Sozialgericht Augsburg Urteil, 13. Nov. 2018 - S 17 R 1267/17

bei uns veröffentlicht am13.11.2018

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18.08.2017 sowie des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2017 verurteilt, den Antrag des Klägers auf Teilhabe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu verbescheiden.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Der am 1965 geborene Kläger hat nach erlangter Fachhochschulreife von 1987-1990 eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger absolviert und hat als solcher nach einer vorübergehenden Tätigkeit als Rettungsassistent seit 1994 in diesem Beruf gearbeitet.

Am 04.08.2015 stellte der Kläger Antrag auf Leistungen zur Teilhabe zum Arbeitsleben; dabei machte er geltend, aufgrund des häufigen Händewaschens und des Umgangs mit Desinfektionsmitteln unter einem rezidivierenden Handekzem, aber bei bestehendem Schichtdienst auch unter Schlafstörungen, Magenbeschwerden und Körperschwäche zu leiden. Als angestrebte Maßnahme bezeichnete der Kläger dabei eine Qualifizierung zum „Fachberater Seelsorge“ und anschließend zum Diakon bzw. Therapeutischen Seelsorger.

Dem Antrag beigefügt waren ärztliche Bescheinigungen über ein chronisches Handekzem und einen durch den ständigen Schichtdienst gestörten Tag-Nachtrhythmus mit Schlafstörungen. Der behandelnde Hausarzt Dr. K. beschrieb dabei eine berufsbedingte Genese und Zunahme der Beschwerden.

Außerdem berichtete Dr. M. als Facharzt für psychotherapeutische Medizin über eine seit Februar 2014 erfolgte Behandlung bei Anpassungsstörung und Insomnie mit Beschwerden durch depressive Verstimmungen, Grübelneigung und Erschöpfung. Dabei führte Dr. M. die Symptomatik der Anpassungsstörung auf eine MobbingSituation am Arbeitsplatz zurück.

Mit Bescheid vom 12.11.2015 bewilligte die Beklagte dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und veranlasste ein anschließendes Beratungsgespräch mit dem Reha-Fachberatungsdienst, dem sich konkrete Maßnahmen zur Wiedererlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes anschließen sollten. Nach aktenkundigem Vermerk fand das Beratungsgespräch nachfolgend am 07.12.2015 statt. Dabei wurde dem Kläger eröffnet, dass seine beruflichen Vorstellungen nicht mit seinem Leistungsbild im Einklang stünden und therapeutische/pädagogische Tätigkeiten ausgeschlossen seien. Angeboten wurde dem Kläger die Absolvierung einer Integrationsmaßnahme. Der Kläger machte demgegenüber deutlich, dass er auch in ärztlicher Rücksprache die Leistungsbeurteilung für unzutreffend erachte und um Klärung seines Leistungsbildes bitte. An der Integrationsmaßnahme bestehe grundsätzlich Interesse, vorrangig sei für ihn aber die Überprüfung der erstellten Leistungsbeurteilung.

Zwischenzeitlich hatte der Kläger bereits Kurse zum Begleitenden Seelsorger bei der I. als erste Stufe der angestrebten Ausbildung zum Therapeutischen Seelsorger beginnend im Oktober 2015 bis Juli 2016 belegt und absolviert. Zur Unterstreichung seines Antrags auf Unterstützung für eine Ausbildung zur Tätigkeit eines Klinikseelsorgers oder Telefonseelsorgers übersandte der Kläger insbesondere das Ergebnis einer Eignungstestung durch das Landratsamt Oberallgäu vom 21.08.2015, welches eine Eignung und ausreichende psychische Stabilität für eine Umschulung auf einen heilpädagogischen, sozialpädagogischen oder erzieherischen Beruf ergeben habe. Übersandt wurde außerdem ein Attest des Dr. K. vom Juli 2015, wonach der Kläger physisch und psychisch für den eine seelsorgerische Ausbildung und einen seelsorgerischen Beruf geeignet sei.

