Sozialgericht München Teilurteil, 21. März 2016 - S 15 R 582/14

bei uns veröffentlicht am21.03.2016

Gericht

Sozialgericht München

Tenor

I.

Unter Aufhebung des Bescheids vom 13.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.03.2014 wird die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 20.08.2012 zurückzunehmen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Streitig ist eine Nachforderung in Höhe von 2504,38 €.

Der Beigeladene zu 1. führte mit Beginn vom 01.07.1997 als Einzelkaufmann ein Unternehmen im Bereich der Durchführung von Isolierungsarbeiten (Wärme-, Kälte- und Schallschutz). Hierzu beschäftigte er u. a. die Arbeitnehmer D., E., F. und G. (Beigeladene zu 2. bis 4. sowie zu 8.).

Mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 02.10.2009 wurde die vorläufige Verwaltung über das Schuldnervermögen angeordnet. Der Kläger wurde zum vorläufigen (schwachen) Insolvenzverwalter bestellt. Während der Dauer der angeordneten vorläufigen Verwaltung kündigte der Beigeladene zu 1. (nunmehr: Schuldner) die Arbeitsverhältnisse der o.g. Arbeitnehmer - mit Zustimmung des Klägers - ordentlich fristgemäß (jeweils am 23.11.2009 zum 31.12.2009). Die Arbeitnehmer wurden mit Wirkung ab dem 01.12.2009 von der Arbeit freigestellt. Nur der Arbeitnehmer E. (Beigeladener zu 3.) nahm zum 14.12.2009 wieder eine neue Beschäftigung auf.

Mit Beschluss vom 01.12.2009 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners wurde der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners bestellt.

Der Kläger erklärte ebenfalls am 01.12.2009 die Freigabe der Vermögensgegenstände aus der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners. Dies umfasse sämtliche Betriebsmittel, gewerbliches Vermögen und Inventar, soweit die Gegenstände nicht Aus- bzw. Absonderungsberechtigten zuzuordnen gewesen seien. Die Freigabeerklärung ging am gleichen Tag dem Schuldner zu. Sie wurde am 04.12.2009 durch das Insolvenzgericht öffentlich bekannt gemacht. Ein Teil der Belegschaft wurde vom Schuldner nach Freigabe des Gewerbebetriebs aus der Insolvenzmasse weiter beschäftigt.

Der Kläger zeigte zudem gegenüber dem Amtsgericht Mühldorf am Inn am 29.01.2015 die Masseunzulänglichkeit an, da die Masse voraussichtlich nicht ausreichen werde, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 20.08.2012 wurde für den Prüfzeitraum vom 01.12.2009 bis zum 31.12.2009 gegenüber dem Kläger eine Nachforderung in Höhe von 2.504,38 € festgestellt.

Die Beklagte führte aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung auch für geschuldetes und bei Fälligkeit noch nicht gezahltes, laufendes Arbeitsentgelt zu entrichten sei. Das Bundessozialgericht habe durch Urteile vom 26.11.1985 entschieden, dass der Fortbestand eines Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich nicht durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers berührt werde. Die Versicherungspflicht bestehe demnach auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bis zur rechtlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses fort. Für die vom Insolvenzverwalter weiter beschäftigten Arbeitnehmer gelte der Insolvenzverwalter als Arbeitgeber und habe die Arbeitgeberpflichten zu erfüllen.

Folglich habe für die Arbeitnehmer D., G. und F. (Beigeladene zu 2., 8. und 4.) für den Zeitraum vom 01.12.2009 bis zum 31.12.2009 und für den Arbeitnehmer E. (Beigeladener zu 3.) für den Zeitraum vom 01.12.2009 bis zum 13.12.2009 Versicherungs- und Beitragspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestanden.

Der Kläger habe diese Beiträge nicht abgeführt. Für die Nachforderung sei das bis zum 30.11.2009 regelmäßig gezahlte Arbeitsentgelt ohne Überstundenzuschläge aus November 2009 zugrunde gelegt worden.

Mit Schreiben vom 02.04.2013 bestellte sich Rechtsanwältin H. für die Rechtsanwaltskanzlei B. (nunmehr: hww) als Bevollmächtigte des Klägers. hww beantragte, den Betriebsprüfungsbescheid vom 20.08.2012 aufzuheben und die Vollziehung des Bescheids auszusetzen.

Bei Durchführung der Betriebsprüfung sei die Freigabe des schuldnerischen Gewerbebetriebs unberücksichtigt geblieben, so dass der Insolvenzverwalter zu Unrecht als Arbeitgeber und Inhaltsadressat des streitbefangenen Bescheids herangezogen worden sei. Dem Schuldner sei noch am Tag des Beschlusses über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der vollständige Gewerbebetrieb freigegeben und übergeben worden. Der Kläger sei wegen der Freigabe nicht mehr als Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinn zu betrachten. Arbeitgeber sei seit dem 01.12.2009 der Schuldner gewesen. Der Schuldner und nicht der Kläger sei Träger des Unternehmensrisikos und Adressat der Lohnzahlungspflicht und damit Arbeitgeber im sozialrechtlichen Sinne. Die Freigabeerklärung würde für alle zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Übergang der Arbeitgeberstellung auf den Schuldner führen. Die Verwaltung- und Verfügungsbefugnis, die durch die Insolvenzeröffnung zunächst auf den Insolvenzverwalter übergegangen sei, werde beendet (Bezugnahme auf LAG Niedersachsen vom 14.12.2011, Az 2 Sa 97/11; bestätigt durch BAG vom 21.11.2013; Az. 6 AZR 979/11). Auch die Gesetzesbegründung würde davon ausgehen, dass alle vertraglichen Beziehungen nach Freigabeerklärung auf den Schuldner zurückfallen würden. Die Freigabeerklärung würde das rechtliche Band zwischen der Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten selbstständigen Tätigkeit zerschneiden und die der selbstständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse von der Masse auf die Person des Schuldners überleiten (Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 09.02.2012, IX ZR 75/11).

Ein Teil der bereits gekündigten Mitarbeiter seien von dem Schuldner weiter beschäftigt worden. Um dem Zweck von § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) - Schutz der Insolvenzmasse - gerecht zu werden, seien alle Arbeitsverhältnisse auf den Schuldner zurückgefallen. Zudem seien auch alle Arbeitsverhältnisse unter analoger Anwendung der Vorschriften zum Betriebsübergang (§ 613a BGB) mit Freigabeerklärung auf den Schuldner als alleinigen Arbeitgeber am 01.12.2009 zurückgefallen.

Die Beklagte lehnte mit den angegriffenen Bescheiden vom 13.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.03.2014 die Zurücknahme des Bescheids vom 20.08.2012 ab. Dieser sei rechtmäßig an den Kläger als Arbeitgeber adressiert worden. Das Bundessozialgericht habe entschieden, dass der Fortbestand eines Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich nicht dadurch berührt werde, dass über das Vermögen des Arbeitgebers ein Konkursverfahren eröffnet werde. Die Versicherungspflicht zur Sozialversicherung bestehe daher auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur rechtlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses fort. Die Beiträge würden als sonstige Masseverbindlichkeiten gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Die Einführung von § 35 Abs. 2 InsO zum 01.01.2007 habe für die Forderung von Sozialversicherungsbeiträgen für freigestellte Arbeitnehmer gegenüber dem Insolvenzverwalter keine Folgen. Eine Freigabe der selbstständigen Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO habe keinen Einfluss auf die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehenden Arbeitsverhältnisse dahingehend, dass Beiträge zur Sozialversicherung nicht mehr gegenüber dem Insolvenzverwalter - also gegenüber der Insolvenzmasse - geltend gemacht werden könnten. Würde mit einer Freigabe ein Wiedereintritt in die Schuldnerschaft für rückständige Sozialversicherungsbeiträge des ehemaligen Arbeitgebers (d. h. vorliegend des Schuldners) einhergehen, würde dies das Ziel der Freigabe konterkarieren. Die Freigabe soll es dem Insolvenzschuldner ermöglichen, sich eine neue wirtschaftliche Basis zu schaffen. Dies würde durch den Wiedereintritt in die Schuldnerschaft erschwert oder gar unmöglich gemacht. Auswirkungen könne eine Freigabe der selbstständigen Tätigkeit lediglich auf neue, vom Schuldner nach Abgabe der Erklärung eingegangene Vertragsverhältnisse haben. Die im Bescheid vom 20.08.2012 aufgeführten Arbeitnehmer seien vom Schuldner nicht weiterbeschäftigt worden. Die Beitragsansprüche bis zum rechtlichen Ende der Beschäftigungsverhältnisse seien daher zu Recht gegenüber dem Kläger geltend gemacht worden.

Der Kläger ließ am 01.04.2014 Klage zum Sozialgericht München erheben. Die Begründung wiederholt im Wesentlichen die Argumente der Widerspruchsbegründung. Die Freigabe sei pauschal und umfassend und umfasse auch Arbeitsverhältnisse (Verweis auf Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 03.06.2010, Az. 53 CA 2104/10, sowie Arbeitsgericht Herne, Urteil vom 10.08.2010 - 2 CA 350/10). Die Auffassung der Beklagten wurde dazu führen, dass die arbeitsrechtliche und die sozialrechtliche Arbeitgeberstellung auseinanderfallen würden. Der Zweck von § 35 InsO sei vor allem der Gläubigerschutz. Gemäß der Gesetzesbegründung müsse der Insolvenzverwalter den Neuerwerb aus der Masse an den Schuldner freigeben können, wenn die Fortführung der selbstständigen Tätigkeit für die Masse nachteilig ist. Es würde hinsichtlich der Freigabe keine Differenzierung danach normiert sein, ob das freigegebene Dauerschuldverhältnis bereits gekündigt wurde oder nicht.

Weiterhin erhebt der Kläger die Einrede der Masseunzulänglichkeit. Ein Zahlungstitel dürfe gegenüber dem Kläger nicht ergehen.

Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 13.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.03.2014 verurteilt, den Betriebsprüfungs- und Beitragsbescheid vom 20.08.2012 zurückzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass eine Freigabe von Vertragsverhältnissen im Rahmen einer Negativerklärung nicht zur selbstständigen Tätigkeit des ehemaligen Arbeitgebers erfolgen könne. Die Negativerklärung habe danach keinen Einfluss auf sämtliche zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehenden Arbeitsverhältnisse (unter Bezugnahme auf den Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 5. Aufl. 2009 ohne Angabe der genauen Fundstelle oder einer Seitenzahl). Auswirkungen könne eine Negativerklärung nur auf neue, vom Schuldner nach Abgabe der Erklärung eingegangene Vertragsverhältnisse haben, so dass sich keine Auswirkungen auf die Prüfung der freigestellten Arbeitnehmer ergeben würden. Arbeitgeber der mit Insolvenzeröffnung freigestellten Arbeitnehmer sei alleine der Kläger geblieben. Der Fortbestand eines Beschäftigungsverhältnisses würde grundsätzlich nicht dadurch berührt, dass über das Vermögen des Arbeitgebers Insolvenz eröffnet wird, wobei das Beschäftigungsverhältnis allerdings längstens bis zur Aufnahme einer anderweitigen Beschäftigung fortbestehe.

Der Schuldner habe nach der Freigabeerklärung unter einer neuen Betriebsnummer seine selbstständige Tätigkeit wieder aufgenommen und mit einigen seiner früheren Arbeitnehmer neue Arbeitsverhältnisse geschlossen. Für diese Arbeitnehmer sei mit dem Beitragsbescheid vom 20.08.2012 auch keine Beitragsforderung festgestellt worden. Lediglich für die nicht weiter beschäftigten Arbeitnehmer enthalte der Beitragsbescheid entsprechende Forderungen. Nur die tatsächlich vom Schuldner weiterbeschäftigten Arbeitnehmer würden dessen selbstständiger Tätigkeit dienen, nicht aber die vom Schuldner freigestellten und nicht weiterbeschäftigten. Die Freigabeerklärung solle dem Schuldner die Möglichkeit schaffen, sich eine neue wirtschaftliche Basis aufzubauen. Dies würde erschwert werden, wenn der Schuldner ab Freigabeerklärung durch Beiträge bezüglich der freigestellten, aber nicht weiterbeschäftigten Arbeitnehmer belastet würde. Die Freigabeerklärung könne sich daher nur auf neue, vom Schuldner nach Abgabe der Freigabeerklärung eingegangene Vertragsverhältnisse und für tatsächlich weiter beschäftigte Arbeitnehmer auswirken.

Die angezeigte Masseunzulänglichkeit sei erst nach Bescheiderteilung erfolgt und könne daher nicht berücksichtigt werden. Die Masseunzulänglichkeit betreffe nicht die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Forderung, sondern lediglich die Vollstreckung gegenüber dem Kläger als Beitragsschuldner (Verweis auf SG Düsseldorf, Urteil vom 20.06.2013, S 27 R 1702/11). Masseverbindlichkeiten seien unabhängig von der Vollstreckbarkeit durch Bescheid geltend zu machen (Verweis auf BSG, Urteil vom 28.05.2015, Az. B 12 R 16/13 R).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die zulässige Klage ist auch begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Die Beklagte ist verpflichtet, den Beitragsbescheid vom 20.08.2012 gemäß § 44 Abs. 1 S.1 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) zurückzunehmen.

Von § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X werden Beiträge erfasst, die nicht oder nicht in der festgesetzten Höhe hätten erhoben werden dürfen (BeckOK SozR/Heße SGB X § 44 Rn. 19, beck-online). Vorliegend ist das Recht unrichtig angewandt worden, so dass der Beitragsbescheid vom 20.08.2012 aufzuheben ist.

Die Beklagte ist hierbei auch zuständige Behörde im Sinne von § 44 Abs. 3 SGB X. Ermächtigungsgrundlage für die Nachforderung ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.12.2015 - L 8 R 213/13 B ER -, Rn. 43, juris).

Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, d. h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d Satz 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Die Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger als Arbeitgeber der Beigeladenen zu 2. bis 4. sowie zu 8. Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ist.

Arbeitgeber ist, wer die Arbeit unmittelbar an andere vergibt und dem die Verfügung über die Arbeitskraft, die Einstellung, Verwendung und Entlassung zusteht, für dessen Rechnung das Arbeitsentgelt gezahlt wird und dem der Erfolg der Arbeitsleistung zugute kommt (vgl. Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 5 Rz. 93 f. m. w. N.). Arbeitgeber kann somit eine natürliche Person, eine Personenmehrheit (z. B. OHG) oder eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts (z. B. GmbH, AG oder Körperschaft des öffentlichen Rechts) sein (Sehnert in: Hauck/Noftz, SGB, 10/14, § 28a SGB IV, Rn. 8).

Die Beurteilung, wer Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist, muss ebenfalls nach den tatsächlichen Umständen erfolgen, die für ein entgeltliches Arbeitsverhältnis mit wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erheblich sind. Typisch für einen Arbeitgeber ist das sogenannte Unternehmerrisiko, d. h., dass er in den Genuss der Gewinne des Unternehmens kommt, aber auch für die Verluste geradestehen muss. Darüber hinaus hat er eine Weisungsbefugnis bzw. ein Direktionsrecht gegenüber den Arbeitnehmern. Er kann also bestimmen, in welcher Art, an welchem Ort, zu welcher Zeit und in welchem Umfang sie Arbeiten zu verrichten haben. Als Arbeitgeber muss grundsätzlich der Gläubiger des Anspruchs auf Arbeitsleistung und zugleich der Schuldner des Arbeitsentgelts gegenüber den Arbeitnehmern angesehen werden. Bestehen Zweifel, wer Arbeitgeber ist, kann also letztlich auf denjenigen zurückgegriffen werden, der den Lohn schuldet (BSG in BSGE 18, 190, SozR RVO § 245 Bl. Aa 1 Nr. 1 und BSG in USK 74177).

Mit Wirkung vom 01.12.2009 ist der Kläger aufgrund der Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 InsO, die dem Schuldner am selben Tag zugegangen ist, nicht mehr Arbeitgeber in diesem Sinne. Der Kläger trug weder das für den Arbeitgeber typische Unternehmerrisiko noch konnte er das Direktionsrecht gegenüber den Beigeladenen zu 2. bis 4. sowie zu 8. ausüben.

Die Rechtsansicht der Beklagten, dass zuvor vom Schuldner gekündigte und mit Insolvenzeröffnung freigestellte Arbeitsverhältnisse von der Rechtswirkung gemäß § 35 Abs. 2 InsO nicht umfasst seien, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die erkennende Kammer folgt der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (a. a. O., Rn. 15, juris), auf die sich der Kläger beruft, wonach sich die Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO bereits mit dem Zugang der Freigabeerklärung beim Schuldner ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Erklärungen verwirklicht. Allein diese Erklärung zerschneidet das rechtliche Band zwischen der Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten selbstständigen Tätigkeit und leitet die der selbstständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse von der Masse auf die Person des Schuldners über (BAG, a. a. O., unter Verweis auf BGH, Urteil vom 09.02.2012, IX ZR 75/11 - Rn. 19). Die Veröffentlichung durch das Insolvenzgericht hat hierbei lediglich deklaratorische Wirkung, so dass bezüglich der Rechtswirkungen der Freigabeerklärung auf den Zugang beim Schuldner (dh. beim Beigeladenen zu 1.) am 01.01.2009 abzustellen ist. Die Kammer schließt sich der arbeits- und zivilrechtlichen Rechtsprechung an, wonach die Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO auch Arbeitsverhältnisse umfasst, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung bereits begründet waren (BAG, a.a.O, Rn. 16).

