Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 08. Dez. 2014 - AN 14 K 14.50187b

published on 08/12/2014 00:00
Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 08. Dez. 2014 - AN 14 K 14.50187b
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Gericht

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Tenor

1. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die italienischen Behörden im Rahmen der Abschiebung über eine psychische Erkrankung des Antragstellers informiert werden.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., ..., wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der ... geborene Antragsteller und Kläger (im Folgenden: Kläger) äthiopischer Staatsangehörigkeit, reiste am ...2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ...2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Im Rahmen der Befragung zur Identitätsklärung der Regierung ... vom 19. Mai 2014 sowie in der persönlichen Befragung des Bundesamtes vom 3. Juni 2014 gab der Kläger an, im November 2012 in Italien Asylantrag gestellt zu haben. Im Rahmen der Befragungen wurde der Kläger über seine Mitwirkungspflichten nach § 15 AsylVfG belehrt. Über den Ausgang des Asylverfahrens in Italien hat der Kläger keine Angaben gemacht.

Ein Abgleich der Fingerabdrücke durch das Bundesamt ergab am 13. Juni 2014 mehrere EURODAC-Treffer für Italien (Kategorie 1 und 2) und Dänemark (Kategorie 1). Am 16. Juli 2014 wurde ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) an Italien gerichtet, auf das innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO keine Antwort beim Bundesamt einging.

Mit Schreiben vom 1. August 2014 wurden die italienischen Behörden auf die Annahmefiktion nach Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO hingewiesen und gebeten, den Kläger wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für dessen Ankunft in Italien zu treffen.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2014, dem Kläger zugestellt am 29. Oktober 2014, lehnte die Beklagte den Antrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Italien auf Grund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Auch die geltend gemachten Einwände, der Kläger sei Epileptiker und erhalte in Italien nicht die notwendigen Medikamente, rechtfertigten keine abweichende Beurteilung. Die medizinische Versorgung von Asylbewerbern sei in Italien gewährleistet. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Auf den Inhalt des Bescheides wird im Übrigen verwiesen.

Mit am 3. November 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag hat der Kläger durch den Prozessbevollmächtigten Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Oktober 2014 zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ihm subsidiären Schutz zu gewähren und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG vorliegen. Gleichzeitig wurden Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger leide ausweislich eines Arztbriefes des Klinikums ... vom .... Mai 2014 sowie eines psychiatrischen Arztbriefes vom .... Oktober 2014 unter einer agitierten Depression und einem posttraumatischen Belastungssyndrom (PTBS). Eine Abschiebung des Klägers würde ihn der Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung aussetzen. Die Unterkunftssituation sei für Asylbewerber als auch für Personen, die einen Schutzstatus innehätten, katastrophal. Für den Kläger als psychisch kranken Menschen lägen in Italien systemische Mängel der Aufnahmebedingungen vor. Eine medizinische Versorgung des Klägers sei im Falle einer Überstellung nach Italien nicht gesichert. Insoweit bestehe eine Gefahr für Gesundheit und Leben des Klägers bei einer Abschiebung nach Italien. Die Anordnung der Abschiebung sei ermessensfehlerhaft, da mit der in § 34 a AsylVfG einzig vorgesehenen zwangsweisen Abschiebung nicht die in Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Dublin II-VO (im Folgenden: DVO Dublin) ebenfalls vorgesehenen Formen der Überstellung freiwillige Ausreise und kontrollierte Ausreise angeboten wurden. Der Kläger könne sich auch auf Art. 7 DVO Dublin berufen, da insoweit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert werde und damit subjektive Rechte begründet würden.