Die Beklagte zog nachfolgend Berichte des vorbehandelnden Facharztes für psychotherapeutische Medizin über eine Behandlung in den Jahren 2012 - 2014 bei. Anschließend wurde eine Stellungnahme des sozialärztlichen Dienstes vom 16.02.2016 eingeholt. Darin kam dieser zum Ergebnis, dass beim Kläger von einer psychischen Minderbelastbarkeit auszugehen sei, die Tätigkeiten im pädagogischen, pflegerischen, sozialen und therapeutischen Bereich nicht als geeignet erscheinen ließen.

Mit Schreiben vom 01.03.2016 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass es bei der bisherigen Leistungsbeurteilung verbleibe; die angestrebte Tätigkeit als Seelsorger sei aus sozialmedizinischer Sicht nicht leidensgerecht. Das weitere Vorgehen sei mit der Rehaberaterin zu besprechen.

Mit seinem Schreiben vom 09. 03.2016 machte der Kläger nachfolgend geltend, dass er mit der ergangenen Leistungsbeurteilung weiterhin nicht einverstanden sei und dass ihm bislang keine Alternativen für eine berufliche Umorientierung angeboten worden seien. Maßgeblicher Grund für die Aufgabe der Tätigkeit als Kläger sei der Hautdefekt sowie der durch die Schichtarbeit bedingte gestörte Tag/Nacht Rhythmus gewesen. Dies werde auch durch beigelegtes Attest des Dr. M. vom 27.06.2016 bestätigt. Er beantrage eine ärztliche Begutachtung.

Daraufhin veranlasste die Beklagte das psychiatrische Gutachten des Dr. W. vom 30.06.2016; Dr. W. kam darin unter Auswertung der Aktenlage sowie nach ausführliche Anamneseerhebung und Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, dass der Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit auf Dauer der geplanten und bereits begonnenen Umschulung zum Klinikseelsorger gewachsen sei; es sei nicht mit Schlafstörungen oder Anpassungsstörungen zu rechnen. Demgegenüber sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Krankenpfleger wegen der Belastung der Haut bei Hautekzem und Schichtdiensten nicht mehr geeignet. Eine Tätigkeit als Krankenpfleger sei aus psychiatrischer Sicht in gewissen Bereichen dann noch 6 Stunden und mehr möglich, wenn keine hohe Stressbelastung bestehe, ein gutes Arbeitsklima herrsche und keine Wechselschicht/Nachtschicht notwendig ist.

Mit Anfrage vom 17.08.2016 begehrte der Kläger erneut eine endgültige Entscheidung über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Unterstützung auf dem Weg einer beruflichen Umschulung. Es bestünden bereits Kontakte und Sondierungsgespräche zu potentiellen Arbeitgebern.

Daraufhin erteilte die Beklagte nach weiterem Beratungsgespräch vom 19.08.2016 einen Grundbescheid über Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes in Form eines Eingliederungszuschusses.

Im April 2017 nahm der Kläger erneut Kontakt zur Beklagten auf mit der Bitte um Förderung des gewählten Weges der Qualifizierung zum therapeutischen Seelsorger. Gemäß Vermerk über eine telefonische Beratung vom 20.04.2017 wurde dem Kläger einerseits das Fortbestehen der ablehnenden Haltung der vor LTA-Bewilligung selbstgewählten Qualifizierung zum therapeutischen Seelsorger eröffnet, anderseits auf die für Qualifizierungsleistungen grundsätzlich notwendige Durchführung von Maßnahmen der erweiterten Berufsförderung und Arbeitserprobung hingewiesen.

Mit Schreiben vom 25.04.2017 beantragte der Kläger Kostenerstattung für die bei der I. absolvierte Ausbildung zum Begleitenden Seelsorger und die nunmehr begonnene Weiterbildung zum Therapeutischen Seelsorger. Dem Antrag beigefügt war neben Teilnahme- und Empfangsbestätigungen des I. ein Leitfaden zur Ausbildung der Stiftung therapeutische Seelsorge mit Darstellung der stufenweisen Ausbildung zum Begleitenden Seelsorger, Beratenden Seelsorger und Therapeutischen Seelsorger.

