Sozialgericht München Urteil, 22. Nov. 2018 - S 38 KA 333/17

bei uns veröffentlicht am22.11.2018

Gericht

Sozialgericht München

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren.

Tatbestand

Die Klägerin ist als Anästhesistin vertragsärztlich zugelassen und arbeitet mit verschiedenen Operateuren unterschiedlicher Fachgebiete zusammen. Auf Antrag der beigeladenen Krankenkasse hin nahm die Beklagte mit den Ausgangsbescheiden in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 28.06.2017 bzw. 27.09.2017 sachlich-rechnerische Richtigstellungen in vier Quartalen (Quartale 4/13, 1/14, 2/14 und 3/14) über 122,70 €, 604,87 €, 248,60 € und 453,91 € vor.

Die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen bezogen sich im Quartal 4/13 auf die Gebührenordnungspositionen (GOP) 31821 und 31502 EBM in einem Behandlungsfall, im Quartal 1/14 auf die Gebührenordnungspositionen (GOP) 31821, 31822, 31502, 31503 und 31827 EBM in drei Behandlungsfällen, im Quartal 2/14 auf die Gebührenordnungspositionen (GOP) 31821 und 31502 in zwei Behandlungsfällen und im Quartal 3/14 auf die Gebührenordnungspositionen (GOP) 31822, 31503 und 31825 EBM ebenfalls in zwei Behandlungsfällen.

Zur Begründung berief sich die Beklagte in allen Verfahren auf die Regelung in § 106d Abs. 1 SGB V und auf die Präambel zum Abschnitt 31.5.3 S. 1 EBM, wonach für die Berechnung von Anästhesien des Abschnitts 31.5.3 EBM vorauszusetzen sei, dass ein anderer Vertragsarzt in diesem Zusammenhang eine Leistung entsprechend einer Gebührenordnungsposition des Abschnitts 31.2 erbracht und berechnet habe. Die beigeladene Krankenkasse habe in manchen Fällen festgestellt, dass der Operateur - es handelt sich teilweise um unterschiedliche Operateure - überhaupt keine Leistungen abgerechnet habe. In anderen Fällen wurden die Gebührenordnungspositionen 09351 und 09361 vom Operateur zur Abrechnung gebracht bzw. in der Abrechnung die Kennziffern 88115, 86999 und 99115 dokumentiert. Soweit letztere Gebührenordnungspositionen vom Operateur erbracht und abgerechnet wurden, handle es sich hierbei aber um keine Leistungen aus dem Abschnitt 31.2 des EBM, so dass die Voraussetzungen der Präambel des Abschnitts 31.5.3 S. 1 EBM nicht vorlägen. Soweit die Klägerin Unterlagen (Überweisungsscheine, Narkoseprotokolle) eingereicht habe, könne hieraus nicht auf operative Leistungen des Abschnitts 31.2 des EBM geschlossen werden.

Der Anregung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Sozialgericht München unter dem Aktenzeichen S 20 KA 199/17 das Ruhen der streitgegenständlichen Verfahren anzuordnen, wurde seitens der Beklagten nicht zugestimmt. Die Beklagte äußerte sich aber schriftsätzlich mit dem Inhalt, es könne eventuell von einer Rückforderung abgesehen werden, wenn die Klägerin bestimmte Unterlagen einreiche, konkret den OP-Bericht des Operateurs, eine Bestätigung des Operateurs, dass dieser nicht privat die Leistungen abgerechnet habe und eine weitere Bestätigung, dass eine Abrechnung versehentlich unterblieben ist.

In der Klageakte befindet sich u.a. ein Schreiben des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten vom 06.03.2018, gerichtet an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten und vorgelegt von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, in dem auf die Abrechnungsproblematik hingewiesen wurde. Danach habe sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) schon 2016 mit Empfehlung an die Regional-KVen dafür ausgesprochen, entsprechende Nachweise durch den Anästhesisten für die Abrechnung der Leistungen des Abschnitts 31.5.3 EBM genügen zu lassen.

In der mündlichen Verhandlung am 22.11.2018, in der die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen S 38 KA 333/18 verbunden wurden, wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten besprochen.

Einer der diskutierten Gesichtspunkte war die Frage, wer für die Erbringung und Abrechnung der operativen Leistungen des Abschnitts 31.2 des EBM nachweispflichtig ist. Einer nochmaligen Überprüfung von bestimmten Unterlagen, wie von der Beklagten schriftlich in Aussicht gestellt, wenn die Klägerin ihrerseits bestimmte Unterlagen beibringe, wurde schließlich nicht näher getreten.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte, die Bescheide bezüglich der sachlich-rechnerischen Richtigstellungen für die Quartale 4/13, 1/14 und 2/14, jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28.06.2017, sowie für das Quartal 3/14 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Leistungen nachzuvergüten.

Die Vertreterin der Beklagten beantragte, die Klagen abzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Beklagtenakten. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 22.11.2018 verwiesen.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegten Klagen sind zulässig, erweisen sich jedoch als unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind als rechtmäßig anzusehen.

Die mit den Bescheiden vorgenommenen sachlich-rechnerischen Berichtigungen beziehen sich im Quartal 4/13 auf die Gebührenordnungsziffern (GOP) 31821 und 31502 EBM in einem Behandlungsfall, im Quartal 1/14 auf die Gebührenordnungspositionen (GOP) 31821, 31822, 31502, 31503 und 31827 EBM in drei Behandlungsfällen, im Quartal 2/14 auf die Gebührenordnungspositionen (GOP) 31821 und 31502 in zwei Behandlungsfällen und im Quartal 3/14 auf die Gebührenordnungspositionen (GOP) 31822, 31503 und 31825 EBM ebenfalls in zwei Behandlungsfällen.

Mit Wirkung zum 01.01.2004 trat eine Änderung des SGB V in Kraft, wonach es nicht mehr alleinige Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung ist, Abrechnungen der Vertragsärzte auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit hin zu überprüfen. Nunmehr hat der Gesetzgeber ein eigenes Prüfungsrecht der Kassen in § 106d Abs. 3 SGB V106a Abs. 3 SGB V a.F.) vorgesehen. Die Beklagte ist in den Fällen des § 106a Abs. 3 Nr. 1 SGB V an das Ergebnis der von der Krankenkasse durchgeführten Prüfung gebunden und hat kein materiell-rechtliches-inhaltliches Letztentscheidungsrecht (BSG, Urteil vom 23.03.2016, Az. B 6 KA 8/15 R). Aufgabe der KÄV ist es, das Prüfungsergebnis der Krankenkasse durch Bescheid umzusetzen. Sie ist auf die Prüfung beschränkt, ob der sachlich-rechnerischen Richtigstellung Begrenzungen der Richtigstellungsbefugnis entgegenstehen, wie etwa eine Versäumung der Ausschlussfrist oder (andere) Vertrauensschutzgesichtspunkte.

Die beigeladene Krankenkasse hat festgestellt, dass in allen Quartalen entweder überhaupt keine Leistungen durch den Operateur oder Leistungen, die nicht im Abschnitt 31.2 des EBM (GOP´s 31101 ff.) aufgeführt sind, abgerechnet wurden. Nach der Präambel 31.5.3 S. 1 EBM setzt die Berechnung von Anästhesien des Abschnitts 31.5.3 voraus, dass ein anderer Arzt in diesem Zusammenhang eine Leistung entsprechend einer Gebührenordnungsposition des Abschnitts 31.2 erbringt und berechnet. Entgegen der Auffassung der Klägerseite sind nicht die Beklagte und/oder Beigeladene nachweispflichtig, sondern die Klägerin. Denn die Präambel zum Abschnitt 31.5.3 S. 1 EBM stellt eine anspruchsbegründende Voraussetzung dar, deren Nachweis der Klägerin obliegt (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 11.03.2009, Az. L 4 KA 26/08). Auch im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung gilt, dass derjenige, der sich auf für ihn günstige Tatsachen beruft, die Beweislast hierfür trägt. Dies ist hier die Klägerin, die die Vergütung der von ihr erbrachten anästhesiologischen Leistungen begehrt (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.06.2016, Az. L 11 KA 7/16 B ER).

Für die Auslegung einer Gebührenordnungsposition ist nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie der Wortlaut des EBM maßgeblich (vgl. BSG, Beschluss vom 17.02.2016, Az. B 6 KA 63/15 B). Der Wortlaut der o.g. Gebührenordnungspositionen - hierzu zählt auch die Präambel 31.5.3 S. 1 EBM - ist eindeutig. Für eine über den Wortlaut der Präambel hinausgehende anderweitige Auslegung, beispielsweise für eine systematische Auslegung oder für eine entstehungsgeschichtliche Auslegung ist deshalb kein Raum. Der Leistungslegende ist weder ein Wissenselement zu entnehmen, noch, dass Nachweise des Anästhesisten über eine durchgeführte Operation des Abschnitts 31.2 EBM ausreichen. Abgesehen davon reichen die Unterlagen der Klägerin, die zum Teil der Beklagten vorgelegt wurden, zum Nachweis operativer Leistungen nicht aus. Denn es handelt sich meist lediglich um Narkoseprotokolle und/oder Überweisungsscheine, die nur bedingt eine Überprüfung ermöglichen, ob eine operative Leistung des Abschnitts 31.2 EBM überhaupt stattgefunden hat. Soweit in manchen Fällen Leistungen der GOP 09351 und 09361 vom Operateur zur Abrechnung gebracht bzw. in der Abrechnung die Kennziffern 88115, 86999 und 99115 dokumentiert wurden, deutet dies sogar darauf hin, dass eben keine operativen Leistungen nach Abschnitt 3.2 EBM erbracht wurden und der Ansatz von operativen Leistungen des Abschnittes 3.2 EBM nicht bloß versehentlich unterblieb. Auch wenn die Beklagte zumindest zunächst schriftlich angedeutet hat, der Klägerin entgegenzukommen, indem dieser die Möglichkeit eingeräumt wurde, bestimmte Unterlagen bei der Beklagten zur erneuten Überprüfung einzureichen, ist dies mit dem eindeutigen Wortlaut des EBM nicht zu vereinbaren.

Einzuräumen ist allerdings, dass die Abrechnungsfähigkeit der von der Klägerin in Ansatz gebrachten anästhesiologischen Leistungen von der Erbringung und Abrechnung der Leistungen des Operateurs des Abschnitts 31.2 EBM abhängig ist, was nicht unmittelbar der Sphäre des Anästhesisten zuzurechnen ist und deshalb für den Anästhesisten eine Unwägbarkeit darstellt. Das Gericht geht aber davon aus, dass grundsätzlich jeweils die Zusammenarbeit zwischen Operateur und Anästhesisten geregelt ist und hierüber schriftliche Vereinbarungen bestehen. Zum Inhalt solcher Regelungen könnte auch gehören, dass sich der Operateur gegenüber dem Anästhesisten verpflichtet, die Operationsleistungen bei der Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen und im Falle, dass dies nicht geschieht, Schadensersatzansprüche vorbehalten werden. Nicht zuletzt im Hinblick auf die eindeutigen Regelungen im EBM müssten derartige Vereinbarungen auch bei Operateuren auf Verständnis stoßen, ohne eine weitere Zusammenarbeit ernsthaft zu gefährden. Hinzu kommt, dass es bei der Klägerin nicht häufig zu solchen Abrechnungsproblemen kommt, sondern diese auf wenige Ausnahmefälle beschränkt sind. Dies spricht dafür, dass in den meisten Fällen der Operateur die Leistungen abrechnet und damit die Abrechnungsvoraussetzung für anästhesiologische Leistungen nach der Präambel 31.5.3 S. 1 EBM erfüllt wird.

Eine Entscheidung des Gerichts, den EBM in diesem Punkt anders auszulegen oder gar zu ändern, ist dem Gericht verwehrt. Die Gerichte dürfen nämlich grundsätzlich nicht mit punktuellen Entscheidungen in das Gefüge des EBM eingreifen (vgl. BSG Urteil vom 05.05.1988, Az. B 6 RKa 13/87). Hintergrund ist, dass dem Bewertungsausschuss als Selbstverwaltungsorgan ein weiter Regelungsspielraum zusteht. Nur bei Überschreitung des Regelungsspielraums oder missbräuchlicher Ausübung der Bewertungskompetenz sind die Gerichte befugt, ihrerseits gestaltend einzugreifen.

Auch wenn es sinnvoll sein könnte, den engen Zusammenhang zwischen operativen Leistungen einerseits und anästhesiologischen Leistungen andererseits abrechnungstechnisch zumindest teilweise aufzuheben, beispielsweise dem Anästhesisten zu erlauben, den Nachweis der operativen Leistungen durch aussagekräftige Unterlagen, wie zum Beispiel durch Vorlage des OP-Berichts zu führen, ohne dass es auf die Abrechnung dieser Leistungen durch den Operateur ankommt, ergeben sich für eine Willkür keine Anhaltspunkte. Der Bewertungsausschuss hat sich offenbar davon leiten lassen, dass operative und anästhesiologische Leistungen in einem notwendigen Zusammenhang stehen und als einheitliche medizinische Behandlungsleistung, erbracht von mehreren Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen, aufzufassen sind, was als sachlich einleuchtend zu betrachten ist.

Im Übrigen sieht der EBM auch an anderen Stellen Abrechnungsvoraussetzungen vor, die nicht in der Sphäre des abrechnenden Vertragsarztes liegen. So kann die Komplexleistung für die Betreuung einer Schwangeren nach der GOP 01770 EBM nur von einem Vertragsarzt im Quartal abgerechnet werden, auch wenn diese von einem später in Anspruch genommenen Arzt komplett erneut erbracht wurde, ohne dass dieser wusste, dass die Leistung bereits vorher durch einen anderen Leistungserbringer alio loco stattfand (BSG, Urteil vom 11.02.2015, Az. B 6 KA 15/14 R).

Die Regelung in der Präambel zum Abschnitt 31.5.3 S. 1 EBM, wonach für die Berechnung von Anästhesien des Abschnitts 31.5.3 EBM vorauszusetzen ist, dass ein anderer Vertragsarzt in diesem Zusammenhang eine Leistung entsprechend einer Gebührenordnungsposition des Abschnitts 31.2 erbracht und berechnet hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Aus den genannten Gründen waren die Klagen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 106a Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen


(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 106d Abrechnungsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung


(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen prüfen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung. (2) Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit

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Referenzen

(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen prüfen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung.

(2) Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität, auf Einhaltung der Vorgaben nach § 295 Absatz 4 Satz 3 sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Arztes; Vertragsärzte und angestellte Ärzte sind entsprechend des jeweiligen Versorgungsauftrages gleich zu behandeln. Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden. Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zu Grunde zu legen. Satz 2 bis 4 gilt nicht für die vertragszahnärztliche Versorgung. Bei den Prüfungen ist von dem jeweils angeforderten Punktzahlvolumen unabhängig von honorarwirksamen Begrenzungsregelungen auszugehen. Soweit es für den jeweiligen Prüfungsgegenstand erforderlich ist, sind die Abrechnungen vorangegangener Abrechnungszeiträume in die Prüfung einzubeziehen. Die Kassenärztliche Vereinigung unterrichtet die in Absatz 5 genannten Verbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse. Satz 2 gilt auch für Verfahren, die am 31. Dezember 2014 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen waren.

(3) Die Krankenkassen prüfen die Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen insbesondere hinsichtlich

1.
des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht,
2.
der Plausibilität von Art und Umfang der für die Behandlung eines Versicherten abgerechneten Leistungen in Bezug auf die angegebene Diagnose, bei zahnärztlichen Leistungen in Bezug auf die angegebenen Befunde,
3.
der Plausibilität der Zahl der vom Versicherten in Anspruch genommenen Ärzte, unter Berücksichtigung ihrer Fachgruppenzugehörigkeit.
Sie unterrichten die Kassenärztlichen Vereinigungen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände können, sofern dazu Veranlassung besteht, gezielte Prüfungen durch die Kassenärztliche Vereinigung nach Absatz 2 beantragen. Die Kassenärztliche Vereinigung kann, sofern dazu Veranlassung besteht, Prüfungen durch die Krankenkassen nach Absatz 3 beantragen. Bei festgestellter Unplausibilität nach Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 kann die Krankenkasse oder ihr Verband eine Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen beantragen; dies gilt für die Kassenärztliche Vereinigung bei festgestellter Unplausibilität nach Absatz 2 entsprechend. Wird ein Antrag nach Satz 1 von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht innerhalb von sechs Monaten bearbeitet, kann die Krankenkasse einen Betrag in Höhe der sich unter Zugrundelegung des Antrags ergebenden Honorarberichtigung auf die zu zahlende Gesamtvergütung anrechnen.