Der Auffassung, dass sich die Freigabe nur auf die durch den Schuldner nach Zugang der Freigabeerklärung begründeten Vertragsverhältnisse beziehen würde, kann nicht gefolgt werden. Sie berücksichtigt den Sinn und Zweck von § 35 Abs. 2 InsO nicht hinreichend. Mit dem BAG (a. a. O., Rn. 19, juris) handelt es sich bei der Freigabeerklärung um eine Pauschalfreigabe, die sich auch auf zweiseitige Verträge bezieht und dabei nicht nach Typus und Inhalt der betroffenen Vertragsverhältnisse unterscheidet. Auch innerhalb der Dauerschuldverhältnisse sind keine Differenzierungen veranlasst, die sich aus der Anwendbarkeit unterschiedlicher Kündigungsfristen ergeben. Der Schuldner muss zum Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz regelmäßig eine Vielzahl von Verträgen schließen. Soweit derartige Verträge, die vor Insolvenzeröffnung vereinbart waren und mit der Eröffnung nicht in Wegfall geraten sind, im Zuge der selbstständigen Tätigkeit von dem Schuldner fortgesetzt werden sollen, kann nicht auf eine klare zeitliche Zäsur verzichtet werden, wann Rechte und Pflichten von der Masse auf den Schuldner übergehen. Beim anderen Verständnis würde § 35 Abs. 2 S. 1 InsO weitgehend seiner Funktion beraubt, einen einheitlichen Übergang des der selbstständigen Tätigkeit dienenden Vermögens einschließlich der darauf bezogenen Vertragsverhältnisse von der Masse auf den Schuldner zu bewirken. Vielmehr werden Unklarheiten weitgehend vermieden, in dem Kraft der mit dem Zugang bei dem Schuldner wirksam werdenden Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters sämtliche noch bestehenden, der selbstständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse und sich daraus ergebende Verbindlichkeiten auf den Schuldner übergeleitet werden. Der Schuldner ist zur Wahrnehmung einer selbstständigen Tätigkeit häufig auf den Fortbestand von Arbeitsverhältnissen angewiesen. Müsste der Insolvenzverwalter diese zur Verwirklichung einer Enthaftung der Masse kündigen, würden sich die Arbeitnehmer wegen der eingetretenen Insolvenz vielfach nicht entschließen, mit dem Schuldner ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen. Damit würde dem Schuldner eine unentbehrliche Betriebsgrundlage für die Fortführung seiner Tätigkeit entzogen.

Die Beklagte folgt dieser Rechtsauffassung insoweit, als sie die Auffassung vertritt, dass Arbeitsverhältnisse, die zuvor vom Schuldner mit Arbeitnehmern begründet wurden, dann von der Wirkung von § 35 Abs. 2 InsO umfasst seien, wenn diese nach Zugang der Freigabeerklärung vom Schuldner weitergeführt würden, d. h. zuvor nicht gekündigt wurden. Diese Differenzierung wird damit begründet, dass nur dann die Weiterführung der selbstständigen Tätigkeit nicht durch Beitragslasten bezüglich der gekündigten Beschäftigungsverhältnisse belastet würde. Die Auffassung übersieht aber, dass vorrangiger Zweck von § 35 Abs. 2 InsO der Gläubigerschutz ist. Der Insolvenzverwalter soll die Möglichkeit haben, die selbstständige Tätigkeit auszugliedern, um die Masse zu schützen. Zudem ist diese „vermittelnde Ansicht“ vom Gesetzeswortlaut nicht umfasst. Eine Differenzierung danach, ob das Dauerschuldverhältnis bereits gekündigt worden ist oder nicht, findet nicht statt. Auch das Bundesarbeitsgericht hat eine solche Differenzierung nicht in Betracht gezogen: Im entschiedenen Fall wurde der klagende Arbeitnehmer bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fristlos gekündigt. Das BAG entschied dennoch, dass die Passivlegitimation bezüglich der Kündigungsschutzklage durch die Freigabeerklärung vom Insolvenzverwalter auf den Schuldner übergegangen ist.

Soweit ersichtlich, folgen auch die Sozialgerichte der dargestellten zivilrechtlichen Rechtsprechung. Das BSG geht im Einklang mit dem BAG und dem BGH davon aus, dass die Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 InsO nicht nur einzelne Vermögensgegenstände, sondern eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten umfasst. Wie die obersten Zivilgerichte geht das BSG davon aus, dass die Erklärung das rechtliche Band zwischen der Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten selbstständigen Tätigkeit zerschneidet und die der selbstständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse von der Masse auf die Person des Schuldners umleiten würde (BSG, Urteil vom 10.12.2014, B 6 KA 45/13 R, Rn. 18, juris). Die von dem Schuldner ab dem Wirksamwerden der Freigabeerklärung aus der selbstständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte stünden als ihm gehörendes Vermögen grundsätzlich allein den Gläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung, deren Forderungen nach der Freigabeerklärung entstanden sind (BSG, a. a. O.). Vorliegend sind die Forderungen der Beigeladenen zu 2. bis 4. sowie zu 8. gegenüber dem Schuldner aus den übergeleiteten Arbeitsverhältnissen für den Monat Dezember 2009 erst nach Zugang der Freigabeerklärung entstanden, so dass diese aus den aus der selbstständigen Tätigkeit erzielten Einkünften des Schuldners zu befriedigen sind. Das gleiche muss dann auch für die Beitragsforderung der Beklagten gelten, die aufgrund der Arbeitsleistung der Beigeladenen zu 2. bis 4. sowie zu 8. im Dezember 2012 gemäß dem Entstehungsprinzip entstanden ist.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 29.01.2015, Az. L 9 AL 278/13) geht ebenfalls in einem obiter dictum (Rn. 47, juris, letzter Satz) davon aus, dass der Schuldner aufgrund der Freigabeerklärung (erneut) zum Arbeitgeber und damit zum Schuldner der Beitragsrückstände wird. Verneint wurde lediglich, dass die Insolvenz der nach § 35 Abs. 2 InsO ausgegliederten Masse maßgebliches Insolvenzereignis im Sinne von § 165 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ist.

Ob auch die Einrede der Masseunzulänglichkeit den Bescheid vom 20.08.2012 rechtswidrig macht, ist nicht mehr entscheidungserheblich und kann daher offen bleiben.

Nach allem war der Klage stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG mit § 154 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

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Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 14. Dezember 2011 - 2 Sa 97/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war seit dem 6. Mai 2010 bei Herrn M (im Folgenden: Schuldner) als Kraftfahrer angestellt. Der Schuldner betrieb als Einzelunternehmer einen Kurier- und Kleintransportdienst. Mit Schreiben vom 13. Mai 2010, dem Kläger zugegangen am 15. Mai 2010, kündigte der Schuldner das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos wegen Wegfalls eines Auftraggebers und bevorstehender Insolvenz.

3

Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 20. Mai 2010 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte erklärte gegenüber dem Schuldner noch mit Schreiben vom selben Tag die Freigabe der von diesem ausgeübten selbständigen Tätigkeit aus der Insolvenzmasse gemäß § 35 Abs. 2 InsO. Das Schreiben ging dem Schuldner am 21. Mai 2010 zu. Mit weiterem Schreiben vom 20. Mai 2010 informierte der Beklagte das Insolvenzgericht über die erfolgte Freigabe der selbständigen Tätigkeit. Am 25. Mai 2010 wurde die Freigabe öffentlich bekannt gemacht.

4

Mit seiner Klageschrift vom 1. Juni 2010, welche noch am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, erhob der Kläger Kündigungsschutzklage gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter.

5

Nach seiner Ansicht ist der Beklagte passiv legitimiert. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei dieser kraft Amtes in die Arbeitgeberstellung eingerückt. Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners nach § 35 Abs. 2 InsO habe daran nichts geändert. Die außerordentliche Kündigung vom 13. Mai 2010 sei mangels eines wichtigen Grundes unwirksam. Da eine Probezeit nicht vereinbart wurde, habe das Arbeitsverhältnis nur ordentlich zum 15. Juni 2010 gekündigt werden können.

6

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die außerordentliche Kündigung des Insolvenzschuldners vom 13. Mai 2010 nicht fristlos, sondern fristgemäß zum 15. Juni 2010 aufgelöst worden ist.

7

Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag mit seiner fehlenden Passivlegitimation begründet. Durch die Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 InsO gehöre der Geschäftsbetrieb des Schuldners mit allen dazugehörigen Dauerschuldverhältnissen nicht mehr zur Insolvenzmasse. Dementsprechend habe der Schuldner mit der Freigabe auch die Verfügungsbefugnis über das Arbeitsverhältnis des Klägers zurückerhalten. Folglich hätte die Kündigungsschutzklage gegen den Schuldner gerichtet werden müssen.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht mangels Passivlegitimation des Beklagten abgewiesen.

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A. Die Klage ist zulässig. Die Frage der Passivlegitimation des Beklagten berührt allein die Begründetheit und nicht die Zulässigkeit der Klage (vgl. BAG 23. Juni 2004 - 10 AZR 495/03 - zu B I der Gründe, BAGE 111, 135).

11

B. Die Klage ist unbegründet. Der beklagte Insolvenzverwalter ist nicht passiv legitimiert. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Arbeitsverhältnis des Klägers wegen der Freigabeerklärung des Beklagten nach § 35 Abs. 2 InsO bereits auf den Schuldner zurückgefallen.

12

I. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrensgeht nach § 80 Abs. 1 InsO das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dieses zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bestehen Dienstverhältnisse mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Damit kann der Schuldner als Vertragsarbeitgeber die aus der Arbeitgeberstellung fließenden Rechte und Pflichten nicht mehr ausüben; sie fallen dem Insolvenzverwalter zu. Dieser tritt in die Arbeitgeberstellung ein und übt für die Dauer des Insolvenzverfahrens statt des Vertragsarbeitgebers die Funktion des Arbeitgebers aus. Die materiell-rechtliche Funktion des Insolvenzverwalters als Arbeitgeber kraft Amtes bedingt prozessual seine Stellung als Arbeitgeber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG(vgl. GmS-OGB 27. September 2010 - GmS-OGB 1/09 - Rn. 18, BGHZ 187, 105). Ist zum Zeitpunkt der Klageerhebung ein Insolvenzverwalter bestellt, ist eine Kündigungsschutzklage folglich gegen den Insolvenzverwalter zu richten, und zwar auch dann, wenn die Kündigung noch vom Schuldner erklärt wurde (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 19; 21. September 2006 - 2 AZR 573/05 - Rn. 22).

13

II. Eine Kündigungsschutzklage ist aber auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner zu richten, wenn dieser eine selbständige Tätigkeit ausübt und der Insolvenzverwalter das Vermögen aus dieser Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse freigegeben hat. Mit Zugang der Freigabeerklärung bei dem Schuldner fällt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisse ohne gesonderte Kündigung an den Schuldner zurück.

14

1. Übt der Schuldner als natürliche Person eine selbständige Tätigkeit aus, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO zu erklären, ob Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Die Erklärung ist dem Gericht gegenüber nach § 35 Abs. 3 Satz 1 InsO anzuzeigen. Falls das Insolvenzgericht nicht die Unwirksamkeit der Erklärung anordnet ( § 35 Abs. 2 Satz 3 InsO ), wird das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit durch eine Freigabeerklärung von der Insolvenzmasse gelöst. Der im Rahmen der selbständigen Tätigkeit erzielte Neuerwerb gehört nicht zur Insolvenzmasse. Korrespondierend dazu wird die Masse von den Verbindlichkeiten freigestellt, die der Schuldner im Rahmen der selbständigen Tätigkeit begründet (vgl. Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 35 InsO Rn. 99; MünchKommInsO/Peters 3. Aufl. § 35 Rn. 47c, 47h; Smid DZWIR 2008, 133). § 35 Abs. 2 InsO dient damit sowohl dem Interesse des Schuldners als auch dem Schutz der Masse. Das Gericht hat die Freigabeerklärung öffentlich bekannt zu machen ( § 35 Abs. 3 Satz 2 InsO ).

15

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 35 Abs. 2 InsO nach seinem Sinn und Zweck dahin gehend auszulegen, dass die Freigabeerklärung auch Dauerschuldverhältnisse ohne die Notwendigkeit einer Kündigungserklärung erfasst(BGH 9. Februar 2012 - IX ZR 75/11 - Rn. 15 f., BGHZ 192, 322). Die Vorschrift solle dem Schuldner nach der Vorstellung des Gesetzgebers ermöglichen, im Einverständnis mit dem Insolvenzverwalter eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen oder fortzusetzen. Die Freigabe erstrecke sich folgerichtig auf das Vermögen des Schuldners, das seiner gewerblichen Tätigkeit gewidmet ist, „einschließlich der dazu gehörenden Vertragsverhältnisse“ (BT-Drucks. 16/3227 S. 17; BGH 9. Juni 2011 - IX ZB 175/10 - Rn. 7). Die freigabeähnliche Erklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO betreffe demnach im Unterschied zu der in § 32 Abs. 3 Satz 1 InsO als zulässig vorausgesetzten echten Freigabe nicht nur einzelne Vermögensgegenstände, sondern eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten(BT-Drucks. 16/3227 S. 26 f.). Die Freigabe verwirkliche sich ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Erklärungen bereits mit dem Zugang der Freigabeerklärung bei dem Schuldner (BGH 18. April 2013 - IX ZR 165/12 - Rn. 21). Allein die Erklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO zerschneide das rechtliche Band zwischen der Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten selbständigen Tätigkeit und leite die der selbständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse von der Masse auf die Person des Schuldners über(BGH 9. Februar 2012 - IX ZR 75/11 - Rn. 19, BGHZ 192, 322). Die Veröffentlichung der Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 3 Satz 2 InsO sei keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Freigabe und rein deklaratorischer Natur(BGH 9. Februar 2012 - IX ZR 75/11 - Rn. 24, aaO).

16

3. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an. Die Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO erfasst auch Arbeitsverhältnisse, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung bereits begründet waren. Eine gesonderte Kündigung der Arbeitsverhältnisse ist nicht erforderlich.

17

a) In der Literatur wird allerdings vertreten, dass sich die Freigabe nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO nur auf die durch den Schuldner danach begründeten Vertragsverhältnisse bezieht. Auf vor der Freigabe begründete Vertragsverhältnisse sollen nach dieser Auffassung die §§ 103, 108 f. InsO anzuwenden sein (vgl. Berger ZInsO 2008, 1101; FK-InsO/Schumacher 6. Aufl. § 35 Rn. 20; Wischemeyer ZInsO 2009, 2121; Wischemeyer/Schur ZInsO 2007, 1240; Windel Anm. AP InsO § 35 Nr. 1 zu III 2 b). Den Vertragspartnern, dh. auch den Arbeitnehmern, dürfe die Haftung der Insolvenzmasse (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO)nicht durch eine Freigabe entzogen werden (vgl. auch Windel RdA 2012, 366). Demnach müsse der Insolvenzverwalter entscheiden, ob er Vertragserfüllung verlangt oder den Vertrag kündigt. Tetzlaff regt an, dass der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer mit der Freigabeerklärung auffordert, sich zu erklären, ob er für den Schuldner tätig bleiben oder Ansprüche gegen die Insolvenzmasse geltend machen will. Entscheide sich der Arbeitnehmer für Letzteres, müsse gekündigt werden (jurisPR-InsR 3/2011 Anm. 6; vgl. auch Hergenröder DZWIR 2013, 251).

18

b) Diese Auffassungen berücksichtigen Sinn und Zweck des § 35 Abs. 2 InsO nicht hinreichend.

19

aa) Bei § 35 Abs. 2 InsO handelt es sich um eine Pauschalfreigabe(vgl. BAG 16. Mai 2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 51), die sich im Gegensatz zur „echten Freigabe“ von Massegegenständen auch auf zweiseitige Verträge bezieht und dabei nicht nach Typus und Inhalt der betroffenen Vertragsverhältnisse unterscheidet (zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 35 Abs. 2 und 3 InsO vgl. BAG 10. April 2008 - 6 AZR 368/07 - Rn. 23, BAGE 126, 229; 5. Februar 2009 - 6 AZR 110/08 - Rn. 25, BAGE 129, 257). Auch innerhalb der Dauerschuldverhältnisse sind daher keine Differenzierungen veranlasst, die sich aus der Anwendbarkeit unterschiedlicher Kündigungsfristen ergeben. Der Schuldner muss zum Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz regelmäßig eine Vielzahl von Verträgen schließen. Soweit derartige Verträge, die vor Insolvenzeröffnung vereinbart wurden und mit der Eröffnung nicht in Wegfall geraten sind, im Zuge der selbständigen Tätigkeit von dem Schuldner fortgesetzt werden sollen, kann nicht auf eine klare zeitliche Zäsur verzichtet werden, wann Rechte und Pflichten von der Masse auf den Schuldner übergehen. Da es sich dabei regelmäßig um ein Bündel von Rechtsbeziehungen handelt, wäre es kaum praktikabel, auf die dem Insolvenzverwalter im Rahmen der §§ 103 f. InsO eröffneten, höchst unterschiedlich ausgestalteten Lösungsrechte abzustellen. Bei diesem Verständnis würde § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO weitgehend seiner Funktion beraubt, einen einheitlichen Übergang des der selbständigen Tätigkeit dienenden Vermögens einschließlich der darauf bezogenen Vertragsverhältnisse von der Masse auf den Schuldner zu bewirken. Vielmehr werden Unklarheiten weitgehend vermieden, indem kraft der mit dem Zugang bei dem Schuldner wirksam werdenden Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters sämtliche noch fortbestehenden, der selbständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse und sich daraus ergebende Verbindlichkeiten auf den Schuldner übergeleitet werden. Die Anknüpfung an den Zugang der Freigabeerklärung bei dem Schuldner gestattet insoweit eine eindeutige zeitliche Differenzierung ( BGH 9. Februar 2012 - IX ZR 75/11 - Rn. 30, BGHZ 192, 322; zustimmend Bartels KTS 2012, 381; Pape/Pape ZInsO 2013, 685; vgl. bereits Ries ZInsO 2009, 2030).

