Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 10. Apr. 2014 - 5 K 14.00287

bei uns veröffentlicht am10.04.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die am 24. November 1989 in ... geborene Klägerin, eine serbische Staatsangehörige, verließ das Bundesgebiet am 17. April 1990 zusammen mit ihrer Mutter, nachdem diese ihren Asylantrag und die nach dessen Ablehnung erhobene Klage zurückgenommen hatte.

Am 22. Oktober 1991 reiste die Klägerin zusammen mit ihrer Mutter wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ein Asylfolgeantrag der Mutter der Klägerin blieb erfolglos. Im Folgenden wurde der Aufenthalt der Klägerin und ihrer Mutter im Bundesgebiet geduldet. Im April 1998 heiratete die Mutter der Klägerin einen in Deutschland aufenthaltsberechtigten libanesischen Staatsangehörigen, woraufhin der Klägerin im Rahmen des Kindernachzugs am 9. November 2001 eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, die zuletzt am 18. Februar 2009 gemäß § 34 Abs. 3 AufenthG bis 17. Februar 2011 verlängert wurde.

Am 15. Februar 2011 beantragte die Klägerin die weitere Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis. Ihr wurde daraufhin eine bis zum 22. Juni 2011 gültige Fiktionsbescheinigung erteilt, die nach Aktenlage zuletzt am 7. September 2012 bis 5. Dezember 2012 verlängert wurde.

Am 24. Februar 2011 teilte die Klägerin der Beklagten im Rahmen einer Vorsprache mit, dass sie bis 2008 die berufliche Schule in Fürth besucht und sich danach erfolglos um eine Ausbildungsstelle beworben habe. Da sie über keinerlei Schulabschluss verfüge, gestalte sich die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sehr schwierig. Am 22. März 2011 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie im August den Schulabschluss nachholen wolle. Da sie nur von ihrem Vater unterstützt werde, der Alleinverdiener sei, sei sie hierzu auf eigenes Einkommen/Ersparnisse angewiesen. Derzeit wisse sie noch nicht, wie sie das finanzieren solle. Ihr Stiefvater sei derzeit nicht bereit, die Kosten zu übernehmen. Ein am 1. Juli 2011 aufgenommenes Leiharbeitsverhältnis gab die Klägerin nach einem Tag wieder auf, weil ihr die Drei-Schicht-Tätigkeit nach ihren Angaben nicht gefallen habe und zu anstrengend gewesen sei. Am 21. Oktober 2011 schloss die Klägerin mit dem Job-Center... eine Eingliederungsvereinbarung zum Erwerb eines Ausbildungsabschlusses, brach diese jedoch wieder ab. Am 4. Mai 2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie nun doch an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilnehmen werde. Die Klägerin trat diese am 2. Mai 2012 an, brach sie jedoch später wieder ab. Das Job-Center ... teilte der Beklagte am 12. März 2013 mit, dass die Klägerin seit 1. Juni 2011 im Leistungsbezug stehe.

Nach Anhörung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. März 2013 den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab, forderte die Klägerin auf, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Bescheides zu verlassen und drohte ihr für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung insbesondere nach Serbien an.

Mit Telefax ihrer Bevollmächtigten vom 22. April 2013 hat die Klägerin Klage gegen die Stadt ... zum Bayer. Verwaltungsgericht Ansbach erhoben und beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. März 2013 zu verpflichten, der Klägerin einen Aufenthaltstitel zu erteilen.

Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 13. Mai 2013 vorgetragen, dass bei der Entscheidungsfindung von erheblichen Ermessensfehlern ausgegangen werde. Die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass die Klägerin keine faktische Inländerin sei. Der Klägerin drohten bei einer Ausweisung nach Serbien erhebliche Gefahren. Insbesondere sei die aus Art. 8 Abs. 2 EMRK bestehende Verpflichtung, besonders den Schutz des Privat- und Familienlebens zu gewähren, nicht beachtet worden. Die Klägerin sei im Bundesgebiet geboren und lebe bis zum heutigen Tage hier. Die gesamte Familie der Klägerin lebe ebenfalls in Deutschland. Die Klägerin habe eine wichtige Rolle in der Familie, da sie sich sehr viel um die jüngeren Geschwister kümmere. Auch der gesamte Freundeskreis der Klägerin lebe in ... Die Klägerin sei in der hiesigen Gesellschaft fest verwurzelt und spreche die deutsche Sprache perfekt. Wenn man den dauerhaften Aufenthalt in Deutschland sehe, spiele die Frage des Erfolges des schulischen Werdegangs im Rahmen der Ausweisungsentscheidung sicher nur eine untergeordnete Rolle. Die Probleme in der Ausbildung hätten mehrere Gründe gehabt. Die Klägerin habe unter grundlosen Angriffen ihrer Mitschüler gelitten und sei permanent Attacken ausgesetzt gewesen, weil sie ein Kopftuch getragen habe, was sie mittlerweile nicht mehr tue. Zum Land ihrer Staatsangehörigkeit habe die Klägerin überhaupt keinen Bezug mehr, sie spreche auch die serbische Sprache nicht. Serbien sei für sie ein vollkommen fremdes Land, in dem sie keinen Menschen kenne. Im Falle der Ausweisung nach Serbien werde die Klägerin dort ein leichtes Opfer. Bezugspersonen habe sie dort nicht.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 31. Mai 2013 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, dass über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis der Klägerin nach § 34 Abs. 3 AufenthG zu entscheiden gewesen sei. Bei der danach zu treffenden Ermessensentscheidung sei auch die Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung im Sinn des § 5 AufenthG zu berücksichtigen. Die Verlängerung des Aufenthaltstitels sei zu versagen gewesen, weil die Klägerin nicht in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt selbstständig zu bestreiten und sie auch die Erfüllung der Passpflicht nicht nachgewiesen habe. Dass die Klägerin im Bundesgebiet geboren sei, hier aufgewachsen sei und die Schule besucht habe, mache sie noch nicht zu einer faktischen Inländerin, der ein Rechtsanspruch auf Aufenthaltsgewährung zustehe.