(5) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich vereinbaren Inhalt und Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 bis 4. In den Vereinbarungen sind auch Maßnahmen für den Fall von Verstößen gegen Abrechnungsbestimmungen, einer Überschreitung der Zeitrahmen nach Absatz 2 Satz 3 sowie des Nichtbestehens einer Leistungspflicht der Krankenkassen, soweit dies dem Leistungserbringer bekannt sein musste, vorzusehen. Die Maßnahmen, die aus den Prüfungen nach den Absätzen 2 bis 4 folgen, müssen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides festgesetzt werden; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Der Inhalt der Richtlinien nach Absatz 6 ist Bestandteil der Vereinbarungen.

(6) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 und 3 einschließlich der Voraussetzungen für die Einhaltung der Ausschlussfrist nach Absatz 5 Satz 3 und des Einsatzes eines elektronisch gestützten Regelwerks; die Richtlinien enthalten insbesondere Vorgaben zu den Kriterien nach Absatz 2 Satz 2 und 3. Die Richtlinien sind dem Bundesministerium für Gesundheit vorzulegen. Es kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Kommen die Richtlinien nicht zu Stande oder werden die Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht innerhalb einer von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium für Gesundheit die Richtlinien erlassen.

(7) § 106 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106c geprüft werden. Die Prüfung kann neben dem zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumen auch Überweisungen sowie sonstige veranlasste ärztliche Leistungen, insbesondere aufwändige medizinisch-technische Leistungen umfassen; honorarwirksame Begrenzungsregelungen haben keinen Einfluss auf die Prüfungen.

(2) Veranlassung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 1 besteht insbesondere

1.
bei begründetem Verdacht auf fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation),
2.
bei begründetem Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität),
3.
bei begründetem Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmangel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben,
4.
bei begründetem Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel oder
5.
bei begründetem Verdacht, dass Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie unvereinbar mit dem Heil- und Kostenplan sind.

(3) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. November 2019 das Nähere zu den Voraussetzungen nach Absatz 2 in Rahmenempfehlungen. Die Rahmenempfehlungen sind bei den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigen.

(4) Die in § 106 Absatz 1 Satz 2 genannten Vertragspartner können über die Prüfung nach Absatz 1 hinaus Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 oder Absatz 3 getroffen, dürfen bei Ärzten der betroffenen Arztgruppe keine Prüfungen nach Durchschnittswerten durchgeführt werden. In den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 sind die Zahl der je Quartal höchstens zu prüfenden Ärzte in einer Kassenärztlichen Vereinigung sowie im Rahmen der Prüfungen nach Absatz 1 und der Prüfungen nach Satz 1 als Kriterien zur Unterscheidung Praxisbesonderheiten festzulegen, die sich aus besonderen Standort- und Strukturmerkmalen des Leistungserbringers oder bei besonderen Behandlungsfällen ergeben. Die Praxisbesonderheiten sind vor Durchführung der Prüfungen als besonderer Versorgungsbedarf durch die Prüfungsstellen anzuerkennen; dies gilt insbesondere auch bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Besuchsleistungen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Im Streit steht, ob die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) berechtigt ist, der Forderung der klagenden gesetzlichen Krankenkasse auf sachlich-rechnerische Richtigstellung ärztlicher Abrechnungen vertraglich vereinbarte "Bagatellgrenzen" (Geringfügigkeitsgrenzen) entgegenzuhalten.

2

Mit Schreiben vom 14.8.2012 forderte die Klägerin die Beklagte zur Korrektur der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen des Quartals III/2011 (ua) zum Ausgleich von Kosten auf, die ihr dadurch entstanden seien, dass Ärzte in drei Fällen zytologische Untersuchungen nach Nr 01733 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) abgerechnet hatten, obwohl die in den Behandlungsausweisen angegebenen Versicherten ihr nicht zugeordnet werden konnten. Die Klägerin war deshalb in Höhe von insgesamt 22,41 Euro außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung belastet worden. Mit Bescheid vom 1.2.2013 lehnte die Beklagte das Begehren der Klägerin ab und wies auch deren Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.4.2013 unter Verweis auf die Bagatellgrenze nach § 47 Satz 1 iVm § 44 Abs 4 Satz 1 und Satz 2 Nr 1 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä) zurück. Mit weiterem Schreiben vom 14.8.2012 forderte die Klägerin eine Abrechnungskorrektur (ua) zum Ausgleich von Kosten, die ihr in den Quartalen I bis IV/2011 dadurch entstanden seien, dass Ärzte in zwei Fällen nur einmalig im Kalenderjahr abrechenbare Leistungen nach Nr 01730 EBM-Ä zweifach im Kalenderjahr abgerechnet hatten. Hierdurch war die Klägerin in Höhe von 35,74 Euro außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung belastet worden. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 1.2.2013 eine Gutschrift des Korrekturbetrages ab und wies auch den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11.4.2013 unter Hinweis auf die Bagatellgrenze nach Teil D § 1 Abs 7 der "Vereinbarung nach § 106a Abs. 5 SGB V zur Durchführung der Abrechnungsprüfung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen und den Landesverbänden der sächsischen Krankenkassen"(PrüfV § 106a) zurück.

3

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über die Anträge der Klägerin auf sachlich-rechnerische Richtigstellung neu zu entscheiden (Urteil vom 17.12.2014). Hingegen sei die Klage unbegründet, soweit die Klägerin darüber hinausgehend eine sachlich-rechnerische Richtigstellung zu Lasten der betroffenen Vertragsärzte und die Auskehrung des Honorarberichtigungsbetrages anstrebe. In den Fällen der Abrechnungsprüfung durch die Krankenkasse nach § 106a Abs 3 SGB V habe die Beklagte zwar die Prüffeststellungen der Krankenkasse von Amts wegen einem Bescheid über eine Honorarberichtigung zugrunde zu legen, jedoch die Voraussetzungen für den Erlass eines Honorarberichtigungsbescheides gegenüber dem betroffenen Vertragsarzt in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ohne dass dem Urteil über den Anspruch auf Bescheidung des Honorarberichtigungsantrags der Krankenkasse präjudizielle Wirkung für den Inhalt des von der Beklagten zu erlassenden Bescheides zukomme.

4

Bezüglich des Antrags wegen unzutreffender Angabe des Kostenträgers stehe der Honorarberichtigung hingegen nicht die bis zum 30.9.2013 in § 47 Satz 1 EKV-Ä aF geregelte und ab dem 1.10.2013 in § 51 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) überführte bundesmantelvertragliche Geringfügigkeitsgrenze für Schadenersatzansprüche nach §§ 48 und 49 BMV-Ä entgegen. Zwar lasse sich der vorliegende Sachverhalt durchaus konkurrierend sowohl unter den Tatbestand des Schadensausgleichsverfahrens wegen fehlerhafter Kostenträgerangabe nach § 44 Abs 4 Satz 1 und 2 EKV-Ä aF bzw § 48 Abs 3 BMV-Ä als auch unter die Vorschriften über die Abrechnungskorrektur im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung subsumieren. In der vorliegenden Konstellation fänden jedoch ausschließlich die Vorschriften über die Abrechnungsprüfung nach § 106a Abs 3 SGB V Anwendung. Für die Abrechnungsprüfung der Krankenkassen gemäß § 106a Abs 3 SGB V habe der Gesetzgeber in § 106a Abs 5 und 6 SGB V ein untergesetzliches Regelungsgefüge statuiert, das Ausschließlichkeit beanspruche und im Rahmen seines Anwendungsbereichs für konkurrierende bundesmantelvertragliche Vorschriften keinen Raum lasse.

5

Hinsichtlich der Abrechnungskorrektur wegen Mehrfachabrechnung nur einmalig abrechenbarer Leistungen sei die Geringfügigkeitsgrenze gemäß Teil D § 1 Abs 7 PrüfV § 106a nicht einschlägig, da sie nur für das Verfahren über den Antrag auf anlassbezogene Plausibilitätsprüfungen nach § 106a Abs 4 SGB V gelte, nicht aber für Abrechnungsprüfungen der Krankenkassen nach § 106a Abs 3 Satz 1 Nr 3 und Satz 2 SGB V, zu deren Umsetzung die Beklagte von Amts wegen verpflichtet sei. Die Bagatellgrenze des § 51 Satz 1 BMV-Ä gelte nur für Schadenersatzansprüche nach §§ 48 und 49 BMV-Ä bzw §§ 44 und 45 EKV-Ä aF, von denen hier schon dem Grunde nach keiner einschlägig sei. Die Beklagte habe auch keinen Gesamtvertrag mit den Ersatzkassen vereinbart, der die Beteiligten bindende Vereinbarungen über eine Geringfügigkeitsschwelle für Abrechnungsprüfungen enthalte.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Das SG habe fälschlicherweise dem § 106a SGB V eine § 44 Abs 4 EKV-Ä aF bzw § 48 Abs 3 BMV-Ä ausschließende Vorrangstellung eingeräumt. Zwar bestehe zwischen den genannten Vorschriften ein Konkurrenzverhältnis, doch regele § 44 Abs 4 EKV-Ä aF bzw § 48 Abs 3 BMV-Ä genau den hier streitigen Fall der falschen Angabe eines Kostenträgers. Es sei somit naheliegend, die vertraglichen Normen heranzuziehen. Nach § 106a Abs 5 SGB V könnten die KÄVen und die Landesverbände der Krankenkassen ebenfalls eine Bagatellgrenze schaffen; dann sei es nicht nachvollziehbar, wieso die im Rahmen des BMV-Ä vereinbarte Bagatellgrenze nicht gelten solle.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17.12.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie ist der Ansicht, der Gesetzgeber habe die Regelung des Näheren zu den Prüfungen durch § 106a Abs 5 und Abs 6 SGB V abschließend den Prüfvereinbarungen sowie einer Richtlinie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zugewiesen. Weder § 106a SGB V noch die genannten untergesetzlichen Regelungen sähen eine Geringfügigkeitsgrenze vor. Eine solche liefe auf eine Einschränkung des geltenden Rechts durch den BMV-Ä hinaus, da § 106a SGB V eine ausnahmslose Korrektur von Abrechnungsfehlern anordne. Seit dem Inkrafttreten des § 106a SGB V ließen sich die vorliegenden Sachverhalte nicht mehr unter die Schadensausgleichsregelungen der Bundesmantelverträge mit ihren Bagatellgrenzen fassen. Daneben fehle es schon an einer Ermächtigungsgrundlage im Gesetz, um Prüfmitteilungen der Krankenkassen gemäß § 106a Abs 3 Satz 2 SGB V durch Verwaltungsakt abschlägig zu bescheiden. Jede Körperschaft habe die Prüfhinweise aus dem jeweils anderen Prüffeld bereits von Amts wegen zu berücksichtigen; für ein Antragsverfahren sei an dieser Stelle kein Raum. Dies unterscheide die Abrechnungsprüfung nach § 106a Abs 3 SGB V von der anlassbezogenen (Nach-)Prüfung im Rahmen des § 106a Abs 4 SGB V. Sei es zu einer vorläufigen Honorarüberzahlung zu Lasten der Krankenkasse gekommen, entstehe daraus automatisch ein verschuldensunabhängiger Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegen die KÄV.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat diese zutreffend verpflichtet, erneut über das Begehren der Klägerin auf sachlich-rechnerische Richtigstellung der von ihr beanstandeten Abrechnungen zu entscheiden. Die bundesmantelvertraglich vereinbarten Bagatellgrenzen sind in Bezug auf die vorliegend strittigen Fallgruppen - die unzulässige Mehrfachabrechnung von Gebührenordnungspositionen (GOP) sowie die unzutreffende Angabe des Kostenträgers - ebenso wenig einschlägig wie diesbezügliche Regelungen in der PrüfV § 106a; entsprechende gesamtvertragliche Regelungen bestehen nach den Feststellungen des SG nicht.

11

1. Der Anspruch der Klägerin ist - im Umfang der angefochtenen Entscheidung des SG - begründet.

12

a. Zu Recht hat das SG die Beklagte nur zur Neubescheidung und nicht zur Zahlung verurteilt. Einem Zahlungsanspruch der Klägerin steht zwar nicht entgegen, dass im Regelfall - soweit keine Einzelleistungsvergütung erfolgt - die sachlich-rechnerisch richtig gestellten Beträge nicht der Krankenkasse, sondern der Gesamtheit der Mitglieder der KÄV zugutekommen (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2016, § 106a RdNr 32d unter Hinweis auf BSGE 66, 1, 5 f = SozR 2200 § 368f Nr 16 S 70 f). Denn dies gilt nicht für Vergütungen, die - wie vorliegend vom SG festgestellt - von der Krankenkasse extrabudgetär vergütet werden; diese fließen im Falle einer Richtigstellung an sie zurück.

13

Jedoch steht einem Anspruch der Klägerin auf Auszahlung der sich aufgrund einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung zu ihren Gunsten ergebenden Beträge entgegen, dass noch keine entsprechenden (Richtigstellungs-)Bescheide gegenüber den Vertragsärzten ergangen sind. Ein Zahlungsanspruch der Krankenkasse gegenüber der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung (KÄV) setzt voraus, dass bestandskräftig festgestellt ist, ob eine sachlich-rechnerische Richtigstellung im Verhältnis von (Zahn-)Arzt und K(Z)ÄV berechtigt ist bzw ob die K(Z)ÄV verpflichtet ist, auf Antrag der Krankenkasse entgegen ihrer ursprünglichen Überzeugung Honorarberichtigungen gegenüber einem Vertrags(zahn)arzt vorzunehmen (vgl BSG SozR 4-5555 § 21 Nr 2 RdNr 19). Dass die beklagte KÄV vorliegend in materiell-rechtlicher Hinsicht kein eigenständiges Prüfungsrecht besitzt (siehe noch unter 1.b.cc.), ändert nichts daran, dass allein sie - formal - berechtigt ist, über die sachlich-rechnerische Richtigstellung durch Bescheid gegenüber dem Arzt zu entscheiden.

14

b. Die Beklagte ist verpflichtet, erneut über das Begehren der Klägerin, die von ihr beanstandeten Abrechnungen sachlich richtigzustellen, zu entscheiden. Dabei hat sie die streitgegenständlichen Abrechnungen im von der Klägerin geforderten Umfang sachlich-rechnerisch richtigzustellen; ein Recht zur eigenständigen Prüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen steht der Beklagten insoweit nicht zu. Da es sich sowohl bei der Fallgruppe "Angabe eines falschen Kostenträgers" als auch bei der Fallgruppe "unzulässige Mehrfachabrechnung von Krebsfrüherkennungsleistungen" um in die Prüfkompetenz der Krankenkasse nach § 106a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB V fallende Konstellationen handelt, beschränkt sich der Umfang der von der Beklagten vorzunehmenden Prüfung auf die formellen Voraussetzungen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung.

15

aa. Die Abrechnungsprüfung nach § 106a Abs 3 SGB V ist mit Wirkung ab dem 1.1.2004 als eigenständige Aufgabe der Krankenkasse neben die der KÄV nach § 106a Abs 2 SGB V obliegende Abrechnungsprüfung getreten. Gemäß § 106a Abs 3 Satz 1 SGB V prüfen die Krankenkassen die Abrechnungen der Vertragsärzte(jetzt: "der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen") insbesondere hinsichtlich des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht (Nr 1 aaO), der Plausibilität von Art und Umfang der abgerechneten Leistungen in Bezug auf die angegebene Diagnose (Nr 2 aaO) sowie der Plausibilität der Zahl der in Anspruch genommenen Ärzte (Nr 3 aaO); gemäß § 106a Abs 3 Satz 2 SGB V haben sie die KÄVen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse zu unterrichten. Durch § 106a Abs 3 SGB V werden die Krankenkassen in die Prüfung der Abrechnungen einbezogen und ihnen eine eigenständige Überprüfungspflicht auferlegt(Hess in Kasseler Kommentar, SGB V, Stand September 2015, § 106a RdNr 11). Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, den Krankenkassen eine weitergehende Verantwortung hinsichtlich der Prüfung der ärztlichen Leistungserbringung zu übertragen (Gesetzentwurf der Fraktionen zum GMG, BT-Drucks 15/1525 S 118).