20

bb) Diese Überlegungen sprechen dafür, dass die Wirkung der Freigabeerklärung ohne gesonderte Kündigung auch Arbeitsverhältnisse erfasst (so im Ergebnis auch Ahrens KSzW 2012, 303; Lindemann BB 2011, 2357; Ries ZInsO 2009, 2030; MünchKommInsO/Peters 3. Aufl. § 35 Rn. 47f; Stiller ZInsO 2010, 1374; Haarmeyer ZInsO 2007, 696; Nungeßer NZI 2012, 359; MünchKommInsO/Hefermehl § 55 Rn. 114; HambKomm/Lüdtke 3. Aufl. § 35 Rn. 262 f.; Nerlich/Römermann/Andres InsO Stand April 2008 § 35 Rn. 108 f.; Braun/Bäuerle InsO 5. Aufl. § 35 Rn. 72). Zudem ist der Schuldner zur Wahrnehmung einer selbständigen Tätigkeit häufig auf den Fortbestand von Arbeitsverhältnissen angewiesen. Müsste der Insolvenzverwalter diese zur Verwirklichung einer Enthaftung der Masse kündigen, würden sich die Arbeitnehmer wegen der eingetretenen Insolvenz vielfach nicht entschließen, mit dem Schuldner ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen. Damit würde dem Schuldner eine unentbehrliche Betriebsgrundlage für die Fortführung seiner Tätigkeit entzogen (vgl. BGH 9. Februar 2012 - IX ZR 75/11 - Rn. 26, BGHZ 192, 322; FK-InsO/Bornemann 7. Aufl. § 35 Rn. 13c; HambKomm/Lüdtke § 35 Rn. 263; Stiller ZInsO 2010, 1374, 1375). Das legislatorische Ziel, dem Insolvenzverwalter die Freigabe verlustreicher Betriebsführung zu ermöglichen, könnte zudem nicht konsequent erreicht werden, wenn die Wirkung der Freigabe erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, dh. gegebenenfalls erst nach der dreimonatigen Frist des § 113 Satz 2 InsO, einträte(vgl. Lindemann BB 2011, 2357, 2360 mwN).

21

cc) Auch der in den Gesetzesmaterialien enthaltene Hinweis auf die Regelung des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO(BT-Drucks. 16/3227 S. 17) vermag nicht die Notwendigkeit einer zusätzlichen Kündigungserklärung des Insolvenzverwalters zum Zweck der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Wirkung für die Masse zu begründen. Durch den Hinweis auf § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO hat der Gesetzgeber lediglich beispielhaft die auch in anderem Zusammenhang bestehende Möglichkeit einer Enthaftung der Insolvenzmasse betont, aber gerade nicht die dort geregelten Kündigungsfristen für verbindlich erklärt(BGH 9. Februar 2012 - IX ZR 75/11 - Rn. 24, BGHZ 192, 322).

22

c) Die Freigabeerklärung wirkt mit ihrem Zugang bei dem Schuldner ex nunc (BAG 16. Mai 2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 51). Ein Wirksamwerden der Freigabeerklärung erst mit Ablauf der Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO ist auch nicht mit Blick auf berechtigte Arbeitnehmerinteressen geboten(so aber Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 35 InsO Rn. 101; Berscheid jurisPR-ArbR 14/2011 Anm. 6). § 113 InsO begründet kein schutzwürdiges Interesse der Arbeitnehmer bis zu einem Kündigungstermin vorrangig als Massegläubiger befriedigt zu werden. Mit § 113 InsO werden lediglich die Kündigungsfristen von Alt-Arbeitsverträgen zugunsten der Insolvenzmasse verkürzt. Ein etwaiges Vertrauen auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die hieraus folgende Lohnzahlungspflicht hat der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss dem Schuldner entgegengebracht, nicht dem Insolvenzverwalter. Mit Freigabe des Arbeitsverhältnisses stellt der Insolvenzverwalter den Zustand wieder her, der vor Insolvenzeröffnung bestand, da dem Schuldner nicht die Möglichkeit zu einer vorzeitigen Vertragsbeendigung nach § 113 InsO gegeben ist(Braun/Bäuerle InsO 5. Aufl. § 35 Rn. 72).

23

III. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war der beklagte Insolvenzverwalter wegen der Wirkung der dem Schuldner bereits am 21. Mai 2010 zugegangenen Freigabeerklärung nicht mehr passiv legitimiert. Die zu § 613a BGB ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht dem nicht entgegen.

24

1. Der Kläger hat den Rückfall seines Arbeitsverhältnisses nicht in direkter oder analoger Anwendung von § 613a Abs. 6 BGB durch Erklärung eines Widerspruchs verhindert.

25

a) Dies käme nur in Betracht, wenn der beklagte Insolvenzverwalter dem Beschlag der Masse unterliegende Betriebsmittel freigegeben hätte, die sich als eine „Einheit“ im Sinne der zu § 613a BGB ergangenen Rechtsprechung darstellen, und das Arbeitsverhältnis dieser „Einheit“ zugeordnet gewesen wäre. Für diesen Fall hat der Senat angenommen, dass aufgrund der vergleichbaren Interessenlage eine entsprechende Anwendung des § 613a BGB geboten wäre, dh. das Arbeitsverhältnis würde auf den Schuldner im Zuge der Freigabe „übergehen“, wenn der Arbeitnehmer nicht entsprechend § 613a Abs. 6 BGB widerspricht(BAG 10. April 2008 -  6 AZR 368/07  - Rn. 23, BAGE 126, 229; 5. Februar 2009 - 6 AZR 110/08 - Rn. 26, BAGE 129, 257 ). Ein Widerspruch würde hingegen den Rückfall an den Schuldner verhindern, der Insolvenzverwalter bliebe passiv legitimiert.

26

b) Ob nach Inkrafttreten des § 35 Abs. 2 InsO von einer Anwendbarkeit des § 613a BGB auszugehen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung(befürwortend Ahrens NJW-Spezial 2012, 341; ders. KSzW 2012, 303; Nungeßer NZI 2012, 359; Windel RdA 2012, 366; Henkel Anm. EWiR 2008, 687; ablehnend Ries NZI 2009, 2030; Lindemann BB 2011, 2357; differenzierend Wischemeyer ZInsO 2009, 937). Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die vom beklagten Insolvenzverwalter freigegebenen Betriebsmittel eine „Einheit“ im Sinne von § 613a BGB gebildet haben. Er hat auch nicht behauptet, dass er dem Rückfall seines Arbeitsverhältnisses widersprochen habe. Die von ihm gerügte fehlende Unterrichtung gemäß § 613a Abs. 5 BGB könnte nur bewirken, dass die Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu laufen begann.

27

2. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich eine Passivlegitimation des Beklagten schließlich nicht unter entsprechender Heranziehung der Rechtsprechung zum Betriebsübergang, die eine Passivlegitimation des kündigenden Betriebsveräußerers für eine Kündigungsschutzklage auch dann annimmt, wenn nach der Kündigungserklärung ein Betriebsübergang stattfindet (vgl. BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - zu B III 1 a der Gründe mwN). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, dass derjenige, der die Kündigung erklärt hat, auch bei einem späteren Betriebsübergang für die Klärung der Wirksamkeit der Kündigung zuständig sein soll (vgl. BAG 16. Mai 2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 62). Hier hat der Kläger aber gerade nicht den Kündigenden, dh. den Schuldner, verklagt. Im Übrigen befindet sich der Schuldner infolge der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO auch nicht in einer dem Betriebsveräußerer, sondern dem Betriebserwerber vergleichbaren Position.

28

C. Der Kläger hat die Kosten der Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    M. Geyer    

        

    Steinbrück    

                 
19
(1) Die Bestimmung des § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO soll dem Schuldner nach der Vorstellung des Gesetzgebers ermöglichen, im Einverständnis mit dem Insolvenzverwalter eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen oder fortzusetzen. Die Freigabe erstreckt sich folgerichtig auf das Vermögen des Schuldners , das seiner gewerblichen Tätigkeit gewidmet ist, "einschließlich der dazu gehörenden Vertragsverhältnisse" (BT-Drucks., aaO; vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011, aaO; HmbKomm-InsO/Lüdtke, aaO, § 35 Rn. 262). Die freigabeähnliche Erklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO betrifft demnach im Unterschied zu der in § 32 Abs. 3 Satz 1 InsO als zulässig vorausgesetzten echten Freigabe nicht nur einzelne Vermögensgegenstände, sondern eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten (BT-Drucks., aaO, S. 26 f). Die Freigabe verwirklicht sich ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Erklärungen bereits mit dem Zugang der Freigabeerklärung bei dem Schuldner (Haarmeyer, aaO, S. 697; Ries, aaO, S. 2033; HmbKomm-InsO/Lüdtke, aaO, § 35 Rn. 257). Allein die Erklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO zerschneidet das rechtliche Band zwischen der Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten selbstän- digen Tätigkeit (vgl. Holzer, ZVI 2007, 289, 292; Haarmeyer, aaO) und leitet die der selbständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse von der Masse auf die Person des Schuldners über (vgl. Zipperer, aaO).

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 101 046,18 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, hier noch darüber, ob und in welchem Umfang ein prüfender Rentenversicherungsträger diese Beiträge durch Leistungs- bzw Zahlungsbescheid festsetzen durfte.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der K. GmbH, über deren Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf am 1.8.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Er stellte anschließend Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung frei. Zum 31.1.2010 gab er den Geschäftsbetrieb vollständig auf; letzter Beschäftigungsmonat für die Arbeitnehmer war Januar 2010. Unter dem 1.2.2010 gab der Kläger die Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 Insolvenzordnung) ab.

3

Nach einer "Ad-hoc"-Betriebsprüfung (= Arbeitgeberprüfung nach § 28p Abs 1 S 3 SGB IV) des Geschäftsbetriebs der GmbH einschließlich aller Unterbetriebe (Prüfzeitraum 1.8.2009 bis 30.6.2010) durch den beklagten Rentenversicherungsträger erhob dieser mit gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der insolventen GmbH erlassenem Bescheid vom 6.8.2010 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 101 046,18 Euro als sonstige Masseverbindlichkeiten nach. Die Beklagte forderte unter Fristsetzung die Zahlung dieses Betrags an die im Rechtsstreit zu 2. bis 19. beigeladenen Einzugsstellen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, zum einen seien für die freigestellten Arbeitnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Beitragsnachweise bei den zuständigen Einzugsstellen eingereicht worden, zum anderen seien sämtliche Meldungen für diesen Personenkreis mit einem fehlerhaften Meldegrund ("Grund 30 statt 71") versehen gewesen und es hätten Abmeldungen zum rechtlichen Ende der Beschäftigung ("Grund 72") gefehlt. Nach der Rechtsprechung des BSG werde der Fortbestand von Beschäftigungsverhältnissen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt; Versicherungs- und Beitragspflicht bestünden bis zur rechtlichen Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse, längstens bis zur Aufnahme einer anderen Beschäftigung fort. Die Beklagte erteilte in dem Bescheid ua folgende Hinweise: Die Höhe des Nachforderungsbetrages könne sich künftig noch ändern, etwa wenn sich herausstelle, dass Arbeitnehmer vor dem Auslaufen der Kündigungsfristen neue Arbeitsverhältnisse eingegangen seien, oder bei Ersatzfällen nach dem SGB III. Inwieweit Zahlungspflichten nach der InsO im Einzelfall tatsächlich bestünden, sei nicht vom Rentenversicherungsträger, sondern im Rahmen des Beitragseinzugs von den Einzugsstellen in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Eine Minderung der im Prüfbescheid ausgewiesenen Beitragsforderungen erfolge erst nach einer "Sollkorrektur" im Arbeitgeberkonto und dem Erlass eines entsprechenden Beitragsbescheids; rückständige Beiträge seien von der Einzugsstelle zur Tabelle anzumelden.

4

Mit seinem Widerspruch teilte der Kläger zunächst mit, gegen die ermittelten Beitragsansprüche "dem Grunde nach" keine Einwendungen zu erheben, wandte sich aber gegen die "Feststellung des vollen Nachforderungsbetrags zu Gunsten der Einzugsstellen" sowie dessen "Fälligstellung unter Zahlungsfristsetzung" und verwies auf das insolvenzrechtliche Vollstreckungsverbot nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 210 InsO). Darüber hinaus sei der Arbeitgeber in den Fällen der arbeitsförderungsrechtlichen Gleichwohlgewährung im Umfang der Beitragsentrichtung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA = Beigeladene zu 1.) von der Zahlungspflicht befreit. Er könne nicht darauf verwiesen werden, diesbezügliche Einwendungen gegenüber den Einzugsstellen geltend zu machen. Der Kläger reichte Unterlagen der Beigeladenen zu 1. zu "Anspruchsübergängen nach § 115 SGB X" und deren Bescheid vom 11.11.2010 über die Festsetzung ihres Anspruchs gegen den Kläger auf Beitragsersatz ein.

5

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5.5.2011 unter Hinweis darauf zurück, dass über spätere Änderungen versicherungs- und beitragsrechtlicher Relevanz die Einzugsstellen durch Bescheid befänden, der eigenständig überprüft werden könne. Mit der Entscheidung der Einzugsstelle erledige sich dann der Prüfbescheid auf andere Weise, ohne dass es dann noch eines Änderungs- oder Aufhebungsbescheides bedürfe.

6

Das SG hat die dagegen gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Rentenversicherungsträger dürfe die rückständigen Beiträge nach § 28p Abs 1 S 5 iVm § 28e SGB IV mit Leistungsbescheid fordern. Das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO stehe insoweit nicht entgegen, weil der Erlass eines Leistungsbescheids noch keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung sei; dieses hindere erst auf der zweiten Stufe des im Falle einer Betriebsprüfung zweigeteilten Verfahrens eine Durchsetzung der Beitragsforderung durch die Einzugsstellen. Der Leistungsbescheid des Rentenversicherungsträgers schaffe erst die Grundlage für das Beitragsverfahren. Ebenso wenig sei der Nachforderungsbescheid wegen der zugunsten des Arbeitgebers wirkenden Befreiungsregelung in § 335 Abs 3 S 2 SGB III rechtswidrig. Da sich Grund und Umfang der Befreiung von der Zahlungsverpflichtung nach dem Ersatzanspruch der Beigeladenen zu 1. richteten, spreche dies dafür, dass der Befreiungseinwand gegenüber den Einzugsstellen geltend zu machen sei. Er stehe dann als Erfüllungseinwand der in die Zuständigkeit der Einzugsstellen fallenden Durchsetzung des Zahlungsanspruchs entgegen (Urteil vom 20.6.2013).

7

Mit seiner Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung von § 28p SGB IV, § 335 Abs 3 SGB III, § 33 SGB X und § 210 InsO. Das SG habe Inhalt und Tragweite dieser Vorschriften verkannt. Soweit § 210 InsO für Masseverbindlichkeiten nach § 209 Abs 1 Nr 3 InsO, zu denen auch Beitragsforderungen gehörten, ein Vollstreckungsverbot anordne, dürfe ein Leistungsbescheid nicht (mehr) ergehen. Zwar stelle ein solcher Bescheid keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung dar. Er sei jedoch unverhältnismäßig und verstoße gegen das Übermaßverbot, weil er über eine bloße Forderungsfeststellung hinaus keine Wirkungen entfalten könne. Der Leistungsbescheid erwecke demgegenüber den Anschein einer unbedingten Leistungsverpflichtung, die aber so nicht (mehr) durchgesetzt werden könne. Auf Parallelen zum Ordnungsrecht und Steuerrecht könne sich das SG für seine Auffassung nicht berufen. Das erstinstanzliche Gericht negiere auch den Regelungsgehalt des § 335 Abs 3 S 2 SGB III. Soweit der Arbeitgeber nach dieser Regelung im Umfang der Gleichwohlgewährung durch die Beigeladene zu 1. von seiner Beitragszahlungspflicht an die Einzugsstellen befreit sei, stelle der Nachforderungsbescheid Leistungsverpflichtungen fest, die in voller Höhe gar nicht mehr bestünden; die Beitragsschuld sei insoweit vielmehr bereits von der Beigeladenen zu 1. getilgt. Der Arbeitgeber könne auch nicht darauf verwiesen werden, den Erfüllungseinwand erst später, auf der Ebene der Anspruchsdurchsetzung durch die Einzugsstellen zu erheben. Dieses Ergebnis lasse sich weder durch die "Funktion als Beitragsnachweis" erklären noch sei es sachgerecht. Der Bescheid der Beklagten sei schließlich inhaltlich unbestimmt, weil die Verminderung der Zahlungsverpflichtung um die von der Beigeladenen zu 1. entrichteten Beiträge bei der Tenorierung überhaupt keinen Niederschlag gefunden habe.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,

        

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Juni 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2011 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO greife erst auf der zweiten Stufe des Beitragserhebungsverfahrens, also dann, wenn die Einzugsstellen die vom Rentenversicherungsträger festgesetzte Nachforderung durchsetzten.