Mit Schriftsatz vom 12. November 2014 trägt der Klägerbevollmächtigte ergänzend vor, ausweislich einer eidesstattlichen Versicherung des Klägers habe er in Italien humanitären Aufenthalt bekommen, woraufhin er die Unterbringungseinrichtung verlassen musste und keine Medikamente mehr gehabt habe. Der Kläger sei von Italien nach Deutschland und dann weiter nach Dänemark gelangt, wo er ebenfalls Asylantrag gestellt habe. Von Dänemark sei er Ende März 2014 mit dem Flugzeug nach Italien abgeschoben worden. In Italien sei er obdachlos gewesen und sei von dort nach Deutschland gelangt. Der Klägerbevollmächtigte trägt vor, auf Grund einer möglichen formellen Schutzgewährung in Italien sei kein Dublin-Verfahren durchzuführen gewesen. Der Bescheid sei auch aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig, da es an der Information des Betroffenen nach Art. 4 Dublin III-VO gefehlt habe. Der Kläger sei auf Grund seiner Erkrankung nicht in der Lage, in Italien lebenspraktische Probleme zu meistern.

Der Kläger beantragt,

1. die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen,

2. für das Klage- und Antragsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ..., ..., zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

1.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 16. Oktober 2014 anzuordnen, ist innerhalb der Wochenfrist des § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG bei Gericht eingegangen und auch sonst zulässig (§ 80 Abs. 5 VwGO).

Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar.

Die insoweit vom Gericht vorzunehmende Interessensabwägung fällt zu Lasten des Klägers aus. Das öffentliche Interesse daran, dass es bei der nach § 75 AsylVfG angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit der angefochtenen Abschiebungsanordnung verbleibt, überwiegt vorliegend das Interesse des Klägers, von einer Abschiebung vorläufig verschont zu bleiben. Seine Klage wird mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Die angefochtene Abschiebungsanordnung ist unter Berücksichtigung der maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aller Voraussicht nach rechtmäßig.

Ein Asylantrag ist nach § 27 a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Soll ein Ausländer in einen solchen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt gemäß § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier im Rahmen der summarischen Überprüfung im einstweiligen Rechtsschutz gegeben. Italien ist gemäß § 27 a AsylVfG für die Durchführung eines Asylverfahrens und die Aufnahme des Klägers zuständig (1.1), und es besteht keine Verpflichtung der Beklagten, den (erneuten) Asylantrag des Klägers dennoch zu prüfen (1.2). Darüber hinaus steht fest, dass die Abschiebung des Klägers durchgeführt werden kann (1.3).

1.1

Die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig erfolgte zu Recht.

Soweit eine Entscheidung über den in Italien im November 2012 gestellten Asylantrag wie vom Kläger im Rahmen seiner persönlichen Befragung angegeben noch nicht erfolgt ist, ist Italien auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft dafür zuständig, das vom Kläger beantragte Asylverfahren durchzuführen (§ 27 a AsylVfG).

Die Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des vom Kläger am 3. Juni 2014 gestellten Antrags auf internationalen Schutz und die Verpflichtung, den Kläger wieder aufzunehmen, ergibt sich aus der insoweit anwendbaren Dublin III-VO (vgl. Art. 49, Art. 23 und Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO). Auf Grund des EURODAC-Treffers Kategorie 1 für Italien und der Angaben des Klägers im Rahmen der persönlichen Befragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 3. Juni 2014, wonach der Kläger in Italien Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, hat die Beklagte zu Recht ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach der Dublin III-VO eingeleitet. Trotz der im Rahmen der persönlichen Befragung vom 3. Juni 2014 erfolgten Belehrung auf die Mitwirkungspflicht nach § 15 AsylVfG und auf die Folgen verspäteten Vorbringens nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG hat der Kläger erst im Rahmen des Klageverfahrens in eidesstattlicher Versicherung vom 11. November 2014 erklärt, möglicherweise bereits in Italien humanitären Aufenthalt bekommen zu haben. Indem Italien dem Wiederaufnahmeersuchen der Beklagten innerhalb der Frist von zwei Wochen nicht widersprochen hat, ist nach Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, dass Italien den Kläger wieder aufnehmen und angemessene Vorkehrungen für dessen Ankunft treffen muss.

