Sozialgericht München Teilurteil, 21. März 2016 - S 15 R 582/14

published on 21/03/2016 00:00
Sozialgericht München Teilurteil, 21. März 2016 - S 15 R 582/14
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Tenor

I.

Unter Aufhebung des Bescheids vom 13.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.03.2014 wird die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 20.08.2012 zurückzunehmen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Streitig ist eine Nachforderung in Höhe von 2504,38 €.

Der Beigeladene zu 1. führte mit Beginn vom 01.07.1997 als Einzelkaufmann ein Unternehmen im Bereich der Durchführung von Isolierungsarbeiten (Wärme-, Kälte- und Schallschutz). Hierzu beschäftigte er u. a. die Arbeitnehmer D., E., F. und G. (Beigeladene zu 2. bis 4. sowie zu 8.).

Mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 02.10.2009 wurde die vorläufige Verwaltung über das Schuldnervermögen angeordnet. Der Kläger wurde zum vorläufigen (schwachen) Insolvenzverwalter bestellt. Während der Dauer der angeordneten vorläufigen Verwaltung kündigte der Beigeladene zu 1. (nunmehr: Schuldner) die Arbeitsverhältnisse der o.g. Arbeitnehmer - mit Zustimmung des Klägers - ordentlich fristgemäß (jeweils am 23.11.2009 zum 31.12.2009). Die Arbeitnehmer wurden mit Wirkung ab dem 01.12.2009 von der Arbeit freigestellt. Nur der Arbeitnehmer E. (Beigeladener zu 3.) nahm zum 14.12.2009 wieder eine neue Beschäftigung auf.

Mit Beschluss vom 01.12.2009 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners wurde der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners bestellt.

Der Kläger erklärte ebenfalls am 01.12.2009 die Freigabe der Vermögensgegenstände aus der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners. Dies umfasse sämtliche Betriebsmittel, gewerbliches Vermögen und Inventar, soweit die Gegenstände nicht Aus- bzw. Absonderungsberechtigten zuzuordnen gewesen seien. Die Freigabeerklärung ging am gleichen Tag dem Schuldner zu. Sie wurde am 04.12.2009 durch das Insolvenzgericht öffentlich bekannt gemacht. Ein Teil der Belegschaft wurde vom Schuldner nach Freigabe des Gewerbebetriebs aus der Insolvenzmasse weiter beschäftigt.

Der Kläger zeigte zudem gegenüber dem Amtsgericht Mühldorf am Inn am 29.01.2015 die Masseunzulänglichkeit an, da die Masse voraussichtlich nicht ausreichen werde, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 20.08.2012 wurde für den Prüfzeitraum vom 01.12.2009 bis zum 31.12.2009 gegenüber dem Kläger eine Nachforderung in Höhe von 2.504,38 € festgestellt.

Die Beklagte führte aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung auch für geschuldetes und bei Fälligkeit noch nicht gezahltes, laufendes Arbeitsentgelt zu entrichten sei. Das Bundessozialgericht habe durch Urteile vom 26.11.1985 entschieden, dass der Fortbestand eines Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich nicht durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers berührt werde. Die Versicherungspflicht bestehe demnach auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bis zur rechtlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses fort. Für die vom Insolvenzverwalter weiter beschäftigten Arbeitnehmer gelte der Insolvenzverwalter als Arbeitgeber und habe die Arbeitgeberpflichten zu erfüllen.

Folglich habe für die Arbeitnehmer D., G. und F. (Beigeladene zu 2., 8. und 4.) für den Zeitraum vom 01.12.2009 bis zum 31.12.2009 und für den Arbeitnehmer E. (Beigeladener zu 3.) für den Zeitraum vom 01.12.2009 bis zum 13.12.2009 Versicherungs- und Beitragspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestanden.

Der Kläger habe diese Beiträge nicht abgeführt. Für die Nachforderung sei das bis zum 30.11.2009 regelmäßig gezahlte Arbeitsentgelt ohne Überstundenzuschläge aus November 2009 zugrunde gelegt worden.

Mit Schreiben vom 02.04.2013 bestellte sich Rechtsanwältin H. für die Rechtsanwaltskanzlei B. (nunmehr: hww) als Bevollmächtigte des Klägers. hww beantragte, den Betriebsprüfungsbescheid vom 20.08.2012 aufzuheben und die Vollziehung des Bescheids auszusetzen.

Bei Durchführung der Betriebsprüfung sei die Freigabe des schuldnerischen Gewerbebetriebs unberücksichtigt geblieben, so dass der Insolvenzverwalter zu Unrecht als Arbeitgeber und Inhaltsadressat des streitbefangenen Bescheids herangezogen worden sei. Dem Schuldner sei noch am Tag des Beschlusses über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der vollständige Gewerbebetrieb freigegeben und übergeben worden. Der Kläger sei wegen der Freigabe nicht mehr als Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinn zu betrachten. Arbeitgeber sei seit dem 01.12.2009 der Schuldner gewesen. Der Schuldner und nicht der Kläger sei Träger des Unternehmensrisikos und Adressat der Lohnzahlungspflicht und damit Arbeitgeber im sozialrechtlichen Sinne. Die Freigabeerklärung würde für alle zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Übergang der Arbeitgeberstellung auf den Schuldner führen. Die Verwaltung- und Verfügungsbefugnis, die durch die Insolvenzeröffnung zunächst auf den Insolvenzverwalter übergegangen sei, werde beendet (Bezugnahme auf LAG Niedersachsen vom 14.12.2011, Az 2 Sa 97/11; bestätigt durch BAG vom 21.11.2013; Az. 6 AZR 979/11). Auch die Gesetzesbegründung würde davon ausgehen, dass alle vertraglichen Beziehungen nach Freigabeerklärung auf den Schuldner zurückfallen würden. Die Freigabeerklärung würde das rechtliche Band zwischen der Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten selbstständigen Tätigkeit zerschneiden und die der selbstständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse von der Masse auf die Person des Schuldners überleiten (Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 09.02.2012, IX ZR 75/11).