11

Die zu 1. beigeladene BA weist - ohne einen eigenen Antrag zu stellen - ua darauf hin, dass eine Erfüllungswirkung ihrer Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge nicht angenommen werden könne, weil sie Beiträge auf das Arbeitslosengeld, nicht auf das Arbeitsentgelt entrichte und somit eine eigene Beitragsschuld erfülle, nicht dagegen diejenige des Arbeitgebers. Auch seien in diesen Fällen die Gläubiger der Sozialversicherungsbeiträge nicht identisch. Die Entsprechung sei "rein betragsmäßig", die Nachforderungssumme aber gleichwohl "im Umfang der Befreiung" zu mindern.

12

Die zu 2. bis 19. beigeladenen Einzugsstellen stellen keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Sprungrevision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden konnte (§ 124 Abs 2 SGG), ist unbegründet und zurückzuweisen.

14

Zutreffend hat das SG die Klage gegen den vom beklagten Rentenversicherungsträger im Rahmen der Betriebsprüfung (Arbeitgeberprüfung) erlassenen Bescheid vom 6.8.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 5.5.2011 abgewiesen. Das angegriffene erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte war insbesondere befugt, die Beitragssumme gegenüber dem Kläger durch Nachforderungsbescheid "mit Fälligstellung und Zahlungsfristsetzung" festzusetzen (dazu 1.). Sie durfte die rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge - gegen deren (materiell-rechtliche) Berechtigung und rechnerische Ermittlung der Kläger "dem Grunde nach" keine Einwendungen erhebt - auch in der genannten Höhe verlangen; die angefochtenen Bescheide sind zudem inhaltlich hinreichend bestimmt (dazu 2.).

15

1. Die Beklagte war berechtigt, den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der insolventen K. GmbH für die rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge auch noch nach seiner Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) am 1.2.2010 durch Erlass eines Nachforderungsbescheides in Anspruch zu nehmen. Die Rechtslage unterscheidet sich insoweit aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Besonderheiten maßgebend von derjenigen - vom Kläger hervorgehobenen - im Arbeitsrecht, wonach einer Leistungsklage des Arbeitnehmers nach vom Insolvenzverwalter angezeigter Masseunzulänglichkeit bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlen soll (vgl dazu BAG Urteil vom 11.12.2001 - 9 AZR 459/00, AP Nr 1 zu § 209 InsO).

16

a) Nach § 28p Abs 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 SGB X nicht(Satz 5).

17

Im Interesse einer wirksamen Beitragsüberwachung, die eine enge Zusammenarbeit der Einzugsstellen und der Rentenversicherungsträger erfordert, verpflichtet § 28p Abs 1 S 3 SGB IV die Einzugsstellen außerdem, den für den Arbeitgeber zuständigen Rentenversicherungsträger zu unterrichten, wenn ihnen Tatsachen bekannt werden, die beim Arbeitgeber eine alsbaldige Prüfung erforderlich erscheinen lassen. Die Voraussetzungen der Unterrichtungspflicht sind dann gegeben, wenn Anhaltspunkte für eine Prüfung aus besonderen Gründen bestehen; solche können in der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen (vgl hierzu die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuchs - 3. SGBÄndG, BT-Drucks 13/1205 S 6 zu Art 1 Nr 3 <§ 28p>, hier zu Absatz 1). In den Fällen eines Insolvenzereignisses etwa veranlassen die Einzugsstellen "ad-hoc"-Betriebsprüfungen (Arbeitgeberprüfungen) durch die Rentenversicherungsträger.

18

b) Zeigt der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an, so wird die Vollstreckung einer (Alt)Masseverbindlichkeit iS des § 209 Abs 1 Nr 3 InsO nach § 210 InsO unzulässig (Vollstreckungsverbot). Das - von Amts wegen zu beachtende - Vollstreckungsverbot für Massegläubiger wird kraft Gesetzes mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter wirksam. Sinn und Zweck des § 210 InsO ist, die Befriedigung der Massegläubiger in einem gesetzmäßigen Verfahren zu erreichen und zu verhindern, dass nachrangige (Alt)Massegläubiger zulasten der vorrangigen Gläubiger nach § 209 Abs 1 Nr 1 und 2 InsO durch Einzelvollstreckung die volle Befriedigung ihrer Forderungen durchsetzen und auf diese Weise die Insolvenzmasse vorzeitig entleeren(vgl Hefermehl in Kirchhof/Eidenmüller/Stürner, Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl 2013, § 210 RdNr 1, 3; Uhlenbruck in Berscheid/Hirte/Lüer/Maus/Sinz/Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl 2003, § 210 RdNr 1; Weis in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl 2001, § 210 RdNr 1). Das Vollstreckungsverbot erfasst Zwangsvollstreckungsmaßnahmen jeder Art; es bezieht sich auf alle Verfahren, die zu einer Vollstreckung in die Insolvenzmasse führen (vgl Hefermehl, aaO, § 210 RdNr 7; Uhlenbruck, aaO, § 210 RdNr 3) und gilt damit auch für Verwaltungsbehörden als (Alt)Massegläubiger (vgl - für § 60 KO und Vollstreckungen des Finanzamts in die Konkursmasse - schon BFHE 181, 202, 203 f = BStBl II 1996, 511).

19

In der finanzgerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings geklärt (vgl etwa BFHE 218, 432, 434 = BStBl II 2008, 322; Sächsisches OVG NVwZ-RR 2013, 333 f = ZIP 2013, 424; s auch - zur Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Vornahme vertretbarer Handlungen im Immissionsschutzrecht trotz Vollstreckungsverbots nach § 210 InsO - VGH Mannheim NVwZ-RR 2012, 460, 461 f = ZIP 2012, 1819), dass abgabenrechtliche Forderungen gegen den Insolvenzverwalter auch dann (noch) durch Verwaltungsakt festgesetzt werden dürfen, wenn dieser bereits die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs 1 InsO angezeigt hat. Im Hinblick auf die in der Abgabenordnung (AO) angelegte systematische Trennung zwischen Festsetzungs- (§§ 155 ff AO) und Erhebungsverfahren (§§ 218 ff AO) schränke das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO lediglich die Befugnis ein, den Verwaltungsakt zu vollstrecken, nicht aber, ihn zu erlassen. Die Festsetzung der Abgabenschuld durch Verwaltungsakt wird hierbei als Grundlage für die Verwirklichung (Erhebung) der Abgabe betrachtet. Nichts anderes kann im Kern in Bezug auf sozialversicherungsrechtliche Beitragsforderungen gelten. Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Einwendungen können nicht überzeugen.

20

c) Vor dem dargestellten Hintergrund durfte auch die Beklagte die Beitragssumme dem Kläger gegenüber trotz eines - möglicherweise bestehenden - Vollstreckungsverbots nach § 210 InsO durch Leistungs- bzw Zahlungsbescheid festsetzen und musste sich nicht - wie der Kläger meint - auf eine (bloße) Feststellung der Forderung beschränken(so aber LSG Baden-Württemberg ZIP 2015, 396 ff, Revision beim Senat anhängig unter dem Aktenzeichen B 12 R 2/15 R; LSG Baden-Württemberg Urteile vom 16.12.2014 - L 11 R 1115/14 und L 11 R L 11 R 1116/14 - Juris RdNr 22, Revisionen anhängig unter B 12 R 3/15 R und B 12 R 4/15 R; aA wohl SG Duisburg Urteil vom 8.11.2010 - S 21 R 187/09). Insbesondere erweist sich ein solches Leistungs- bzw Zahlungsgebot nicht deshalb als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, nur weil es aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht vollstreckt werden könnte.

21

Der Senat kann offenlassen, welchen Rang die Verpflichtung zur Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen im Gefüge des Insolvenzrechts einnimmt, dh, ob sie den (Alt-)Masseverbindlichkeiten des § 209 Abs 1 Nr 3 InsO zuzuordnen ist oder nicht und ob § 210 InsO insoweit (überhaupt) zur Anwendung gelangt oder nicht(im erstgenannten Sinne LSG Baden-Württemberg ZIP 2015, 396, 398, Revision beim Senat anhängig unter dem Aktenzeichen B 12 R 2/15 R; aA wohl SG Stuttgart Urteil vom 3.11.2011 - S 5 R 2494/11 - Juris RdNr 12). Denn selbst wenn die Beitreibung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge wegen eines Verbots der Einzelzwangsvollstreckung nach § 210 InsO unzulässig sein sollte, schlüge dies jedenfalls nicht auf die Befugnis der Beklagten durch, gegenüber dem Kläger einen Nachforderungsbescheid zu erlassen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, berücksichtigt der Kläger bereits nicht, dass der Erlass eines zur Zahlung verpflichtenden Verwaltungsakts als solcher selbst noch keine Vollstreckungsmaßnahme darstellt, wie sie § 210 InsO verbietet. Er beachtet außerdem nicht, dass der Leistungs- und Zahlungsbescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV erst die Grundlage für das Beitragsverfahren schafft. Ob ein solcher Bescheid dann vollstreckt werden darf oder ob die zwangsweise Durchsetzung der Beitragsforderung wegen eines insolvenzrechtlichen Vollstreckungsverbots ausscheidet, ist erst auf einer späteren Ebene von den Krankenkassen (als Einzugsstellen) beim Einzug der Beiträge und hier in einem letzten, selbstständigen Verfahrensabschnitt zu prüfen, wenn die vom Arbeitgeber geschuldete Beitragssumme nicht freiwillig gezahlt wird.

22

Zu Recht hat das SG im Übrigen darauf hingewiesen, dass das Verfahren zur Erhebung (§ 76 Abs 1 SGB IV) von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen im Fall einer Betriebsprüfung durch die Träger der Rentenversicherung zweigeteilt ist. Seit 1.1.1999 liegt die Überprüfung von Arbeitgebern nicht mehr - wie bis dahin - bei den Krankenkassen als Einzugsstellen, sondern obliegt den Rentenversicherungsträgern, die diese grundsätzlich in alleiniger Verantwortung durchzuführen haben (zu den Gründen und der stufenweisen Einführung der Prüfzuständigkeit der Rentenversicherungsträger vgl die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines 3. SGBÄndG, BT-Drucks 13/1205 S 6 zu Art 1 Nr 3 <§ 28p>, hier zu Absatz 1, sowie Neidert DRV 1995, 651, 654 ff; ferner Sehnert in Hauck/Noftz, SGB IV, Stand März 2014, K § 28p RdNr 3 ff). In der Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger liegt seither die Prüfung der ordnungsgemäßen Erledigung der melde- und beitragsrechtlichen Pflichten der Arbeitgeber, während die laufende Überwachung des Meldeverfahrens (vgl § 28a SGB IV) und - in diesem Zusammenhang - der Einreichung der Beitragsnachweise und der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags sowie der Beitragseinzug, hier die Geltendmachung von (rückständigen) Beiträgen, weiterhin den Einzugsstellen übertragen ist (vgl § 28h Abs 1 S 2 und 3 SGB IV). Auf die Rentenversicherungsträger "ausgelagert" ist danach nur die turnusmäßige (Außen)Prüfung, also die Prüfung "vor Ort" in den Unternehmen (vgl hierzu etwa Schlegel in Küttner, Personalbuch 2015, 22. Aufl, "Außenprüfung" RdNr 12; ferner Wehrhahn in Kasseler Komm, Stand März 2013, § 28p SGB IV RdNr 6; Neidert DRV 195, 651, 657). Die Einzelheiten dieser Prüfung sind in der Beitragsverfahrensordnung - BVV - vom 3.5.2006 (BGBl I 1138) geregelt.

23

Zwar trifft es zu, dass die Rentenversicherungsträger nach Maßgabe des § 28p Abs 1 S 5 SGB IV (umfassend) ermächtigt sind, im Rahmen der Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und - ausdrücklich auch zur - Beitragshöhe einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern zu erlassen; die hierfür (sonst) bestehende Zuständigkeit der Einzugsstellen nach § 28h Abs 2 S 1 SGB IV tritt insoweit zurück(§ 28p Abs 1 S 5 Halbs 2 SGB IV). Sie dürfen - wie jene - auch die Handlungsform des Verwaltungsakts in der Gestalt eines Leistungs- bzw Zahlungsgebots einsetzen. Macht ein Rentenversicherungsträger von der ihm durch § 28p Abs 1 S 5 SGB IV eingeräumten Befugnis zur Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen Gebrauch, so kommt seinem Leistungs- bzw Zahlungsbescheid aber gleichwohl nur der Charakter eines Grundlagenbescheides für die Erhebung der Beiträge zu, weil Betriebsprüfungen ihrerseits eine über die bloße Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung nicht entfalten(vgl zuletzt - im Zusammenhang mit einer geforderten Entlastungswirkung für Arbeitgeber - BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5, RdNr 24; BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 19). Die Betriebsprüfung hat insbesondere den Zweck, den Einzugsstellen durch Sicherstellung von Arbeitgeberunterlagen und -aufzeichnungen eine Berechnungsgrundlage zu verschaffen, damit diese die notwendigen Schritte zur Geltendmachung von Ansprüchen auf (rückständige) Beiträge (vgl § 28h Abs 1 S 3 SGB IV) unternehmen können; im Insolvenzverfahren hat der Nachforderungsbescheid des Rentenversicherungsträgers vor allem die Funktion, den Einzugsstellen die Glaubhaftmachung ihrer Beitragsforderungen zu ermöglichen, wenn - wie im vorliegenden Fall - Beitragsnachweise und/oder Meldungen des Arbeitgebers fehlen bzw unvollständig oder unzutreffend sind (vgl § 28f Abs 3 S 3 SGB IV). In diesem Sinne regelt ein im Rahmen einer Betriebsprüfung erlassener Leistungs- bzw Zahlungsbescheid des Rentenversicherungsträgers für die Einzugsstellen verbindlich die maximale Höhe der (rückständigen) Gesamtsozialversicherungsbeiträge als Ausgangsbasis für den Beitragseinzug (so auch SG Duisburg Urteil vom 8.11.2010 - S 21 R 187/09). Der Beitragseinzug ist nach der dem Beitrags(erhebungs)verfahren des SGB IV immanenten Trennung zwischen Überprüfung des Arbeitgebers einerseits und seiner Überwachung sowie der Geltendmachung von Beitragsansprüchen andererseits (vgl hierzu den Zusammenhang zwischen § 28h Abs 1 S 2 und 3, § 28p Abs 1 S 3, Abs 3, § 76 Abs 3 und 4 SGB IV) nämlich Sache der Einzugsstellen als Gläubiger der Beitragsforderungen und von diesen in einem gesonderten Verwaltungsverfahren vorzunehmen, wenn wegen versicherungs- und/oder beitragsrechtlicher Änderungen eine Abweichung von den Prüffeststellungen in Betracht kommt. Erst der (Leistungs- bzw Zahlungs-)Bescheid des Rentenversicherungsträgers schafft die Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Beitragsschuldverhältnis und vermittelt insoweit den Nachweis einer Rechtsstellung, ohne gleichzeitig bereits die Funktion eines Vollstreckungstitels im engeren Sinne zu haben, die Verwaltungsakten mit einem Leistungs- bzw Zahlungsgebot üblicherweise zukommt. Dass der Bescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers - wie der Kläger einwendet - "ein Verhalten abverlangt", das "rechtmäßiger Weise gar nicht mehr durchgesetzt werden kann", ist vor diesem Hintergrund - wegen der vom Gesetz vorgegebenen und von den Versicherungsträgern zu beachtenden Zweiteilung der Aufgaben - am Maßstab des Rechtsstaatsprinzips nicht zu beanstanden. Rechte der Betroffenen im Insolvenzverfahren werden dadurch schon mit Blick auf § 209 InsO nicht beeinträchtigt, zumal es sich bei Insolvenzverwaltern - wie dem Kläger - um sachkundige Adressaten solcher Bescheide der Rentenversicherungsträger handelt, denen (trotz aus Laiensicht möglicherweise zu Missverständnissen Anlass gebenden Bescheidformulierungen) ohne Weiteres die Funktion der aufgezeigten Vorgehensweise der Träger (= Ersetzung fehlender bzw fehlerhafter Arbeitgebermeldungen gegenüber den Einzugsstellen) klar sein muss und die aufgrund ihrer Fachkenntnis von der betroffenen Materie keinen Zweifel daran haben können, dass durch deren Vorgehen keineswegs bereits eine Regelung der endgültigen und ohne Weiteres der Vollstreckung fähigen Beitragsforderung vorgenommen wird(dazu auch näher sogleich).