16

bb. Gegenstand der von den Krankenkassen durchzuführenden Abrechnungsprüfung nach § 106a Abs 3 SGB V ist - unter anderem - die Prüfung der Abrechnungen hinsichtlich des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht(§ 106a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB V):

17

(1) In Bezug auf das Bestehen der Leistungspflicht ist zu prüfen, ob der Versicherte, für den die Leistungen zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden, gegen diese dem Grunde und dem Umfang nach einen Anspruch hatte (BT-Drucks 15/1525 S 118 zu § 106a Abs 3 SGB V). Dies beinhaltet die Feststellung der Leistungspflicht aufgrund des Versichertenstatus und im Hinblick auf die Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers (vgl § 16 Abs 2 der "Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen" ), mithin auch die Frage, ob der behandelnde Vertragsarzt den zutreffenden Kostenträger angegeben hat.

18

Zwar stellt die fehlerhafte Angabe des Kostenträgers - nach dem vom Senat vertretenen weiten Verständnis der sachlich-rechnerischen Unrichtigkeit - auch einen Fall des § 106a Abs 2 SGB V dar, doch ist diese Aufgabe mit Inkrafttreten des § 106a SGB V ausdrücklich und originär den Krankenkassen zugewiesen. Dies ist auch sachgerecht, weil die KÄV das Bestehen der Leistungspflicht der Krankenkasse nicht eigenständig prüfen kann, da ihr die hierzu erforderlichen Daten fehlen (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2016, § 106a RdNr 109).

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Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. Nach den Feststellungen der Klägerin haben Mitglieder der Beklagten in drei Fällen zytologische Untersuchungen nach Nr 01733 EBM-Ä zu Lasten der Klägerin abgerechnet, obwohl die betreffenden Versicherten ihr nicht zugeordnet werden konnten. Diese fehlerhaften Abrechnungen hat die Beklagte richtigzustellen, auch wenn sie die fehlerhafte Abrechnung nicht selbst festgestellt hat, und als weitere Folge - nach Durchführung des Verwaltungsverfahrens gegen den Vertragsarzt - der Klägerin die überzahlten Beträge zu erstatten.

20

(2) Ebenfalls Gegenstand der den Krankenkassen nach § 106a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB V übertragenen Abrechnungsprüfung ist die Prüfung der Abrechnungen hinsichtlich des Umfangs ihrer Leistungspflicht. Dies präzisiert § 16 Abs 2 Nr 3 der PrüfRL § 106a dahingehend, dass die Prüfungen nach § 106a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB V auch die Feststellung der Voraussetzungen der Leistungspflicht bei Maßnahmen der Krankheitsfrüherkennung betreffen. Gegenstand einer die Voraussetzungen der Leistungspflicht betreffenden Prüfung ist auch die Frage, ob eine innerhalb eines bestimmten Zeitraums nur einmal abrechenbare Leistung bereits einmal erbracht wurde.

21

Diese Fragestellung bildet den Gegenstand der von der Klägerin in Bezug auf die streitgegenständlichen Leistungen zur Krebsfrüherkennung nach Nr 01730 EBM-Ä durchgeführten Prüfung, bei der sie festgestellt hat, dass die Leistungen entgegen der Vorgabe in § 2 Satz 1 der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennung von Krebserkrankungen (Krebsfrüherkennungs-Richtlinie/KFE-RL)", wonach ein entsprechender Anspruch nur einmal jährlich besteht, zweimalig innerhalb eines Kalenderjahres abgerechnet wurde.

22

Zwar stellt die mehrfache Abrechnung einer nur einmalig abrechenbaren Leistung zugleich auch einen klassischen Fall einer sachlich fehlerhaften Abrechnung iS des § 106a Abs 2 SGB V dar. Daher ist eine K(Z)ÄV grundsätzlich nicht gehindert, entsprechende Abrechnungen von sich aus sachlich richtigzustellen. Macht allerdings eine Krankenkasse von der ihr durch § 106a Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB V iVm § 16 Abs 2 Nr 3 PrüfRL § 106a zugewiesenen Kompetenz Gebrauch, muss die K(Z)ÄV die sich hieraus ergebenden Beschränkungen ihrer Prüfkompetenz beachten(siehe hierzu cc.).

23

cc. Klarzustellen ist, dass den Krankenkassen im Rahmen der ihnen nach § 106a Abs 3 Nr 1 SGB V übertragenen Aufgaben nicht etwa ein bloßes Antragsrecht der Art zusteht, dass sie von der KÄV verlangen können, eine Abrechnungsprüfung durchzuführen. Vielmehr führen sie die ihnen durch § 106a Abs 3 Nr 1 SGB V übertragenen Prüfungen in eigener Zuständigkeit durch. Die den Krankenkassen nach § 106a Abs 3 Nr 1 SGB V obliegende Prüfung ist Ausdruck ihrer gleichberechtigten Mitwirkung an der Kontrolle des Abrechnungsverhaltens der Vertrags(zahn)ärzte(vgl BSG SozR 4-5555 § 21 Nr 2 RdNr 21).

24

Die Krankenkasse ist allein verpflichtet, die K(Z)ÄV von dem Ergebnis der von ihr durchgeführten Prüfung "zu unterrichten" (§ 106a Abs 3 Satz 2 SGB V); diese Unterrichtung hat die KÄV sodann von sich aus - also "von Amts wegen" - zum Anlass zu nehmen, die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Die KÄV ist an das mitgeteilte Ergebnis der von der Krankenkasse durchgeführten Prüfung gebunden und hat dieses nur noch im Verhältnis zu den betroffenen Vertragsärzten durch Bescheid umzusetzen; ein Recht, das Prüfungsergebnis der Krankenkassen inhaltlich zu überprüfen, steht ihr - anders als bei Prüfungen nach § 106a Abs 4 SGB V - hingegen nicht zu.

25

Einer erneuten - inhaltlichen - Prüfung der Abrechnungen durch die KÄV steht zum einen entgegen, dass hierdurch die den Krankenkassen durch § 106a Abs 3 Nr 1 SGB V übertragenen Aufgaben entwertet würden; an Stelle einer gleichberechtigten Mitwirkung an der Abrechnungsprüfung verbliebe ihnen lediglich die Funktion eines Hinweisgebers. Dass dies dem mit der Einführung des § 106a Abs 3 Nr 1 SGB V verfolgten Zweck entspräche, ist nicht erkennbar.

26

Zum anderen hätte sich der Gesetzgeber dann, wenn die KÄV nicht an das Ergebnis der von der Krankenkasse nach § 106a Abs 3 Nr 1 SGB V durchgeführten Prüfung gebunden wäre, auf die Normierung einer Prüfung auf Antrag nach § 106a Abs 4 SGB V beschränken können: Einem solchen Antrag liegt ebenfalls das Ergebnis einer vorangegangenen Prüfung durch die Krankenkassen zugrunde, weil ein Antrag auf gezielte Prüfungen durch die KÄV nach § 106a Abs 4 Satz 1 SGB V voraussetzt, dass hierzu "Veranlassung besteht": Nach § 20 Abs 1 PrüfRL § 106a sind ausreichende und konkrete Hinweise auf Abrechnungsauffälligkeiten erforderlich.

27

Die KÄV ist daher bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen nach § 106a Abs 3 Nr 1 SGB V auf die Prüfung beschränkt, ob der Umsetzung des Prüfungsergebnisses der Krankenkasse gegenüber dem Vertragsarzt Begrenzungen der Richtigstellungsbefugnis entgegenstehen, wie etwa eine Versäumung der Ausschlussfrist oder (andere) Vertrauensschutzgesichtspunkte(siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 13 RdNr 14). Ist dies nicht der Fall, erlässt die KÄV sowohl gegenüber der Krankenkasse als auch gegenüber dem Vertragsarzt einen entsprechenden Bescheid, wobei dem Bescheid gegenüber der Krankenkasse - anders als in den Fällen nach § 106a Abs 4 SGB V - allein deklaratorische Bedeutung zukommt.

28

Ein materiell-rechtliches - inhaltliches - "Letztentscheidungsrecht" hinsichtlich der Abrechnungsprüfung steht der KÄV im Rahmen des § 106a Abs 3 Nr 1 SGB V mithin nicht zu. Dem steht nicht die Aussage des Senats entgegen, dass der K(Z)ÄV als Vertragsinstanz die "Entscheidungskompetenz" für die Richtigstellungen von vertrags(zahn)ärztlichen Abrechnungen und deren verwaltungsmäßige Umsetzung zugewiesen ist (BSG SozR 4-5555 § 21 Nr 2 RdNr 21 unter Hinweis auf BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 9). Dass ihr die verwaltungsmäßige Umsetzung zugewiesen ist, steht außer Frage. Soweit es die "Entscheidungskompetenz" für Richtigstellungen betrifft, gilt diese Aussage aber nur für Fallgestaltungen, in denen die K(Z)ÄV von sich aus oder - wie in dem seinerzeit entschiedenen Fall - auf Antrag der Krankenkasse tätig wird; auf den Fall einer von der Krankenkasse auf der Grundlage des § 106a Abs 3 SGB V durchgeführten Prüfung ist dies hingegen nicht übertragbar.

29

Einer eigenständigen - die KÄV insoweit ausschließenden - materiell-rechtlichen Prüfkompetenz der Krankenkassen steht auch der Grundsatz der Einheitlichkeit der Entscheidung (siehe hierzu BSG SozR 4-5555 § 21 Nr 2 RdNr 19 f)nicht entgegen: Die Einheitlichkeit der Entscheidung in den - im Übrigen getrennten - Rechtsbeziehungen Krankenkasse ./. KÄV und KÄV ./. Vertragsarzt wird dadurch gewährleistet, dass die KÄV das Prüfungsergebnis der Krankenkasse gegenüber dem Vertragsarzt durch Bescheid umsetzt.

30

Die PrüfV § 106a steht insoweit nicht mit den gesetzlichen Vorgaben in Einklang. Dort wird (in Teil C unter § 1 Abs 2 2. Spiegelstrich) festgelegt, dass als Maßnahme, die aus dem Ergebnis einer von der Krankenkasse durchgeführten Abrechnungsprüfung resultiert, die "Beantragung der Durchführung ... einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarabrechnung(en) des betroffenen Vertragsarztes durch die KV Sachsen bei festgestellten Abrechnungsverstößen" in Betracht kommt. Dass entsprechende Feststellungen der Krankenkasse aus der von ihr nach § 106a Abs 3 Nr 1 SGB V durchgeführten Abrechnungsprüfung diese allein zur Stellung eines Antrags auf Durchführung einer Abrechnungsprüfung durch die KÄV berechtigten, steht nach den vorstehenden Ausführungen nicht mit dem höherrangigen Gesetz in Einklang.

31

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die vorstehenden Ausführungen gleichermaßen für die den Krankenkassen durch § 106a Abs 3 Satz 1 Nr 2 und Nr 3 SGB V übertragenen Aufgaben gelten, oder ob insoweit die Kompetenzen der Krankenkassen auf die Prüfung der Plausibilität beschränkt sind und die abschließende Prüfung unplausibler Abrechnungen der abschließenden Prüfung durch die KÄV vorbehalten bleibt.

32

2. Der Feststellung einer sachlich-rechnerischen Unrichtigkeit der Abrechnung und der hieraus folgenden Erstattung der in Rede stehenden Beträge steht auch nicht die Geringfügigkeit der aus der fehlerhaften Abrechnung resultierenden Erstattungsbeträge entgegen, weil die vertraglich vereinbarten Bagatellgrenzen keine Anwendung finden:

33

a. Die bundesmantelvertraglichen Vereinbarungen im vertragsärztlichen Bereich enthielten bzw enthalten sowohl in der seinerzeit - in den Quartalen I/2011 bis IV/2011 - maßgeblichen Fassung als auch in der aktuellen Fassung - weitgehend gleichlautende - Bagatellgrenzen:

34

§ 47 Satz 1 EKV-Ä aF bestimmte, dass Schadenersatzansprüche nach §§ 44 und 45 EKV-Ä aF nicht gestellt werden konnten, wenn der Schadensbetrag pro Vertragsarzt, Ersatzkasse und Quartal 25,60 Euro unterschritt. § 44 EKV-Ä aF betraf die Feststellung eines sonstigen Schadens durch Prüfungseinrichtungen und die KÄV, § 45 EKV-Ä aF die Prüfung und Feststellung von Schadenersatzansprüchen durch Schlichtungsstellen. Für die Fälle nach § 34 Abs 4 und 5 EKV-Ä aF - also für sachlich-rechnerische Richtigstellungen - hatten gemäß § 47 Satz 2 EKV-Ä aF die Gesamtverträge eine entsprechende Grenze zu bestimmen. Nach § 51 Satz 1 BMV-Ä in der ab dem 1.10.2013 geltenden Fassung können - unbeschadet bestehender gesamtvertraglicher Regelungen - Schadenersatzansprüche nach §§ 48 und 49 BMV-Ä nicht gestellt werden, wenn der Schadensbetrag pro Vertragsarzt, Krankenkasse und Quartal 30 Euro unterschreitet. § 48 BMV-Ä betrifft die Feststellung eines sonstigen Schadens durch Prüfungseinrichtungen und die KÄV, § 49 BMV-Ä die Prüfung und Feststellung von Schadenersatzansprüchen durch Schlichtungsstellen. Für die Fälle nach § 45 BMV-Ä - dh für sachlich-rechnerische Richtigstellungen - können die Gesamtverträge eine entsprechende Grenze bestimmen(§ 51 Satz 2 BMV-Ä nF).

35

b. Die in § 47 EKV-Ä aF bzw in § 51 BMV-Ä normierten Bagatellgrenzen finden auf die vorliegend in Rede stehenden Fallgruppen - die unzutreffende Angabe des Kostenträgers bzw die Mehrfachabrechnung einmalig abrechenbarer GOPen - keine Anwendung.

36

aa. Soweit es um die Mehrfachabrechnung nur einmalig abrechenbarer GOPen geht, kommt eine Anwendung der Bagatellgrenze nach § 47 Satz 1 EKV-Ä aF/§ 51 Satz 1 BMV-Ä schon nach dem Wortlaut der Regelung nicht in Betracht, weil diese allein auf den Fall eines "sonstigen Schadens" nach § 44 EKV-Ä aF (bzw § 48 BMV-Ä) sowie auf die Feststellung von Schadenersatzansprüchen durch Schlichtungsstellen nach § 45 EKV-Ä aF (bzw § 49 BMV-Ä) Anwendung findet, nicht jedoch auf Fälle der sachlich-rechnerischen Richtigstellung: Bei der unzulässigen Mehrfachabrechnung einer GOP handelt es sich nicht um einen "Schaden" im Sinne der genannten Vorschriften, sondern um den klassischen Fall einer sachlich unrichtigen Abrechnung(vgl zB BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 28 für nicht die Voraussetzungen der Leistungslegende erfüllende Abrechnungen). Der Mehrfachansatz einer GOP, der den Bestimmungen des Gebührenrechts zuwiderläuft, weil diese nur einen einmaligen Ansatz innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorsehen, betrifft unmittelbar die Abrechnung der ärztlichen Leistungen, deren Überprüfung Gegenstand des § 106a SGB V ist.

37

Dem haben auch die Bundesmantelvertragspartner Rechnung getragen: Dass diese nicht zugleich auch sachlich-rechnerische Richtigstellungen der in § 47 Satz 1 EKV-Ä aF bzw § 51 Satz 1 BMV-Ä normierten Bagatellgrenze unterwerfen wollten, ergibt sich bereits im Umkehrschluss aus § 47 Satz 2 EKV-Ä aF bzw § 51 Satz 2 BMV-Ä, denn dort ist speziell für die Fälle sachlich-rechnerischer Richtigstellungen geregelt, dass die Bestimmung einer Bagatellgrenze gesamtvertraglichen Regelungen vorbehalten bleibt.