Ein Teil der bereits gekündigten Mitarbeiter seien von dem Schuldner weiter beschäftigt worden. Um dem Zweck von § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) - Schutz der Insolvenzmasse - gerecht zu werden, seien alle Arbeitsverhältnisse auf den Schuldner zurückgefallen. Zudem seien auch alle Arbeitsverhältnisse unter analoger Anwendung der Vorschriften zum Betriebsübergang (§ 613a BGB) mit Freigabeerklärung auf den Schuldner als alleinigen Arbeitgeber am 01.12.2009 zurückgefallen.

Die Beklagte lehnte mit den angegriffenen Bescheiden vom 13.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.03.2014 die Zurücknahme des Bescheids vom 20.08.2012 ab. Dieser sei rechtmäßig an den Kläger als Arbeitgeber adressiert worden. Das Bundessozialgericht habe entschieden, dass der Fortbestand eines Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich nicht dadurch berührt werde, dass über das Vermögen des Arbeitgebers ein Konkursverfahren eröffnet werde. Die Versicherungspflicht zur Sozialversicherung bestehe daher auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur rechtlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses fort. Die Beiträge würden als sonstige Masseverbindlichkeiten gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Die Einführung von § 35 Abs. 2 InsO zum 01.01.2007 habe für die Forderung von Sozialversicherungsbeiträgen für freigestellte Arbeitnehmer gegenüber dem Insolvenzverwalter keine Folgen. Eine Freigabe der selbstständigen Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO habe keinen Einfluss auf die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehenden Arbeitsverhältnisse dahingehend, dass Beiträge zur Sozialversicherung nicht mehr gegenüber dem Insolvenzverwalter - also gegenüber der Insolvenzmasse - geltend gemacht werden könnten. Würde mit einer Freigabe ein Wiedereintritt in die Schuldnerschaft für rückständige Sozialversicherungsbeiträge des ehemaligen Arbeitgebers (d. h. vorliegend des Schuldners) einhergehen, würde dies das Ziel der Freigabe konterkarieren. Die Freigabe soll es dem Insolvenzschuldner ermöglichen, sich eine neue wirtschaftliche Basis zu schaffen. Dies würde durch den Wiedereintritt in die Schuldnerschaft erschwert oder gar unmöglich gemacht. Auswirkungen könne eine Freigabe der selbstständigen Tätigkeit lediglich auf neue, vom Schuldner nach Abgabe der Erklärung eingegangene Vertragsverhältnisse haben. Die im Bescheid vom 20.08.2012 aufgeführten Arbeitnehmer seien vom Schuldner nicht weiterbeschäftigt worden. Die Beitragsansprüche bis zum rechtlichen Ende der Beschäftigungsverhältnisse seien daher zu Recht gegenüber dem Kläger geltend gemacht worden.

Der Kläger ließ am 01.04.2014 Klage zum Sozialgericht München erheben. Die Begründung wiederholt im Wesentlichen die Argumente der Widerspruchsbegründung. Die Freigabe sei pauschal und umfassend und umfasse auch Arbeitsverhältnisse (Verweis auf Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 03.06.2010, Az. 53 CA 2104/10, sowie Arbeitsgericht Herne, Urteil vom 10.08.2010 - 2 CA 350/10). Die Auffassung der Beklagten wurde dazu führen, dass die arbeitsrechtliche und die sozialrechtliche Arbeitgeberstellung auseinanderfallen würden. Der Zweck von § 35 InsO sei vor allem der Gläubigerschutz. Gemäß der Gesetzesbegründung müsse der Insolvenzverwalter den Neuerwerb aus der Masse an den Schuldner freigeben können, wenn die Fortführung der selbstständigen Tätigkeit für die Masse nachteilig ist. Es würde hinsichtlich der Freigabe keine Differenzierung danach normiert sein, ob das freigegebene Dauerschuldverhältnis bereits gekündigt wurde oder nicht.

Weiterhin erhebt der Kläger die Einrede der Masseunzulänglichkeit. Ein Zahlungstitel dürfe gegenüber dem Kläger nicht ergehen.

Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 13.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.03.2014 verurteilt, den Betriebsprüfungs- und Beitragsbescheid vom 20.08.2012 zurückzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass eine Freigabe von Vertragsverhältnissen im Rahmen einer Negativerklärung nicht zur selbstständigen Tätigkeit des ehemaligen Arbeitgebers erfolgen könne. Die Negativerklärung habe danach keinen Einfluss auf sämtliche zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehenden Arbeitsverhältnisse (unter Bezugnahme auf den Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 5. Aufl. 2009 ohne Angabe der genauen Fundstelle oder einer Seitenzahl). Auswirkungen könne eine Negativerklärung nur auf neue, vom Schuldner nach Abgabe der Erklärung eingegangene Vertragsverhältnisse haben, so dass sich keine Auswirkungen auf die Prüfung der freigestellten Arbeitnehmer ergeben würden. Arbeitgeber der mit Insolvenzeröffnung freigestellten Arbeitnehmer sei alleine der Kläger geblieben. Der Fortbestand eines Beschäftigungsverhältnisses würde grundsätzlich nicht dadurch berührt, dass über das Vermögen des Arbeitgebers Insolvenz eröffnet wird, wobei das Beschäftigungsverhältnis allerdings längstens bis zur Aufnahme einer anderweitigen Beschäftigung fortbestehe.

