen ... und dem klägerischen Grundstück berufen (vgl. im Übrigen auch die Stellungnahmen der unteren Naturschutzbehörde, Bl. 18a der Behördenakte sowie des beteiligten Bund Naturschutz in Bayern, Bl. 9b der Behördenakte).

2. Auch der Vortrag, das Vorhaben verletze Nachbarrechte, weil an die Grenzen der privaten Grundstückseigentümer gebaut werde und dadurch gesunde Wohnverhältnisse verletzt würden, verhilft der Klage nicht zum Erfolg.

Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob und ggf. inwieweit die bauordnungsrechtlichen Vorschriften des Abstandsflächenrechts (vgl. insbesondere Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO) im Rahmen der Planfeststellung dieses Vorhabens Anwendung finden. Selbst wenn man sie (ggf. auch im Rahmen der Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme) berücksichtigt, ist insoweit ein Rechtsverstoß in Bezug auf das klägerische Grundstück nicht ersichtlich.

Nach den genehmigten Planunterlagen hält der luftseitige Deichfuß mit dem Beginn der im Verhältnis 1:2 ausgebildeten Neigung des Deichbauwerks einen Abstand von mindestens 1 m zur Grenze des klägerischen Grundstücks ein. Die Deichkrone wird im Bereich des klägerischen Grundstücks im Mittel bei etwa 1,41 m (Erläuterung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung) über der natürlichen Geländeoberkante liegen. Bei dieser Sachlage erreicht der Hochwasserdeich keine gebäudegleiche Wirkung, geschweige denn, dass mit seiner Errichtung ein rücksichtsloser, weil „erdrückender“ oder „einmauernder“ Effekt verbunden wäre. Dies ergibt sich aus der körperlichen Wirkung der Anlage, nämlich der Höhe der Deichkrone von unter 2 m (nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO sind u.a. Stützmauern mit einer Höhe bis zu 2 m ohne eigene Abstandsflächen zulässig) sowie aus der relativ geringen Neigung des Deichs (vgl. BayVGH, B.v. 12.11.2001 – 2 ZB 99.3483 – juris Rn. 11, wonach von Erdaufschüttungen mit einer Neigung von bis zu 33 Grad regelmäßig keine gebäudegleiche Wirkung ausgeht; demgegenüber lässt sich dem von der Klägerseite zitierten Urteil des OVG NRW, U.v. 27.11.1989 – 11 A 195/88 – juris Rn. 15 die – mutmaßlich deutlich höhere – Neigung der dort über 2 m hohen Anschüttungen nicht entnehmen). Auch bei einer Gesamtwürdigung der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Abstandsflächenrechts (Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung der Baugrundstücke als Grundlage für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, Verhinderung der Brandübertragung, Wahrung des Wohnfriedens, vgl. BayVGH, a.a.O.) ergibt sich nichts anderes. Dies gilt selbst dann, wenn man – worauf noch einzugehen sein wird, vgl. unten III. 3. a) – eine Nutzung der Deichkrone durch Fußgänger und Radfahrer unterstellt.

3. Die Rechtswidrigkeit oder Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses folgt auch nicht aus einer Verletzung der Maßgaben des § 14 Abs. 3 oder 4 i.V.m. § 68 Abs. 3 Nr. 2, § 70 Abs. 1 WHG im Hinblick auf die befürchtete Einsehbarkeit des Grundstücks und den auf Grund eines Fußgänger- und Radfahrerverkehrs auf der Deichkrone befürchteten Beeinträchtigungen der Nutzung des klägerischen Grundstücks.

a) Eine nachteilige Einwirkung auf ein Recht der Klagepartei i.S.v. § 14 Abs. 3 WHG liegt nicht vor.

§ 14 Abs. 3 WHG ist nur einschlägig, wenn die Maßnahme nachteilig auf einRecht eines Dritten einwirkt. Wie sich einerseits aus dem Gesetzeswortlaut, andererseits aber auch aus § 14 Abs. 4 WHG ergibt, erfasst diese Vorschrift nicht die Konstellation, dass sich der Dritte ohne die Beeinträchtigung eines Rechts auf die Verletzung eines rechtlich geschützten Interesses beruft. Unter einer nachteiligen Einwirkung ist jede, auch geringfügige, ungünstige Veränderung eines tatsächlichen Zustands zu verstehen, die der Betroffene abzuwehren berechtigt ist, weil er aufgrund seines Rechts die Aufrechterhaltung des bisherigen Zustands beanspruchen kann. Dabei muss die nachteilige Einwirkung auf das Recht eines anderen adäquat kausal auf die genehmigte Maßnahme zurückgehen (Guckelberger in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand 1.1.2014, § 14 WHG Rn. 14 ff.; vgl. ferner: Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 1.8.2013, § 14 WHG Rn. 40).

Als Recht in diesem Sinne kommt vorliegend das Grundstückseigentum der Klägerseite in Betracht. Nachdem dieses jedoch in seinem Bestand unberührt bleibt, könnte allenfalls der aus Art. 14 GG abgeleitete öffentlich-rechtliche Nachbarschutz eingreifen, wenn das Vorhaben zu einer das eigentumsgrundrechtlich zumutbare Maß überschreitenden, schweren und unerträglichen Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten des betroffenen Grundstücks führt (vgl. Pape, a.a.O., Rn. 49). Allein im Hinblick auf die beabsichtigte Positionierung des Deichs erscheint eine derartige Einwirkung ausgeschlossen. Bezüglich der von der Klägerseite befürchteten Einsehbarkeit des Grundstücks und der im Falle eines Fuß- und Radfahrerverkehrs auf der Deichkrone befürchteten weiteren Beeinträchtigungen (insbesondere Lärmimmissionen) erscheint bereits fraglich, ob sich die Klägerseite hierauf berufen kann:

Der streitgegenständliche Bescheid trifft selbst keine Regelung zur künftigen Nutzung des Deichkronenwegs über den Zweck eines Wartungswegs hinaus auch durch Fußgänger und Radfahrer zu Freizeit- und Erholungszwecken. In den Gründen des Bescheids vom ... November 2013 sind insoweit zwar widersprüchliche Aussagen enthalten (vgl. S. 13 unten einerseits, S. 16 unten andererseits). Der Beklagtenvertreter stellte hierzu in der mündlichen Verhandlung jedoch klar, dass die Nutzung des Deichkronenwegs als Geh- und Radweg einer eigenständigen Regelung durch die zuständige Behörde vorbehalten bleibe. Schon deshalb können die von der Klägerseite befürchteten Beeinträchtigungen ihres Grundeigentums im Rahmen des § 14 Abs. 3 WHG keine Berücksichtigung finden.

Selbst wenn man jedoch die Möglichkeit der Zulassung für eine Berücksichtigung i.R.v. § 14 Abs. 3 WHG genügen ließe oder von einer Zulassung des Fußgänger- und Radfahrerverkehrs durch die Planfeststellung ausginge, ergäbe sich nichts anderes: Dem Beklagten wäre dann nämlich – wegen des vorgenannten Erfordernisses der adäquaten Kausalität und weil es sich bei dem Deich ersichtlich nicht um eine für den gezielten (Ein-)Blick geschaffene Anlage („Aussichtsplattform“) handelt – allenfalls ein gewöhnliches, sozialübliches Verhalten von Fußgängern und Radfahrern zuzurechnen, das in einem „gelegentlichen Blick“ auf die angrenzenden Grundstücke bestehen mag, nicht aber in einem möglicherweise persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigenden „Beobachten“ vom Deich aus. Ein derart sozialübliches Verhalten ist auch bei Berücksichtigung der bislang bestehenden weitgehenden Uneinsehbarkeit bei den konkret gegebenen örtlichen Verhältnissen hinzunehmen und stellt ebenso wie die hierdurch befürchtete Wertminderung keine Beeinträchtigung dar, die die Grundstückseigentümer schwer und unerträglich treffen könnte (vgl. Papier in Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Stand Dezember 2013, Art. 14 Rn. 83; BVerwG, U.v. 14.4.1978 – IV C 96.76, IV C 97IV C 97.76 – juris Rn. 32, 37). In Bezug auf die befürchteten Lärmimmissionen ist eine relevante, grenzwertüberschreitende Einwirkung schon nicht substantiiert vorgetragen (vgl. § 906 BGB) und bei dem gegebenen Lebenssachverhalt auch nicht realistisch zu erwarten.

b) Auch die Berufung der Klägerseite auf eine unzutreffende Berücksichtigung von § 14 Abs. 4 WHG verhilft der Klage nicht zum Erfolg.

Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1, § 70 Abs. 1 WHG ist im Rahmen der Planfeststellung für den Fall, dass ein Dritter ohne Beeinträchtigung eines Rechts nachteilige Wirkungen dadurch zu erwarten hat, dass die bisherige Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigt wird, zu prüfen, ob diese nachteiligen Wirkungen durch Inhalts- oder Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können. Ist dies nicht möglich, kann der Plan dennoch festgestellt werden, wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern (§ 14 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 2 WHG). Im Rahmen des § 14 Abs. 4 WHG bleiben jedoch geringfügige nachteilige Wirkungen außer Betracht (§ 14 Abs. 4 Satz 2 WHG).

Allein durch die Zurückverlegung des Deichs an die Grenzen der Privatgrundstücke ergibt sich keine mehr als geringfügige nachteilige Auswirkung auf die Nutzung des klägerischen Grundstücks. Auch unter Würdigung der von der Klägerseite schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Befürchtungen (etwa einer Vernässung des klägerischen Grundstücks oder einer verstärkten Exponiertheit des Wohngebäudes in Bezug auf Wind und Wetter nach der Rodung des Waldstreifens) erachtet die Kammer beachtliche nachteilige Auswirkungen i.S.v. § 14 Abs. 4 WHG als ausgeschlossen. Insbesondere haben die Vertreter des WWA ... in der mündlichen Verhandlung ausführlich und überzeugend dargelegt hat, dass und weshalb sich die Grundwasserverhältnisse im Bereich des klägerischen Grundstücks durch den Bau des planfestgestellten Deichs weder verbessern noch verschlechtern werden. Diese Darlegungen wurden von der Klägerseite nicht substantiiert in Frage gestellt.

Im Hinblick auf die befürchtete Einsehbarkeit des klägerischen Grundstücks durch Fußgänger und Radfahrer auf der Deichkrone ist zunächst auf die vorgenannten (oben a)) Ausführungen zu verweisen, wonach die Planfeststellung keine Zulassung des Fußgänger- oder Radfahrerverkehrs auf der Deichkrone beinhaltet. Schon deshalb sind nachteilige Wirkungen (allein) durch das planfestgestellte Vorhaben nicht zu erwarten. Dies außer Acht gelassen, wären die dem Beklagten allein zurechenbaren (ebenfalls oben a)) sozialadäquaten „gelegentlichen Blicke“ von Passanten auf das klägerische Wohngrundstück nach dem insoweit nicht nach den persönlichen Verhältnissen und Empfindungen der Beteiligten, sondern objektiv zu bestimmenden Maßstab (vgl. Knopp in Sieder/Zeitler, WHG AbwAG, Stand 1.9.2013, § 14 WHG Rn. 133; Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 1.8.2013, § 14 WHG Rn. 80) im konkreten Einzelfall ebenfalls als geringfügig i.S.v. § 14 Abs. 4 Satz 2 WHG anzusehen. Das klägerische Grundstück befindet sich, auch wenn es in der ersten Bauzeile zur ... gelegen ist, in einem innerörtlichen, relativ dicht besiedelten Bereich, in dem wechselseitige Blickbeziehungen und Einblicksmöglichkeiten regelmäßig und zwangsläufig bestehen. Auch wenn sich Passanten möglicherweise in einer im Vergleich zum Grundstücksniveau erhöhten Ebene bewegen würden, ist der Deich weder – etwa einem Aussichtspunkt vergleichbar – besonders auf den Garten oder das Wohngebäude hin ausgerichtet, noch spricht die Entfernung zu den bewohnten Bereichen für eine inakzeptable Beeinträchtigung des Wohnfriedens der Klägerseite. Der Betroffene muss in einer derartigen Situation vielmehr die Möglichkeit der Einsicht hinnehmen oder Maßnahmen in seinem eigenen Wohnbereich ergreifen, um sich dagegen zu schützen (vgl. BayVGH, B.v. 6.6.2014 – 9 CS 14.662 – juris Rn. 15; B.v. 30.11.2006 – 14 CS 06.3015 – juris Rn. 9; OVG SH, B.v. 24.11.2011 – 1 LA 65/11 – juris Rn. 6).

IV. Die Abwägungsentscheidung des Beklagten ist, jedenfalls soweit die Klägerseite deren Überprüfung begehren kann, gerichtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Alternativenprüfung des Beklagten (nachfolgend 2.) als auch im Hinblick auf die Abwägung der widerstreitenden Belange im Übrigen (nachfolgend 3.).

1. Bei der fachplanerischen Abwägung ist der Planfeststellungsbehörde ein breiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das Gebot gerechter Abwägung gilt im Planungsrecht als ungeschriebener Rechtsgrundsatz auch dann, wenn das Gesetz dies nicht ausdrücklich vorsieht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt das Abwägungsgebot, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet, in die Abwägung alle Belange eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden mussten sowie dass die Bedeutung der betroffenen Belange erkannt und der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange nicht außer Verhältnis steht (BVerwG, U.v. 24.11.2011 – 9 A 23/10 – juris Rn. 54 m.w.N.). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Gebot sachgerechter Abwägung nicht verletzt, wenn sich die Planfeststellungsbehörde im Widerstreit der verschiedenen Belange für die Vorzugswürdigkeit des einen gegenüber dem anderen entscheidet und damit zugleich in der Wahl von Planungsalternativen die eine gegenüber der anderen bevorzugt.

Auch die Klägerseite als (lediglich) mittelbar Planbetroffene kann insoweit ein subjektiv-öffentliches Recht auf Abwägung geltend machen, selbst wenn die geltend gemachten Interessen nicht das Gewicht eines subjektiven Rechts, sondern eher das einer Chance oder Möglichkeit haben, soweit sie wenigstens mehr als geringfügig, schutzwürdig und erkennbar sind (Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 4. Aufl. 2009, Rn. 4761, 4784; Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 74 Rn. 272; Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand April 2013, § 42 Rn. 257). Dieses Recht umfasst aber nur die gerechte Abwägung ihrer eigenen Belange mit entgegenstehenden anderen Belangen; der mittelbar Planbetroffene hat keinen Anspruch darauf, dass die Belange anderer Beteiligter gerecht abgewogen sind oder dass etwa die Planung insgesamt und in jeder Hinsicht auf einer fehlerfreien Abwägung beruht. Dementsprechend kann er eine gerichtliche Abwägungskontrolle lediglich hinsichtlich seiner eigenen Belange und – wegen der insoweit bestehenden Wechselbeziehung – der ihnen gegenübergestellten, für das Vorhaben streitenden Belange verlangen. Ob andere gegen das Vorhaben sprechende Belange ordnungsgemäß berücksichtigt worden sind, ist nicht Gegenstand der gerichtlichen Abwägungskontrolle (OVG Lüneburg, B.v. 9.3.2011 – 13 LA 108/10 – juris Rn. 9 unter Verweis auf BVerwG, B.v. 16.1.2007 – 9 B 14/06 – juris Rn. 18).

2. Die Alternativenprüfung des Beklagten ist gerichtlich nicht zu beanstanden.

a) Die Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden Trassenvarianten ist unbeschadet hierbei zu beachtender, rechtlich zwingender Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung und einer gerichtlichen Kontrolle nur begrenzt zugänglich. Die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl zwischen verschiedenen Lösungen ist erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Lösung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil für die öffentlichen und privaten Belange insgesamt schonendere Lösung darstellen würde, d.h. wenn sich – mit anderen Worten – diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist eine Planungsbehörde nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offen zu halten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Sie ist befugt, eine Alternative, die ihr auf der Grundlage einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheint, schon in einem frühen Verfahrensstadium auszuscheiden (insgesamt hierzu: BayVGH, U.v. 16.3.2010 – 8 N 09.2304 – juris Rn. 46; U.v. 27.6.2008 – 8 B 06.2340, 8 B 06.8 B 06.2314 – juris Rn. 69). Handelt es sich um die Klage eines nur mittelbar betroffenen Grundstückseigentümers, ist dem unter dem Gesichtspunkt des subjektiven Rechtsschutzes eingeschränkten Prüfungsumfang bei der Anwendung der Maßstäbe zur Trassenwahl bzw. Alternativenprüfung dadurch Rechnung zu tragen, dass Fremdbelange bei der Überprüfung allenfalls insoweit in die Betrachtung einbezogen werden können, als sie zu eigenen Belangen in einer erkennbaren Wechselbeziehung stehen (OVG Lüneburg, B.v. 9.3.2011 – 13 LA 108/10 – juris Rn. 9; vgl. auch: VGH BW, U.v. 17.7.2003 – 5 S 723/02 – juris Rn. 61; a.A.: SächsOVG, B.v. 15.12.2005 – 5 BS 300/05 – juris Rn. 10).

b) Auf Grund des streitgegenständlichen Bescheids ist jedenfalls in Bezug auf die von der Klägerseite zur Prüfung zu stellenden Belange von einer schlüssigen und hinreichenden Alternativenprüfung durch den Beklagten auszugehen. Der Beklagte legte gemäß Ziff. 2.7.2 des Bescheids vom ... November 2013 und den Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung seiner Alternativenprüfung für den Bauabschnitt ... in zulässiger Weise zunächst die Alternativenprüfung des Raumordnungsverfahrens für das gesamte Projekt des Hochwasserschutzes im unteren ...tal zu Grunde, machte sich in ebenso zulässiger Weise die Voruntersuchung durch den Vorhabensträger zu eigen (vgl. Ziff. 2.7.3 des Bescheids), um dann eine hinreichende eigene Abwägung vorzunehmen (vgl. Ziff. 2.7.4 und 2.9.2.5 des Bescheids). Hieran vermögen die Einwände der Klägerseite nichts zu ändern:

(1) Aus der Nichtberücksichtigung eines der Klägerseite bekannt gewordenen Planentwurfs aus dem Jahr 2007, der eine geringere Rückverlegung des Deichs an deren Grundstücksgrenze als die planfestgestellte Variante vorgesehen hätte, lässt sich kein Abwägungsfehler herleiten.

Die Klägerseite hat schon nicht geltend gemacht, dass und welche rechtliche Bedeutung diesem früheren Planentwurf (der dem planfestgestellten Vorhaben zu Grunde liegende Antrag des Vorhabensträgers stammt aus dem Oktober 2012) zugekommen sein soll. Unbeschadet dessen hat der Beklagte vorgetragen, dass jene frühere Planung, die wegen eines bei der früher beabsichtigten Bauausführung noch erforderlichen Deichhinterwegs samt Binnenentwässerung einen größeren Abstand zu den Grundstücksgrenzen benötigt hätte, zu Gunsten einer moderneren technischen Ausführung des Deichs mit einer statisch wirksamen Innendichtung aufgegeben wurde. Die vom Beklagten insoweit benannten und sich aus den Behördenakten ergebenden Vorteile erscheinen schlüssig: So wird – neben einer ökologischen Aufwertung – entsprechend der Bewirtschaftungsziele des § 6 Abs. 1 Nr. 6 WHG sowie entsprechend § 67 Abs. 1, § 68 Abs. 3 Nr. 1, § 77 WHG Retentionsraum, zumal auf leicht verfügbaren Flächen in öffentlicher Hand, maximiert. Für die neue Bauausführung werden ferner bautechnische (vgl. S. 13, 15 des Erläuterungsberichts vom 3.5.2012) und naturschutzfachliche (vgl. S. 12, 14, 17 des Erläuterungsberichts) Vorteile geltend gemacht. Aus dem Gutachten des amtlichen Sachverständigen im wasserrechtlichen Verfahren (vom 24.10.2012, S. 6 f.) lässt sich folgern, dass er diese Aspekte teilt. Bei alledem ist auch unter Berücksichtigung der Belange der Klägerseite nicht erkennbar, dass sich der Planfeststellungsbehörde die frühere Planungsvariante hätte „aufdrängen“ müssen.

(2) Ein Abwägungsfehler besteht auch nicht im Hinblick auf den planfestgestellten Neubau des Deichs anstelle einer Sanierung (am bisherigen, mit größerem Abstand zu dem klägerischen Grundstücke verbundenen Standort).

Der Planfeststellungsbehörde musste sich eine Sanierung der Bestandsdeiche nicht „aufdrängen“ im vorgenannten Sinn. Im Erläuterungsbericht (vom 3.5.2012, S. 12) wird festgestellt, die notwendige Komplettsanierung des Deichs auf der bestehenden Trasse unterscheide sich in Bezug auf die Bauzeit und Baukosten nicht wesentlich von einem Neubau auf zurückverlegter Deichlinie. Nach dem Gutachten des amtlichen Sachverständigen im wasserrechtlichen Verfahren (vom 24.10.2012, S. 3) wurde der Zustand des vorhandenen Deichs untersucht und u.a. festgestellt, dass die Lagerungsdichte „großteils im lockeren bis mitteldichten Bereich“ liege, abschnittsweise „auch sehr lockere Schichten angetroffen worden“ seien. Dieser Befund wird bestätigt durch die Darstellung des Beklagten (im Schriftsatz des LRA ... vom 21.3.2014), wonach der Bestandsdeich nach dem Hochwasser im Juni 2013 vom WWA erneut untersucht worden sei. Er bestehe aus mitteldicht gelagerten Kiesen ohne ausreichenden Feinkornanteil, weshalb beim Hochwasser im Juni 2013 starke Durchsickerungen, eine Suffosion der Feinteile und Ausschwemmungen festgestellt worden seien. Der Deich sei daher als „nicht mehr standfest“ einzuschätzen.

Auch im Hinblick darauf, dass in anderen Bauabschnitten des Hochwasserschutzes für das untere ...tal Deichsanierungen vorgenommen wurden, ist kein Abwägungsfehler erkennbar. Nach Auskunft der Vertreter des WWA ... in der mündlichen Verhandlung betraf dies 7 von 40 Bauabschnitten, bei denen die Bestandsdeiche ausreichend hoch und breit für eine Sanierung waren.

(3) Auch mit dem Argument, die Deichrückverlegung im Bereich des streitgegenständlichen Bauabschnitts bewirke nur eine unwesentliche Vergrößerung des Retentionsraums, kann die Abwägungsfehlerhaftigkeit der Planfeststellung nicht begründet werden.

Zunächst wurde die klägerische Behauptung einer nur unwesentlichen Vergrößerung des Retentionsraums durch die Deichrückverlegung von der Klägerseite nicht im Einzelnen substantiiert. Auch erscheint durchaus fraglich, ob sich hinsichtlich dieses Einwands die gerichtliche Abwägungskontrolle noch auf eigene Belange der nur mittelbar planbetroffenen Klägerseite beschränken würde (vgl. oben IV. 1., 2. a)). Letztlich braucht dies nicht weiter vertieft zu werden: Die Planfeststellungsbehörde hat bei ihrer Entscheidung abwägungsfehlerfrei das Planungsziel des Vorhabensträgers für das gesamten Hochwasserschutzkonzept im unteren ...tal zu Grunde gelegt. Es beinhaltet, so weit wie mit vertretbarem Aufwand möglich und erst recht dort, wo unbebaute Grundstücke der öffentlichen Hand zur Verfügung stehen, Retentionsraum durch Deichrückverlegungen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben zu maximieren (vgl. bereits oben IV. 2. b) (1)). Die Vertreter des WWA ... erläuterten dies im Einzelnen überzeugend in der mündlichen Verhandlung. Dieses legitime und nur bei einer konsequenten Umsetzung in allen Bauabschnitten effektiv durchsetzbare planerische Ziel würde konterkariert, würde man einzelnen Anwohnern eine Berufung darauf ermöglichen, dass allein der Retentionsraumgewinn aus der Deichrückverlegung im Bereich ihres Grundstücks oder auch ihres Bauabschnitts für den gesamten Hochwasserschutz ohne wesentliche Auswirkung bliebe.

(4) Die Abwägungsfehlerhaftigkeit der Planfeststellung lässt sich auch nicht aus der Erwägung herleiten, es sei unzureichend überprüft worden, ob anstelle einer Deichrückverlegung im streitgegenständlichen Bauabschnitt ein weiteres Hochwasserrückhaltebecken errichtet oder die Kapazität des geplanten HRB ... erhöht werden könnte.

Wie bereits eingangs dargelegt (vgl. oben IV. 2. b)), erachtet das Gericht die Alternativenprüfung der Planfeststellungsbehörde auf der Basis der Prüfungen im Raumordnungsverfahren als schlüssig und rechtlich hinreichend. Auch liegt auf der Hand, dass sich die Errichtung eines (weiteren) Hochwasserrückhaltebeckens oder Flutpolders in planerischer und finanzieller Hinsicht erheblich schwieriger und aufwändiger gestaltet als die Maximierung flussbegleitenden Retentionsraums, zumal auf Grundstücken der öffentlichen Hand. Hinsichtlich der Überlegung einer Erweiterung des geplanten HRB ... „nur“ zur Vermeidung der Deichrückverlegung im Bauabschnitt ... gilt das zur Frage der Unwesentlichkeit des Retentionsraumgewinns Ausgeführte (oben IV. 2. b) (3)) entsprechend. Ein sich „Aufdrängen“ der von Klägerseite angedachten Alternative ist deshalb auszuschließen.

(5) Anhaltspunkte für eine Abwägungsfehlerhaftigkeit der Entscheidung des Beklagten ergeben sich auch nicht aus den von Klägerseite behaupteten Widersprüchen zwischen der Planung des HRB ... und der streitgegenständlichen Planung. Dieser Widerspruch wird darin gesehen, dass die Notwendigkeit des HRB ... u.a. mit dem Ausgleich des in Folge des Linienausbaus verloren gegangenen Retentionsraums begründet werde, die Deichrückverlegung im streitgegenständlichen Bauabschnitt jedoch gerade mit der Maximierung von Retentionsraum begründet werde. Auch wird kritisiert, warum zu Lasten der Klägerseite Retentionsraum geschaffen werde, um damit unbesiedelte Flächen vor Hochwasser zu schützen.

Auch insoweit erscheint erneut bereits fraglich, ob sich hinsichtlich dieses Einwands die gerichtliche Abwägungskontrolle noch auf eigene Belange der nur mittelbar planbetroffenen Klägerseite beschränkt (vgl. oben IV. 1., 2. a)). Dessen unbeschadet haben die Vertreter des WWA ... in der mündlichen Verhandlung schlüssig und überzeugend dargelegt, dass und warum durch das HRB ... Retentionsraum geschaffen wird, der den Retentionsraum ersetzen soll, der durch die Gesamtmaßnahmen für den Hochwasserschutz des unteren ...tals verloren geht, wobei es nicht Ziel dieser Maßnahmen sei, in dem ohnehin relativ dicht und flussnah bebauten Gebiet landwirtschaftliche Flächen vor Hochwasser zu schützen. Ein Widerspruch der geplanten Einzelmaßnahmen innerhalb des gesamten Hochwasserschutzkonzepts ist deshalb nicht zu erkennen, geschweige denn, dass sich der Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung hätte „aufdrängen“ müssen, deshalb auf die Maximierung des Retentionsraums im streitgegenständlichen Bauabschnitt zu verzichten.

(6) Soweit die Klägerseite vermutet, die Abwägungsentscheidung sei in Bezug auf die Deichrückverlegung zu ihren Lasten von Überlegungen beeinflusst worden (und deshalb rechtsfehlerhaft), den Bau einer weiteren ...brücke zu ermöglichen oder jedenfalls einfacher oder kostengünstiger zu verwirklichen, verhilft auch dies der Klage nicht zum Erfolg.

Der Vortrag der Klägerseite erscheint auf Grund der konkreten örtlichen und tatsächlichen Verhältnisse bereits dahingehend nicht schlüssig, weshalb der im Bereich des klägerischen Grundstücks gewählte zurückversetzte Deichneubau konkrete Vorteile für die Verwirklichung einer weiteren ...brücke am hierfür vorgesehenen, ca. 600 m entfernten Standort haben sollte. Auch kann ausgeschlossen werden, dass eine mögliche Verringerung des Kompensationsflächenbedarfs zu Gunsten des Markts ... in Folge der „Doppelnutzung“ der relativ geringen Aufstandsfläche des Deiches auch für die Straßentrasse die Planfeststellungsbehörde zu einer bestimmten Planung bewogen haben könnte. Im Übrigen erscheint die vorgenommene Abstimmung zwischen den Vorhabensträgern nicht nur unbedenklich, sondern sinnvoll, nachdem keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Deichausführung planfestgestellt worden wäre, die über die alleinigen Erfordernisse des Hochwasserschutzes hinausginge. Insoweit lässt sich u.a. dem Gutachten des amtlichen Sachverständigen im wasserrechtlichen Verfahren (vom 24.10.2012, S. 4) entnehmen, dass der Deichneubau auch im Bereich der geplanten Brücke nur im Regequerschnitt erstellt und erst im Zuge möglicher Brückenbauarbeiten verstärkt und erhöht wird. Auch bestätigte der Beklagte, dass beide Vorhaben unabhängig voneinander verwirklicht werden könnten.

(7) Zu dem Argument, die Deichrückverlegung sei nur zu Lasten derjenigen Grundstücke abwägungsfehlerfrei gerechtfertigt, die auch bei einem HQ100 konkret betroffen wären, ist auf die Ausführungen der Vertreter des WWA ... in der mündlichen Verhandlung zu verweisen, wonach auch das klägerische Grundstück ohne einen Deich wahrscheinlich schon bei einem HQ50, jedenfalls aber bei einem HQ100 unter Wasser stünde und die Bestandsdeiche die erforderliche Standsicherheit nicht mehr aufweisen. Im Übrigen belegt nicht zuletzt § 14 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 WHG, dass die Klägerseite im Zweifel nachteilige Wirkungen selbst dann hinnehmen muss, wenn „nur“ Gründe des Wohls der Allgemeinheit und kein konkreter eigener Vorteil die Maßnahme rechtfertigen.

3. Auch die Abwägung der widerstreitenden Belange im Übrigen durch die Planfeststellungsbehörde ist durch das Gericht, jedenfalls soweit die Klägerseite dies rügen kann, nicht zu beanstanden.

a) Abwägungsfehler im Hinblick auf die durch die konkret gewählte Positionierung des Deichs befürchteten Beeinträchtigungen der Grundstücksnutzung in Folge der Verletzung von Grenzabständen liegen nicht vor. Wie bereits ausgeführt (vgl. oben III. 2.), ist mit dem planfeststellten Deichneubau keine gebäudegleiche Wirkung zu Lasten des klägerischen Grundstücks, geschweige denn ein „erdrückender“ oder „einmauernder“ Effekt verbunden. Die Zurückweisung der diesbezüglichen Einwendungen (Ziff. 2.9.2.3 des streitgegenständlichen Bescheids) ist deshalb nicht zu beanstanden. Die Planfeststellungsbehörde ist bei ihrer Abwägungsentscheidung (vgl. Ziff. 2.10 des Bescheids) dennoch davon ausgegangen, dass die Verlegung des Deichs an die Grenze zu den Nachbargrundstücken für die betroffenen Anlieger „eine zum Teil erhebliche Belastung darstellt“. Die damit verbundenen Beeinträchtigungen seien jedoch zur Gewährleistung eines wirksamen und den wasserwirtschaftlichen Vorgaben gerecht werdenden Hochwasserschutzes im Bereich ... des Markts ... erforderlich. Dem Interesse der Allgemeinheit komme insoweit ein höheres Gewicht zu als den Interessen der betroffenen Grundstückseigentümer an einer „uneingeschränkten“ Nutzung ihrer Grundstücke. Diese Abwägung, in der die Belange der Klägerseite nach Auffassung der Kammer insoweit eher über- als untergewichtet werden, ist gerichtlich nicht zu beanstanden.

b) Gleiches gilt auch im Hinblick auf die befürchteten Beeinträchtigungen der Grundstücksnutzung durch Einsehbarkeit seitens Passanten auf dem Deichkronenweg, im Hinblick auf die befürchtete Minderung der Wohn- und Lebensqualität sowie des Grundstückswerts sowie im Hinblick auf befürchtete Lärmbelästigungen durch Passanten.

Nachdem der streitgegenständliche Bescheid die Nutzung des Deichkronenwegs durch die Öffentlichkeit nicht regelt (vgl. oben III. 3. a)), steht an sich bereits die Abwägungsrelevanz dieses Belangs in Frage (vgl. auch BVerwG, B.v. 22.8.2000 – 4 BN 38/00 – juris Rn. 10). Auf Grund der Ausführungen der Planfeststellungsbehörde (in Ziff. 2.9.2.1, 2.9.2.2, 2.10 des Bescheids vom ...11.2013) ist jedoch davon auszugehen, dass das Landratsamt ohnehin die klägerseits hierdurch ausgelösten Befürchtungen, bei denen es sich (wie dargelegt, vgl. oben III. 3. a) und b), um geringfügige Beeinträchtigungen handelt, berücksichtigt und auch hier eher über- als untergewichtet abgewogen hat (vgl. aus der baurechtlichen Rechtsprechung auch: OVG Lüneburg, U.v. 22.6.2011 – 1 KN 252/08 – juris Rn. 42, wonach die Einsichtnahmemöglichkeit in ein Grundstück nur in seltenen Fällen einen abwägungserheblichen Belang darstellt; BayVGH, B.v. 30.11.2006 – 14 CS 06.3015 – juris Rn. 9, wonach Nachbarn grundsätzlich rechtlich nicht gegen Einblickmöglichkeiten von den angrenzenden Grundstücken aus geschützt sind). Ein Rechtsfehler liegt auch insoweit nicht vor.

c) Abwägungsfehler im Hinblick auf eine befürchtete Veränderung der Grundwasserverhältnisse, die Niederschlagsabführung, die verstärkte Wetterexposition des Wohngebäudes, Erschütterungsschäden oder eine Beschädigung des Gartenbewuchses des klägerischen Grundstücks durch die konkret gewählte Positionierung des Deichneubaus liegen nicht vor.

Nach den schlüssigen und überzeugenden Erläuterungen der Vertreter des WWA ... in der mündlichen Verhandlung werden sich die Grundwasserverhältnisse durch den Neubau des planfestgestellten Deichs weder verbessern noch verschlechtern. Sie bestätigten insoweit die Darstellung des Vorhabensträgers im Erläuterungsbericht (vom 3.5.2012, S. 15) und das Gutachten des amtlichen Sachverständigen (vom 24.10.2012, S. 6 unten). Einer Abwägung durch die Planfeststellungsbehörde bedurfte es insoweit nicht. Gleiches gilt für den Aspekt der Ableitung des Niederschlagswassers im Bereich des neu errichteten Deichs, wobei den plausiblen Darlegungen der Vertreter des WWA, dass eine Versickerung auf dem Deichgrundstück möglich ist, nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Bei den übrigen Befürchtungen der Klägerseite fehlt es an ernsthaften Anhaltspunkten für ihre Berechtigung. Im Übrigen handelt es sich um Belange, denen ggf. nach § 70 Abs. 1 WHG i.V.m. § 14 Abs. 6 WHG Rechnung getragen werden könnte (vgl. Ziff. II. 7 des Bescheids).

Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

 

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 15.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG, vgl. Ziff. 34.2.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57)).

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Eine nach diesem Gesetz zu leistende Entschädigung hat den eintretenden Vermögensschaden angemessen auszugleichen. Soweit zum Zeitpunkt der behördlichen Anordnung, die die Entschädigungspflicht auslöst, Nutzungen gezogen werden, ist von dem Maß ihrer Beeinträchtigung auszugehen. Hat die anspruchsberechtigte Person Maßnahmen getroffen, um die Nutzungen zu steigern, und ist nachgewiesen, dass die Maßnahmen die Nutzungen nachhaltig gesteigert hätten, so ist dies zu berücksichtigen. Außerdem ist eine infolge der behördlichen Anordnung eingetretene Minderung des Verkehrswerts von Grundstücken zu berücksichtigen, soweit sie nicht nach Satz 2 oder Satz 3 bereits berücksichtigt ist.

(2) Soweit als Entschädigung durch Gesetz nicht wasserwirtschaftliche oder andere Maßnahmen zugelassen werden, ist die Entschädigung in Geld festzusetzen.

(3) Kann auf Grund einer entschädigungspflichtigen Maßnahme die Wasserkraft eines Triebwerks nicht mehr im bisherigen Umfang verwertet werden, so kann die zuständige Behörde bestimmen, dass die Entschädigung ganz oder teilweise durch Lieferung elektrischen Stroms zu leisten ist, wenn die entschädigungspflichtige Person ein Energieversorgungsunternehmen ist und soweit ihr dies wirtschaftlich zumutbar ist. Die für die Lieferung des elektrischen Stroms erforderlichen technischen Vorkehrungen hat die entschädigungspflichtige Person auf ihre Kosten zu schaffen.

(4) Wird die Nutzung eines Grundstücks infolge der die Entschädigungspflicht auslösenden behördlichen Anordnung unmöglich oder erheblich erschwert, so kann der Grundstückseigentümer verlangen, dass die entschädigungspflichtige Person das Grundstück zum Verkehrswert erwirbt. Lässt sich der nicht betroffene Teil eines Grundstücks nach seiner bisherigen Bestimmung nicht mehr zweckmäßig nutzen, so kann der Grundstückseigentümer den Erwerb auch dieses Teils verlangen. Ist der Grundstückseigentümer zur Sicherung seiner Existenz auf Ersatzland angewiesen und kann Ersatzland zu angemessenen Bedingungen beschafft werden, so ist ihm auf Antrag anstelle einer Entschädigung in Geld das Eigentum an einem Ersatzgrundstück zu verschaffen.

(5) Ist nach § 97 die begünstigte Person entschädigungspflichtig, kann die anspruchsberechtigte Person Sicherheitsleistung verlangen.

(1) Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn die Gewässerbenutzung

1.
dem Benutzer ohne eine gesicherte Rechtsstellung nicht zugemutet werden kann,
2.
einem bestimmten Zweck dient, der nach einem bestimmten Plan verfolgt wird, und
3.
keine Benutzung im Sinne des § 9 Absatz 1 Nummer 4 und Absatz 2 Nummer 2 bis 4 ist, ausgenommen das Wiedereinleiten von nicht nachteilig verändertem Triebwasser bei Ausleitungskraftwerken.

(2) Die Bewilligung wird für eine bestimmte angemessene Frist erteilt, die in besonderen Fällen 30 Jahre überschreiten darf.

(3) Ist zu erwarten, dass die Gewässerbenutzung auf das Recht eines Dritten nachteilig einwirkt und erhebt dieser Einwendungen, so darf die Bewilligung nur erteilt werden, wenn die nachteiligen Wirkungen durch Inhalts- oder Nebenbestimmungen vermieden oder ausgeglichen werden. Ist dies nicht möglich, so darf die Bewilligung gleichwohl erteilt werden, wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern. In den Fällen des Satzes 2 ist der Betroffene zu entschädigen.

(4) Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend, wenn ein Dritter ohne Beeinträchtigung eines Rechts nachteilige Wirkungen dadurch zu erwarten hat, dass

1.
der Wasserabfluss, der Wasserstand oder die Wasserbeschaffenheit verändert,
2.
die bisherige Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigt,
3.
seiner Wassergewinnungsanlage Wasser entzogen oder
4.
die ihm obliegende Gewässerunterhaltung erschwert
wird. Geringfügige und solche nachteiligen Wirkungen, die vermieden worden wären, wenn der Betroffene die ihm obliegende Gewässerunterhaltung ordnungsgemäß durchgeführt hätte, bleiben außer Betracht. Die Bewilligung darf auch dann erteilt werden, wenn der aus der beabsichtigten Gewässerbenutzung zu erwartende Nutzen den für den Betroffenen zu erwartenden Nachteil erheblich übersteigt.

(5) Hat der Betroffene nach Absatz 3 oder Absatz 4 gegen die Erteilung der Bewilligung Einwendungen erhoben und lässt sich zur Zeit der Entscheidung nicht feststellen, ob und in welchem Maße nachteilige Wirkungen eintreten werden, so ist die Entscheidung über die deswegen festzusetzenden Inhalts- oder Nebenbestimmungen und Entschädigungen einem späteren Verfahren vorzubehalten.

(6) Konnte der Betroffene nach Absatz 3 oder Absatz 4 nachteilige Wirkungen bis zum Ablauf der Frist zur Geltendmachung von Einwendungen nicht voraussehen, so kann er verlangen, dass dem Gewässerbenutzer nachträglich Inhalts- oder Nebenbestimmungen auferlegt werden. Können die nachteiligen Wirkungen durch nachträgliche Inhalts- oder Nebenbestimmungen nicht vermieden oder ausgeglichen werden, so ist der Betroffene im Sinne des Absatzes 3 zu entschädigen. Der Antrag ist nur innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt zulässig, zu dem der Betroffene von den nachteiligen Wirkungen der Bewilligung Kenntnis erhalten hat; er ist ausgeschlossen, wenn nach der Herstellung des der Bewilligung entsprechenden Zustands 30 Jahre vergangen sind.

(1) Eine nach diesem Gesetz zu leistende Entschädigung hat den eintretenden Vermögensschaden angemessen auszugleichen. Soweit zum Zeitpunkt der behördlichen Anordnung, die die Entschädigungspflicht auslöst, Nutzungen gezogen werden, ist von dem Maß ihrer Beeinträchtigung auszugehen. Hat die anspruchsberechtigte Person Maßnahmen getroffen, um die Nutzungen zu steigern, und ist nachgewiesen, dass die Maßnahmen die Nutzungen nachhaltig gesteigert hätten, so ist dies zu berücksichtigen. Außerdem ist eine infolge der behördlichen Anordnung eingetretene Minderung des Verkehrswerts von Grundstücken zu berücksichtigen, soweit sie nicht nach Satz 2 oder Satz 3 bereits berücksichtigt ist.

(2) Soweit als Entschädigung durch Gesetz nicht wasserwirtschaftliche oder andere Maßnahmen zugelassen werden, ist die Entschädigung in Geld festzusetzen.

(3) Kann auf Grund einer entschädigungspflichtigen Maßnahme die Wasserkraft eines Triebwerks nicht mehr im bisherigen Umfang verwertet werden, so kann die zuständige Behörde bestimmen, dass die Entschädigung ganz oder teilweise durch Lieferung elektrischen Stroms zu leisten ist, wenn die entschädigungspflichtige Person ein Energieversorgungsunternehmen ist und soweit ihr dies wirtschaftlich zumutbar ist. Die für die Lieferung des elektrischen Stroms erforderlichen technischen Vorkehrungen hat die entschädigungspflichtige Person auf ihre Kosten zu schaffen.

(4) Wird die Nutzung eines Grundstücks infolge der die Entschädigungspflicht auslösenden behördlichen Anordnung unmöglich oder erheblich erschwert, so kann der Grundstückseigentümer verlangen, dass die entschädigungspflichtige Person das Grundstück zum Verkehrswert erwirbt. Lässt sich der nicht betroffene Teil eines Grundstücks nach seiner bisherigen Bestimmung nicht mehr zweckmäßig nutzen, so kann der Grundstückseigentümer den Erwerb auch dieses Teils verlangen. Ist der Grundstückseigentümer zur Sicherung seiner Existenz auf Ersatzland angewiesen und kann Ersatzland zu angemessenen Bedingungen beschafft werden, so ist ihm auf Antrag anstelle einer Entschädigung in Geld das Eigentum an einem Ersatzgrundstück zu verschaffen.

(5) Ist nach § 97 die begünstigte Person entschädigungspflichtig, kann die anspruchsberechtigte Person Sicherheitsleistung verlangen.

(1) Vorübergehende Verschlechterungen des Zustands eines oberirdischen Gewässers verstoßen nicht gegen die Bewirtschaftungsziele nach den §§ 27 und 30, wenn

1.
sie auf Umständen beruhen, die
a)
in natürlichen Ursachen begründet oder durch höhere Gewalt bedingt sind und die außergewöhnlich sind und nicht vorhersehbar waren oder
b)
durch Unfälle entstanden sind,
2.
alle praktisch geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um eine weitere Verschlechterung des Gewässerzustands und eine Gefährdung der zu erreichenden Bewirtschaftungsziele in anderen, von diesen Umständen nicht betroffenen Gewässern zu verhindern,
3.
nur solche Maßnahmen ergriffen werden, die eine Wiederherstellung des vorherigen Gewässerzustands nach Wegfall der Umstände nicht gefährden dürfen und die im Maßnahmenprogramm nach § 82 aufgeführt werden und
4.
die Auswirkungen der Umstände jährlich überprüft und praktisch geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um den vorherigen Gewässerzustand vorbehaltlich der in § 29 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 genannten Gründe so bald wie möglich wiederherzustellen.

(2) Wird bei einem oberirdischen Gewässer der gute ökologische Zustand nicht erreicht oder verschlechtert sich sein Zustand, verstößt dies nicht gegen die Bewirtschaftungsziele nach den §§ 27 und 30, wenn

1.
dies auf einer neuen Veränderung der physischen Gewässereigenschaften oder des Grundwasserstands beruht,
2.
die Gründe für die Veränderung von übergeordnetem öffentlichen Interesse sind oder wenn der Nutzen der neuen Veränderung für die Gesundheit oder Sicherheit des Menschen oder für die nachhaltige Entwicklung größer ist als der Nutzen, den die Erreichung der Bewirtschaftungsziele für die Umwelt und die Allgemeinheit hat,
3.
die Ziele, die mit der Veränderung des Gewässers verfolgt werden, nicht mit anderen geeigneten Maßnahmen erreicht werden können, die wesentlich geringere nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben, technisch durchführbar und nicht mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden sind und
4.
alle praktisch geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um die nachteiligen Auswirkungen auf den Gewässerzustand zu verringern.
Bei neuen nachhaltigen Entwicklungstätigkeiten des Menschen im Sinne des § 28 Nummer 1 ist unter den in Satz 1 Nummer 2 bis 4 genannten Voraussetzungen auch eine Verschlechterung von einem sehr guten in einen guten Gewässerzustand zulässig.

(3) Für Ausnahmen nach den Absätzen 1 und 2 gilt § 29 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Für die Planfeststellung und die Plangenehmigung gelten § 13 Absatz 1 und § 14 Absatz 3 bis 6 entsprechend; im Übrigen gelten die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Für die Erteilung von Planfeststellungen und Plangenehmigungen im Zusammenhang mit der Errichtung, dem Betrieb und der Modernisierung von Anlagen zur Nutzung von Wasserkraft, ausgenommen Pumpspeicherkraftwerke, gilt § 11a Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 bis 5 entsprechend; die §§ 71a bis 71e des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind anzuwenden.

(2) Das Planfeststellungsverfahren für einen Gewässerausbau, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, muss den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechen.

(3) Erstreckt sich ein beabsichtigter Ausbau auf ein Gewässer, das der Verwaltung mehrerer Länder untersteht, und ist ein Einvernehmen über den Ausbauplan nicht zu erreichen, so soll die Bundesregierung auf Antrag eines beteiligten Landes zwischen den Ländern vermitteln.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 28. November 2007 und den Planergänzungsbeschluss vom 5. Oktober 2009 für den Neubau der Autobahn 44 (A 44) von der Anschlussstelle Universitätsstraße bis ca. 510 m östlich der Schattbachstraße im Stadtgebiet von Bochum.

2

Die Kläger zu 1 bis 4 und zu 7, 9, 11 und 12 sind Eigentümer von Grundstücken, die teilweise für die Trasse selbst, teilweise für notwendige Änderungen im vorhandenen Straßennetz oder für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Anspruch genommen werden. Die Kläger zu 1 bis 4 bewirtschaften die historische Wasserburg "Haus L." als Veranstaltungsort und als Gästehaus und betreiben auf überwiegend im Trassenbereich gelegenen Flächen Landwirtschaft als Nebenerwerb sowie eine Pferdepensionshaltung. Die Wasserburg selbst und die sie umgebende Gräfte werden nicht durch das Vorhaben in Anspruch genommen. Die Kläger zu 5, 6 und 8 sind Eigentümer entlang der Trasse gelegener Grundstücke, die mit von ihnen selbst genutzten bzw. vermieteten Wohngebäuden bebaut sind. Diese Grundstücke werden nicht in Anspruch genommen. Der Kläger zu 10 bewohnt ein im Eigentum seiner Ehefrau stehendes Haus in Trassennähe. Das Grundstück des Klägers zu 13 befindet sich außerhalb des Planfeststellungsabschnitts. Im Einzelnen ergeben sich die Eigentumsverhältnisse und die Betroffenheiten der Kläger aus der Antragsschrift der Kläger vom 3. April 2008 und der Antragserwiderung des Beklagten vom 27. Mai 2008 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren BVerwG 9 VR 15.08; auf sie wird verwiesen.

3

Die A 44 ist Bestandteil einer großräumigen West-Ost-Achse zwischen Aachen und Kassel und zugleich ein wichtiges Verbindungsglied zwischen dem Ruhrgebiet und den Ballungsräumen der Rheinschiene. Im Ruhrgebiet verläuft die A 44 durch das Stadtgebiet von Witten und endet auf Bochumer Stadtgebiet westlich des Kreuzes Bochum/Witten mit der A 43. Der Verkehr wird von dort über die B 226 (Wittener Straße) östlich des Opel-Werks auf den autobahnähnlich ausgebauten Außenring der Stadt Bochum (Nordhausen-Ring, Oviedo-Ring und Donezk-Ring) geleitet.

4

Mit dem planfestgestellten 3,320 km langen Abschnitt der A 44 wird das Autobahnkreuz Bochum/Witten mit dem Außenring Bochum südlich des Opel-Werks über die Anschlussstelle Universitätsstraße verbunden. Die geplante Querspange ist Teil der "Bochumer Lösung", die als weitere Ausbaumaßnahmen den sechsstreifigen Ausbau der A 40 von der Stadtgrenze Bochum/Essen zwischen den Anschlussstellen Gelsenkirchen und Bochum-Wattenscheid sowie die niveaufreie Verknüpfung der A 40 mit dem Außenring Bochum an der Anschlussstelle Bochum-Stahlhausen (Westkreuz) vorsieht. Hierdurch soll eine Verbindungsalternative für den West-Ost-Verkehr im Ruhrgebiet zu der auch nach dem sechsstreifigen Ausbau hoch belasteten A 40 geschaffen werden und das Gesamtverkehrssystem durch eine signifikante Anhebung der Leistungsfähigkeit eine größere Stabilität erhalten.

5

Im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen i.d.F. des 5. Änderungsgesetzes zum Fernstraßenausbaugesetz vom 4. Oktober 2004 (BGBl I S. 2574) ist das Vorhaben als vordringlicher Bedarf ausgewiesen (lfd. Nr. 1573).

6

Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, Betriebssitz Gelsenkirchen, leitete mit Schreiben vom 20. Dezember 2001 der Bezirksregierung Arnsberg den von ihm aufgestellten Plan zu und beantragte die Durchführung des Anhörungsverfahrens. Die Bezirksregierung forderte die Behörden und Stellen, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, zur Stellungnahme auf und veranlasste, dass der Plan nach vorheriger ortsüblicher Bekanntmachung, in der auf die Einwendungsfrist und den Ausschluss verspäteter Einwendungen hingewiesen wurde, vom 5. Februar 2002 bis zum 4. März 2002 in der Stadt Bochum auslag.

7

Sämtliche Kläger erhoben - teilweise mit gemeinsamen Einwendungsschreiben und teilweise unter Bezugnahme auf das umfangreiche Einwendungsschreiben der "Bürgerinitiative Bochum gegen die DüBoDo" - fristgerecht Einwendungen gegen das Vorhaben.

8

Aufgrund von Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange und Einwendungen Privater nahm der Vorhabenträger verschiedene Änderungen an der Planung vor, die er durch die Deckblätter I und II in das Verfahren einbrachte. Mit dem Deckblatt I wurde der Planfeststellungsabschnitt um ca. 70 m bis zu dem Anschluss an den gewidmeten und bereits unter Verkehr befindlichen Teil der A 44 verlängert, der landschaftspflegerische Begleitplan überarbeitet, die Entwässerungsplanung angepasst sowie eine Ergänzung der Unterlagen nach § 6 UVPG und eine Überarbeitung der lärmtechnischen Berechnungen vorgenommen. Das Deckblatt II trug dem Inkrafttreten der Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft (22. BImSchV) i.d.F. vom 11. September 2002 Rechnung und führte eine neue Schadstoffabschätzung unter Berücksichtigung der neuen Immissionsgrenzwerte in das Verfahren ein. Die geänderten Planunterlagen lagen nach ortsüblicher Bekanntmachung in der Zeit vom 10. Juni 2003 bis zum 7. Juli 2003 in der Stadt Bochum zur Einsichtnahme aus. Gegen die Deckblätter I und II haben alle Kläger, mit Ausnahme der Klägerin zu 12, rechtzeitig schriftlich Einwendungen erhoben.

9

Die geänderten Planunterlagen wurden, nach rechtzeitiger ortsüblicher Bekanntmachung des Termins und gesonderter Einladung der beteiligten Behörden, Stellen und Vereinigungen, in insgesamt drei Staffeln an insgesamt 26 Terminen im Juli, September und November 2004 in der Stadthalle Bochum bzw. in Räumlichkeiten der Ruhr-Universität Bochum erörtert. In Umsetzung der durch die Einwendungen und im Erörterungstermin gewonnenen Erkenntnisse überarbeitete der Vorhabenträger mit dem Deckblatt III den landschaftspflegerischen Begleitplan im Hinblick auf ein festgesetztes Landschaftsschutzgebiet. Auf Veranlassung der Planfeststellungsbehörde brachte der Vorhabenträger ein weiteres Deckblatt IV in das Verfahren ein, das die lärmtechnische Berechnung mit einem Korrekturwert DStrO von - 5 dB(A) für den auf den durchgehenden Fahrstreifen der A 44 aufzubringenden lärmmindernden Straßenoberflächenbelag enthält. Hinsichtlich der Deckblätter III und IV fand keine erneute Auslegung statt.

10

Mit Beschluss vom 28. November 2007 stellte der Beklagte den Plan für den "Neubau der Autobahn 44 (A 44) von Bau-km 19+980 - Anschlussstelle Universitätsstraße - (ca. 100 m westlich der K 3) bis Bau-km 23+300 (ca. 510 m östlich der Schattbachstraße)" fest. Der Plan enthält zahlreiche Nebenbestimmungen, die u.a. den Naturschutz, den Schutz des Grundwassers und die Bauausführung betreffen. Zur Minderung der Lärmbelastung wird dem Vorhabenträger aufgegeben, auf den durchgehenden Fahrbahnen einen lärmmindernden Straßenoberflächenbelag, der einen Korrekturwert DStrO von - 5 dB(A) erzielt, zu verwenden und auf den Fahrbahnen der Verbindungsrampen und der Anschlussstellenäste einen Straßenoberflächenbelag mit einem Korrekturwert DStrO von - 2 dB(A) aufzubringen. Den Klägerinnen zu 5 und 9 wird unter gleichzeitiger Ablehnung des Übernahmeantrags der Klägerin zu 5 für ihre Wohnhäuser Anspruch auf passiven Schallschutz und angemessene Entschädigung in Geld für die Beeinträchtigung der Außenwohnbereiche zugesprochen.

11

Die Einwendungen der Kläger im Übrigen wies der Planfeststellungsbeschluss zurück:

12

Der Neubau der A 44 sei unabhängig von der gesetzlichen Bedarfsfeststellung geboten, weil die vorhandenen Straßen nicht mehr den regelmäßigen Verkehrsbedürfnissen im Planungsraum entsprächen. Hinsichtlich der Trassenführung habe aufgrund zahlreicher Zwangspunkte keine realistische Alternativlösung bestanden. Die Belastung mit Lärm und Schadstoffen sei auf der Grundlage einer tragfähigen Verkehrsprognose und auch im Übrigen fehlerfrei ermittelt worden. Den nach den Modellberechnungen der Gutachter mit der Verkehrsfreigabe möglichen geringfügigen Überschreitungen der Grenzwerte für Luftschadstoffe könne durch Maßnahmen der Luftreinhalteplanung wirksam begegnet werden. Die mit dem Bau des Vorhabens verbundenen Eingriffe in privates Grundeigentum und die Belastungen trassennaher Anwohner seien nicht zu vermeiden. Trotz der nicht zu verkennenden Belastungen durch den Neubau der A 44 sei eine Existenzgefährdung des Betriebes "Haus L." der Kläger zu 1 bis 4 nicht zu erwarten. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde das Vorhaben daran aber nicht scheitern. Auf Grund der überragenden Bedeutung des Straßenbauvorhabens wäre ein Eingriff in die Eigentumsposition auch um den Preis, dass sich die geltend gemachten Beeinträchtigungen zu einer Existenzgefährdung oder gar -vernichtung verdichteten, hinzunehmen. Eine Beeinträchtigung der Grundwasserströme sei nicht zu befürchten, da die Trasse von einer Ausnahme abgesehen nahezu ausschließlich in Dammlage verlaufe. Das im Wasserbuch der Stadt Bochum eingetragene Wasserrecht zugunsten von "Haus L." werde daher nicht beeinträchtigt. Es sei gewährleistet, dass die Funktion des Isabella-Stollens erhalten bleibe.

13

Die Kläger haben am 3. April 2008 Klage erhoben und diese mit Schriftsätzen vom 15. Mai 2008 sowie unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (BVerwG 9 VR 15.08) umfangreich begründet. Sie rügen zahlreiche Bekanntmachungs- und Auslegungsfehler und bestreiten, dass die mit dem Vorhaben verfolgten Planungsziele erreicht werden könnten. Umfangreiche Einwendungen erheben sie gegen die Verkehrs-, Lärm- und Schadstoffprognosen. Die Verkehrsprognose beruhe auf veralteten und unvollständigen Daten und sei methodisch fehlerhaft. Insbesondere werde der durch das Vorhaben induzierte Verkehr in den Prognosen marginalisiert. Die der Lärmberechnung zugrunde gelegten Richtlinien RLS-90 seien stark veraltet und entsprächen nicht mehr dem Stand der Technik. Zahlreiche Lärmquellen, insbesondere der angestiegene Motorradverkehr, würden durch sie nicht oder nicht angemessen erfasst und die lärmmindernde Wirkung des vorgesehenen offenporigen Asphalts überschätzt. Das für die Schadstoffprognose verwendete Ausbreitungsmodell nach Gauß sei für die Ermittlung von Immissionen des Straßenverkehrs ungeeignet. Die ermittelten Prognosewerte seien daher nicht aussagekräftig. Tatsächlich müsse mit einer Überschreitung der Grenzwerte der 22. BImSchV gerechnet werden.

14

Hinsichtlich der Verkehrs- und Schadstoffprognose halten die Kläger weitere Sachaufklärung für erforderlich und haben in der mündlichen Verhandlung vorsorglich die mit Schriftsätzen vom 9. Juli 2009 und 8. April 2010 begründeten Beweisanträge gestellt.

15

Ende Juni 2009 reichte der Vorhabenträger auf der Grundlage eines in seinem Auftrag erstellten Artenschutzbeitrages, der zu dem Ergebnis kommt, dass das Vorhaben keine der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des Bundesnaturschutzgesetzes verwirklicht, bei der Bezirksregierung Arnsberg einen Antrag auf Planergänzung ein. Darin wird der Landschaftspflegerische Begleitplan um neue vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen für die Wasserralle, den Steinkauz, den Kleinspecht und die Schleiereule ergänzt und werden planfestgestellte Maßnahmen mit Blick auf den Kiebitz, die Wiesenschafstelze und die Feldlerche modifiziert.

16

Die von der Anhörungsbehörde zur Stellungnahme aufgeforderten Kläger erhoben mit Schreiben ihres gemeinsamen Prozessbevollmächtigten vom 6. August 2009 und die Kläger zu 1, 3 und 4 sowie der Kläger zu 2 mit weiteren Schreiben vom 3. und 7. August 2009 Einwendungen gegen die Planänderung.

17

Am 5. Oktober 2009 erließ der Beklagte den Planergänzungsbeschluss und wies die Einwendungen der Kläger zurück.

18

Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 30. November 2009 den Planergänzungsbeschluss in das Verfahren einbezogen. Sie rügen, das dem Ergänzungsbeschluss zugrunde liegende Artenschutzgutachten weise Widersprüche zwischen der eigentlichen Bestandsaufnahme und der Bewertung auf. Die vorgesehenen Maßnahmen seien nicht geeignet, Störungen zu vermeiden. Die Voraussetzungen einer Ausnahme seien zu Unrecht bejaht worden. Der Verzicht auf die Durchführung eines Erörterungstermins mache den Beschluss verfahrensfehlerhaft.

19

In der mündlichen Verhandlung am 19. Mai 2010 hat der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss um zusätzliche naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahmen und Sicherungsmaßnahmen für den Isabella-Stollen ergänzt.

20

Die Kläger beantragen,

den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 28. November 2007 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 5. Oktober 2009 und der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Planergänzungen aufzuheben,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um geeignete Maßnahmen zur Minderung negativer Auswirkungen der Planverwirklichung auf die Grundstücke der Kläger erneut zu entscheiden.

21

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

22

Er tritt dem Vortrag der Kläger im Einzelnen inhaltlich entgegen.

Entscheidungsgründe

23

A. Die Klage ist zulässig.

24

Namentlich ist das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 17e Abs. 1 Nr. 5 FStrG i.V.m. lfd. Nr. 21 der Anlage zum Fernstraßengesetz zur Entscheidung über diesen Rechtsstreit berufen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts bestehen nicht (Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 27 ff.).

25

Die Kläger konnten den Planergänzungsbeschluss vom 5. Oktober 2009, ohne an die Einhaltung einer Klagefrist gebunden zu sein, mit Schriftsatz vom 30. November 2009 in das Verfahren einbeziehen (vgl. Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 31.07 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 15 Rn. 21 ff.).

26

B. Die Klage ist aber nicht begründet.

27

Der Planfeststellungsbeschluss in seiner zur gerichtlichen Prüfung gestellten Form einschließlich der in der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2010 zu Protokoll gegebenen Erklärungen des Beklagten leidet an keinem Rechtsfehler, der die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und die Aufhebung des Beschlusses bzw. die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit rechtfertigt.

28

I. Dem Planfeststellungsbeschluss kommt, da er Grundlage der nachfolgenden Enteignung ist (§ 19 Abs. 1 FStrG), enteignungsrechtliche Vorwirkung zu. Daher haben die Kläger zu 1 bis 4, 7, 9, 11 und 12, deren durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Grundeigentum (teilweise) für das Planvorhaben in Anspruch genommen werden soll, einen Anspruch darauf, von einer Entziehung ihres Grundeigentums verschont zu bleiben, die nicht dem Wohl der Allgemeinheit dient, insbesondere nicht gesetzmäßig ist (Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG), und auf eine dahingehende umfassende gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses.

29

Der Anspruch des von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Betroffenen auf gerichtliche Überprüfung des Plans auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sog. Vollüberprüfungsanspruch) unterliegt allerdings Einschränkungen. Danach führt nicht jeder objektiv-rechtliche Fehler, der einer Planung anhaftet, zur Aufhebung. Diese Rechtsfolge scheidet vielmehr aus, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler für die Eigentumsbetroffenheit des Klägers aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist (Urteil vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 24).

30

Die nicht durch die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke und damit nur mittelbar betroffenen Kläger zu 5, 6, 8, 10 und 13 können dagegen nur die Verletzung gerade sie schützender Normen des materiellen und Verfahrensrechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer geschützten Privatbelange rügen, nicht aber eine insgesamt fehlerfreie Abwägung und Planung verlangen.

31

II. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss vom 28. November 2007 wie auch der Planergänzungsbeschluss vom 5. Oktober 2009 leiden nicht an Verfahrensfehlern.

32

Die umfangreichen Rügen der Kläger hinsichtlich der Bekanntmachungen und der Auslegung der Planunterlagen zum Planfeststellungsbeschluss überzeugen den Senat nicht. Von einer näheren Darstellung und Auseinandersetzung mit diesen Rügen sieht der Senat im Hinblick darauf ab, dass die Kläger fristgerecht und umfassend Einwendungen erhoben haben. Unterstellte Auslegungs- und Bekanntmachungsfehler wären daher ohne Einfluss auf die Sachentscheidung geblieben und somit weder hinsichtlich der eigentumsbetroffenen noch der übrigen Kläger geeignet, zur (vollständigen oder teilweisen) Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit zu führen (vgl. Urteil vom 12. August 2009 a.a.O. Rn. 23 und Rn. 31 m.w.N.).

33

Soweit die Kläger rügen, im Erörterungstermin seien zahlreiche Einwendungen des Klägers zu 8 nicht erörtert worden, zeigen sie einen beachtlichen Verfahrensmangel ebenfalls nicht auf. Ein Anspruch des Einwenders auf unbeschränkte Redezeit im Anhörungsverfahren lässt sich dem Gebot, eine substantielle Behandlung der berührten Belange und Interessen zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 5. Dezember 1986 - BVerwG 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 <227>), nicht entnehmen. Insbesondere wenn - wie hier - die Zahl der Einwender sehr groß ist, ist eine straffe Verhandlungsführung, die von allen Beteiligten, einschließlich der Einwender, eine Konzentration auf das Wesentliche verlangt, nicht zu beanstanden. Diesen Anforderungen ist die Anhörungsbehörde gerecht geworden. Sie hat ausweislich ihres Aktenvermerks vom 2. Dezember 2004 die Einwendungen in drei Staffeln im Juli, September und November 2004 an insgesamt 26 Verhandlungstagen ganztägig mit den Beteiligten intensiv erörtert und auch dem Kläger zu 8 an zwei Tagen knapp zehn Stunden Erörterungszeit zur Verfügung gestellt. Dass es ihm gleichwohl nicht möglich gewesen wäre, alle für ihn wesentlichen Einwendungen vorzubringen, ist nicht dargelegt.

34

Ein Verfahrensfehler liegt ferner nicht darin, dass die Anhörungsbehörde die nachträglich eingeholte Verkehrsuntersuchung über die Entwicklung des Lkw-Verkehrs aus dem Jahr 2004 nicht zum Gegenstand der Erörterung gemacht hat. Eine Pflicht, nachträglich eingeholte Gutachten in die Anhörung einzubeziehen und sie gegebenenfalls auszulegen, besteht nur dann, wenn die Behörde erkennt oder erkennen musste, dass ohne diese Unterlage Betroffenheiten nicht oder nicht vollständig geltend gemacht werden können (Urteil vom 8. Juni 1995 - BVerwG 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <344 f.>). Dies war hier offensichtlich nicht der Fall.

35

Auf die Durchführung eines Erörterungstermins für das ergänzende Planverfahren konnte die Anhörungsbehörde gemäß § 17d Satz 1 FStrG verzichten. Die ermessensleitende Überlegung, es sei angesichts der Einwendungen der Kläger nicht damit zu rechnen, dass es zu einem Interessenausgleich und einvernehmlichen Lösungen kommen werde, ist nicht zu beanstanden.

36

Die Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung wurden eingehalten. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung hat stattgefunden, die Öffentlichkeit wurde - wie dies nach § 9 Abs. 1 UVPG (Art. 6 Abs. 2 UVP-RL) bei Durchführung einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist - zu den Umweltauswirkungen beteiligt. Soweit die Kläger die fehlende Bestandsaufnahme von Fauna und Flora gerügt haben, ist diesem Einwand durch die im Rahmen der Planergänzung erstellte artenschutzrechtliche Untersuchung Rechnung getragen worden, zu der sowohl die Kläger als auch die Träger öffentlicher Belange und die anerkannten Naturschutzvereine Stellung nehmen konnten. Hinsichtlich der weiteren Rügen im Zusammenhang mit den ausgelegten Unterlagen ist nicht dargetan und nicht erkennbar, dass etwaige Mängel auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Dies ist nur anzunehmen, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planungsbehörde ohne den behaupteten Fehler anders entschieden hätte (vgl. Urteile vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 38 ff. und vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <250>). Das ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

37

III. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinem materiell-rechtlichen Fehler, der nach den oben dargestellten Prüfungsmaßstäben zum Erfolg der Anfechtungsklage führen könnte.

38

1. Die Planrechtfertigung ist für das planfestgestellte Vorhaben gegeben. Das Vorhaben ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen zum Fernstraßenausbaugesetz i.d.F. vom 20. Januar 2005 (BGBl I S. 201) - FStrAbG - als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs enthalten und damit gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG gemessen an der Zielsetzung des § 1 Abs. 1 FStrG vernünftigerweise geboten. Die gesetzliche Feststellung, dass ein verkehrlicher Bedarf besteht, ist für die Planfeststellung wie auch das gerichtliche Verfahren verbindlich (stRspr; vgl. etwa Urteile vom 8. Juni 1995 a.a.O. S. 345 ff. und vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 43). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit seiner Bedarfsfeststellung für die A 44 im Stadtgebiet von Bochum die Grenzen seines gesetzgeberischen Ermessens überschritten hat, sind nicht ersichtlich. Davon ist nur auszugehen, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist, wenn es also für das Vorhaben offenkundig keinerlei Bedarf gibt, der die Annahme des Gesetzgebers rechtfertigen könnte (Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 C 11.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 138 S. 247, vom 22. Januar 2004 - BVerwG 4 A 32.02 - BVerwGE 120, 87 <100> und vom 12. März 2008 a.a.O.). Solche Gründe liegen nicht vor.