38

bb. In Bezug auf die Angabe eines unzutreffenden Kostenträgers ist ebenfalls keine der bundesmantelvertraglich vereinbarten Bagatellgrenzen einschlägig. Die in § 47 Satz 1 EKV-Ä aF/§ 51 Satz 1 BMV-Ä normierte Bagatellgrenze findet auf diese Konstellation keine Anwendung, weil die Fallgruppe "Angabe eines unzutreffenden Kostenträgers" nach Inkrafttreten des § 106a SGB V nicht (mehr) unter den Begriff des "sonstigen Schadens" bzw unter den eines von der Schlichtungsstelle festzusetzenden Schadens subsummiert werden kann:

39

Zwar spricht einiges dafür, die Angabe eines unzutreffenden Kostenträgers grundsätzlich als "sonstiger Schaden" iS des § 44 EKV-Ä aF bzw § 48 BMV-Ä anzusehen. So ist diese Fallgruppe in den vertraglichen Bestimmungen zum sonstigen Schaden ausdrücklich angesprochen (§ 44 EKV-Ä aF, § 48 Abs 3 Satz 1 BMV-Ä: " Schaden... dadurch entstanden ist, dass sie der Vertragsarzt … fälschlicherweise als Kostenträger angegeben hat"). Die Vertragspartner der Bundesmantelverträge sind jedoch nicht berechtigt, eine der sachlich-rechnerischen Richtigstellung nach § 106a SGB V unterfallende Konstellation im Wege der vertraglichen Vereinbarung dem Bereich des "sonstigen Schadens" zuzuordnen - dies schon deswegen nicht, weil der Anspruch auf Ersatz eines "sonstigen Schadens" strengeren Anforderungen unterliegt als eine sachlich-rechnerische Richtigstellung, insbesondere verschuldensabhängig ist(stRspr des BSG, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 31 RdNr 34-35). Im Übrigen hat das SG zutreffend darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber mit der Normierung des § 106a SGB V und dessen Ergänzung durch untergesetzliche Normen auf der Grundlage von § 106a Abs 5 und 6 SGB V ein Regelungsgefüge statuiert hat, das im Rahmen seines Anwendungsbereiches Ausschließlichkeit beansprucht und für konkurrierende bundesmantelvertragliche Vorschriften grundsätzlich keinen Raum lässt. Dieses Regelungsgefüge schließt es jedenfalls aus, dem Bereich der sachlich-rechnerischen Richtigstellung unterfallende Regelungsgegenstände anderen - allein auf vertraglicher Grundlage bestehenden - Prüfungsarten zuzuweisen.

40

Mit Inkrafttreten des § 106a Abs 3 SGB V ist jedoch die Fallgruppe der Angabe eines falschen Kostenträgers unzweifelhaft der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zugeordnet worden: Nach § 106a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB V haben die Krankenkassen im Rahmen der ihnen obliegenden Abrechnungsprüfung die Abrechnungen hinsichtlich des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht zu prüfen. Zu prüfen ist damit, wie die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1525 S 118 zu § 106a SGB V)verdeutlicht, ob der Versicherte, für den die Leistungen zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden, einen Anspruch dem Grunde und dem Umfang nach hatte. Dies beinhaltet die Feststellung der Leistungspflicht aufgrund des Versicherungsstatus und im Hinblick auf die Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers (vgl § 16 Abs 2 PrüfRL § 106a).

41

c. Auch aus Vereinbarungen auf der Ebene der Gesamtvertragspartner lässt sich keine der Richtigstellung vorliegend entgegenstehende Bagatellgrenze entnehmen. Die Frage einer gesamtvertraglich vereinbarten Bagatellgrenze stellt sich weder in Bezug auf die unzutreffende Angabe des Kostenträgers noch auf die Mehrfachabrechnung einmalig abrechenbarer GOPen, weil nach den Feststellungen des SG keine entsprechende gesamtvertragliche Regelung besteht.

42

Die in Teil D § 1 Abs 7 der PrüfV § 106a geregelte Bagatellgrenze ist vorliegend nicht einschlägig, weil sie nach den für den Senat bindenden Feststellungen des SG(§ 163 SGG)nur für das Verfahren über Anträge auf Durchführung einer anlassbezogenen Plausibilitätsprüfung nach § 106a Abs 4 SGB V gilt, nicht aber für die auf der Grundlage von § 106a Abs 3 SGB V durchgeführten Abrechnungsprüfungen der Krankenkassen. Dies ergibt sich, worauf das SG zutreffend verwiesen hat, aus dem eindeutigen Wortlaut der Regelung ebenso wie aus dem Kontext der Bestimmung. Um eine solche Prüfung geht es vorliegend jedoch nicht, sondern - wie dargestellt - um eine seitens der klagenden Krankenkasse auf der Grundlage von § 106a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB V durchgeführte Prüfung des Bestehens bzw des Umfangs ihrer Leistungspflicht.

43

3. Da mithin keine vertraglich normierte Bagatellgrenze einschlägig ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung nach dem Inkrafttreten des § 106a SGB V noch die Befugnis besitzen, eine solche zu bestimmen.

44

Gegen die vertragliche Normierung einer Bagatellgrenze bestehen allerdings keine grundsätzlichen Bedenken. Die Auffassung der Klägerin, § 106a SGB V ordne eine ausnahmslose Korrektur von Abrechnungsfehlern an, überzeugt nicht. Derartiges lässt sich den maßgeblichen Bestimmungen nicht entnehmen. Nach der gesetzlichen Konzeption werden die Vorgaben des § 106a SGB V zum einen durch die gemäß § 106a Abs 6 Satz 1 SGB V auf Bundesebene zu vereinbarenden Richtlinien, zum anderen durch die nach § 106a Abs 5 SGB V auf regionaler Ebene zu vereinbarenden Prüfvereinbarungen ergänzt und vervollständigt: Gemäß § 106a Abs 5 Satz 1 SGB V haben die KÄVen und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Inhalt und Durchführung der Prüfungen nach § 106a Abs 2 bis 4 SGB V zu vereinbaren; gemäß § 106a Abs 6 Satz 1 1. Halbsatz SGB V vereinbaren die KÄBVen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach § 106a Abs 2 und 3 SGB V.

45

Gegenstand beider untergesetzlicher Normwerke ist der "Inhalt" und die "Durchführung" der Prüfungen. Der Senat hat keine Bedenken dagegen, hiervon auch die Bestimmung von Bagatell- bzw Geringfügigkeitsgrenzen mitumfasst zu sehen. Im Übrigen ist die Normierung von Bagatellgrenzen der Rechtsordnung keineswegs fremd. So sieht § 110 Satz 2 SGB X ("Pauschalierung") eine - vorliegend allerdings nicht einschlägige(siehe hierzu BSG Urteil vom 25.10.1989 - 6 RKa 20/88 - USK 89131) - Bagatellgrenze vor, indem dort bestimmt wird, dass Leistungsträger untereinander keine Erstattung begehren können, wenn ein Erstattungsanspruch im Einzelfall voraussichtlich weniger als 50 Euro beträgt.

46

Auch kompetenziell ergeben sich grundsätzlich keine Bedenken gegen eine Normierung von Bagatellgrenzen durch die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung auf Bundes- bzw Landesebene. Die Vertragspartner auf Bundesebene wie auch auf regionaler Ebene waren in der Vergangenheit aufgrund der ihnen erteilten Generalermächtigungen (§ 82 Abs 1 Satz 1, § 83 Satz 1 SGB V) berechtigt, das Nähere zu den Abrechnungsprüfungen zu normieren. Eine derartige Regelungskompetenz ist ihnen nunmehr durch § 106a Abs 5 und 6 SGB V spezialgesetzlich zugewiesen worden. Faktisch hat sich damit allein die Benennung des Regelwerks, in dem die Regelungen enthalten sind, geändert.

47

Allerdings weist der Senat darauf hin, dass diese spezialgesetzliche Ausformung zur Folge haben dürfte, dass die auf der bisherigen Generalermächtigung beruhenden Regelungen in die spezialgesetzlich vorgesehenen Normwerke zu transformieren sind. Es spricht viel dafür, dass § 106a SGB V zusammen mit den nach seinen Absätzen 5 und 6 zu treffenden Regelungen ein in sich geschlossenes Regelwerk darstellt, außerhalb dessen grundsätzlich keine die Abrechnungsprüfungen betreffenden Normsetzungskompetenzen der Vertragspartner auf Bundes- oder Landesebene bestehen(im Sinne eines Wegfalls der Regelungskompetenz nach Inkrafttreten des § 106a SGB V: SG Mainz Urteil vom 30.7.2014 - S 16 KA 100/13). Dafür, alle den Inhalt und die Durchführung der Abrechnungsprüfungen betreffenden Regelungen in dem durch § 106a Abs 5 und 6 SGB V vorgesehenen Normwerk zu treffen, spricht nicht zuletzt der Gesichtspunkt, dass jedenfalls das Zustandekommen der bundeseinheitlichen PrüfRL § 106a eigenen Regeln unterliegt, weil insoweit - anders als beim BMV-Ä - besondere Einwirkungsmöglichkeiten des Bundesministeriums für Gesundheit bestehen(siehe § 106a Abs 6 Satz 2 bis 4 SGB V). Dementsprechend wäre auch die Ermächtigungsnorm in § 51 Satz 2 BMV-Ä seit Inkrafttreten des § 106a SGB V so zu lesen, dass entsprechende Regelungen der Gesamtvertragspartner nicht im Gesamtvertrag, sondern in der - von denselben Vertragspartnern - nach § 106a Abs 5 SGB V zu schließenden Prüfvereinbarung zu treffen sind.

48

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die klagende Krankenkasse beantragte bei der beklagten kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der von Vertragsärzten für das Quartal I/2010 abgerechneten Gebührenordnungsposition (GOP) Nr 03212 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä). Diese GOP aus dem hausärztlichen Kapitel regelte in der bis zum Quartal III/2013 geltenden Fassung (nachfolgend: aF) einen Zuschlag zu Versichertenpauschalen für die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankungen. Zur Begründung ihres Antrags machte die Klägerin geltend, dass Vertragsärzte diese GOP zu Unrecht für die Behandlung von Versicherten abgerechnet hätten, bei denen eine der Leistungslegende zu Nr 03212 entsprechende chronische Erkrankung nicht vorgelegen habe. Die Beklagte lehnte die sachlich-rechnerische Richtigstellung mit der Begründung ab, dass keine objektiven Anhaltspunkte für unrichtige Abrechnungen vorlägen. Eine schwerwiegende chronische Erkrankung könne auch gegeben sein, wenn eine Dauerbehandlung im Zeitpunkt der Abrechnung bereits länger zurückliege. Der dagegen gerichteten Klage hat das SG im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, dass die GOP Nr 03212 EBM-Ä aF nur in Ansatz gebracht werden dürfe, wenn der Versicherte in den dem Abrechnungsquartal unmittelbar vorangehenden vier Quartalen wegen der betreffenden Krankheit ärztlich behandelt worden sei. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen.

2

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Beklagte die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.

3

II. Die Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet.

4

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; s auch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 30 S 57 f mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls die Rechtsfrage schon beantwortet ist, ebenso dann, wenn Rechtsprechung zu dieser Konstellation zwar noch nicht vorliegt, sich aber die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres ergibt (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f). Ferner geht der Senat in ständiger Rechtsprechung für den Regelfall davon aus, dass sich aus der Anwendung der Grundsätze zur Auslegung der Leistungslegende der Bewertungsmaßstäbe im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich auf eine konkrete GOP eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auch dann nicht ergibt, wenn sich das BSG mit dieser konkreten Position noch nicht ausdrücklich befasst hat (vgl zB BSG Beschluss vom 13.12.2000 - B 6 KA 30/00 B - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 12.12.2012 - B 6 KA 31/12 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 15.5.2014 - B 6 KA 55/13 B - RdNr 11).

5

Bezogen auf die Frage, ob der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist hier einerseits zu berücksichtigen, dass es der Klägerin mit dem bei der Beklagten gestellten Antrag auf sachlich-rechnerische Berichtigung um eine über die Abrechnung eines einzelnen Arztes hinausgehende Klärung geht (zur Zulässigkeit einer Entscheidung der KÄV über einen solchen Antrag der Krankenkasse durch Verwaltungsakt vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 13 RdNr 16 f). Der Beklagte hat in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt, dass entsprechende Anträge auf sachlich-rechnerische Richtigstellungen bezogen auf Nr 03212 EBM-Ä aF auch von anderen Krankenkassen und für weitere Quartale gestellt worden sind. Andererseits war diese GOP im EBM-Ä nur bis in das Quartal III/2013 enthalten (Streichung mit Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 309. Sitzung, DÄ 2013, A-1509, A-1512), sodass es um die Auslegung ausgelaufenen Rechts geht. Bezogen auf die seit dem Quartal IV/2013 geregelten sog Chroniker-Pauschalen nach Nr 03220 und Nr 03221 EBM-Ä stellen sich die im vorliegenden Verfahren zwischen den Beteiligten erörterten Auslegungsfragen aufgrund der geänderten Fassung der Leistungslegende nicht mehr. Das wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Soweit die Beklagte zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung darauf hinweist, dass die streitgegenständlichen Fragen zur Auslegung der Nr 03212 EBM-Ä aF auch in den Bezirken anderer KÄVen aufgetreten seien, ist ferner zu berücksichtigen, dass die Frage jedenfalls für den Bezirk der KÄV Sachsen-Anhalt geklärt sein dürfte, nachdem das LSG Sachsen-Anhalt die Nr 03212 bereits mit Urteil vom 16.7.2014 (L 9 KA 12/12, NZS 2014, 956) in derselben Weise ausgelegt hat, wie das Sächsische LSG im vorliegenden Verfahren. In Bundesländern wie Thüringen oder Bayern dürften sich die streitgegenständlichen Auslegungsfragen jedenfalls nach dem Vorbringen der Klägerin, dessen Richtigkeit von der Beklagten insoweit nicht in Zweifel gezogen worden ist, von vornherein nicht gestellt haben, weil die für diese Bezirke zuständigen KÄVen die Regelung bereits in der Weise ausgelegt haben, dass eine chronische Erkrankung im Sinne dieser GOP eine ärztliche Behandlung in den vorangehenden vier Quartalen voraussetzt (KÄV Thüringen, Rundschreiben 5/2010 S 2, KÄV Bayern INFOS 6/2010 S 81).

6

Vor diesem Hintergrund muss es nach Auffassung des Senats hier bei dem Grundsatz bleiben, dass sich aus der Auslegung der Leistungslegende der Bewertungsmaßstäbe im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich bezogen auf eine einzelne GOP eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ergibt, auch wenn sich der Senat in seiner Rechtsprechung mit der konkreten GOP noch nicht befasst hat.

7

2. Im Übrigen hat das LSG die Leistungslegende der Nr 03212 nach Auffassung des Senats zutreffend ausgelegt, was auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats ohne die Notwendigkeit der Durchführung eines Revisionsverfahrens beurteilt werden kann.

8

a) Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl BSGE 88, 126, 127 = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 146; BSG SozR 4-5540 § 44 Nr 1 RdNr 13; BSG Beschluss vom 12.12.2012 - B 6 KA 31/12 B - Juris RdNr 4; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 28 RdNr 11) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Weder eine ausdehnende Auslegung noch eine analoge Anwendung von GOPen des EBM-Ä ist zulässig (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-5531 Nr 7120 Nr 1 RdNr 11). Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM-Ä - des Bewertungsausschusses (BewA) gemäß § 87 Abs 1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf; eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11 Nr 10 RdNr 10, jeweils mwN; BSG SozR 4-5540 § 44 Nr 1 RdNr 13; BSG Beschluss vom 12.12.2012 - B 6 KA 31/12 B - Juris RdNr 4; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 28 RdNr 11).

9

Die Leistungslegende der GOP Nr 03212 EBM-Ä 2008 in der hier maßgebenden bis 30.9.2013 geltenden Fassung hatte - soweit hier von Interesse - folgenden Wortlaut:

"03212

Zuschlag zu den Versichertenpauschalen nach den Nrn. 03110 bis 03112 für die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankung(en) gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 SGB V,
Obligater Leistungsinhalt
- Mindestens 2 Arzt-Patienten-Kontakte,
einmal im Behandlungsfall (kurativ-ambulant) 495 Punkte
Die Gebührenordnungsposition 03212 kann bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern bis zum vollendeten 2. Lebensjahr auch ohne die Voraussetzung einer wenigstens 1 Jahr langen Dauerbehandlung gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Erkrankungen im Sinne des § 62 SGB V berechnet werden. […] "

10

Der in Bezug genommene § 2 Abs 2 der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 SGB V"(so die ursprüngliche Bezeichnung der Richtlinie aus dem Jahr 2004; in der hier maßgebenden, am 20.8.2008 in Kraft getretenen Fassung vom 19.6.2008, BAnz Nr 124 vom 19.8.2008 S 3017 richtig: "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Umsetzung der Regelungen in § 62 für schwerwiegend chronisch Erkrankte"; im Folgenden: Chroniker-Richtlinie) hat folgenden Wortlaut:

        

"Eine Krankheit ist schwerwiegend chronisch, wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung) und eines der folgenden Merkmale vorhanden ist:

        

a)    

Es liegt eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 nach dem zweiten Kapitel SGB XI vor.

        

b)    

Es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 60 % vor, wobei der GdB oder die MdE nach den Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG oder des § 56 Abs. 2 SGB VII festgestellt und zumindest auch durch die Krankheit nach Satz 1 begründet sein muss.

        

c)    

Es ist eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln) erforderlich, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die aufgrund der Krankheit nach Satz 1 verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist."