Der Schuldner habe nach der Freigabeerklärung unter einer neuen Betriebsnummer seine selbstständige Tätigkeit wieder aufgenommen und mit einigen seiner früheren Arbeitnehmer neue Arbeitsverhältnisse geschlossen. Für diese Arbeitnehmer sei mit dem Beitragsbescheid vom 20.08.2012 auch keine Beitragsforderung festgestellt worden. Lediglich für die nicht weiter beschäftigten Arbeitnehmer enthalte der Beitragsbescheid entsprechende Forderungen. Nur die tatsächlich vom Schuldner weiterbeschäftigten Arbeitnehmer würden dessen selbstständiger Tätigkeit dienen, nicht aber die vom Schuldner freigestellten und nicht weiterbeschäftigten. Die Freigabeerklärung solle dem Schuldner die Möglichkeit schaffen, sich eine neue wirtschaftliche Basis aufzubauen. Dies würde erschwert werden, wenn der Schuldner ab Freigabeerklärung durch Beiträge bezüglich der freigestellten, aber nicht weiterbeschäftigten Arbeitnehmer belastet würde. Die Freigabeerklärung könne sich daher nur auf neue, vom Schuldner nach Abgabe der Freigabeerklärung eingegangene Vertragsverhältnisse und für tatsächlich weiter beschäftigte Arbeitnehmer auswirken.

Die angezeigte Masseunzulänglichkeit sei erst nach Bescheiderteilung erfolgt und könne daher nicht berücksichtigt werden. Die Masseunzulänglichkeit betreffe nicht die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Forderung, sondern lediglich die Vollstreckung gegenüber dem Kläger als Beitragsschuldner (Verweis auf SG Düsseldorf, Urteil vom 20.06.2013, S 27 R 1702/11). Masseverbindlichkeiten seien unabhängig von der Vollstreckbarkeit durch Bescheid geltend zu machen (Verweis auf BSG, Urteil vom 28.05.2015, Az. B 12 R 16/13 R).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die zulässige Klage ist auch begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Die Beklagte ist verpflichtet, den Beitragsbescheid vom 20.08.2012 gemäß § 44 Abs. 1 S.1 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) zurückzunehmen.

Von § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X werden Beiträge erfasst, die nicht oder nicht in der festgesetzten Höhe hätten erhoben werden dürfen (BeckOK SozR/Heße SGB X § 44 Rn. 19, beck-online). Vorliegend ist das Recht unrichtig angewandt worden, so dass der Beitragsbescheid vom 20.08.2012 aufzuheben ist.

Die Beklagte ist hierbei auch zuständige Behörde im Sinne von § 44 Abs. 3 SGB X. Ermächtigungsgrundlage für die Nachforderung ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.12.2015 - L 8 R 213/13 B ER -, Rn. 43, juris).

Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, d. h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d Satz 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Die Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger als Arbeitgeber der Beigeladenen zu 2. bis 4. sowie zu 8. Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ist.

Arbeitgeber ist, wer die Arbeit unmittelbar an andere vergibt und dem die Verfügung über die Arbeitskraft, die Einstellung, Verwendung und Entlassung zusteht, für dessen Rechnung das Arbeitsentgelt gezahlt wird und dem der Erfolg der Arbeitsleistung zugute kommt (vgl. Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 5 Rz. 93 f. m. w. N.). Arbeitgeber kann somit eine natürliche Person, eine Personenmehrheit (z. B. OHG) oder eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts (z. B. GmbH, AG oder Körperschaft des öffentlichen Rechts) sein (Sehnert in: Hauck/Noftz, SGB, 10/14, § 28a SGB IV, Rn. 8).

Die Beurteilung, wer Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist, muss ebenfalls nach den tatsächlichen Umständen erfolgen, die für ein entgeltliches Arbeitsverhältnis mit wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erheblich sind. Typisch für einen Arbeitgeber ist das sogenannte Unternehmerrisiko, d. h., dass er in den Genuss der Gewinne des Unternehmens kommt, aber auch für die Verluste geradestehen muss. Darüber hinaus hat er eine Weisungsbefugnis bzw. ein Direktionsrecht gegenüber den Arbeitnehmern. Er kann also bestimmen, in welcher Art, an welchem Ort, zu welcher Zeit und in welchem Umfang sie Arbeiten zu verrichten haben. Als Arbeitgeber muss grundsätzlich der Gläubiger des Anspruchs auf Arbeitsleistung und zugleich der Schuldner des Arbeitsentgelts gegenüber den Arbeitnehmern angesehen werden. Bestehen Zweifel, wer Arbeitgeber ist, kann also letztlich auf denjenigen zurückgegriffen werden, der den Lohn schuldet (BSG in BSGE 18, 190, SozR RVO § 245 Bl. Aa 1 Nr. 1 und BSG in USK 74177).

Mit Wirkung vom 01.12.2009 ist der Kläger aufgrund der Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 InsO, die dem Schuldner am selben Tag zugegangen ist, nicht mehr Arbeitgeber in diesem Sinne. Der Kläger trug weder das für den Arbeitgeber typische Unternehmerrisiko noch konnte er das Direktionsrecht gegenüber den Beigeladenen zu 2. bis 4. sowie zu 8. ausüben.

Die Rechtsansicht der Beklagten, dass zuvor vom Schuldner gekündigte und mit Insolvenzeröffnung freigestellte Arbeitsverhältnisse von der Rechtswirkung gemäß § 35 Abs. 2 InsO nicht umfasst seien, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die erkennende Kammer folgt der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (a. a. O., Rn. 15, juris), auf die sich der Kläger beruft, wonach sich die Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO bereits mit dem Zugang der Freigabeerklärung beim Schuldner ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Erklärungen verwirklicht. Allein diese Erklärung zerschneidet das rechtliche Band zwischen der Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten selbstständigen Tätigkeit und leitet die der selbstständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse von der Masse auf die Person des Schuldners über (BAG, a. a. O., unter Verweis auf BGH, Urteil vom 09.02.2012, IX ZR 75/11 - Rn. 19). Die Veröffentlichung durch das Insolvenzgericht hat hierbei lediglich deklaratorische Wirkung, so dass bezüglich der Rechtswirkungen der Freigabeerklärung auf den Zugang beim Schuldner (dh. beim Beigeladenen zu 1.) am 01.01.2009 abzustellen ist. Die Kammer schließt sich der arbeits- und zivilrechtlichen Rechtsprechung an, wonach die Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO auch Arbeitsverhältnisse umfasst, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung bereits begründet waren (BAG, a.a.O, Rn. 16).