39

Die durchgeführten Verkehrsuntersuchungen, an deren methodischer Richtigkeit keine durchgreifenden Zweifel bestehen (vgl. unten unter 3 a)), haben beim Vergleich der Auslastungszustände ohne und mit Bau der Querspange eine Reduktion des Anteils überlasteter Autobahnen um 23 % ergeben. Erkennbar entlastet wird insbesondere die A 40. Gleichzeitig steigt der Anteil überlasteter Strecken des Außenrings deutlich an. Werden der zusätzlich belastete Außenring und die Autobahnen zusammen betrachtet, ergibt sich noch ein Rückgang der überlasteten niveaufreien Strecken um 12 %. Bei den Stadtstraßen ist bezogen auf das gesamte Straßennetz noch mit einem Rückgang von 7 % zu rechnen. Die Entlastung des vorhandenen Straßennetzes wird durch den Einwand der Kläger, die Querspange und die beiden weiteren Ausbaumaßnahmen der "Bochumer Lösung" könnten wegen des hohen Verkehrsaufkommens mit Staubildungen nicht zur Stabilisierung des Straßennetzes beitragen, nicht in Frage gestellt. Auch wenn es vorhersehbar streckenweise zu Überlastungen auf dem Außenring und der Querspange kommen wird, ändert dies nichts an der erheblichen Entlastung der A 40 und damit an einer Stabilisierung des Verkehrsgeschehens auf dieser Hauptverkehrsader im Raum Bochum. Entsprechendes gilt für die Hauptverbindungsstraßen des innerörtlichen Verkehrs. Mit 7 % sind die Entlastungen dort auch nicht so gering, dass ihnen keine den Verkehrsfluss erleichternde Wirkung zugeschrieben werden könnte.

40

2. Der Planfeststellungsbeschluss weist keine artenschutzrechtlichen Mängel auf, derentwegen die Kläger seine Aufhebung oder zumindest die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verlangen können.

41

a) Die Beurteilung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände durch die Planfeststellungsbehörde beruht auf einer ordnungsgemäßen Bestandserfassung. Die zunächst unterbliebene notwendige Bestandsaufnahme ist im Rahmen des Verfahrens zum Erlass des Ergänzungsbeschlusses nachgeholt worden. Bedenken, dass diese Untersuchung der im Trassenbereich vorhandenen Arten, die in den Anwendungsbereich der Verbote fallen, und ihrer Lebensräume nicht methodisch fachgerecht durchgeführt wurde, bestehen nicht (vgl. zu den Anforderungen Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 54 ff. m.w.N.). Die Bestandsaufnahme beruht zum einen auf aus Anlass des Vorhabens vorgenommenen Untersuchungen vor Ort und zum zweiten auf ergänzend ausgewertetem Erkenntnismaterial anderen Ursprungs. Dass die Untersuchungen in ihrem methodischen Ansatz oder ihrer praktischen Durchführung nicht in einer den konkreten Verhältnissen vor Ort und dem sonstigen Erkenntnismaterial entsprechenden Art und Weise durchgeführt wurden, ist nicht ersichtlich.

42

Die in der mündlichen Verhandlung erstmals geäußerte Kritik am methodischen Vorgehen des Gutachters (ungenügende Zahl von Begehungen, Begehungen zur falschen Zeit, Suche nach Brutvorkommen am falschen Ort) bezieht sich auf die vom Beklagten nachgereichte Ausarbeitung vom 17. Mai 2010, wonach die Wasserralle gegenwärtig nicht mehr im Regenrückhaltebecken Höfestraße brütet. Ob dieser Ausarbeitung eine in allen Punkten den methodischen Standards entsprechende Untersuchung zugrunde lag, wie der Gutachter des Beklagten Dr. R. in der mündlichen Verhandlung betont hat, bedarf keiner abschließenden Klärung. Denn eine nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses und damit nach dem für die gerichtliche Überprüfung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt erfolgte Änderung der artenschutzrechtlichen Betroffenheiten wäre ausnahmsweise nur dann zu berücksichtigen, wenn mit hinreichender Sicherheit feststünde, dass - etwa wegen einer dauerhaft nachteiligen Änderung des Habitatpotenzials - eine zuvor vorhandene Lebensstätte endgültig verloren gegangen ist. Eine solche Feststellung trifft die ergänzende Ausarbeitung jedoch nicht. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.

43

b) Auf der Grundlage der hiernach nicht zu beanstandenden Bestandsaufnahme hat der Beklagte zu Recht eine Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Artenschutzrecht bejaht. Zwar kann nicht in jeder Hinsicht ausgeschlossen werden, dass das Vorhaben Verbotstatbestände erfüllt. Insoweit greift aber die im Planergänzungsbeschluss erteilte Ausnahme.

44

Maßgeblich für die artenschutzrechtliche Prüfung der Verbotstatbestände sind die §§ 42, 43 BNatSchG in der Fassung, die sie durch Art. 1 Nr. 7 und 8 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl I S. 2873) mit Wirkung vom 18. Dezember 2007 (Art. 3) erhalten haben (nachfolgend BNatSchG 2007). Obgleich sich der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss auf die bis zum 17. Dezember 2007 geltenden §§ 42, 43 BNatSchG a.F. stützt, ist die Neufassung anzuwenden; denn der Beklagte hat seine artenschutzrechtliche Prüfung in der Ersten Änderung des Planfeststellungsbeschlusses vom 5. Oktober 2009 nicht nur bezogen auf die vorsorgliche Erteilung einer Ausnahme bzw. Befreiung, sondern ausweislich der Begründung des Änderungsbeschlusses auch bezogen auf das Eingreifen der Verbote aktualisiert. Die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in Kraft getretenen §§ 44, 45 BNatSchG 2010 (BGBl I 2009 S. 2542) stimmen mit den einschlägigen Vorschriften des BNatSchG 2007 wörtlich überein und können daher das Beurteilungsergebnis nicht beeinflussen.

45

(1) Dass durch das Vorhaben bau- oder betriebsbedingt der Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BNatSchG 2007 erfüllt wird, ist nicht zu befürchten. Durch das in diesem Verbotstatbestand u.a. enthaltene Tötungsverbot werden verkehrsbedingte Tierverluste durch Straßenneu- und -ausbaumaßnahmen allein dann erfasst, wenn sich das Kollisionsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten in signifikanter Weise erhöht (Urteile vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 219 und vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 58). Dies ist zu verneinen. Durch die festgesetzten Sperreinrichtungen und Überflughilfen (Lärmschutzwand und -wall bzw. Abzäunung) sowie die umfangreichen Gehölzpflanzungen sieht der Planergänzungsbeschluss die Kollisionsrisiken für die nachgewiesen kollisionsgefährdeten Vogelarten Schleiereule, Steinkauz, Waldkauz und Waldohreule als auf ein unbedenkliches Maß beschränkt an. Dass diese Einschätzung unzutreffend wäre, wird von den Klägern nicht behauptet und ist nicht ersichtlich.

46

(2) Eine Verwirklichung des Störungstatbestandes des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 kann dagegen für die Vogelart Wasserralle nicht völlig ausgeschlossen werden.

47

§ 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 verbietet es, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt nach der Definition des 2. Halbsatzes vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Die darin zum Ausdruck kommende populationsbezogene Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle steht mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl EG Nr. L 206 S. 7 - FFH-RL) und Art. 5 Buchst. d der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl EG Nr. L 103 S. 1 - VRL) im Einklang, die beide einen art- bzw. populationsbezogenen Schutzansatz verfolgen (vgl. Urteile vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 237 und vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 89).

48

Der Begriff der Population ist Art. 2 Buchst. l der Verordnung EG Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl EG Nr. L 61 S. 1) entnommen und wortgleich in § 10 Abs. 2 Nr. 4 BNatSchG 2007 definiert. Er erfasst eine biologisch oder geographisch abgegrenzte Zahl von Individuen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie derselben Art oder Unterart angehören und innerhalb ihres Verbreitungsgebietes in generativen oder vegetativen Vermehrungsbeziehungen stehen. Eine lokale Population erfasst diejenigen (Teil-)Habitate und Aktivitätsbereiche der Individuen einer Art, die in einem für die Lebens(raum)ansprüche der Art ausreichenden räumlich-funktionalen Zusammenhang stehen (vgl. BTDrucks 16/5100 S. 11).

49

Der Störungstatbestand kann vor allem durch bau- und betriebsbedingte Beeinträchtigungen der geschützten Tierarten in Gestalt von akustischen und optischen Störwirkungen erfüllt werden (vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 - BVerwG 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 Rn. 34 m.w.N.). Der Planergänzungsbeschluss geht in Übereinstimmung mit dem Fachgutachten zum Artenschutz davon aus, dass hinsichtlich der Vogelarten Gelbspötter, Teichhuhn, Teichrohrsänger, Wasserralle sowie Steinkauz und Schleiereule letzte Unsicherheiten verbleiben, ob durch die ergriffenen Maßnahmen zur Vermeidung und Verringerung insbesondere von Lärmbeeinträchtigungen während der Bauzeit (Bauzeitbeschränkungen für Baufeldfreiräumung und Trassenschüttung, Errichtung einer 700 m langen und 4 m hohen mobilen Lärmschutzwand auf der Südseite der Trasse) und durch die dauerhaften Maßnahmen aktiven Lärmschutzes (Lärmschutzwände und -wälle, offenporiger Asphalt) Störungen der Vogelarten, die zu Verlusten von Brutrevieren führen, verhindert werden können. Für die im Regenrückhaltebecken Höfestraße lebenden Vogelarten ordnet der Planergänzungsbeschluss als vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen die Optimierung des in südwestlicher Richtung angrenzenden Regenrückhaltebeckens Heintzmannstraße (Maßnahme 10ACEF), die Umwandlung einer Ackerfläche in beweidetes Grünland (Maßnahme 9ACEF) für den Steinkauz und die Errichtung eines Schuppens mit Nistkasten (Maßnahme 8ACEF) für die Schleiereule an. Die vorgesehenen Maßnahmen am Regenrückhaltebecken Heintzmannstraße werden für die Wasserralle und den Teichrohrsänger - bei denen der Artenschutzbeitrag schon bei Verlust nur eines Brutpaares von einer Verschlechterung der lokalen Population ausgeht - ergänzt durch die Anordnung eines Monitorings und eines Risikomanagements.

50

Ob die vorgesehenen Maßnahmen am Regenrückhaltebecken Heintzmannstraße eine Populationswirksamkeit des Vorhabens, insbesondere für die Wasserralle, vermeiden können, ist zwischen den Beteiligten streitig. Insoweit steht für den Senat auch nach den Erläuterungen durch den für den Artenschutzbeitrag verantwortlichen Gutachter Dr. R. in der mündlichen Verhandlung nicht mit der erforderlichen Überzeugung fest, dass die naturschutzfachlichen Einwände der Kläger gegen die Eignung der Maßnahmen, die sich insbesondere auf die geringe Entfernung von der geplanten Autobahntrasse, die zu erwartenden Störwirkungen durch die an das Regenrückhaltebecken unmittelbar angrenzende Markstraße und den südlich gelegenen Sportplatz mit Flutlichtanlage beziehen, widerlegt sind und deswegen eine Verschlechterung des Zustands der lokalen Population nicht zu besorgen ist.

51

Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es jedoch nicht. Denn jedenfalls aufgrund der von dem Beklagten vorsorglich im Planergänzungsbeschluss gemäß § 43 Abs. 8 BNatSchG 2007 erteilten Ausnahme vom Störungsverbot ist das Vorhaben insoweit zulässig.

52

(3) Nach § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG 2007 können die nach Landesrecht zuständigen Behörden im Einzelfall Ausnahmen von den Verboten des § 42 BNatSchG 2007 aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art zulassen. Darüber hinaus erfordert eine Ausnahme nach Satz 2, dass zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert; Art. 9 Abs. 2 VRL ist zu beachten.

53

(a) Art. 9 Abs. 1 VRL, der Abweichungen vom Störungsverbot des Art. 5 Buchst. d VRL unter eingeschränkten Voraussetzungen zulässt, steht der Ausnahme nach § 43 Abs. 8 BNatSchG 2007 nicht entgegen. Der Störungstatbestand des Art. 5 Buchst. d VRL setzt voraus, dass sich die Störung der unter den Schutz der Vogelschutzrichtlinie fallenden Vogelarten auf die Zielsetzung dieser Richtlinie erheblich auswirkt. Das ist mit Blick auf das Schutzziel der Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (vgl. die Präambel und Art. 1 VRL) sowie das Verschlechterungsverbot (Art. 13 VRL) nicht der Fall, wenn der aktuelle Erhaltungszustand der betroffenen Arten sichergestellt ist (vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 44). Art. 5 Buchst. d VRL enthält damit bereits auf der Tatbestandsebene einen umfassend populationsbezogenen Ansatz, während nach deutschem Recht der über die jeweiligen lokalen Populationen hinausgehende Zustand der "Populationen einer Art" erst auf der zweiten Prüfungsstufe im Rahmen der Ausnahmeentscheidung nach § 43 Abs. 8 BNatSchG 2007 Bedeutung gewinnt. Für das mit dem Störungsverbot verfolgte Schutzziel spielt dies jedoch keine Rolle. Der Senat hat - ebenso wie beim Beschädigungs- und Zerstörungsverbot - keinen Zweifel daran, dass es dem nationalen Gesetzgeber mit Rücksicht auf den Spielraum, den gemeinschaftsrechtliche Richtlinien ihm bei der Wahl von Form und Mitteln zur Zielerreichung belassen und belassen müssen, frei stand, den gemeinschaftsrechtlich geforderten Schutzstandard auf dem gewählten Weg zu erreichen (vgl. zum Beschädigungs- und Zerstörungsverbot Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - a.a.O. Rn. 70).

54

(b) Das Planvorhaben kann zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für sich in Anspruch nehmen, die die Abweichung vom Verbot des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 rechtfertigen.

55

Voraussetzung ist insoweit nicht, dass Sachzwänge vorliegen, denen niemand ausweichen kann. Ausreichend ist ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln (vgl. Urteil vom 12. März 2008 a.a.O Rn. 153). Dabei dürfen die Anforderungen an das Vorliegen von Abweichungsgründen im allgemeinen Artenschutzrecht nicht überspannt werden. So kann es genügen, wenn das Vorliegen des Abweichungsgrundes im Planfeststellungsbeschluss bzw. in der in Bezug genommenen planfestgestellten Unterlage plausibel dargelegt wird oder augenscheinlich und für jedermann greifbar vorliegt (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 125).

56

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die für das Vorhaben streitenden öffentlichen Belange finden Ausdruck in seiner Einstufung als vordinglicher Bedarf in der gesetzlichen Bundesverkehrswegeplanung und verleihen dem Vorhaben einen besonderen Stellenwert. Die mit der Querspange verfolgte Verbindung des vorhandenen Außenrings um Bochum mit der A 43 wird zu einer Verbesserung der lokalen und überörtlichen Verkehre im Bereich Bochum/Witten führen und zusammen mit den weiteren Elementen der "Bochumer Lösung" zu einer Entlastung der derzeit hoch belasteten A 40 und damit zu einer Stabilisierung des Gesamtverkehrssystems im südlichen Ruhrgebiet beitragen. Diese Gründe überwiegen die eher in geringem Ausmaß betroffenen Belange des Artenschutzes.

57

(c) In seiner artenschutzrechtlichen Alternativenuntersuchung, die ebenso wie die FFH-rechtliche und damit anders als die fachplanerische Alternativenuntersuchung der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 169), ist der Beklagte zu dem Ergebnis gelangt, es gebe keine nach dem Schutzkonzept des § 42 BNatSchG 2007 vorzugswürdige Standortalternative, die zu einer Reduzierung des Umfangs oder der Intensität der Verstöße gegen die Zugriffsverbote führe. Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde dürfen von einer Alternativlösung Abstand nehmen, die technisch an sich machbar und rechtlich zulässig ist, aber anderweitige, auch naturschutzexterne Nachteile aufweist, die außer Verhältnis zu dem mit ihr erreichbaren Gewinn für Natur und Umwelt stehen (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 119 zu Art. 9 Abs. 1 VRL).

58

Gemessen hieran verneint der Planergänzungsbeschluss eine zumutbare Alternative zu Recht. Ein Verzicht auf das Vorhaben (Nullvariante) scheide schon wegen der durch die Aufnahme in den vordringlichen Bedarf zum Ausdruck kommenden besonderen verkehrlichen Bedeutung der Querspange aus. Auch eine Verschiebung der Trasse nach Norden sei wegen des dort gelegenen Opel-Werks einschließlich der Opel-Bahn ausgeschlossen. Ebenso leuchtet es ein, wenn die Planfeststellungsbehörde im Planergänzungsbeschluss jede Verschiebung der Trasse nach Süden wegen des damit verbundenen Heranrückens an die Lebensräume der schutzwürdigen Tierarten ausschließt. Auch eine Gradientenabsenkung und verschiedene im Planfeststellungsbeschluss dargestellte Tunnellösungen stellen im Hinblick auf die damit verbundenen und im Planfeststellungsbeschluss näher dargelegten technischen Schwierigkeiten und hohen Bau-, Betriebs- und Unterhaltungskosten keine zumutbaren Alternativen dar. Abgesehen davon würden die baubedingten Störungen bei den die Trassenführung unverändert lassenden Lösungen nicht geringer ausfallen als bei der planfestgestellten Variante.

59

(d) Es liegt auch die weitere Voraussetzung des § 43 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG 2007 vor, dass sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtern darf.

60

Anders als beim Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 ist im Rahmen der Ausnahme nicht der Erhaltungszustand des von dem Vorhaben unmittelbar betroffenen lokalen Vorkommens maßgeblich, sondern eine gebietsbezogene Gesamtbetrachtung anzustellen, die auch die anderen (Teil-)Populationen der Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in den Blick nimmt (Urteil vom 21. Juni 2006 - BVerwG 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 Rn. 44). Nicht jeder Verlust eines lokalen Vorkommens einer Art ist mit einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der Populationen der betroffenen Art gleichzusetzen. Dass einzelne Exemplare oder Siedlungsräume im Zuge der Verwirklichung eines Planvorhabens vernichtet werden oder verloren gehen, schließt nicht aus, dass die Population als solche in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, das über das Plangebiet hinausreicht, als lebensfähiges Element erhalten bleibt (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 572). Bei der Beurteilung, ob dies der Fall ist, ist der Planfeststellungsbehörde, da insoweit ornithologische Kriterien maßgeblich sind, ein Beurteilungsspielraum einzuräumen (Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O.). Dies gilt auch für die Entscheidung, an welchem Standort Maßnahmen zum Ausgleich des vorhabenbedingten Verlustes ergriffen werden sollen. Das Ziel, den Verlust von Individuen und Lebensstätten auszugleichen und den Erhaltungszustand der betroffenen Art zu stabilisieren, erfordert es nicht, dass die Ausgleichsmaßnahmen am Ort des Eingriffs ergriffen werden müssen. Die anzustellende gebietsbezogene Betrachtung erlaubt es dem Vorhabenträger und der Planfeststellungsbehörde vielmehr, das natürliche Verbreitungsgebiet der betroffenen Art großräumiger in den Blick zu nehmen und auch solche Orte für Ausgleichsmaßnahmen zu wählen, die keine unmittelbaren Rückwirkungen auf den von dem Vorhaben betroffenen Siedlungsraum erwarten lassen. Mit Blick auf den Zweck der Maßnahme ist daher jeder Standort innerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes der Art, an dem die Planfeststellungsbehörde durch entsprechende Festsetzungen im Planfeststellungsbeschluss den Kompensationserfolg herbeiführen kann, als geeignet anzusehen. Dies wird den räumlichen Bereich regelmäßig auf den jeweiligen Zuständigkeitsbereich der Planfeststellungsbehörde beschränken. Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass die Planfeststellungsbehörde durch entsprechende vertragliche Vereinbarung die Durchführung der Maßnahme außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs sicherstellt.

61

Gemessen hieran ist es nicht zu beanstanden, dass die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung konkretisierte Kompensationsmaßnahme für die Wasserralle und andere am Wasser lebende Vögel am Hüller Bach rund 12 km vom Vorhabengebiet entfernt liegt.

62

(e) Auch die von den Klägern in ihrem nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 31. Mai 2010 geäußerte Kritik an Lage und Geeignetheit der Maßnahme greift nicht durch. Dem gleichzeitig gestellten Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war nicht zu entsprechen.

63

Nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO hat das Gericht die Möglichkeit, die bereits geschlossene mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Hierauf besteht zwar grundsätzlich kein Anspruch der Beteiligten, doch muss das Gericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung beachten, dass die Regelung u.a. auch dazu dienen soll, den Parteien die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte insbesondere durch mündlichen Vortrag zu dem aufgrund der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamtergebnis des Verfahrens zu ermöglichen. § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO steht damit in enger Beziehung zu dem Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör mit der Folge, dass Bedeutung und Tragweite dieses Grundrechts die Ermessensfreiheit des Gerichts zu einer Wiedereröffnungspflicht verdichten kann (Urteil vom 11. April 1989 - BVerwG 9 C 55.88 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 23 S. 6 und Beschluss vom 19. März 1991 - BVerwG 9 B 56.91 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25 S. 10). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Denn die Kläger hatten die Möglichkeit, in der mündlichen Verhandlung nach § 173 VwGO i.V.m. § 283 ZPO Schriftsatznachlass zur Erwiderung auf das neue Vorbringen des Beklagten und ihres Gutachters zur Eignung des Hochwasserrückhaltebeckens Hüller Bach als Lebensstätte insbesondere der Wasserralle zu beantragen. Dies haben sie unterlassen.

64

Aus ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 31. Mai 2010 folgt für den Senat auch kein Bedürfnis nach weiterer Sachaufklärung, das die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO erforderlich machen würde. Selbst wenn die von den Klägern geäußerte Kritik am Kompensationskonzept hinsichtlich der Wasserralle und der anderen schutzwürdigen Vogelarten berechtigt sein sollte, stünde ihrem mit dem Hauptantrag verfolgten Begehren entgegen, dass artenschutzrechtliche Defizite, die durch schlichte Planergänzung behoben werden können, nicht zu einem Erfolg der Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss führen können (Urteile vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 129 f. und vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 93). Die von den Klägern mit Schriftsatz vom 31. Mai 2010 behaupteten Mängel gehen nach Art und Umfang über diesen Bereich nicht hinaus. Soweit die Kläger das Hochwasserrückhaltebecken aufgrund seiner Lage als grundsätzlich ungeeigneten Lebensraum erachten, vermag dies schon wegen des vorhandenen Brutvorkommens der Wasserralle in dem westlich unmittelbar an die Kompensationsfläche angrenzenden Naturraum nicht zu überzeugen. Das vorgesehene Gebiet ist auch nicht wegen seiner Funktion als künstliches Überschwemmungsgebiet generell ungeeignet. Schon in ihrem jetzigen Habitat an der Höfestraße ist die Wasserralle von schwallartigen Anstiegen des Wasserspiegels betroffen, was zu Brutverlusten und Verlusten bei Jungvögeln führen kann. Hochwasserereignisse, die zu einer Inanspruchnahme des Rückhaltebeckens führen, dürften aber jedenfalls nicht häufiger vorkommen als starke Regenfälle. Bei der Umgestaltung des Beckens wird der Vorhabenträger zudem den Folgen eines Hochwassers für die betroffenen Vogelarten durch eine entsprechende Geländemodellierung Rechnung tragen können. Entsprechendes gilt für die weiteren von den Klägern gerügten Punkte.

65

Die vorgesehenen Maßnahmen können auch zeitnah verwirklicht werden. Wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, ist über die Umgestaltung des Hochwasserrückhaltebeckens und die zukünftige Nutzung eine Vereinbarung mit der Eigentümerin, der Emschergenossenschaft, getroffen worden. Damit ist die erforderliche rechtliche Sicherung für eine zügige Realisierung gegeben. Die zwischen Verlust der Lebensstätte und Kompensation zwangsläufig eintretende zeitliche Lücke ist unbedenklich. Eine unmittelbare Funktionsnachfolge wie bei der individuenbezogenen Beschädigung oder Zerstörung von Lebensstätten ist bei den hier in Rede stehenden, auf den Erhaltungszustand der Population gerichteten Maßnahmen nicht zu fordern.

66

(f) Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass eine Optimierung des Hochwasserrückhaltebeckens nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, könnte dies nicht zum Erfolg der Klage führen. Für diesen als äußerst unwahrscheinlich bezeichneten Fall sieht der Planergänzungsbeschluss bestandsfördernde Maßnahmen für eine andere Population in der atlantischen Region vor. Als Maßnahmestandorte werden die Lippeaue zwischen Hamm und Lippstadt und das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde am Südrand der Westfälischen Bucht genannt. Dadurch wird ein Maß an Kontinuität gewahrt, das genügend Gewähr dafür bietet, dass etwaige negative Auswirkungen auf die Teilpopulation im Bereich des Vorhabens, die auch nicht durch die Maßnahmen am Hüller Bach ausgeglichen werden können, jedenfalls durch die dann zu ergreifenden Maßnahmen in der Lippeaue oder der Hellwegbörde kompensiert werden und damit der Erhaltungszustand der Populationen erhalten bleibt (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 572 f.).

67

Erweisen sich die vorgesehenen Maßnahmen am Hochwasserrückhaltebecken Hüller Bach und die im Planergänzungsbeschluss aufgeführten weiteren Maßnahmen als geeignet, um sicherzustellen, dass sich der Erhaltungszustand der Populationen der Wasserralle nicht verschlechtert, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebene weitere Planergänzung für den Fall, dass die Maßnahmen am Hüller Bach "den rechtlichen Anforderungen nicht genügen", mit diesem Inhalt überhaupt zulässig sein kann.

68

(4) Auch das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2007, wonach es untersagt ist, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, steht dem Vorhaben nicht entgegen.

69

Eine unmittelbare Zerstörung der geschützten und aktuell genutzten Lebensstätten der Wasserralle und der anderen am Wasser lebenden Vogelarten durch die Baumaßnahmen ist nicht zu befürchten. Das Regenrückhaltebecken Höfestraße wird weder durch die geplanten Anlagen selbst noch baubedingt in Anspruch genommen. Als schädigende Eingriffe kämen allenfalls mittelbare Einwirkungen durch den Lärm der Bauarbeiten und den Verkehr nach Fertigstellung der Querspange in Betracht. Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit solche mittelbaren Einwirkungen aufgrund funktionaler Erwägungen den Beschädigungs- und Zerstörungstatbestand erfüllen können, greift auch insoweit die erteilte Ausnahme nach § 43 Abs. 8 BNatSchG 2007.

70

Art. 9 Abs. 1 VRL, der Abweichungen von den in Art. 5 VRL enthaltenen Verbotstatbeständen nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zulässt, steht der Ausnahme nicht entgegen. Der Zerstörungs- und Beschädigungstatbestand des Art. 5 Buchst. b VRL ist deutlich enger gefasst als der Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2007 und schützt nur das selbstgebaute, aktuell belegte Nest bzw. das Nest eines artbedingt auf die Wiederverwendung des konkreten Nestes angewiesenen Vogels. Der Schutz etwaiger bei Baubeginn belegter Nester wird durch die im Planfeststellungsbeschluss geregelten Bauzeitbeschränkungen für die Baufeldfreiräumung und die Trassenschüttung gewährleistet.

71

3. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss genügt auch dem in § 17 Satz 2 FStrG normierten Gebot, bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen (fachplanerisches Abwägungsgebot). Die Belange der Kläger, insbesondere ihr Schutz vor schädlichem Verkehrslärm und Luftschadstoffen sowie ihre Eigentumsbetroffenheiten, sind rechtsfehlerfrei abgewogen worden.

72

a) Es lässt sich nicht feststellen, dass der Planfeststellungsbehörde bei der Verkehrsprognose, auf der die Abwägung der Immissionsschutzbelange der Wohnbevölkerung im Allgemeinen und der Kläger im Besonderen beruht, Fehler unterlaufen sind, auf die das Anfechtungs- oder zumindest das hilfsweise verfolgte Feststellungsbegehren gestützt werden könnte. Die Kläger wenden gegen die lärmtechnische Berechnung und die darauf aufbauende Behandlung der Lärmschutzbelange zum einen ein, sie beruhten auf einer verfehlten Verkehrsprognose, in der die tatsächlich zu erwartende Verkehrsbelastung der A 44 weit unterschätzt worden sei, zum anderen rügen sie, die der Lärmberechnung zugrunde liegende Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) und die darin in Bezug genommenen Richtlinien (RLS-90) als veraltet. Träfen diese Einwände zu, so wäre die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass davon die konzeptionelle Planungsentscheidung einschließlich der Trassenwahl betroffen wird. Abwägungsdefiziten aufgrund einer fehlerhaften Verkehrsprognose könnte deshalb nicht durch eine Planergänzung um Schutzauflagen abgeholfen werden. Die Prognose der künftigen Verkehrsbelastung der A 44 ist jedoch nicht zu beanstanden.

73

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegen Verkehrsprognosen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Sie sind lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (vgl. Urteile vom 27. Oktober 1998 - BVerwG 11 A 1.97 - BVerwGE 107, 313 <326> m.w.N. und vom 24. November 2004 - BVerwG 9 A 42.03 - juris Rn. 41; Beschluss vom 2. Oktober 2002 - BVerwG 9 VR 11.02 - juris Rn. 14). Unter jedem dieser Gesichtspunkte üben die Kläger Kritik an den im Auftrag des Vorhabenträgers durchgeführten Verkehrsuntersuchungen der Ingenieurgruppe IVV Aachen (IVV) vom Dezember 1996 sowie den Aktualisierungen dieser Untersuchungen von August 1998/Januar 1999 und November 2004. Ihre Einwände greifen jedoch nicht durch.

74

(1) Entgegen der Auffassung der Kläger sind der gewählte Prognosehorizont und die gewählten Methoden der Prognoseerstellung nicht zu beanstanden. Die ursprüngliche, aus dem Jahr 1996 stammende Untersuchung über die "Verkehrliche Wirkung von Straßenbaumaßnahmen ("Bochumer Lösung") im Stadtgebiet Bochum" war zwar auf den Prognosehorizont 2010 bezogen. Indes ist sie durch die Ergänzung zum Verkehrsgutachten "Bochumer Lösung" von 1998/1999 ergänzt und auf Grundlage der damals aktuellen, im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung erstellten Strukturdatenprognose auf den Zeithorizont 2015 fortgeschrieben worden. Hierbei kommt die IVV zu dem Ergebnis, dass die für das Jahr 2010 ausgewiesenen Verkehrsstärken im Wesentlichen auch für den Zeithorizont 2015 als maßgebend angesehen werden können. Ein methodischer Fehler ist nicht darin zu sehen, dass der Beklagte den Prognosehorizont nicht auf das Jahr 2020 ausgedehnt hat. Da normative Vorgaben für die Wahl des Prognosezeitpunkts fehlen, wäre die Entscheidung, auf das Jahr 2015 abzustellen, nur dann zu beanstanden, wenn sie sich als Ausdruck unsachlicher Erwägungen werten ließe (vgl. Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13 S. 36). Das ist nicht der Fall. Die zeitliche Anknüpfung fügt sich in das Konzept ein, das dem Fernstraßenausbaugesetz i.d.F. des 5. Änderungsgesetzes zum Fernstraßenausbaugesetz vom 4. Oktober 2004 (BGBl I S. 2574) zugrunde liegt. Der durch dieses Gesetz verabschiedete Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen orientiert sich an der Verkehrsentwicklung, die der Bundesgesetzgeber bis zum Jahr 2015 erwartet. Vor diesem Hintergrund war es sachgerecht, sich für Vorhaben des vordringlichen Bedarfs bei der Verkehrsuntersuchung auf denselben Zeitpunkt zu beziehen, auch wenn im Zeitpunkt der Prognoseerstellung bereits die vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebene Verkehrsprognose 2025 vorlag. Eine laufende Anpassungspflicht der Planfeststellungsbehörde an neue Prognosen besteht ohnehin nicht (Beschluss vom 25. Mai 2005 - BVerwG 9 B 43.04 - juris Rn. 40).

75

Dass die aktualisierte Lkw-Untersuchung der IVV aus dem Jahr 2004 auf dem vom Bund vorgegebenen Integrationsszenario beruht, während die ursprüngliche Verkehrsuntersuchung von 1996 das durch die Landesverkehrsplanung in Nordrhein-Westfalen vorgegebene Szenario als ein beeinflusstes Trendszenario bezeichnet, begründet keinen methodischen Mangel. Allerdings kann die Verwendung verschiedener Szenarien die Vergleichbarkeit von Verkehrsprognosen einschränken und ist deswegen methodisch nicht ohne Weiteres unbedenklich. In der mündlichen Verhandlung ist der Gutachter des Beklagten Dipl.-Ing. B. diesem Vorwurf jedoch mit Hinweis darauf begegnet, dass es sich bei dem Integrationsszenario methodisch ebenfalls um ein Trendszenario handele. Die Bezeichnung als Integrationsszenario rühre daher, dass es die verschiedenen Verkehrsmittel integriere. Diese Ausführungen sind von der Klägerseite unwidersprochen geblieben.

76

(2) Mängel der Verkehrsuntersuchung lassen sich auch nicht unter dem Aspekt der in das Prognosemodell eingespeisten Grundlagendaten feststellen. Die IVV hat sich zur Verkehrsnachfrage und zu den Verkehrsbeziehungen insbesondere auf die im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr ermittelten Strukturdaten mit regionalisierten Informationen zur Entwicklung der Einwohner, der Erwerbstätigen und der Bruttowertschöpfung und die Straßennetzmodelle der Bundesverkehrswegeplanung 1992 und 2003 sowie zusätzlich auf Daten des Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt Bochum gestützt. Soweit die Kläger unter Berufung auf die Plausibilitätsprüfung der RegioConsult Verkehrs- und Umweltmanagement Wulf Hahn & Dr. Ralf Hoppe GbR (RegioConsult) die Datenlage deshalb als mangelhaft rügen, weil von der IVV ein stärkerer Bevölkerungsrückgang zugrunde gelegt wurde, als er von dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in seiner Raumordnungsprognose erwartet wird, wird hierdurch die Validität der von der IVV in den verschiedenen Ausarbeitungen verwendeten Zahlen angesichts des prognostischen Charakters der Untersuchungen und der Spielräume bei der Wahl des methodischen Ansatzes nicht in Frage gestellt. Dass die von der IVV ausgewerteten Untersuchungen ihrerseits methodisch fehlerhaft konzipiert seien oder auf einer unzutreffenden Datenbasis beruhten, haben die Kläger nicht dargetan.

77

Für die Daten der Bundesverkehrswegeplanung spricht zudem, dass ihre Verwendung im Rahmen von Straßenplanungen durch das Bundesverkehrsministerium vorgegeben ist. Methodisch wäre es problematisch, dieses einheitliche Vorgehen für einzelne Projekte zu durchbrechen und mit abweichenden Daten zu arbeiten (Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 110). Deshalb erweisen sich die Vorgaben jedenfalls so lange als sachgerecht, wie die vorgegebene Datenbasis nicht offenkundig durch neuere Erkenntnisse überholt ist. Dies ist - entgegen der Ansicht der Kläger - nicht schon dann der Fall, wenn im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses zu Teilbereichen der Strukturdatenbasis (Pkw-Fahrleistungen) aktualisierte Daten vorliegen. Angesichts des Umfangs des für die Erstellung einer neuen Strukturdatenbasis zu berücksichtigenden Datenmaterials und der Komplexität des anschließenden Bearbeitungsprozesses können laufende Aktualisierungen der bundesweiten Vorgaben aus methodischen und praktischen Gründen heraus nicht gefordert werden. Der Vorhabenträger und die Planfeststellungsbehörde sind daher erst recht nicht verpflichtet, selbst laufend die Datenbasis "unter Kontrolle zu halten". Sie werden sich vielmehr regelmäßig auf die bundesweiten Strukturdaten und Verkehrsuntersuchungen und die daraus entwickelten regionalisierten Informationen und Verkehrsmatrizen verlassen können, die - wie der Schlussbericht zur Verkehrsprognose 2015 vom April 2001 und die Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025 von Ende 2007 zeigen - laufend aktualisiert werden.