Mit Bescheid vom 02.05.2017 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für eine Weiterbildung zum Therapeutischen Seelsorger ab. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien darauf auszurichten, den Betreuten möglichst dauerhaft wieder einzugliedern, die Maßnahme müsse einer wesentlichen Verbesserung und Sicherung der Erwerbsfähigkeit entsprechen. Bei der angestrebten Tätigkeit als Therapeutischer Seelsorger seien aber nicht alle Belastungsmerkmale ausgeschlossen, durch welche die bisherige Tätigkeit als Gesundheits- und Krankenpfleger gefährdet oder verhindert sei. Zu den persönlichen Grundfähigkeiten der Tätigkeit als therapeutische Seelsorge gehöre die seelische Stabilität; ein diagnostizierter Zustand nach Anpassungsstörung und Insomnie mit überdauernder psychischen Minderbelastbarkeit stelle eine Kontraindikation für Tätigkeiten im sozialtherapeutischen und sozialpädagogischen Bereich dar.

Dementsprechend sei die Tätigkeit als Therapeutischer Seelsorger nicht leidensgerecht und könne daher auch von der Beklagten nicht unterstützt werden. Die gewünschte Ausbildung sei auch aus arbeitsmarktpolitischen Überlegungen nicht zu befürworten. Ein zum Therapeutischen Seelsorger weitergebildeter Bewerber könne ohne staatliche Abschlussprüfung im Studienfach Psychologie oder eine staatliche Zulassung zur Ausübung von Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz, - welche Psychotherapeuten vorbehalten sei,- keinen anerkannten Heilberuf ausüben.

Eine Kostenübernahme der gewünschten Umschulung könne deshalb nicht erfolgen, die Beklagte sei vor dem Hintergrund des Eingliederungsauftrages jedoch weiterhin bereit zu prüfen, durch welche geeignete Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben eine erfolgreiche Rehabilitation zu erreichen sei.

Nachfolgend verlängerte die Beklagte mit Bescheid vom 12.07.2017 auf klägerischen Antrag die Zusage auf Eingliederungszuschuss.

Zwischenzeitlich zeigte die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) die Prüfung einer Berufskrankheit an und erkundigte sich, ob die Beklagte die seit Oktober 2015 absolvierte Ausbildung zum Klinikseelsorger fördere bzw. nicht fördere. Der BGW wurde daraufhin von der Beklagten mitgeteilt, dass der begehrte Beruf nicht mit der Leistungsbeurteilung des sozialmedizinischen Dienstes vereinbar sei und dem Kläger Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes in Aussicht gestellt worden seien.

Mit ausführlichem Schreiben vom 09.08.2017 wandte sich der Kläger erneut unter Bezug auf seinen Antrag auf Förderung der Umschulung zum Therapeutischen Seelsorger an die Beklagte und bat um Unterstützung für die Finanzierung der weiteren Ausbildung sowie eine weiterhin angezeigte Korrektur des Leistungsbildes entsprechend dem erholten Gutachten des Dr. W. vom 28.06.2016, von dessen Inhalt er erst jetzt Kenntnis erlangt habe. Dabei begründete der Kläger, warum aus seiner Sicht von ausreichender seelischer Stabilität auszugehen sei und keine arbeitsmarktpolitische Unzweckmäßigkeit vorliege. Auch seien von der Beklagten bislang keinerlei Alternativen zur notwendigen Umschulung genannt worden, nachdem dem Kläger die bisherige pflegerische Tätigkeit gesundheitlich nicht mehr möglich sei.

Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes vom 17.08. 2017 ein und erließ nachfolgend den Überprüfungsbescheid vom 18.08.2017, in welchem ausgeführt wurde, dass keine Änderung des Leistungsbildes angezeigt sei, eine psychische Komorbidität sei unzweifelhaft belegt, auch wenn derzeit Symptomfreiheit vorliege, die Weiterbildung zum therapeutischen Seelsorger sei daher weiterhin nicht leidensgerecht. Es müsse daher bei der Entscheidung im Bescheid vom 02.05.2017 verbleiben.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und begründete diesen mit Schreiben vom 23.08.17 erneut insbesondere mit einer unzutreffenden Feststellung des Leistungsbildes durch den Beklagten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2017 hielt die Beklagte an der Ausgangsentscheidung vom 02.05.2017 und dem Überprüfungsbescheid vom 18.08.2017 fest und begründete die Zurückweisung des Widerspruchs damit, dass die angestrebte Weiterbildung aufgrund der vorliegenden psychischen Komorbidität weiterhin nicht bewilligt werden könne.