Der Auffassung, dass sich die Freigabe nur auf die durch den Schuldner nach Zugang der Freigabeerklärung begründeten Vertragsverhältnisse beziehen würde, kann nicht gefolgt werden. Sie berücksichtigt den Sinn und Zweck von § 35 Abs. 2 InsO nicht hinreichend. Mit dem BAG (a. a. O., Rn. 19, juris) handelt es sich bei der Freigabeerklärung um eine Pauschalfreigabe, die sich auch auf zweiseitige Verträge bezieht und dabei nicht nach Typus und Inhalt der betroffenen Vertragsverhältnisse unterscheidet. Auch innerhalb der Dauerschuldverhältnisse sind keine Differenzierungen veranlasst, die sich aus der Anwendbarkeit unterschiedlicher Kündigungsfristen ergeben. Der Schuldner muss zum Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz regelmäßig eine Vielzahl von Verträgen schließen. Soweit derartige Verträge, die vor Insolvenzeröffnung vereinbart waren und mit der Eröffnung nicht in Wegfall geraten sind, im Zuge der selbstständigen Tätigkeit von dem Schuldner fortgesetzt werden sollen, kann nicht auf eine klare zeitliche Zäsur verzichtet werden, wann Rechte und Pflichten von der Masse auf den Schuldner übergehen. Beim anderen Verständnis würde § 35 Abs. 2 S. 1 InsO weitgehend seiner Funktion beraubt, einen einheitlichen Übergang des der selbstständigen Tätigkeit dienenden Vermögens einschließlich der darauf bezogenen Vertragsverhältnisse von der Masse auf den Schuldner zu bewirken. Vielmehr werden Unklarheiten weitgehend vermieden, in dem Kraft der mit dem Zugang bei dem Schuldner wirksam werdenden Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters sämtliche noch bestehenden, der selbstständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse und sich daraus ergebende Verbindlichkeiten auf den Schuldner übergeleitet werden. Der Schuldner ist zur Wahrnehmung einer selbstständigen Tätigkeit häufig auf den Fortbestand von Arbeitsverhältnissen angewiesen. Müsste der Insolvenzverwalter diese zur Verwirklichung einer Enthaftung der Masse kündigen, würden sich die Arbeitnehmer wegen der eingetretenen Insolvenz vielfach nicht entschließen, mit dem Schuldner ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen. Damit würde dem Schuldner eine unentbehrliche Betriebsgrundlage für die Fortführung seiner Tätigkeit entzogen.

Die Beklagte folgt dieser Rechtsauffassung insoweit, als sie die Auffassung vertritt, dass Arbeitsverhältnisse, die zuvor vom Schuldner mit Arbeitnehmern begründet wurden, dann von der Wirkung von § 35 Abs. 2 InsO umfasst seien, wenn diese nach Zugang der Freigabeerklärung vom Schuldner weitergeführt würden, d. h. zuvor nicht gekündigt wurden. Diese Differenzierung wird damit begründet, dass nur dann die Weiterführung der selbstständigen Tätigkeit nicht durch Beitragslasten bezüglich der gekündigten Beschäftigungsverhältnisse belastet würde. Die Auffassung übersieht aber, dass vorrangiger Zweck von § 35 Abs. 2 InsO der Gläubigerschutz ist. Der Insolvenzverwalter soll die Möglichkeit haben, die selbstständige Tätigkeit auszugliedern, um die Masse zu schützen. Zudem ist diese „vermittelnde Ansicht“ vom Gesetzeswortlaut nicht umfasst. Eine Differenzierung danach, ob das Dauerschuldverhältnis bereits gekündigt worden ist oder nicht, findet nicht statt. Auch das Bundesarbeitsgericht hat eine solche Differenzierung nicht in Betracht gezogen: Im entschiedenen Fall wurde der klagende Arbeitnehmer bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fristlos gekündigt. Das BAG entschied dennoch, dass die Passivlegitimation bezüglich der Kündigungsschutzklage durch die Freigabeerklärung vom Insolvenzverwalter auf den Schuldner übergegangen ist.

Soweit ersichtlich, folgen auch die Sozialgerichte der dargestellten zivilrechtlichen Rechtsprechung. Das BSG geht im Einklang mit dem BAG und dem BGH davon aus, dass die Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 InsO nicht nur einzelne Vermögensgegenstände, sondern eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten umfasst. Wie die obersten Zivilgerichte geht das BSG davon aus, dass die Erklärung das rechtliche Band zwischen der Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten selbstständigen Tätigkeit zerschneidet und die der selbstständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse von der Masse auf die Person des Schuldners umleiten würde (BSG, Urteil vom 10.12.2014, B 6 KA 45/13 R, Rn. 18, juris). Die von dem Schuldner ab dem Wirksamwerden der Freigabeerklärung aus der selbstständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte stünden als ihm gehörendes Vermögen grundsätzlich allein den Gläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung, deren Forderungen nach der Freigabeerklärung entstanden sind (BSG, a. a. O.). Vorliegend sind die Forderungen der Beigeladenen zu 2. bis 4. sowie zu 8. gegenüber dem Schuldner aus den übergeleiteten Arbeitsverhältnissen für den Monat Dezember 2009 erst nach Zugang der Freigabeerklärung entstanden, so dass diese aus den aus der selbstständigen Tätigkeit erzielten Einkünften des Schuldners zu befriedigen sind. Das gleiche muss dann auch für die Beitragsforderung der Beklagten gelten, die aufgrund der Arbeitsleistung der Beigeladenen zu 2. bis 4. sowie zu 8. im Dezember 2012 gemäß dem Entstehungsprinzip entstanden ist.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 29.01.2015, Az. L 9 AL 278/13) geht ebenfalls in einem obiter dictum (Rn. 47, juris, letzter Satz) davon aus, dass der Schuldner aufgrund der Freigabeerklärung (erneut) zum Arbeitgeber und damit zum Schuldner der Beitragsrückstände wird. Verneint wurde lediglich, dass die Insolvenz der nach § 35 Abs. 2 InsO ausgegliederten Masse maßgebliches Insolvenzereignis im Sinne von § 165 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ist.

