Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Leistungsanspruch gegen den Beklagten hat, analog dem Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) oder aus grundgesetzlichen Bestimmungen oder der Behindertenrechtskonvention der UN.
Mit Bescheid vom 10.05.1999 hat der Beklagte die Feststellung eines Gesamt-GdB von 100 getroffen und die Merkzeichen B, G und aG zuerkannt. Die festgestellten Gesundheitseinschränkungen waren dabei
1. Organisches Nervenleiden
2. Hochgradige Sehschwäche links mit Fehlen des räumlichen Sehens.
Mit Schreiben vom 23.05.2016 beantragte der Kläger beim Beklagten einen finanziellen Zuschuss in Höhe von 544 € als Nachteilsausgleich, wie er den Blinden zustehe. Mit seiner Behinderung gehe es ihm bei objektiver Betrachtung schlechter als blinden Menschen.
Mit Bescheid vom 8.06.2015 teilte der Beklagte mit, dass das Leistungsspektrum des Schwerbehindertenrechts den angestrebten Nachteilsausgleich nicht vorsehe.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, er sei zwingend auf den Rollstuhl angewiesen, und daher in seinem Alltag eingeschränkt. Ihm sei daher ein umfassender Nachteilsausgleich zu gewähren. Seine Benachteiligung im Alltag sei keineswegs geringer als die eines Blinden. Blinden werde indes ein finanzieller Nachteilsausgleich gewährt. Es sei kein Grund ersichtlich, den schwerbehinderten Kläger schlechter zu behandeln. Dies stelle einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG bzw. Art. 118 der Bayerischen Verfassung dar. Ihm seien deshalb dieselben finanziellen Ausgleiche zu gewähren wie Blinden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei bereits unzulässig. Für Geldansprüche welcher Art auch immer finde sich in den gesetzlichen Bestimmungen des Schwerbehindertenrechts keine Grundlage.
Mit Schriftsatz vom 15.01.2015 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg. Er trägt vor, er sei im Alltag keinesfalls geringer benachteiligt als ein Blinder, in vielfacher Hinsicht sogar noch weiter benachteiligt. Blinden werde für diese Nachteile ein finanzieller Pauschalausgleich ohne Anrechnung auf andere Sozialleistungen und ohne Nachweis eines im Einzelfall tatsächlich anfallenden Nachteils gewährt. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 3 GG und Art. 118 der Bayerischen Landesverfassung dar, ebenso eine rechtswidrige Diskriminierung im Lichte der Behindertenkonvention der UN. Der Anspruch sei schon deshalb gerechtfertigt, weil die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag bereits die Einführung von Leistungsgesetzen beraten. Der Kläger müsse sich nicht auf die Verabschiedung dieses Gesetzes vertrösten lassen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 8.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2015 den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger ab 1.06.2015 einen Nachteilsausgleich für seine Schwerbehinderung in Höhe von 544,- € monatlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat den Beteiligten mit Schreiben vom 18.01.2017 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 SGG zu entscheiden, da weitere Ermittlungen nicht für erforderlich erachtet werden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akte sowie die beigezogene Akte des Beklagten verwiesen.
Die zum Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage kann keinen Erfolg haben.
Für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf finanziellen Nachteilsausgleich gegen den Beklagten. Zu Recht hat der Beklagte mitgeteilt, dass nach dem SGB IX kein Sozialleistungsanspruch gegen den Beklagten besteht.
Der Kläger trägt nicht vor, dass er blind sei. Er macht den finanziellen Ausgleich nach dem Landesblindengesetz nur in Analogie zu seiner Behinderung geltend.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 Bayerisches Blindengeldgesetz erhalten blinde Menschen, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern haben, zum Ausgleich der Blindheit bedingten Mehraufwendungen auf Antrag ein monatliches Blindengeld.
Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Blindengeldgesetz).
Als blind gelten gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Bayerisches Blindengeldgesetz auch Personen,
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1.deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt,
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2.bei denen durch Nr. 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachten sind.
Nachdem der Kläger aber in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2016 vorgetragen hat, dass er Anspruch nach einer Analogie des Blindengeldes verfolge, wurde das Verfahren an die für Blindengeld zuständige Kammer verwiesen.