24

2. Die Beklagte durfte die Gesamtsozialversicherungsbeiträge gegenüber dem Kläger auch in Höhe von 101 046,18 Euro festsetzen.

25

Die angefochtenen Bescheide sind nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte im Hinblick auf § 335 Abs 3 S 2, Abs 5 SGB III gehalten gewesen wäre, die rückständigen Beiträge von Beginn an in niedrigerer Höhe zu ermitteln oder ihre Summe im Widerspruchsverfahren im Wege der Teilabhilfe bzw später durch "Bescheidkorrektur" zu reduzieren(dazu a). Die Bescheide sind auch nicht etwa inhaltlich zu unbestimmt, weil - wie der Kläger vorträgt - unter den Beteiligten "Einigkeit darüber bestehen" dürfte, dass die von der Beklagten "austenorierte" Gesamtforderung gegenüber den Einzugsstellen später wegen beitragsrechtlicher Veränderungen nicht in voller Höhe beglichen werden muss (dazu b).

26

a) Nach § 335 Abs 3 S 2, Abs 5 SGB III wird der Arbeitgeber von seiner Verpflichtung befreit, Beiträge (auf das Arbeitsentgelt) an die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu entrichten, soweit er der BA (= Beigeladene zu 1.) Sozialversicherungsbeiträge zu ersetzen hat, die diese für dieselbe Zeit im Zusammenhang mit einer "Gleichwohlgewährung" von Arbeitslosengeld - nach § 143 Abs 3 S 1 SGB III in der hier maßgebenden, bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung - (auf das Arbeitslosengeld) entrichtet hat. Die Befreiung des Arbeitgebers von der Entrichtungsverpflichtung reicht damit dem Grunde und der Höhe nach so weit, wie der Ersatzanspruch der BA besteht; dieser Anspruch entsteht mit der Entrichtung der Beiträge durch die BA an die Einzugsstellen (vgl noch zu § 160 Abs 1 S 2 AFG BSG SozR 2200 § 29 Nr 13 S 34 f). Darüber hinaus verbleibt es bei der Pflicht des Arbeitgebers zur Entrichtung von (Gesamt)Sozialversicherungsbeiträgen auf das Arbeitsentgelt an die zuständigen Einzugsstellen (vgl zB Wagner in GK-SGB III, Stand August 2014, § 335 RdNr 9; Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III nF, Stand September 2014, § 335 RdNr 77; ferner Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 335 RdNr 33).

27

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass aus einer "Freistellung" von der Entrichtungsverpflichtung im Sinne des § 335 Abs 3 S 2 SGB III für das Beitrags(festsetzungs)verfahren "Konsequenzen zu ziehen" seien und auch in einem im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV erlassenen Verwaltungsakt der Rentenversicherungsträger berücksichtigt werden müsse, dass und in welchem Umfang Zahlungspflichten des Arbeitgebers nach § 335 Abs 3 S 2 SGB III entfallen seien; andernfalls - so der Kläger - würden dort Leistungspflichten festgelegt, die (jedenfalls teilweise) nicht mehr bestünden, weil die zu 1. beigeladene BA die Beitragsschuld des Arbeitgebers insoweit getilgt habe. Der Kläger meint, die vollumfängliche, nicht um die von der BA bereits entrichteten Beiträge verminderte Nachforderung in den angefochtenen Bescheiden lasse sich auch nicht - wie das SG angenommen habe - mit deren angeblicher "Funktion als Beitragsnachweis" begründen. Dem ist nicht zu folgen.

28

Der Senat kann offenlassen, ob eine Befreiung des Arbeitgebers von der Verpflichtung zur Entrichtung von (Gesamt)Sozialversicherungsbeiträgen nach § 335 Abs 3 S 2 SGB III schon dann eintritt, wenn die zu 1. beigeladene BA - wie hier mit Schreiben vom 11.11.2010 - ihren Anspruch auf Beitragsersatz durch Bescheid gegenüber dem Arbeitgeber festgesetzt hat, oder ob hierfür allgemein hinzukommen muss, dass diese auf Ersatz gerichtete Forderung der BA auch tatsächlich beglichen wurde (ablehnend insoweit SG Dortmund Urteil vom 4.5.2012 - S 34 R 84/11); einem solchen Erfordernis wäre allerdings im Insolvenzverfahren nur schwer zu genügen. Jedenfalls gibt die "Freistellung" des Arbeitgebers von der Entrichtungsverpflichtung diesem nicht - wie der Kläger (im Anschluss an SG Düsseldorf ZIP 2010, 1814, 1815, SG Stuttgart Urteil vom 3.11.2011 - S 5 R 2494/11 - Juris RdNr 15 und SG Dortmund Urteil vom 4.5.2012 - S 34 R 84/11) meint - einen von den Rentenversicherungsträgern bei der Festsetzung von Beitragsnachforderungen im Rahmen einer Betriebsprüfung zu beachtenden Erfüllungseinwand. Zutreffend weist die Beigeladene zu 1. im Revisionsverfahren nämlich darauf hin, dass sie mit ihrer Beitragszahlung anlässlich der "Gleichwohlgewährung" nicht etwa eine Beitragsschuld des Arbeitgebers, sondern eine eigene Beitragsschuld erfüllt; denn die Beigeladene zu 1. führt Beiträge - wegen einer Versicherungspflicht aufgrund des Leistungsbezugs (vgl § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V, § 3 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB VI, § 20 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB XI)- nur auf das Arbeitslosengeld ab und nicht etwa - wegen einer Versicherungspflicht aufgrund (fortbestehender) Beschäftigung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI)- auf das Arbeitsentgelt. Gegen die Beurteilung als Erfüllungseinwand spricht auch, dass ein solcher Einwand dann in funktionswidriger Weise letztlich immer schon dann eingriffe, wenn die Beiträge auf das Arbeitslosengeld von der BA tatsächlich gezahlt wurden.

29

In diesem Sinne verschafft § 335 Abs 3 S 2 SGB III dann, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen, dem Arbeitgeber nur einen Einwand der Zahlungsbefreiung, der - wie Beklagte und Beigeladene zu 1. zutreffend ausführen - verhindern soll, dass der Arbeitgeber der Gefahr einer Doppelbelastung ausgesetzt ist. Es soll vermieden werden, dass der Arbeitgeber Beiträge faktisch doppelt - zum einen auf das Arbeitslosengeld und zum anderen auf das Arbeitsentgelt - entrichtet bzw trotz Beitragsersatz nach § 335 Abs 3 S 1 SGB III den vollen Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlt. Der Befreiungseinwand besteht damit - wie die Beigeladene zu 1. richtig vorträgt - lediglich im Hinblick auf eine "betragsmäßige Entsprechung" der Beiträge, ohne dass eine Erfüllungswirkung eintreten kann. Dieser Einwand der Zahlungsbefreiung ist aufgrund der dargestellten Zweiteilung des Beitrags(erhebungs)verfahrens im Fall der Betriebsprüfung (dazu oben 1. c) gegenüber den Einzugsstellen vorzubringen, denen der Bescheid nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV für den Inhalt des mit ihnen konkret bestehenden Beitragsrechtsverhältnisses eine Berechnungsgrundlage und - im Insolvenzverfahren - ein Mittel der Glaubhaftmachung ihrer Beitragsforderungen(vgl § 28f Abs 3 S 3 SGB IV) verschafft.

30

Dass die von der zu 1. beigeladenen BA geleisteten Sozialversicherungsbeiträge von der mit einem Bescheid der Rentenversicherungsträger nachgeforderten Beitragssumme nicht "in Abzug" zu bringen sind und dass der Arbeitgeber mit seinem Einwand der Zahlungsbefreiung erst auf das Verfahren vor den Einzugsstellen beim Vollzug der Beitragsforderung verwiesen werden muss, ist - entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung - auch sachgerecht. Er trägt selbst vor, dass die Geltendmachung der "Anspruchsübergänge" durch die BA und ihre bescheidmäßige Festsetzung des Anspruchs auf Beitragsersatz gegenüber dem Arbeitgeber "oftmals recht zögerlich" erfolgen. Ein Zuwarten vertrüge sich aber nicht mit der schon oben beschriebenen (dazu 1. a) Funktion von Betriebsprüfungen in Fällen eines Insolvenzereignisses, auf ein berechtigtes Prüfersuchen der Einzugsstellen hin "ad hoc" die Höhe noch bestehender Beitragsforderungen zu ermitteln. Auch hätte der Arbeitgeber bei einem solchen Verfahrensverständnis nicht "anstelle der Behörde" über eigene Berechnungen herauszufinden, welche Beitragssumme er letztlich an die Einzugsstellen zahlen muss; denn mit dem an ihn gerichteten Festsetzungsbescheid der BA über den Ersatz der von ihr anlässlich der "Gleichwohlgewährung" geleisteten Sozialversicherungsbeiträge wäre der Umfang der "Freistellung" von der Zahlungsverpflichtung einfach nachzuweisen. Auch ist nicht nachzuvollziehen, warum eine Geltendmachung des Befreiungseinwands gegenüber den Einzugsstellen beim Vollzug der Beitragsforderung eine doppelte Inanspruchnahme des Arbeitgebers weniger wirkungsvoll verhindern können soll als in dem Fall, in dem der Befreiungseinwand bereits dem (prüfenden) Rentenversicherungsträger entgegenzusetzen wäre.

31

b) War die Beklagte nach alledem berechtigt, mit Bescheiden nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV die (rückständigen) Gesamtsozialversicherungsbeiträge in voller Höhe nachzufordern, so sind diese Bescheide - entgegen der vom Kläger(im Anschluss an SG Düsseldorf ZIP 2010, 1814, 1815) vertretenen Ansicht - auch in Übereinstimmung mit § 33 Abs 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt.

32

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

33

4. Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des Betrags der streitigen Beitragsforderung festzusetzen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber und in den Fällen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben die Deutsche Rentenversicherung Bund zu zahlen. Die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht. Ist ein Träger der Kranken- oder Rentenversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit der Arbeitgeber, gilt der jeweils für diesen Leistungsträger oder, wenn eine Krankenkasse der Arbeitgeber ist, auch der für die Pflegekasse bestimmte Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag als gezahlt; dies gilt für die Beiträge zur Rentenversicherung auch im Verhältnis der Träger der Rentenversicherung untereinander.

(2) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers haftet bei einem wirksamen Vertrag der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge, soweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden sind. Er kann die Zahlung verweigern, solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist. Zahlt der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer, obwohl der Vertrag nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes unwirksam ist, so hat er auch den hierauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen. Hinsichtlich der Zahlungspflicht nach Satz 3 gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber; beide haften insoweit als Gesamtschuldner.

(2a) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht, die sich für den Arbeitgeber knappschaftlicher Arbeiten im Sinne von § 134 Absatz 4 des Sechsten Buches ergibt, haftet der Arbeitgeber des Bergwerkbetriebes, mit dem die Arbeiten räumlich und betrieblich zusammenhängen, wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers von Seeleuten nach § 13 Absatz 1 Satz 2 haften Arbeitgeber und Reeder als Gesamtschuldner.

(3a) Ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 101 Absatz 2 des Dritten Buches beauftragt, haftet für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Satz 1 gilt entsprechend für die vom Nachunternehmer gegenüber ausländischen Sozialversicherungsträgern abzuführenden Beiträge. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(3b) Die Haftung nach Absatz 3a entfällt, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt. Ein Verschulden des Unternehmers ist ausgeschlossen, soweit und solange er Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers durch eine Präqualifikation nachweist, die die Eignungsvoraussetzungen nach § 6a der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2019 (BAnz. AT 19.02.2019 B2) erfüllt.

(3c) Ein Unternehmer, der Bauleistungen im Auftrag eines anderen Unternehmers erbringt, ist verpflichtet, auf Verlangen der Einzugstelle Firma und Anschrift dieses Unternehmers mitzuteilen. Kann der Auskunftsanspruch nach Satz 1 nicht durchgesetzt werden, hat ein Unternehmer, der einen Gesamtauftrag für die Erbringung von Bauleistungen für ein Bauwerk erhält, der Einzugsstelle auf Verlangen Firma und Anschrift aller Unternehmer, die von ihm mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt wurden, zu benennen.

(3d) Absatz 3a gilt ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 275 000 Euro, wobei für Schätzungen die Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624) in der jeweils geltenden Fassung gilt.

(3e) Die Haftung des Unternehmers nach Absatz 3a erstreckt sich in Abweichung von der dort getroffenen Regelung auf das von dem Nachunternehmer beauftragte nächste Unternehmen, wenn die Beauftragung des unmittelbaren Nachunternehmers bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände als ein Rechtsgeschäft anzusehen ist, dessen Ziel vor allem die Auflösung der Haftung nach Absatz 3a ist. Maßgeblich für die Würdigung ist die Verkehrsanschauung im Baubereich. Ein Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift, das als Umgehungstatbestand anzusehen ist, ist in der Regel anzunehmen,

a)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer weder selbst eigene Bauleistungen noch planerische oder kaufmännische Leistungen erbringt oder
b)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer weder technisches noch planerisches oder kaufmännisches Fachpersonal in nennenswertem Umfang beschäftigt oder
c)
wenn der unmittelbare Nachunternehmer in einem gesellschaftsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Hauptunternehmer steht.
Besonderer Prüfung bedürfen die Umstände des Einzelfalles vor allem in den Fällen, in denen der unmittelbare Nachunternehmer seinen handelsrechtlichen Sitz außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums hat.

(3f) Der Unternehmer kann den Nachweis nach Absatz 3b Satz 2 anstelle der Präqualifikation auch für den Zeitraum des Auftragsverhältnisses durch Vorlage von lückenlosen Unbedenklichkeitsbescheinigungen der zuständigen Einzugsstellen für den Nachunternehmer oder den von diesem beauftragten Verleiher erbringen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung enthält Angaben über die ordnungsgemäße Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und die Zahl der gemeldeten Beschäftigten.

(3g) Für einen Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, der im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig ist und der einen anderen Unternehmer mit der Beförderung von Paketen beauftragt, gelten die Absätze 3a, 3b Satz 1, 3e und 3f entsprechend. Absatz 3b Satz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Präqualifikation die Voraussetzung erfüllt, dass der Nachunternehmer in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen ist oder über eine Zertifizierung verfügt, die jeweils den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 (ABl. L 337 vom 19.12.2017, S. 19) geändert worden ist, entsprechen. Für einen Unternehmer, der im Auftrag eines anderen Unternehmers Pakete befördert, gilt Absatz 3c entsprechend. Beförderung von Paketen im Sinne dieses Buches ist

a)
die Beförderung adressierter Pakete mit einem Einzelgewicht von bis zu 32 Kilogramm, soweit diese mit Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen erfolgt,
b)
die stationäre Bearbeitung von adressierten Paketen bis zu 32 Kilogramm mit Ausnahme der Bearbeitung im Filialbereich.

(3h) Die Bundesregierung berichtet unter Beteiligung des Normenkontrollrates zum 31. Dezember 2023 über die Wirksamkeit und Reichweite der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge für die Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, die im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig sind und einen anderen Unternehmer mit der Beförderung von Paketen beauftragen, insbesondere über die Haftungsfreistellung nach Absatz 3b und Absatz 3f Satz 1.

(4) Die Haftung umfasst die Beiträge und Säumniszuschläge, die infolge der Pflichtverletzung zu zahlen sind, sowie die Zinsen für gestundete Beiträge (Beitragsansprüche).

(5) Die Satzung der Einzugsstelle kann bestimmen, unter welchen Voraussetzungen vom Arbeitgeber Vorschüsse auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag verlangt werden können.

Die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt. Satz 1 gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten. Die nicht nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten gelten zusammen mit den Beiträgen zur Rentenversicherung und Arbeitsförderung im Sinne des Satzes 1 ebenfalls als Gesamtsozialversicherungsbeitrag.

(1) Der Arbeitgeber oder ein anderer Meldepflichtiger hat der Einzugsstelle für jeden in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung kraft Gesetzes Versicherten

1.
bei Beginn der versicherungspflichtigen Beschäftigung,
2.
bei Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung,
3.
bei Eintritt eines Insolvenzereignisses,
4.
(weggefallen)
5.
bei Änderungen in der Beitragspflicht,
6.
bei Wechsel der Einzugsstelle,
7.
bei Anträgen auf Altersrenten oder Auskunftsersuchen des Familiengerichts in Versorgungsausgleichsverfahren,
8.
bei Unterbrechung der Entgeltzahlung,
9.
bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses,
10.
auf Anforderung der Einzugsstelle nach § 26 Absatz 4 Satz 2,
11.
bei Antrag des geringfügig Beschäftigten nach § 6 Absatz 1b des Sechsten Buches auf Befreiung von der Versicherungspflicht,
12.
bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt,
13.
bei Beginn der Berufsausbildung,
14.
bei Ende der Berufsausbildung,
15.
bei Wechsel im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2024 von einem Beschäftigungsbetrieb im Beitrittsgebiet zu einem Beschäftigungsbetrieb im übrigen Bundesgebiet oder umgekehrt,
16.
bei Beginn der Altersteilzeitarbeit,
17.
bei Ende der Altersteilzeitarbeit,
18.
bei Änderung des Arbeitsentgelts, wenn die Geringfügigkeitsgrenze über- oder unterschritten wird,
19.
bei nach § 23b Absatz 2 bis 3 gezahltem Arbeitsentgelt oder
20.
bei Wechsel im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2024 von einem Wertguthaben, das im Beitrittsgebiet und einem Wertguthaben, das im übrigen Bundesgebiet erzielt wurde,
eine Meldung zu erstatten. Jede Meldung sowie die darin enthaltenen Datensätze sind mit einem eindeutigen Kennzeichen zur Identifizierung zu versehen.