11

b) Die im vorliegenden Verfahren im Vordergrund stehende Frage, ob die "Dauerbehandlung" in den vier Quartalen unmittelbar vor der Abrechnung der Nr 03212 EBM-Ä aF durchgeführt worden sein muss oder ob die Voraussetzungen auch durch eine länger zurückliegende Behandlung der Erkrankung erfüllt werden kann, ergibt sich nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut, erschließt sich jedoch unter Einbeziehung systematischer Zusammenhänge:

12

Die genannte Definition aus der Chroniker-Richtlinie dient der Umsetzung des § 62 Abs 1 Satz 2 SGB V, der bestimmt, dass die Belastungsgrenze "für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind" nur 1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (anstelle der sonst geltenden 2 %) beträgt. Dabei geht es in § 2 Abs 2 Satz 1 der Chroniker-Richtlinie um die Auslegung des Begriffs der Dauerbehandlung, während die zusätzlich zu erfüllenden Voraussetzungen nach Buchst a) bis c) der weiteren Eingrenzung auf schwerwiegende Krankheiten als zusätzliches Kriterium dienen(vgl die im Internet unter https://www.g-ba.de/downloads/40-268-5/2004-01-22-Chroniker-Begruendung.pdf zur Richtlinie idF vom 22.1.2004 abrufbaren tragenden Gründe). Auf die in Teilen der Literatur (vgl Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Stand August 2015, § 62 SGB V RdNr 13; Kraftberger in LPK-SGB V, 4. Aufl 2012, § 62 RdNr 15; Albers, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 62 RdNr 28) geäußerten Zweifel daran, dass die Interpretation des Begriffs der Dauerbehandlung durch die Chroniker-Richtlinie mit den gesetzlichen Vorgaben aus § 62 Abs 1 Satz 2 SGB V im Einklang steht, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an, weil der BewA als Normgeber des EBM-Ä an diese Vorgaben bei der Fassung der GOPen nicht gebunden ist. Insofern macht es keinen Unterschied, ob der BewA den Inhalt des § 2 Abs 2 Chroniker-Richtlinie über eine Verweisung zum Inhalt des EBM-Ä macht oder aber den Wortlaut dieser Regelung in den EBM-Ä übernimmt(vgl BSGE 115, 131 = SozR 4-2500 § 135 Nr 20, RdNr 29 mwN). Allerdings spricht der Umstand, dass der BewA zur Definition der schwerwiegenden chronischen Erkrankung auf § 2 Abs 2 Chroniker-Richtlinie verweist, dafür, dass die in dieser Richtlinie verwendeten Begriffe im vorliegenden Zusammenhang (Voraussetzung für die Abrechnung einer GOP) nicht anders ausgelegt werden sollen, als in den Regelungen zur Belastungsgrenze nach § 62 SGB V, auf die sich die Chroniker-Richtlinie eigentlich bezieht. Insofern ist für die Auslegung des Begriffs der chronischen Erkrankung und der dabei vorausgesetzten Dauerbehandlung von Bedeutung, dass § 62 Abs 1 Satz 2 SGB V die Absenkung der Belastungsgrenze von 2 % auf 1 % davon abhängig macht, dass die chronisch Kranken, "in Dauerbehandlung sind". Nach dieser Formulierung genügt es eindeutig nicht, dass eine Dauerbehandlung irgendwann in der Vergangenheit stattgefunden hat. Vielmehr muss die Dauerbehandlung bis in die Gegenwart durchgeführt werden. Diese Auslegung wird durch Nr 6 der - als Bestandteil der Bundesmantelverträge verbindlichen (vgl BSG SozR 4-5540 § 25 Nr 1 RdNr 35) - Erläuterungen zu Muster 55 der Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung bestätigt. Danach liegt eine Dauerbehandlung vor, "wenn der Versicherte mindestens ein Jahr lang vor Ausstellen dieser Bescheinigung jeweils wenigstens einmal im Quartal wegen derselben Krankheit in ärztlicher Behandlung war". Diese Definition wird in dem Vordruck (Muster 55 "Bescheinigung zum Erreichen der Belastungsgrenze bei Feststellung einer schwerwiegenden chronischen Krankheit im Sinne des § 62 SGB V") wiederholt, in dem der Arzt ua einzutragen hat, seit wann der Versicherte wegen derselben Krankheit in Dauerbehandlung ist. Danach setzt - wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat - auch die Abrechnung der Nr 03212 EBM-Ä aF voraus, dass die Versicherten wegen der schwerwiegenden Erkrankung "in Dauerbehandlung sind". Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Behandlung in den vier unmittelbar vorangehenden Quartalen und nicht nur irgendwann in der Vergangenheit stattgefunden hat.

13

Zwar haben die Krankenkassen im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen für die Absenkung der Belastungsgrenze das Fortbestehen einer chronischen Erkrankung offenbar nicht in einer den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Weise überprüft (vgl Gerlach in Hauck/Noftz, Stand Januar 2016, § 62 SGB V RdNr 41) und mit der Änderung von § 62 Abs 1 Satz 6 SGB V mWv 9.4.2013 durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister (Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz - KFRG) vom 3.4.2013 (BGBl I 617) ist dafür nachträglich unter Hinweis auf die entsprechende Praxis der Krankenkassen (vgl BT-Drucks 17/11267 S 26, zu Buchst a Doppelbuchst cc) eine gesetzliche Grundlage geschaffen worden. Danach kann die Krankenkasse auf den jährlichen Nachweis der weiteren Dauer der Behandlung verzichten, "wenn bereits die notwendigen Feststellungen getroffen worden sind und im Einzelfall keine Anhaltspunkte für einen Wegfall der chronischen Erkrankung vorliegen". Abgesehen davon, dass diese Regelung erst nach dem hier maßgebenden Quartal I/2010 in Kraft getreten ist, verweist Nr 03212 EBM-Ä aF jedoch nur auf den Inhalt der Chroniker-Richtlinie und nicht auf die im SGB V getroffenen Regelungen zu deren Umsetzung durch die Krankenkassen. Zwar spricht in der Sache einiges gegen die Bezugnahme auf eine Richtlinie, die nur eingeschränkt umgesetzt wird. Insofern erscheint es konsequent, dass der BewA als Normgeber die Voraussetzungen ab dem Quartal IV/2013 eigenständig und ohne Verweis auf den Inhalt der Chroniker-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) im EBM-Ä geregelt hat. Dies ändert indes nichts an der Wirksamkeit der Verweisung auf den Inhalt der Richtlinie bis einschließlich des Quartals III/2013. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sich die Auslegung des Begriffs der schwerwiegenden chronischen Erkrankung in Nr 03212 EBM-Ä am Wortlaut von § 2 Abs 2 Chroniker-Richtlinie auszurichten.

14

Aus Sicht des Senats spricht auch unter Berücksichtigung systematischer Gesichtspunkte nichts dafür, dass der Begriff der chronischen Krankheit in der Leistungslegende zu Nr 03212 EBM-Ä aF anders zu verstehen sein könnte als in § 2 Abs 2 der Chroniker-Richtlinie. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass der relativ hoch mit 495 Punkten bewertete Zuschlag auch bei der Behandlung von Versicherten abgerechnet werden soll, die nicht mehr chronisch krank sind, sondern nur irgendwann in der Vergangenheit chronisch krank waren. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Chroniker-Richtlinie zusätzlich zu der Dauerbehandlung das Vorliegen einer der unter § 2 Abs 2 Buchst a) bis c) genannten Voraussetzungen verlangt, weil diese lediglich das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung und noch nicht das Vorliegen einer auch dauerhaften und damit chronischen Krankheit belegen(vgl die oben zitierten tragenden Gründe des GBA). Damit übereinstimmend knüpft im Übrigen auch die ab dem Quartal IV/2013 geltende Nachfolgeregelung - jetzt sogar ausdrücklich - an die ärztliche Behandlung "im Zeitraum der letzten vier Quartale" an (vgl III.a 3.2.2 EBM-Ä).

15

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des von ihr ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanzen und ist von keinem Beteiligten in Frage gestellt worden (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 26. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten auch für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Richtigkeit der Honorarabrechnungen von Vertragsärzten, soweit diese im Quartal II/2007 für Schwangerschaftsbetreuungen die Nr 01770 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) abgerechnet haben.

2

Mit Schreiben vom 29.11.2007 machte die klagende Krankenkasse gegenüber der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) geltend, dass im Quartal II/2007 die Nr 01770 EBM-Ä in 152 Fällen zu Unrecht abgerechnet worden sei. Der von der Beklagten für das Quartal II/2007 geforderte Gesamtbetrag in Höhe von 11 528 033,77 Euro werde daher um 16 832,48 Euro gekürzt (110,74 Euro <2280 Punkte x 4,857 Cent> x 152); die vorgenannte Leistungsziffer könne je Quartal nur einmal von einem Arzt abgerechnet werden. Dies gelte auch dann, wenn die Schwangere in einem Quartal von mehreren Ärzten betreut worden sei.

3

Die Beklagte folgte dem Begehren der Klägerin in insgesamt sieben Fällen, lehnte aber im Übrigen die Vornahme von Berichtigungen ab. In sieben Fällen seien Gutschriften erfolgt, in den übrigen Fällen sei jedoch keine Berichtigung vorzunehmen. Es sei für die in Anspruch genommenen Gynäkologen nicht erkennbar gewesen, dass weitere Gynäkologen in die Betreuung der Schwangeren eingebunden gewesen seien (Widerspruchsbescheid vom 11.4.2012).

4

Auf die hiergegen erhobene Klage hob das SG die angefochtenen Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides auf und verurteilte die Beklagte, über die Honorarberichtigungsanträge der Klägerin erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Die Beklagte habe über die Anträge der Klägerin zutreffend durch Verwaltungsakt entschieden; die entsprechende Befugnis ergebe sich aus § 10 des zwischen der Klägerin und der Beklagten am 13.12.1995 geschlossenen Gesamtvertrages. Die Bescheide seien jedoch materiell rechtswidrig. Der Wortlaut der Nr 01770 EBM-Ä sei eindeutig. In Abs 3 Satz 1 Nr 01770 EBM-Ä sei geregelt, dass die Leistungsziffer nur von einem Vertragsarzt im Quartal abgerechnet werden dürfe. Diese Regelung werde durch den nachfolgenden zweiten Satz des Absatzes nicht eingeschränkt, es werde vielmehr klargestellt, dass die Regelung auch in den dort genannten Konstellationen und damit umfassend Anwendung finde. Die Verwendung des Wortes "auch" in diesem zweiten Satz verdeutliche gerade, dass der Abrechnungsausschluss sogar dann gelten solle, wenn eine Betreuung durch mehrere Vertragsärzte stattfinde. Eine Ausnahme von dem Abrechnungsausschluss könne auch nicht aus dem Klammerzusatz zu Satz 2 abgeleitet werden. Die einleitende Formulierung "z. B." in der Klammer gebe zu erkennen, dass es sich um eine nicht abschließende Aufzählung handele, in der der Abrechnungsausschluss "auch" Anwendung finde. Es sei davon auszugehen, dass der Bewertungsausschuss (BewA), sofern er bestimmte Fallkonstellationen von dem Abrechnungsausschluss habe ausnehmen wollen, dies entsprechend formuliert hätte (Urteil vom 26.2.2014).

5

Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, der Wortlaut der Nr 01770 EBM-Ä sei nicht eindeutig. Durch den zweiten Satz des dritten Absatzes der Leistungsziffer werde eine Einschränkung vorgenommen. Anderenfalls wäre dieser Satz überflüssig, weil der erste Satz des dritten Absatzes für sich genommen klar formuliert sei. Die Wendung "dies gilt auch" beziehe sich zwar auf den ersten Satz des dritten Absatzes, der Klammerzusatz enthalte indes Sachverhalte, die jeweils eine Kenntnis der beteiligten Ärzte von einer Vorbehandlung voraussetzten. Durch die Einleitung mit "z. B." würde aber auch Raum für Konstellationen eröffnet, in denen Ärzte Schwangere betreuten, ohne Kenntnis von der Vorbehandlung zu haben. Sinn und Zweck des Abrechnungsausschlusses sei es, demjenigen Vertragsarzt die Vergütung zukommen zu lassen, der die Schwangere in dem Quartal tatsächlich betreut habe. In diese Zielrichtung füge sich auch die mit Wirkung zum 1.4.2005 vorgenommene Ergänzung des Klammerzusatzes um "im Notfall" ein, da ein solcher wie die Mitbehandlung und die Vertretung keine umfassende Betreuung der Schwangeren darstelle. Es sei damit eindeutig, dass mehrere Ärzte die Nr 01770 EBM-Ä abrechnen dürften, wenn sie den Leistungsinhalt erbracht, also die Schwangere betreut, hätten. Im Ergebnis seien zwei Konstellationen denkbar, in denen ein Arzt - neben dem ursprünglich die Betreuung durchführenden Arzt - die Betreuung mit allen Leistungen im Sinne der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: des Gemeinsamen Bundesausschusses ) über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung (Mutterschafts-Richtlinien) durchführe: Dies könne zum einen der Fall sein, wenn die Schwangere im laufenden Quartal den betreuenden Arzt vollständig wechsele. Zum anderen könne dies auch der Fall sein, wenn sich der die Betreuung durchführende Vertragsarzt in Unkenntnis darüber befinde, dass die Schwangere im selben Quartal bereits von einem anderen Arzt betreut worden sei. Diese beiden Fälle von der Abrechnungsmöglichkeit der Nr 01770 EBM-Ä auszuschließen, sei mit der Entstehungsgeschichte der aus der Nr 100 EBM-Ä in der ab dem 1.7.1997 geltenden Fassung hervorgegangenen Leistungsposition nicht vereinbar. Es sei nicht Sinn des Leistungsausschlusses gewesen, die Problematik einer mehrfachen Durchführung der Leistungen in der Weise zu Lasten der Vertragsärzte zu lösen, dass diese ihre Leistungen nicht vergütet bekämen.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Mainz vom 26.2.2014 aufzuheben und die Klage der Klägerin gegen die Bescheide vom 3.11.2009, vom 25.1.2010 und vom 25.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2012 abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Klägerin hält das Urteil des SG für zutreffend. Der Wortlaut der Nr 01770 EBM-Ä sei eindeutig. Satz 1 des dritten Absatzes dieser Ziffer sehe einen ausnahmslosen Ausschluss der Mehrfachabrechnung vor. Dieser Grundsatz werde durch Satz 2 des dritten Absatzes nur konkretisiert, nicht aber beschränkt. Hätten hier Ausnahmen, etwa für den Fall eines Arztwechsels, vorgesehen werden sollen, hätte es insbesondere angesichts der Rechtsprechung des BSG nahe gelegen, dass diese ausdrücklich aufgeführt worden wären. Entgegen der Ansicht der Beklagten komme es nicht darauf an, ob der "Zweitbehandler" Kenntnis von einer Vorbehandlung gehabt habe. Im Übrigen könne auch der entstehungsgeschichtlichen Auslegung der Beklagten nicht gefolgt werden. Selbst wenn die Begründung der Gebührenordnungskommission zur Auslegung herangezogen werden könnte, ließe sich hieraus nicht ableiten, dass es Ausnahmen von dem Abrechnungsausschluss geben müsse. Vielmehr habe ausweislich der Begründung "unmissverständlich" klargestellt werden sollen, dass die pauschal vergütete Betreuung der Schwangeren nur einmal abgerechnet werden könne. Aus der Ergänzung des Klammerzusatzes um den Notfall werde zudem ersichtlich, dass der BewA keine Kenntnis von der Betreuung durch einen anderen Vertragsarzt habe fordern wollen, da gerade der Notfall eine klassische Fallgestaltung sei, in der eine solche nicht bestehe. Soweit die Beklagte schließlich darauf abstelle, dass maßgeblich sei, ob eine ordnungsgemäße Betreuung entsprechend der Mutterschafts-Richtlinien stattgefunden habe, verkenne sie, dass Nr 01770 EBM-Ä wie jede andere Ziffer des EBM-Ä ohnehin nur dann abrechnungsfähig sei, wenn der in ihr beschriebene Leistungsinhalt komplett erbracht worden sei. Würde die Auffassung der Beklagten zu Grunde gelegt, wäre der Leistungsausschluss insgesamt überflüssig.