Ein Anspruch nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz besteht nicht, da der Kläger nicht blind im Sinne des Gesetzes ist. Dies wird von ihm auch gar nicht vorgetragen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Bayerischen Blindengeldgesetzes sind nicht erfüllt und werden gar nicht behauptet. Weitergehende Ermittlungen dahingehend, ob der Kläger blind im Sinne des Gesetzes ist, waren daher nicht angezeigt.
Eine Leistungsgewährung aus einer Analogie des Bayerischen Blindengeldgesetzes ist nicht möglich, da eine Regelungslücke für eine analoge Leistungsgewährung nicht gesehen werden kann. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich für Blinde einen Nachteilsausgleich gesetzlich normiert.
Ein Anspruch aus Art. 3 GG besteht nicht. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Versagung von Blindengeld sind nicht ersichtlich. Art. 3 GG ist nicht betroffen, weil der Gesetzgeber bei der Gestaltung von Gesetzen einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Dass Blinden ein finanzieller Nachteilsausgleich gewährt wird, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, Menschen mit anderer Behinderung aber nicht, ist Ausdruck der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, der mit berücksichtigungsfähigem Grund eine unterschiedliche Behandlung dieser Behinderungen zulässt.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet zwar, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Der allgemeinen Gleichheitssatz ist lediglich dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG, st Rspr., vgl z B Beschluss vom 30.09.2015, 2 BvR 1066/10, RdNr. 26 mwN.). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (BVerfG, Beschluss vom 16.06.2016, 1 BvL 9/14, RdNr. 19 mwN). Auf dieser Grundlage darf der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (BVerfG ebd unter Hinweis auf die st. Rspr. des BVerfG: BVerfGE 84, 348 <359>; 113, 167 <236>; 126, 268 <278 f.>). Von Verfassungs wegen gefordert ist daher nicht die bestmögliche und gerechteste Lösung. Angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht entscheidend, ob eine Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Vielmehr kommt dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.01.2017 - L 22 R 578/15).)
Aus der Verfassung des Freistaates Bayern ergibt sich gegenüber dem Grundgesetz kein weitergehender Schutz.
Auch für die vom Kläger vorgetragene Verletzung von Art. 5 Abs. 1 der Behindertenkonvention der UN ist kein Anhalt ersichtlich, und es läßt sich daraus auch kein Leistungsanspruch ohne gesetzliche (nationale) Grundlage generieren.
Gegen eine unmittelbare Ableitung von Rechtsansprüchen aus der Konvention sprechen Formulierungen von der Art, dass Leistungen lediglich „anzubieten“ sind, dass nur ein Recht auf das „erreichbare Höchstmaß an Gesundheit“ bestehen soll oder dass Maßnahmen erst noch zu „treffen“ sind (Art. 25 UN-BRK, Gesundheit), dass ferner nicht mehr als die „Anerkennung des Rechts auf Bildung“ durch die Vertragsstaaten gefordert wird (Art. 24 UN-BRK, Bildung) oder nur von der „Anerkennung“ des Rechts auf freie Wahl des Aufenthaltsorts die Rede ist (Art. 19 UN-BRK). Rechte ergeben sich dagegen ausnahmsweise aus Art. 30 Abs. 4 UN-BRK (Anerkennung kultureller und sprachlicher Identität): „Menschen mit Behinderungen haben gleichberechtigt mit anderen Anspruch auf … “. Soweit ersichtlich folgen aus der Konvention, aber auch durch Auslegung keine leistungsbezogenen Erweiterungen, zumindest was das deutsche Sozialrecht anbetrifft. Den hier anzutreffenden Leistungsrelativierungen durch gesetzliche Angemessenheitsklauseln und Wirtschaftlichkeitsgrundsätze verschafft im Übrigen der Progressionsvorbehalt bereits hinreichend Anerkennung, sieht man einmal davon ab, dass das deutsche Sozialrecht schon immer den Kompromiss gesucht und gefunden hat bspw. zwischen dem „angemessenen“ Wunsch des Leistungsberechtigten einerseits und dem staatlichen Interesse an ausreichender Finanzierbarkeit und Planbarkeit des Sozialleistungssystems andererseits (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 1 SGB IX).
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.