Auf Grundlage des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Dublin-Verordnungen erlassen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Klägers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum-shopping“ zuvorzukommen. Hauptzweck ist dabei sowohl im Interesse des Asylbewerbers als auch der teilnehmenden Staaten, die Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz zu beschleunigen. Dieser Zweck der Verfahrensbeschleunigung würde konterkariert, wenn ein Asylbewerber nach Abschluss des Dublin-Verfahrens mit dem Einwand durchdringen könnte, auf Grund einer bereits erfolgten Zuerkennung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat sei die Durchführung des Dublin-Verfahrens rechtswidrig gewesen. Abgesehen von dem vagen und verspäteten Vorbringen des Klägers im Rahmen seiner eidesstattlichen Versicherung vom 11. November 2014, wonach es „geheißen hätte“, er habe humanitären Schutz bekommen, liegen vorliegend keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Kläger bereits ein Schutzstatus zuerkannt worden ist. Insbesondere hat Italien dem Wiederaufnahmeersuchen nicht widersprochen. Insoweit ist das Bestehen eines Schutzstatus nicht erwiesen und das verspätete Vorbringen des Klägers nicht glaubhaft. Auch bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung wäre das Bundesamt zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in der Bundesrepublik Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag wäre unzulässig (vgl. BVerwG, U. v. 17.6.2014 - 10 C 7/13 - NVwZ 2014, 1460).

Eine fehlende oder unzureichende Information im Sinne von Art. 4 Dublin III-VO ist nicht ersichtlich. Insbesondere wurde der Kläger nach Blatt 19, 21 der Behördenakte hinreichend belehrt. Überspannte Anforderungen sind hier nicht zu stellen. Kern des Regelungsgehalts der Dublin III-VO ist die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Es handelt sich bei der Verordnung daher grundsätzlich um objektives Recht, das keine subjektiven Rechte der Individuen im Einzelnen begründet.

Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wurde vorliegend ordnungsgemäß durchgeführt. Italien ist nach Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO zur Wiederaufnahme des Klägers verpflichtet.

1.2

Die Beklagte ist nicht nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO zuständig für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz geworden. Nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtscharta (GRCh) mit sich bringen, und auch eine alternative Überstellung in einen weiteren Mitgliedstaat anhand nachrangiger Zuständigkeitskriterien ausscheidet.

Artikel 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO normiert die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten, eng begrenzten Ausnahmefälle von dem Konzept eines von der Europäischen Union errichteten gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) (vgl. grundlegend EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10, juris; vgl. auch BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014 790 ff.). Dieses stützt sich - ähnlich wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, BVerfGE 94, 49 bis 114) - auf die Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention sowie in der EMRK und der Versicherung finden, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist, beachten, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen.

An einen nunmehr in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO normierten Ausnahmefall sind daher strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG a.a.O.; OVG NRW, a.a.O.). Systemische Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Die Annahme systemischer Mängel setzt daher voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat auf Grund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Von systemischen Schwachstellen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 Grundrechtscharta mit sich bringen, kann nur ausgegangen werden, wenn sich diese Gefahr aus der grundsätzlichen Behandlung von Asylbewerbern in dem jeweiligen Staat ergibt; die Verletzung entsprechender Grundrechte in Einzelfällen genügt dabei nicht (vgl. BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris). Diese Mängel müssen in beweisrechtlicher Hinsicht aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10, C-493/10 -, NVwZ 2012, 417 ff.). Erkennbarkeit solcher Defizite bedeutet, dass sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen und sich daher wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte verlässlich prognostizieren lassen (vgl. BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris).