9

Die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Bundesvereinigung (KÄBV) ist der Auffassung, dass sich bereits aus dem Wortlaut von Satz 2 des dritten Absatzes der Leistungsziffer, namentlich dem Klammerzusatz, ergebe, dass der Abrechnungsausschluss nur dann greife, wenn sich der Vertragsarzt bewusst gewesen sei, dass die Versicherte keinen Anspruch auf eine weitere Betreuung gehabt habe. Bestätigt werde dies durch die Hintergründe des Leistungsausschlusses. Aus der Begründung des Vorschlags der Gebührenordnungskommission ergebe sich, dass die Abrechnung der Leistungsziffer nur möglich sein solle, wenn die Betreuung in ihrer ganzen Bandbreite erfolgt sei. Dies sei in den in dem Klammerzusatz aufgeführten Fällen nicht der Fall. Dass im Falle einer bewussten Zweitbehandlung die Abrechnung der Leistungsziffer nicht möglich sei, ergebe sich bereits daraus, dass die Versicherte keine Zweitbetreuung beanspruchen dürfe. Für den Arzt, der Kenntnis von der vorangehenden Betreuung habe, sei die Erbringung der Leistungen folglich erkennbar unwirtschaftlich. Etwas anderes gelte nur in den beiden von der Beklagten genannten Konstellationen: Im Falle eines gewillkürten Wechsels des Vertragsarztes durch die Versicherte müssten sowohl der "alte" wie aber der "neue" Arzt die Pauschale abrechnen können. In der zweiten Konstellation, dass der Vertragsarzt keine Kenntnis von der Zweitbetreuung habe, handele es sich aus dessen Sicht nicht um eine unwirtschaftliche Leistungserbringung. In beiden Fällen würden Leistungen nach den Vorgaben der Mutterschafts-Richtlinien erbracht. Es sei daher unbillig, wenn die Abrechnung der Nr 01770 EBM-Ä in diesen Fällen nicht erfolgen könne. Im Übrigen sprächen auch verfassungsrechtliche Erwägungen für ihre Auffassung. Das Verständnis des SG zu Grunde gelegt, sei der Abrechnungsausschluss unverhältnismäßig. Zumindest, wenn für den Vertragsarzt nicht ersichtlich sei, dass die Versicherte anderweitig betreut werde, ergebe sich sowohl aus Art 12 GG als auch aus Art 20 GG die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Nr 01770 EBM-Ä. Es sei nicht erforderlich, dem Vertragsarzt das Risiko der unberechtigten Inanspruchnahme und damit der Abrechenbarkeit der Leistungsziffer aufzuerlegen. Hier sei die Sanktionierung der Schwangeren als milderes Mittel anzusehen, wenn sie den Vertragsarzt in Unkenntnis darüber lasse, dass sie einen zweiten Arzt zur Betreuung in Anspruch nehme. Zudem sei es unverhältnismäßig im engeren Sinne, wenn die Abrechenbarkeit der Leistungsziffer auch bei unbewusster Mitbetreuung ausscheide.

10

Der zu 2. beigeladene GKV-Spitzenverband erachtet das Urteil des SG als zutreffend. Nr 01770 EBM-Ä sei eindeutig formuliert und damit nach der Rechtsprechung des BSG weder auslegungsbedürftig noch -fähig. Für eine systematische oder entstehungsgeschichtliche Auslegung sei folglich kein Raum. Bei der seitens der Beklagten herangezogenen Begründung der Gebührenordnungskommission habe es sich lediglich um eine solche des die Beschlussfassung im BewA vorbereitenden Arbeitsausschusses gehandelt. Zudem habe danach unmissverständlich klargestellt werden sollen, dass die pauschal vergütete Betreuung einer Schwangeren nur einmal abgerechnet werden könne.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der beklagten KÄV hat keinen Erfolg. Das SG hat die Bescheide der Beklagten über die Verweigerung von Honorarberichtigungen zu Recht aufgehoben und die Beklagte zur neuen Entscheidung über die Berichtigungsanträge der klagenden Krankenkasse verpflichtet.

12

A. Der Senat entscheidet - wie das SG - in der sich aus § 40 Satz 1, § 33 Abs 1 Satz 2 und § 12 Abs 3 Satz 1 SGG ergebenden Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und der Krankenkassen. In der vorliegenden Konstellation ist zwischen einer Krankenkasse und einer KÄV streitig, ob Vertragsärzte eine Leistungsposition des EBM-Ä zutreffend angesetzt haben. Zwar stammen die in diesem Verfahren beklagten Bescheide vom Vorstand der Beklagten, also einem Gremium, das nur mit Vertragsärzten besetzt ist. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, in einer solchen Konstellation sei in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte zu entscheiden, weil die Ausgangsentscheidung nur von einem mit Ärzten besetzten Gremium getroffen worden sei. Streitgegenstand ist hier der auf § 106a Abs 4 SGB V sowie den Vorschriften der Bundesmantelverträge beruhende Anspruch der Krankenkasse, dass die beklagte KÄV für die Korrektheit der Abrechnungen der Vertragsärzte sorgt. Dieser Streit wurzelt in den Rechtsbeziehungen zwischen einer Krankenkasse und der KÄV, was zur Folge hat, dass an dem Rechtsstreit zwei ehrenamtliche Richter je aus den Kreisen der Vertragsärzte und der Krankenkasse mitwirken müssen (vgl auch Urteil vom 13.5.1998 - B 6 KA 34/97 R - SozR 3-5555 § 10 Nr 1 und vom 28.4.2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 5, jeweils zum Vertragszahnarztrecht). Das kann zur Folge haben, dass über die Rechtsmäßigkeit von Honorarberichtigungen in unterschiedlichen Besetzungen der Richterbank iS des § 12 Abs 3 SGG zu entscheiden ist, je nachdem, ob die KÄV einem Berichtigungsantrag der Krankenkasse entspricht oder nicht. Kommt sie dem Antrag nach und erlässt gegenüber dem betroffenen Arzt einen entsprechenden Bescheid, ist über die Klage des Arztes gegen diesen Berichtigungsbescheid in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte zu entscheiden. Die Abhängigkeit der Besetzung der Richterbank vom Streitgegenstand - Rechtsverhältnis der KÄV zur Krankenkasse oder zu ihrem Mitglied - gilt auch dann, wenn die betroffenen Ärzte zum Verfahren der Krankenkasse gegen die KÄV oder die Krankenkasse zum Rechtsstreit des Arztes gegen die KÄV (einfach) beigeladen wurden (dazu B.).

13

B. Die von dem Richtigstellungsbegehren mitbetroffenen Vertragsärzte, die in dem Antrag der Klägerin nicht namentlich benannt worden sind, mussten im Revisionsverfahren nicht beigeladen werden. Ein Fall der - im Revisionsverfahren nach § 168 Satz 2 SGG allein zulässigen - notwendigen Beiladung(§ 75 Abs 2 SGG) liegt nicht vor. Im Hinblick auf die Besonderheit der extrabudgetär nach den Grundsätzen einer echten Einzelleistungsvergütung zu honorierenden Leistung nach Nr 01770 EBM-Ä gehen die Beteiligten davon aus, dass der Berichtigungsanspruch der Klägerin allein davon abhängt, dass diese Leistung zu Unrecht abgerechnet worden ist. Steht das fest, lässt sich ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte beziffern, dessen Durchsetzung nicht von der Bestandskraft eines von der Beklagten gegenüber den einzelnen Vertragsärzten zu erlassenden Berichtigungsbescheids abhängt. Deshalb präjudiziert die hier betroffene Entscheidung im Rechtsverhältnis zwischen Kasse und KÄV nicht die Entscheidung im Rechtsverhältnis zwischen der beklagten KÄV und den Ärzten, die die Position Nr 01770 EBM-Ä abgerechnet haben (vgl zum Vertragszahnarztrecht bei Einzelleistungsvergütung SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 5). Da indessen in beiden Rechtsbeziehungen im Kern über die gleiche Rechtsfrage zu entscheiden ist, kann die einfache Beiladung (§ 75 Abs 1 SGG) der mitbetroffenen Ärzte sinnvoll sein, soweit dies nicht im Hinblick auf die uU große Zahl der Betroffenen untunlich ist.

14

C. Die Klägerin hat im ersten Rechtszug eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben. Das beruht auf dem in § 106a Abs 4 Satz 1 SGB V geregelten Recht der Krankenkassen, bei der KÄV ua Prüfungen der sachlichen Richtigkeit der vertragsärztlichen Abrechnungen iS des § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V zu beantragen. Die Klägerin hat sich hier auf einen Bescheidungsantrag beschränkt, auch weil nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten im Hinblick auf die Vergütung der Leistungen nach Nr 01770 EBM-Ä als Einzelleistung zu festen Punktwerten allein mit der rechtskräftigen Feststellung einer fehlerhaften Abrechnung ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten besteht. Wie zu verfahren ist, wenn ein Erstattungsanspruch der Krankenkassen nur begründet ist, wenn die KÄV die Honorarberichtigung und die darauf beruhende Rückforderung überzahlten Honorars gegenüber dem einzelnen Vertragsarzt durchsetzen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Anders als die Durchsetzung des hier in Rede stehenden Rückzahlungsanspruchs der Krankenkasse gegen die KÄV hängt die Rechtmäßigkeit von Honorarberichtigungen im Rechtsverhältnis zwischen KÄV und Vertragsarzt nicht allein von der sachlichen Fehlerhaftigkeit der Abrechnung nach § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V, sondern auch davon ab, dass die hierfür geltende vierjährige Ausschlussfrist noch nicht abgelaufen ist(vgl nur BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 12 RdNr 24 mwN) und Vertrauensschutzgesichtspunkte der Berichtigung nicht entgegenstehen (vgl hierzu jüngst BSG Urteil vom 13.8.2014 - B 6 KA 38/13 R - Juris RdNr 20 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die Krankenkassen haben ungeachtet dessen jedenfalls im Regelfall ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn sie klären lassen wollen, ob Vertragsärzte die Leistungspositionen des EBM-Ä korrekt angewandt haben (vgl zB LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 16.7.2014 - L 9 KA 12/12 - Juris RdNr 37 = GesR 2014, 691, 693 und SG Marburg Urteil vom 3.9.2014 - S 11 KA 718/11 - Juris RdNr 20, 24).

15

D. Die Beklagte war befugt, den Antrag der Klägerin durch Verwaltungsakt zu bescheiden (1.), diesen Antrag hat die Klägerin fristgerecht gestellt (2.), die Beklagte hat jedoch die Durchführung der sachlich-rechnerischen Berichtigung zu Unrecht abgelehnt (3.).

16

1. Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte befugt war, gegenüber der Klägerin durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Es entspricht langjähriger Rechtsprechung des Senats, dass Kassenzahnärztliche Vereinigungen (KZÄV) trotz des prinzipiellen Gleichordnungsverhältnisses zu den Kassen bei der Feststellung von Schadensregressen und der Durchführung von sachlich-rechnerischen Abrechnungsberichtigungen einer antragstellenden Kasse gegenüber durch Verwaltungsakt entscheiden. Maßgeblich ist insoweit, dass die KZÄV nach den bundesmantelvertraglichen Regelungen die allgemeine Vertragsinstanz ist, der (auch) die Feststellung obliegt, ob Vertragszahnärzte ihre vertragszahnärztlichen Pflichten verletzt und dadurch der betroffenen Krankenkasse des Versicherten einen Schaden verursacht haben (BSG SozR 3-5555 § 12 Nr 1 S 3; BSG SozR 3-5555 § 12 Nr 2 S 8; BSG SozR 3-5555 § 12 Nr 3 S 13, jeweils im Hinblick auf die Befugnis der KZÄV, Schadensersatzansprüche einer Vertragskasse gegen den Vertragszahnarzt wegen Verletzung von Pflichten aus dem Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte durch Verwaltungsakt geltend zu machen). Die entsprechende Handlungsbefugnis der KZÄV bei einem Streit um sachlich-rechnerische Honorarberichtigungen hat der Senat ebenso bejaht (BSG SozR 4-5555 § 21 Nr 2 RdNr 16 ff)wie im Falle von Anträgen der (Ersatz-)Kassen gegenüber der KZÄV auf Erstattung von Gutachterkosten im Rahmen zahnprothetischer Versorgung (BSG Urteil vom 13.8.2014 - B 6 KA 46/13 R - Juris RdNr 13, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen und Urteil vom 13.8.2014 - B 6 KA 5/14 R - Juris RdNr 15).

17

Für Anträge einer Krankenkasse gegenüber einer KÄV gilt nichts anderes. Der KÄV steht, ebenso wie der KZÄV, nach § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V die Honorarprüfungs- und Berichtigungskompetenz zu. Die Krankenkassen können gemäß § 106a Abs 4 Satz 1 SGB V Prüfungen nach § 106a Abs 2 SGB V bei den KÄVen beantragen. Dementsprechend ist die KÄV auch nach den bundesmantelvertraglichen Regelungen die allgemeine Vertragsinstanz im vorgenannten Sinne und die Krankenkassen haben nur ein Antragsrecht für nachgehende sachlich-rechnerische Berichtigungen (vgl § 45 Abs 4 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte idF vom 1.10.2013, dieser entspricht § 45 Abs 2 Satz 2 BMV-Ä, Stand: 2.3.2006). Dazu regeln gemäß § 45 Abs 4 Satz 2 BMV-Ä die zwischen den Landesverbänden der Kassen und den KÄVen gemäß § 83 Abs 1 SGB V zu schließenden Gesamtverträge das Nähere. Hier haben die Beteiligten in § 10 des zwischen ihnen geschlossenen Gesamtvertrages eine entsprechende Regelung getroffen und sind dabei erkennbar selbst davon ausgegangen, dass die Beklagte in Fällen der vorliegenden Art gegenüber der Klägerin durch Verwaltungsakt handeln darf. Deutlich wird dies in § 10 Abs 6 Satz 3 des Gesamtvertrages, wonach die Krankenkasse "gegen einen ablehnenden Bescheid" Klage erheben kann. Ebenso wie im vertragszahnärztlichen Bereich ist zwar zu berücksichtigen, dass die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und KÄV einerseits und KÄV und Vertragsarzt andererseits grundsätzlich getrennt sind. Gleichwohl geht es bei Anträgen der Kassen auf sachlich-rechnerische Richtigstellung und bei den die sachlich-rechnerische Korrektur festsetzenden Bescheiden der KÄV gegenüber dem Vertragsarzt der Sache nach vorrangig um dieselbe Frage, ob die vertragsärztliche Abrechnung Fehler aufweist (vgl im Hinblick auf Berichtigungen im vertragszahnärztlichen Bereich: BSG SozR 4-5555 § 21 Nr 2 RdNr 20). Diese Frage kann in beiden Rechtsbeziehungen nur einheitlich beantwortet werden, und Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften sind deshalb an dem Zweck auszurichten, eine solche einheitliche Entscheidung zu ermöglichen. Das wird verlässlich und rechtssicher dadurch erreicht, dass die KÄV auf einen Antrag einer Krankenkasse auf sachlich-rechnerische Berichtigung dieser wie gegebenenfalls dem Vertragsarzt gegenüber durch Verwaltungsakt entscheidet.

18

2. Die Klägerin hat den Antrag auf sachlich-rechnerische Korrektur fristgerecht gestellt. Gemäß § 10 Abs 4 des zwischen den Beteiligten geschlossenen Gesamtvertrages sind Berichtigungen binnen drei Monaten, in begründeten Ausnahmefällen binnen sechs Monaten, nach Zugang der Abrechnungsunterlagen geltend zu machen. Die Klägerin hat den Antrag auf sachlich-rechnerische Korrektur für das Quartal II/2007 mit Schreiben vom 29.11.2007 gestellt. Ausweislich der Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG ging dieser Antrag am 3.12.2007 bei der Beklagten ein.

19

3. Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte die Durchführung der sachlich-rechnerischen Berichtigung zu Unrecht abgelehnt hat.

20

a) Gemäß § 106a Abs 1 SGB V prüfen die KÄVen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung. Aufgrund von § 106a Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V ist die Beklagte berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen und diese nötigenfalls richtigzustellen. Die Krankenkassen oder ihre Verbände können, sofern dazu Veranlassung besteht, gezielte Prüfungen durch die KÄV nach Absatz 2 beantragen (§ 106a Abs 4 Satz 1 SGB V). Hier hat die Beklagte die Prüfung der ärztlichen Abrechnungen rechtswidrig abgelehnt. Die Leistung nach Nr 01770 EBM-Ä kann je Schwangerer und Quartal auch dann nur von einem Vertragsarzt abgerechnet werden, wenn mehrere Vertragsärzte - gleich aus welchem Grund - mit der Betreuung befasst sind.