Hiergegen erhob der Kläger am 23.11.2017 Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und zugleich Klage zum Sozialgericht Augsburg.

Auf den gerichtlichen Hinweis, dass eine Ermessensreduzierung auf Null bei Auswahl der dem Grunde nach bewilligten Leistungen zur beruflichen Teilhabe nur in seltenen Ausnahmefällen begründbar und vorliegend wegen fehlender entscheidungsunterstützender Leistungen zur Arbeitserprobung und Berufsfindung ausscheiden dürfte, erklärte der Kläger das einstweilige Rechtsschutzverfahren für erledigt.

Die erhobene Klage begründete der Kläger mit Schriftsätzen vom 23.11.2017 und 21.12. 2017 insbesondere unter Berufung auf das Ergebnis des Gutachtens des Dr. W. sowie unter Vorlage eines im Berufsgenossenschaftlichen Verfahren eingeholten dermatologischen Gutachtens des Dr. P. vom 23.10.2017. Ziel der begehrten Ausbildung sei weiterhin die Weiterbildung zum Therapeutischen Seelsorger, zwischenzeitlich erlangt sei der Status eines „Begleitenden Seelsorgers“. Arbeitsplätze als Therapeutischer Seelsorger gäbe es als Klinikseelsorger, für Trauerbegleitung, in der Telefonseelsorge und in Gemeinden. Auch eine freiberufliche Tätigkeit komme in Betracht.

Mit Schriftsatz vom 09.02.2018 verwies die Beklagte ergänzend zu ihren aktenkundigen Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren darauf, dass der Kläger bereits am 14.10.2015 und damit vor der Entscheidung über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Bescheid vom 12.11.2015 mit der begehrten Qualifizierungsmaßnahme begonnen habe, ohne dass eine Unaufschiebbarkeit nach § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 9. Buch (SGB IX) in der bis 31.12.2017 gültigen Fassung vorgelegen habe.

Zwischenzeitlich zeigte der Kläger seinen Verzug nach A-Stadt an, wo er zum 01.01.2018 ein auf zwei Jahre befristetes Arbeitsverhältnis bei einem Unternehmen für Bestattung und Trauerbegleitung antrat.

Mit Schriftsatz vom 26.02.2018 trat der Kläger erneut der Einschätzung seines Leistungsbildes durch die Beklagte entgegen. Eine Wiedereingliederung im alten Beruf als Krankenpfleger sei wegen der bestehenden chronischen Hauterkrankungen nicht möglich. Der Beginn der Qualifizierung im Oktober 2015 sei dringlich gewesen, der nächste Ausbildungsbeginn wäre erst ein Jahr später möglich gewesen; auf Anraten der Rehaberaterin H. habe der Kläger zuvor den Antrag als Eilantrag gestellt.

Eine Berufserprobung, Beratung für einen anderen Beruf oder sonstige konkrete Maßnahmen zur Berufsfindung sei von der Beklagten bis heute unterlassen worden.

Mit weiterem Schriftsatz vom 25.04.2018 teilte der Kläger mit, dass ihm die begonnene Beschäftigung in der Probezeit ohne Angabe von Gründen im Februar 2018 gekündigt worden sei. Er habe nunmehr auch die Möglichkeit einer Zertifizierung zum Berufsbetreuer und bitte die Beklagte dabei um finanzielle Unterstützung.

Aufgrund dieser geänderten Ausgangssituation veranlasste die Beklagte ein erneutes Beratungsgespräch vom 05.07.2018 durch den Rehabilitationsberater. Gemäß Schriftsatz vom 03.08.2018 wurden dem Kläger darin alternative Möglichkeiten zur Entwicklung einer tragbaren Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben durch erneute Teilnahme an einer Integrationsmaßnahme oder durch Durchführung einer erweiterten Arbeitserprobung und Berufsfindung angeboten. Der Kläger möge sich insoweit kurzfristig entscheiden, um das Verfahren voranzubringen.