(1a) (weggefallen)

(2) Der Arbeitgeber hat jeden am 31. Dezember des Vorjahres Beschäftigten nach Absatz 1 zu melden (Jahresmeldung).

(2a) Der Arbeitgeber hat für jeden in einem Kalenderjahr Beschäftigten, der in der Unfallversicherung versichert ist, zum 16. Februar des Folgejahres eine besondere Jahresmeldung zur Unfallversicherung zu erstatten. Diese Meldung enthält über die Angaben nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3, 6 und 9 hinaus folgende Angaben:

1.
die Unternehmernummer nach § 136a des Siebten Buches;
2.
die Betriebsnummer des zuständigen Unfallversicherungsträgers;
3.
das in der Unfallversicherung beitragspflichtige Arbeitsentgelt in Euro und seine Zuordnung zur jeweilig anzuwendenden Gefahrtarifstelle.
Arbeitgeber, die Mitglied der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sind und für deren Beitragsberechnung der Arbeitswert keine Anwendung findet, haben Meldungen nach Satz 2 Nummer 1 bis 3 nicht zu erstatten. Abweichend von Satz 1 ist die Meldung bei Eintritt eines Insolvenzereignisses, bei einer endgültigen Einstellung des Unternehmens oder bei der Beendigung aller Beschäftigungsverhältnisse mit der nächsten Entgeltabrechnung, spätestens innerhalb von sechs Wochen, abzugeben.

(3) Die Meldungen enthalten für jeden Versicherten insbesondere

1.
seine Versicherungsnummer, soweit bekannt,
2.
seinen Familien- und Vornamen,
3.
sein Geburtsdatum,
4.
seine Staatsangehörigkeit,
5.
Angaben über seine Tätigkeit nach dem Schlüsselverzeichnis der Bundesagentur für Arbeit,
6.
die Betriebsnummer seines Beschäftigungsbetriebes,
7.
die Beitragsgruppen,
7a.
(weggefallen)
8.
die zuständige Einzugsstelle und
9.
den Arbeitgeber.
Zusätzlich sind anzugeben
1.
bei der Anmeldung
a)
die Anschrift,
b)
der Beginn der Beschäftigung,
c)
sonstige für die Vergabe der Versicherungsnummer erforderliche Angaben,
d)
nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 die Angabe, ob zum Arbeitgeber eine Beziehung als Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling besteht,
e)
nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 die Angabe, ob es sich um eine Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung handelt,
f)
die Angabe der Staatsangehörigkeit,
2.
bei allen Entgeltmeldungen
a)
eine Namens-, Anschriften- oder Staatsangehörigkeitsänderung, soweit diese Änderung nicht schon anderweitig gemeldet ist,
b)
das in der Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung beitragspflichtige Arbeitsentgelt in Euro, in den Fällen, in denen kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in der Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung vorliegt, das beitragspflichtige Arbeitsentgelt in der Krankenversicherung,
c)
in Fällen, in denen die beitragspflichtige Einnahme in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 20 Absatz 2a oder § 134 bemessen wird, das Arbeitsentgelt, das ohne Anwendung dieser Regelung zu berücksichtigen wäre,
d)
der Zeitraum, in dem das angegebene Arbeitsentgelt erzielt wurde,
e)
Wertguthaben, die auf die Zeit nach Eintritt der Erwerbsminderung entfallen,
f)
für geringfügig Beschäftigte zusätzlich die Steuernummer des Arbeitgebers, die Identifikationsnummer nach § 139b der Abgabenordnung des Beschäftigten und die Art der Besteuerung.
g)
(weggefallen)
h)
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
bei der Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 19
a)
das Arbeitsentgelt in Euro, für das Beiträge gezahlt worden sind,
b)
im Falle des § 23b Absatz 2 der Kalendermonat und das Jahr der nicht zweckentsprechenden Verwendung des Arbeitsentgelts, im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers jedoch der Kalendermonat und das Jahr der Beitragszahlung.

(3a) Der Arbeitgeber oder eine Zahlstelle nach § 202 Absatz 2 des Fünften Buches hat in den Fällen, in denen für eine Meldung keine Versicherungsnummer des Beschäftigten oder Versorgungsempfängers vorliegt, im Verfahren nach Absatz 1 eine Meldung zur Abfrage der Versicherungsnummer an die Datenstelle der Rentenversicherung zu übermitteln; die weiteren Meldepflichten bleiben davon unberührt. Die Datenstelle der Rentenversicherung übermittelt dem Arbeitgeber oder der Zahlstelle unverzüglich durch Datenübertragung die Versicherungsnummer oder den Hinweis, dass die Vergabe der Versicherungsnummer mit der Anmeldung erfolgt.

(3b) Der Arbeitgeber hat auf elektronische Anforderung der Einzugsstelle mit der nächsten Entgeltabrechnung die notwendigen Angaben zur Einrichtung eines Arbeitgeberkontos elektronisch zu übermitteln. Das Nähere über die Angaben, die Datensätze und das Verfahren regeln die Gemeinsamen Grundsätze nach § 28b Absatz 1.

(4) Arbeitgeber haben den Tag des Beginns eines Beschäftigungsverhältnisses spätestens bei dessen Aufnahme an die Datenstelle der Rentenversicherung nach Satz 2 zu melden, sofern sie Personen in folgenden Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen beschäftigen:

1.
im Baugewerbe,
2.
im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe,
3.
im Personenbeförderungsgewerbe,
4.
im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe,
5.
im Schaustellergewerbe,
6.
bei Unternehmen der Forstwirtschaft,
7.
im Gebäudereinigungsgewerbe,
8.
bei Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen,
9.
in der Fleischwirtschaft,
10.
im Prostitutionsgewerbe,
11.
im Wach- und Sicherheitsgewerbe.
Die Meldung enthält folgende Angaben über den Beschäftigten:
1.
den Familien- und die Vornamen,
2.
die Versicherungsnummer, soweit bekannt, ansonsten die zur Vergabe einer Versicherungsnummer notwendigen Angaben (Tag und Ort der Geburt, Anschrift),
3.
die Betriebsnummer des Arbeitgebers und
4.
den Tag der Beschäftigungsaufnahme.
Die Meldung wird in der Stammsatzdatei nach § 150 Absatz 1 und 2 des Sechsten Buches gespeichert. Die Meldung gilt nicht als Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1.

(4a) Der Meldepflichtige erstattet die Meldungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 10 an die zuständige Einzugsstelle. In der Meldung sind insbesondere anzugeben:

1.
die Versicherungsnummer des Beschäftigten,
2.
die Betriebsnummer des Beschäftigungsbetriebes,
3.
das monatliche laufende und einmalig gezahlte Arbeitsentgelt, von dem Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung für das der Ermittlung nach § 26 Absatz 4 zugrunde liegende Kalenderjahr berechnet wurden.

(5) Der Meldepflichtige hat der zu meldenden Person den Inhalt der Meldung in Textform mitzuteilen; dies gilt nicht, wenn die Meldung ausschließlich auf Grund einer Veränderung der Daten für die gesetzliche Unfallversicherung erfolgt.

(6) Soweit der Arbeitgeber eines Hausgewerbetreibenden Arbeitgeberpflichten erfüllt, gilt der Hausgewerbetreibende als Beschäftigter.

(6a) Beschäftigt ein Arbeitgeber, der

1.
im privaten Bereich nichtgewerbliche Zwecke oder
2.
mildtätige, kirchliche, religiöse, wissenschaftliche oder gemeinnützige Zwecke im Sinne des § 10b des Einkommensteuergesetzes
verfolgt, Personen geringfügig nach § 8, kann er auf Antrag abweichend von Absatz 1 Meldungen auf Vordrucken erstatten, wenn er glaubhaft macht, dass ihm eine Meldung auf maschinell verwertbaren Datenträgern oder durch Datenübertragung nicht möglich ist.

(7) Der Arbeitgeber hat der Einzugsstelle für einen im privaten Haushalt Beschäftigten anstelle einer Meldung nach Absatz 1 unverzüglich eine vereinfachte Meldung (Haushaltsscheck) mit den Angaben nach Absatz 8 Satz 1 zu erstatten, wenn das Arbeitsentgelt nach § 14 Absatz 3 aus dieser Beschäftigung regelmäßig die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt. Der Arbeitgeber kann die Meldung nach Satz 1 auch durch Datenübertragung aus systemgeprüften Programmen oder mit maschinell erstellten Ausfüllhilfen übermitteln. Der Arbeitgeber hat der Einzugsstelle gesondert ein Lastschriftmandat zum Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu erteilen. Die Absätze 2 bis 5 gelten nicht.

(8) Der Haushaltsscheck enthält

1.
den Familiennamen, Vornamen, die Anschrift und die Betriebsnummer des Arbeitgebers,
2.
den Familiennamen, Vornamen, die Anschrift und die Versicherungsnummer des Beschäftigten; kann die Versicherungsnummer nicht angegeben werden, ist das Geburtsdatum des Beschäftigten einzutragen,
3.
die Angabe, ob der Beschäftigte im Zeitraum der Beschäftigung bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt ist, und
4.
a)
bei einer Meldung bei jeder Lohn- oder Gehaltszahlung den Zeitraum der Beschäftigung, das Arbeitsentgelt nach § 14 Absatz 3 für diesen Zeitraum sowie am Ende der Beschäftigung den Zeitpunkt der Beendigung,
b)
bei einer Meldung zu Beginn der Beschäftigung deren Beginn und das monatliche Arbeitsentgelt nach § 14 Absatz 3, die Steuernummer des Arbeitgebers, die Identifikationsnummer nach § 139b der Abgabenordnung des Beschäftigten und die Art der Besteuerung,
c)
bei einer Meldung wegen Änderung des Arbeitsentgelts nach § 14 Absatz 3 den neuen Betrag und den Zeitpunkt der Änderung,
d)
bei einer Meldung am Ende der Beschäftigung den Zeitpunkt der Beendigung,
e)
bei Erklärung des Verzichts auf Versicherungsfreiheit nach § 230 Absatz 8 Satz 2 des Sechsten Buches den Zeitpunkt des Verzichts,
f)
bei Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Absatz 1b des Sechsten Buches den Tag des Zugangs des Antrags beim Arbeitgeber.
Bei sich anschließenden Meldungen kann von der Angabe der Anschrift des Arbeitgebers und des Beschäftigten abgesehen werden.

(9) Soweit nicht anders geregelt, gelten für versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreite geringfügig Beschäftigte die Absätze 1 bis 6 entsprechend. Eine Jahresmeldung nach Absatz 2 ist für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Absatz 1 Nummer 2 nicht zu erstatten.

(9a) Für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Absatz 1 Nummer 2 hat der Arbeitgeber bei der Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zusätzlich anzugeben, wie diese für die Dauer der Beschäftigung krankenversichert sind. Die Evaluierung der Regelung erfolgt im Rahmen eines Berichts der Bundesregierung über die Wirkung der Maßnahme bis Ende des Jahres 2026.

(10) Der Arbeitgeber hat für Beschäftigte, die nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches von der Versicherungspflicht befreit und Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, die Meldungen nach den Absätzen 1, 2 und 9 zusätzlich an die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen zu erstatten; dies gilt nicht für Meldungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 10. Die Datenübermittlung hat durch gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung aus systemgeprüften Programmen oder mittels systemgeprüfter maschinell erstellter Ausfüllhilfen zu erfolgen. Zusätzlich zu den Angaben nach Absatz 3 enthalten die Meldungen die Mitgliedsnummer des Beschäftigten bei der Versorgungseinrichtung. Die Absätze 5 bis 6a gelten entsprechend.

(11) Der Arbeitgeber hat für Beschäftigte, die nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches von der Versicherungspflicht befreit und Mitglied in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, der Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen monatliche Meldungen zur Beitragserhebung zu erstatten. Absatz 10 Satz 2 gilt entsprechend. Diese Meldungen enthalten für den Beschäftigten

1.
die Mitgliedsnummer bei der Versorgungseinrichtung oder, wenn die Mitgliedsnummer nicht bekannt ist, die Personalnummer beim Arbeitgeber, den Familien- und Vornamen, das Geschlecht und das Geburtsdatum,
2.
den Zeitraum, für den das Arbeitsentgelt gezahlt wird,
3.
das beitragspflichtige ungekürzte laufende Arbeitsentgelt für den Zahlungszeitraum,
4.
das beitragspflichtige ungekürzte einmalig gezahlte Arbeitsentgelt im Monat der Abrechnung,
5.
die Anzahl der Sozialversicherungstage im Zahlungszeitraum,
6.
den Beitrag, der bei Firmenzahlern für das Arbeitsentgelt nach Nummer 3 und 4 anfällt,
7.
die Betriebsnummer der Versorgungseinrichtung,
8.
die Betriebsnummer des Beschäftigungsbetriebes,
9.
den Arbeitgeber,
10.
den Ort des Beschäftigungsbetriebes,
11.
den Monat der Abrechnung.
Soweit nicht aus der Entgeltbescheinigung des Beschäftigten zu entnehmen ist, dass die Meldung erfolgt ist und welchen Inhalt sie hatte, gilt Absatz 5.

(12) Der Arbeitgeber hat auch für ausschließlich nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 des Siebten Buches versicherte Beschäftigte mit beitragspflichtigem Entgelt Meldungen nach den Absätzen 1 und 3 Satz 2 Nummer 2 abzugeben.

(13) (weggefallen)

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

19
(1) Die Bestimmung des § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO soll dem Schuldner nach der Vorstellung des Gesetzgebers ermöglichen, im Einverständnis mit dem Insolvenzverwalter eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen oder fortzusetzen. Die Freigabe erstreckt sich folgerichtig auf das Vermögen des Schuldners , das seiner gewerblichen Tätigkeit gewidmet ist, "einschließlich der dazu gehörenden Vertragsverhältnisse" (BT-Drucks., aaO; vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011, aaO; HmbKomm-InsO/Lüdtke, aaO, § 35 Rn. 262). Die freigabeähnliche Erklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO betrifft demnach im Unterschied zu der in § 32 Abs. 3 Satz 1 InsO als zulässig vorausgesetzten echten Freigabe nicht nur einzelne Vermögensgegenstände, sondern eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten (BT-Drucks., aaO, S. 26 f). Die Freigabe verwirklicht sich ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Erklärungen bereits mit dem Zugang der Freigabeerklärung bei dem Schuldner (Haarmeyer, aaO, S. 697; Ries, aaO, S. 2033; HmbKomm-InsO/Lüdtke, aaO, § 35 Rn. 257). Allein die Erklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO zerschneidet das rechtliche Band zwischen der Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten selbstän- digen Tätigkeit (vgl. Holzer, ZVI 2007, 289, 292; Haarmeyer, aaO) und leitet die der selbständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse von der Masse auf die Person des Schuldners über (vgl. Zipperer, aaO).

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

Tenor

Die Revision des Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten.

Tatbestand

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (im Folgenden: Kläger) begehrt die Verurteilung der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) zur Zahlung von insgesamt 50 699,88 Euro vertragszahnärztlichen Honorars aus dem Quartal III/2008 und Abschlagszahlungen aus dem Quartal IV/2008 an ihn, nachdem die Beklagte diesen Betrag bereits an den beigeladenen Insolvenzverwalter gezahlt hat.

2

Der Kläger ist als Zahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten KZÄV zugelassen. Mit schriftlicher Abtretungserklärung vom 15.12.1992 trat er bestehende und künftige Honorarforderungen an seine geschiedene Ehefrau U. ab. Ferner lagen der Beklagten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse verschiedener Gläubiger aus der Zeit seit 1994 vor.

3

Mit Beschluss vom 12.9.2008 eröffnete das AG M. das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers. Mit Schreiben vom 30.9.2008 erklärte der Beigeladene gegenüber dem Kläger, das Vermögen aus seiner selbstständigen Tätigkeit als Zahnarzt gehöre nicht mehr zur Insolvenzmasse; Ansprüche aus dieser Tätigkeit könnten nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden (§ 35 Abs 2 Satz 1 Insolvenzordnung - InsO). Mit Telefax vom 2.10.2008 unterrichtete der Kläger die Beklagte hierüber und bat diese, Zahlungen künftig an ihn zu leisten.

4

Am 8.12.2008 führte das AG M. eine Gläubigerversammlung durch, in der beschlossen wurde, dass der Betrieb vorläufig durch den Beigeladenen fortgeführt werde. Über diesen Beschluss setzte der Beigeladene die Beklagte in Kenntnis und bat darum, künftig Zahlungen ausschließlich an ihn zu leisten. Unter Bezugnahme auf den Beschluss der Gläubigerversammlung erklärte das AG M. mit Beschluss vom 13.2.2009, dem Kläger am 14.2.2009 zugestellt, die Freigabeerklärung des Beigeladenen gemäß § 35 Abs 2 Satz 3 InsO bis zum Ablauf des 30.3.2009 für unwirksam. Für die Zeit ab dem 1.4.2009 erfolgte wiederum die Freigabe des Vermögens des Klägers aus seiner selbstständigen zahnärztlichen Tätigkeit.