Die Regierung von ... hat sich mit Schreiben vom 22. Mai 2013 als Vertreter des öffentlichen Interesses an dem Verfahren beteiligt und mit Schreiben vom 10. Juni 2013 ausgeführt, dass sie der Position der Beklagten beitrete.

Den mit Telefax der Bevollmächtigten der Klägerin vom 22. April 2013 gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, lehnte das Gericht mit Beschluss vom 18. Juni 2013 (AN 5 S 13.00772) ab. Auf die dagegen erhobene Beschwerde ordnete der bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Februar 2014 (19 CS 13.1465) die aufschiebende Wirkung der Klage an.

Die Beklagte trug mit Schreiben vom 13. März 2014 weiter vor, dass die Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes nicht geteilt werde.

In der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2014 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Der Bevollmächtigte der Klägerin und der Vertreter der Beklagten wiederholten die schriftlich gestellten Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20. März 2013ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1VwGO).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis.

Das Begehren der Klägerin lässt sich nicht auf § 34 Abs. 3 AufenthG stützen. Dem steht bereits entgegen, dass die Klägerin die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetzt, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Diese Regelung ist gem. § 8 Abs. 1 AufenthG bei der Verlängerung nach § 34 Abs. 3 AufenthG zu berücksichtigen, denn die Privilegierung in § 34 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gilt nur für die akzessorische Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des Absatz 1 der Norm, nicht auch für die Verlängerung nach § 34 Abs. 3 AufenthG. Gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Unterhalt gesichert, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall, da die Klägerin seit 1. Juni 2011 Leistungen nach dem SGB II bezieht. Entgegen der Andeutung im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Februar 2014 (a. a. O. -Rn. 13) war es in diesem Zusammenhang insbesondere trotz des Umstandes, dass der maßgeblichen Bedarfsgemeinschaft der Klägerin u. a. auch deren deutsche Stiefschwester angehört, nicht notwendig, eine detaillierte Gegenüberstellung des Bedarfs und der Einkünfte der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft vorzunehmen. Die Beklagte weist dazu in ihrem Schreiben vom 13. März 2013 zu Recht darauf hin, dass aktuell kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, abgesehen von Kindergeld, über ein eigenes anrechenbares Einkommen verfügt und sich deshalb für die Klägerin auch ohne Berücksichtigung des Bedarfs der deutschen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft keine eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts ergeben kann.

Auch nach eingehender Prüfung im Hauptsacheverfahren kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass trotz des Umstandes, dass die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland geboren ist und bis auf den Zeitraum von April 1990 bis Oktober 1991 ihr gesamtes Leben in der Bundesrepublik verbracht hat, kein Anlass besteht, von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abzusehen.

Ein das Abweichen von dieser Regelerteilungsvoraussetzung rechtfertigender Ausnahmefall ist nur gegeben, wenn besondere, bedeutsame atypische Umstände vorliegen oder die Erteilung des Aufenthaltstitels aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK geboten ist (vgl. BayVGH, B. v. 20.9.2010 - 10 CS 10.1224 - juris). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverwaltungsgerichts haben die zuständigen Behörden und Gerichte bei ihren rechtlichen Entscheidungen deren Auswirkungen auf das Privatleben der Betroffenen und ihre Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu beachten. Eine Verletzung des in Art. 8 EMRK verankerten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kommt bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer Gesamtentwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist (BVerwG, U. v. 13.4.2010 -1 C 10/09 - NVwZ 2010, 1369). Maßgeblich ist insoweit, ob eine tiefgreifende Verwurzelung in Deutschland bei gleichzeitiger Entwurzelung vom Herkunftsland vorliegt. Wesentliche Gesichtspunkte für die Integration sind dabei die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, gute deutsche Sprachkenntnisse, wirtschaftliche und soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, Innehabung eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes und ein fester Wohnsitz. Gesichtspunkte für die Reintegration in die Verhältnisse des Heimatlandes sind die Kenntnisse der Heimatsprache, die Vertrautheit mit den Verhältnissen im Heimatland und die Existenz dort noch lebender Verwandter (VG Berlin, B. v. 23.8.2012 - 13 L 227.12 - juris).

Die Klägerin ist keine „faktische Inländerin“ nach diesen Maßstäben. Ihre bisherige Schul- und Erwerbsbiografie lässt nicht erkennen bzw. erwarten, dass sie sich in die hiesigen Lebensverhältnisse eingelebt hat bzw. in absehbarer Zeit einleben wird. Insoweit wird auf die zutreffende und ausführliche Darstellung des schulischen und beruflichen Werdegangs der Klägerin auf den Seiten 5 und 6 des angefochtenen Bescheides verwiesen. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof macht in seinem Beschluss vom 11. Februar 2014 (a. a. O. - Rn. 9) deutlich, dass die Klägerin zwar zahlreiche Arbeitsplatzbewerbungen vorgelegt, aber auch mehrere Anhaltspunkte für Defizite bei dem inneren Engagement geliefert habe, das für eine Unterhaltssicherung durch Erwerbstätigkeit und (vorher) für die allgemeine Schulbildung und für die Berufsbildung erforderlich sei. Aus der Summe dieser (im Beschluss des BayVGH ausführlich dargestellten einzelnen) Vorgänge ergebe sich, dass die Gründe außerhalb ihrer Person, die die Klägerin für einzelne ihrer Misserfolge angegeben habe, weder die einzigen noch die entscheidenden Scheiternsgründe gewesen seien. An der nicht vorhandenen Motivation der Klägerin, diese im Wesentlichen von ihr selbst verursachte Situation durch eigene Anstrengungen zum Positiven zu verändern oder wenigstens ernsthafte Versuche in diese Richtung zu unternehmen, hat sich nach dem Eindruck, den die Kammer in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, nichts geändert. Für die in der mündlichen Verhandlung geäußerte grundsätzliche Bereitschaft der Klägerin, eine Ausbildung zu absolvieren bzw. eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, wurden von Seiten der Klägerin offenbar keinerlei konkrete Bemühungen unternommen. Die Klägerin sucht die Schuld für ihre Lage nach wir vor bei anderen und macht hierfür z. B. ausschließlich ihre „vorerst ungeklärte ausländerrechtliche Situation“ verantwortlich. Dass die Klägerin in dem dreiviertel Jahr seit Erlass des Beschlusses des Gerichts vom 18. Juni 2013 überhaupt entsprechende Bemühungen unternommen hat, wenigstens teilweise zur Sicherung ihres eigenen Unterhalts beizutragen, ist nicht ersichtlich.