In der mündlichen Verhandlung bestätigte der Kläger ein fortbestehendes Interesse an einer Arbeitserprobung und Berufsfindungsmaßnahme sowie einer tragfähigen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben.

Der Kläger beantragte sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 25.10.2017 sowie des Bescheides vom 02.05.2017 zu verurteilen, den Antrag des Klägers auf Teilhabe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu verbescheiden.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragte die Abweisung der Klage, soweit das Begehren über das Angebot vom 03.08.2018 hinausgehe.

Zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Gerichtsakten sowie beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Streitgegenstand ist die Ausgangsentscheidung vom 02.05.2017 mit ablehnender Überprüfungsentscheidung vom 18.08.2017, in welcher die Beklagte beantragte Leistungen zur Weiterbildung zum Therapeutischen Seelsorger abgelehnt hat.

Die Klage mit dem Antrag auf Neuverbescheidung ist auch begründet, weil die ablehnende Entscheidung vom 02.05.2017 wegen eines Ermessensfehlgebrauchs ermessensfehlerhaft war und damit auch zugleich das Recht unrichtig angewandt wurde im Sinne des § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 10. Buch (SGB X). Das der Entscheidung zugrunde gelegte Leistungsbild des Klägers wurde nämlich nicht pflichtgemäß ermittelt.

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch (SGB VI) können Versicherte unter weiteren Voraussetzungen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten, wenn ihre Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist.

Die Beklagte erbringt gemäß § 16 SGB VI in der anzuwendenden, bis 31.12.2017 geltenden Fassung die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 ff alte Fassung SGB IX (jetzt: §§ 49 ff SGB IX; sämtliche Vorschriften des SGB IX werden nachfolgend in der anzuwendenden alten Fassung zitiert).

Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern (§ 33 Abs. 1 SGB IX). Die Leistungen umfassen insbesondere auch berufliche Anpassung und Weiterbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 3 SG IX) sowie berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden (§ 33 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX).

Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt (§ 33 Abs. 4 Satz 1 SGB IX). Ziel ist die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit behinderter Menschen und die Sicherung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer (§ 33 Abs. 1 SGB IX, §§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 10 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).

Kommen nach den oben dargelegten Grundsätzen bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch des Versicherten auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach verschiedene Maßnahmen in Betracht, die gleichermaßen geeignet sind, die Teilhabe des Versicherten am Arbeitsleben zu sichern, hat der Reha-Träger ein Auswahlermessen, welche Maßnahme er gewähren will (vgl. BSG vom 17.10.2006, B 5 RJ 15/05 R, Rdnr. 42). Dieses Auswahlermessen muss i.S. von § 39 Abs. 1 S.2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) pflichtgemäß ausgeübt werden.

Neben der im Vordergrund stehenden Orientierung der Maßnahme am Gesetzeszweck der dauerhaften beruflichen Eingliederung soll zugleich bei der Entscheidung über das „Wie“ der Leistungen zur Teilhabe berechtigten Wünschen des Leistungsberechtigten entsprochen werden und dabei auch auf Anknüpfungspunkte wie die persönliche Lebenssituation, das Alter oder auch die religiösen oder weltanschaulichen Bedürfnisse des Leistungsberechtigten Rücksicht genommen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Die besondere Bedeutung des Berufswunsches bei der Auswahl der Rehabilitationsmaßnahme kann also insbesondere dann zum Tragen kommen, wenn der behinderte Mensch einen die Eingliederung gewährleistenden Beruf wählt, für den er uneingeschränkt geeignet ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2000, B 11 AL 107/99, Rdnr. 15 m.w. Nw.).

Nach diesen Grundsätzen sind von der Beklagten geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen, welche diese im eigenen pflichtgemäßen Ermessen unter Berücksichtigung von Eignung und Neigung und unter Berücksichtigung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auszuwählen hat. Dabei ist unter Berücksichtigung von Anknüpfungspunkten wie persönlicher Lebenssituation oder Alter berechtigten Wünschen des Leistungsberechtigten zu entsprechen.