5

Die Beklagte leistete im November 2008 eine Abschlagszahlung für Honorar aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit des Klägers im Vormonat (Oktober 2008) in Höhe von 5817,81 Euro und im Dezember 2008 eine Abschlagszahlung für Honorar aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit des Klägers im Vormonat (November 2008) in Höhe von 6641,67 Euro jeweils an den Beigeladenen. Ferner zahlte die Beklagte das noch ausstehende vertragszahnärztliche Honorar des Klägers für das Quartal III/2008 nach Vorlage einer Honorarabrechnung durch den Kläger am 7.10.2008 im Januar 2009 in Höhe von 53 570,88 Euro an den Beigeladenen.

6

Auf Honorar sowie auf Ersatz eines Verzugsschadens gerichtete, miteinander verbundene Klagen des Klägers gegen die Beklagte wies das SG ab. Das LSG gab der Berufung bezogen auf das vom Kläger geltend gemachte Honorar (50 699,88 Euro, zusammengesetzt aus der 1. und 2. Abschlagszahlung für das Quartal IV/2008 und 38 240,40 Euro aus der Restzahlung für das Quartal III/2008) statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung an den Kläger. Zur Begründung führte das LSG aus, die Beklagte habe die Honoraransprüche des Klägers nicht durch die Zahlungen an den Beigeladenen erfüllt. Infolge der wirksamen, unter dem 30.9.2008 erklärten Freigabe durch den Beigeladenen hätten Honorarforderungen des Klägers ab diesem Zeitpunkt nicht zur Insolvenzmasse gehört und damit dem Kläger zugestanden. Die Wirksamkeit der Freigabe sei durch den Beschluss der Gläubigerversammlung vom 8.12.2008 nicht berührt worden, da die Gläubigerversammlung nicht befugt gewesen sei, die Freigabeerklärung des Beigeladenen aufzuheben. Diese habe vielmehr nur einen entsprechenden Antrag an das Insolvenzgericht stellen dürfen. Der Beschluss des Insolvenzgerichts vom 13.2.2009 beseitige zwar die Wirksamkeit der Freigabeerklärung, jedoch nur mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) und nicht für die Vergangenheit (ex tunc). Der Beschluss enthalte weder eine Anordnung der Rückwirkung noch wäre das Insolvenzgericht hierzu befugt gewesen. Der Geltendmachung des Anspruchs durch den Kläger stehe die Vorausabtretung an die geschiedene Ehefrau - ebenso wie aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung stammende Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse - nicht entgegen, da diese mit der Insolvenzeröffnung gemäß § 91 Abs 1 InsO unwirksam geworden seien und durch die Freigabeerklärung des Beigeladenen vom 30.9.2008 auch nicht erneut Wirkung entfaltet hätten.

7

Mit seiner Revision macht der Beigeladene geltend, dass die Freigabeerklärung vom 30.9.2008 durch den Beschluss des AG M. vom 13.2.2009 nicht nur mit Wirkung für die Zukunft, sondern auch mit Wirkung für die Vergangenheit - entweder von Anfang an oder zumindest seit dem Beschluss der Gläubigerversammlung vom 8.12.2008 - aufgehoben worden sei. Nur dieses Verständnis werde dem Grundgedanken der InsO gerecht, den Gläubigern Schutz im Hinblick auf die Insolvenzmasse zu gewähren. Der Beschluss des Gerichts werde durch die Gläubiger veranlasst, sodass der Grundsatz der Gläubigerautonomie der Annahme einer Wirkung ex nunc entgegenstehe. Selbst wenn angenommen werde, dass der Beschluss vom 13.2.2009 ex nunc wirke, wäre nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 18.4.2013 - IX ZR 165/12) die Abtretung des Klägers an seine geschiedene Ehefrau infolge der Freigabeerklärung wieder wirksam geworden. In diesem Fall wäre der Kläger nicht aktivlegitimiert.

8

Die Beklagte hat sich im Wesentlichen den Ausführungen des Beigeladenen angeschlossen und geltend gemacht, dass Abtretungen des Klägers an seine geschiedene Ehefrau oder an seinen Vater gemäß § 8 Satz 2 ihrer Abrechnungsordnung nicht wirksam seien.

9

Der Beigeladene und die Beklagte beantragen,

das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 20.12.2012 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Mainz vom 2.9.2011 zurückzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Er macht geltend, die wirksame Freigabeerklärung des Beigeladenen sei weder durch den Beschluss vom 8.12.2008 noch durch den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 13.2.2009 unwirksam geworden. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 35 Abs 2 Satz 3 InsO werde die Unwirksamkeit der Freigabeerklärung auf Antrag des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung durch das Insolvenzgericht angeordnet. Ein entsprechender Antrag der Gläubigerversammlung sei vorliegend jedoch nicht gestellt worden. Vielmehr hätten die Gläubiger am 8.12.2008 völlig unterschiedliche Erklärungen abgegeben. Dem Insolvenzgericht sei es aber verwehrt, ohne einen solchen Antrag die Unwirksamkeit anzuordnen, sodass die anderslautende Entscheidung des Insolvenzgerichts unwirksam sei. Im Übrigen sei der Einschätzung des LSG aber zuzustimmen. Das LSG habe insbesondere zutreffend angenommen, dass er Gläubiger der streitgegenständlichen Forderungen gegenüber der Beklagten sei. Jedenfalls in Höhe des unpfändbaren Teils sei er unabhängig von Abtretungen weiterhin aktivlegitimiert.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Beigeladenen ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

13

1. Der Beigeladene ist nach § 69 Nr 3 SGG Beteiligter des Verfahrens und kann gemäß § 160 Abs 1 SGG selbstständig Revision einlegen. Dabei ist es unerheblich, dass er in der Vorinstanz keine Anträge gestellt hat (vgl BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 2 RdNr 5; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, Vor § 143 RdNr 8).

14

Die in § 141 Abs 1 SGG angeordnete Bindung an das Urteil des LSG und die Stellung als Beteiligter des Verfahrens begründet allerdings noch nicht die erforderliche materielle Beschwer des Beigeladenen, der allein Rechtsmittel gegen das Urteil des LSG eingelegt hat. Voraussetzung ist, dass der Beigeladene aufgrund der Bindungswirkung des vorinstanzlichen Urteils unmittelbar in eigenen Rechtspositionen beeinträchtigt sein kann (s zB BSGE 78, 98, 99 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 34; BSGE 81, 207, 208 = SozR 3-2500 § 101 Nr 2 S 8; BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2 RdNr 10; BSG SozR 4-1300 § 107 Nr 4 RdNr 11; BSG SozR 4-4200 § 34a Nr 1 RdNr 13, auch für BSGE vorgesehen). Es ist daher allein maßgeblich, ob das Urteil gegenüber dem Beigeladenen fehlerhaft ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 9 S 27 f; siehe auch BSGE 78, 98, 99 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, Vor § 143 RdNr 4a mwN; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl 2014, § 66 RdNr 4 mwN). Das auch den Beigeladenen gemäß § 141 Abs 1 Nr 1 SGG bindende Urteil des LSG betrifft diesen in eigenen Rechten, soweit das LSG seinen Anspruch gegenüber der Beklagten verneint hat. Insoweit kann er geltend machen, aufgrund der Bindungswirkung des angefochtenen Urteils präjudiziell und unmittelbar in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt zu werden. Dies genügt, um eine Beschwer des Beigeladenen im Sinne einer Rechtsmittelbefugnis anzunehmen (vgl BSG SozR 4-1300 § 107 Nr 4 RdNr 11; BVerwGE 104, 289, 292 f).

15

2. Die Revision des Beigeladenen ist nicht begründet. Dieser wird durch die Entscheidung des LSG nicht in eigenen Rechten verletzt. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die streitgegenständlichen Honoraransprüche des Klägers nicht durch die Zahlung an den Beigeladenen erfüllt sind. Dabei ist rechtlich unerheblich, ob das LSG zutreffend von einem Anspruch des Klägers auf Zahlung des Honorars aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit ausgegangen ist oder ob dieser Anspruch in Wahrheit aufgrund einer Abtretung zB an die geschiedene Ehefrau des Klägers oder dessen Vater oder aufgrund einer Pfändung von Honoraransprüchen einer Bank zusteht. Da der Beigeladene durch die Entscheidung des LSG nur in eigenen Rechten verletzt sein kann, soweit es um die Frage geht, ob die Beklagte das Honorar zu Recht gerade an ihn gezahlt hat, ist die materielle Prüfung hierauf beschränkt. Deshalb kommt es im Revisionsverfahren nicht auf die zwischen den Beteiligten umstrittenen Fragen zur Wirksamkeit von Abtretungen und Pfändungen der Honoraransprüche des Klägers einschließlich der Berücksichtigung von Pfändungsfreigrenzen an.

16

Die Beklagte konnte nicht gemäß § 362 Abs 1 BGB iVm § 80 Abs 1 InsO mit befreiender Wirkung an den Beigeladenen leisten. Aufgrund der Erklärung vom 30.9.2008, nach der das Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers als Zahnarzt nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist der Beigeladene nicht befugt, über den in der Folgezeit erzielten Neuerwerb des Klägers zu verfügen (nachfolgend a). Dies gilt für den Zeitraum bis zu dem die Unwirksamkeit dieser Erklärung anordnenden Beschluss des Insolvenzgerichts vom 13.2.2009 (b). Bei den streitgegenständlichen Honorarforderungen handelt es sich um Neuerwerb, der vollständig dem Zeitraum der Freigabe zuzuordnen ist (c).

17

a) Gemäß § 80 Abs 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Zur Insolvenzmasse zählt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs 1 InsO), mithin auch der Neuerwerb des Schuldners während des Insolvenzverfahrens. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Drittschuldner folglich nur noch befreiend an den Insolvenzverwalter leisten. Grundsätzlich hat damit der Beigeladene mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 12.9.2008 die Verfügungsbefugnis auch über die Honorarforderungen des Klägers aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit erlangt.

18

Allerdings hat der Insolvenzverwalter in Insolvenzverfahren, die seit dem 1.7.2007 eröffnet worden sind (vgl Art 103c Abs 1 Satz 1 EGInsO) gemäß § 35 Abs 2 Satz 1 InsO(in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007, BGBl I 509) gegenüber einem Schuldner, der - wie der Kläger - eine selbstständige Tätigkeit ausübt, zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Bei der sog Negativerklärung, mit der der Insolvenzverwalter das Vermögen des Klägers aus der selbstständigen Tätigkeit freigibt, handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Schuldner, mit der der Insolvenzverwalter endgültig und unbedingt auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Vermögens aus der selbstständigen Tätigkeit verzichtet (vgl BT-Drucks 16/3227 S 17). Damit knüpft § 35 Abs 2 Satz 1 InsO an die allgemeine Freigabebefugnis des Insolvenzverwalters(vgl § 32 Abs 3 Satz 1 InsO) an (vgl BGH Urteil vom 18.4.2013 - IX ZR 165/12 - NZI 2013, 641 RdNr 23), die dazu führt, dass der Insolvenzbeschlag bezogen auf die freigegebenen Gegenstände erlischt und dass diese aus der Insolvenzmasse ausscheiden (vgl BGH Urteil vom 14.1.2010 - IX ZR 93/09 - NZI 2010, 223 RdNr 6). Im Unterschied zur echten Freigabe betrifft die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit nach § 35 Abs 2 Satz 1 InsO nicht nur einzelne Vermögensgegenstände, sondern eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten. Die Erklärung zerschneidet das rechtliche Band zwischen der Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten selbstständigen Tätigkeit und leitet die der selbstständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse von der Masse auf die Person des Schuldners um (BGHZ 192, 322 RdNr 19; BGH Urteil vom 22.5.2014 - IX ZR 136/13 - NZI 2014, 614 RdNr 22). Die "Freigabe" der selbstständigen Tätigkeit hat dementsprechend zur Folge, dass der Neuerwerb des Schuldners aus der selbstständigen Tätigkeit nicht mehr in die Masse fällt. Ansprüche aus dem freigegebenen Vertragsverhältnis können nur vom Schuldner geltend gemacht werden. Die von dem Schuldner ab dem Wirksamwerden der Freigabeerklärung aus der selbstständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte stehen als ihm gehörendes Vermögen grundsätzlich allein den Gläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung, deren Forderungen nach der Freigabeerklärung entstanden sind (BGH Urteil vom 18.4.2013 - IX ZR 165/12 - NZI 2013, 641 RdNr 23; BGHZ 192, 322 RdNr 28, jeweils mwN).

19

Vorliegend hat sich der Beigeladene mit seiner Erklärung vom 30.9.2008 entschieden, die selbstständige Tätigkeit des Klägers freizugeben. Gründe, die dagegen sprechen würden, dass diese Erklärung jedenfalls zunächst wirksam war, sind nicht ersichtlich und auch von den Beteiligten nicht geltend gemacht worden. Für die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Erklärung Wirkung entfaltet, ist der Zugang bei dem Schuldner maßgebend (BGHZ 192, 322 RdNr 24; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl 2010, § 35 RdNr 99 mwN; Bäuerle in Braun, InsO, 6. Aufl 2014, § 35 RdNr 109 f mwN), jedenfalls wenn sie - wie vorliegend - nicht ausdrücklich rückwirkend erteilt wird (vgl BGH NZI 2013, 641 RdNr 9). Demgegenüber ist die anschließende Veröffentlichung der Freigabe keine Wirksamkeitsvoraussetzung und nur deklaratorischer Natur (BGHZ 192, 322 RdNr 24).

20

Zum genauen Zeitpunkt des Zugangs der Freigabeerklärung des Beigeladenen vom 30.9.2008 bei dem Kläger hat das LSG hier zwar keine Feststellungen getroffen. Es ist jedoch bekannt, dass der Kläger die beklagte KZÄV mit Telefax vom 2.10.2008 über die Freigabe seiner selbstständigen Tätigkeit in Kenntnis gesetzt hat. Damit steht fest, dass dem Kläger die Erklärung des Beigeladenen spätestens an diesem Tag vorgelegen haben muss, mit der Folge, dass die Erklärung spätestens seit dem 2.10.2008 Wirkung entfaltet hat.

21

b) Der in der Gläubigerversammlung am 8.12.2008 gefasste Beschluss führt nicht zur Unwirksamkeit der Erklärung des Beigeladenen betreffend die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Klägers (hierzu sogleich unter aa) und der die Freigabe für unwirksam erklärende Beschluss des Insolvenzgerichts vom 13.2.2009 entfaltet Wirkung nur für die Zukunft (ex nunc), beseitigt die Freigabe also nicht rückwirkend (ex tunc) vom Zeitpunkt ihrer Erklärung an (hierzu unter bb).

22

aa) Der Senat geht mit dem LSG davon aus, dass es sich bei dem Beschluss vom 8.12.2008 nicht um einen die Unwirksamkeit der Freigabeerklärung anordnenden Beschluss des Insolvenzgerichts nach § 35 Abs 2 Satz 3 InsO, sondern um einen Beschluss der Gläubigerversammlung handelt. Zwar vermittelt das vorliegende Protokoll der Gläubigerversammlung dazu unmittelbar keine Klarheit. Dass in dem Beschluss vom 8.12.2008 noch kein Beschluss des Insolvenzgerichts zur Unwirksamkeit der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Klägers gesehen werden kann, liegt indes aufgrund des Zusammenhangs nahe, in dem dieser zustande gekommen ist. Ein Beschluss des Insolvenzgerichts setzt nach § 35 Abs 2 Satz 3 InsO einen Antrag der Gläubigerversammlung voraus. Ein solcher der Beschlussfassung vorausgehender Antrag ist nach dem Inhalt des Protokolls vom 8.12.2008 jedoch nicht gestellt worden. Zudem wird in den Gründen des Beschlusses des Insolvenzgerichts vom 13.2.2009 ausgeführt, dass "trotz des entgegenstehenden Beschlusses der Gläubigerversammlung bisweilen bei einigen Beteiligten immer noch Unklarheiten bzw. Uneinsichtigkeit" vorgelegen hätten. Dies spricht dafür, dass der für die Beschlussfassung zuständige (vgl § 18 Abs 1 und 2 RPflG)Rechtspfleger jedenfalls zunächst irrtümlich davon ausgegangen ist, ein Beschluss der Gläubigerversammlung sei ausreichend, um die Unwirksamkeit der Freigabeerklärung zu bewirken und dass dieser daher am 8.12.2008 lediglich einen Beschluss der Gläubigerversammlung zu Protokoll genommen hat. Ein Beschluss der Gläubigerversammlung kann aber schon aufgrund des insoweit eindeutigen Gesetzeswortlautes keine die Freigabeerklärung beseitigende Wirkung entfalten (vgl etwa Bäuerle in Braun, InsO, 6. Aufl 2014, § 35 RdNr 112).