Eine tiefgreifende Verwurzelung der Klägerin in die hiesigen Lebensverhältnisse liegt somit in keiner Weise vor. Die Klägerin hat zwar einen festen Wohnsitz im Haushalt ihrer Familie, jedoch weder einen Arbeits- noch einen Ausbildungsplatzes und offenbar auch keinerlei Interesse, einen Arbeits- oder einen Ausbildungsplatz zu erlangen. Ein schützenswertes Privatleben der Klägerin im Bundesgebiet kann die Kammer entgegen der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 11. Februar 2014 vertretenen Auffassung nicht erkennen. Alleine ihr langjähriger und bis auf den Zeitraum von April 1990 bis Oktober 1991 auch ausschließlicher Aufenthalt im Bundesbiet reichen dafür nicht aus. Die Sozialbehörden haben in der Vergangenheit ausreichende, aber im Ergebnis stets erfolglose Bemühungen unternommen, um die Klägerin darin zu unterstützen, ihr(auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gesehenes)Integrationsdefizit zu beseitigen, Es ist nicht erkennbar, durch welche weiteren Maßnahmen die Klägerin veranlasst werden könnte, ihre bezüglich eigener Anstrengungen gegebene Verweigerungshaltung aufzugeben. Bei dieser inneren Einstellung der Klägerin, die sich damit zufrieden gibt, wie alle ihre Familienangehörigen ihren Unterhalt durch Leistungen des Jobcenters zu bestreiten, sind alle weiteren Versuche, die Klägerin auf einen Weg zu bringen, auf dem sie selbst für die eigene Unterhaltssicherung sorgen könnte, von vornherein zum Scheitern verurteilt und deshalb nicht geeignet, das Integrationsdefizit der Klägerin zu beheben.

Die Kammer verkennt nicht, dass es für die Klägerin nicht einfach sein wird, sich in die Verhältnisse in Serbien zu integrieren. Jedoch spricht die Klägerin nach eigenen Angaben die Roma-Sprache. Es ist ihr zumutbar, sich die serbische Sprache, falls sie diese tatsächlich nicht sprechen sollte, anzueignen. Die Klägerin ist mittlerweile über 24 Jahre alt und damit nicht mehr auf die Unterstützung durch ihre in Deutschland lebenden Familienangehörigen angewiesen. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weist in seinem Beschluss vom 11. Februar 2014 (a. a. O. - Rn. 14) darauf hin, dass der Anspruch der Klägerin auf Schutz ihres Privatlebens nicht wesentlich durch ein Schutzbedürfnis ihres Familienlebens verstärkt werde und dass daran auch der Vortrag, die Klägerin kümmere sich sehr viel um ihre jüngeren Geschwister und betreue diese, nichts ändere. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hält es in diesem Zusammenhang auch die Kammer für sehr fraglich, ob die Klägerin angesichts ihrer massiven, nach Auffassung der Kammer von der Klägerin ausschließlich selbst verschuldeten Schwierigkeiten, sich in das Erwerbsleben zu integrieren, für Jugendliche ein geeignetes Vorbild darstellen kann.

Die Versagung des weiteren Aufenthalts der Klägerin im Bundesgebiet ist nach Auffassung der Kammer nach allem weder mit Art 6 Abs. 1 GG noch mit Art. 8 Abs. 1 EMRK unvereinbar. Es liegt kein ein Abweichen von der gesetzlichen Regel rechtfertigender Ausnahmefall vor, weil kein atypischer Geschehensablauf gegeben ist, der so bedeutsam ist, dass er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigt. Der Versagung der Aufenthaltserlaubnis steht auch nicht höherrangiges Recht entgegen.

Andere Anspruchsgrundlagen für das Begehren der Klägerin sind nicht ersichtlich. Insbesondere kommt ein Anspruch aus § 25 Abs. 4 AufenthG nicht in Betracht, da ein Daueraufenthalt angestrebt wird. Ein Anspruch aus § 25 Abs. 5 AufenthG besteht nicht, da der Klägerin die Ausreise nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist.

Da auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung gemäß §§ 50, 59 AufenthG nicht zu beanstanden sind, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen


(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlau

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 50 Ausreisepflicht


(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. (2) Der Ausländer hat da

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist. (2) Erwerbstätigkeit ist die selbständige Tätigkeit, die Beschäftigung im Sinne von § 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und die Tätigkeit als

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 8 Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis


(1) Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung. (2) Die Aufenthaltserlaubnis kann in der Regel nicht verlängert werden, wenn die zuständige Behörde dies bei einem seiner Zweckbestimmun

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 34 Aufenthaltsrecht der Kinder


(1) Die einem Kind erteilte Aufenthaltserlaubnis ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 zu verlängern, solange ein personensorgeberechtigter Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daue

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Tatbestand 1 Der Kläger, ein 1965 geborener irakischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Rücknahme seiner unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und die Androhung der

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(1) Die einem Kind erteilte Aufenthaltserlaubnis ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 zu verlängern, solange ein personensorgeberechtigter Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt und das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt oder das Kind im Falle seiner Ausreise ein Wiederkehrrecht gemäß § 37 hätte.