78

Soweit in der Verkehrsuntersuchung der IVV von 2004 selbst davon die Rede ist, die Daten der vorangegangenen Untersuchungen seien veraltet, ist dies insofern nachvollziehbar, als 2001 der erwähnte Schlussbericht zur Verkehrswegeplanung 2003 erschienen ist und damit eine neue bundesweite Datengrundlage vorlag, die eine Überprüfung der für das Vorhaben erstellten Verkehrsprognose erforderlich machte. Hinsichtlich des Umfangs der Überarbeitung hat der Gutachter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, bei der Prüfung des Aktualisierungsbedarfs habe sich herausgestellt, dass sich die Datengrundlage in Bezug auf den Pkw-Verkehr, anders als die für den Güterverkehr, nicht in relevanter Weise geändert habe. Deswegen sei auf eine umfassende Neuberechnung verzichtet worden.

79

Die Rügen gegen diese Vorgehensweise überzeugen nicht. Die Methodik der vorgenommenen Teilnetzberechnung für den Lkw-Verkehr wird in der Untersuchung der IVV 2004 im Einzelnen beschrieben. Die 1998/1999 fortgeschriebene Gesamtprognose aus dem Jahr 1996 und die Teilnetzberechnung aus dem Jahr 2004 beruhen danach zwar auf verschiedenen Ausgangsdaten. Dies führt aber nicht zur Fehlerhaftigkeit der Verkehrsprognose. Methodisch bedenklich wäre es nur, wenn die unterschiedlichen Datengrundlagen bei der Auswertung und Bewertung der zu verschiedenen Zeiten erstellten Prognosen nicht berücksichtigt worden wären. Dies ist nicht der Fall, wie sich aus dem von RegioConsult selbst zitierten Passus aus der Teilnetzberechnung der IVV von 2004 ergibt. Danach sind die bereits mit der Untersuchung 1998/1999 auf das Prognosejahr 2015 fortgeschriebenen Datenbestände aus dem Jahr 1998 für die Teilnetzberechnung übernommen, im Rahmen der Teilnetzberechnung 2003 verifiziert und die verifizierten Matrizen anhand der dann aktuellen bundesweiten Leitdatenprognosen auf das Prognose-Bezugsjahr fortgeschrieben worden. Für den Vorwurf, die IVV habe nicht bestätigte Rohdaten der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) aus dem Jahr 2002 verwendet, fehlt es an der Darlegung, dass zum Zeitpunkt der Bearbeitung der Prognose schon aufbereitete Daten vorlagen. Die BASt-Berichte über die Verkehrsentwicklung an den Bundesfernstraßen liegen regelmäßig erst mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa zwei Jahren vor. Die weitere Rüge, es sei anzunehmen, die Verkehrszellen der Bundesverkehrswegeplanung stellten eine zu grobe Datenbasis für die Berechnung der Verkehrsbelastung dar, bleibt spekulativ. Gleiches gilt für die Rüge, es sei nicht erkennbar, ob die Teilnetze zutreffend abgegrenzt worden seien.

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Die den Verkehrsuntersuchungen der IVV zugrunde liegende Datenbasis ist entgegen der Kritik der Kläger nicht auf eine "isolierte Betrachtung" der drei Städte Essen, Bochum und Dortmund beschränkt. Wie der Fortschreibung der Untersuchung von 1998/1999 ausdrücklich zu entnehmen ist, hat die IVV ihren Untersuchungen nicht nur die Daten für diese drei Städte zugrunde gelegt, sondern die regionalisierten Informationen der Strukturdatenprognose 2015 des Bundesministeriums für Verkehr zur Beurteilung des Verkehrsraums Bochum/Essen mit 2,676 Mio. Einwohnern sowie des Gesamtraums des Ruhrgebiets mit 10,142 Mio. Einwohnern herangezogen. Damit ist entgegen der Kritik von RegioConsult auch das in die Untersuchungen einbezogene Umlandnetz (noch) hinreichend genau bestimmt. Dass die Untersuchungen die regionalen Verkehrsbeziehungen berücksichtigt haben, hat zudem der Gutachter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung als "selbstverständlich" bezeichnet. Der Hinweis in der Untersuchung von IVV aus dem Jahr 1996 auf die besondere Bedeutung des vorgesehenen vollständigen sechsstreifigen Ausbaus der Autobahnen A 1 und A 2 im Prognosefall bestätigt diese Aussage.

81

(3) Die Kritik der Klägerseite, die steigenden Pendlerströme im Ruhrgebiet seien nicht in der erforderlichen Weise berücksichtigt worden, überzeugt ebenfalls nicht. Zutreffend ist allerdings, dass die vom Beklagten in seiner schriftlichen Stellungnahme auf den Fragenkatalog des Gerichts als Grundlage der Ermittlung der Pendlerströme angegebene Ausarbeitung über die deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen aus dem Jahr 2007 nur bei den nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses erstellten Aktualisierungen der Verkehrsprognose durch die IVV Eingang gefunden haben kann. Dies bedeutet aber nicht, dass für die Berechnung der Pendlerströme in den dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Prognosen kein ausreichendes Datenmaterial vorgelegen hätte und insoweit ein Ermittlungsdefizit bestünde. So sind die Pendlerbewegungen auch in der Verkehrsprognose 2015 ausführlich behandelt und berücksichtigt worden. Der Gutachter des Beklagten Dipl.-Ing. B. hat in der mündlichen Verhandlung ergänzend darauf hingewiesen, dass zur Erfassung der Pendlerströme die speziellen Pendlerstatistiken der Bundesagentur für Arbeit herangezogen würden. Dass diese für die Entwicklung der Pendlerströme im Ruhrgebiet aussagekräftige Daten liefern, haben die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 9. Juli 2009 selbst so gesehen und sich auf diese bezogen.

82

(4) Ein methodischer Mangel liegt auch nicht bei der Bewertung des sogenannten induzierten Verkehrs vor.

83

(a) Soweit es um infolge einer Straßenbaumaßnahme erfolgte Umstrukturierungen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt und deren Rückwirkungen auf das Verkehrsnetz (sekundär induzierter Verkehr) geht, überzeugt der vom Sachbeistand S. der Kläger in der mündlichen Verhandlung wiederholte Vorwurf, diese Änderungen seien nicht ausreichend erfasst worden, nicht. Dass durch eine verbesserte Straßeninfrastruktur bedingte Änderungen der Ziel- und Standortwahl und hierdurch hervorgerufene siedlungsstrukturelle Änderungen mit ihren Rückwirkungen auf das Verkehrsaufkommen in den umfangreichen bundesweiten Strukturdatensammlungen regelmäßig Berücksichtigung finden, hat der Gutachter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Rahmen seiner allgemeinen Darlegungen mit der beispielhaften Aufzählung von bei der Zusammenstellung der Strukturdaten berücksichtigten Themen und dem Hinweis, es würden alle für die Verkehrsentwicklung relevanten Faktoren bis hin zu den vorherrschenden Wertehaltungen in der Gesellschaft erfasst, anschaulich verdeutlicht.

84

(b) Die Verkehrsuntersuchungen der IVV haben den unmittelbar durch das Vorhaben selbst hervorgerufenen zusätzlichen Verkehr ohne Verkehrsverlagerungen und Verkehrsumlenkungen (primär induzierter Verkehr) bei der Prognose des zukünftigen Verkehrsaufkommens als zu vernachlässigende Größe behandelt. Der Beklagte hat zur Begründung seiner Einschätzung auf Berechnungen für eine große Zahl von Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans mit im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung entwickelten pauschalierten Zuschlagsfaktoren verwiesen (vgl. auch Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten Umwelt und Straßenverkehr BTDrucks 15/5900 S. 77), wonach der (primär) induzierte Mehrverkehr einen Wert von 0,5 % nicht übersteige. Es könne daher hinreichend verlässlich davon ausgegangen werden, dass eine Einbeziehung dieser Mengen in die Verkehrsuntersuchung die Aussagen der Gutachter kaum beeinflussen würde. Dass diese Einschätzung unvertretbar wäre, vermag der Senat auch unter Berücksichtigung der umfänglichen Kritik der Kläger nicht festzustellen.

85

Diese rügen eine nicht mehr dem Stand der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechende Marginalisierung des induzierten Verkehrs. Hierfür stützen sie sich insbesondere auf das Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen und die dort erwähnten Untersuchungen zum induzierten Verkehr. Gleichzeitig kritisieren sie den im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen für die Bundesverkehrswegeplanung von mehreren Forschungseinrichtungen erstellten Endbericht "Induzierter Verkehr - Verfahrensanpassung, Anwendungsfälle und Zuschlagfaktoren" vom 30. August 2000 (Steinbeis-Gutachten) als auf veralteten Daten und unzutreffenden Annahmen beruhend.

86

(aa) Dass in der verkehrswissenschaftlichen Diskussion z.T. erheblich höhere Anteile des (primär) induzierten Verkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen diskutiert werden, rechtfertigt nicht den Schluss, die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Verkehrsprognose beruhe auf einer methodisch fehlerhaften Grundlage. Unterschiedliche methodische Ansätze sind, jedenfalls solange sich kein allgemein anerkannter fachlicher Standard durchgesetzt hat, ebenso hinzunehmen wie Unterschiede bei der Einschätzung von Ausmaß und Entstehungsgrund des induzierten Verkehrs. Völlig deckungsgleiche Ansichten sind in der wissenschaftlichen Diskussion von vornherein nicht zu erwarten. Schon deswegen lässt allein der Umstand, dass die von der Klägerseite in Bezug genommenen Untersuchungen den Anteil des induzierten Verkehrs höher einschätzen, als das im Planfeststellungsbeschluss der Fall ist, nicht den Schluss zu, das der Bundesverkehrswegeplanung zugrunde liegende Steinbeis-Gutachten leide unter einem methodischen Fehler. Dies gilt umso mehr, als die klägerseits zitierten internationalen Studien zum einen "auf der Basis unterschiedlicher Schätzmodelle und Datenquellen" erstellt wurden (Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten Umwelt und Straßenverkehr a.a.O. S. 75), zum anderen in den englischsprachigen Untersuchungen der Begriff des induzierten Verkehrs nicht einheitlich definiert und teilweise als Bestandteil des u.a. auch Verkehrsverlagerungen und -umlenkungen enthaltenden Begriffs des "generated traffic" angesehen wird (vgl. die auch im Sondergutachten zitierten Ausarbeitungen von Litman <2004/2010> S. 3 und Noland <2001> S. 3.). Die von den Klägern genannten Studien beschäftigen sich auch anders als das Steinbeis-Gutachten nicht speziell mit den besonderen Verkehrsverhältnissen auf den Bundesfernstraßen in Deutschland. Dass sie auf einer annähernd vergleichbar breiten Datengrundlage basieren wie die Ausarbeitung von Steinbeis, ist ebenfalls nicht erkennbar und nicht dargetan.

87

Auch die Kritik, das Steinbeis-Gutachten habe den in der Zielwahl freien Verkehr mit 7,7 % zu niedrig angesetzt, greift nicht durch. Die Grundannahme des Gutachtens, dass der Berufs- und Ausbildungsverkehr in der Zielwahl wie auch der Wahl der Häufigkeit der Fahrten weitgehend als vorgegeben anzusehen sei und daher im Wesentlichen nur der Freizeit- und Einkaufsverkehr als zusätzlich induzierter Verkehr in Betracht komme, ist angesichts der Verkehrsverlagerungen und -umlenkungen ausschließenden Definition des primär induzierten Verkehrs nachvollziehbar. Diese Überlegung wird auch nicht durch das vom Sachbeistand S. der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argument, der Ausbildungsverkehr sei in den letzten Jahren stark angestiegen, erschüttert. Es ist nicht erkennbar, dass der Ausbildungsverkehr einen erheblichen Anteil an Verkehr mit freier Zielwahl enthielte. Die Behauptung der Kläger, die Verkehrsanteile mit freier Zielwahl seien nur mit einem Fünftel des realistischen Wertes angesetzt, wird von ihnen nicht begründet. Entsprechendes gilt für die Bezugnahme der Kläger auf eine empirische Untersuchung zum Umfang des Neuverkehrs infolge des Ausbaus von Verkehrswegen in der Schweiz. Dass diese für das bundesdeutsche Autobahnnetz verwertbare Angaben über den der freien Zielwahl unterliegenden Freizeit- und Einkaufsverkehr enthält, legen die Kläger nicht dar; hierfür spricht auch nichts.

88

Dass das Steinbeis-Gutachten bei einzelnen der untersuchten Planfälle auf einen durch den induzierten Verkehr verursachten Zuwachs des durchschnittlichen täglichen Verkehrs werktags von 9 % kommt, der Planfeststellungsbeschluss den induzierten Mehrverkehr unter Hinweis auf den pauschalierten Ansatz der Bundesverkehrswegeplanung dagegen als zu vernachlässigende Größe behandelt, lässt ebenfalls nicht den Schluss auf einen methodischen Fehler bei Erstellung der Verkehrsprognose zu. So stehen in dem Gutachten den vier Planfällen mit einem auf den induzierten Verkehr zurückzuführenden Zuwachs zwischen (aufgerundet) 9 % bis 11,4 % fünfzehn Planfälle mit einem Zuwachs von zum Teil deutlich unter 1 % gegenüber. Bis auf einen Planfall betreffen die sehr hohen Zuwächse zudem Aus- und Neubauvorhaben bei Bundesstraßen und nicht - wie hier - Bundesautobahnen.

89

Soweit der Sachbeistand der Kläger in der mündlichen Verhandlung gerügt hat, der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sei überschätzt worden, hat er selbst darauf hingewiesen, dass der Grund hierfür in Vollzugsdefiziten der bestehenden Planungen liege. Dass diese durch den Vorhabenträger und den Beklagten hätten prognostiziert werden können, ist nicht dargelegt und nicht ersichtlich.

90

(bb) Mit der von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung übergebenen Stellungnahme von Hochschullehrern des Verkehrswesens an deutschsprachigen Universitäten wird ein Methodenfehler bei der Ermittlung des induzierten Verkehrs ebenfalls nicht dargetan. Die Stellungnahme kritisiert die gegenwärtig zur Bewertung von Investitionen in den Bau von Verkehrswegen zur Verfügung stehenden drei Bewertungsverfahren als unzureichend, weil in ihnen monetäre bzw. monetarisierbare Größen die entscheidende Rolle spielten. Der induzierte Verkehr und sein Anteil am Verkehrsgeschehen werden in der Stellungnahme nicht erwähnt.

91

Aussagen hierzu enthält dagegen die von den Klägern nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 31. Mai 2010 vorgelegte Stellungnahme von Prof. Dr. Be. vom 26. Mai 2010. In ihr wird die der Ermittlung des induzierten Verkehrs im Rahmen der Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2007 zugrunde liegende mathematische Formel, auf die der Beklagte in der mündlichen Verhandlung durch Überreichung von Auszügen der Verflechtungsprognose 2025 Bezug genommen hat, kritisiert. Auch diese Kritik vermag indes nicht zu überzeugen.

92

Abgesehen davon, dass die Kläger auch insoweit nicht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 283 ZPO Schriftsatznachlass zur Erwiderung auf das neue Vorbringen des Beklagten beantragt haben, und abgesehen davon, dass die Verflechtungsprognose 2025 dem Planfeststellungsbeschluss nicht zugrunde gelegen hat, hat Prof. Dr. Be. bei seiner Kritik an der verwendeten Berechnungsformel die in der Prognose vorgenommene Unterscheidung zwischen den generalisierten Kosten der Reise selbst und den generalisierten Kosten der mit der Reise beabsichtigten (Gesamt-)Aktivität außer Ansatz gelassen, ohne dies nachvollziehbar zu begründen. Die in der Verflechtungsprognose für die Berücksichtigung des Anteils der reinen Fahrtkosten an den Gesamtkosten der Reise gegebene Erklärung, Reisezeitverbesserungen führten nicht im gleichen Maß z.B. zu mehr Urlaubsreisen, da Urlaubsreisen insgesamt in der Regel wesentlich länger dauerten und teurer seien als die Fahrten vom und zum Urlaubsort, erscheint einleuchtend, zumindest aber vertretbar. Entsprechendes gilt für die weitere Überlegung, bei der Festlegung des Anteils der generalisierten Reisekosten müsse je nach Verkehrsmittel, Fahrtzweck und Entfernung der Reiseziele differenziert werden. Mit den genannten Kriterien sind Maßstäbe vorgegeben, die eine Plausibilitätsprüfung der vorgenommenen Differenzierungen zulassen. Der Vorwurf in der Stellungnahme von Prof. Dr. Be. vom 26. Mai 2010, die Bestimmung der generalisierten Kosten stehe im nicht nachvollziehbaren freien Belieben der Bearbeiter der Prognose, vermag daher ebenfalls nicht zu überzeugen.

93

(5) Die Kläger können mit ihrem Vorwurf, die einzelnen von der IVV vorgenommenen Rechenschritte und -operationen seien nicht nachvollziehbar und nicht nachprüfbar, so dass es sich letztlich um ein "black-box-Verfahren" handele, keinen Erfolg haben. Die Angriffe der Kläger gegen die Tatsachenermittlung, Methodik und die Plausibilität der Ergebnisse sowohl der für die Verkehrsprognose selbst erstellten als auch der zu ihrer nachträglichen Überprüfung dienenden Gutachten haben sich sämtlich nicht als durchgreifend erwiesen. Bei dieser Sachlage besteht kein Anlass, an der Richtigkeit der Berechnungen allein deshalb zu zweifeln, weil die einzelnen Rechenvorgänge nicht den Gutachten zu entnehmen sind. Der Gutachter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass angesichts des Umfangs von etwa 1000 mal 1000 Raumeinheiten unvorstellbar große Datenmengen entstünden, die nur computergestützt zu be- und verarbeiten seien. Es habe kaum Aussagekraft und Informationswert, seitenlange Rechenprotokolle vorzulegen. Dies leuchtet dem Senat ein. Hinzu kommt, dass nach den Erfahrungen des Senats in anderen straßenrechtliche Planfeststellungen betreffenden Verfahren von den Planfeststellungsbehörden bei entsprechender Nachfrage regelmäßig Einsicht sowohl in die weiteren von den Gutachtern erstellten und an die Vorhabenträger mit dem Ergebnis der Untersuchung ausgehändigten Unterlagen als auch in die computergestützten Berechnungen gewährt wird (und zu gewähren ist). Der Vorwurf, hinsichtlich der Rechenverfahren sei eine Nachvollziehbarkeit nicht gegeben, wäre daher allenfalls dann berechtigt, wenn den Klägern trotz entsprechender Nachfrage bei der Planfeststellungsbehörde zusätzliche Informationen zu den Ausgangsdaten und gegebenenfalls den Rechenschritten vorenthalten worden wären. Dass dies der Fall war, behaupten die Kläger selbst nicht.

94

Die von dem Büro RegioConsult angestellte Berechnung zur "Überprüfung der Lkw-Fernverkehrsmatrix" ist deswegen nicht aussagekräftig, weil sie nicht erkennen lässt, welche Methodik ihr zugrunde liegt, insbesondere, welche methodischen Modifikationen gegenüber der IVV-Berechnung von RegioConsult vorgenommen wurden.

95

(6) Der Umstand, dass sich der für die Querspange prognostizierte Lkw-Anteil in den Untersuchungen 1998/1999, 2004 und 2009 trotz anderer Ausgangsdaten kaum geändert hat, gibt keinen Anlass zu Zweifeln an der methodengerechten Vorgehensweise der IVV. Die Kläger haben ihre gegenteilige Auffassung darauf gestützt, dass sich die demografischen und strukturellen Leitdaten zwischen den Untersuchungen "vollständig geändert" hätten und der plötzliche Rückgang des auf dem Außenring prognostizierten Verkehrsaufkommens willkürlich erscheine. Dem folgt der Senat nicht.

96

Änderungen in den Leitdaten sind in den verschiedenen Untersuchungen der IVV berücksichtigt worden. Beispielhaft kann hier auf die Angaben über die demografische Entwicklung der Region Bochum und des Landes Nordrhein-Westfalen von 2007 bis 2025 in der Untersuchung von 2009 und die Angaben über die Entwicklung der Strukturdaten zwischen 2010 und 2015 in der Untersuchung von 1998/1999 verwiesen werden. Auch das reduzierte Verkehrsaufkommen auf dem Außenring in der Untersuchung von 2009 hat der Gutachter des Beklagten schlüssig zu erklären vermocht. Ursprünglich sei bei der Realisierung der "Bochumer Lösung" der großzügige Ausbau des vierstreifigen Außenrings mit einer Erweiterung des Querschnitts von 26 m auf den für Autobahnen nach den Richtlinien für die Anlage von Straßen (RAS-Q) geltenden Standardquerschnitt von 29,5 m vorgesehen gewesen. Hiervon sei zwischenzeitlich wegen der Kosten, die mit der erforderlichen Aufweitung des vorhandenen Tunnelbauwerks auf dem Ring verbunden gewesen wären, Abstand genommen worden. Dies sei erst bei den Berechnungen 2009 berücksichtigt worden. Eine Erweiterung des Querschnitts auf 29,5 m führe zu einer Kapazitätserhöhung um etwa 10 %.

97

Die in der mündlichen Verhandlung als weiterer Grund für die Übereinstimmung der Lkw-Anteile abgegebene Erklärung des Gutachters, die Querspange laufe bis an die Kapazitätsgrenze von etwa 10 000 Lkw/24 h mit Verkehr voll, ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht unhaltbar. Dass auf der ebenfalls vierstreifig ausgebauten A 40 bei der Dauerzählstelle 4508/5113 im Jahr 2007 ein Lkw-Aufkommen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t von 11 574 gezählt worden sei, belegt dies nicht. Es ist schon nicht dargelegt, dass vergleichbare Querschnittsverhältnisse, wie sie für die Prognose im Jahr 2009 zugrunde gelegt wurden, für die Dauerzählstelle im Jahr 2007 galten. Die Heranziehung der Ergebnisse der Dauerzählstelle 4508/5113 in der Untersuchung 2004 erfolgte noch in der Annahme eines weiteren Ausbaus des Außenrings. Im Übrigen ist die Betrachtung der Zählstelle im Rahmen der Kalibrierung des Modells nicht auf ein Jahr beschränkt gewesen, sondern hat sich über einen Zeitraum von acht Jahren erstreckt. Zudem sind sowohl in dieser Untersuchung als auch in der Untersuchung 2009 nicht nur die Daten dieser Zählstelle, sondern alle für das Untersuchungsgebiet relevanten Daten der Straßenverkehrszählung 2005 ausgewertet worden. Der Gutachter des Beklagten hat schließlich darauf hingewiesen, dass für die rechnerische Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer Verkehrsverbindung nicht isolierte Tageswerte, sondern statistische Vergleiche anhand der von der BASt vorgegebenen Systematik und der RAS-Q heranzuziehen und den Berechnungen zugrunde zu legen seien. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Ermittlung der Beurteilungspegel nach der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) erfolgt rechnerisch und orientiert sich nicht an den möglichen Spitzenbelastungen der Verkehrswege (Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13 S. 37). Dies ist unbedenklich. Die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV für Gebiete, die durch eine Wohnnutzung geprägt sind, stellen sicher, dass es auch in Zeiten überdurchschnittlicher Inanspruchnahme der Straße nicht zu Gesundheitsgefahren kommt (Urteil vom 20. Mai 1999 - BVerwG 4 A 12.98 - NVwZ 2000, 555 <559> § 17 fstrg nr. 154 nicht abgedruckt>).

98

(7) Den von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vorsorglich gestellten Beweisanträgen auf Einholung von Sachverständigengutachten zum Beweis dafür, dass die Prognosebelastung für das Jahr 2015 bzw. 2025 um mindestens 15 bzw. 20 % höher anzusetzen und aufgrund dessen auf der Querspange mit erhöhter Stauanfälligkeit zu rechnen sei, musste der Senat nicht nachkommen.

99

Liegen bereits Gutachten oder Auskünfte zu einer entscheidungserheblichen Tatsache vor, steht es nach § 98 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es zusätzliche Auskünfte oder Sachverständigengutachten einholt; das Tatsachengericht kann sich dabei ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen, die von einer Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden, stützen (Beschluss vom 23. August 2006 - BVerwG 4 A 1067.06 - juris Rn. 6 m.w.N.). Eine Pflicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens besteht nur dann, wenn sich die fehlende Eignung der vorliegenden Gutachten aufdrängt. Gutachten und fachtechnische Stellungnahmen sind dann ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (Beschlüsse vom 4. Januar 2007 - BVerwG 10 B 20.06 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 353 Rn. 12 und vom 5. Dezember 2008 - BVerwG 9 B 28.08 - Buchholz 406.25 § 50 BImSchG Nr. 6 Rn. 4 m.w.N.). Dies ist nicht der Fall. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, halten die Verkehrsprognosen der umfangreichen, in der mündlichen Verhandlung und mit dem nachgereichten Schriftsatz vertieften Kritik der Kläger stand. Der Senat hat auch keinen Anlass, an der Sachkunde und Unparteilichkeit der IVV zu zweifeln. Die Ingenieurgruppe IVV ist ein seit vielen Jahren etabliertes Gutachterbüro, das über große Erfahrung in der Erstellung von Verkehrsuntersuchungen und -prognosen verfügt. Auch am Sachverstand und an der Unvoreingenommenheit des in der mündlichen Verhandlung ausführlich befragten und mit der Kritik an den Untersuchungen konfrontierten Gutachters Dipl.-Ing. B. hat der Senat keinen Zweifel. Anlass, dem Beklagten - wie von den Klägern gewünscht - aufzugeben, sämtlichen Schriftverkehr mit der IVV vorzulegen, hat der Senat daher nicht gesehen. Soweit in der Begründung des aktualisierten Beweisantrags mit Bezug auf die Verkehrsuntersuchung 2009 der IVV von einem groben und offensichtlichen Mangel und einer willkürlichen Sachverhaltswürdigung gesprochen wird, weil für den Außenring von der IVV reduzierte Verkehrsmengen eingesetzt wurden, hat der Gutachter Dipl.-Ing. B. dies - wie gerade dargestellt - mit der Veränderung des Straßenquerschnitts nachvollziehbar erklärt. Es besteht daher auch nicht der im Beweisantrag gerügte unlösbare Widerspruch im Gutachten.

100

b) Der Beklagte hat, aufbauend auf der nicht zu beanstandenden Verkehrsprognose, die Lärmbelastung der Bevölkerung im Allgemeinen und diejenige der Kläger im Besonderen mit dem ihr zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt. Mängel, die auf das Planungskonzept durchschlagen könnten, sind unter diesem Gesichtspunkt nicht ersichtlich. Das Vorgehen des Beklagten entspricht der Verkehrslärmschutzverordnung. Diese verweist für Straßen auf ihre Anlage 1. Dort wird wiederum auf die Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen, Ausgabe 1990 (RLS-90) Bezug genommen.

101

(1) Die Kläger verkennen nicht, dass die Maßgaben für die Berechnung der Beurteilungspegel in der Anlage zur 16. BImSchV und der dortigen Bezugnahmen auf Kapitel 4.0 der RLS-90 von der Planfeststellungsbehörde bei der Beurteilung der Lärmbelastung der Anwohner des Vorhabens zu beachten sind. Sie meinen jedoch, angesichts neuerer Erkenntnisse zu den Entstehungs- und Beeinflussungsmechanismen von Lärm genüge es nicht, sich ausschließlich und buchstabengetreu auf die Verkehrslärmschutzverordnung und die RLS-90 zu stützen. Dem kann nicht gefolgt werden.

102

Ziel der Verordnung und der RLS-90 ist es, Vorschriften für die Berechnungsverfahren zur quantitativen Darstellung der Lärmbelastung von Straßenbauvorhaben zur Verfügung zu stellen. Dadurch sollen die Planfeststellungsbehörden und andere Anwender der Richtlinien in die Lage versetzt werden, aufgrund einheitlicher, auf Erfahrungswerten beruhender Verfahrensvorgaben Aussagen zur Berücksichtigung und Abwägung der Belange des Lärmschutzes bei Straßenplanungen zu treffen, den Nachweis der Erforderlichkeit von Lärmschutzmaßnahmen zu führen, wirtschaftliche und wirkungsvolle Lösungen für den Lärmschutz zu entwickeln und Lärmschutzmaßnahmen zu bemessen und zu optimieren (so ausdrücklich RLS-90, Kapitel 1.0). Ausgehend hiervon ist eine einzelfallbezogene Modifikation der Berechnungsverfahren weder in der Richtlinie selbst noch in der Verkehrslärmschutzverordnung vorgesehen. Eine solche wäre methodisch problematisch und würde dem Regelungsauftrag an den Verordnungsgeber, für Rechtssicherheit und Gleichbehandlung bei der Beurteilung von Verkehrsimmissionen zu sorgen, zuwiderlaufen (vgl. zum Regelungsauftrag BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, 174 <193 f.>). Dieser Auftrag verlangt im Gegenteil, dass sich Lärmbegutachtungen strikt an die Vorgaben der Verordnung und der in Bezug genommenen Richtlinien halten (Urteil vom 20. Dezember 2000 - BVerwG 11 A 7.00 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 36 S. 90).

103

Die von den Klägern vorgetragenen Argumente liefern keinen Grund für die Annahme, die Verkehrslärmschutzverordnung und die dort in Bezug genommenen RLS-90 seien nicht (mehr) ermächtigungskonform. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht dem Verordnungsgeber bei der Festlegung von Immissionsgrenzwerten, die eine abstrakt-generelle Abwägung widerstreitender Interessen erfordert, ein erheblicher Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der sich auch auf das Verfahren zur Ermittlung der Immissionsbelastung erstreckt (Urteile vom 21. März 1996 - BVerwG 4 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13 S. 38, vom 3. März 1999 - BVerwG 11 A 9.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 26 S. 25, vom 20. Dezember 2000 a.a.O. S. 89 und vom 14. November 2001 - BVerwG 11 A 31.00 - BVerwGE 115, 237 <242>). Vereinfachungen und Pauschalierungen sind dabei zulässig, auch wenn diese dazu führen, dass der tatsächliche Lärmpegel zu bestimmten Zeiten höher, zu anderen Zeiten niedriger als der Grenzwert liegt (Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 A 10.95 - a.a.O. S. 37 ff.). Der Wertungsspielraum wird erst dann überschritten, wenn die rechnerisch ermittelte Lärmbelastung die Wirklichkeit nicht oder nur noch völlig unzulänglich abbildet (Urteile vom 3. März 1999 a.a.O. und vom 20. Dezember 2000 a.a.O. S. 89).

104

(2) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Anwendung des Berechnungsverfahrens der Verkehrslärmschutzverordnung i.V.m. der RLS-90 nicht zu beanstanden. Offensichtliche Mängel, die Zweifel an der grundsätzlichen Eignung des Berechnungsverfahrens begründen könnten, die voraussichtliche Lärmbelastung wirklichkeitsnah abzubilden, liegen nicht vor.

105

Der Rüge der Kläger, Motorräder würden in der Verkehrslärmschutzverordnung und den Lärmberechnungen nach den RLS-90 nicht berücksichtigt, trifft nicht zu. Die Kläger übersehen, dass Motorräder zu den Kraftfahrzeugen gehören und daher Eingang in die Verkehrszählungen ebenso wie in die Berechnung der Verkehrsstärken finden und damit im gleichen Umfang wie Pkw berücksichtigt werden. Dass sie trotz eines ähnlich lauten Motorengeräusches nicht mit den Lkw gleichgestellt und gesondert berücksichtigt werden, erklärt sich aus den nicht vergleichbaren Fahrleistungen von Lkw und Motorrädern. Der von den Klägern selbst zitierte Artikel weist darauf hin, dass der Anteil der Motorräder über das Jahresmittel relativ gering sei.

106

Mit ihren weiteren Kritikpunkten - unzureichende Berücksichtigung von Impulsgeräuschen und Reflexionen bei Brückenbauwerken, von Geräuschen des Lkw-Verkehrs im tiefen Frequenzspektrum und der Geräuschentwicklung an Knotenpunkten - zeigen die Kläger ebenfalls nicht auf, dass die ermittelte Lärmbelastung die Wirklichkeit nur noch völlig unzureichend abbildet. Die Kläger müssen es hinnehmen, dass die Verkehrslärmschutzverordnung nur bestimmte, vom Verordnungsgeber für die Geräuschentwicklung als besonders gewichtig angesehene Parameter in Form besonderer Lärmzuschläge berücksichtigt. Die Grenze gesundheitlicher Gefahren wird durch die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV in Gebieten, die durch eine Wohnnutzung geprägt sind, nicht erreicht. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit enthält die Regelung der Grenzwerte ausreichende Reserven (vgl. Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 A 10.95 - a.a.O. S. 39).

107

(3) Entgegen der Ansicht der Kläger bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes keine durchgreifenden Bedenken gegen das Berechnungsverfahren. Die Grenze der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers bei der Festlegung der Grenzwerte und der Ausgestaltung der Lärmbelastungsermittlung ist erst dann erreicht, wenn das von ihm vorgegebene Berechnungsverfahren eine Lärmbelastung zulässt, die evident mit dem angestrebten Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen unvereinbar wäre, z.B. weil sie zu Gesundheitsgefahren führen könnte. Dies gebietet die in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltene Gewährleistung. § 41 Abs. 1 und § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ermächtigt den Verordnungsgeber nicht, durch seine Berechnungsverfahren grundrechtswidrige Eingriffe zuzulassen (Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 9.95 - BVerwGE 101, 1 <10>). Diesen Maßstab verfehlen die Kläger mit ihren Ausführungen zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Diskussionen in der Lärmwirkungsforschung ebenso wie mit dem Hinweis auf die Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm (ABl EG Nr. L 189 S. 12) und weitere gesetzliche Regelungen zum Gesundheitsschutz. Dass insbesondere unter Vorsorgegesichtspunkten gesundheitliche Auswirkungen von Lärmeinflüssen erforscht und niedrigere Grenzwerte diskutiert und für erstrebenswert erachtet werden, lässt nicht den Schluss zu, die Verkehrslärmschutzverordnung sei offensichtlich ungeeignet, den von Verfassungs wegen gebotenen Gesundheitsschutz zu gewährleisten (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 308 ff.).

108

(4) Die Kritik an der Art und Weise der Durchführung der lärmtechnischen Untersuchungen erschöpft sich in Vermutungen und Fragen. Dies genügt nicht, um die Lärmprognose zu erschüttern. Im Planfeststellungsbeschluss wird im Einzelnen dargelegt, dass bei den lärmtechnischen Berechnungen neben der zukünftigen Verkehrsbelastung einschließlich des Lkw-Anteils alle nach den normativen Vorgaben bedeutsamen Sachverhalte wie Geschwindigkeit, Lage der Autobahntrasse, Steigung, Straßenoberfläche, Reflexions- und Abschirmeffekte durch vorhandene Bebauung berücksichtigt worden seien (Planfeststellungsbeschluss S. 91 f.).