Ob auch die Einrede der Masseunzulänglichkeit den Bescheid vom 20.08.2012 rechtswidrig macht, ist nicht mehr entscheidungserheblich und kann daher offen bleiben.

Nach allem war der Klage stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG mit § 154 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

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Annotations

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber und in den Fällen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben die Deutsche Rentenversicherung Bund zu zahlen. Die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht. Ist ein Träger der Kranken- oder Rentenversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit der Arbeitgeber, gilt der jeweils für diesen Leistungsträger oder, wenn eine Krankenkasse der Arbeitgeber ist, auch der für die Pflegekasse bestimmte Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag als gezahlt; dies gilt für die Beiträge zur Rentenversicherung auch im Verhältnis der Träger der Rentenversicherung untereinander.

(2) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers haftet bei einem wirksamen Vertrag der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge, soweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden sind. Er kann die Zahlung verweigern, solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist. Zahlt der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer, obwohl der Vertrag nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes unwirksam ist, so hat er auch den hierauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen. Hinsichtlich der Zahlungspflicht nach Satz 3 gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber; beide haften insoweit als Gesamtschuldner.

(2a) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht, die sich für den Arbeitgeber knappschaftlicher Arbeiten im Sinne von § 134 Absatz 4 des Sechsten Buches ergibt, haftet der Arbeitgeber des Bergwerkbetriebes, mit dem die Arbeiten räumlich und betrieblich zusammenhängen, wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers von Seeleuten nach § 13 Absatz 1 Satz 2 haften Arbeitgeber und Reeder als Gesamtschuldner.

(3a) Ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 101 Absatz 2 des Dritten Buches beauftragt, haftet für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Satz 1 gilt entsprechend für die vom Nachunternehmer gegenüber ausländischen Sozialversicherungsträgern abzuführenden Beiträge. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(3b) Die Haftung nach Absatz 3a entfällt, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt. Ein Verschulden des Unternehmers ist ausgeschlossen, soweit und solange er Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers durch eine Präqualifikation nachweist, die die Eignungsvoraussetzungen nach § 6a der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2019 (BAnz. AT 19.02.2019 B2) erfüllt.

(3c) Ein Unternehmer, der Bauleistungen im Auftrag eines anderen Unternehmers erbringt, ist verpflichtet, auf Verlangen der Einzugstelle Firma und Anschrift dieses Unternehmers mitzuteilen. Kann der Auskunftsanspruch nach Satz 1 nicht durchgesetzt werden, hat ein Unternehmer, der einen Gesamtauftrag für die Erbringung von Bauleistungen für ein Bauwerk erhält, der Einzugsstelle auf Verlangen Firma und Anschrift aller Unternehmer, die von ihm mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt wurden, zu benennen.

(3d) Absatz 3a gilt ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 275 000 Euro, wobei für Schätzungen die Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624) in der jeweils geltenden Fassung gilt.

(3e) Die Haftung des Unternehmers nach Absatz 3a erstreckt sich in Abweichung von der dort getroffenen Regelung auf das von dem Nachunternehmer beauftragte nächste Unternehmen, wenn die Beauftragung des unmittelbaren Nachunternehmers bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände als ein Rechtsgeschäft anzusehen ist, dessen Ziel vor allem die Auflösung der Haftung nach Absatz 3a ist. Maßgeblich für die Würdigung ist die Verkehrsanschauung im Baubereich. Ein Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift, das als Umgehungstatbestand anzusehen ist, ist in der Regel anzunehmen,

a)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer weder selbst eigene Bauleistungen noch planerische oder kaufmännische Leistungen erbringt oder
b)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer weder technisches noch planerisches oder kaufmännisches Fachpersonal in nennenswertem Umfang beschäftigt oder
c)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer in einem gesellschaftsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Hauptunternehmer steht.
Besonderer Prüfung bedürfen die Umstände des Einzelfalles vor allem in den Fällen, in denen der unmittelbare Nachunternehmer seinen handelsrechtlichen Sitz außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums hat.

(3f) Der Unternehmer kann den Nachweis nach Absatz 3b Satz 2 anstelle der Präqualifikation auch für den Zeitraum des Auftragsverhältnisses durch Vorlage von lückenlosen Unbedenklichkeitsbescheinigungen der zuständigen Einzugsstellen für den Nachunternehmer oder den von diesem beauftragten Verleiher erbringen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung enthält Angaben über die ordnungsgemäße Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und die Zahl der gemeldeten Beschäftigten.