(2) Mit Eintritt der Volljährigkeit wird die einem Kind erteilte Aufenthaltserlaubnis zu einem eigenständigen, vom Familiennachzug unabhängigen Aufenthaltsrecht. Das Gleiche gilt bei Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und der Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU oder wenn die Aufenthaltserlaubnis in entsprechender Anwendung des § 37 verlängert wird.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis und der Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU noch nicht vorliegen.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die einem Kind erteilte Aufenthaltserlaubnis ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 zu verlängern, solange ein personensorgeberechtigter Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt und das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt oder das Kind im Falle seiner Ausreise ein Wiederkehrrecht gemäß § 37 hätte.

(2) Mit Eintritt der Volljährigkeit wird die einem Kind erteilte Aufenthaltserlaubnis zu einem eigenständigen, vom Familiennachzug unabhängigen Aufenthaltsrecht. Das Gleiche gilt bei Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und der Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU oder wenn die Aufenthaltserlaubnis in entsprechender Anwendung des § 37 verlängert wird.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis und der Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU noch nicht vorliegen.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann in der Regel nicht verlängert werden, wenn die zuständige Behörde dies bei einem seiner Zweckbestimmung nach nur vorübergehenden Aufenthalt bei der Erteilung oder der zuletzt erfolgten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen hat.

(3) Vor der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist festzustellen, ob der Ausländer einer etwaigen Pflicht zur ordnungsgemäßen Teilnahme am Integrationskurs nachgekommen ist. Verletzt ein Ausländer seine Verpflichtung nach § 44a Abs. 1 Satz 1 zur ordnungsgemäßen Teilnahme an einem Integrationskurs, ist dies bei der Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen. Besteht kein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, soll bei wiederholter und gröblicher Verletzung der Pflichten nach Satz 1 die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt werden. Besteht ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nur nach diesem Gesetz, kann die Verlängerung abgelehnt werden, es sei denn, der Ausländer erbringt den Nachweis, dass seine Integration in das gesellschaftliche und soziale Leben anderweitig erfolgt ist. Bei der Entscheidung sind die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, schutzwürdige Bindung des Ausländers an das Bundesgebiet und die Folgen einer Aufenthaltsbeendigung für seine rechtmäßig im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen zu berücksichtigen. War oder ist ein Ausländer zur Teilnahme an einem Integrationskurs nach § 44a Absatz 1 Satz 1 verpflichtet, soll die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis jeweils auf höchstens ein Jahr befristet werden, solange er den Integrationskurs noch nicht erfolgreich abgeschlossen oder noch nicht den Nachweis erbracht hat, dass seine Integration in das gesellschaftliche und soziale Leben anderweitig erfolgt ist.

(4) Absatz 3 ist nicht anzuwenden auf die Verlängerung einer nach § 25 Absatz 1, 2 oder Absatz 3 erteilten Aufenthaltserlaubnis.

(1) Die einem Kind erteilte Aufenthaltserlaubnis ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 zu verlängern, solange ein personensorgeberechtigter Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt und das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt oder das Kind im Falle seiner Ausreise ein Wiederkehrrecht gemäß § 37 hätte.

(2) Mit Eintritt der Volljährigkeit wird die einem Kind erteilte Aufenthaltserlaubnis zu einem eigenständigen, vom Familiennachzug unabhängigen Aufenthaltsrecht. Das Gleiche gilt bei Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und der Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU oder wenn die Aufenthaltserlaubnis in entsprechender Anwendung des § 37 verlängert wird.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis und der Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU noch nicht vorliegen.

(1) Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist.

(2) Erwerbstätigkeit ist die selbständige Tätigkeit, die Beschäftigung im Sinne von § 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und die Tätigkeit als Beamter.

(3) Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Nicht als Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gilt der Bezug von:

1.
Kindergeld,
2.
Kinderzuschlag,
3.
Erziehungsgeld,
4.
Elterngeld,
5.
Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz,
6.
öffentlichen Mitteln, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen und
7.
Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Ist der Ausländer in einer gesetzlichen Krankenversicherung krankenversichert, hat er ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Bei der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug werden Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt. Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16a bis 16c, 16e sowie 16f mit Ausnahme der Teilnehmer an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, als gesichert, wenn der Ausländer über monatliche Mittel in Höhe des monatlichen Bedarfs, der nach den §§ 13 und 13a Abs. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bestimmt wird, verfügt. Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16d, 16f Absatz 1 für Teilnehmer an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, sowie § 17 als gesichert, wenn Mittel entsprechend Satz 5 zuzüglich eines Aufschlages um 10 Prozent zur Verfügung stehen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gibt die Mindestbeträge nach Satz 5 für jedes Kalenderjahr jeweils bis zum 31. August des Vorjahres im Bundesanzeiger bekannt.

(4) Als ausreichender Wohnraum wird nicht mehr gefordert, als für die Unterbringung eines Wohnungssuchenden in einer öffentlich geförderten Sozialmietwohnung genügt. Der Wohnraum ist nicht ausreichend, wenn er den auch für Deutsche geltenden Rechtsvorschriften hinsichtlich Beschaffenheit und Belegung nicht genügt. Kinder bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres werden bei der Berechnung des für die Familienunterbringung ausreichenden Wohnraumes nicht mitgezählt.

(5) Schengen-Staaten sind die Staaten, in denen folgende Rechtsakte in vollem Umfang Anwendung finden:

1.
Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19),
2.
die Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1) und
3.
die Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1).

(6) Vorübergehender Schutz im Sinne dieses Gesetzes ist die Aufenthaltsgewährung in Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 212 S. 12).

(7) Langfristig Aufenthaltsberechtigter ist ein Ausländer, dem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung nach Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Nr. L 16 S. 44), die zuletzt durch die Richtlinie 2011/51/EU (ABl. L 132 vom 19.5.2011, S. 1) geändert worden ist, verliehen und nicht entzogen wurde.

(8) Langfristige Aufenthaltsberechtigung – EU ist der einem langfristig Aufenthaltsberechtigten durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellte Aufenthaltstitel nach Artikel 8 der Richtlinie 2003/109/EG.