In Bezug auf den Zielstaat Italien folgt das Gericht der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vorherrschend vertretenen Auffassung, dass in Italien zurzeit derartige systemische Mängel nicht bestehen (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13 AB 13.30295 - juris; VGH Baden-Württemberg, U. v. 14.6.2014 - A 11 S 1721/13 - juris; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris jeweils m.w.N.). Diese Einschätzung steht im Übrigen in Einklang mit mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), in denen systemische Mängel im Zielstaat Italien verneint wurden (vgl. EGMR, B. v. 18.6.2013 - 73874/11 (Abubeker), EGMR, B. v. 2.4.2013 - 27725/10 (Mohammed Hussein), EGMR, B. v. 18.6.2013 - 53852/11 (Halimi), ZAR 2013, 338). Die Entscheidung der Großen Kammer des EGMR vom 4. November 2011 - 29217/12 - (Tarakhel) rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Bezogen auf den Einzelfall einer achtköpfigen afghanischen Flüchtlingsfamilie hat der EGMR darin entschieden, dass die Abschiebung nach Italien ohne individuelle Garantien, dass die Familie eine dem Alter der Kinder angemessene Betreuung erhalte und als Familie gemeinsam untergebracht werde, mit Art. 3 EMRK unvereinbar sei. Die Entscheidung beinhaltet jedoch keine generelle Aussage hinsichtlich des Bestehens systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Italien. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation des Asylbewerbers schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, nicht aus, die Schwelle einer unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten. Artikel 3 EMRK enthalte keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung oder Obdach zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu gewährleisten (vgl. EGMR, B. v. 2.4.2013 - 27725/10 - ZAR 2013, 336 bis 338).

Ob es sich beim Kläger um eine besonders schutzbedürftige Person im Sinne von Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Aufnahmerichtlinie), handelt (BVerwGE 129, 251 ff.) erscheint bereits zweifelhaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist angesichts der Unschärfen der Krankheitsbilder sowie seiner vielfältigen Symptome regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden Attestes zu fordern (vgl. BVerwG, U. v. 11.09.2007 – 10 C 8/07 – BVerwGE 129, 251-264). Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat, und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben (vgl. BVerwG, a.a.O.).

Der vorgelegte Befund des Klinikums ... vom .... Mai 2014 diagnostiziert nicht eindeutig eine posttraumatische Belastungsstörung („rezidivierende Synkopen unklarer Genese am ehesten im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung“). Ausweislich des psychiatrischen Befunds vom .... Oktober 2014 wird auf unklare Synkopen hingewiesen. Eindeutige neurologische oder psychiatrische Befunde werden nicht erhoben. Von einer medikamentösen Behandlung mit Antidepressiva wird abgeraten, zur Behandlung der Schlafstörungen wird ein Neuroleptikum empfohlen.

Ob anhand der vorgelegten ärztlichen Befunde die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderliche Substantiierung des Sachvortrags, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen PTBS zum Gegenstand hat, erreicht wird, erscheint zweifelhaft. Die vorgelegten Atteste weisen keine Angaben zur konkreten Behandlungsbedürftigkeit und dem bisherigen Behandlungsverlauf auf. Doch selbst wenn der Kläger tatsächlich an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden sollte, ist davon auszugehen, dass die Behandlung der psychischen Erkrankung des Klägers auch in Italien in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Nach der bestehenden Auskunftslage sind Asylbewerber in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen nicht nur im Rahmen der Notfallversorgung, sondern auch hinsichtlich der Behandlung bei Spezialisten, etc. berechtigt. Die Überweisungen an Spezialisten sind zudem für Asylbewerber kostenfrei (vgl. Auskunft des AA an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.1.2013). Darüber hinaus besteht gerade für Asylbewerber die Möglichkeit, an Projekten von Nichtregierungsorganisationen oder anderen privaten Trägern, deren Mitarbeiter speziell auf die Behandlung psychischer Krankheiten von Flüchtlingen ausgebildet sind, teilzunehmen (vgl. Asylum Information Database, Country Report Italy, April 2014, S. 62, abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 50). Auf Grund dieser Erkenntnisse kann auch hinsichtlich der notwendigen Behandlung der psychischen Erkrankung des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass in Italien systemische Mängel hinsichtlich der medizinischen Versorgung bestehen (vgl. VG Gelsenkirchen, U. v. 23.10.2014 - 5a K 2360/13.A - juris; VG Düsseldorf, B. v. 17.7.2014 - 17 L 1018/14.A - juris; VG Stuttgart, U. v. 9.7.2014 - A 12 K 868/14 - juris; VG Regensburg, B. v. 30.4.2014 - RN 5 S 14.50067 - juris).

