Sozialgericht Halle Beschluss, 18. Sept. 2012 - S 11 SF 108/10 E
Gericht
Tenor
Unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 3. Februar 2010 in dem Verfahren S 20 AS 1492/08 werden die dem Erinnerungsgegner von dem Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten auf 214,80 EUR festgesetzt.
Der Betrag ist wie im angefochtenen Beschluss ausgesprochen zu verzinsen.
Gründe
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Die Erinnerung ist zulässig.
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Nach § 197 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Nach § 197 Abs. 2 SGG kann gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden. Die Monatsfrist ist eingehalten worden.
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Das Rechtsschutzbedürfnis für die Erinnerung ist nicht etwa deshalb nachträglich entfallen, weil der Erinnerungsführer die mit dem Kostenfestsetsetzungsbeschluss vom 3. Februar 2010 festgesetzten Kosten in Höhe von 345,10 EUR nach Einlegung der Erinnerung am 10. Februar 2010 im April 2010 an den Erinnerungsgegner ausgezahlt hat. Aus einem Schreiben des Erinnerungsgegners vom 22. März 2010 geht hervor, dass dieser nicht damit einverstanden war, dass der im Erinnerungsverfahren strittige Betrag nicht ausgezahlt wird. Nur in Hinsicht auf dieses Begehren hat dann der Erinnerungsführer den Differenzbetrag überwiesen (siehe auch Schreiben der Erinnerungsführer vom 20. August 2010). Ein Anerkenntnis kann darin nicht gesehen werden.
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Die Erinnerung ist teilweise begründet.
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Die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten bemisst sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG, §1 Abs. 1 Satz 1 RVG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie im vorliegenden Fall - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG).
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Bei Rahmengebühren bestimmt entsprechend § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Aus den Worten "vor allem" ist zu entnehmen, dass insbesondere die im Gesetz aufgezählten Kriterien für die Bemessung der Gebühr heranzuziehen sind. Das sind Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers.
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Ausgangspunkt für die Bemessung der Gebühr ist der Durchschnittsfall, der die Mittelgebühr rechtfertigt. Erst wenn die Kriterien des Durchschnittsfalls bekannt sind, kann entschieden werden, ob im konkreten Fall ein Abweichen von der Mittelgebühr nach oben oder unten angezeigt ist.
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Im erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Verfahren liegt eine durchschnittliche anwaltliche Tätigkeit vor, wenn eine Klage erhoben wird oder ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt wird, Akteneinsicht genommen wird, die Klage bzw. der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begründet wird und zu vom Gericht veranlassten Ermittlungen (z. B. Einholung von Befundberichten, Arbeitgeberauskünften, Beiziehung von Klinikberichten, Röntgenaufnahmen, weiterer Akten) Stellung genommen wird.
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Durchschnittlich schwierig vor dem Sozialgericht sind Verfahren, in denen wegen laufender Leistungen (z.B. Arbeitslosengeld, Krankengeld, Rente, Grundsicherungsleistungen), wegen Anerkennung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten oder Behinderungen, aber auch wegen einmaliger Leistungen (z.B. Heil- und Hilfsmittel, Rehabilitationsleistungen) gestritten wird.
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Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger bzw. Antragsteller hängt nicht nur vom Streitgegenstand, sondern auch vom subjektiven Empfinden des Klägers bzw. Antragstellers ab. Die Bedeutung der Angelegenheit kann jedenfalls dann grundsätzlich als durchschnittlich angesehen werden, wenn nur wegen einer einmaligen Leistung gestritten wird. Sofern dagegen wegen Leistungen mit Dauerwirkung gestritten wird, wird grundsätzlich eine überdurchschnittliche Bedeutung anzunehmen sein.
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Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines Klägers bzw. Antragstellers sind jedenfalls dann zumindest als durchschnittlich anzusehen, wenn die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht erforderlich ist. Ist dagegen die Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderlich, liegen zumindest unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse vor.
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In dem zugrundeliegenden Klageverfahren stritt der Erinnerungsgegner mit dem Erinnerungsführer darüber, ob der Erinnerungsgegner die Bewilligung von Leistungen aufheben und überzahlte Beträge zurückfordern durfte. Im Streit stand dabei ein Betrag in Höhe von 55,09 EUR. Die mit dem Erinnerungsgegner in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau führte ein eigenes Widerspruchs- und Klageverfahren wegen ihr bewilligter und von ihr zurückgeforderter Leistungen, die aber den selben Bewilligungsbescheid und -zeitraum betrafen, aber wegen des Individualprinzips der Ansprüche im Widerspruchsverfahren getrennt behandelt wurden. Der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsgegners vertrat in Widerspruchs- und Klageverfahren auch die Ehefrau.