(3g) Für einen Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, der im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig ist und der einen anderen Unternehmer mit der Beförderung von Paketen beauftragt, gelten die Absätze 3a, 3b Satz 1, 3e und 3f entsprechend. Absatz 3b Satz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Präqualifikation die Voraussetzung erfüllt, dass der Nachunternehmer in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen ist oder über eine Zertifizierung verfügt, die jeweils den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 (ABl. L 337 vom 19.12.2017, S. 19) geändert worden ist, entsprechen. Für einen Unternehmer, der im Auftrag eines anderen Unternehmers Pakete befördert, gilt Absatz 3c entsprechend. Beförderung von Paketen im Sinne dieses Buches ist

a)
die Beförderung adressierter Pakete mit einem Einzelgewicht von bis zu 32 Kilogramm, soweit diese mit Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen erfolgt,
b)
die stationäre Bearbeitung von adressierten Paketen bis zu 32 Kilogramm mit Ausnahme der Bearbeitung im Filialbereich.

(3h) Die Bundesregierung berichtet unter Beteiligung des Normenkontrollrates zum 31. Dezember 2023 über die Wirksamkeit und Reichweite der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge für die Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, die im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig sind und einen anderen Unternehmer mit der Beförderung von Paketen beauftragen, insbesondere über die Haftungsfreistellung nach Absatz 3b und Absatz 3f Satz 1.

(4) Die Haftung umfasst die Beiträge und Säumniszuschläge, die infolge der Pflichtverletzung zu zahlen sind, sowie die Zinsen für gestundete Beiträge (Beitragsansprüche).

(5) Die Satzung der Einzugsstelle kann bestimmen, unter welchen Voraussetzungen vom Arbeitgeber Vorschüsse auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag verlangt werden können.

Die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt. Satz 1 gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten. Die nicht nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten gelten zusammen mit den Beiträgen zur Rentenversicherung und Arbeitsförderung im Sinne des Satzes 1 ebenfalls als Gesamtsozialversicherungsbeitrag.

(1) Der Arbeitgeber oder ein anderer Meldepflichtiger hat der Einzugsstelle für jeden in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung kraft Gesetzes Versicherten

1.
bei Beginn der versicherungspflichtigen Beschäftigung,
2.
bei Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung,
3.
bei Eintritt eines Insolvenzereignisses,
4.
(weggefallen)
5.
bei Änderungen in der Beitragspflicht,
6.
bei Wechsel der Einzugsstelle,
7.
bei Anträgen auf Altersrenten oder Auskunftsersuchen des Familiengerichts in Versorgungsausgleichsverfahren,
8.
bei Unterbrechung der Entgeltzahlung,
9.
bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses,
10.
auf Anforderung der Einzugsstelle nach § 26 Absatz 4 Satz 2,
11.
bei Antrag des geringfügig Beschäftigten nach § 6 Absatz 1b des Sechsten Buches auf Befreiung von der Versicherungspflicht,
12.
bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt,
13.
bei Beginn der Berufsausbildung,
14.
bei Ende der Berufsausbildung,
15.
bei Wechsel im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2024 von einem Beschäftigungsbetrieb im Beitrittsgebiet zu einem Beschäftigungsbetrieb im übrigen Bundesgebiet oder umgekehrt,
16.
bei Beginn der Altersteilzeitarbeit,
17.
bei Ende der Altersteilzeitarbeit,
18.
bei Änderung des Arbeitsentgelts, wenn die Geringfügigkeitsgrenze über- oder unterschritten wird,
19.
bei nach § 23b Absatz 2 bis 3 gezahltem Arbeitsentgelt oder
20.
bei Wechsel im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2024 von einem Wertguthaben, das im Beitrittsgebiet und einem Wertguthaben, das im übrigen Bundesgebiet erzielt wurde,
eine Meldung zu erstatten. Jede Meldung sowie die darin enthaltenen Datensätze sind mit einem eindeutigen Kennzeichen zur Identifizierung zu versehen.

(1a) (weggefallen)

(2) Der Arbeitgeber hat jeden am 31. Dezember des Vorjahres Beschäftigten nach Absatz 1 zu melden (Jahresmeldung).

(2a) Der Arbeitgeber hat für jeden in einem Kalenderjahr Beschäftigten, der in der Unfallversicherung versichert ist, zum 16. Februar des Folgejahres eine besondere Jahresmeldung zur Unfallversicherung zu erstatten. Diese Meldung enthält über die Angaben nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3, 6 und 9 hinaus folgende Angaben:

1.
die Unternehmernummer nach § 136a des Siebten Buches;
2.
die Betriebsnummer des zuständigen Unfallversicherungsträgers;
3.
das in der Unfallversicherung beitragspflichtige Arbeitsentgelt in Euro und seine Zuordnung zur jeweilig anzuwendenden Gefahrtarifstelle.
Arbeitgeber, die Mitglied der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sind und für deren Beitragsberechnung der Arbeitswert keine Anwendung findet, haben Meldungen nach Satz 2 Nummer 1 bis 3 nicht zu erstatten. Abweichend von Satz 1 ist die Meldung bei Eintritt eines Insolvenzereignisses, bei einer endgültigen Einstellung des Unternehmens oder bei der Beendigung aller Beschäftigungsverhältnisse mit der nächsten Entgeltabrechnung, spätestens innerhalb von sechs Wochen, abzugeben.