Die Beklagte ist vorliegend zumindest formal im Außenverhältnis zum Kläger zuständiger Reha-Träger nach § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX, nachdem sie innerhalb von zwei Wochen, nachdem das Reha-Begehren deutlich wurde, den Antrag nicht weitergeleitet hat; soweit eine nachzuholende pflichtgemäße Ermittlungen des Leistungsbildes ergäbe, dass die weitere Ausübung des bisherigen Berufes als Kranken- und Gesundheitspfleger allein oder ganz vordringlich wegen einer beruflich bedingten Hauterkrankung nicht möglich war, käme im Innenverhältnis der Träger letztlich auch eine Zuständigkeit der anderweitig befassten BGW nach den Vorschriften des siebten Buches Sozialgesetzbuch, SGB VII, in Betracht.

Zu Recht hat die Beklagte mit dem ursprünglichen, nicht streitgegenständlichen Bescheid vom 12.11.2015 dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt.

Unzweifelhaft war die Erwerbsfähigkeit des Klägers im Beruf als Gesundheits- und Krankheitspfleger bereits alleine aufgrund der unstreitig bestehenden chronischen Hauterkrankungen zumindest gefährdet, hinzukommt eine unabhängig von ihrer Genese beachtliche in allen ärztlichen Befunden erweisliche Störung des Tag- / Nacht-Rhythmus, welche die im zuletzt ausgeübten Beruf regelhaft erwartete Leistung von Schichtdiensten unzumutbar erscheinen lässt. Eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit im Beruf als Gesundheitsund Krankenpfleger wurde auch von der Beklagten nicht bezweifelt.

Uneinigkeit besteht vorliegend darin, ob die vom Kläger begehrte Weiterbildung in einem pädagogisch-therapeutischen Beruf (hier: Seelsorger) geeignet ist, um die Teilhabe des Klägers am Arbeitsleben dauerhaft zu sichern.

Aus den aktenkundigen Stellungnahmen des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten ergibt sich die Grundhaltung, dass eine durch psychische Störungen zumindest mitbedingte Berufsaufgabe jedwede Tätigkeit mit pädagogischen oder therapeutischen Elementen dauerhaft als geeignete Umschulungstätigkeit ausschließt.

Eine allgemeine Zurückhaltung bei der Förderung einer Tätigkeit im pädagogischen oder therapeutischen Bereich ist dabei nicht zu beanstanden, wenn geklärt ist, dass der bisherige Beruf tatsächlich wegen Funktionsstörungen im nervenärztlichen Bereich aufgegeben werden musste und zu erwarten ist, dass eine dauerhafte gesundheitliche Einschränkung - beispielsweise eine dauerhafte psychische Minderbelastbarkeit - vorliegt.

Ergeben allerdings die Einzelfallumstände Hinweise darauf, dass für die Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit im bisherigen Beruf andere gesundheitliche Einschränkungen vordringlich verantwortlich sind und dass eine daneben begleitende nervlich-seelische Funktionsstörung vorübergehend war und bereits überwunden ist, so ist auch eine einzelfallbezogene Prüfung des Leistungsbildes erforderlich, um bei der Auswahl der zu erbringenden Teilhabeleistung das Ermessen richtig ausüben zu können.

Aus den im zeitlichen Zusammenhand mit der erstmaligen Beantragung von Teilhabeleistungen zum Arbeitsleben vorgelegten ärztlichen Berichten des Hautarztes Dr. H. und Dr. K. ergibt sich, dass die bisherige Tätigkeit als Krankenpfleger durch das chronisch-rezidivierende Hautekzeme massiv beeinträchtigt wurde; außerdem berichtet wurde über Schlafstörungen und eine psychosoziale Konfliktsituation. Im Einklang damit hatte Dr. M. in seinem Bericht vom Oktober 2015 eine Mobbingsituation am Arbeitsplatz bei der Klinik W. als vermutete Ursache für eine durch Psychotherapie ab 2012-2015 behandelten Anpassungsstörung mit Erschöpfung und depressiver Verstimmung sowie Schlaflosigkeit beschrieben. Dabei bestand insbesondere hoher Leidensdruck aufgrund von Schlafstörungen mit gestörtem Tag/Nacht-Rhythmus, welche durch den massiven Schichtdienst befördert wurden.