(9) Einfache deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten Nr. R (98) 6 vom 17. März 1998 zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen – GER).

(10) Hinreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau A 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(11) Ausreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(11a) Gute deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(12) Die deutsche Sprache beherrscht ein Ausländer, wenn seine Sprachkenntnisse dem Niveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen.

(12a) Eine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn es sich um eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf handelt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist.

(12b) Eine qualifizierte Beschäftigung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn zu ihrer Ausübung Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die in einem Studium oder einer qualifizierten Berufsausbildung erworben werden.

(12c) Bildungseinrichtungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Ausbildungsbetriebe bei einer betrieblichen Berufsaus- oder Weiterbildung,
2.
Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung.

(13) International Schutzberechtigter ist ein Ausländer, der internationalen Schutz genießt im Sinne der

1.
Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) oder
2.
Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9).

(14) Soweit Artikel 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31), der die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung betrifft, maßgeblich ist, gelten § 62 Absatz 3a für die widerlegliche Vermutung einer Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 und § 62 Absatz 3b Nummer 1 bis 5 als objektive Anhaltspunkte für die Annahme einer Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 entsprechend; im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 bleibt Artikel 28 Absatz 2 im Übrigen maßgeblich. Ferner kann ein Anhaltspunkt für Fluchtgefahr vorliegen, wenn

1.
der Ausländer einen Mitgliedstaat vor Abschluss eines dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz verlassen hat und die Umstände der Feststellung im Bundesgebiet konkret darauf hindeuten, dass er den zuständigen Mitgliedstaat in absehbarer Zeit nicht aufsuchen will,
2.
der Ausländer zuvor mehrfach einen Asylantrag in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 gestellt und den jeweiligen anderen Mitgliedstaat der Asylantragstellung wieder verlassen hat, ohne den Ausgang des dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz abzuwarten.
Die für den Antrag auf Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
a)
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 oder 2 besteht,
b)
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Überstellungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
c)
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Überstellungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Überstellungshaft vorzuführen. Auf das Verfahren auf Anordnung von Haft zur Überstellung nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 finden die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend Anwendung, soweit das Verfahren in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 nicht abweichend geregelt ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein 1965 geborener irakischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Rücknahme seiner unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und die Androhung der Abschiebung in den Irak.

2

Er reiste im Juni 1995 nach Deutschland ein und beantragte hier die Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (damals: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) - Bundesamt - erkannte ihn mit Bescheid vom 6. Dezember 1995 als Asylberechtigten an und stellte zugleich fest, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Daraufhin erteilte die zuständige Ausländerbehörde dem Kläger unter dem 23. Januar 1996 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 68 AsylVfG 1992.

3

1998 stellte sich im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens heraus, dass der Kläger im Dezember 1990 unter einem anderen Namen nach Österreich eingereist war, sich dort bis 1995 aufgehalten und erfolglos ein Asylverfahren betrieben hatte. Zudem wurde festgestellt, dass er sich im Herbst 1996 im Irak aufgehalten hatte.

4

Im Februar 2000 nahm das Bundesamt die Asylanerkennung des Klägers wegen unrichtiger Angaben und nicht mehr bestehender Gefährdungslage im Nordirak zurück und widerrief die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Ferner wurde festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Göttingen im März 2002 rechtskräftig ab.

5

Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 2. Oktober 2002 die unbefristete Aufenthaltserlaubnis des Klägers, forderte ihn zur Ausreise auf und drohte ihm für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung in den Irak an. Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung mit Bescheid vom 17. November 2003 zurück und änderte zugleich den Bescheid der Beklagten, indem sie die dem Kläger erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung für die Zukunft zurücknahm. Seit Aufhebung seiner asylrechtlichen Aufenthaltserlaubnis hält sich der Kläger ohne Aufenthaltstitel in Deutschland auf.

6

Mit seiner gegen die ausländerbehördliche Entscheidung gerichteten Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht: Sein persönliches Interesse, im Bundesgebiet zu verbleiben, sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Er habe alle Beziehungen im Irak außer derjenigen zu seinem Vater vollständig abgebrochen. Kinder habe er nicht, der gegenteilige Vortrag seines Bevollmächtigten sei unzutreffend. Bei seinem Besuch im Jahr 1996 habe er nach seiner Ehefrau geforscht, sie jedoch nicht mehr gefunden, weil sie wohl infolge einer großen Kurdenverfolgungsaktion verschwunden sei. In Deutschland habe er enge persönliche Bindungen zu seinem Großcousin und dessen Lebensgefährtin. Er habe von 1996 bis 1999 und dann wieder ab September 2003 in Deutschland gearbeitet und sei hier integriert, während er im Irak keine Existenzgrundlage für sich finden könne.

7

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 10. September 2008 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Sein Urteil hat es im Wesentlichen wie folgt begründet: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen der angefochtenen Verfügung sei derjenige der letzten behördlichen Entscheidung - also der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2003 - und nicht der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht. Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung von Ausweisungsverfügungen sei auf die hier zu beurteilende Aufhebung eines Aufenthaltstitels nicht zu übertragen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung für die Zukunft sei die Widerrufsvorschrift des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG. Zwar habe sich die Widerspruchsbehörde unter Abänderung des Ausgangsbescheids auf § 48 Abs. 1 VwVfG gestützt und statt eines Widerrufs eine Rücknahme verfügt. Gegen die Anwendbarkeit von § 48 Abs. 1 VwVfG spreche aber, dass § 43 Abs. 1 AuslG für die dort genannten Fallgruppen eine ausdrückliche Regelung enthalte, die gegenüber der allgemeinen Rücknahmevorschrift spezieller sei. Die behördliche Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Die Behörde dürfe grundsätzlich davon ausgehen, dass in den Fällen des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG ein gewichtiges öffentliches Interesse an dem Widerruf der Aufenthaltsgenehmigung bestehe, falls nicht aus anderen Rechtsgründen ein gleichwertiger - asylunabhängiger - Aufenthaltstitel zu gewähren sei. Bei ihrer Ermessensausübung müsse die Ausländerbehörde allerdings auch die schutzwürdigen Belange des Ausländers an einem weiteren Verbleib in Deutschland in den Blick nehmen. Das behördliche Ermessen sei auch nicht dadurch eingeschränkt, dass der Kläger unabhängig von seiner entfallenen Asylberechtigung aus anderen Rechtsgründen einen Anspruch auf ein dem entzogenen Recht gleichwertiges Aufenthaltsrecht habe. Dem Kläger habe zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung kein derartiges Daueraufenthaltsrecht zugestanden. Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 35 AuslG stelle kein asylunabhängiges Aufenthaltsrecht dar, weil die dafür erforderliche Dauer des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis gerade auf der asylrechtlichen Rechtsstellung des Klägers beruht habe. Im Übrigen sei der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt am 17. November 2003 auch nicht acht Jahre im Besitz seiner Aufenthaltserlaubnis gewesen, wie das § 35 Abs. 1 AuslG fordere.