(3) Die Meldungen enthalten für jeden Versicherten insbesondere

1.
seine Versicherungsnummer, soweit bekannt,
2.
seinen Familien- und Vornamen,
3.
sein Geburtsdatum,
4.
seine Staatsangehörigkeit,
5.
Angaben über seine Tätigkeit nach dem Schlüsselverzeichnis der Bundesagentur für Arbeit,
6.
die Betriebsnummer seines Beschäftigungsbetriebes,
7.
die Beitragsgruppen,
7a.
(weggefallen)
8.
die zuständige Einzugsstelle und
9.
den Arbeitgeber.
Zusätzlich sind anzugeben
1.
bei der Anmeldung
a)
die Anschrift,
b)
der Beginn der Beschäftigung,
c)
sonstige für die Vergabe der Versicherungsnummer erforderliche Angaben,
d)
nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 die Angabe, ob zum Arbeitgeber eine Beziehung als Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling besteht,
e)
nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 die Angabe, ob es sich um eine Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung handelt,
f)
die Angabe der Staatsangehörigkeit,
2.
bei allen Entgeltmeldungen
a)
eine Namens-, Anschriften- oder Staatsangehörigkeitsänderung, soweit diese Änderung nicht schon anderweitig gemeldet ist,
b)
das in der Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung beitragspflichtige Arbeitsentgelt in Euro, in den Fällen, in denen kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in der Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung vorliegt, das beitragspflichtige Arbeitsentgelt in der Krankenversicherung,
c)
in Fällen, in denen die beitragspflichtige Einnahme in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 20 Absatz 2a oder § 134 bemessen wird, das Arbeitsentgelt, das ohne Anwendung dieser Regelung zu berücksichtigen wäre,
d)
der Zeitraum, in dem das angegebene Arbeitsentgelt erzielt wurde,
e)
Wertguthaben, die auf die Zeit nach Eintritt der Erwerbsminderung entfallen,
f)
für geringfügig Beschäftigte zusätzlich die Steuernummer des Arbeitgebers, die Identifikationsnummer nach § 139b der Abgabenordnung des Beschäftigten und die Art der Besteuerung.
g)
(weggefallen)
h)
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
bei der Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 19
a)
das Arbeitsentgelt in Euro, für das Beiträge gezahlt worden sind,
b)
im Falle des § 23b Absatz 2 der Kalendermonat und das Jahr der nicht zweckentsprechenden Verwendung des Arbeitsentgelts, im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers jedoch der Kalendermonat und das Jahr der Beitragszahlung.

(3a) Der Arbeitgeber oder eine Zahlstelle nach § 202 Absatz 2 des Fünften Buches hat in den Fällen, in denen für eine Meldung keine Versicherungsnummer des Beschäftigten oder Versorgungsempfängers vorliegt, im Verfahren nach Absatz 1 eine Meldung zur Abfrage der Versicherungsnummer an die Datenstelle der Rentenversicherung zu übermitteln; die weiteren Meldepflichten bleiben davon unberührt. Die Datenstelle der Rentenversicherung übermittelt dem Arbeitgeber oder der Zahlstelle unverzüglich durch Datenübertragung die Versicherungsnummer oder den Hinweis, dass die Vergabe der Versicherungsnummer mit der Anmeldung erfolgt.

(3b) Der Arbeitgeber hat auf elektronische Anforderung der Einzugsstelle mit der nächsten Entgeltabrechnung die notwendigen Angaben zur Einrichtung eines Arbeitgeberkontos elektronisch zu übermitteln. Das Nähere über die Angaben, die Datensätze und das Verfahren regeln die Gemeinsamen Grundsätze nach § 28b Absatz 1.

(4) Arbeitgeber haben den Tag des Beginns eines Beschäftigungsverhältnisses spätestens bei dessen Aufnahme an die Datenstelle der Rentenversicherung nach Satz 2 zu melden, sofern sie Personen in folgenden Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen beschäftigen:

1.
im Baugewerbe,
2.
im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe,
3.
im Personenbeförderungsgewerbe,
4.
im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe,
5.
im Schaustellergewerbe,
6.
bei Unternehmen der Forstwirtschaft,
7.
im Gebäudereinigungsgewerbe,
8.
bei Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen,
9.
in der Fleischwirtschaft,
10.
im Prostitutionsgewerbe,
11.
im Wach- und Sicherheitsgewerbe.
Die Meldung enthält folgende Angaben über den Beschäftigten:
1.
den Familien- und die Vornamen,
2.
die Versicherungsnummer, soweit bekannt, ansonsten die zur Vergabe einer Versicherungsnummer notwendigen Angaben (Tag und Ort der Geburt, Anschrift),
3.
die Betriebsnummer des Arbeitgebers und
4.
den Tag der Beschäftigungsaufnahme.
Die Meldung wird in der Stammsatzdatei nach § 150 Absatz 1 und 2 des Sechsten Buches gespeichert. Die Meldung gilt nicht als Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1.

(4a) Der Meldepflichtige erstattet die Meldungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 10 an die zuständige Einzugsstelle. In der Meldung sind insbesondere anzugeben:

1.
die Versicherungsnummer des Beschäftigten,
2.
die Betriebsnummer des Beschäftigungsbetriebes,
3.
das monatliche laufende und einmalig gezahlte Arbeitsentgelt, von dem Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung für das der Ermittlung nach § 26 Absatz 4 zugrunde liegende Kalenderjahr berechnet wurden.

(5) Der Meldepflichtige hat der zu meldenden Person den Inhalt der Meldung in Textform mitzuteilen; dies gilt nicht, wenn die Meldung ausschließlich auf Grund einer Veränderung der Daten für die gesetzliche Unfallversicherung erfolgt.

(6) Soweit der Arbeitgeber eines Hausgewerbetreibenden Arbeitgeberpflichten erfüllt, gilt der Hausgewerbetreibende als Beschäftigter.

(6a) Beschäftigt ein Arbeitgeber, der

1.
im privaten Bereich nichtgewerbliche Zwecke oder
2.
mildtätige, kirchliche, religiöse, wissenschaftliche oder gemeinnützige Zwecke im Sinne des § 10b des Einkommensteuergesetzes
verfolgt, Personen geringfügig nach § 8, kann er auf Antrag abweichend von Absatz 1 Meldungen auf Vordrucken erstatten, wenn er glaubhaft macht, dass ihm eine Meldung auf maschinell verwertbaren Datenträgern oder durch Datenübertragung nicht möglich ist.