109

(5) Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Kläger, die für den angeordneten lärmmindernden Belag angesetzten Korrekturwerte könnten nicht erreicht werden. Auszugehen ist von den Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses. Dieser ordnet die Aufbringung eines Straßenbelages an, der sicherstellt, dass auf den durchgehenden Fahrbahnen ein Korrekturwert DStrO von - 5 dB(A) und auf den Fahrbahnen der Verbindungsrampen und der Anschlussstellenäste ein Korrekturwert DStrO von - 2 dB(A) erreicht wird. Welche Beläge zu verwenden sind, regelt der Planfeststellungsbeschluss nicht, sondern überlässt diesen für die Abwägung unerheblichen Aspekt der Bauausführung durch den Vorhabenträger.

110

Darüber hinaus wird der Vorhabenträger zugunsten der Anwohner für den Fall, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen sollten ("erforderlichenfalls"), verpflichtet, durch zusätzliche Maßnahmen, gegebenenfalls auch im Wege eines ergänzenden Planfeststellungsverfahrens, die Einhaltung der in der lärmtechnischen Berechnung genannten Pegelwerte bzw. der Immissionsgrenzwerte sicherzustellen. Der Planfeststellungsbeschluss gibt damit den Anwohnern eine vom Vorhabenträger einzulösende Lärmschutzgarantie.

111

Das Lärmschutzkonzept verlangt vom Vorhabenträger nichts bautechnisch Unmögliches; insbesondere sind die angesetzten Korrekturwerte erreichbar. Die Kläger weisen zwar auf eine Reihe technischer Schwierigkeiten bei Einbau, Unterhaltung und Erneuerung offenporigen Asphalts hin und werfen dem Beklagten vor, diese nicht hinreichend beachtet zu haben. Dass bei fachgerechter Bauausführung die vorgegebenen Lärmminderungswerte nicht erreicht werden können, ist damit jedoch nicht schlüssig dargetan. Soweit die Kläger kritisieren, in den "Einfädelungsbereichen" könne wegen der besonderen Belastungen nur Splittmastixasphalt zum Einsatz kommen, der einen deutlich geringeren Korrekturwert als offenporiger Asphalt besitze, übersehen sie, dass für die Verbindungsrampen und Anschlussäste niedrigere Korrekturwerte, die den Einsatz von Splittmastixasphalt erlauben, ausdrücklich vorgesehen sind. Auch die aus der erwähnten Lärmschutzgarantie ableitbare Verpflichtung des Vorhabenträgers, die Wirksamkeit des lärmmindernden Belags laufend zu kontrollieren und gegebenenfalls den Belag auszubessern oder sogar zu erneuern, berücksichtigen die Kläger bei ihrer Kritik nicht. Nicht zu überzeugen vermag ferner die Rüge, offenporiger Asphalt könne die tieffrequenten Geräusche von Lkw-Reifen nicht ausreichend mindern. Eine Unterscheidung zwischen lärmmindernden Faktoren von Lkw und Pkw bei der Berechnung des Gesamtbeurteilungspegels schlägt die von den Klägern selbst zitierte Untersuchung von Faulhammer/Richter ("Neue Messungen und Berechnungen zur Wirksamkeit von offenporigen Straßendeckschichten", November 2000) erst bei einem nennenswerten Lkw-Anteil von mehr als 20 % vor. Der prognostizierte Lkw-Anteil für die Querspange liegt in allen Untersuchungen des Verkehrsaufkommens darunter.

112

Für die Befürchtungen der Kläger, es könnten die Korrekturwerte bautechnisch nicht erreicht und nicht auf Dauer garantiert werden, spricht auch sonst nichts. Offenporige Asphalte werden seit mehr als 25 Jahren verwendet, erforscht und weiterentwickelt. Nach den Angaben des Beklagten erreichen moderne einschichtige offenporige Straßenbeläge anfängliche Lärmminderungen von - 8 dB(A) und zweischichtige von mehr als - 9 dB(A). Dies stimmt mit den Ergebnissen von Studien überein, die in der Abhandlung von Faulhammer/Richter ausgewertet werden. Demgegenüber werden im Planfeststellungsbeschluss lediglich Korrekturwerte von - 2 und - 5 dB(A) gefordert. Angesichts der damit vorhandenen Reserven hat der Senat keine Zweifel, dass der angesetzte Korrekturwert auch bei Berücksichtigung der voraussehbar starken verkehrlichen Belastung der Querspange erreicht werden kann. An Gewicht verliert bei der zu erwartenden hohen Anfangswirkung auch das von den Klägern angeführte Argument, es könne nicht von einer ausreichenden Langzeitwirkung des lärmmindernden Belags ausgegangen werden. Abgesehen davon greift bei einem relevanten, durch eine entsprechende Messung festgestellten (vgl. zum Messverfahren: Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Heft l S. 57) Verlust des Wirkungsgrades des Straßenbelags die Sicherstellungsgarantie des Planfeststellungsbeschlusses, die auch bedeuten kann, den Straßenbelag erneuern zu müssen.

113

(6) Die Rüge der Kläger, auch für die Bauphase sei kein genügender Schutz vor unzumutbarem Lärm getroffen worden, was insbesondere den Kläger zu 8 und seine Familie belaste, wird dem Planfeststellungsbeschluss nicht gerecht. Darin ist festgelegt, dass der Baustellenverkehr überwiegend im Trassenverlauf abgewickelt und nur soweit dies nicht möglich ist, das öffentliche Straßennetz vorübergehend in Anspruch genommen werden soll (Nr. 5.3.14.5). Dies stellt der Sache nach eine verbindliche Vorgabe für den Vorhabenträger dar. Die Befürchtungen der Kläger, ein Großteil des Schwerlastverkehrs während der Erdarbeiten für die Trasse werde über die Höfestraße abgewickelt, sind daher nicht begründet.

114

(7) Der Planfeststellungsbeschluss und der Planergänzungsbeschluss haben die Anwendung der Verkehrslärmschutzverordnung auf den Kläger zu 13 mit zutreffender Begründung verneint. Wie sich aus § 1 der 16. BImSchV und der Entstehungsgeschichte der Verordnung ergibt, ist für deren Anwendbarkeit allein der von dem zu bauenden oder zu ändernden Abschnitt ausgehende Lärm maßgeblich. Lärm, der aufgrund der baulichen Veränderung des Verkehrsweges an anderer Stelle im Verkehrsnetz auftritt, wird von der Verkehrslärmschutzverordnung nicht berücksichtigt (Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 4 A 18.04 - BVerwGE 123, 152 <155>). Dies gilt auch dann, wenn die Lärmsteigerungen durch ein Vorhaben bedingt sind, das zusammen mit weiteren Vorhaben Teil einer räumlichen und konzeptionellen Gesamtplanung ist. Mittelbare Auswirkungen eines Teilvorhabens sind auch unter diesen Voraussetzungen nur dann in die Berechnungen nach der Lärmschutzverordnung einzubeziehen, wenn sie auf der zu bauenden oder zu ändernden Strecke des anderen Teilvorhabens entstehen (Urteil vom 23. November 2005 - BVerwG 9 A 28.04 - BVerwGE 124, 334 <339 f.>). Nimmt als Folge eines Vorhabens der Verkehr auf einer anderen, vorhandenen Straße zu, ist allerdings der von ihr ausgehende Lärmzuwachs im Rahmen der Abwägung nach § 17 Satz 2 FStrG zu berücksichtigen, wenn er mehr als unerheblich ist und ein eindeutiger Ursachenzusammenhang zwischen dem Vorhaben und der zu erwartenden Verkehrszunahme auf der anderen Straße besteht. Dieser Vorgabe trägt die Abwägung aber bereits dann Rechnung, wenn den Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse genügt wird, wofür es ausreicht, die Immissionsgrenzwerte für Dorf- und Mischgebiete einzuhalten (Urteil vom 17. März 2005 a.a.O. S. 157 f.). Diese werden bezüglich des Klägers zu 13 deutlich unterschritten.

115

c) Das Vorhaben wirft keine Probleme für die Luftqualität auf, die im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss hätten bewältigt werden müssen.

116

Die Einhaltung der Grenzwerte der Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft (22. BImSchV) stellt keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planfeststellung des Vorhabens dar. Rechtlicher Maßstab zur Beurteilung der mit dem Vorhaben verbundenen Beeinträchtigungen der Luftqualität ist vielmehr das planungsrechtliche Abwägungsgebot.

117

Die Grenzwerte, die die Verordnung für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel, Blei, Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft festlegt, stehen in engem Zusammenhang mit dem System der Luftreinhalteplanung (vgl. § 47 BImSchG, § 11 der 22. BImSchV). Mit diesem System hat der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber in Umsetzung der Vorgaben gemeinschaftsrechtlicher Luftqualitätsrichtlinien einen abgestuften Regelungsmechanismus vorgesehen, der Grenzwertüberschreitungen immissionsquellenunabhängig begegnen soll. Die durch das Gemeinschaftsrecht gewährte Freiheit, zwischen den zur Einhaltung der Grenzwerte geeigneten Mitteln zu wählen, wird durch die Regelungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der 22. BImSchV jedoch nicht beschränkt. Sie schließt grundsätzlich eine Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde aus, die Einhaltung der Grenzwerte vorhabenbezogen zu garantieren (Urteile vom 26. Mai 2004 - BVerwG 9 A 6.03 - BVerwGE 121, 57 <61>, vom 23. Februar 2005 - BVerwG 4 A 5.04 - BVerwGE 123, 23 <28> und vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 115).

118

Das planungsrechtliche Abwägungsgebot erfordert aber, die Auswirkungen des Vorhabens auf die Luftqualität in der Planfeststellung zu berücksichtigen. Der Vorhabenträger ist grundsätzlich gehalten, die durch die Planungsentscheidung geschaffenen Konflikte zu bewältigen. Die Konfliktbewältigung kann allerdings auch darin bestehen, dass die Planfeststellungsbehörde die endgültige Problemlösung einem spezialisierten und verbindlichen, auf gesetzlichen Regelungen beruhenden Verfahren überlässt. Das Gebot der Konfliktbewältigung als Ausformung des Abwägungsgebotes ist erst verletzt, wenn die Planfeststellungsbehörde das Vorhaben zulässt, obgleich absehbar ist, dass seine Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu vereinbarenden Weise zu sichern. Das ist insbesondere der Fall, wenn die von einer planfestgestellten Straße herrührenden Immissionen bereits für sich genommen die maßgeblichen Grenzwerte überschreiten. Von diesem Fall abgesehen geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt. Für die Annahme, dass dies nicht möglich ist, müssen deshalb besondere Umstände vorliegen, wie sie zum Beispiel an zentralen Verkehrsknotenpunkten gegeben sein können (vgl. Urteil vom 23. Februar 2005 a.a.O. S. 29 m.w.N.).

119

Diesen Grundsätzen wird der Planfeststellungsbeschluss gerecht.

120

(1) Das Vorgehen des Ingenieurbüros Lohmeyer GmbH u. Co. KG in den Schadstoffuntersuchungen vom März 2003 und Juli 2004, sich auf eine Prognose der durch den Straßenverkehr erzeugten Schadstoffe zu konzentrieren, begegnet keinen Bedenken (vgl. Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 201 Rn. 118 ).

121

Während die nach dem Prognoseverfahren PROKAS und unter Verwendung des vom Umweltbundesamt herausgegebenen Handbuchs für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs durchgeführten Untersuchungen für Benzol zu dem Ergebnis gelangen, die Grenzwerte würden bei weitem nicht erreicht werden, stellen sie für Stickstoffdioxid teilweise deutliche Belastungen fest. Vor allem im östlichen Planungsabschnitt, insbesondere im Einmündungsbereich der B 226, komme es beim Jahresmittelwert zu flächenhaft ausgeprägten Bereichen mit deutlichen NO2-Belastungen und Grenzwertüberschreitungen, ohne dass allerdings Wohnnutzung betroffen sei. Der Grenzwert für die NO2-Kurzzeitbelastung werde dagegen nicht erreicht. Der Jahresmittelwert für PM10 wird den gutachterlichen Berechnungen nach in keinem Abschnitt des Vorhabens erreicht. Hingegen geht das Gutachten davon aus, dass der Tagesmittelwert an der nächstgelegenen Bebauung überwiegend eingehalten, aber teilweise erreicht wird. Auf dieser Grundlage besteht kein Handlungsbedarf, dem bereits in der Planfeststellung Rechnung getragen werden muss. Die Zusatzbelastung liegt zwar bei dem Jahresmittelwert für NO2 und dem Tagesmittelwert für PM10 teilweise im kritischen Bereich. Mit deutlichen Grenzwertüberschreitungen, die eine Problemlösung schon im Planfeststellungsbeschluss erfordert hätten, ist aber nicht zu rechnen. Zum einen sind die Grenzwertüberschreitungen im unmittelbaren Trassenbereich lokalisiert, in dem keine Beeinträchtigung von Wohngrundstücken droht. Zum anderen bestehen keine besonderen örtlichen Verhältnisse, die die Eignung von Maßnahmen der Luftreinhaltung zur Bewältigung der Gesamtbelastung ausschließen und daher ebenfalls schon eine Problemlösung in der Planfeststellung hätten gebieten können.

122

(2) Die Einwände der Kläger gegen die Ermittlung der dem Vorhaben zuzurechnenden Schadstoffkonzentrationen und damit gegen die Grundlage dieser Beurteilung greifen nicht durch.

123

(a) Der Kritik der Kläger, das für die lufthygienischen Untersuchungen verwendete Prognoseverfahren PROKAS, das seinerseits auf der VDI-Richtlinie 3782 Bl. 1 aufbaut, weise als Ausbreitungsmodell nach dem Gaußansatz Anwendungsgrenzen (Beschränkungen bei Quellhöhe, Quellentfernung sowie Rauigkeit, Nichtberücksichtigung von Kurzzeitüberschreitungswerten) auf, die es für die Schadstoffuntersuchung im Rahmen von Straßenplanungen ungeeignet machten, ist nicht zu folgen. Der Gutachter des Beklagten Dipl.-Geogr. N. vom Ingenieurbüro Lohmeyer hat in der mündlichen Verhandlung zwar bestätigt, dass das Gaußsche Fahnenmodell, das der VDI-Richtlinie 3782 Bl. 1 zugrunde liegt, auf Punktquellen zugeschnitten ist. Das Modell sei aber durch das Büro Lohmeyer so modifiziert worden, dass es auch bodennahe Linienquellen erfassen könne. Entsprechend hatte sich das Büro Lohmeyer bereits in seiner der Klageerwiderung beigefügten Stellungnahme vom 23. Juni 2008 geäußert. Anhaltspunkte dafür, dass die Modifikationen des Ausbreitungsmodells zum Zweck der Bestimmung von Schadstoffimmissionen durch den Straßenverkehr nicht möglich oder methodisch nicht fachgerecht erfolgt sind, liegen nicht vor. Solche haben auch die Kläger nicht aufgezeigt. In ihrer überarbeiteten Beweisantragsbegründung wiederholen sie lediglich die Rüge, die nach der VDI-Richtlinie 3782 Bl. 1 vorgegebenen Anwendungsgrenzen würden nicht beachtet.

124

Die Verwendung eines modifizierten Ausbreitungsmodells wird entgegen der Ansicht der Kläger durch die 22. BImSchV nicht ausgeschlossen. Die Anlage 1 zur 22. BImSchV enthält weder Vorgaben darüber, nach welchen Methoden die nach § 10 Abs. 2 und 3 der Verordnung vorgeschriebenen Messungen zur Beurteilung der Schadstoffkonzentrationen und der Luftqualität vorzunehmen sind, noch legt sie ein bestimmtes Verfahren bei der Anfertigung von Schadstoffprognosen im Rahmen von Planungsverfahren fest. Dass das Verfahren PROKAS in besonderer Weise geeignet ist, Lärmschutzbauten typisierend zu erfassen, und deswegen dem Verfahren nach MLuS in diesen Fällen vorzuziehen ist, hat der Senat bereits in einem früheren Verfahren festgestellt (Urteil vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 Rn. 110 ).

125

Es trifft auch nicht zu, dass das Ingenieurbüro Lohmeyer das Ausbreitungsmodell für das streitgegenständliche Vorhaben selbst für ungeeignet hielte. Die von den Klägern für diesen Einwand zitierte Ausarbeitung eines Mitarbeiters des Ingenieurbüros Lohmeyer zu so genannten Hotspots gibt für eine solche Aussage nichts her. Das dort erläuterte Beispiel aus Dresden betrifft den Ausbau einer innerörtlichen Straße, die eine "zweiseitig dichte Randbebauung" (S. 20 der Präsentation) als relevante Bebauung aufweist und deshalb eine andere Bebauungssituation betrifft, als sie vorliegend überwiegt. Dass bedeutsame klimarelevante Landschaftsgliederungen im Untersuchungsgebiet existieren, ist aus den Planunterlagen nicht erkennbar und durch den pauschalen Hinweis der Kläger auf "Nebellöcher" an der Schattbachstraße nicht substantiiert dargetan. Letztere führen auch für sich nicht zu erhöhten Immissionsansammlungen, sondern, wie aus der Stellungnahme des Ingenieurbüros Lohmeyer vom 23. Juni 2008 hervorgeht, nur bei bodennahen Emittenten in den Muldenlagen. Hierzu zählen die vorhandenen Straßen nicht.

126

Der Vorwurf, bei der Ermittlung der Vorbelastung werde bei dem Verfahren PROKAS die durch den vorhandenen Straßenverkehr hervorgerufene Belastung nicht berücksichtigt, beruht auf einem Missverständnis. Wie aus Ziffer 4 der Untersuchung des Ingenieurbüros Lohmeyer aus dem Jahr 2004 und aus der Stellungnahme vom 23. Juni 2008 hervorgeht, werden neben Immissionen aus Industrie und Hausbrand auch die Belastungen des Straßenverkehrs auf dem vorhandenen Straßennetz, einschließlich des weiter entfernt fließenden Verkehrs berücksichtigt. Lediglich die Verkehrsemissionen auf dem geplanten neuen Straßenabschnitt und den zuführenden, querenden und parallel verlaufenden Straßenabschnitten werden als Zusatzbelastung gesondert und zusätzlich zu der vorhandenen allgemeinen Vorbelastung erfasst. Ein gesonderter Rechenschritt, der die Vorbelastung um den Verkehrsanteil des betrachteten Straßennetzes bereinigt, erfolgt danach nicht. Eine solche Herausrechnung ist auch nicht erforderlich. Wie der Gutachter des Beklagten Dipl.-Geogr. N. bereits im Anhörungstermin verdeutlicht hat, geht es bei der Bestimmung der Vorbelastung um die Ermittlung der Immissionsbelastung des Untersuchungsgebietes durch die Auswertung von Daten vorhandener Messstationen, wobei die Quellen der gemessenen Emissionen nicht im Einzelnen unterschieden werden können. Zu dieser großräumigen, auch die Emissionen des Straßenverkehrs beinhaltenden Vorbelastung wird die rechnerisch ermittelte Zusatzbelastung addiert und so die Gesamtbelastung gebildet.

127

Die Eignung des Verfahrens PROKAS wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Kurzzeitbelastungen von NO2 und PM10 nicht mit dem gleichen Berechnungsverfahren wie die Jahresmittelwerte berechnet werden können. Das Ingenieurbüro Lohmeyer weist in seiner Untersuchung vom Juli 2004 darauf hin, dass aufgrund der linearen Abhängigkeit der Kurzzeitwerte von den Jahresmittelwerten und vorhandenen Messdaten insoweit die Möglichkeit einer zuverlässigen alternativen Berechnung bestehe. Dies entspricht der Vorgehensweise nach dem MLuS 02 und ist nicht zu beanstanden (vgl. MLuS 02 S. 11, Bild 3.2.2; Urteil vom 23. Februar 2005 - BVerwG 4 A 5.04 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 18 S. 95).

128

(b) Die Kritik der Kläger an den Einsatzfaktoren der Luftschadstoffgutachten rechtfertigt ebenfalls keine rechtlichen Beanstandungen.

129

Da für die Vorbelastung im Untersuchungsgebiet Messdaten nicht zur Verfügung standen, war es sachgerecht, auf die über Jahre hin erhobenen Messdaten anderer geeigneter Messstationen zurückzugreifen; angesichts dieser verfügbaren Daten war die Durchführung eigener, jahrelanger Messungen an Ort und Stelle vom Vorhabenträger nicht zu fordern (Urteile vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - a.a.O. Rn. 126 und vom 12. August 2009 a.a.O. Rn. 111). Anders als bei vorhabenbezogenen Messungen (vgl. Urteil vom 23. Februar 2005 a.a.O. S. 98) kann bei der Auswertung der Messergebnisse an vorhabenfremden Messstationen keine grundstücksbezogene Analyse der Vorbelastung gefordert werden. Allerdings genügt es auch nicht, eine ausschließlich gebiets- oder ballungsraumbezogene Betrachtung anzustellen. Die Auswahl der berücksichtigten Messstationen muss vielmehr den örtlichen Verhältnissen Rechnung tragen und gegebenenfalls bestehende deutliche Unterschiede der für die Vorbelastung im Plangebiet maßgeblichen Faktoren berücksichtigen.

130

Ob die hier vorgenommene Bildung eines einheitlichen Vorbelastungswertes diesen Anforderungen in jeder Hinsicht gerecht wird, ist angesichts des im westlichen Teil des planfestgestellten Vorhabens vorhandenen Außenrings einerseits und der im östlichen Teilabschnitt vorherrschenden landwirtschaftlichen Nutzung des künftigen Trassengeländes andererseits nicht zweifelsfrei. Es ist aber nicht erkennbar, dass sich ein etwaiger Fehler zu Lasten der Kläger oder sonstiger Betroffener ausgewirkt hätte. Bei der Auswahl der Messstationen sind die örtlichen Verhältnisse im östlichen Trassenabschnitt nicht vorbelastungsmindernd berücksichtigt worden. Neben den räumlich nächst gelegenen Messstationen in den umliegenden Städten wurden zur Verdeutlichung der großräumigen Belastungen weiter entfernt liegende Messstationen in Dortmund und Castrop-Rauxel sowie speziell zur Abbildung von Belastungen durch Industrie (Feinstaub) und Verkehr die Station Bochum-Stahlhausen und die Straßenmessstation Essen-Ost herangezogen. Damit hat die derzeitige landwirtschaftliche Nutzung im Bereich eines Teils der Trasse für die Querspange bei der Auswahl der Messstationen keine Berücksichtigung gefunden.

131

Die von den Klägern erhobene Forderung, auch die Daten der Messstation Essen-Hombrucher Straße heranzuziehen, erscheint verfehlt, da diese Station direkt an der hochbelasteten Autobahn A 40 gelegen ist und daher nicht die im Plangebiet vorhandene Vorbelastung, sondern die Belastung durch die geplante Autobahn selbst abgebildet würde. Die Verkehrsbelastung des Außenrings ist mit derjenigen auf der A 40 nicht vergleichbar und wird durch die an einer mehrstreifigen Hauptverkehrsstraße gelegene Straßenmessstation Essen-Ost bereits gezielt berücksichtigt.

132

Nicht gefolgt werden kann auch dem Einwand der Kläger, den Emissionen des benachbarten Opel-Werks und des westlich der Trasse gelegenen RWE-Kraftwerks Bochum sei bei der Ermittlung der Vorbelastung nicht hinreichend Rechnung getragen worden. Der Gutachter des Beklagten Dipl.-Geogr. N. ist dem in der mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis entgegengetreten, Kaminableitungen wirkten sich nicht in der näheren Umgebung aus; sie und die sonstigen Emissionen der Werke fänden über die städtischen Vorbelastungswerte Eingang in die Berechnung. Das Argument der Kläger, der Binnenverkehr des Opel-Werks hätte Anlass zu einer gesonderten Betrachtung geben müssen, überzeugt angesichts der Größe des Betriebsgeländes und der erkennbaren Abschirmungsfunktion der zur Trassenseite hin errichteten hohen Werkshallen ebenfalls nicht.

133

(c) Dem Einwand der Kläger, die Daten der Messstationen für die Jahre 2004 bis 2006 belegten einen deutlichen Anstieg der Schadstoffwerte, der Anlass gegeben hätte, vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eine neue Luftschadstoffuntersuchung in Auftrag zu geben, kann nicht gefolgt werden. So berücksichtigen die Kläger in ihrem Vortrag mehrere Stationen nicht, die von der IVV ausgewertet wurden, beziehen dafür aber zahlreiche weitere Stationen an zum Teil deutlich weiter entfernt liegenden Messorten im westlichen Ruhrgebiet (Duisburg, Oberhausen und Mühlheim) ein. Eine nachvollziehbare Erklärung für ihre Vorgehensweise liefern die Kläger nicht. Die Messergebnisse der von der IVV herangezogenen Messstellen belegen die Kritik der Kläger aber nicht. Sie lassen praktisch keinen Anstieg der Jahresmittelwerte bei NO2 erkennen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Jahresmittelwerten für PM10.

134

(d) Vor diesem Hintergrund und angesichts der nach dem aktuellen Luftreinhalteplan Ruhrgebiet, Teilplan Ruhrgebiet Ost der Bezirksregierung Arnsberg, (2008) im Bereich von Industrie, Hausbrand/Kleingewerbe und im Bereich Verkehr vorgesehenen Maßnahmen, insbesondere unter Berücksichtigung der Einschätzung in diesem Luftreinhalteplan, dass ausgehend vom Jahr 2006 für das Jahr 2010 im Gebiet Bochum, Dortmund und Herne mit einem leichten Sinken der regionalen Hintergrundbelastung um maximal 3 µg/m3 für PM10 und NO2 zu rechnen sei, erweist sich auch die Verwendung von Reduktionsfaktoren in den Schadstoffgutachten als eine jedenfalls vertretbare Prognoseentscheidung. Dass sich zwischen 2000 und 2006 an den ausgewählten Messstationen keine Reduktion feststellen lässt, stellt diese Prognose nicht in Frage.

135

(e) Dem von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vorsorglich gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass die Schadstoffbelastung durch NO2 und PM10 bereits ohne Berücksichtigung des planfestgestellten Vorhabens über den Immissionswerten der 22. BImSchV liege und die Prognosebelastung für das Jahr 2025 um mindestens 15 bzw. 20 % höher anzusetzen und nicht mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung beherrschbar sei, musste der Senat nicht nachkommen. Die von den Klägern gegen die Schadstoffgutachten vorgebrachten Einwände haben sich als nicht stichhaltig erwiesen. Gleiches gilt für ihre Behauptung, möglichen Grenzwertüberschreitungen könnte nicht mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung begegnet werden. Die in der überarbeiteten Beweisantragsbegründung zum Beleg für diese Behauptung vorgelegten Berechnungen haben die Kläger selbst als wissenschaftlich nicht abgesichert bezeichnet. Sie beruhen zudem auf Annahmen zur Vorbelastung, denen aus den oben dargelegten Gründen nicht gefolgt werden kann. Sonstige Anhaltspunkte, an der fachlichen Eignung des mit der Erstellung der Schadstoffgutachten betrauten Ingenieurbüros zu zweifeln, bestehen nicht.

136

d) Mit ihrer Kritik an der Trassenwahl können die Kläger keinen Erfolg haben. Die am Maßstab des planungsrechtlichen Abwägungsgebotes zu beurteilende Auswahlentscheidung leidet nicht an Mängeln, die für das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.

137

Soweit die Kläger in ihrem nach der mündlichen Verhandlung zu den Akten gereichten Schriftsatz vom 7. Juni 2010 ihrer Ansicht nach schadensmindernde Trassenvarianten auflisten, kann dieser Vortrag schon deswegen nicht berücksichtigt werden, weil die Kläger es unterlassen haben, nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 283 ZPO Schriftsatznachlass zu beantragen. Der genannte Vortrag gibt dem Gericht auch keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

138

Eine substantiierte Auseinandersetzung mit der ausführlichen Trassendiskussion im Planfeststellungsbeschluss findet sich weder hier noch an anderer Stelle des Vortrags der Kläger.

139

Die Kritik der Kläger an der Anschlussstelle Markstraße und der Verknüpfung der Universitätsstraße mit der A 44 greift nicht durch. Die am Maßstab des planungsrechtlichen Abwägungsgebotes zu beurteilende Auswahlentscheidung leidet nicht an Abwägungsmängeln. Der Verzicht auf die Anschlussstelle erweist sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange nicht eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere Lösung und musste sich deshalb der Planfeststellungsbehörde nicht als vorzugswürdig aufdrängen (vgl. Urteil vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <249 f.>; Beschluss vom 24. April 2009 - BVerwG 9 B 10.09 - NVwZ 2009, 986 <987> m.w.N.). Dass die Kläger die Verkehrsanbindung bestimmter Stadtteile Bochums abweichend von der Auffassung der Planfeststellungsbehörde für ausreichend erachten und deswegen auf diese Anschlussstelle verzichten wollen, genügt hierfür ebenso wenig wie der Hinweis darauf, dass das Opel-Werk nach Auffassung der Kläger voraussichtlich nicht viel länger als bis 2016 Bestand haben werde. Hinsichtlich des Anschlusses der Universitätsstraße an die Querspange haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, nach Maßgabe der aktualisierten Verkehrsuntersuchung 2009 und der ergänzenden Untersuchung 2010 sei die - von ihnen ursprünglich geforderte - Verbreiterung der Brücke an der Anschlussstelle und damit die Inanspruchnahme des Grundeigentums der Klägerin zu 12 nicht zu rechtfertigen. Dem kann schon deswegen nicht gefolgt werden, weil sich die von den Klägern herangezogene rückläufige Entwicklung der Verkehrszahlen nicht aus den für den Planfeststellungsbeschluss maßgeblichen Verkehrsgutachten, sondern aus den während des gerichtlichen Verfahrens erstellten und auf einen anderen Prognosezeitpunkt bezogenen Untersuchungen ergibt. Soweit die Kläger im Übrigen bemängeln, die Prognosewerte für 2010 in der Untersuchung der IVV von 1996 und 1998/1999 differierten ohne erkennbaren Grund um 8 000 Kfz, beruht dies offensichtlich auf einem Lesefehler. Bild 10 auf Seite 22 der Untersuchung von 1996, auf das sie sich zum Beleg ihrer These berufen, geht von 47 000 Kfz/24 h und nicht - wie die Kläger meinen - von 41 000 Kfz/24 h aus.

140

e) Der Planfeststellungsbeschluss weist auch bei der Behandlung des Gewässer- und Grundwasserschutzes keine Rechtsfehler auf. Die Belange der Kläger zu 1 bis 4, insbesondere der Wasserzufluss für die Gräfte von "Haus L." durch den so genannten Isabella-Stollen, sind in einer den rechtlichen Anforderungen des Abwägungsgebotes (§ 17 Satz 2 FStrG) genügenden Weise berücksichtigt worden.

141

Den Eigentümern der mit der historischen Wasserburg "Haus L." bebauten Grundstücke steht ein im Wasserbuch der Stadt Bochum eingetragenes Wasserrecht zur Entnahme von Grund- und Grubenwasser zur Speisung der Gräfte zu. Die Kläger rügen, der Beklagte habe die Grundwasserproblematik und die hydrogeologischen Verhältnisse nicht genügend ermittelt. Für die Standsicherheit der auf einem Eichenpfahlrost gegründeten Wasserburg und die dort betriebene Fischzucht sei ein gleichbleibend hoher Wasserspiegel von existentieller Bedeutung. Durch den Bau der Trasse sei eine Störung der den Wasserzufluss bisher sichernden Grundwasserströme und des Quellgebietes des Isabella-Stollens zu befürchten.

142

Der Beklagte hat im Planfeststellungsbeschluss diese Betroffenheit erkannt, die befürchteten Beeinträchtigungen aber unter Hinweis darauf zurückgewiesen, dass die Trasse fast überwiegend in Dammlage verlaufe und während der Bauphase alle Maßnahmen ergriffen würden, um Beschaffenheit und Menge des im Bereich des Isabella-Stollens austretenden Grund- und Grubenwassers nicht zu beeinträchtigen. Durch die in der mündlichen Verhandlung erklärte Planergänzung hat der Beklagte die in dem erdbautechnischen Streckengutachten für die Bauausführung vom 25. September 1998 vorgeschlagenen Maßnahmen zur Sicherung des Isabella-Stollens zum Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses gemacht.

143

Jedenfalls in der Gestalt, die der Planfeststellungsbeschluss durch die Planergänzung gefunden hat, ist er nicht zu beanstanden. Durch die Verrohrung und Sicherung des Stollens im Bereich der Trasse wird sichergestellt, dass der Stollen nicht zerstört wird und der Gräfte weiter in dem erforderlichen, durch das Wasserrecht abgesicherten Umfang Gruben- und Grundwasser zufließt. Die Behauptung der Kläger, das Quellgebiet der Gräfte werde überbaut, trifft nicht zu. Der Gutachter des Beklagten Prof. Dr. P. ist dem in seiner zusammenfassenden fachtechnischen Stellungnahme vom 9. April 2010 überzeugend entgegen getreten. Er führt darin aus, dass der Stollen zur Entwässerung insbesondere der höher gelegenen Bergwerke (Zeche Dannenbaum) und Abbaufelder diente und auch heute noch als Wassersammler das zuströmende Grund- und Grubenwasser aus höher gelegenen Abbaufeldern abführe. Zusätzlich werde er durch Sickerwasser aus den Deckschichten des Karbons gespeist. Nach den vorliegenden Unterlagen über den Kanalbestand der Stadt Bochum könne der Gräfte stets Wasser aus dem Isabella-Stollen zufließen. Der Kritik der Kläger, die im erdbautechnischen Gutachten vorgesehene Verdichtung des Untergrunds im Trassenbereich werde die Grundwasserströme ablenken und die Trasse werde als Sperrriegel wirken, tritt die fachtechnische Stellungnahme mit dem Hinweis entgegen, durch die mittels Tiefenrüttlers erzeugten Hohlräume, in die z.B. Kies eingebaut werde, würden wasserdurchlässige Bodensäulen bis zur Karbonoberfläche entstehen. Im Übrigen weist die fachtechnische Stellungnahme darauf hin, dass die im erdbautechnischen Streckengutachten angesprochenen Sandbänder sich in den Deckschichten des grundwasserführenden Karbons befänden und dem Isabella-Stollen daher kein Wasser zuführten. Das Karbon bleibe von den Baumaßnahmen aber weitgehend unberührt.