8

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Das angegriffene Urteil verletze Bundesrecht dadurch, dass es erhebliche Ermessensfehler der behördlichen Entscheidung verkenne. Insbesondere habe das Berufungsgericht auf die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abstellen müssen und nicht - wie geschehen - auf den der letzten behördlichen Entscheidung. Mittlerweile habe er einen längeren Zeitraum in Deutschland verbracht, zugleich hätten sich die Lage im Nordirak und damit die Rückkehrbedingungen für ihn verschlechtert. Die ursprünglich erhobene Gehörsrüge wegen fehlender Hinzuziehung eines Dolmetschers durch das Oberverwaltungsgericht hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat fallengelassen.

9

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie vertritt die Auffassung, selbst wenn zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht abzustellen sei, sei weder dargelegt noch erkennbar, dass eine solche Zeitpunktverlagerung zu einer anderen Sachentscheidung geführt hätte. Der Kläger habe auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Verhandlung nicht nachgewiesen, dass sein Lebensunterhalt nachhaltig gesichert sei. Im Übrigen habe er die Passpflicht nicht erfüllt.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Rücknahmebescheids nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung zu beurteilen ist. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 10. September 2008. Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens auf Aufhebung des Rücknahmebescheids ist daher auf die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) und gemäß § 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - NVwVfG - auf die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl I S. 102) abzustellen. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

11

1. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheids, durch den eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen oder widerrufen wird, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts zugrunde zu legen. Der Senat hält insoweit an seiner Rechtsprechung, wonach in diesen Fällen der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblich ist (vgl. Urteil vom 20. Februar 2003 - BVerwG 1 C 13.02 - BVerwGE 117, 380 <388>), nicht weiter fest. Er überträgt vielmehr seine bereits für die Zeitpunktverlagerung bei Ausweisungen entwickelte (vgl. Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 14 ff.) und auf Ermessensentscheidungen über die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen erstreckte Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329, Rn. 37 f.) nunmehr auch auf die Aufenthaltsbeendigung durch Rücknahme und Widerruf eines Aufenthaltstitels.

12

Maßgebend ist für den Senat die Erwägung, dass die Aufhebung eines Aufenthaltstitels durch Rücknahme oder Widerruf wie die Ausweisung und die Versagung oder Nichtverlängerung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel zu einer Aufenthaltsbeendigung führt. Vor allem in diesen Fällen kommt dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie bei familiären Bindungen dem Grundrecht aus Art. 6 GG eine besondere Bedeutung zu. Diese Rechte gewähren nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts materiell zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Die zuständigen Behörden und Gerichte haben bei ausländerrechtlichen Entscheidungen aber deren Auswirkungen auf das Privatleben des Betroffenen und seine familiären Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu beachten. Für den betroffenen Ausländer macht es im Ergebnis häufig keinen Unterschied, ob der Aufenthalt durch Ausweisung oder durch Aufhebung oder Nichterteilung einer Aufenthaltserlaubnis beendet wird. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Rechtmäßigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen nach Art. 8 EMRK kommt es letztlich auf den Erfolg an, nämlich den Verlust des Aufenthaltsrechts, wie dieser auch immer rechtstechnisch herbeigeführt wird. Deshalb hält es der Senat für geboten, die Zeitpunktverlagerung auch auf Fälle der Aufenthaltsbeendigung durch Rücknahme und Widerruf eines unbefristeten Aufenthaltstitels zu erstrecken, zumal hier - anders als im Fall der versagten Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels - in ein bestehendes Aufenthaltsrecht eingegriffen wird. Zwar trifft der Hinweis des Berufungsgerichts zu, dass Widerruf und Rücknahme eines Aufenthaltstitels - anders als die Ausweisung - kein Einreiseverbot und keine Sperre für die erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 11 Abs. 1 AufenthG begründen. Diese über die Aufenthaltsbeendigung hinausgehenden Folgen einer Ausweisung waren aber für die vom Senat für geboten erachtete Zeitpunktverlagerung nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, dass es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen der potentiellen Grundrechtsrelevanz von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gebietet, dass die Verwaltungsgerichte ihrer Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit eine möglichst aktuelle, d.h. nicht bereits überholte Tatsachengrundlage zugrunde legen. Ob etwas anderes bei der Aufhebung von befristeten Aufenthaltstiteln gilt, deren Gültigkeit vor der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abgelaufen ist, kann offen bleiben (vgl. hierzu VGH Mannheim, Urteil vom 15. Juli 2009 - 13 S 2372/08 - NVwZ 2009, 1380 <1381>).