(7) Der Arbeitgeber hat der Einzugsstelle für einen im privaten Haushalt Beschäftigten anstelle einer Meldung nach Absatz 1 unverzüglich eine vereinfachte Meldung (Haushaltsscheck) mit den Angaben nach Absatz 8 Satz 1 zu erstatten, wenn das Arbeitsentgelt nach § 14 Absatz 3 aus dieser Beschäftigung regelmäßig die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt. Der Arbeitgeber kann die Meldung nach Satz 1 auch durch Datenübertragung aus systemgeprüften Programmen oder mit maschinell erstellten Ausfüllhilfen übermitteln. Der Arbeitgeber hat der Einzugsstelle gesondert ein Lastschriftmandat zum Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu erteilen. Die Absätze 2 bis 5 gelten nicht.

(8) Der Haushaltsscheck enthält

1.
den Familiennamen, Vornamen, die Anschrift und die Betriebsnummer des Arbeitgebers,
2.
den Familiennamen, Vornamen, die Anschrift und die Versicherungsnummer des Beschäftigten; kann die Versicherungsnummer nicht angegeben werden, ist das Geburtsdatum des Beschäftigten einzutragen,
3.
die Angabe, ob der Beschäftigte im Zeitraum der Beschäftigung bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt ist, und
4.
a)
bei einer Meldung bei jeder Lohn- oder Gehaltszahlung den Zeitraum der Beschäftigung, das Arbeitsentgelt nach § 14 Absatz 3 für diesen Zeitraum sowie am Ende der Beschäftigung den Zeitpunkt der Beendigung,
b)
bei einer Meldung zu Beginn der Beschäftigung deren Beginn und das monatliche Arbeitsentgelt nach § 14 Absatz 3, die Steuernummer des Arbeitgebers, die Identifikationsnummer nach § 139b der Abgabenordnung des Beschäftigten und die Art der Besteuerung,
c)
bei einer Meldung wegen Änderung des Arbeitsentgelts nach § 14 Absatz 3 den neuen Betrag und den Zeitpunkt der Änderung,
d)
bei einer Meldung am Ende der Beschäftigung den Zeitpunkt der Beendigung,
e)
bei Erklärung des Verzichts auf Versicherungsfreiheit nach § 230 Absatz 8 Satz 2 des Sechsten Buches den Zeitpunkt des Verzichts,
f)
bei Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Absatz 1b des Sechsten Buches den Tag des Zugangs des Antrags beim Arbeitgeber.
Bei sich anschließenden Meldungen kann von der Angabe der Anschrift des Arbeitgebers und des Beschäftigten abgesehen werden.

(9) Soweit nicht anders geregelt, gelten für versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreite geringfügig Beschäftigte die Absätze 1 bis 6 entsprechend. Eine Jahresmeldung nach Absatz 2 ist für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Absatz 1 Nummer 2 nicht zu erstatten.

(9a) Für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Absatz 1 Nummer 2 hat der Arbeitgeber bei der Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zusätzlich anzugeben, wie diese für die Dauer der Beschäftigung krankenversichert sind. Die Evaluierung der Regelung erfolgt im Rahmen eines Berichts der Bundesregierung über die Wirkung der Maßnahme bis Ende des Jahres 2026.

(10) Der Arbeitgeber hat für Beschäftigte, die nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches von der Versicherungspflicht befreit und Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, die Meldungen nach den Absätzen 1, 2 und 9 zusätzlich an die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen zu erstatten; dies gilt nicht für Meldungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 10. Die Datenübermittlung hat durch gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung aus systemgeprüften Programmen oder mittels systemgeprüfter maschinell erstellter Ausfüllhilfen zu erfolgen. Zusätzlich zu den Angaben nach Absatz 3 enthalten die Meldungen die Mitgliedsnummer des Beschäftigten bei der Versorgungseinrichtung. Die Absätze 5 bis 6a gelten entsprechend.

(11) Der Arbeitgeber hat für Beschäftigte, die nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches von der Versicherungspflicht befreit und Mitglied in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, der Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen monatliche Meldungen zur Beitragserhebung zu erstatten. Absatz 10 Satz 2 gilt entsprechend. Diese Meldungen enthalten für den Beschäftigten

1.
die Mitgliedsnummer bei der Versorgungseinrichtung oder, wenn die Mitgliedsnummer nicht bekannt ist, die Personalnummer beim Arbeitgeber, den Familien- und Vornamen, das Geschlecht und das Geburtsdatum,
2.
den Zeitraum, für den das Arbeitsentgelt gezahlt wird,
3.
das beitragspflichtige ungekürzte laufende Arbeitsentgelt für den Zahlungszeitraum,
4.
das beitragspflichtige ungekürzte einmalig gezahlte Arbeitsentgelt im Monat der Abrechnung,
5.
die Anzahl der Sozialversicherungstage im Zahlungszeitraum,
6.
den Beitrag, der bei Firmenzahlern für das Arbeitsentgelt nach Nummer 3 und 4 anfällt,
7.
die Betriebsnummer der Versorgungseinrichtung,
8.
die Betriebsnummer des Beschäftigungsbetriebes,
9.
den Arbeitgeber,
10.
den Ort des Beschäftigungsbetriebes,
11.
den Monat der Abrechnung.
Soweit nicht aus der Entgeltbescheinigung des Beschäftigten zu entnehmen ist, dass die Meldung erfolgt ist und welchen Inhalt sie hatte, gilt Absatz 5.

(12) Der Arbeitgeber hat auch für ausschließlich nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 des Siebten Buches versicherte Beschäftigte mit beitragspflichtigem Entgelt Meldungen nach den Absätzen 1 und 3 Satz 2 Nummer 2 abzugeben.

(13) (weggefallen)

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.