23

bb) Die Verfügungsbefugnis bezogen auf das Vermögen des Klägers aus der in der Zeit nach der Freigabe ausgeübten selbstständigen Tätigkeit stand dem Beigeladenen auch nicht infolge des die Unwirksamkeit der Freigabeerklärung anordnenden Beschlusses vom 13.2.2009 zu. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dieser Beschluss des Insolvenzgerichts Wirkung nur für die Zukunft entfaltet und damit keine Auswirkungen auf die streitgegenständlichen Honorarforderungen hat.

24

Die Frage, ob der Beschluss des Insolvenzgerichts, mit dem die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit für unwirksam erklärt wird, auf den Zeitpunkt der Freigabe zurückwirkt und die Wirkung der Erklärung des Insolvenzverwalters von Anfang (ex tunc) an beseitigt oder ob der Beschluss nur für die Zukunft (ex nunc) wirkt, ist in der insolvenzrechtlichen Literatur umstritten. Der Wortlaut des § 35 Abs 2 Satz 3 InsO ist nicht eindeutig und wird teilweise eher in Richtung einer Rückwirkung der Entscheidung des Insolvenzgerichts interpretiert(Lüdtke in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 4. Aufl 2012, § 35 RdNr 267; OLG Koblenz Beschluss vom 18.3.2013 - 12 W 90/13 - unveröffentlicht). Eine § 34 Abs 3 Satz 3 InsO vergleichbare ausdrückliche Regelung, nach der die Wirkungen bestimmter Rechtshandlungen aus der Zeit vor der Beschlussfassung unberührt bleiben, ist in § 35 Abs 2 InsO jedenfalls nicht getroffen worden. Der systematische Zusammenhang sowie der erkennbare Zweck der Regelung sprechen jedoch eindeutig gegen eine Wirkung ex tunc.

25

Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Insolvenzschuldner mit der Freigabeerklärung (sog Negativerklärung) nach § 35 Abs 2 Satz 1 InsO auch die Möglichkeit zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit außerhalb des Insolvenzverfahrens eröffnet werden soll(vgl BT-Drucks 16/3227 S 17). Dies kann nicht nur im Interesse des Schuldners, sondern - wegen der Abführungspflicht nach § 35 Abs 2 Satz 2 iVm § 295 Abs 2 InsO - auch im Interesse der Insolvenzgläubiger liegen. Die Negativerklärung des Insolvenzverwalters hat zur Folge, dass den Neugläubigern des selbstständig tätigen Schuldners zwar nicht die Insolvenzmasse, dafür aber der Neuerwerb als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Dem steht § 89 InsO nicht entgegen, weil sich die dort geregelte Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung während des Insolvenzverfahrens allein auf die Insolvenzgläubiger und nicht auf Neugläubiger bezieht. Diesem Umstand werden die neuen Geschäftspartner bei Eingehung von Vertragsverhältnissen mit dem Selbstständigen Rechnung tragen. Wenn die Neugläubiger jedoch keine Klarheit darüber erlangen könnten, ob ihnen als Haftungsmasse der Neuerwerb (Einkünfte des Schuldners aus seiner selbstständigen Tätigkeit) oder aber - nach rückwirkender Aufhebung der Freigabe - die Insolvenzmasse zur Verfügung steht, würde die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit zumindest erheblich erschwert.

26

Gleichzeitig würden die Ziele verfehlt, die mit der Veröffentlichungspflicht nach § 35 Abs 3 Satz 2 InsO erreicht werden sollen. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht sowohl die Erklärung des Insolvenzverwalters über die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit als auch den gerichtlichen Beschluss über deren Unwirksamkeit bekannt zu machen. Mit der Veröffentlichung sollen Gläubiger und der Geschäftsverkehr informiert werden, sodass Unklarheiten im Zusammenhang mit den durch den Schuldner im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit und den freigegebenen Vertragsverhältnissen abgegebenen Erklärungen vermieden werden (vgl BGH Urteil vom 22.5.2014 - IX ZR 136/13 - NZI 2014, 614 RdNr 26; BGH Urteil vom 9.2.2012 - IX ZR 75/11 - BGHZ 192, 322 RdNr 24). Die mit der Veröffentlichung angestrebte Herstellung von Rechtssicherheit könnte jedoch nicht erreicht werden, wenn die Wirkung der Freigabe jederzeit auf Antrag der Gläubigerversammlung durch Beschluss des Insolvenzgerichts rückwirkend beseitigt werden könnte.

27

Schließlich ist nicht erkennbar, wie die Rechtsverhältnisse rückabgewickelt werden könnten, die durch den Selbstständigen in der Übergangszeit begründet wurden. Dass eine solche Rückabwicklung gerade in Fällen einer umfangreichen Geschäftstätigkeit des Selbstständigen problematisch ist, wird auch von Befürwortern einer Rückwirkung nicht übersehen. Vor diesem Hintergrund schlägt Ries (in Kreft, InsO, 7. Aufl 2014, § 35 RdNr 82) vor, die zwischenzeitlichen Verfügungen des Schuldners als rechtswirksam anzusehen und die bisherigen Leistungen analog § 82 InsO als schuldbefreiend zu behandeln. Dies erscheint jedoch mit der in der Rechtsprechung des BGH (vgl BGH Urteil vom 22.5.2014 - IX ZR 136/13 - NJW 2014, 2585 RdNr 23; BGH Urteil vom 9.2.2012 - IX ZR 75/11 - BGHZ 192, 322 RdNr 27, 29) im Interesse der Rechtssicherheit geforderten klaren Abgrenzung der die Masse treffenden Verbindlichkeiten von den aus der selbstständigen Tätigkeit herrührenden Verbindlichkeiten des Schuldners nicht ohne Weiteres vereinbar. Ungelöst bliebe die Frage der Zuordnung der durch den Schuldner in der Zeit nach der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit begründeten Vertragsverhältnisse.

28

Aus den genannten Gründen geht der Senat mit der hM in der Literatur (Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 698; Bornemann, in Wimmer, Frankfurter Kommentar zur InsO, 7. Aufl 2013, § 35 RdNr 13d, 25; Büteröwe in K. Schmidt, InsO, 18. Aufl 2013, § 35 RdNr 58; Graf-Schlicker/Kexel in Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl 2014, § 35 RdNr 31; Ahrens in ders/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 2. Aufl 2014, § 35 RdNr 168; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl 2010, § 35 RdNr 103; Andres in Nerlich/Römermann, InsO, Stand August 2014, § 35 RdNr 119; Berger, ZInsO 2008, 1101, 1105; Pape, WM 2013, 1145, 1149; Smid, DZWIR 2008, 133, 142; ebenso AG Duisburg Beschluss vom 22.4.2010 - 60 IN 26/09 - Juris RdNr 25; aA Lüdtke in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 4. Aufl 2012, § 35 RdNr 267; Kreft, InsO, 7. Aufl 2014, § 35 RdNr 81) davon aus, dass dem die Freigabe aufhebenden gerichtlichen Beschluss Wirkung allein für die Zukunft zukommen kann.

29

c) Der Beigeladene war weder bezüglich der streitgegenständlichen Honorarforderung für das Quartal III/2008 (nachfolgend aa) noch bezüglich der im November und Dezember 2008 geleisteten Abschlagszahlungen für das Quartal IV/2008 (bb) verfügungsbefugt, weil es sich bei den Honorarforderungen um Neuerwerb aus dem Zeitraum der Freigabe handelt, der mit dem Zugang der sog Negativerklärung beim Kläger spätestens am 2.10.2008 begann und mit der Anordnung der Unwirksamkeit durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 13.2.2009 endete.

30

aa) Als Neuerwerb, der nicht in die Masse fällt, sind diejenigen Einkünfte zu qualifizieren, welche der Schuldner von der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters an aus der freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erzielt (BGHZ 192, 322 RdNr 28; BGH Urteil vom 18.4.2013 - IX ZR 165/12 - NZI 2013, 641 RdNr 23). Das Honorar für das Quartal III/2008, das die Beklagte im Januar 2009 an den Beigeladenen gezahlt hat, hat der Kläger im Zeitraum der Freigabe erzielt. Dem steht nicht entgegen, dass es um Honorar für zahnärztliche Leistungen geht, die der Kläger teilweise - nämlich bezogen auf den Zeitraum zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss des AG Montabaur vom 12.9.2008 (vgl § 27 InsO) und der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit als Zahnarzt nach § 35 Abs 2 Satz 1 InsO durch die Erklärung des Beigeladenen vom 30.9.2008 - erbracht hat. Maßgebend für die zeitliche Zuordnung des Erwerbs ist der Zeitpunkt, in dem der Erwerbsgrund bereits so weit verwirklicht ist, dass das betroffene Recht als Vermögensbestandteil dem Schuldner zugeordnet werden kann (Ahrens in ders/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 2. Aufl 2014, § 35 RdNr 122; Bäuerle in Braun, InsO, 6. Aufl 2014, § 35 RdNr 97; Peters in Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl 2013, § 35 RdNr 71).

31

Voraussetzung für die Entstehung eines Vergütungsanspruchs des Vertrags(zahn)arztes ist danach zunächst, dass vergütungsfähige Leistungen erbracht werden (BGHZ 167, 363 RdNr 7; BGH Urteil vom 18.4.2013 - IX ZR 165/12 - NZI 2013, 641). Nach der zur Wirksamkeit einer Abtretung der Honorarforderung in der Insolvenz des Vertragsarztes ergangenen Rechtsprechung des BGH soll der Honoraranspruch des Vertragsarztes "dem Grunde nach" bereits entstehen, sobald dieser vergütungsfähige Leistungen erbracht hat (BGHZ 167, 363 RdNr 7). Allerdings unterscheidet sich der Honoraranspruch des Vertrags(zahn)arztes aus vertrags(zahn)ärztlicher Behandlung erheblich von Honoraransprüchen aus privatärztlicher Tätigkeit. Die Honorarforderung des Vertrags(zahn)arztes richtet sich weder gegen den Patienten noch gegen die Krankenkasse, sondern - aufgrund der strikten Trennung der Rechtskreise - allein gegen die K(Z)ÄV (BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 32). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entsteht ein "konkreter" Honoraranspruch des Vertragsarztes regelmäßig erst nach Prüfung sämtlicher von den Vertrags(zahn)ärzten eingereichter Abrechnungen und der darauf basierenden Errechnung der Verteilungspunktwerte (BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 34 mwN). Die Honorarforderung des einzelnen Zahnarztes wird als Anteil an der begrenzten Gesamtvergütung, die die Krankenkassen gemäß § 85 Abs 1 SGB V mit befreiender Wirkung an die KZÄV zahlen, ermittelt. Letztlich erst mit Erlass des Honorarbescheides konkretisiert sich der bis dahin nur allgemeine Anspruch des Vertrags(zahn)arztes auf Teilhabe an der Honorarverteilung zu einem der Höhe nach individualisierten Honoraranspruch. Anders als bei der privat(zahn)ärztlichen Vergütung, die gemäß § 12 Abs 1 GOÄ bzw § 10 Abs 1 GOZ mit einer den Anforderungen der maßgebenden Gebührenordnung entsprechenden Rechnung fällig wird, tritt die Fälligkeit in der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung erst im Zeitpunkt des Erlasses des Honorarbescheides ein(BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 64 RdNr 13; BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 35 mwN).

32

Der Senat ist der Rechtsprechung des BGH allerdings insoweit beigetreten, als er davon ausgeht, dass mit dem Abschluss eines Quartals, in dem der Vertrags(zahn)arzt vertrags(zahn)ärztliche Leistungen erbracht hat, und der Vorlage der entsprechenden Abrechnung bereits ein "genereller" Anspruch auf Teilhabe an der Honorarverteilung und insofern schon dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch des Arztes entsteht, dessen Höhe und Fälligkeit jedoch von dem zu erlassenden Honorarbescheid abhängt (BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 64 RdNr 15; BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 19). Mit der Abrechnung seiner Leistungen gegenüber der K(Z)ÄV hat der Vertrags(zahn)arzt eine dem Anwartschaftsrecht aus einem bedingten Rechtsgeschäft vergleichbare Rechtsposition erlangt (BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 31). Insofern ist davon auszugehen, dass der Vertragsarzt das Honorar bereits im Zeitpunkt der Vorlage der Honorarabrechnung erzielt.

33

Vorliegend hat der Kläger seine Honorarabrechnung für das Quartal III/2008 am 7.10.2008 und damit nach Zugang der Erklärung des Beigeladenen zur Freigabe der selbstständigen Tätigkeit bei dem Kläger (spätestens am 2.10.2008) bei der Beklagten eingereicht. Da die Entstehung der Honorarforderung auch nur dem Grunde nach neben der Erbringung der vertrags(zahn)ärztlichen Leistung die Vorlage der Abrechnung durch den Vertrags(zahn)arzt voraussetzt, kann die Honorarforderung erst ab dem 7.10.2008 iS des § 35 Abs 2 Satz 1 InsO als zu dessen Vermögen gehörig angesehen werden. Damit handelt es sich bei der - noch nicht durch Vorschusszahlungen erfüllten - Honorarforderung für das Quartal III/2008 um Neuerwerb aus der Zeit nach der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit. Das vertragszahnärztliche Honorar des Klägers für das Quartal III/2008 ist damit nicht Bestandteil der Insolvenzmasse geworden und stand dementsprechend auch nicht dem Beigeladenen zu.

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bb) Auch die Abschlagszahlungen, die die Beklagte im November und Dezember 2008 im Hinblick auf die im jeweiligen Vormonat durch den Kläger erbrachten zahnärztlichen Leistungen erbracht hat, sind dem Zeitraum der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Klägers zuzuordnen. Nach der Rechtsprechung des Senats sind Abschlagszahlungen, die die K(Z)ÄV auf künftige Honorarforderungen erbringt, als vorzeitige Erfüllung zu werten, obwohl der endgültige Honoraranspruch zu diesem Zeitpunkt noch nicht besteht. Dabei hat der Senat den Gedanken des § 140 Abs 3 InsO herangezogen und ferner berücksichtigt, dass die K(Z)ÄV idR nicht frei darüber entscheiden kann, ob sie entsprechende Abschlagszahlungen leistet. Vielmehr ist sie dazu typischerweise aufgrund von Regelungen zur Honorarverteilung oder einer Abrechnungsrichtlinie verpflichtet (vgl BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 45). Dass in dem nach § 85 Abs 4 Satz 2 SGB V festgesetzten Verteilungsmaßstab auch Regelungen zur Zahlung von Abschlägen getroffen werden können, ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt(BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 32 S 246; vgl Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand November 2014, § 85 RdNr 28). Deshalb sind Honoraransprüche, die (bei fehlender Freigabe der selbstständigen Tätigkeit) nach Insolvenzeröffnung fällig werden, nicht in der im Honorarbescheid ausgewiesenen Höhe gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erfüllen. Vielmehr sind die für dasselbe Quartal vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits geleisteten Abschlagszahlungen mindernd zu berücksichtigen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 64 RdNr 20). Daraus folgt im Ergebnis, dass es für die Zuordnung von Abschlagszahlungen auf den Zeitpunkt ihrer Zahlung ankommt, der seine Grundlage in den Regelungen des Honorarverteilungsvertrags bzw -maßstabs oder der Abrechnungsrichtlinie findet. Dementsprechend erstreckt sich die Verfügungsbefugnis des Beigeladenen nicht auf die im November und Dezember 2008 - und damit im Zeitraum der Freigabe - geleisteten Abschlagszahlungen. Lediglich für die Restzahlung des Honorars für das Quartal IV/2008, das jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, ist von Bedeutung, ob der Kläger die Abrechnung für das Quartal IV/2008 entsprechend den üblichen Abläufen bereits im Januar 2009 - und damit vor dem die Unwirksamkeit der Freigabe anordnenden Beschluss des Insolvenzgerichts vom 13.2.2009 - vorgelegt hat.

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3. Da die während des Zeitraums der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Klägers geleisteten Zahlungen mithin nicht dem Beigeladenen zustehen, kann offenbleiben, ob der Kläger seine Ansprüche wirksam abgetreten hat oder ob dem das in der Abrechnungsordnung der Beklagten geregelte Abtretungsverbot entgegensteht. Jedenfalls dürfte es nach Auffassung des Senats ausgeschlossen sein, dass das Abtretungsverbot rückwirkend auch Abtretungen erfasst, die in der Zeit vor dem Inkrafttreten dieser Regelung vereinbart worden sind. Für das vorliegende Verfahren kommt es darauf jedoch nicht an.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 VwGO. Die Kostenpflicht des Beigeladenen als erfolglosem Rechtsmittelführer beruht auf § 154 Abs 2 VwGO. Diese Regelung ist im Falle eines erfolglosen Rechtsmittels die allein maßgebliche Kostenvorschrift. Dementsprechend ist in einem solchen Fall kein Raum für eine Kostenpflicht auch der Beklagten, die selbst kein Rechtsmittel eingelegt hat, unabhängig davon, ob ihr Bescheid aufgehoben wird. Da die Beklagte dem Antrag des Beigeladenen beigetreten ist, ist sie jedoch entsprechend dem Grundgedanken des § 154 Abs 1 VwGO nicht kostenerstattungsberechtigt(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 25, mwN).

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.09.2013 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird zugelassen.


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(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.