Selbst wenn also der Kläger zu der Gruppe besonders schutzbedürftiger Personen nach Art. 21 der Aufnahmerichtlinie auf Grund einer psychischen Erkrankung zählen sollte, droht ihm bei einer Rückführung nach Italien keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh. Eine ausreichende medizinische Versorgung des Klägers ist jedenfalls dann gewährleistet, wenn die deutschen Behörden schon im Vorfeld der Überstellung Kontakt mit den italienischen Behörden aufnehmen und diese über die psychische Erkrankung und die individuellen Bedürfnisse des Klägers vorab informieren. Soweit dieser Informationsaustausch erfolgt, genügt der überstellende Staat grundsätzlich den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention, so dass selbst bei Überstellung von besonders schutzbedürftigen Personen nach Italien keine grundlegenden Einwände bestehen (vgl. VG Augsburg, B. v. 9.4.2014 - Au 7 S 14.30237 - juris mit Verweis auf Thym, ZAR 2013, 331). Um diesem Aspekt Rechnung zu tragen, war im Tenor die verpflichtende Maßgabe aufzunehmen, dass die italienischen Behörden im Rahmen der Abschiebung des Klägers nach Italien über eine bestehende psychische Erkrankung informiert werden.

Es sind daher keine Umstände für die Annahme eines Ausnahmefalls nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO erkennbar, die es gebieten würden, einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Überstellung des Klägers nach Italien zu gewähren. Die Beklagte ist auch aus diesen Gründen nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO zur Ausübung des so genannten Selbsteintrittsrechts verpflichtet.

1.3

Ein konkreter Anhalt dafür, dass die Abschiebung aus sonstigen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist (§ 34 a AsylVfG), sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Frist von sechs Monaten zur Überstellung des Klägers nach Italien mit Blick auf die aufschiebende Wirkung seines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG) noch nicht abgelaufen (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO).

Das Gericht schließt sich im Übrigen der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung an, wonach § 34 a AsylVfG mit den unionsrechtlichen Vorgaben (Dublin-III-VO, Art. 7 DVO-Dublin) vereinbar ist (vgl. VGH BW, U. v. 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 -; VG Augsburg, B. v. 21.10.2104 - Au 7 S 14.50253 – jeweils juris).

Auch unter Berücksichtigung, dass bei der Anordnung der Abschiebung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG das Bundesamt anders als sonst im Asylverfahren nicht nur zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, sondern auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 a Abs. 2 AufenthG zu prüfen hat (vgl. BayVGH, B. v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2253 - juris; VG Regensburg, B. v. 12.4.2013 - RO 9 S 13.30112 - juris) sind solche Abschiebungshindernisse vorliegend nicht gegeben. Ein rechtliches aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis liegt vor, wenn der Ausländer aus gesundheitlichen Gründen nicht transportfähig ist oder wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass sich sein Gesundheitszustand unmittelbar durch die Ausreise oder Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird (vgl. BayVGH, a.a.O.). Dass diese Voraussetzungen beim Kläger erfüllt wären, ist aber weder aus dem klägerischen Vorbringen noch aus den vorgelegten ärztlichen Befunden erkennbar.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylVfG.

3.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ... für das Eil- und Klageverfahren hat keinen Erfolg, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie dargelegt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.