Die Beklagte ging nachfolgend in ihrer Leistungseinschätzung vom 01.03.2016 von einer fehlenden Eignung für pädagogisch/therapeutische Tätigkeiten aus, ohne diese Einschätzung im Anschluss hieran während des langanhaltenden Verwaltungsverfahrens einer näheren Überprüfung zum Beispiel durch eine Maßnahme zur Belastungs- und Eignungserprobung zu unterziehen.

Diese die gesundheitliche Eignung weiter aufklärenden Maßnahmen hätten sich angesichts der vorgelegten positiven Eignungsmessung des Landratsamts Oberallgäu vom 21.08.2015, dem Ergebnis der ärztlichen Begutachtung des Dr. W. vom 30.06.2016 und der positiven Berichte des Klinikum K. über die absolvierte Praktikumszeit als Seelsorger durchaus aufgedrängt.

Dabei erscheint es insbesondere unverständlich, weshalb das von der Beklagten selbst in Auftrag gegebene Gutachten des Dr. W. mit dem Ergebnis der Geeignetheit der angestrebten Förderung und der Empfehlung einer den Wünschen des Klägers entsprechenden Teilhabemaßnahme letztlich nicht weiter aufgegriffen wurde. Soweit die Beklagte Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung des Sachverständigen hatte, hätte Anlass bestanden, dem Leistungsberechtigten eine Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung konkret anzubieten, um hinsichtlich des bestehenden gesundheitlichen Eignungsbildes bessere Erkenntnisse zu erlangen.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Kosten der ersten Ausbildungsstufe zum Begleitenden Seelsorger, welche der Kläger vom Oktober 2015 bis Juli 2016 absolviert hat, als selbstbeschaffte Maßnahme vor der behördlichen Entscheidung über den Antrag vom 04. 08.2015 nach § 15 SGB IX grundsätzlich ohne die zusätzlichen Voraussetzungen der Unaufschiebbarkeit des Maßnahmeantritts gem. § 15 Abs. 1 SGB IX nicht zu erstatten sind.

Unmittelbarer Streitgegenstand ist jedoch vorliegend nicht die Verwaltungsentscheidung vom 01.03.2016 mit sinngemäßer Ablehnung der Förderung der Ausbildung zum Begleitenden Seelsorger, sondern die erstmalig am 02.05.2017 abgelehnte Weiterbildungsmaßnahme zum Therapeutischen Seelsorger. Der Kläger hatte insoweit mit Schriftsatz vom 25.04.2017 einen eigenständigen Antrag zur Förderung zur der Weiterbildung zum therapeutischen Seelsorger gestellt. Dabei hat der Kläger auch fortgesetzt auf eine erforderliche individuelle Überprüfung seines Leistungsbildes hingewiesen und hat nach den vorliegenden Schriftsätzen durchaus deutlich gemacht, dass er trotz seiner eigenen klaren beruflichen Vorstellungen grundsätzlich bereit wäre, an Alternativangeboten, auch an vorbereitenden eignungsklärenden Maßnahmen mitzuwirken. Diese grundsätzlich vorhandene Bereitschaft zur Flexibilität hat der Kläger auch trotz seiner beharrlichen Versuche, in der Weiterbildung für eine seelsorgerische Tätigkeit Unterstützung zu finden, durch seine zuletzt angestrengten Versuche einer Tätigkeit als Berufsbetreuer unter Beweis gestellt.

Vorliegend durfte die Beklagte letztlich angesichts der vorstehend dargelegten Einzelfallumstände nicht allein vom Grundsatz ausgehen, dass eine durch eine festgestellte psychische Komorbidität mitbedingte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit im bisherigen Beruf dauerhaft belegt, dass jedwede pädagogische oder therapeutische Tätigkeit für den Kläger nicht geeignet ist.

