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Die beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Stuttgart form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, in der Sache ist sie jedoch ohne Erfolg, sie ist unbegründet. Die Heranziehung der Klägerin zu einem erhöhten Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung ist nicht rechtswidrig, die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt.
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Nachdem der vorliegende Rechtsstreit weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten aufweist und der Sachverhalt geklärt ist konnte das Gericht gem. § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden.
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Gem. § 54 Abs. 1 SGB XI werden die Mittel der Pflegekasse durch Beiträge finanziert. Die Beiträge werden mittels eines Vomhundertsatzes der beitragspflichtigen Einnahmen berechnet und sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu bezahlen, § 54 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XI. Der Beitragssatz beträgt gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI derzeit 1,7% der beitragspflichtigen Einnahmen. Dieser Beitragssatz wird gem. § 55 Abs. 3 SGB XI und 0,25% erhöht. § 55 Abs. 3 SGB XI bestimmt folgendes: "Der Beitragssatz nach Absatz 1 Satz 1 und 2 erhöht sich für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Satz 1 gilt nicht für Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 des Ersten Buches. Die Elterneigenschaft ist in geeigneter Form gegenüber der beitragsabführenden Stelle, von Selbstzahlern gegenüber der Pflegekasse, nachzuweisen, sofern diesen die Elterneigenschaft nicht bereits aus anderen Gründen bekannt ist. Die Spitzenverbände der Pflegekassen beschließen gemeinsam Empfehlungen darüber, welche Nachweise geeignet sind. Erfolgt die Vorlage des Nachweises innerhalb von drei Monaten nach der Geburt des Kindes, gilt der Nachweis mit Beginn des Monats der Geburt als erbracht, ansonsten wirkt der Nachweis ab Beginn des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Nachweis erbracht wird. Nachweise für vor dem 1. Januar 2005 geborene Kinder, die bis zum 30. Juni 2005 erbracht werden, wirken vom 1. Januar 2005 an. Satz 1 gilt nicht für Mitglieder, die vor dem 1. Januar 1940 geboren wurden, für Wehr- und Zivildienstleistende sowie für Bezieher von Arbeitslosengeld II."
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Die Klägerin hat das 23. Lebensjahr vor dem 1.1.2005 vollendet und hat eine Elterneigenschaft nicht nachgewiesen. Sie ist weder vor dem 1.1.1940 geboren, noch leistet die Wehr- oder Zivildienst oder bezieht Arbeitslosengeld II. Damit gehört sie nicht zu dem ausgeschlossen Personenkreis; der allgemeine Beitragssatz ist damit gem. § 55 Abs. 3 Satz 1 SGB XI um 0,25% zu erhöhen.
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§ 55 Abs. 3 SGB XI ist mit Wirkung zum 1.1.2005 durch Art 1 Nr. 1 KiBG vom 15.12.2004 (BGBl I 3448) eingeführt worden. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber auf die bereits von der Beklagten benannte Entscheidung des BVerfG (vgl. BVerfGE 103, 242 = SozR 3 - 3300 § 54 Nr. 2) reagiert. Er war dabei befugt, den Auftrag des BVerfG durch eine Erhöhung des Beitragssatzes mittels eines Beitragszuschlags für Mitglieder ohne Kinder statt durch eine Beitragsermäßigung für Mitglieder mit Kindern Rechnung zu tragen.
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Das BVerfG hat (a. a. O.) folgendes ausgeführt: "Der Gesetzgeber verfügt über einen großen Spielraum bei der Ausgestaltung eines Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG entsprechenden Beitragsrechts in der sozialen Pflegeversicherung. Das Grundgesetz verpflichtet ihn lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten.
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Der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich muss allerdings durch Regelungen erfolgen, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten, denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten kinderloser Versicherter geleistet werden, die dann den pflegenahen Jahrgängen angehören oder pflegebedürftig sind, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf; sie ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen. Der verfassungsgebotene Ausgleich zwischen erziehenden und nicht erziehenden Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung kann deshalb nicht durch unterschiedliche Leistungen im Falle des Eintritts der Pflegebedürftigkeit erfolgen.
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Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, wie er die Betreuungs- und Erziehungsleistung bei der Beitragsbemessung von beitragspflichtigen Versicherten mit Kindern berücksichtigt.
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Allerdings ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Denn bereits dessen Betreuung und Erziehung führt dazu, dass Ungleiches im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung verfassungswidrig gleichbehandelt wird."
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Angesichts dieser Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts konnte sich das Gericht nicht von der Willkürlichkeit oder Verfassungswidrigkeit der Belastung Kinderloser mit einem zusätzlichen Beitragszuschlag überzeugen. Das BVerfG hat gerade lediglich eine relative Entlastung Erziehender gefordert. Die Relativität wurde vom Gesetzgeber dadurch gewahrt, dass Eltern zwar verglichen mit dem früheren Beitragssatz ab dem 1.1.2005 nicht weniger Beitrag zu zahlen haben, sondern dadurch, dass Kinderlose mit einem zusätzlichen Beitragszuschlag belastet werden. Der Gesetzgeber durfte im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG auch sachgerecht zwischen den Gruppen der Kinderlosen und der Erziehenden unterscheiden. Insoweit ist diese Differenzierung, da es sich um zwei unterschiedliche Gruppen und damit um unterschiedliche Sachverhalte handelt, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Differenzierung erscheint angesichts des Urteils des BVerfG nicht als willkürlich.
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Auch Art. 14 GG ist nicht verletzt. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes garantiert gerade nicht die Beibehaltung des derzeitigen Beitragssatzes in der sozialen Pflegeversicherung. Dieser Beitragssatz beruht nämlich nicht auf privatnützig dem Versicherten zugewiesenen, durch eigene Leistung erworbenen Ansprüchen, sondern wurde vom Gesetzgeber festgesetzt. Auch unter dem Gesichtspunkt der Entziehung von Vermögen durch Abführung erhöhter Beiträge lässt sich die Verfassungswidrigkeit von § 55 Abs. 3 SGB XI nicht begründen. Insoweit ist die zusätzliche Beitragsbelastung mit 0,25% der beitragspflichtigen Einnahmen weder unverhältnismäßig noch derart einschneidend, dass vom vorhanden Vermögen und erzielten Einkommen des Versicherten - auch unter Berücksichtigung der sonstigen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belastungen - annähernd nichts mehr übrig bliebe.
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Artikel 2 Absatz 1 GG, der die allgemeine Handlungsfreiheit schützt, ist nicht verletzt. Insbesondere durfte der Gesetzgeber durch die vorgenommene Regelung der verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung der Kindererziehung in der sozialen Pflegeversicherung Rechnung tragen.
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Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen daher nicht.
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Die Klägerin ist daher zur Abführung des zusätzlichen Beitrags von 0,25% der beitragspflichtigen Einnahmen zur sozialen Pflegeversicherung verpflichtet. Die entsprechende Heranziehung seitens der Beklagten ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt. Es war wie tenoriert zu entscheiden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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