21

b) Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl etwa BSG SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 4 mwN; BSGE 88, 126, 127 = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 146; BSG SozR 4-5540 § 44 Nr 1 RdNr 13; BSG Beschluss vom 12.12.2012 - B 6 KA 31/12 B - Juris RdNr 4; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 28 RdNr 11) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM-Ä - also des BewA gemäß § 87 Abs 1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen(etwa BSG SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 4; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 28 RdNr 11). Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse oder Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 28 RdNr 11). Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist nur dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (etwa BSG SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 4 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11 und Nr 10 RdNr 10, jeweils mwN; BSG SozR 4-5540 § 44 Nr 1 RdNr 13; BSG Beschluss vom 12.12.2012 - B 6 KA 31/12 B - Juris RdNr 4; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 28 RdNr 11).

22

Der Wortlaut der Nr 01770 EBM-Ä ist weder unklar oder mehrdeutig (1), noch rechtfertigen ein Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte (2) oder Systematik (3) ein anderes Ergebnis. Es liegt auch kein Fall eines Missbrauchs vor, der eine Ausnahme von den vorgenannten Grundsätzen rechtfertigen könnte (4). Schließlich führt der Abrechnungsausschluss auch nicht dazu, dass erbrachte Leistungen nicht angemessen vergütet würden (5).

23

(1) Der Wortlaut der Nr 01770 EBM-Ä ist weder unklar noch mehrdeutig, sondern lässt deutlich erkennen, dass diese Position nicht von mehreren Ärzten je Quartal für die Betreuung einer Schwangeren abgerechnet werden kann. Für die Auffassung der Beklagten, wonach eine Ausnahme vom Prinzip der (nur) einmaligen Abrechenbarkeit in den Fällen bestehe, in denen die Schwangere während des laufenden Quartals den behandelnden Arzt wechsele, und auch dann, wenn der zweite Vertragsarzt in Unkenntnis der Betreuung durch den ersten Arzt tätig geworden sei, ergibt sich aus dem Wortlaut nichts.

24

Nr 01770 EBM-Ä lautete im Quartal II/2007 wie folgt:
Betreuung einer Schwangeren gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung (Mutterschafts-Richtlinien)
Obligater Leistungsinhalt
- Beratungen und Untersuchungen gemäß den Mutterschafts-Richtlinien,
- Ultraschalluntersuchungen nach Anlage 1a und 1b der Mutterschafts-Richtlinien,
- Bilddokumentation(en),
einmal im Behandlungsfall.
Die Berechnung der Leistung nach der Nr. 01770 setzt eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung nach der Ultraschall-Vereinbarung gemäß § 135 Abs. 2 SGB V voraus.
Die Leistung nach der Nr. 01770 kann für die Betreuung einer Schwangeren im Laufe eines Quartals nur von einem Vertragsarzt abgerechnet werden. Dies gilt auch, wenn mehrere Vertragsärzte in die Betreuung der Schwangeren eingebunden sind (z. B. bei Vertretung, im Notfall oder bei Mit- bzw. Weiterbehandlung).
Die Leistung nach der Nr. 01770 ist im Behandlungsfall nicht neben den Leistungen nach den Nrn. 33043 und 33044 berechnungsfähig.

25

Nach dem Wortlaut von Abs 3 Satz 1 der Nr 01770 EBM-Ä kann die Leistungsziffer "nur von einem Vertragsarzt" berechnet werden. Hieraus ergibt sich nicht nur, dass allein "ein Vertragsarzt" die Ziffer je Quartal und Schwangerer abrechnen kann, sondern durch die zusätzliche Verwendung des Wortes "nur" wird diese Beschränkung besonders betont.

26

Unklarheiten werden auch durch Abs 3 Satz 2 der Nr 01770 EBM-Ä nicht hervorgerufen. Satz 2 schränkt die Abrechnungsbeschränkung nach Satz 1 - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht ein. Vielmehr betont Satz 2 die Aussage von Satz 1 und verdeutlicht durch die Verwendung des Wortes "auch", dass die Abrechnungsbeschränkung sogar dann gelten soll, wenn mehrere Vertragsärzte in die Betreuung eingebunden sind. Satz 2 stellt somit eine Konkretisierung von Satz 1 dar. Ergänzend enthält der Klammerzusatz zu Satz 2 eine - wie durch die Verwendung der Formulierung "z. B." zum Ausdruck kommt - nicht abschließende Auflistung von Fällen der Einbindung mehrerer Vertragsärzte in die Betreuung, in denen ausdrücklich dennoch nur eine einmalige Abrechnung der Nr 01770 EBM-Ä je Quartal und schwangerer Frau erfolgen darf. Dies sind neben der Vertretung und dem Notfall namentlich die Fälle der Mit- oder Weiterbehandlung. Hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur die eher punktuelle Einbindung in die Betreuung wie etwa im Falle der Vertretung oder des Notfalls die mehrfache Abrechnung der Nr 01770 EBM-Ä ausschließt, sondern dies auch dann gelten soll, wenn - wie bei der Mit- oder Weiterbehandlung - durch den weiteren Arzt uU längerfristig eine Betreuung der Schwangeren erfolgt.

27

Der EBM-Ä definiert zwar die Begriffe "Mitbehandlung" und "Weiterbehandlung" nicht. Dem Sprachgebrauch nach ist jedoch unter einer "Weiterbehandlung" eine "weitere, die bisherige Behandlung fortsetzende Behandlung" zu verstehen. Nach § 24 Abs 7 Nr 4 BMV-Ä idF vom 1.10.2013 (dieser entspricht § 24 Abs 7 Nr 4 BMV-Ä, Stand: 2.3.2006) wird bei einer Überweisung zur Weiterbehandlung die gesamte diagnostische und therapeutische Tätigkeit dem weiterbehandelnden Vertragsarzt übertragen (§ 24 Abs 7 Nr 4 BMV-Ä). Demgegenüber erfolgt eine Überweisung zur Mitbehandlung nach § 24 Abs 7 Nr 3 BMV-Ä idF vom 1.10.2013 zur gebietsbezogenen Erbringung begleitender oder ergänzender diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen, über deren Art und Umfang der Vertragsarzt entscheidet, an den überwiesen wurde. Im letztgenannten Fall einer Mitbehandlung behandelt der zunächst tätig werdende Arzt den Patienten folglich auch weiterhin, während im Falle einer Weiterbehandlung künftig ausschließlich derjenige Arzt tätig wird, der die weitere Behandlung übernimmt. Durch die ausdrückliche Nennung der Weiterbehandlung kommt zum Ausdruck, dass eine mehrfache Abrechnung von Nr 01770 EBM-Ä auch in den einer Weiterbehandlung vergleichbaren Fällen ausgeschlossen sein soll, in denen die Betreuung der Schwangeren durch mehrere zeitlich nacheinander tätig werdende Vertragsärzte erfolgt.

28

Deutlich wird vor diesem Hintergrund zugleich, dass die Auffassung der Beklagten, der Abrechnungsausschluss gelte nicht für mehrere eigenständige "Betreuungen", nicht in Einklang mit dem Wortlaut der Regelung steht (aA allerdings ohne Begründung Köhler/Hess, Kölner Kommentar zum EBM, Stand: 1.10.2013, zu Nr 01770 S 122; so im Anschluss daran - allerdings ebenfalls ohne nähere Begründung - wohl auch Bayerisches LSG Beschluss vom 30.7.2009 - L 12 B 1074/08 KA ER - Juris RdNr 20). Durch die Beispiele in dem Klammerzusatz zu Satz 2 wird klargestellt, dass auch etwa der Weiterbehandlung vergleichbare Fälle, in denen also nacheinander von mehreren Ärzten der Leistungsinhalt der Nr 01770 EBM-Ä erbracht wird, von dem Abrechnungsausschluss erfasst sein sollen. Dabei handelt es sich indes gerade um "mehrere Betreuungen" im Sinne der Auffassung der Beklagten. Insoweit kann auch aus der Formulierung "eingebunden" in Abs 3 Satz 2 der Regelung nichts anderes abgeleitet werden, da Einbindung nicht meinen kann, dass die Betreuung - verstanden als Erbringung des Leistungsinhalts - durch mehrere Vertragsärzte erfolgen kann. Ein anderes Ergebnis wäre widersprüchlich. Um Nr 01770 EBM-Ä abrechnen zu können, muss, wie bei jeder Leistungsziffer des EBM-Ä, grundsätzlich der vollständige Leistungsinhalt durch den Vertragsarzt erfüllt werden. Der Hinweis in Satz 2 hat somit von vornherein nur Bedeutung, wenn die angesprochenen "mehreren Vertragsärzte" jeweils den gesamten Leistungsinhalt erbracht haben. Insoweit bestehen erhebliche Zweifel, ob dies im Rahmen eines Notfalls oder einer Vertretung möglich ist, da in Nr 01770 EBM-Ä gerade keine Einzelleistung, sondern ein umfassender Leistungskomplex beschrieben wird. Dies führt allerdings nicht dazu, dass die Formulierung "Betreuung" in Satz 1 aufgrund einer Zusammenschau mit Satz 2, insbesondere aufgrund des Klammerzusatzes, so - wie von der Beklagten vorgeschlagen - zu verstehen wäre, dass "mehrere Betreuungen" in einem Quartal die mehrfache Abrechnung der Leistungsziffer auslösen könnten. Dieses Verständnis zu Grunde gelegt, wäre Abs 3 der Nr 01770 EBM-Ä, worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat, vielmehr insgesamt überflüssig. Ausreichend wäre in diesem Fall der in Abs 1 enthaltene Verweis auf die einmalige Abrechenbarkeit im Behandlungsfall (zur Definition des Behandlungsfalles s § 21 Abs 1 BMV-Ä).

29

Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich dem Wortlaut von Nr 01770 Abs 3 Satz 2 EBM-Ä auch nicht entnehmen, dass Voraussetzung für den Abrechnungsausschluss die Kenntnis des die Behandlung übernehmenden Arztes von der Vorbehandlung sei, mit der Folge, dass dieser nicht greife, wenn der weitere Vertragsarzt hiervon keine Kenntnis habe. Der Leistungslegende ist kein derartiges Wissenselement zu entnehmen. Durch die Verwendung der Formulierung "z. B." in dem Klammerzusatz wird vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass auch andere Formen der Betreuung durch mehrere Vertragsärzte erfasst sein sollen. Hätten solche Betreuungen, die in Unkenntnis der "Vor-" oder Mitbetreuung erfolgen, von dem Abrechnungsverbot ausgenommen werden sollen, hätte es eines entsprechenden Zusatzes bedurft. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der eingangs erläuterten Rechtsprechungsgrundsätze zur Auslegung der Gebührenordnung, die sowohl zum Zeitpunkt der Beschränkung der Abrechenbarkeit der damaligen Nr 100 EBM-Ä (der heutigen Nr 01770 EBM-Ä) zum Quartal III/1996 auf einmal je Behandlungsfall als auch insbesondere zum Zeitpunkt der Formulierung des im Wesentlichen (später wurde mit Wirkung zum Quartal II/2005 nur noch der Klammerzusatz um den "Notfall" ergänzt) heute noch geltenden Abs 3 zum Quartal III/1997 bereits etabliert und den Normgebern des EBM-Ä nach § 87 Abs 1 SGB V folglich bekannt waren(vgl nur bereits BSGE 46, 140, 143 = SozR 5533 Nr 45 Nr 1 S 4 mwN).

30

(2) Unabhängig von dem Umstand, dass in Anwendung der eingangs genannten Grundsätze wegen des eindeutigen Wortlauts kein Raum mehr für eine entstehungsgeschichtliche Auslegung ist, würde eine solche zu keinem anderen Ergebnis führen. Insoweit kann auch offenbleiben, ob die Begründung des Arbeitsausschusses des BewA aus dessen 138. Sitzung vom 18.2.1997 zu der Ergänzung von Nr 100 EBM-Ä um Abs 3 überhaupt im Sinne der eingangs genannten Rechtsprechung des Senats als "Dokument, in dem die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben" angesehen werden und damit zu einer entstehungsgeschichtlichen Auslegung herangezogen werden kann. Vorgenannter Begründung ist zu entnehmen, dass Nr 100 EBM-Ä bei Einführung der Praxisbudgets zum 1.7.1997 als nicht budgetierte Einzelleistung berechnungsfähig blieb. "Deswegen" sollte "unmissverständlich klargestellt werden, dass die pauschal vergütete Betreuung einer Schwangeren jeweils nur von dem die Schwangere betreuenden Arzt abgerechnet werden kann." Bis dato sei es häufig zu Fehlinterpretationen, insbesondere bei Mit- oder Weiterbehandlungen, gekommen.

31

Weil gerade die erwähnten Fehlinterpretationen vermieden werden sollten, wird erkennbar, dass durch den in Abs 3 Satz 2 der Regelung normierten Klammerzusatz gerade keine Einschränkung von Abs 3 Satz 1, sondern vielmehr eine Klarstellung im bereits aufgezeigten Sinn erreicht werden sollte. Unterstützt wird damit die sich aus dem Wortlaut ergebende Auslegung, wonach Satz 2 der Betonung und Verdeutlichung der in Satz 1 genannten Aussage dienen soll. Zudem ergibt sich aus dem ersten Teil der Begründung, wonach "unmissverständlich" die nur einmalige Abrechenbarkeit der damaligen Nr 100 EBM-Ä (aF) klargestellt werden sollte, dass dies ausnahmslos gelten soll. Deutlich wird diese Intention auch durch den Verweis darauf, dass Nr 100 EBM-Ä (aF) bei Einführung der Praxisbudgets als nicht in ein Budget einbezogene Einzelleistung berechnungsfähig bleiben und "deswegen" die Klarstellung erfolgen sollte. Die Privilegierung, die die Leistungen aufgrund der nicht erfolgten Budgetierung erfahren, sollte erkennbar nur einem Vertragsarzt zukommen. Das war und ist im Hinblick auf den Charakter der Leistung nach Nr 01770 EBM-Ä sachgerecht.

32

Zum Leistungsinhalt gehören neben Beratungen und Untersuchungen gemäß den Mutterschafts-Richtlinien, Ultraschalluntersuchungen nach Anlage 1a und 1b der Mutterschafts-Richtlinien sowie Bilddokumentation(en). In Teil A der Mutterschafts-Richtlinien (idF vom 10.12.1985, zuletzt geändert am 24.3.2003, BAnz Nr 126 vom 11.7.2003 S 14906, in Kraft getreten am 12.7.2003) sind die "Untersuchungen und Beratungen" während der Schwangerschaft näher konkretisiert. Insbesondere handelt es sich dabei um eine umfassende Anamnese (Familien-, Eigen-, Schwangerschafts- sowie Arbeits- und Sozialanamnese, Nr 2a), eine Allgemein- und gynäkologische Untersuchung (Nr 2b), Gewichtskontrolle, Blutdruckmessung, Untersuchung des Mittelstrahlurins auf Eiweiß, Zucker und Sediment, Hämoglobinbestimmung (im Regelfall ab dem 6. Monat), Kontrolle des Standes der Gebärmutter, der kindlichen Herzaktion, Feststellung der Lage des Kindes (Nr 4) und ein Ultraschallscreening entsprechend der Anlage 1a (Nr 5). Ergeben sich aus dem Screening auffällige Befunde, insbesondere bei den in Anlage 1b aufgeführten Indikationen, sind diese Kontroll-Untersuchungen auch außerhalb der vorgegebenen Untersuchungszeiträume als Bestandteil des Screenings durchzuführen (ebenfalls Nr 5). Nr 100 EBM-Ä stellte demnach eine Pauschale dar, durch die der standardisierte, in der Regel bei allen Schwangeren zu erbringende "Aufwand" in Form von Untersuchungen und Beratungen, die gesamte Dokumentation sowie die Standardlabordiagnostik (vgl auch Köhler/Hess, Kölner Kommentar zum EBM, Stand: 1.10.2013, zu Nr 01770 S 120) als Leistungen der Prävention insgesamt abgegolten werden soll. Diese ist insoweit aber "privilegiert", als dass sie als nicht budgetierte Leistung und zudem - aufgrund der Erfassung mehrerer Leistungen mit der Komplexvergütung - mit einer verhältnismäßig hohen Punktzahl vergütet werden sollte (zunächst war Nr 100 EBM-Ä mit 1850 Punkten, im streitgegenständlichen Quartal war die Nr 01770 EBM-Ä mit 2280 Punkten bewertet; aktuell sind nur noch 1093 Punkte vorgesehen). Der Umstand, dass "deswegen" die unmissverständliche Klarstellung der nur einmal möglichen Abrechenbarkeit erfolgen sollte, lässt erkennen, dass hier gerade aufgrund der vorgenannten "Privilegierung" eine Fallvermehrung durch Einbindung weiterer Vertragsärzte in die Grundbetreuung der Schwangeren vermieden und über die Vergütung sichergestellt werden sollte, dass die Leistungserbringung allein durch einen Vertragsarzt erfolgt.