144

Die Gegenäußerung der Kläger zu der fachtechnischen Stellungnahme vermag diese Aussagen nicht in Frage zu stellen. Auf die für den Fortbestand der Wasserversorgung zentrale Aussage der Stellungnahme, dass der Isabella-Stollen wesentlich durch das Grubenwasser im Bereich der ehemaligen Zeche Dannenbaum gespeist werde, gehen die Kläger nicht ein, sondern wiederholen im Wesentlichen ihr früheres Vorbringen (z.B. zum Quellgebiet des Isabella-Stollens, der Sperrfunktion der Trasse, den Sohlenhöhen und Grundwasserschichten) bzw. bleiben pauschal oder beschäftigen sich mit Einzelheiten der Höhe, Breite und Bauweise des Stollens, auf die es ebenso wenig ankommt wie auf solche der Bauausführung der für den Stollen vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen. Entscheidend ist allein, dass keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass der Isabella-Stollen weiterhin das Grund- und Grubenwasser, insbesondere aus der ehemaligen Zeche Dannenbaum, sammeln und durch die vorgesehene teilweise Verrohrung zur Gräfte weitertransportieren kann. Dies ist der Fall, wie der Gutachter des Beklagten Prof. Dr. P. auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal bestätigt hat. Zweifel an der technischen Realisierbarkeit bestehen nicht. Soweit die Kläger befürchten, die Funktion des Stollens könne durch die vorgesehenen Revisionsschächte beeinträchtigt werden, da es hierdurch zu einer Zerstörung des von ihnen in der Vergangenheit hergestellten Luftabschlusses des Stollens komme, ist nicht ersichtlich, dass die Einstiege zu den Revisionsschächten nicht ebenfalls luftdicht ausgestaltet werden könnten.

145

Die Rüge der Kläger, der Planfeststellungsbeschluss habe nicht beachtet, dass der Isabella-Stollen durch den Einbau des Rohres seine Funktion als Luftschutzstollen verliere, kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Dass sie im Besitz einer baurechtlichen oder sonstigen Genehmigung zur Nutzung des Stollens als Luftschutzeinrichtung wären, behaupten die Kläger selbst nicht. Der Stollen ist nach dem eigenen Vorbringen der Kläger wegen des Luftabschlusses und seiner Erschütterungsempfindlichkeit auch nicht für diesen Zweck geeignet und nicht genehmigungsfähig.

146

Der Planfeststellungsbeschluss weist auch nicht deshalb einen Abwägungsfehler auf, weil er die von den Klägern behauptete Denkmalwürdigkeit des Isabella-Stollens nicht erkannt und nicht gewürdigt hat. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz - DSchG NRW) vom 11. März 1980, GV NRW S. 226, 716, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. April 2005, GV NRW S. 274, ist die Eintragung in die Denkmalliste für die Denkmaleigenschaft konstitutiv. Erst mit der Eintragung oder der vorläufigen Unterschutzstellung unterliegt eine bauliche oder sonstige Anlage dem Denkmalschutzgesetz. Eine Eintragung ist aber bisher nach dem eigenen Vortrag der Kläger nicht vorgenommen worden. Die Kläger behaupten auch nicht, eine solche als Eigentümer gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 DSchG NRW beantragt und etwa eine zu Unrecht erfolgte Ablehnung gerichtlich angegriffen zu haben.

147

f) Die von den Klägern zu 1, 2, 3 und 4 geltend gemachte Existenzgefährdung ist in einer den rechtlichen Anforderungen genügenden Weise berücksichtigt worden.

148

(a) Es ist grundsätzlich Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, sich in Ausübung der ihr übertragenen planerischen Gestaltungsfreiheit darüber schlüssig zu werden, ob und in welchem Umfang sie zur Verwirklichung eines von ihr für erforderlich gehaltenen planfeststellungsbedürftigen Vorhabens außer in öffentliche Belange auch in Rechte Dritter eingreifen will, und das Gewicht der mit diesen Eingriffen verbundenen Nachteile den mit dem Vorhaben verbundenen Vorteilen selbständig abwägend gegenüberzustellen. Hierbei muss sie bei Flächeninanspruchnahmen auch die Möglichkeit einer Existenzvernichtung oder -gefährdung vorhandener landwirtschaftlicher oder gewerblicher Betriebe und Unternehmungen in ihre Betrachtung und Abwägung einbeziehen (Beschluss vom 31. Oktober 1990 - BVerwG 4 C 25.90, 4 ER 302.90 - juris Rn. 17; ausf. zum landwirtschaftlichen Betrieb Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 13.08 - juris Rn. 26 ff. m.w.N. ). Auch ohne direkte Inanspruchnahme muss sie das Interesse des Gewerbetreibenden an der Erhaltung der unter Umständen mit erheblichen Investitionen ausgenutzten Erwerbsquelle bei der hoheitlichen Planung berücksichtigen. Allerdings schützt auch Art. 14 Abs. 1 GG nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit. Eine Minderung der Rentabilität ist hinzunehmen. Dies gilt selbst dann, wenn die Ursächlichkeit der geminderten Wirtschaftlichkeit durch einen staatlichen Eingriff unzweifelhaft gegeben ist (Urteil vom 24. Mai 1996 - BVerwG 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 18 m.w.N.).

149

Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Einwand der Existenzgefährdung ist nur dann entbehrlich, wenn die Planfeststellungsbehörde deutlich macht, dass sie die für das Vorhaben streitenden Belange für so gewichtig hält, dass es auch um den Preis einer Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung des betroffenen Betriebes verwirklicht werden soll (vgl. Urteil vom 27. März 1980 - BVerwG 4 C 34.79 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 34 S. 109 f.). Wird die betriebliche Existenz weder vernichtet noch gefährdet, kann sich die Planfeststellungsbehörde grundsätzlich damit begnügen, den Eigentümer auf das nachfolgende Enteignungsverfahren zu verweisen.

150

(b) An diese Anforderungen des Abwägungsgebotes hat sich der Beklagte gehalten. Er hat sich insbesondere in den mehrtägigen Anhörungen darum bemüht, die von den Klägern in ihren Einwendungsschreiben geltend gemachten gewerblichen Interessen zu erfassen. Die im Planfeststellungsbeschluss aufgeführten sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Betätigungsfelder rund um das "Haus L." (Vermietung von Räumlichkeiten und Durchführung von Veranstaltungen, Gästehausbetrieb, Fischzucht, Pensionspferdehaltung, Landwirtschaft) und die Vielzahl der nach den Angaben der Kläger an diesen Geschäftsfeldern haupt- oder nebenberuflich beteiligten Personen machen deutlich, dass eine Überprüfung der behaupteten Existenzgefährdung einer nach objektiven Kriterien durchzuführenden Begutachtung des Betriebes durch einen Sachverständigen bedurfte (vgl. Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 13.08 - juris Rn. 27). Eine solche, den Klägern im Rahmen des Anhörungsverfahrens vorgeschlagene Begutachtung konnte wegen der Weigerung des Klägers zu 1, diese durch einen Mitarbeiter des Straßenbauamts des Beklagten vornehmen zu lassen und die dafür erforderlichen betriebswirtschaftlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, nicht durchgeführt werden.

151

Einen Anspruch darauf, dass die Begutachtung durch einen freiberuflich tätigen Gutachter erfolgt, haben die Kläger nicht. Die Planfeststellungsbehörde ist verpflichtet, das Verfahren mit der ihr eine gerechte Abwägung der widerstreitenden Belange ermöglichenden inneren Distanz und Neutralität zu allen Beteiligten durchzuführen. Sie hat die ihr übertragene Aufgabe in unparteiischer Weise wahrzunehmen und alles zu vermeiden, was ihr die Freiheit zu eigener planerischer Entscheidung jedenfalls faktisch nimmt oder doch weitgehend einschränkt. Dies ergibt sich auch aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung, der in seinem Anwendungsbereich nicht auf das gerichtliche Verfahren beschränkt ist. In planungsrechtlichen Verfahren ist Unparteilichkeit auch dem Vorhabenträger gegenüber geboten (vgl. Urteil vom 5. Dezember 1986 - BVerwG 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 <230 f.> m.w.N). Diese Verpflichtung gilt auch für Mitarbeiter der Planfeststellungsbehörde, einschließlich derer, die aufgrund ihrer besonderen Sachkunde mit der Erstellung sachverständiger Stellungnahmen beauftragt werden. Die in § 20 VwVfG NRW getroffene Regelung über den Ausschluss bestimmter Personen vom Verfahren und die in § 21 VwVfG NRW normierte Möglichkeit, bei Besorgnis der Befangenheit ein Ablehnungsgesuch anzubringen, sichern, bezogen auf den einzelnen Amtsträger, die Neutralität der Amtsführung verfahrensmäßig ab.

152

Angesichts dessen begegnet es keinen Bedenken, dass die Planfeststellungsbehörde die zur Ermittlung des Abwägungsmaterials erforderlichen sachverständigen Begutachtungen durch eigene, für die jeweilige Aufgabe und das jeweilige Fachgebiet besonders qualifizierte Mitarbeiter vornehmen lässt. Dies gilt umso mehr, als diese Mitarbeiter räumlich und organisatorisch getrennt von der Planfeststellungsbehörde arbeiten. Die Kläger haben von dem Angebot zur Begutachtung, ohne eine stichhaltige Begründung zu geben, keinen Gebrauch gemacht. Ihre Ablehnung, an der Sachverhaltsaufklärung durch die Planfeststellungsbehörde mitzuwirken, haben sie lediglich mit pauschalen Zweifeln an der Unparteilichkeit der Mitarbeiter der Planfeststellungsbehörde begründet. Dies genügt nach dem Dargelegten nicht.

153

Soweit landwirtschaftlich genutzte Flächen der Kläger zu 1 bis 4 in Anspruch genommen werden, hat der Beklagte den Umfang der Beeinträchtigung ebenfalls erkannt und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Er hat insbesondere gesehen, dass die Gesamtinanspruchnahme von 6,75 ha (davon 1,31 ha vorübergehend und 1,46 ha dauernd beschränkt) mehr als 5 % der landwirtschaftlichen Betriebsfläche ausmacht und daher eine Existenzgefährdung nicht von der Hand zu weisen ist und näherer Prüfung bedarf (vgl. hierzu Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 13.08 - a.a.O.). Auch insoweit war allerdings angesichts der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft der Kläger zu 1 bis 4 eine Sachverhaltsaufklärung nicht möglich.

154

Dass der Planfeststellungsbeschluss in größerem Umfang Eigentum der Kläger zu 1 und 2 zum Ausgleich der eingriffsbedingten unvermeidbaren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft in Anspruch nimmt, lässt einen Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen. Dem bei der Inanspruchnahme von privatem Grund und Boden für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu beachtenden rechtsstaatlichen Übermaßverbot (vgl. hierzu Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 40.07 - Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 16 Rn. 26 ff.) hat der Beklagte durch eine Überprüfung des Kompensationskonzepts und eine daraus resultierende Reduzierung der dauernd zu beschränkenden Flächen der Kläger zu 1 bis 4 im Laufe des Planungsverfahrens Rechnung getragen. Soweit die Kläger die Restflächen nördlich und südlich der A 44 für (land-)wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll verwertbar erachten, weil dort insbesondere die bisherige Pensionspferdehaltung nicht mehr möglich sei, müssen sie sich die verweigerte Mitwirkung bei der Aufklärung der wirtschaftlichen Folgen der Eingriffe für das "Haus L." zurechnen lassen.

155

Die für die naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme 9ACEF im Planergänzungsbeschluss vom 5. Oktober 2009 in Anspruch genommene landwirtschaftlich genutzte Fläche ist für den Betrieb der Kläger nicht von erkennbarer existenzieller Bedeutung. Eine solche ist bezüglich dieser Fläche von den Klägern auch in der mündlichen Verhandlung nicht behauptet worden.

156

g) Hinsichtlich der Klägerin zu 5, deren Grundstück durch das Vorhaben nicht in Anspruch genommen wird, aber durch die bis auf 30 m an ihr Wohnhaus heranrückende Trasse mittelbar betroffen ist, hat der Planfeststellungsbeschluss das Vorliegen eines Übernahmeanspruchs (vgl. hierzu Beschluss vom 24. August 2009 - BVerwG 9 B 32.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 78) verneint. Aktiver Lärmschutz werde durch die Lärmschutzwand bzw. den Lärmschutzwall und die Verwendung offenporigen Asphalts gewährt. Die danach noch bei Verwirklichung des Vorhabens zu erwartenden Lärmwerte lägen für das Grundstück der Klägerin zu 5 unterhalb der Annäherungswerte von 72/62 dB(A), ab deren Erreichen für Dorf- und Mischgebiete eine unzumutbare Eigentumsbeeinträchtigung nicht auszuschließen sei (vgl. hierzu Urteile vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 11 A 3.98 - BVerwGE 107, 350 <358> und vom 12. April 2000 - BVerwG 11 A 25.98 - juris Rn. 49). Die Tageswerte lägen sogar weit unter diesen Schwellenwerten und würden die Grenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV für Dorf- und Mischgebiete nur geringfügig überschreiten. Wegen dieser Überschreitungen stünde der Klägerin zu 5 passiver Schallschutz sowie eine Entschädigung für die Außenwohnbereiche zu. Diese Überlegungen zeigen einen Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin zu 5 nicht auf, so dass es nicht darauf ankommt, ob solche Fehler überhaupt geeignet wären, das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren zu stützen.

157

Durch die Maßnahmen aktiven und passiven Lärmschutzes werden die zumutbaren Grenzen der Lärmbetroffenheit eingehalten. Dass eine weitere Nutzung ihres Hauses zu Wohnzwecken ausgeschlossen wäre und entsprechende Vermietungsbemühungen - gegebenenfalls nach Änderung des bisher auf Gäste aus dem Bereich der Universität ausgerichteten Vermietungskonzepts - ohne Erfolg bleiben müssten, ist nicht erkennbar und von der Klägerin zu 5 nicht substantiiert dargelegt worden. Es stellt auch keinen Fehler des Planfeststellungsbeschlusses dar, dass die von der Klägerin zu 5 vorgenommenen, in ihrem Einwendungsschreiben erwähnten Investitionen nicht ausdrücklich als abwägungserheblicher Belang gewürdigt wurden. Dass trotz der erheblichen Beeinträchtigungen, die der Bau der Autobahn für die direkt benachbarten Anwohner und deren Veranstaltungs- und Vermietungsbetriebe mit sich bringt, das öffentliche Interesse an der Realisierung der Querspange die privaten Belange überwiegt, hat der Planfeststellungsbeschluss hinreichend deutlich im Zusammenhang mit dem benachbarten, ebenfalls durch das Heranrücken der Trasse stark betroffene "Haus L." zum Ausdruck gebracht. Dafür, dass für die Klägerin zu 5 etwas anderes gelten könnte, spricht nichts. Im Übrigen musste der Klägerin zu 5 aufgrund der Lage ihres Hauses und der seit Jahrzehnten andauernden Planungsabsichten bewusst sein, dass es bei einer Realisierung der Planung zu einschneidenden Veränderungen ihres Lagevorteils kommen könnte. Darauf, dass von den Planungen endgültig Abschied genommen würde, konnte die Klägerin zu 5 ebenso wenig wie die anderen Betroffenen vertrauen.

158

Entsprechendes gilt für den Kläger zu 8. Auch er übersieht, dass nicht jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird; das gilt selbst dann, wenn die Ursächlichkeit der geminderten Wirtschaftlichkeit durch einen staatlichen Eingriff unzweifelhaft gegeben ist (Urteil vom 24. Mai 1996 - BVerwG 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 19).

159

4. Soweit die Kläger mit ihrem Hilfsantrag den Anspruch verfolgen, den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss um Lärmschutzanordnungen zu ergänzen, muss der Klage ebenfalls der Erfolg versagt bleiben. Dies gilt insbesondere für den Kläger zu 13. Der Beklagte hat die Gewährung passiven Lärmschutzes für ihn abwägungsfehlerfrei abgelehnt. Er hat sich zulässigerweise an den Grenzwerten der Verkehrslärmschutzverordnung orientiert und darauf abgestellt, dass nach der für das vom Kläger zu 13 bewohnte Gebäude W. Straße ... angestellten schalltechnischen Berechnung die nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV für Dorf- und Mischgebiete geltenden Immissionsgrenzwerte von 64/54 dB(A) tags und nachts eingehalten werden und damit gesunde Wohnverhältnisse gewahrt bleiben (vgl. Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 4 A 18.04 - BVerwGE 123, 152 <158>).

160

Auch der Klägerin zu 5 steht kein Anspruch auf weiter gehende Lärmschutzanordnungen zu. Die Verkehrsprognosen und die Lärmberechnungen selbst sind - wie dargestellt - nicht zu beanstanden. Durch die Gewährung passiver Schallschutzmaßnahmen wird sichergestellt, dass die Zumutbarkeitsgrenze beim Aufenthalt im Gebäude eingehalten wird. Für die Außenwohnbereiche ist eine Entschädigung vorgesehen.

161

Eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um Schutzauflagen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen durch Luftschadstoffe kann die Klägerin zu 5 ebenfalls nicht verlangen. Hinsichtlich der voraussichtlichen Schadstoffbelastungen kann den dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Gutachten eine Überschreitung der Grenzwerte von NO2 und PM10 im Bereich des Grundstücks der Klägerin zu 5 nicht entnommen werden. Die prognostizierten Belastungen liegen dort vielmehr deutlich unterhalb der Grenzwerte der 22. BImSchV. Soweit die Klägerin zu 5 auf die Erschütterungsempfindlichkeit ihres Wohngebäudes hinweist, ist nicht erkennbar, dass sie diesbezügliche Einwendungen im Anhörungsverfahren bereits vorgebracht hat. Im Übrigen hat sie ihre Behauptung, das Wohnhaus Schattbachstraße sei besonders erschütterungsempfindlich, nicht weiter mit Fakten belegt.

162

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 2 ZPO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 450 000 € festgesetzt.

Gründe:

Bei der auf § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG beruhenden, von der vorläufigen Streitwertfestsetzung durch Beschluss vom 10. April 2008 geringfügig abweichenden Streitwertfestsetzung hat der Senat entsprechend seiner ständigen, am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004 orientierten Streitwertpraxis, wonach bei Beeinträchtigung eines Einfamilienhauses und sonstiger Beeinträchtigung 15 000 €, bei Mehrfamilienhäusern je nach Wohnungszahl bis zu 60 000 € und bei Gewerbebetrieben pauschal 60 000 € anzunehmen sind, folgende Streitwerte festgesetzt: Für die Kläger zu 6, 7, 10, 11, 12 und 13 je 15 000 €, für die Kläger zu 2, 3, 5 und 8 je 45 000 € und für die Kläger zu 1, 4 und 9 je 60 000 €.

Tenor

Der Bescheid vom 02. Januar 2008 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die teilweise Rückforderung der dem Kläger vom Beklagten nach dem schleswig-holsteinischen Schulgesetz gewährten Landeszuschüsse für die Jahre 1998 bis 2006.

2

Der Kläger ist Träger der Freien Waldorfschule in Flensburg. Bei der Schule handelt es sich um eine genehmigte Ersatzschule i.S.d. § 2 Abs. 4 SchulG (i.d.F. der Bekanntmachung v. 02. August 1990, zuletzt geändert durch § 28 des Gesetzes vom 14. Dezember 2006, GVOBl. S. 309; gültig bis 08. Februar 2007, im Folgenden: SchulG a.F.), die vom Land Schleswig-Holstein jährliche Zuschüsse zu den Sach- und Personalkosten i.S.d. §§ 60 Abs. 1, 62 Abs. 1 und 2 SchulG a.F. erhält. Die Höhe der Zuschüsse richtete sich nach einem bestimmten Prozentsatz des Betrages, der im Landesdurchschnitt an Sach- und Personalkosten für eine Schülerin oder einen Schüler einer vergleichbaren öffentlichen Schule im Vorjahr aufgewendet worden ist (Schülerkostensatz, § 63 Abs. 2 S. 1 SchulG a.F.), und nach den an der Ersatzschule durchschnittlich im Jahr vorhandenen Schülerinnen und Schülern (§ 64 Abs. 1 SchulG a.F.).

3

Der Kläger errechnete die Durchschnittszahlen nach der am 1. jedes Monats vorhandenen Zahl der Schülerinnen und Schüler und übermittelte diese nach Maßgabe eines zu verwendenden Formulars zu bestimmten Zeitpunkten an den Beklagten. Diese Berechnung geschah zum einen in Form einer Prognose für die im zu bezuschussenden Jahr erwarteten Schülerzahlen und zum anderen durch Meldung der tatsächlich erreichten Schülerzahlen in den zurückliegenden Monaten. Dabei wurden unabhängig vom Wohnort sämtliche Schülerinnen und Schüler einbezogen, aufgrund der Grenznähe auch solche mit Wohnort in Dänemark. Sodann errechnete der Beklagte die Höhe des Zuschusses durch Multiplikation der übermittelten durchschnittlichen Schülerzahl mit dem jeweils geltenden Schülerkostensatz. Wichen die später gemeldeten tatsächlichen Zahlen von den bis dahin nur prognostizierten Zahlen eines Haushaltsjahres ab, wurde die Höhe der gewährten Zuschüsse rückwirkend geändert. Auf dieser Grundlage und nach endgültiger Abrechnung ergingen für die Haushaltsjahre 1998 bis 2006 jährliche Bewilligungsbescheide i.H.v. 2,1 bis 2,4 Mio. Euro (wegen der näheren Berechnungen wird auf die im Verwaltungsvorgang enthaltenen Bescheide verwiesen).

4

Neben diesem Verfahren zur Ermittlung des Landeszuschusses nach den §§ 60 ff. SchulG a.F. ist der Kläger verpflichtet, dem Beklagten im Rahmen der Erhebung von Schulkostenbeiträgen von den Gemeinden an zwei Stichtagen des Jahres alle Schülerinnen und Schüler namentlich und mit Adresse zu melden (§ 77 a SchulG a.F.). Hier waren auch die Schülerinnen und Schüler aus Dänemark aufgeführt. Die Durchführung dieses Verfahrens erfolgte durch dieselbe Sachbearbeiterin des Beklagten. Die hier gewonnenen Datensätze wurden beim Meldeamt abgeglichen.

5

Bereits durch das Haushaltsbegleitgesetz von 1994 wurde § 63 SchulG a.F. („Höhe des Zuschusses“) um eine sog. „Landeskinderklausel“ ergänzt. Nach § 63 Abs. 6 SchulG a.F. sollten Ersatzschulen ab dem 01. Januar 1998 nur noch Zuschüsse für Schülerinnen und Schüler erhalten, die ihre Wohnung in Schleswig-Holstein haben oder für die an das Land Erstattungen nach § 77 a Abs. 1 S. 1 SchulG a.F. zu leisten sind. Für andere Schülerinnen und Schüler wurde und wird (vgl. § 122 Abs. 4 SchulG n.F.) der Zuschuss - neben einer Übergangsregelung - nur gewährt, wenn und soweit dem Land aufgrund von Vereinbarungen Zahlungen zum Ausgleich des Zuschussbetrages für diese Schülerinnen und Schüler zustehen. Eine solche Vereinbarung besteht tatsächlich nur mit der Stadt Hamburg.

6

Der Beklagte unterrichtete den Kläger von dieser Gesetzesänderung nicht. Weder die Terminsübersichten noch die vorläufigen Bewilligungsbescheide oder das vom Beklagten vorgegebene Formular enthielten einen Hinweis auf die neu eingefügte „Landeskinderklausel“. Es wurde lediglich die Angabe der „tatsächlichen Schülerzahlen“ und der „voraussichtlichen Zahl“ der Schülerinnen und Schüler gefordert mit Hinweis auf §§ 29 Abs. 1 und 64 SchulG a.F. (§ 29 Abs. 1 SchulG a.F. wies den Beginn und das Ende eines Schuljahrs aus, § 64 SchulG a.F. regelte die Berechnung der Schülerzahl aus der Jahresdurchschnittszahl und die Verpflichtung zu entsprechenden Auskünften und Nachweisen). Nach der Schulgesetzänderung im Jahre 2007 wurde das Formular an die neuen Vorschriften angepasst; verwiesen wird nunmehr auf §§ 14 und 122 Abs. 4 SchulG n.F. (wobei § 122 Abs. 4 SchulG n.F. § 64 SchulG a.F. ersetzt und um die „Landeskinderklausel“ ergänzt worden ist).

7

In einem Telefonat im März 2007 bestätigte der Geschäftsführer des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass für die Berechnung der Zuschüsse auch diejenigen Schülerinnen und Schüler angegeben worden seien, die ihren Wohnsitz in Dänemark haben. Eine Überprüfung der daraufhin durch den Kläger eingereichten monatsweisen Auflistung dieser Schülerinnen und Schüler ergab, dass von 1998 bis 2001 jeweils ein/e Schüler/in, in 2002 drei Schüler/innen, in 2003 sieben Schüler/innen und von 2004 bis 2006 jeweils fünf Schüler/innen in die jährlichen Durchschnittsschülerzahlen eingeflossen waren, obwohl sie wegen ihrer Wohnung in Dänemark nicht hätten bezuschusst werden dürfen.

8

Nach längerem Schriftwechsel hob der Beklagte mit Bescheid vom 02. Januar 2008 die Bewilligungsbescheide für die Landeszuschüsse der Haushaltsjahre 1998 bis 2006 mit Wirkung für die Vergangenheit auf, soweit diese im Bescheid jeweils näher bezeichnete Zuschussbeträge übersteigen. Gleichzeitig wurden die für die dänischen Schülerinnen und Schüler zu viel bezahlten Zuschüsse in Höhe von insgesamt 99.556,61 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 27.762,61 € zurückgefordert. Der Beklagte stützt die Rücknahme auf § 116 LVwG und führt zur Begründung aus, dass die Bezuschussung teilweise rechtswidrig erfolgt sei und aufseiten des Klägers kein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Bewilligungsbescheide bestehe, weil er deren Rechtswidrigkeit gekannt haben müsse oder jedenfalls in grob fahrlässiger Weise nicht erkannt habe. Trotz bestehender Unsicherheiten habe er es unterlassen, sich über die gesetzlichen Voraussetzungen der Zuschussgewährung zu informieren. Die wirtschaftliche Existenz der Schule werde durch die Rückforderung nicht gefährdet, da es sich nur um 0,5 % der Gesamtförderung handele.

9

Dagegen hat der Kläger am 24. Januar 2008 Klage erhoben.

10

Er behauptet, keine Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Zuschussbescheide gehabt zu haben. Er habe zwar von der Existenz der „Landeskinderklausel“ gewusst, aber angenommen, dass zwischen Dänemark und Deutschland eine Ausnahmeregelung bestehe. Auch eine Prüfung des Landesrechnungshofs im Jahr 2002 habe keine Beanstandungen der Listen und gemeldeten Daten ergeben. Der Beklagte selbst habe nicht darauf hingewiesen, dass Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz außerhalb Schleswig-Holsteins ab 1998 nicht mehr in die Berechnungsgrundlage für die Zuschüsse einfließen dürften. Die Antragsformulare seien erst in 2007 geändert worden. Im Übrigen sei dem Beklagten aus dem Erstattungsverfahren nach § 77 a SchulG a.F. bekannt gewesen, dass dänische Schülerinnen und Schüler beschult würden. Insofern hätte die zuständige Sachbearbeiterin selbst überprüfen können, ob die Zahlen und Adressen der Schülerinnen und Schüler beider Vorgänge übereinstimmten. Hiervon sei der Kläger ausgegangen. Ob ein solcher Abgleich tatsächlich erfolgte, habe er aber nicht wissen können. Schließlich ist der Kläger der Ansicht, er habe auf den Bestand der Zuwendungsbescheide vertrauen dürfen, da er die Leistungen bereits verbraucht habe. Eine Rückzahlung der Zuschüsse in dieser Höhe sei aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Schule nicht möglich und würde zur Insolvenz führen.

11

Der Kläger beantragt,

12

den Bescheid des Beklagten vom 02. Januar 2008 aufzuheben.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Der Beklagte bezieht sich auf die Gründe des Rücknahmebescheides. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die jeweils durch ihn gemeldeten Daten für das Erstattungsverfahren nach § 77a SchulG a.F. einerseits und die für das Zuschussverfahren nach den §§ 60 ff. SchulG a.F. gemeldeten Statistiken andererseits überprüft und miteinander abgeglichen würden. Es handele sich vielmehr um verschiedene Verfahren ohne inhaltlichen Zusammenhang. Die Zuständigkeit derselben Sachbearbeiterin sei rein organisatorisch und zufällig. Zudem sei es die Pflicht eines Antragstellers, der öffentliche Mittel in Anspruch nehmen wolle, den Antrag richtig auszufüllen. Er dürfe die Überprüfung der Richtigkeit nicht auf die bezuschussende Stelle abwälzen. Im Zusammenhang mit der öffentlich diskutierten Problematik der „Landeskinderklausel“ an der Waldorfschule Lübeck, bei der aufgrund der Gesetzesänderung die bei ihr überwiegend angemeldeten Schülerinnen und Schüler aus Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr bezuschusst wurden, habe der Kläger wissen müssen, dass die „Landeskinderklausel“ auch für seine Schule gelte. Insofern hätte er auch nicht ungeprüft auf ein Abkommen mit Dänemark vertrauen dürfen; im Zweifel hätte er sich vielmehr erkundigen müssen. Dies zu unterlassen sei grob sorgfaltswidrig. Ferner seien die Antragsformulare für das Zuschussverfahren im Jahr 2007 nicht wegen der „Landeskinderklausel“ geändert worden, sondern aufgrund der Änderung des gesamten Schulgesetzes und der damit verbundenen systematischen Änderung der zu beachtenden Paragraphen. Ein solches Formular könne außerdem nur auf die grundlegenden Vorschriften Bezug nehmen und entlaste nicht von einer eigenen Prüfung. Aus der Nichterwähnung des § 63 Abs. 6 SchulG a.F. dürfe nicht gefolgert werden, dass auch nicht bezuschussungsfähige Schülerinnen und Schüler angegeben werden sollten. Dem Kläger hätte klar sein müssen, dass der Zuschuss auf der Grundlage seiner Angaben errechnet werden würde und dass er deshalb nur die bezuschussungsfähigen Schülerinnen und Schüler anzugeben hatte. Die Rückforderung sei schließlich verhältnismäßig, da die zurückgeforderte Summe nur einen Bruchteil des gewährten Betrages ausmache.

16

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, insbesondere bedurfte es vorliegend nicht der Durchführung eines Vorverfahren (§ 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO).

18

Die Klage ist auch begründet. Der Rückforderungsbescheid vom 02. Januar 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

19

Der Beklagte kann die teilweise Rücknahme der Landeszuschüsse nicht auf die dafür allein in Betracht kommende Rechtsgrundlage des § 116 Abs. 1 und 2 S. 3 Nr. 2, 3 LVwG stützen.

20

Nach § 116 Abs. 1 und 2 LVwG kann ein begünstigender Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt, nur dann nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn und soweit er rechtswidrig ist und der Begünstigte nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen in den Fortbestand desselben unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung der Kammer nicht vor.

21

Bei den durch den Beklagten erlassenen Zuschussbescheiden für die Haushaltsjahre 1998 bis 2006 handelt es sich um begünstigende Verwaltungsakte, die eine laufende Geldleistung gewähren. Sie waren in der zurückgeforderten Höhe rechtswidrig, weil die Zuschüsse entgegen der Regelung des § 63 Abs. 6 SchulG a.F. auch für Schülerinnen und Schüler gewährt wurden, die ihre Wohnung nicht in Schleswig-Holstein hatten. „Wohnung“ i.S.d. § 63 Abs. 6 SchulG a.F. ist ebenso wie bei § 76 Abs. 1 und 2 SchulG a.F. (dazu Kammerurteil. v. 18.05.2007 - 9 A 652/04 -) gem. § 2 Abs. 8 SchulG a.F. die Wohnung einer Person nach den §§ 13, 14 LMG. Die im Zuschussverfahren (auch) gemeldeten und in die Berechnung eingeflossenen dänischen Schülerinnen und Schüler hatten ihre Wohnung im Sinne dieser Vorschriften unstreitig in Dänemark und waren somit seit dem 01. Januar 1998 von der Bezuschussung nach den §§ 60 ff. SchulG a.F. ausgeschlossen. Dies gilt auch für das Haushaltsjahr 1998, für das der Kläger die Schülerzahlen schon ab 1997 und somit vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung mit Einführung der „Landeskinderklausel“ (dazu GVOBl 1994 S. 124, GVOBl 1995 S. 473, GVOBl 1997 S. 129) übermittelt hatte, da es bei der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt seines Erlasses ankommt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.11.1953 - I B 95.53 - E 1, 35, seither std. Rspr., z.B. BVerwG, Urt. v. 23.03.1984 - 8 C 168/81 - NJW 1984, 2842). Als der Zuwendungsbescheid für das Haushaltsjahr 1998 erlassen wurde, war die Regelung des § 63 Abs. 6 SchulG a.F. bereits in Kraft. Somit waren sämtliche streitigen Zuwendungsbescheide teilweise rechtswidrig.

22

Verfassungsrechtliche Zweifel gegenüber der „Landeskinderklausel“ selbst bestehen nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.11.2004 - 1 BvL 6/99 - E 112, 74 ff. zur Bremer Klausel) und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

23

Die teilweise Aufhebung der Zuschussbescheide war dennoch rechtswidrig, weil der Kläger auf den Bestand der Zuschussbescheide vertraut hat und dieses Vertrauen auch unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes genießt Verfassungsrang (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1981 - 1 BvR 898/79 u.a. - E 59, 128). Seine Gewährung beruht nicht auf einer in das Ermessen der Behörde gestellten Billigkeitserwägung, sondern auf einer gesetzlichen Abwägung zwischen der Beseitigung eines Verwaltungsaktes, der mit dem materiellen Recht nicht in Einklang steht, und dem Vertrauen des Leistungsempfängers in den Bestand eben dieses begünstigenden Verwaltungsaktes. (BVerwG, Urt. v. 14.08.1986 - 3 C 9/85 - E 74, 357, in juris Rn. 27; Urt. v. 06.06.1991 - 3 C 46/86 - E 88, 278, in juris Rn. 24). Der Vertrauensschutz ist als Bestandsschutz ausgebildet: Soweit er eingreift, steht er der Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes entgegen. Ob und inwieweit Vertrauensschutz der Rücknahme entgegensteht, ist eine voll nachprüfbare Frage der Anwendung materiellen Rechts im Rahmen der Rücknahmeentscheidung, nicht aber Gegenstand von Ermessenserwägungen (BVerwG, Urt. v. 23.10.1980 - 3 C 36/78 - in juris Rd. 32).

24

Das Vertrauen ist gem. § 116 Abs. 2 S. 2 LVwG in der Regel u.a. dann schutzwürdig, wenn der Begünstigte die gewährten Leistungen verbraucht hat. Unstreitig hat der Kläger die für die jeweiligen Haushaltsjahre erhaltenen Mittel für die schulbezogenen und monatlich anfallenden Ausgaben vollständig verbraucht. Da sich die Höhe der jährlichen Zuwendung nach den jeweils zuwendungsfähigen, tatsächlichen Ausgaben richtet und die Verwendung der Zuwendung nach Nr. 7 ANBest-I nachzuweisen ist, ist von der Richtigkeit dieser Angaben und der Schutzwürdigkeit des Vertrauens i.S.d. § 116 Abs. 2 S. 2 LVwG auszugehen.

25

Der dem Kläger damit zustehende Vertrauensschutz ist auch nicht durch § 116 Abs. 2 S. 3 LVwG ausgeschlossen. Danach kann sich der Begünstigte nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung (§ 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 LVwG) oder durch Angaben, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwG), erwirkt hat oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LVwG).

26

Anhaltspunkte für eine arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung durch den Kläger ergeben sich nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht und werden vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.