13

Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von revisiblem Recht, weil es bei der Überprüfung des Rücknahmebescheids der Beklagten, der eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis betraf, auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung im November 2003 und nicht auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht im September 2008 abgestellt hat. Dieser Rechtsverstoß führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache. Denn der Senat kann mangels jeglicher Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Lebensumständen des Klägers seit November 2003 nicht selbst entscheiden, ob die Rücknahme auch bei Berücksichtigung der Verhältnisse im September 2008 als rechtmäßig anzusehen war. Andererseits kann der Senat auch nicht abschließend zugunsten des Klägers entscheiden, weil der angefochtene Bescheid - abgesehen von der noch ausstehenden Feststellung und Bewertung der aktuellen Verhältnisse - im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden ist (siehe 2.).

14

2. Der angefochtene Bescheid ist zu Recht auf § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz gestützt (a). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 VwVfG liegen vor (b). Die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist - mit der Einschränkung einer etwaigen Notwendigkeit zur Aktualisierung - frei von Ermessensfehlern (c).

15

a) Die Beklagte stützt ihren Rücknahmebescheid zu Recht auf § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz, der auf die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) verweist. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird die Rücknahmevorschrift nicht durch die für den Widerruf von Aufenthaltstiteln maßgebliche Vorschrift des § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (zuvor: § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG 1990) verdrängt. Die aufenthaltsrechtliche Widerrufsvorschrift stellt keine Spezialregelung für alle Fälle der Aufhebung eines Aufenthaltstitels infolge Wegfalls der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung dar. Vielmehr ist § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG auch dann als Rechtsgrundlage für die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Aufenthaltserlaubnis heranzuziehen, wenn diese nicht mit Wirkung für die Vergangenheit, sondern nur für die Zukunft aufgehoben wird. Im Aufenthaltsrecht stellen Rücknahme und Widerruf - wie im allgemeinen Verwaltungsrecht - zwei unterschiedliche Formen der Aufhebung von Verwaltungsakten dar, die gleichberechtigt in § 51 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AufenthG genannt werden. Es bestehen zudem sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von Aufenthaltstiteln, die von Anfang an rechtswidrig waren, und solchen, deren Voraussetzungen erst nachträglich entfallen sind. Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 23. Mai 1995 - BVerwG 1 C 3.94 - BVerwGE 98, 298 <304 f.>).

16

b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 VwVfG liegen vor.

17

Die dem Kläger mit Bescheid vom 23. Januar 1996 erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1992 war wegen ihres mit der materiellen Rechtslage nicht übereinstimmenden Inhalts von Anfang an rechtswidrig. Die Asylanerkennung des Klägers ist bestandskräftig nach § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG zurückgenommen worden. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht rechtskräftig abgewiesen. Die Rücknahme der Asylanerkennung wurde auch mit Wirkung für die Vergangenheit ausgesprochen. Der bestandskräftige Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (damals: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) - Bundesamt - vom 18. Februar 2000 trifft hierzu zwar keine ausdrückliche Aussage. Es ergibt sich aber aus dem Inhalt des Bescheids, der die Rücknahme auf unrichtige Angaben des Klägers wie auf das Verschweigen wesentlicher Tatsachen stützt, die maßgeblich für die Anerkennung waren, dass eine Aufhebung mit ex tunc Wirkung beabsichtigt war. Auch die allgemeine Rücknahmevorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG sieht durch den Verweis auf Satz 3 und dessen Nr. 2 für Fälle wie den vorliegenden in der Regel die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit vor (vgl. hierzu auch Urteil vom 9. September 2003 - BVerwG 1 C 6.03 - BVerwGE 119, 17 <23>). Diese Regel lässt sich auf den nach § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ergangenen Rücknahmebescheid übertragen und führt dazu, dass hier von einer rückwirkenden Aufhebung der durch falsche Angaben erwirkten Asylanerkennung auszugehen ist. Eine Rücknahme der Asylanerkennung nach § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG mit Wirkung für die Vergangenheit ist auch nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 24. November 1998 (BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <35>) darauf hingewiesen, dass die Wirkung einer Rücknahme der Asylanerkennung gegenüber einem Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG in zeitlicher Hinsicht differieren kann, und ist damit von einer Zulässigkeit der rückwirkenden Rücknahme ausgegangen.

18

Der Kläger kann sich gegenüber der Rücknahme der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er inzwischen unabhängig von der Asylberechtigung einen Anspruch auf Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels erworben habe. Zwar trifft es zu, dass die Behörde einen Aufenthaltstitel, den sie dem Ausländer aus anderen Rechtsgründen sogleich wieder erteilen müsste, weder widerrufen noch mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen darf (vgl. zum Widerruf nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG 1990: Urteil vom 20. Februar 2003 a.a.O. S. 384 f.). Ein Anspruch auf Erteilung eines gleichwertigen Aufenthaltstitels aus anderen Rechtsgründen stand dem Kläger aber weder zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu. Der vom Kläger insoweit allein geltend gemachte "Anspruch" auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 26 Abs. 4 AufenthG, die der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG 1990 weitgehend entspricht, vermittelt zum einen schon deshalb keinen die Rücknahme ausschließenden Rechtsanspruch, weil die Vorschrift die Erteilung eines solchen Daueraufenthaltsrechts in das Ermessen der Behörde stellt und deshalb nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung einräumt. Zum anderen würde - die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG unterstellt - eine Niederlassungserlaubnis nach dieser Vorschrift im Fall des Klägers auch nicht auf anderen Rechtsgründen beruhen, sondern letztlich auf seiner (aufgehobenen) Asyl- und Flüchtlingsanerkennung. Denn der erforderliche siebenjährige Besitz eines Aufenthaltstitels nach dieser Vorschrift würde seine maßgebliche Grundlage in der zwar nicht zurückgenommenen, aber doch widerrufenen Flüchtlingsanerkennung finden. Ein derartiges zeitlich auf einem vorangegangenen asylbedingten Aufenthaltsrecht aufbauendes Daueraufenthaltsrecht wäre selbst asylbedingt und stünde der Rücknahme der asylbedingten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis auch deshalb nicht von vornherein entgegen (vgl. entsprechend zum Widerruf nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG 1990: Urteil vom 20. Februar 2003 a.a.O. S. 384 f.; Hailbronner, AuslR, Stand Oktober 2008, § 52 AufenthG Rn. 34; a.A. Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 73 Rn. 288 ff. <296>). Allerdings ist der Umstand, dass ein Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG erfüllt, gegebenenfalls bei Ausübung des Rücknahmeermessens zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.