33

(3) Auch eine systematische Auslegung würde ebenfalls nicht zu dem Ergebnis führen, dass in bestimmten Konstellationen eine Mehrfachabrechnung der Nr 01770 EBM-Ä möglich ist. Wegen der bereits erwähnten gebotenen Zurückhaltung der Gerichte bei der Auslegung von Gebührenordnungen kann eine systematische Interpretation lediglich im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen erfolgen (BSG SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 4 mwN).

34

Die in einem inneren Zusammenhang mit Nr 01770 EBM-Ä stehenden Ziffern des Kapitels 1.7.4 (Mutterschaftsvorsorge) liefern keine Hinweise für eine systematische Auslegung mit dem von der Beklagten für richtig gehaltenen Ergebnis. Die nachfolgenden Nrn 01772 bis 01775 EBM-Ä haben die weiterführenden Sonographien nach Anlagen 1c und 1d der Mutterschafts-Richtlinien zum Gegenstand, die über die von Nr 01770 EBM-Ä erfassten Untersuchungen hinaus zur Abklärung bestimmter fetaler Merkmale oder konkreter pathologischer Befunde notwendig sind und damit nicht mehr dem standardisierten Bereich zugeordnet werden können. Es handelt sich hierbei folglich weder um der Nr 01770 EBM-Ä vergleichbare Komplexvergütungen noch findet sich eine vergleichbare Abrechnungsbeschränkung. Allein verdeutlicht wird, dass Nr 01770 EBM-Ä in einem Komplex diejenigen Leistungen umfasst, die regelhaft bei jeder Schwangerschaft durchzuführen sind, während andere Untersuchungen, wie etwa die nach Nr 01772 EBM-Ä abrechenbare "weiterführende sonographische Diagnostik I", eigenständig abrechenbar sind. Sind aber die "Grundleistungen" in einem nicht aufteilbaren Komplex zusammengefasst und erstreckt sich die Erbringung dieser Leistungen aufgrund der zeitlichen Vorgaben in den Mutterschafts-Richtlinien zwangsläufig über einen längeren Zeitraum, liegt es auf der Hand, dass dieser Komplex von einem Vertragsarzt erbracht werden soll, der diesen entsprechend nur einmal je Quartal abrechnen können soll.

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(4) Schließlich steht der Auffassung der Beklagten auch der eingangs genannte Grundsatz entgegen, wonach die Gerichte grundsätzlich nicht mit punktuellen Entscheidungen in das Gefüge des EBM-Ä eingreifen dürfen (vgl nur BSG SozR 5530 Allg Nr 1 S 4; BSGE 46, 140, 143 = SozR 5533 Nr 45 Nr 1 S 4; BSGE 58, 35, 37 f = SozR 5557 Nr 1 Nr 1 S 3 f; BSG Urteil vom 5.5.1988 - 6 RKa 13/87 - Juris RdNr 13; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 5 S 22; BSG Beschluss vom 21.10.1992 - 6 BKa 2/92 - Juris RdNr 6; BSGE 83, 205, 208 = SozR 3-2500 § 85 Nr 29 S 214). Ausnahmen davon hat der Senat nur für seltene Fälle als denkbar erachtet, in denen die zur Bewertung der ärztlichen Leistungen berufenen Selbstverwaltungsorgane ihren Regelungsspielraum überschritten oder ihre Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgeübt haben (etwa BSG SozR 5530 Allg Nr 1 S 4; BSG SozR 3-5533 Nr 115 Nr 1 S 2 mwN; BSGE 83, 218, 220 = SozR 3-2500 § 87 Nr 21 S 109 mwN; BSGE 83, 205, 208 = SozR 3-2500 § 85 Nr 29 S 214 f; BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 6 KA 59/98 R - Juris RdNr 18). Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die Selbstverwaltungsorgane bei dem ihnen aufgetragenen Interessenausgleich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen, indem sie etwa eine ärztliche Minderheitsgruppe bei der Honorierung willkürlich benachteiligt haben (BSG SozR 5530 Allg Nr 1 S 4; BSG SozR 3-5533 Nr 115 Nr 1 S 2; BSGE 83, 218, 220 = SozR 3-2500 § 87 Nr 21 S 109 mwN). Ein solcher Verstoß der Regelung gegen das Gleichbehandlungsgebot nach Art 3 Abs 1 GG würde jedoch nicht die Nichtigkeit der Regelung begründen, sondern nur ihre Unvereinbarkeit mit dem GG. Dem Normgeber wäre zunächst Gelegenheit zu einer Neuregelung zu geben, bevor eine abschließende Entscheidung ergehen könnte (ausführlich BSGE 83, 218, 223 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 21 S 113; vgl jüngst auch BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 20 RdNr 46 ff, auch für BSGE vorgesehen).

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Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Zwar führt der Abrechnungsausschluss dazu, dass ein Vertragsarzt, der - gleich aus welchen Gründen - in dem maßgeblichen Quartal den vollständigen Leistungsinhalt erbracht hat, diese umfassende Betreuung aber nicht als erster Vertragsarzt durchgeführt hat, die Leistung nach Nr 01770 EBM-Ä nicht abrechnen kann. Es ist jedoch weder ersichtlich, dass sachfremde Erwägungen maßgebend für den Abrechnungsausschluss gewesen wären noch führt dieser zu der Benachteiligung einer bestimmten ärztlichen Gruppe. Vielmehr sprechen sachliche Gründe dafür, die hoch bewertete Leistung als nur einmal berechnungsfähig auszugestalten. Durch die "Zusammenfassung" standardisierter Maßnahmen, die regelmäßig bei allen Schwangeren nach einem bestimmten zeitlichen Schema durchzuführen sind, will der BewA über die Vergütungsebene sicherstellen, dass die Beurteilung eines Schwangerschaftsrisikos gleichsam aus einer Hand erfolgt und eine gewisse Dauerhaftigkeit der ärztlichen Begleitung sichergestellt ist. Da erst nach Erfassung der anamnestischen Daten und Durchführung standardisierter Untersuchungen, wie der Ultraschalluntersuchungen nach Anlage 1a und 1b Mutterschafts-Richtlinien, die Zuordnung etwa zu einer Risikogruppe möglich ist und so die weitere Betreuung organisiert werden kann, erweist sich dieser Gedanke als sachgerecht. Im Übrigen korrespondiert diese Einschränkung auf Vergütungsebene mit dem Rechtsgedanken des § 76 Abs 1 Satz 1, Abs 3 Satz 1 SGB V, wonach Versicherte zwar grundsätzlich unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern frei wählen können, jedoch innerhalb eines Kalendervierteljahres den Arzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln sollen.

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Durch den Abrechnungsausschluss wird auch nicht eine Minderheitsgruppe benachteiligt. Gemäß Nr 3 der Präambel zu Nr 1.7 EBM-Ä sind die Leistungen ua des Abschnitts 1.7.4 grundsätzlich nur von Fachärzten für Frauenheilkunde berechnungsfähig; die von diesem Grundsatz vorgesehenen Ausnahmen greifen bezüglich Nr 01770 EBM-Ä nicht. Diese dem Grunde nach zur Berechnung der Nr 01770 EBM-Ä berechtigten Fachärzte sind indes gleichermaßen von der Regelung betroffen, da der Abrechnungsausschluss nicht auf die Zugehörigkeit zu einer ärztlichen Gruppe abstellt. Maßgeblich für den Abrechnungsausschluss ist vielmehr, ob der Vertragsarzt als Erster in dem jeweiligen Quartal die Schwangere betreut und den obligaten Leistungsinhalt der Nr 01770 EBM-Ä in dem jeweiligen Quartal erbracht hat; betroffen sind also alle Ärzte der Gruppe in grundsätzlich gleichem Maße.

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Zu berücksichtigen ist schließlich, dass sich der Vertragsarzt vor einer Erbringung der Leistungen in Unkenntnis des Umstandes, dass diese schon durch einen anderen Arzt erbracht sind, jedenfalls in gewissem Umfang durch eine Einsichtnahme in den Mutterpass und die Befragung der Versicherten selbst schützen kann. Gemäß Teil H Nr 1 der Mutterschafts-Richtlinien in der hier maßgeblichen Fassung vom 10.12.1985, zuletzt geändert am 24.3.2003, stellt der Arzt nach Feststellung der Schwangerschaft einen Mutterpass aus, sofern die Schwangere einen solchen nicht bereits besitzt. Nach diesem richten sich gemäß Teil H Nr 2 der Mutterschafts-Richtlinien die von dem Arzt vorzunehmenden Eintragungen der Ergebnisse der Untersuchungen im Rahmen der ärztlichen Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung. Durch Einsichtnahme in den Mutterpass kann der Vertragsarzt folglich grundsätzlich erkennen, ob die durch Nr 01770 EBM-Ä erfassten standardisierten Untersuchungen in dem entsprechenden Quartal schon erbracht wurden. Zwar lässt sich auf diese Weise nicht ausschließen, dass im Einzelfall eine Versicherte vorgibt, einen solchen (noch) nicht zu haben. Dieses theoretisch mögliche Fehlverhalten einer Versicherten belegt jedoch nicht, dass der BewA durch den generellen Ausschluss der Doppelabrechnung der Nr 01770 EBM-Ä seinen Bewertungsspielraum überschritten hätte. Kann der Vertragsarzt anhand des Mutterpasses im Regelfall nachvollziehen, dass die von Nr 01770 EBM-Ä umfassten Leistungen in dem entsprechenden Quartal (ganz oder teilweise) bereits erbracht wurden, dürfte die nochmalige Erbringung der Leistung unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 2 Abs 4, § 12 SGB V) zum einen nicht geboten sein, zum anderen kann der Vertragsarzt die Schwangere unter Berücksichtigung des § 76 Abs 3 SGB V in der Regel für das entsprechende Quartal auf den bisher die standardisierte Betreuung durchführenden Arzt verweisen, sofern kein Notfall vorliegt. Die Krankenkassen sind gehalten, diesen Zusammenhang auch ihren Versicherten zu verdeutlichen und sie dahingehend zu informieren, dass diese den Zweitbehandler darüber in Kenntnis setzen sollen, dass eine ärztliche Schwangerschaftsfeststellung schon erfolgt ist, und dass der für die Fortführung der Behandlung ausgewählte Vertragsarzt nicht generell rechtswidrig handelt, wenn er die umfassende Begleitung der Schwangerschaft erst mit Beginn des Folgequartals übernehmen will.

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(5) Schließlich führt der Abrechnungsausschluss auch nicht dazu, dass erbrachte Leistungen nicht angemessen vergütet würden. Im Hinblick auf die vorrangige Funktionszuweisung an den BewA nach § 87 SGB V, den Inhalt der abrechenbaren Leistungen und ihre Punktzahlen zu bestimmen, sowie an die Vertragsparteien der Gesamtverträge, nach Maßgabe des § 85 Abs 3 SGB V aF die Gesamtvergütungen zu bemessen, kann das Niveau von Vergütungen erst dann von den Gerichten beanstandet werden, wenn die Funktionsfähigkeit der Versorgung mangels ausreichenden Anreizes, vertragsärztlich tätig zu werden, gefährdet wäre(vgl BSGE 75, 187, 189 f = SozR 3-2500 § 72 Nr 5 S 6 f; BSGE 78, 191, 199 = SozR 3-2200 § 368i Nr 1 S 10; BSG SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 5 f mwN). Da die Vergütung nicht für jede Leistung kostendeckend sein muss und sich die Frage der Kostendeckung auch nicht auf die bei einem einzelnen Arzt anfallenden Kosten beziehen kann, ergibt sich selbst aus einer etwaigen Kostenunterdeckung bei einzelnen Leistungen kein zwingender Grund für eine bestimmte Auslegung des Gebührentatbestandes (BSG SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 6).

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Der Abrechnungsausschluss in Nr 01770 EBM-Ä hat nicht zur Folge, dass erbrachte Leistungen nicht abgerechnet werden könnten oder nur eine unangemessene Vergütung iS von § 72 Abs 2, § 85 Abs 3 SGB V gewährt würde. In der Präambel zu Nr 1.7.4 EBM-Ä wird klargestellt, dass "Leistungen der Mutterschaftsvorsorge, die bei Vertretung, im Notfall oder bei Mit- bzw. Weiterbehandlung erbracht werden, … nach den kurativen Leistungspositionen berechnungsfähig [sind], wobei die nach Maßgabe der Kassenärztlichen Vereinigung für präventive Leistungen vorgegebene Kennzeichnung zu beachten ist". Unabhängig von dem Umstand, dass dies auch für alle anderen aufgrund des Abrechnungsausschlusses nach Abs 3 von einer weiteren Abrechnung der Leistungsposition ausgeschlossenen Konstellationen dem Grunde nach gelten muss, wird hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass in diesen Fällen weitere Abrechnungsmöglichkeiten bestehen. Wie bereits dargelegt, umfasst der obligate Leistungsinhalt der Nr 01770 EBM-Ä neben den allgemeinen Beratungen und Untersuchungen insbesondere Ultraschalluntersuchungen. Die Einzelleistungen der Ultraschalldiagnostik sind nach Kapitel 33 und damit grundsätzlich nach den dort normierten Positionen berechnungsfähig. In Betracht kommen hier insbesondere die Nrn 33043 (Sonographische Untersuchung eines oder mehrerer Uro-Genital-Organe mittels B-Mode-Verfahren, 230 Punkte im Quartal II/2007) und 33044 EBM-Ä (Sonographische Untersuchung eines oder mehrerer weiblicher Genitalorgane, ggf. einschließlich Harnblase, mittels B-Mode-Verfahren, 380 Punkte im Quartal II/2007), die dementsprechend nicht neben Nr 01770 EBM-Ä berechnungsfähig sind. Laborleistungen können grundsätzlich nach den Positionen des Kapitels 32 (Laboratoriumsmedizin, Molekulargenetik und Molekularpathologie) berechnet werden, etwa Nr 32031 EBM-Ä (Mikroskopische Untersuchung des Harns auf morphologische Bestandteile). Vor diesem Hintergrund liegt der seitens der zu 1. beigeladenen KÄBV gerügte Verstoß gegen Art 12 Abs 1 GG und gegen Art 20 GG erkennbar nicht vor.

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Im Ergebnis ist der Abrechnungsausschluss damit nicht zu beanstanden. Namentlich entspricht es dem in § 76 Abs 3 Satz 1 SGB V zum Ausdruck kommenden Quartalsbindungsgedanken, dass die von Nr 01770 EBM-Ä erfassten Komplexleistungen in einem Quartal von nur einem Vertragsarzt erbracht und entsprechend berechnet werden können. Soweit § 76 Abs 3 Satz 1 SGB V von dieser grundsätzlichen Bindung eine Ausnahme bei Vorliegen eines wichtigen Grundes vorsieht, enthält Nr 01770 EBM-Ä indes kein entsprechendes Korrelat. Insoweit könnte es sachgerecht sein, diesen Gedanken auch auf Nr 01770 EBM-Ä zu übertragen und (bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen) eine wiederholte Berechnung von Nr 01770 EBM-Ä ausnahmsweise dann zu erlauben, wenn die Versicherte zwar zunächst von einem - zur Berechnung der Nr 01770 EBM-Ä berechtigten - Vertragsarzt behandelt wird, jedoch aus einem wichtigen Grund iS von § 76 Abs 3 Satz 1 SGB V während des Quartals den betreuenden Arzt wechselt. Ein solcher Grund kann etwa vorliegen, wenn der Versicherten eine weitere Behandlung nicht mehr zumutbar ist (s BSG SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 17), weil etwa das Vertrauensverhältnis zu dem behandelnden Arzt objektiv zerstört ist. Eine solche Ausnahme wäre insbesondere vor dem Hintergrund zu erwägen, dass die standardisierten Leistungen bei Schwangeren nach einem festen zeitlichen Schema zu erfolgen haben, der Schwangeren also nach einer massiven Störung des Vertrauensverhältnisses zum "Erstbehandler" möglicherweise nicht stets zugemutet werden kann, den Beginn des folgenden Quartals abzuwarten und erst dann den behandelnden Arzt zu wechseln. Es ist Sache des BewA, die für und gegen eine derartige Ausnahme von generellen Abrechnungsausschluss sprechenden Gesichtspunkte zu bewerten. In Betracht kommt dabei auch, die punktzahlmäßige Bewertung der Betreuungsleistungen des "Zweitbehandlers" zu vermindern, um von vornherein keine Anreize zu einem arztinduzierten Behandlerwechsel zu geben.

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E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO); eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.