27

Der Kläger hat die Landeszuschüsse auch nicht aufgrund Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Der Wegfall des Vertrauensschutzes aufgrund unrichtiger Angaben basiert auf dem Gedanken, dass die Ursache der Fehlerhaftigkeit im Verantwortungsbereich des Begünstigten liegt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 48 Rn. 115). Auf ein Verschulden des Begünstigten kommt es dabei jedoch nicht an (BVerwG, Urt. v. 14.08.1986 - 3 C 9/85 - E 74, 357, 364 = DVBl 1986, 1204, in juris Rd. 29; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 48 Rn. 119). Maßgeblich ist allein, ob die Angaben des Begünstigten objektiv unrichtig oder unvollständig sind (BVerwG, Urt. v. 14.08.1986 a.a.O.). Ob dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (Kopp/Ramsauer a.a.O., § 48 Rn. 112 m.w.N.).

28

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die angegebenen Schülerzahlen schon deswegen „unrichtig“ oder „unvollständig“ i.S.d. § 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwG waren, weil sie im Ergebnis zu einer überhöhten und damit rechtswidrigen Bezuschussung führten. Ebenso wenig kommt es an dieser Stelle darauf an, was der Kläger nach Vorstellung des Beklagten über das Berechnungsverfahren hätte wissen müssen oder was er nach dessen Erwartung hätte mitteilen müssen. Maßgeblich ist vielmehr, was der Kläger aus der verobjektivierten Sicht eines Antragstellers anzugeben und zu berücksichtigen hatte. Dies wiederum richtet sich danach, was der Kläger nach dem Gesetz, nach etwaigen Auflagen, Richtlinien, Beilagen oder auch nach behördlicherseits erteilten Hinweisen oder Belehrungen anzugeben verpflichtet bzw. aufgefordert war. Dazu gehört auch, wie er das Verfahren und etwaige vorformulierte, von ihm auszufüllende Formulare nach den konkreten Umständen des Falles verstehen durfte. Die Richtigkeit oder Vollständigkeit seiner Angaben ist mithin auf der Grundlage dieses Verständnisses zu beurteilen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 04.03.2002 - 2 L 170/01 - NVwZ-RR 2003, 5, in juris Rn. 4 m.w.N.; Kopp/Ramsauer a.a.O., Rn. 118 m.w.N.). In Anwendung dieser Grundsätze lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat.

29

Dem SchulG a.F. ist nicht zu entnehmen, dass es Pflicht des Klägers gewesen wäre, die anzugebende Jahresdurchschnittszahl in Anwendung der „Landeskinderklausel“ um diejenigen Schülerinnen und Schüler zu „bereinigen“, die ihren Wohnsitz nicht in Schleswig-Holstein haben. Von seiner Systematik her ist vielmehr vorgesehen, dass die Berechnung des Zuschusses Sache des Beklagten als Zuschuss gewährende Stelle ist, während der Kläger als Antragsteller die für die Berechnung erforderlichen Daten zu liefern hat: Nach § 64 Abs. 1 SchulG a.F. ist bei der Berechnung des Zuschusses die Jahresdurchschnittszahl der Schülerinnen und Schüler der Ersatzschule zugrunde zu legen. Die Durchschnittszahl wiederum wird nach der am 1. jedes Monats vorhandenen Zahl der Schülerinnen und Schüler errechnet. § 64 Abs. 2 SchulG a.F. verpflichtet die Ersatzschule zu entsprechenden Auskünften und Nachweisen. So gibt die Schule dem zu verwendenden Formular entsprechend Auskunft über die monatlich „vorhandene Zahl der Schülerinnen und Schüler“ und errechnet daraus eine Durchschnittszahl. Weitere Auswahlkriterien, eine Beschränkung auf bestimmte Schülerinnen und Schüler oder auch nur ein Verweis auf die „Landeskinderklausel“ sind weder in § 64 SchulG noch im vormals zu verwendenden Formular vorgesehen.

30

Die „Landeskinderklausel“ selbst richtete sich weder vom Wortlaut („Der Zuschuss wird … gewährt werden …“) noch vom Aufbau des Gesetzes her an den Kläger als Antragsteller. Sie war nicht in § 64, sondern als Abs. 6 in § 63 SchulG a.F. untergebracht. Hätte es Sache des Schulträgers sein sollen, den Durchschnitt der monatlich vorhandenen Zahl der Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung der „Landeskinderklausel“ zu errechnen, hätte der Gesetzgeber dies ohne weiteres in § 64 statt in § 63 SchulG a.F. aufnehmen können - so, wie es nunmehr in § 122 Abs. 4 S. 4 SchulG n.F. mit zugleich neuer Formulierung zum Ausdruck gebracht ist („Für die Berechnung der Durchschnittszahl sind nur diejenigen Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen, die …“). Diese Gesetzesänderung hat außerdem zur Folge, dass die im Jahre 2007 angepassten Antragsformulare den Antragsteller mit Erwähnung des § 122 Abs. 4 SchulG n.F. nun auch zur „Landeskinderklausel“ hinführen.

31

Schließlich passt die „Landeskinderklausel“ auch von ihrer inhaltlichen Aussage her besser zu § 63 SchulG a.F., der die Bemessung und die Höhe des Zuschusses regelt und sich damit vornehmlich an das Ministerium richtet. Hinzu kommt, dass sie mehrschichtige Bedingungen formuliert, die ein einzelner Ersatzschulträger gar nicht übersehen kann. So macht sie die Zuschussgewährung nicht einfach vom Innehaben einer Wohnung in Schleswig-Holstein abhängig, sondern alternativ davon, ob für die Schülerinnen und Schüler (anstelle der Schulkostenbeiträge) an das Land Erstattungen nach § 77 a Abs. 1 S. 1 SchulG a.F. zu leisten sind oder ob dem Land im Übrigen (für Schülerinnen und Schüler mit Wohnung außerhalb Schleswig-Holsteins) aufgrund von Vereinbarungen Zahlungen zum Ausgleich des Zuschussbetrages zustehen. Ob und inwieweit solche Erstattungs- oder Zahlungsansprüche im Einzelnen bestehen, kann nur das Ministerium als Anspruchsinhaber zuverlässig beurteilen und entsprechend in die Berechnung des Zuschusses einbringen. Schließlich kann auch nur so eine einheitliche Handhabung der gesetzlichen Berechnungsvorgaben gewährleistet werden.

32

Dieses Ergebnis benachteiligt die Behörde auch nicht unbillig. Ebenso wie etwaige Ungenauigkeiten in einem Vordruck zulasten der Behörde gehen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 04.03.2002 - 2 L 170/01 - NVwZ-RR 2003, 5, in juris Rn. 4 m.w.N.), muss die Behörde den Mangel eines Antragsformulars, das eine bestimmte Angabe nicht vorsieht, gegen sich gelten lassen, weil sie so zu erkennen gibt, dass sie darauf keinen Wert legt. In diesem Fall kann vom Beteiligten nicht verlangt werden, dass er diese Angaben dennoch macht. In der Folge darf die Behörde einen Beteiligten auch nicht auf ein etwaiges Fehlen von Angaben verweisen (BVerwG, Urt. v. 06.06.1991 - 3 C 46/86 - E 88, 278, in juris Rn. 28 a.E.). Wird die Behörde hingegen mit für sie ungenauen oder unklaren Angaben konfrontiert, hat sie zudem die Möglichkeit, durch gezielte Rückfragen eine Klarstellung zu erwirken (OVG Greifswald a.a.O., Rn. 6).

33

Dies gilt in Anbetracht der dargestellten Gesetzeslage, der Gestaltung des Formulars und der außerdem fehlenden Hinweise auf die „Landeskinderklausel“ auch im vorliegenden Fall. Hier ist die beklagte Behörde auf ihre Rolle als „Herrin des Verfahrens“ (§§ 83, 83a LVwG) zu verweisen, die u.a. die Abgabe und Berichtigung von Erklärungen anzuregen oder die Beteiligten über die im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechten und obliegenden Pflichten aufzuklären hätte.

34

Das schutzwürdige Vertrauen des Klägers auf den Bestand der bewilligten Zuschüsse ist auch nicht ausgeschlossen, weil er die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide in den Haushaltsjahren 1998 bis 2006 kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit i.S.d. § 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LVwG nicht kannte. Der Ausschluss des Vertrauensschutzes beruht in diesem Fall auf dem Gedanken, dass derjenige, der die Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes kannte oder ohne besondere Mühe hätte erkennen können, auch mit einer Rücknahme rechnen muss (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O., § 48 Rn. 121 m.w.N.). Dabei muss sich die Kenntnis bzw. die Unkenntnis in Folge grober Fahrlässigkeit auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und nicht lediglich auf die Tatsachen, die die Rechtswidrigkeit begründen, beziehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.1984 - GrSen 1/84, GrSen 2/84 - NJW 1985, 819). Die Kenntnis der Tatsachen, die die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts begründen, sind der Kenntnis bzw. dem Kennen-Müssen auch der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst nicht gleichzusetzen. Eine Gleichsetzung käme nur dann in Betracht, wenn der Betroffene hinreichend rechtskundig wäre, um aus den bekannten Tatsachen ohne weiteres die rechtlichen Folgerungen zu ziehen (VGH Kassel, Urt. v. 22.01.1990 - 8 UE 1215/84 - NVwZ 1990, 883, 885, in juris Rn. 31).

35

Es kommt im vorliegenden Fall demnach nicht allein auf die Kenntnis der „Landeskinderklausel“ an und auf das Bewusstsein, dass auch Schülerinnen und Schüler mit Wohnung in Dänemark in die Jahresdurchschnittszahlen eingeflossen sind. Der Kläger müsste zusätzlich gewusst oder grob fahrlässig nicht gewusst haben, dass die „Landeskinderklausel“ im Falle der Waldorfschule Flensburg anwendbar ist, dass der Beklagte die Zahlen trotz Kenntnis der im Erstattungsverfahren nach § 77 a SchulG a.F. eingereichten, auch dänische Schülerinnen und Schüler enthaltenden Listen ungeprüft übernimmt und dass die Zuwendungsbescheide von daher wegen einer objektiv falschen Berechnung nicht richtig sein können.

36

Anhaltspunkte für das Bestehen einer positiven Kenntnis dieser Umstände bestehen nicht und werden auch nicht geltend gemacht.

37

Eine grob fahrlässige Unkenntnis läge vor, wenn die gebotene Sorgfalt, die man hätte erwarten können und müssen, in besonders schwerer Weise oder in besonders schwerem Maße verletzt wurde, insbesondere wenn einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.1993 - 11 C 47/92 - E 92, 84; VGH Kassel a.a.O.; Kopp/Ramsauer a.a.O., § 48 Rn. 124). Dabei kommt es auf die individuellen Gegebenheiten, insbesondere auch die persönlichen Umstände und Fähigkeiten des Betroffenen an (BVerwG, Urt. v. 12.3.1991 - 6 C 51/88 - NJW 1991, 2718), nicht aber auf die objektiven Erfordernisse des Rechtsverkehrs (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O).

38

Von solch naheliegenden Umständen oder einfachsten Überlegungen, die zu einer Kenntnis des Klägers über die Rechtswidrigkeit hätten führen können oder müssen, kann nach Auffassung der Kammer nicht ausgegangen werden. Dies gilt bereits hinsichtlich des Wissens um die Existenz der „Landeskinderklausel“ und der - unterstellten - Kenntnis von den Vorgängen um die Lübecker Waldorfschule. Entgegen der Auffassung des Beklagten hätte sich dem Kläger deshalb noch nicht aufdrängen müssen, dass nicht nur Schülerinnen und Schüler aus anderen Bundesländern, sondern erst recht solche aus benachbarten Staaten nicht in die Berechnung des Zuschusses einfließen dürften. Für den Kläger schien dies auch keineswegs selbstverständlich. Er verweist auf die Tatsache, dass es im nördlichen Schleswig-Holstein auch dänische Schulen gebe - ebenso wie im südlichen Dänemark deutsche Schulen - und dass er angenommen habe, dass insoweit auch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestehen. Diese Annahme erscheint nachvollziehbar und lässt jedenfalls eine grobe Fahrlässigkeit nicht erkennen. Dass es eine gegenseitige Anerkennung und Förderung der jeweiligen Minderheit einschließlich ihrer eigenen Schulen gibt, ist allgemein bekannt. Zu meinen, dass diese gegenseitige Anerkennung und Förderung im Rahmen zwischenstaatlicher Vereinbarungen geschieht, ist aus Sicht eines juristischen Laien oder auch eines Juristen, der sich mit dem deutsch-dänischen Verhältnis nicht näher befasst, keinesfalls abwegig. Darüber hinaus ist der Kläger, wie ausgeführt, weder auf die Existenz der „Landeskinderklausel“ noch auf ihre einzelnen Tatbestandsvarianten hingewiesen worden. Er ist erst recht nicht darauf hingewiesen worden, dass es mit Dänemark eben keine Vereinbarung i.S.d. § 63 Abs. 6 SchulG a.F. gibt und dass die „Landeskinderklausel“ deshalb sogar auf die dänischen Schulen in Schleswig-Holstein anwendbar ist.

39

Unter Berücksichtigung der zu § 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwG gemachten Ausführungen hinsichtlich der gesetzlich vorgegebenen „Rollenverteilung“ durfte der Kläger als Träger einer Ersatzschule darüber hinaus davon ausgehen, dass der Beklagte als oberste Schul- und Schulaufsichtsbehörde des Landes und zugleich Zuschuss gewährende Stelle die gesetzlichen Vorschriften speziell über die Berechnung des Zuschusses - einschließlich der „Landeskinderklausel“ - kennt und diese nicht ungeprüft lassen wird. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Kläger weiter unterstellen konnte, dass dem Beklagten aus dem parallelen Erstattungsverfahren und der in diesem Zusammenhang beim Beklagten selbst geführten Schülerlisten jedenfalls in Gestalt der zuständigen Sachbearbeiterin bekannt war, dass die Schule auch von dänischen Schülerinnen und Schülern besucht wird. Insofern durfte er auch davon ausgehen, dass der Beklagte im Falle der Anwendbarkeit der „Landeskinderklausel“ Anlass haben würde, die Berechnung der Jahresdurchschnittszahlen zu überprüfen und bei Unklarheiten oder Unstimmigkeiten Rückfrage zu halten.

40

Darauf, ob der Kläger annehmen durfte, dass der Beklagte die übermittelten Daten des Zuschussverfahrens und des Erstattungsverfahrens miteinander vergleichen würde oder überhaupt vergleichen konnte, kommt es nicht an. Beide Verfahren dienen jedenfalls der Durchführung der Ersatzschulfinanzierung und stehen in einem inhaltlichen Zusammenhang. Die Einführung des § 63 Abs. 6 SchulG a.F. durch das Haushaltsbegleitgesetz 1994 war nur eine Folge der gleichzeitigen Einführung des § 77 a SchulG a.F.. Hintergrund dieser Neuregelung war der Umstand, dass sich der Schullastenausgleich nach den §§ 76, 77 SchulG a.F. bis dahin nur auf den Besuch öffentlicher Schulen bezog, so dass kommunale Schulträger (Schul-) Kosten sparten, wenn ihre Schülerinnen und Schüler anstelle öffentlicher Schulen Ersatzschulen besuchten. Diesen ersparten Aufwand hatte das Land im Rahmen der Bezuschussung der Ersatzschulen bis dahin mitgetragen, obwohl der kommunale Schulaufwand bei der Zuschussberechnung als Kostenpunkt einbezogen wurde (so die Gesetzesbegründung. in LT/Drs. 13/1358 S. 13 ff.). Der inhaltliche Zusammenhang ergibt sich augenfällig auch daraus, dass § 77 a SchulG a.F. selbst in § 63 Abs. 6 SchulG a.F. erwähnt wird. Danach wird der Zuschuss auch für solche Schülerinnen und Schüler gewährt, für die an das Land Erstattungen nach § 77 a Abs. 1 S. 1 SchulG (a.F.) zu leisten sind.

41

Da schließlich auch aus der Überprüfung der Zuwendungspraxis durch den Landesrechnungshof im Jahre 2002 in Bezug auf die Berücksichtigung dänischer Schülerinnen und Schüler keine Beanstandung folgte (oder folgen konnte), ergab sich für den Kläger auch hieraus kein Anlass, insoweit an der Rechtmäßigkeit der Zuschussgewährung zu zweifeln.

42

Nach alledem vermag die Kammer nicht zu erkennen, woraus sich die vom Beklagten angenommene „Erkundungspflicht“ auf Seiten des Klägers ergeben sollte. Eine gesteigerte Mitwirkungspflicht nach § 84 Abs. 2 LVwG besteht mangels Rechtsvorschrift nicht. Bei Beamten beispielsweise wird aufgrund ihrer Treuepflichten eine Pflicht zur Überprüfung und - bei Unklarheiten - zur Rückfrage angenommen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.11.1986 - 2 C 29/84 - NVwZ 1987, 500, in juris Rn. 12). Eine solche Pflicht besteht im Übrigen aber nur, wenn offensichtlich Anlass zu Zweifeln besteht oder sich die Fehlerhaftigkeit aufdrängt. Anderenfalls kann ein Bürger darauf vertrauen, dass die Behörde rechtmäßig entschieden hat. Dabei darf er sich auf Verwaltungsvorschriften und eine ständige Verwaltungspraxis verlassen und handelt dann in aller Regel jedenfalls nicht grob fahrlässig (Kopp/Ramsauer a.a.O., Rn. 125 mwN). So liegt es auch hier. Nicht zuletzt aufgrund der unverändert fortgeführten Verwaltungspraxis und der mangelhaften Aufklärung im Verfahren hatte der Kläger keine ernsthafte Veranlassung, an der Rechtmäßigkeit der Zuwendungsbescheide zu zweifeln.

43

Da damit bereits die Voraussetzungen für die teilweise Rücknahme der Zuschussbescheide i.S.d. § 116 Abs. 2 LVwG nicht gegeben sind, kommt es auf die Überprüfung des Ermessens nicht mehr an.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Sie ist gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.


Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens.

III.

Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger zu 1) und seine Mutter, die Klägerin zu 2), wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung der Oberpfalz vom 28. März 2013. Gegenstand der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung ist der Neubau der Ortsumgehung N. im Zuge der Bundesstraße (B) 85, Schwandorf - Cham. Die Ortsdurchfahrt N. soll dabei durch eine 4 km lange Ortsumfahrung ersetzt werden, die N. - einen Ortsteil der Stadt R. - im Süden bogenförmig umgeht. Die B 85 ist Teil der überregionalen Entwicklungsachse Passau - Amberg; das Vorhaben ist im Bedarfsplan als vordringlicher Bedarf enthalten. Durch das Vorhaben wird das im Eigentum der Klägerin zu 2) stehende und vom Kläger zu 1) gepachtete Grundstück FlNr. 308 der Gemarkung N. durchschnitten; der Grundbedarf beläuft sich insoweit auf rund 0,30 ha. Hinzu kommt die Inanspruchnahme von Pachtflächen, die der Kläger zu 1), der einen landwirtschaftlichen Betrieb als Nebenerwerbslandwirt neben einer Ganztagstätigkeit führt, gepachtet hat. Nach den Angaben des Klägers zu 1) verliert er dabei für seinen auf Ackerbau ausgerichteten Betrieb von ca. 30 ha Pachtflächen rund 10 ha. Der angefochtene Bescheid unterstellt eine Pachtflächeninanspruchnahme von nur 3,3 ha.

Die Kläger wenden ein, der Kläger zu 1) als Molkereiarbeiter und gleichzeitig Nebenerwerbslandwirt sei auf die Erträge des landwirtschaftlichen Betriebs existenziell angewiesen. Der Nebenerwerbsbetrieb sei sehr wohl geeignet, dem Kläger zu 1) und seiner Familie ein dauerhaftes Einkommen zu garantieren; er erziele damit einen jährlichen Erlös von 12.000 Euro. Bei der Trassenauswahl sei seine Existenzgefährdung nicht abgewogen worden.

Die Kläger zu 1) und 2) beantragen,

den Planfeststellungsbeschluss der Regierung der Oberpfalz vom 28. März 2013 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die behauptete Existenzgefährdung sei nicht entscheidungserheblich, weil bei dem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb nicht von einer im fachplanungsrechtlichen Sinn geschützten Existenz auszugehen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Der Klage fehlt offensichtlich jede Erfolgsaussicht. Der Sachverhalt ist geklärt. Über die Klage konnte deshalb nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid (§ 84 VwGO) entschieden werden.

1. Die Klage der Klägerin zu 2) ist wohl schon unzulässig, jedenfalls aber offensichtlich unbegründet.

Die Klägerin zu 2) trägt nichts vor, was für eine eigene Rechtsverletzung im Sinn des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch das fernstraßenrechtliche Vorhaben sprechen könnte; der gesamte Vortrag, der auf Existenzgefährdung ausgerichtet ist, bezieht sich auf ihren Sohn, den Kläger zu 1). Insoweit wäre sie daher auch präkludiert (§ 17e Abs. 5 FStrG).

Soweit das Vorhaben der Ortsumfahrung N. ihr Grundstück FlNr. 308 der Gemarkung N. durchschneidet, kann sie selbst nicht existenzgefährdet sein, weil sie das Grundstück nicht selbst bewirtschaftet, sondern an ihren Sohn verpachtet hat. Für die in Anspruch genommene Fläche aus ihrem Grundeigentum erhält sie eine Enteignungsentschädigung in Anwendung der Art. 8 ff. BayEG. Diese Entschädigung tritt insbesondere an die Stelle der verloren gehenden Pachteinnahmen aus der Verpachtung der Fläche an ihren Sohn (Surrogation). Mangels Betriebsinhaberschaft ist daher eine existenzielle Betroffenheit nicht möglich (vgl. BayVGH, U.v. 24.11.2010 - 8 A 10.40023 - juris Rn. 208 f. m. w. N.).

Die Klägerin zu 2) macht aber ebenso wenig geltend, dass ihr Grundeigentum an der FlNr. 308 durch andere Mängel der Planfeststellung - etwa durch Abwägungsmängel bei der Trassenwahl - rechtswidrig betroffen wäre. Der vorgetragene Einwand zur Trassenwahl bezieht sich wiederum nur auf die Existenzbetroffenheit ihres Sohnes. Er greift im Übrigen auch nicht durch (dazu unten 2.).

2. Die Klage des Klägers zu 1) ist ebenfalls unbegründet. Den Einwand der Existenzbetroffenheit vermag er dem Vorhaben nicht mit Erfolg entgegenzusetzen. Allerdings ist der Kläger zu 1) als Pächter insoweit rügebefugt (vgl. BVerwG, U.v. 1.9.1997 - 4 A 36.96 - BVerwGE 105, 178).

2.1 Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 24. November 2010 (8 A 10.40023 - juris Rn. 208) zur Frage der Existenzgefährdung und -vernichtung landwirtschaftlicher Betriebe allgemein ausgeführt:

„…Will die Planfeststellungsbehörde zur Verwirklichung eines planfeststellungsbedürftigen Vorhabens durch Flächeninanspruchnahmen in Rechte Dritter eingreifen, muss sie das Gewicht der mit dem Eingriff verbundenen Nachteile den mit dem Vorhaben verbundenen Vorteilen abwägend gegenüberstellen. Dabei muss sie auch die Möglichkeit einer Existenzgefährdung oder -vernichtung vorhandener landwirtschaftlicher oder gewerblicher Betriebe in ihre Überlegungen einbeziehen. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Einwand der Existenzgefährdung ist nur dann entbehrlich, wenn die Planfeststellungsbehörde deutlich macht, sie halte die für das Vorhaben streitenden Belange für so gewichtig, dass es auch um den Preis einer Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung des betroffenen Betriebes verwirklicht werden solle. Bei einem Abtretungsverlust von weniger als 5% der Eigentumsflächen oder langfristig gesicherten Pachtflächen eines gesunden landwirtschaftlichen (Vollerwerbs-)Betriebs kann die Planfeststellungsbehörde regelmäßig auch ohne Einholung eines landwirtschaftlichen Sachverständigengutachtens davon ausgehen, dass eine vorhabenbedingte Existenzgefährdung oder -vernichtung nicht eintritt (vgl. BVerwG vom 14.4.2010 NVwZ 2010, 1295 [RdNr. 27]; BayVGH vom 24.5.2005 BayVBl 2007, 564/565). Diese 5%-Grenze ist auch dann eingehalten, wenn die Abtretungsverluste durch geeignete und vertretbare Angebote von Ersatzland unter dieser Grenze gehalten werden (vgl. BayVGH vom 24.5.2005 VGH n. F. 58, 155/164 f.). Bedarf es einer sachverständigen Begutachtung, ist zu prüfen, ob der Betrieb längerfristig existenzfähig ist. Eine gegebene langfristige Existenzfähigkeit eines Betriebes ist danach zu beurteilen, ob er außer einem angemessenen Lebensunterhalt für den Betriebsleiter und seine Familie ausreichende Rücklagen für die Substanzerhaltung und für Neuanschaffungen erwirtschaften kann. Ab einem Jahresgewinn von 25.000 Euro dürfte jedenfalls ein existenzfähiger Vollerwerbsbetrieb vorliegen (vgl. BayVGH vom 30.10.2007 Az. 8 A 06.40024 [RdNr. 240]). Bei Betrieben, die auch ohne Beeinträchtigung durch das Vorhaben nicht lebensfähig sind, ist eine vorhabenbedingte Existenzgefährdung regelmäßig zu verneinen. Zukünftige Betriebsentwicklungen, die noch nicht konkretisiert sind und sich im Wege der Prognose nicht hinreichend sicher abschätzen lassen, muss die Planfeststellungsbehörde in der Abwägung nicht berücksichtigen (vgl. BVerwG vom 28.1.1999 UPR 1999, 268; vom 18.3.2009 Az. 9 A 35.07 ‹juris› [RdNr. 25]; vom 14.4.2010 NVwZ 2010, 1295 [RdNr. 28]). Ist die Frage der Existenzgefährdung oder -vernichtung für das Abwägungsergebnis der konkreten Planung ausschlaggebend, muss sich die Planfeststellungsbehörde Klarheit darüber verschaffen, ob geeignetes Ersatzland zur Verfügung steht, um die Gefährdung oder Vernichtung des Betriebs zu vermeiden. Wird die betriebliche Existenz weder vernichtet noch gefährdet, kann sich die Planfeststellungsbehörde grundsätzlich damit begnügen, den Eigentümer auf das nachfolgende Enteignungsverfahren zu verweisen, weil damit sichergestellt wird, dass der mit der Planfeststellung für die grundstücksbetroffenen Kläger ausgelöste Konflikt, der zum teilweisen Verlust ihres Grundeigentums führt, zumindest im nachfolgenden Enteigungsentschädigungsverfahren bewältigt wird (vgl. zum Ganzen BVerwG vom 5.11.1997 UPR 1998, 149; vom 14.4.2010 NVwZ 2010, 1295 [RdNr. 28]; vom 9.6.2010 NVwZ 2011, 177 [RdNr. 148 f.])…“

2.2 Nach diesen Grundsätzen leidet der Planfeststellungsbeschluss im Hinblick auf die Zurückweisung des Existenzgefährdungseinwands des Klägers zu 1) an keinem beachtlichen Abwägungsmangel.

Der Kläger zu 1) betreibt den von seiner Mutter gepachteten landwirtschaftlichen Betrieb nur im Nebenerwerb. Wie schon die Planfeststellungsbehörde zutreffend festgestellt hat, kommt bei Nebenerwerbsbetrieben der Einwand der Existenzgefährdung oder -vernichtung nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht (PFB S. 277; BayVGH, U.v. 24.11.2010 - 8 A 10.40023 - juris Rn. 208 f.). Vorliegend trägt der Kläger zu 1) selbst vor, dass er ganztägig als Molkereiarbeiter beschäftigt ist und aus dem Nebenerwerbsbetrieb einen jährlichen Gewinn von 12.000 Euro erwirtschaftet. Diese Umstände sprechen wesentlich dafür, dass der Nebenerwerbsbetrieb überhaupt nicht lebensfähig ist, weil er schon im Hinblick auf den Eigenkapitalbedarf nur einen geringfügigen Zuerwerb sichert (BayVGH, U.v. 24.5.2005 - 8 N 04.3217 - VGH n. F. 58, 155/164) und auch nur geringfügige Arbeitszeitreserven des Klägers zu 1) für die landwirtschaftliche Betätigung zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass ihm das Staatliche Bauamt Regensburg ein Tauschangebot für ein Ersatzgrundstück mit einer (gegenüber der Abtretungsfläche der Klägerin zu 2) verdoppelten) Größe von 5.790 m² unterbreitet hat, wodurch der Flächenverlust erheblich reduziert würde.

Soweit der Kläger zu 1) seine landwirtschaftlichen Flächen nicht von seiner Mutter, sondern von Dritten angepachtet hat, hat er ferner nicht substanziiert dargelegt, dass diese vertraglich überhaupt längerfristig gesichert sind. Es ist daher mangels anderer Angaben davon auszugehen, dass die Flächenausstattung des Nebenerwerbsbetriebs und damit ein lebensfähiger Bestand nicht nachhaltig gewährleistet ist. Indiz dafür sind auch die unterschiedlichen Flächenangaben zum Verlust an Pachtflächen durch das Vorhaben (Kläger zu 1) 10 ha gemäß Schriftsatz vom 7.5.2013 S. 3 - Beklagter 3,3 ha nach PFB S. 277, wobei die Planfeststellungsbehörde lediglich die Angaben des Klägers zu 1) im Einwendungsschriftsatz des Verwaltungsverfahrens übernommen hat). Insoweit wäre es Sache des Klägers gewesen, seine widersprüchlichen Angaben im gerichtlichen Verfahren durch Belege wie Flurkarten oder Grundbuchauszüge zu verifizieren. Mangels klarer, substanziierter Angaben kann mithin nicht angenommen werden, dass es sich bei dem Nebenerwerbsbetrieb des Klägers zu 1) um einen auch längerfristig lebensfähigen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb handelt, der eine nachhaltige Einkommensquelle darstellt, die neben dem Arbeitseinkommen relevant ist. Ein solcher Nebenerwerbsbetrieb genießt in der Abwägung der Planfeststellungsbehörde kein Gewicht und vermag sich deshalb gegen die von der Behörde angeführten Verkehrsbelange (PFB S. 276 f.) nicht durchzusetzen (vgl. BayVGH, U.v. 24.5.2005 - 8 N 04.3217 - VGH n. F. 58, 155/164 f.).

2.3 Letzteres gilt umso mehr, als die Planfeststellungsbehörde ausdrücklich ausgeführt hat, sie wolle selbst bei Bejahung der Voraussetzungen der Existenzgefährdung oder -vernichtung des Klägers zu 1) das Vorhaben auf der Plantrasse ausführen (PFB S. 277 unten). Dazu verweist sie auf den Umstand, die für die landwirtschaftliche Betätigung des Klägers zu 1) sprechenden Belange könnten sich gegen die massiven öffentlichen Interessen nicht durchsetzen. Dafür spricht nicht nur die Darstellung des Vorhabens im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vordringlicher Bedarf (Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG). Die Planfeststellungsbehörde hat die Trassenwahl für die Plantrasse überdies detailliert mit gewichtigen Belangen des Naturschutzes (einschließlich FFH-Recht), der Immissionsbelastung eines Wohngebiets einschließlich der Planungsziele des § 50 BImSchG, des Schutzes eines Wasserschutzgebiets, des Bodenschutzes, der Minderung der Flächenversiegelung und der verkehrlichen Belange begründet (vgl. PFB S. 69 ff.). Angesichts des unsubstanziierten Vorbringens des Klägers zu 1) ist insoweit eine weitere Darstellung nicht veranlasst. Dass die Belange des Klägers zu 1) nicht fehlgewichtet wurden, ist offensichtlich. Der unsubstanziierte Einwand zur Trassenwahl liegt völlig neben der Sache.

Kostenentscheidung: § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, § 708 Nr. 10 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

(1) Die Planfeststellungsbehörde stellt den Plan fest (Planfeststellungsbeschluss). Die Vorschriften über die Entscheidung und die Anfechtung der Entscheidung im förmlichen Verwaltungsverfahren (§§ 69 und 70) sind anzuwenden.

(2) Im Planfeststellungsbeschluss entscheidet die Planfeststellungsbehörde über die Einwendungen, über die bei der Erörterung vor der Anhörungsbehörde keine Einigung erzielt worden ist. Sie hat dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so hat der Betroffene Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld.

(3) Soweit eine abschließende Entscheidung noch nicht möglich ist, ist diese im Planfeststellungsbeschluss vorzubehalten; dem Träger des Vorhabens ist dabei aufzugeben, noch fehlende oder von der Planfeststellungsbehörde bestimmte Unterlagen rechtzeitig vorzulegen.

(4) Der Planfeststellungsbeschluss ist dem Träger des Vorhabens, denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, und den Vereinigungen, über deren Stellungnahmen entschieden worden ist, zuzustellen. Eine Ausfertigung des Beschlusses ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung und einer Ausfertigung des festgestellten Plans in den Gemeinden zwei Wochen zur Einsicht auszulegen; der Ort und die Zeit der Auslegung sind ortsüblich bekannt zu machen. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Beschluss gegenüber den übrigen Betroffenen als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen.

(5) Sind außer an den Träger des Vorhabens mehr als 50 Zustellungen nach Absatz 4 vorzunehmen, so können diese Zustellungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Planfeststellungsbeschlusses, die Rechtsbehelfsbelehrung und ein Hinweis auf die Auslegung nach Absatz 4 Satz 2 im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Behörde und außerdem in örtlichen Tageszeitungen bekannt gemacht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird; auf Auflagen ist hinzuweisen. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Beschluss den Betroffenen und denjenigen gegenüber, die Einwendungen erhoben haben, als zugestellt; hierauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung kann der Planfeststellungsbeschluss bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist von den Betroffenen und von denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden; hierauf ist in der Bekanntmachung gleichfalls hinzuweisen.

(6) An Stelle eines Planfeststellungsbeschlusses kann eine Plangenehmigung erteilt werden, wenn

1.
Rechte anderer nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werden oder die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben,
2.
mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt wird, das Benehmen hergestellt worden ist und
3.
nicht andere Rechtsvorschriften eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorschreiben, die den Anforderungen des § 73 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 bis 7 entsprechen muss.
Die Plangenehmigung hat die Rechtswirkungen der Planfeststellung; auf ihre Erteilung sind die Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren nicht anzuwenden; davon ausgenommen sind Absatz 4 Satz 1 und Absatz 5, die entsprechend anzuwenden sind. Vor Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage bedarf es keiner Nachprüfung in einem Vorverfahren. § 75 Abs. 4 gilt entsprechend.

(7) Planfeststellung und Plangenehmigung entfallen in Fällen von unwesentlicher Bedeutung. Diese liegen vor, wenn

1.
andere öffentliche Belange nicht berührt sind oder die erforderlichen behördlichen Entscheidungen vorliegen und sie dem Plan nicht entgegenstehen,
2.
Rechte anderer nicht beeinflusst werden oder mit den vom Plan Betroffenen entsprechende Vereinbarungen getroffen worden sind und
3.
nicht andere Rechtsvorschriften eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorschreiben, die den Anforderungen des § 73 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 bis 7 entsprechen muss.