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Die anwaltliche Tätigkeit ist als gerade durchschnittlich zu bewerten. Die Klage wurde mit Erhebung begründet und es wurde nochmals schriftsätzlich Stellung genommen. Die Schwierigkeit des Verfahrens war hingegen deutlich unterdurchschnittlich, da nicht über laufende Leistungen gestritten wurde und der Prozessbevollmächtigte die im Parallelverfahren der Ehefrau gewonnenen Erkenntnisse verwerten konnte. Auch die Bedeutung der Angelegenheit ist wegen der Höhe des Rückforderungsbetrages als deutlich unterdurchschnittlich zu bewerten. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind als unterdurchschnittlich zu bewerten, da der Erinnerungsgegner im SGB II - Leistungsbezug stand. Wegen der Unterdurchschnittlichkeit in drei der zu beachtenden Kriterien hält das Gericht nur ¼ der Mittelgebühr der Verfahrensgebühr für billig. Die festgesetzte Gebühr bewegt sich nicht im Toleranzrahmen von 20%. Es sind jedoch die von dem Erinnerungsführer anerkannten Kosten zu berücksichtigen.
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Für die Festsetzung der Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG geht das Gericht von folgenden Überlegungen aus: Die Mittelgebühr ist in der Regel angemessen, wenn der Termin mehr als eine halbe Stunde gedauert hat. Zugrunde gelegt wird dabei, dass ein durchschnittlicher Termin bei den Sozialgerichten diese Länge hat. Bei kürzeren Terminen findet ein Abschlag von der Mittelgebühr statt (21-30 Minuten ¾ der Mittelgebühr, 11-20 Minuten ½ Mittelgebühr, 0-10 Minuten ¼ Mittelgebühr), bei längeren erfolgt eine Erhöhung. Von dieser "statischen" Lösung ist dann abzuweichen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die auf eine besondere Schwierigkeit oder andere Umstände in dem Termin schließen lassen, die eine andere Bemessung rechtfertigen. Umstände, die außerhalb des Termins liegen, werden dabei nicht berücksichtigt.
- 15
Der Termin am 8. April 2009 dauerte 38 Minuten. Dabei wurde auch die Sache der Ehefrau des Erinnerungsgegners verhandelt. Es kann davon ausgegangen werden, dass für beide Sachen die gleiche Zeit aufgewandt worden ist. Anhaltspunkte für terminserschwerende Umstände liegen nicht vor. Eine halbe Mittelgebühr ist daher angemessen. Die festgesetzte Gebühr bewegt sich nicht im Toleranzrahmen.
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Die zu erstattenden Gebühren errechnen sich daher wie folgt:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV-RVG
51,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV-RVG (1/2)
100,00 EUR
Einigungsgebühr, Nr. 1006, 1000 VV-RVG
190,00 EUR
Postpauschale, Nr. 7002 VV-RVG
20,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG
68,59 EUR
Gesamt:
429,59 EUR
davon 50%
214,80 EUR
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Für das Erinnerungsverfahren entstehen keine Gerichtskosten. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (siehe Beschluss des SG H. vom 16. April 2012, S 11 SF 309/08 AS unter Verweis auf SG Kiel, Beschluss vom 4. April 2011, S 21 SF 102/10 E, dokumentiert in juris, Rdnr. 55 ff.).
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
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Annotations
(1) Auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. § 104 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Zivilprozeßordnung findet entsprechende Anwendung.
(2) Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.
(1) Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bemisst sich nach diesem Gesetz. Dies gilt auch für eine Tätigkeit als besonderer Vertreter nach den §§ 57 und 58 der Zivilprozessordnung, nach § 118e der Bundesrechtsanwaltsordnung, nach § 103b der Patentanwaltsordnung oder nach § 111c des Steuerberatungsgesetzes. Andere Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, Partnerschaftsgesellschaften und sonstige Gesellschaften stehen einem Rechtsanwalt im Sinne dieses Gesetzes gleich.
(2) Dieses Gesetz gilt nicht für eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt (§ 46 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung). Es gilt ferner nicht für eine Tätigkeit als Vormund, Betreuer, Pfleger, Verfahrenspfleger, Verfahrensbeistand, Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter, Sachwalter, Mitglied des Gläubigerausschusses, Restrukturierungsbeauftragter, Sanierungsmoderator, Mitglied des Gläubigerbeirats, Nachlassverwalter, Zwangsverwalter, Treuhänder oder Schiedsrichter oder für eine ähnliche Tätigkeit. § 1877 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 4 Absatz 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes bleiben unberührt.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde gehen den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes genannten Personen gehört; im Verfahren nach § 201 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes werden die Gebühren immer nach dem Gegenstandswert berechnet. In Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren (§ 202 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes) werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens.
(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).
(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.
(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.
(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.
(1) Auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. § 104 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Zivilprozeßordnung findet entsprechende Anwendung.
(2) Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.