19

Im Übrigen erfüllte der Kläger weder zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung die Voraussetzungen für ein solches humanitäres Daueraufenthaltsrecht. Der Kläger kann sich, wie von der Beklagten korrekt berechnet und vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nicht mehr in Frage gestellt, auf der Grundlage seiner flüchtlingsrechtlichen Anerkennung auf Besitzzeiten einer humanitären Aufenthaltserlaubnis von sieben Jahren und knapp drei Monaten - unter Anrechnung des vorangegangenen Asylverfahrens - berufen. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts endete mit der Bekanntgabe des ausländerbehördlichen Widerrufsbescheids im Oktober 2002 (vgl. Hailbronner, § 84 AufenthG, Stand Februar 2010, Rn. 38 m.w.N.). Damit würde der Kläger zwar die zeitlichen Anforderungen des § 26 Abs. 4 AufenthG erfüllen. Für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG genügt jedoch nicht, dass der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt sieben Jahre lang im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, er müsste es auch noch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gewesen sein (vgl. Urteil vom 10. November 2009 - BVerwG 1 C 24.08 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 13). Diese Voraussetzung erfüllt er nicht. Denn ihm sind nach Aufhebung seiner asylrechtlichen Aufenthaltserlaubnis im Oktober 2002 keine Aufenthaltsgenehmigungen mehr erteilt worden und es sind auch keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, wonach er einen Anspruch darauf gehabt hätte. Das Bundesamt hatte nicht nur seine asylrechtliche Anerkennung zurückgenommen, sondern auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen und das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG 1990 verneint, so dass ihm auch unter diesen Gesichtspunkten kein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zustand. Zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung erfüllte er auch nicht die zeitlichen Voraussetzungen für ein humanitäres Aufenthaltsrecht nach dem damals maßgeblichen § 35 Abs. 1 AuslG 1990, da die Vorschrift den achtjährigen Besitz eines Aufenthaltstitels verlangt, den der Kläger nicht vorweisen kann.

20

c) Die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist - vorbehaltlich einer etwa notwendigen Aktualisierung - rechtlich nicht zu beanstanden.

21

Die Beklagte hat ihr Ermessen betätigt. Das wird aus der Wortwahl und dem Inhalt des Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids klar erkennbar. Bereits aus den gewählten Obersätzen ergibt sich, dass der Bezirksregierung bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen. Sie hat auch im Einzelnen die Gesichtspunkte benannt, die in die Ermessensabwägung einzustellen sind, und nach deren Abwägung die ermessensgeleitete Entscheidung getroffen, die Aufenthaltserlaubnis zurückzunehmen.

22

Soweit das Berufungsgericht - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - die Ermessensentscheidung der Beklagten nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids als rechtsfehlerfrei angesehen hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Ausübung ihres Rücknahmeermessens ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass bei einer durch Täuschung erlangten Asylberechtigung in der Regel ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Rücknahme der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis besteht. Sie hat mit Blick auf die rechtmäßig erteilte Flüchtlingsanerkennung die Rücknahme nur mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochen. Ferner hat sie die Dauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und seine hier entwickelten persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen schützenswerten Bindungen eingehend gewürdigt. Auch hat sie die Folgen mit bedacht, die sich für den Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ergeben. Da der Kläger, wie oben ausgeführt, allein aufgrund seiner rechtmäßigen Flüchtlingsanerkennung nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Daueraufenthaltsrechts aus humanitären Gründen erfüllt, brauchte die Beklagte auf diesen Gesichtspunkt bei ihren Ermessenserwägungen nicht einzugehen. Ihre Wertung, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung hier überwog, ist - vorbehaltlich etwaiger wegen der Zeitpunktverlagerung noch nicht berücksichtigter neuer Umstände - revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

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3. Zur Aktualisierung der Ermessenserwägungen nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bemerkt der Senat:

24

Allein der Umstand, dass zwischen der ablehnenden Behördenentscheidung und dem maßgeblichen Zeitpunkt für ihre Überprüfung ein gewisser Zeitraum verstrichen ist, zwingt die Behörde regelmäßig noch nicht zu einer Aktualisierung der Ermessenserwägungen. Sollte sich im neuen Berufungsverfahren indes herausstellen, dass sich die Sachlage nach der Rücknahmeentscheidung vom November 2003 in entscheidungserheblicher Weise zugunsten des Klägers geändert hat, müsste der Beklagten Gelegenheit gegeben werden, ihre Ermessenserwägungen entsprechend zu aktualisieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich aus der Zeitpunktverlagerung sowohl für den Kläger als auch für die Behörde entsprechende Mitwirkungspflichten ergeben. Sind im Rahmen des Klagebegehrens während des gerichtlichen Verfahrens neu eingetretene Tatsachen zu berücksichtigen, ist es primär Aufgabe des Klägers, auf etwaige zu seinen Gunsten eingetretene Tatsachenänderungen hinzuweisen. Hierzu wird der Kläger im neuen Berufungsverfahren Gelegenheit haben. Sollten vom Kläger neue zu seinen Gunsten sprechende Tatsachen vorgetragen werden, hat die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung zu überprüfen und gegebenenfalls der neuen Sachlage anzupassen. In diesem Zusammenhang hat sie auch die Möglichkeit, in Erfüllung ihrer Obliegenheit zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle die Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO im laufenden Verfahren zu aktualisieren (vgl. Urteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - a.a.O. Rn. 42). In diesem Rahmen bestünde auch die Gelegenheit, den aufgrund der Zeitpunktverlagerung neu zu bemessenden Aufenthalt des Klägers in Deutschland zu seinem 25-jährigen Aufenthalt im Irak in Beziehung zu setzen.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.