Tenor

Der Bescheid vom 02. Januar 2008 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die teilweise Rückforderung der dem Kläger vom Beklagten nach dem schleswig-holsteinischen Schulgesetz gewährten Landeszuschüsse für die Jahre 1998 bis 2006.

2

Der Kläger ist Träger der Freien Waldorfschule in Flensburg. Bei der Schule handelt es sich um eine genehmigte Ersatzschule i.S.d. § 2 Abs. 4 SchulG (i.d.F. der Bekanntmachung v. 02. August 1990, zuletzt geändert durch § 28 des Gesetzes vom 14. Dezember 2006, GVOBl. S. 309; gültig bis 08. Februar 2007, im Folgenden: SchulG a.F.), die vom Land Schleswig-Holstein jährliche Zuschüsse zu den Sach- und Personalkosten i.S.d. §§ 60 Abs. 1, 62 Abs. 1 und 2 SchulG a.F. erhält. Die Höhe der Zuschüsse richtete sich nach einem bestimmten Prozentsatz des Betrages, der im Landesdurchschnitt an Sach- und Personalkosten für eine Schülerin oder einen Schüler einer vergleichbaren öffentlichen Schule im Vorjahr aufgewendet worden ist (Schülerkostensatz, § 63 Abs. 2 S. 1 SchulG a.F.), und nach den an der Ersatzschule durchschnittlich im Jahr vorhandenen Schülerinnen und Schülern (§ 64 Abs. 1 SchulG a.F.).

3

Der Kläger errechnete die Durchschnittszahlen nach der am 1. jedes Monats vorhandenen Zahl der Schülerinnen und Schüler und übermittelte diese nach Maßgabe eines zu verwendenden Formulars zu bestimmten Zeitpunkten an den Beklagten. Diese Berechnung geschah zum einen in Form einer Prognose für die im zu bezuschussenden Jahr erwarteten Schülerzahlen und zum anderen durch Meldung der tatsächlich erreichten Schülerzahlen in den zurückliegenden Monaten. Dabei wurden unabhängig vom Wohnort sämtliche Schülerinnen und Schüler einbezogen, aufgrund der Grenznähe auch solche mit Wohnort in Dänemark. Sodann errechnete der Beklagte die Höhe des Zuschusses durch Multiplikation der übermittelten durchschnittlichen Schülerzahl mit dem jeweils geltenden Schülerkostensatz. Wichen die später gemeldeten tatsächlichen Zahlen von den bis dahin nur prognostizierten Zahlen eines Haushaltsjahres ab, wurde die Höhe der gewährten Zuschüsse rückwirkend geändert. Auf dieser Grundlage und nach endgültiger Abrechnung ergingen für die Haushaltsjahre 1998 bis 2006 jährliche Bewilligungsbescheide i.H.v. 2,1 bis 2,4 Mio. Euro (wegen der näheren Berechnungen wird auf die im Verwaltungsvorgang enthaltenen Bescheide verwiesen).

4

Neben diesem Verfahren zur Ermittlung des Landeszuschusses nach den §§ 60 ff. SchulG a.F. ist der Kläger verpflichtet, dem Beklagten im Rahmen der Erhebung von Schulkostenbeiträgen von den Gemeinden an zwei Stichtagen des Jahres alle Schülerinnen und Schüler namentlich und mit Adresse zu melden (§ 77 a SchulG a.F.). Hier waren auch die Schülerinnen und Schüler aus Dänemark aufgeführt. Die Durchführung dieses Verfahrens erfolgte durch dieselbe Sachbearbeiterin des Beklagten. Die hier gewonnenen Datensätze wurden beim Meldeamt abgeglichen.

5

Bereits durch das Haushaltsbegleitgesetz von 1994 wurde § 63 SchulG a.F. („Höhe des Zuschusses“) um eine sog. „Landeskinderklausel“ ergänzt. Nach § 63 Abs. 6 SchulG a.F. sollten Ersatzschulen ab dem 01. Januar 1998 nur noch Zuschüsse für Schülerinnen und Schüler erhalten, die ihre Wohnung in Schleswig-Holstein haben oder für die an das Land Erstattungen nach § 77 a Abs. 1 S. 1 SchulG a.F. zu leisten sind. Für andere Schülerinnen und Schüler wurde und wird (vgl. § 122 Abs. 4 SchulG n.F.) der Zuschuss - neben einer Übergangsregelung - nur gewährt, wenn und soweit dem Land aufgrund von Vereinbarungen Zahlungen zum Ausgleich des Zuschussbetrages für diese Schülerinnen und Schüler zustehen. Eine solche Vereinbarung besteht tatsächlich nur mit der Stadt Hamburg.

6

Der Beklagte unterrichtete den Kläger von dieser Gesetzesänderung nicht. Weder die Terminsübersichten noch die vorläufigen Bewilligungsbescheide oder das vom Beklagten vorgegebene Formular enthielten einen Hinweis auf die neu eingefügte „Landeskinderklausel“. Es wurde lediglich die Angabe der „tatsächlichen Schülerzahlen“ und der „voraussichtlichen Zahl“ der Schülerinnen und Schüler gefordert mit Hinweis auf §§ 29 Abs. 1 und 64 SchulG a.F. (§ 29 Abs. 1 SchulG a.F. wies den Beginn und das Ende eines Schuljahrs aus, § 64 SchulG a.F. regelte die Berechnung der Schülerzahl aus der Jahresdurchschnittszahl und die Verpflichtung zu entsprechenden Auskünften und Nachweisen). Nach der Schulgesetzänderung im Jahre 2007 wurde das Formular an die neuen Vorschriften angepasst; verwiesen wird nunmehr auf §§ 14 und 122 Abs. 4 SchulG n.F. (wobei § 122 Abs. 4 SchulG n.F. § 64 SchulG a.F. ersetzt und um die „Landeskinderklausel“ ergänzt worden ist).

7

In einem Telefonat im März 2007 bestätigte der Geschäftsführer des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass für die Berechnung der Zuschüsse auch diejenigen Schülerinnen und Schüler angegeben worden seien, die ihren Wohnsitz in Dänemark haben. Eine Überprüfung der daraufhin durch den Kläger eingereichten monatsweisen Auflistung dieser Schülerinnen und Schüler ergab, dass von 1998 bis 2001 jeweils ein/e Schüler/in, in 2002 drei Schüler/innen, in 2003 sieben Schüler/innen und von 2004 bis 2006 jeweils fünf Schüler/innen in die jährlichen Durchschnittsschülerzahlen eingeflossen waren, obwohl sie wegen ihrer Wohnung in Dänemark nicht hätten bezuschusst werden dürfen.

8

Nach längerem Schriftwechsel hob der Beklagte mit Bescheid vom 02. Januar 2008 die Bewilligungsbescheide für die Landeszuschüsse der Haushaltsjahre 1998 bis 2006 mit Wirkung für die Vergangenheit auf, soweit diese im Bescheid jeweils näher bezeichnete Zuschussbeträge übersteigen. Gleichzeitig wurden die für die dänischen Schülerinnen und Schüler zu viel bezahlten Zuschüsse in Höhe von insgesamt 99.556,61 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 27.762,61 € zurückgefordert. Der Beklagte stützt die Rücknahme auf § 116 LVwG und führt zur Begründung aus, dass die Bezuschussung teilweise rechtswidrig erfolgt sei und aufseiten des Klägers kein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Bewilligungsbescheide bestehe, weil er deren Rechtswidrigkeit gekannt haben müsse oder jedenfalls in grob fahrlässiger Weise nicht erkannt habe. Trotz bestehender Unsicherheiten habe er es unterlassen, sich über die gesetzlichen Voraussetzungen der Zuschussgewährung zu informieren. Die wirtschaftliche Existenz der Schule werde durch die Rückforderung nicht gefährdet, da es sich nur um 0,5 % der Gesamtförderung handele.

9

Dagegen hat der Kläger am 24. Januar 2008 Klage erhoben.

10

Er behauptet, keine Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Zuschussbescheide gehabt zu haben. Er habe zwar von der Existenz der „Landeskinderklausel“ gewusst, aber angenommen, dass zwischen Dänemark und Deutschland eine Ausnahmeregelung bestehe. Auch eine Prüfung des Landesrechnungshofs im Jahr 2002 habe keine Beanstandungen der Listen und gemeldeten Daten ergeben. Der Beklagte selbst habe nicht darauf hingewiesen, dass Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz außerhalb Schleswig-Holsteins ab 1998 nicht mehr in die Berechnungsgrundlage für die Zuschüsse einfließen dürften. Die Antragsformulare seien erst in 2007 geändert worden. Im Übrigen sei dem Beklagten aus dem Erstattungsverfahren nach § 77 a SchulG a.F. bekannt gewesen, dass dänische Schülerinnen und Schüler beschult würden. Insofern hätte die zuständige Sachbearbeiterin selbst überprüfen können, ob die Zahlen und Adressen der Schülerinnen und Schüler beider Vorgänge übereinstimmten. Hiervon sei der Kläger ausgegangen. Ob ein solcher Abgleich tatsächlich erfolgte, habe er aber nicht wissen können. Schließlich ist der Kläger der Ansicht, er habe auf den Bestand der Zuwendungsbescheide vertrauen dürfen, da er die Leistungen bereits verbraucht habe. Eine Rückzahlung der Zuschüsse in dieser Höhe sei aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Schule nicht möglich und würde zur Insolvenz führen.

11

Der Kläger beantragt,

12

den Bescheid des Beklagten vom 02. Januar 2008 aufzuheben.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Der Beklagte bezieht sich auf die Gründe des Rücknahmebescheides. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die jeweils durch ihn gemeldeten Daten für das Erstattungsverfahren nach § 77a SchulG a.F. einerseits und die für das Zuschussverfahren nach den §§ 60 ff. SchulG a.F. gemeldeten Statistiken andererseits überprüft und miteinander abgeglichen würden. Es handele sich vielmehr um verschiedene Verfahren ohne inhaltlichen Zusammenhang. Die Zuständigkeit derselben Sachbearbeiterin sei rein organisatorisch und zufällig. Zudem sei es die Pflicht eines Antragstellers, der öffentliche Mittel in Anspruch nehmen wolle, den Antrag richtig auszufüllen. Er dürfe die Überprüfung der Richtigkeit nicht auf die bezuschussende Stelle abwälzen. Im Zusammenhang mit der öffentlich diskutierten Problematik der „Landeskinderklausel“ an der Waldorfschule Lübeck, bei der aufgrund der Gesetzesänderung die bei ihr überwiegend angemeldeten Schülerinnen und Schüler aus Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr bezuschusst wurden, habe der Kläger wissen müssen, dass die „Landeskinderklausel“ auch für seine Schule gelte. Insofern hätte er auch nicht ungeprüft auf ein Abkommen mit Dänemark vertrauen dürfen; im Zweifel hätte er sich vielmehr erkundigen müssen. Dies zu unterlassen sei grob sorgfaltswidrig. Ferner seien die Antragsformulare für das Zuschussverfahren im Jahr 2007 nicht wegen der „Landeskinderklausel“ geändert worden, sondern aufgrund der Änderung des gesamten Schulgesetzes und der damit verbundenen systematischen Änderung der zu beachtenden Paragraphen. Ein solches Formular könne außerdem nur auf die grundlegenden Vorschriften Bezug nehmen und entlaste nicht von einer eigenen Prüfung. Aus der Nichterwähnung des § 63 Abs. 6 SchulG a.F. dürfe nicht gefolgert werden, dass auch nicht bezuschussungsfähige Schülerinnen und Schüler angegeben werden sollten. Dem Kläger hätte klar sein müssen, dass der Zuschuss auf der Grundlage seiner Angaben errechnet werden würde und dass er deshalb nur die bezuschussungsfähigen Schülerinnen und Schüler anzugeben hatte. Die Rückforderung sei schließlich verhältnismäßig, da die zurückgeforderte Summe nur einen Bruchteil des gewährten Betrages ausmache.

16

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, insbesondere bedurfte es vorliegend nicht der Durchführung eines Vorverfahren (§ 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO).

18

Die Klage ist auch begründet. Der Rückforderungsbescheid vom 02. Januar 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

19

Der Beklagte kann die teilweise Rücknahme der Landeszuschüsse nicht auf die dafür allein in Betracht kommende Rechtsgrundlage des § 116 Abs. 1 und 2 S. 3 Nr. 2, 3 LVwG stützen.

20

Nach § 116 Abs. 1 und 2 LVwG kann ein begünstigender Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt, nur dann nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn und soweit er rechtswidrig ist und der Begünstigte nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen in den Fortbestand desselben unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung der Kammer nicht vor.

21

Bei den durch den Beklagten erlassenen Zuschussbescheiden für die Haushaltsjahre 1998 bis 2006 handelt es sich um begünstigende Verwaltungsakte, die eine laufende Geldleistung gewähren. Sie waren in der zurückgeforderten Höhe rechtswidrig, weil die Zuschüsse entgegen der Regelung des § 63 Abs. 6 SchulG a.F. auch für Schülerinnen und Schüler gewährt wurden, die ihre Wohnung nicht in Schleswig-Holstein hatten. „Wohnung“ i.S.d. § 63 Abs. 6 SchulG a.F. ist ebenso wie bei § 76 Abs. 1 und 2 SchulG a.F. (dazu Kammerurteil. v. 18.05.2007 - 9 A 652/04 -) gem. § 2 Abs. 8 SchulG a.F. die Wohnung einer Person nach den §§ 13, 14 LMG. Die im Zuschussverfahren (auch) gemeldeten und in die Berechnung eingeflossenen dänischen Schülerinnen und Schüler hatten ihre Wohnung im Sinne dieser Vorschriften unstreitig in Dänemark und waren somit seit dem 01. Januar 1998 von der Bezuschussung nach den §§ 60 ff. SchulG a.F. ausgeschlossen. Dies gilt auch für das Haushaltsjahr 1998, für das der Kläger die Schülerzahlen schon ab 1997 und somit vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung mit Einführung der „Landeskinderklausel“ (dazu GVOBl 1994 S. 124, GVOBl 1995 S. 473, GVOBl 1997 S. 129) übermittelt hatte, da es bei der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt seines Erlasses ankommt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.11.1953 - I B 95.53 - E 1, 35, seither std. Rspr., z.B. BVerwG, Urt. v. 23.03.1984 - 8 C 168/81 - NJW 1984, 2842). Als der Zuwendungsbescheid für das Haushaltsjahr 1998 erlassen wurde, war die Regelung des § 63 Abs. 6 SchulG a.F. bereits in Kraft. Somit waren sämtliche streitigen Zuwendungsbescheide teilweise rechtswidrig.

22

Verfassungsrechtliche Zweifel gegenüber der „Landeskinderklausel“ selbst bestehen nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.11.2004 - 1 BvL 6/99 - E 112, 74 ff. zur Bremer Klausel) und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

23

Die teilweise Aufhebung der Zuschussbescheide war dennoch rechtswidrig, weil der Kläger auf den Bestand der Zuschussbescheide vertraut hat und dieses Vertrauen auch unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes genießt Verfassungsrang (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1981 - 1 BvR 898/79 u.a. - E 59, 128). Seine Gewährung beruht nicht auf einer in das Ermessen der Behörde gestellten Billigkeitserwägung, sondern auf einer gesetzlichen Abwägung zwischen der Beseitigung eines Verwaltungsaktes, der mit dem materiellen Recht nicht in Einklang steht, und dem Vertrauen des Leistungsempfängers in den Bestand eben dieses begünstigenden Verwaltungsaktes. (BVerwG, Urt. v. 14.08.1986 - 3 C 9/85 - E 74, 357, in juris Rn. 27; Urt. v. 06.06.1991 - 3 C 46/86 - E 88, 278, in juris Rn. 24). Der Vertrauensschutz ist als Bestandsschutz ausgebildet: Soweit er eingreift, steht er der Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes entgegen. Ob und inwieweit Vertrauensschutz der Rücknahme entgegensteht, ist eine voll nachprüfbare Frage der Anwendung materiellen Rechts im Rahmen der Rücknahmeentscheidung, nicht aber Gegenstand von Ermessenserwägungen (BVerwG, Urt. v. 23.10.1980 - 3 C 36/78 - in juris Rd. 32).

24

Das Vertrauen ist gem. § 116 Abs. 2 S. 2 LVwG in der Regel u.a. dann schutzwürdig, wenn der Begünstigte die gewährten Leistungen verbraucht hat. Unstreitig hat der Kläger die für die jeweiligen Haushaltsjahre erhaltenen Mittel für die schulbezogenen und monatlich anfallenden Ausgaben vollständig verbraucht. Da sich die Höhe der jährlichen Zuwendung nach den jeweils zuwendungsfähigen, tatsächlichen Ausgaben richtet und die Verwendung der Zuwendung nach Nr. 7 ANBest-I nachzuweisen ist, ist von der Richtigkeit dieser Angaben und der Schutzwürdigkeit des Vertrauens i.S.d. § 116 Abs. 2 S. 2 LVwG auszugehen.

25

Der dem Kläger damit zustehende Vertrauensschutz ist auch nicht durch § 116 Abs. 2 S. 3 LVwG ausgeschlossen. Danach kann sich der Begünstigte nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung (§ 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 LVwG) oder durch Angaben, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwG), erwirkt hat oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LVwG).

26

Anhaltspunkte für eine arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung durch den Kläger ergeben sich nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht und werden vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.

27

Der Kläger hat die Landeszuschüsse auch nicht aufgrund Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Der Wegfall des Vertrauensschutzes aufgrund unrichtiger Angaben basiert auf dem Gedanken, dass die Ursache der Fehlerhaftigkeit im Verantwortungsbereich des Begünstigten liegt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 48 Rn. 115). Auf ein Verschulden des Begünstigten kommt es dabei jedoch nicht an (BVerwG, Urt. v. 14.08.1986 - 3 C 9/85 - E 74, 357, 364 = DVBl 1986, 1204, in juris Rd. 29; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 48 Rn. 119). Maßgeblich ist allein, ob die Angaben des Begünstigten objektiv unrichtig oder unvollständig sind (BVerwG, Urt. v. 14.08.1986 a.a.O.). Ob dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (Kopp/Ramsauer a.a.O., § 48 Rn. 112 m.w.N.).

28

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die angegebenen Schülerzahlen schon deswegen „unrichtig“ oder „unvollständig“ i.S.d. § 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwG waren, weil sie im Ergebnis zu einer überhöhten und damit rechtswidrigen Bezuschussung führten. Ebenso wenig kommt es an dieser Stelle darauf an, was der Kläger nach Vorstellung des Beklagten über das Berechnungsverfahren hätte wissen müssen oder was er nach dessen Erwartung hätte mitteilen müssen. Maßgeblich ist vielmehr, was der Kläger aus der verobjektivierten Sicht eines Antragstellers anzugeben und zu berücksichtigen hatte. Dies wiederum richtet sich danach, was der Kläger nach dem Gesetz, nach etwaigen Auflagen, Richtlinien, Beilagen oder auch nach behördlicherseits erteilten Hinweisen oder Belehrungen anzugeben verpflichtet bzw. aufgefordert war. Dazu gehört auch, wie er das Verfahren und etwaige vorformulierte, von ihm auszufüllende Formulare nach den konkreten Umständen des Falles verstehen durfte. Die Richtigkeit oder Vollständigkeit seiner Angaben ist mithin auf der Grundlage dieses Verständnisses zu beurteilen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 04.03.2002 - 2 L 170/01 - NVwZ-RR 2003, 5, in juris Rn. 4 m.w.N.; Kopp/Ramsauer a.a.O., Rn. 118 m.w.N.). In Anwendung dieser Grundsätze lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat.

29

Dem SchulG a.F. ist nicht zu entnehmen, dass es Pflicht des Klägers gewesen wäre, die anzugebende Jahresdurchschnittszahl in Anwendung der „Landeskinderklausel“ um diejenigen Schülerinnen und Schüler zu „bereinigen“, die ihren Wohnsitz nicht in Schleswig-Holstein haben. Von seiner Systematik her ist vielmehr vorgesehen, dass die Berechnung des Zuschusses Sache des Beklagten als Zuschuss gewährende Stelle ist, während der Kläger als Antragsteller die für die Berechnung erforderlichen Daten zu liefern hat: Nach § 64 Abs. 1 SchulG a.F. ist bei der Berechnung des Zuschusses die Jahresdurchschnittszahl der Schülerinnen und Schüler der Ersatzschule zugrunde zu legen. Die Durchschnittszahl wiederum wird nach der am 1. jedes Monats vorhandenen Zahl der Schülerinnen und Schüler errechnet. § 64 Abs. 2 SchulG a.F. verpflichtet die Ersatzschule zu entsprechenden Auskünften und Nachweisen. So gibt die Schule dem zu verwendenden Formular entsprechend Auskunft über die monatlich „vorhandene Zahl der Schülerinnen und Schüler“ und errechnet daraus eine Durchschnittszahl. Weitere Auswahlkriterien, eine Beschränkung auf bestimmte Schülerinnen und Schüler oder auch nur ein Verweis auf die „Landeskinderklausel“ sind weder in § 64 SchulG noch im vormals zu verwendenden Formular vorgesehen.

30

Die „Landeskinderklausel“ selbst richtete sich weder vom Wortlaut („Der Zuschuss wird … gewährt werden …“) noch vom Aufbau des Gesetzes her an den Kläger als Antragsteller. Sie war nicht in § 64, sondern als Abs. 6 in § 63 SchulG a.F. untergebracht. Hätte es Sache des Schulträgers sein sollen, den Durchschnitt der monatlich vorhandenen Zahl der Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung der „Landeskinderklausel“ zu errechnen, hätte der Gesetzgeber dies ohne weiteres in § 64 statt in § 63 SchulG a.F. aufnehmen können - so, wie es nunmehr in § 122 Abs. 4 S. 4 SchulG n.F. mit zugleich neuer Formulierung zum Ausdruck gebracht ist („Für die Berechnung der Durchschnittszahl sind nur diejenigen Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen, die …“). Diese Gesetzesänderung hat außerdem zur Folge, dass die im Jahre 2007 angepassten Antragsformulare den Antragsteller mit Erwähnung des § 122 Abs. 4 SchulG n.F. nun auch zur „Landeskinderklausel“ hinführen.

31

Schließlich passt die „Landeskinderklausel“ auch von ihrer inhaltlichen Aussage her besser zu § 63 SchulG a.F., der die Bemessung und die Höhe des Zuschusses regelt und sich damit vornehmlich an das Ministerium richtet. Hinzu kommt, dass sie mehrschichtige Bedingungen formuliert, die ein einzelner Ersatzschulträger gar nicht übersehen kann. So macht sie die Zuschussgewährung nicht einfach vom Innehaben einer Wohnung in Schleswig-Holstein abhängig, sondern alternativ davon, ob für die Schülerinnen und Schüler (anstelle der Schulkostenbeiträge) an das Land Erstattungen nach § 77 a Abs. 1 S. 1 SchulG a.F. zu leisten sind oder ob dem Land im Übrigen (für Schülerinnen und Schüler mit Wohnung außerhalb Schleswig-Holsteins) aufgrund von Vereinbarungen Zahlungen zum Ausgleich des Zuschussbetrages zustehen. Ob und inwieweit solche Erstattungs- oder Zahlungsansprüche im Einzelnen bestehen, kann nur das Ministerium als Anspruchsinhaber zuverlässig beurteilen und entsprechend in die Berechnung des Zuschusses einbringen. Schließlich kann auch nur so eine einheitliche Handhabung der gesetzlichen Berechnungsvorgaben gewährleistet werden.

32

Dieses Ergebnis benachteiligt die Behörde auch nicht unbillig. Ebenso wie etwaige Ungenauigkeiten in einem Vordruck zulasten der Behörde gehen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 04.03.2002 - 2 L 170/01 - NVwZ-RR 2003, 5, in juris Rn. 4 m.w.N.), muss die Behörde den Mangel eines Antragsformulars, das eine bestimmte Angabe nicht vorsieht, gegen sich gelten lassen, weil sie so zu erkennen gibt, dass sie darauf keinen Wert legt. In diesem Fall kann vom Beteiligten nicht verlangt werden, dass er diese Angaben dennoch macht. In der Folge darf die Behörde einen Beteiligten auch nicht auf ein etwaiges Fehlen von Angaben verweisen (BVerwG, Urt. v. 06.06.1991 - 3 C 46/86 - E 88, 278, in juris Rn. 28 a.E.). Wird die Behörde hingegen mit für sie ungenauen oder unklaren Angaben konfrontiert, hat sie zudem die Möglichkeit, durch gezielte Rückfragen eine Klarstellung zu erwirken (OVG Greifswald a.a.O., Rn. 6).

33

Dies gilt in Anbetracht der dargestellten Gesetzeslage, der Gestaltung des Formulars und der außerdem fehlenden Hinweise auf die „Landeskinderklausel“ auch im vorliegenden Fall. Hier ist die beklagte Behörde auf ihre Rolle als „Herrin des Verfahrens“ (§§ 83, 83a LVwG) zu verweisen, die u.a. die Abgabe und Berichtigung von Erklärungen anzuregen oder die Beteiligten über die im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechten und obliegenden Pflichten aufzuklären hätte.

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Das schutzwürdige Vertrauen des Klägers auf den Bestand der bewilligten Zuschüsse ist auch nicht ausgeschlossen, weil er die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide in den Haushaltsjahren 1998 bis 2006 kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit i.S.d. § 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LVwG nicht kannte. Der Ausschluss des Vertrauensschutzes beruht in diesem Fall auf dem Gedanken, dass derjenige, der die Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes kannte oder ohne besondere Mühe hätte erkennen können, auch mit einer Rücknahme rechnen muss (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O., § 48 Rn. 121 m.w.N.). Dabei muss sich die Kenntnis bzw. die Unkenntnis in Folge grober Fahrlässigkeit auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und nicht lediglich auf die Tatsachen, die die Rechtswidrigkeit begründen, beziehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.1984 - GrSen 1/84, GrSen 2/84 - NJW 1985, 819). Die Kenntnis der Tatsachen, die die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts begründen, sind der Kenntnis bzw. dem Kennen-Müssen auch der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst nicht gleichzusetzen. Eine Gleichsetzung käme nur dann in Betracht, wenn der Betroffene hinreichend rechtskundig wäre, um aus den bekannten Tatsachen ohne weiteres die rechtlichen Folgerungen zu ziehen (VGH Kassel, Urt. v. 22.01.1990 - 8 UE 1215/84 - NVwZ 1990, 883, 885, in juris Rn. 31).

35

Es kommt im vorliegenden Fall demnach nicht allein auf die Kenntnis der „Landeskinderklausel“ an und auf das Bewusstsein, dass auch Schülerinnen und Schüler mit Wohnung in Dänemark in die Jahresdurchschnittszahlen eingeflossen sind. Der Kläger müsste zusätzlich gewusst oder grob fahrlässig nicht gewusst haben, dass die „Landeskinderklausel“ im Falle der Waldorfschule Flensburg anwendbar ist, dass der Beklagte die Zahlen trotz Kenntnis der im Erstattungsverfahren nach § 77 a SchulG a.F. eingereichten, auch dänische Schülerinnen und Schüler enthaltenden Listen ungeprüft übernimmt und dass die Zuwendungsbescheide von daher wegen einer objektiv falschen Berechnung nicht richtig sein können.

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Anhaltspunkte für das Bestehen einer positiven Kenntnis dieser Umstände bestehen nicht und werden auch nicht geltend gemacht.

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Eine grob fahrlässige Unkenntnis läge vor, wenn die gebotene Sorgfalt, die man hätte erwarten können und müssen, in besonders schwerer Weise oder in besonders schwerem Maße verletzt wurde, insbesondere wenn einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.1993 - 11 C 47/92 - E 92, 84; VGH Kassel a.a.O.; Kopp/Ramsauer a.a.O., § 48 Rn. 124). Dabei kommt es auf die individuellen Gegebenheiten, insbesondere auch die persönlichen Umstände und Fähigkeiten des Betroffenen an (BVerwG, Urt. v. 12.3.1991 - 6 C 51/88 - NJW 1991, 2718), nicht aber auf die objektiven Erfordernisse des Rechtsverkehrs (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O).

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Von solch naheliegenden Umständen oder einfachsten Überlegungen, die zu einer Kenntnis des Klägers über die Rechtswidrigkeit hätten führen können oder müssen, kann nach Auffassung der Kammer nicht ausgegangen werden. Dies gilt bereits hinsichtlich des Wissens um die Existenz der „Landeskinderklausel“ und der - unterstellten - Kenntnis von den Vorgängen um die Lübecker Waldorfschule. Entgegen der Auffassung des Beklagten hätte sich dem Kläger deshalb noch nicht aufdrängen müssen, dass nicht nur Schülerinnen und Schüler aus anderen Bundesländern, sondern erst recht solche aus benachbarten Staaten nicht in die Berechnung des Zuschusses einfließen dürften. Für den Kläger schien dies auch keineswegs selbstverständlich. Er verweist auf die Tatsache, dass es im nördlichen Schleswig-Holstein auch dänische Schulen gebe - ebenso wie im südlichen Dänemark deutsche Schulen - und dass er angenommen habe, dass insoweit auch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestehen. Diese Annahme erscheint nachvollziehbar und lässt jedenfalls eine grobe Fahrlässigkeit nicht erkennen. Dass es eine gegenseitige Anerkennung und Förderung der jeweiligen Minderheit einschließlich ihrer eigenen Schulen gibt, ist allgemein bekannt. Zu meinen, dass diese gegenseitige Anerkennung und Förderung im Rahmen zwischenstaatlicher Vereinbarungen geschieht, ist aus Sicht eines juristischen Laien oder auch eines Juristen, der sich mit dem deutsch-dänischen Verhältnis nicht näher befasst, keinesfalls abwegig. Darüber hinaus ist der Kläger, wie ausgeführt, weder auf die Existenz der „Landeskinderklausel“ noch auf ihre einzelnen Tatbestandsvarianten hingewiesen worden. Er ist erst recht nicht darauf hingewiesen worden, dass es mit Dänemark eben keine Vereinbarung i.S.d. § 63 Abs. 6 SchulG a.F. gibt und dass die „Landeskinderklausel“ deshalb sogar auf die dänischen Schulen in Schleswig-Holstein anwendbar ist.

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Unter Berücksichtigung der zu § 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwG gemachten Ausführungen hinsichtlich der gesetzlich vorgegebenen „Rollenverteilung“ durfte der Kläger als Träger einer Ersatzschule darüber hinaus davon ausgehen, dass der Beklagte als oberste Schul- und Schulaufsichtsbehörde des Landes und zugleich Zuschuss gewährende Stelle die gesetzlichen Vorschriften speziell über die Berechnung des Zuschusses - einschließlich der „Landeskinderklausel“ - kennt und diese nicht ungeprüft lassen wird. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Kläger weiter unterstellen konnte, dass dem Beklagten aus dem parallelen Erstattungsverfahren und der in diesem Zusammenhang beim Beklagten selbst geführten Schülerlisten jedenfalls in Gestalt der zuständigen Sachbearbeiterin bekannt war, dass die Schule auch von dänischen Schülerinnen und Schülern besucht wird. Insofern durfte er auch davon ausgehen, dass der Beklagte im Falle der Anwendbarkeit der „Landeskinderklausel“ Anlass haben würde, die Berechnung der Jahresdurchschnittszahlen zu überprüfen und bei Unklarheiten oder Unstimmigkeiten Rückfrage zu halten.

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Darauf, ob der Kläger annehmen durfte, dass der Beklagte die übermittelten Daten des Zuschussverfahrens und des Erstattungsverfahrens miteinander vergleichen würde oder überhaupt vergleichen konnte, kommt es nicht an. Beide Verfahren dienen jedenfalls der Durchführung der Ersatzschulfinanzierung und stehen in einem inhaltlichen Zusammenhang. Die Einführung des § 63 Abs. 6 SchulG a.F. durch das Haushaltsbegleitgesetz 1994 war nur eine Folge der gleichzeitigen Einführung des § 77 a SchulG a.F.. Hintergrund dieser Neuregelung war der Umstand, dass sich der Schullastenausgleich nach den §§ 76, 77 SchulG a.F. bis dahin nur auf den Besuch öffentlicher Schulen bezog, so dass kommunale Schulträger (Schul-) Kosten sparten, wenn ihre Schülerinnen und Schüler anstelle öffentlicher Schulen Ersatzschulen besuchten. Diesen ersparten Aufwand hatte das Land im Rahmen der Bezuschussung der Ersatzschulen bis dahin mitgetragen, obwohl der kommunale Schulaufwand bei der Zuschussberechnung als Kostenpunkt einbezogen wurde (so die Gesetzesbegründung. in LT/Drs. 13/1358 S. 13 ff.). Der inhaltliche Zusammenhang ergibt sich augenfällig auch daraus, dass § 77 a SchulG a.F. selbst in § 63 Abs. 6 SchulG a.F. erwähnt wird. Danach wird der Zuschuss auch für solche Schülerinnen und Schüler gewährt, für die an das Land Erstattungen nach § 77 a Abs. 1 S. 1 SchulG (a.F.) zu leisten sind.

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Da schließlich auch aus der Überprüfung der Zuwendungspraxis durch den Landesrechnungshof im Jahre 2002 in Bezug auf die Berücksichtigung dänischer Schülerinnen und Schüler keine Beanstandung folgte (oder folgen konnte), ergab sich für den Kläger auch hieraus kein Anlass, insoweit an der Rechtmäßigkeit der Zuschussgewährung zu zweifeln.

42

Nach alledem vermag die Kammer nicht zu erkennen, woraus sich die vom Beklagten angenommene „Erkundungspflicht“ auf Seiten des Klägers ergeben sollte. Eine gesteigerte Mitwirkungspflicht nach § 84 Abs. 2 LVwG besteht mangels Rechtsvorschrift nicht. Bei Beamten beispielsweise wird aufgrund ihrer Treuepflichten eine Pflicht zur Überprüfung und - bei Unklarheiten - zur Rückfrage angenommen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.11.1986 - 2 C 29/84 - NVwZ 1987, 500, in juris Rn. 12). Eine solche Pflicht besteht im Übrigen aber nur, wenn offensichtlich Anlass zu Zweifeln besteht oder sich die Fehlerhaftigkeit aufdrängt. Anderenfalls kann ein Bürger darauf vertrauen, dass die Behörde rechtmäßig entschieden hat. Dabei darf er sich auf Verwaltungsvorschriften und eine ständige Verwaltungspraxis verlassen und handelt dann in aller Regel jedenfalls nicht grob fahrlässig (Kopp/Ramsauer a.a.O., Rn. 125 mwN). So liegt es auch hier. Nicht zuletzt aufgrund der unverändert fortgeführten Verwaltungspraxis und der mangelhaften Aufklärung im Verfahren hatte der Kläger keine ernsthafte Veranlassung, an der Rechtmäßigkeit der Zuwendungsbescheide zu zweifeln.

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Da damit bereits die Voraussetzungen für die teilweise Rücknahme der Zuschussbescheide i.S.d. § 116 Abs. 2 LVwG nicht gegeben sind, kommt es auf die Überprüfung des Ermessens nicht mehr an.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Sie ist gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.