Das nunmehr am 03.08.2018 abgegebene Angebot insbesondere auch für die Durchführung einer erweiterten Arbeitserprobung und Berufsfindung ist letztlich zu begrüßen, vermag aber die Ermessensfehlerhaftigkeit der streitgegenständlichen Entscheidung vom 02.05.2017 nicht mehr zu beseitigen; die fehlende ermessensfehlerfreie Entscheidung spricht dabei einer falschen Anwendung des Rechts, so dass sich auch der Überprüfungsbescheid vom 18.08.2017 mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2017 als rechtswidrig erweist.

Eine Neuentscheidung unter Anwendung pflichtgemäßen Ermessens ist auch nicht obsolet, weil die gewünschte Weiterbildungsmaßnahme bereits aus arbeitsmarktpolitischen Erwägungen als ungeeignet ausscheidet. Dabei wurde die Ablehnung durch die Beklagte der Förderung der Weiterbildung zum Therapeutischen Seelsorger zuletzt allein auf eine fehlende gesundheitliche Eignung gestützt. Soweit im Bescheid vom 02.05.2017 arbeitsmarktpolitische Bedenken anklingen, erscheinen diese nicht stichhaltig. So bieten insbesondere kirchliche Träger seelsorgerische Tätigkeiten mit existenzsichernden Erwerbseinkünften bei abgeschlossener Weiterbildung zum Beratenden oder Therapeutischen Seelsorger auch ohne ein abgeschlossenes theologisches Studium in Bereichen wie der Klinikseelsorge, als Gemeindepädagoge oder auch als pastoraler Mitarbeiter an.

Die Beklagte war daher zu verpflichten, die beantragte Förderung der Weiterbildung zum Therapeutischen Seelsorger neu zu verbescheiden. Neben der erforderlichen individuellen Prüfung des aktuellen Leistungsbildes des Klägers wird die Beklagte bei ihrer Entscheidung im Falle eines positiven Leistungsbildes für eine qualifizierende Maßnahme auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger in Ermangelung einer geeigneten sachgerechten Entscheidung bereits erhebliche zeitliche und finanzielle Investitionen in die künftige berufliche Tätigkeit im Bereich der Seelsorge getätigt hat, was bei einer zeitnahen tragfähigen negativen Entscheidung möglicherweise entbehrlich gewesen wäre; außerdem ist zu berücksichtigen, dass angesichts der Berufsausbildung des Klägers dem Grunde nach durchaus qualifizierende Maßnahmen in Betracht kommen und im Falle eines positiven Leistungsbildes letztlich hinsichtlich der Auswahl der angemessenen Teilhabeleistung auf den Zeitpunkt einer erstmals möglichen günstigen Entscheidung abzustellen wäre.

Eine Ermessensreduzierung auf null für die Bewilligung der begehrten Weiterbildung zum therapeutischen Seelsorger lässt sich vorliegend angesichts der fehlenden geeigneten Prüfung des Leistungsbildes derzeit nicht begründen. Die Beklagte hätte jedoch bei Feststellung eines geeigneten Leistungsbildes zu prüfen, ob sich das Auswahlermessen vorliegend auf die vom Versicherten gewählte und begonnene Maßnahme verengt (vergleiche hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2014, Az. L 11 R 2652/13, Rn. 33 nach Juris)

Nachdem der Klage stattzugeben war, hat die Beklagte auch gemäß § 193 SGG die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet

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(1) Die Soldaten erhalten staatsbürgerlichen und völkerrechtlichen Unterricht. Der für den Unterricht verantwortliche Vorgesetzte darf die Behandlung politischer Fragen nicht auf die Darlegung einer einseitigen Meinung beschränken. Das Gesamtbild des

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Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erbringen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 49 bis 54 des Neunten Buches, im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen nach § 57 des Neunten Buches, entsprechende Leistungen bei anderen Leistungsanbietern nach § 60 des Neunten Buches sowie das Budget für Ausbildung nach § 61a des Neunten Buches. Das Budget für Ausbildung wird nur für die Erstausbildung erbracht; ein Anspruch auf Übergangsgeld nach § 20 besteht während der Erbringung des Budgets für Ausbildung nicht. § 61a Absatz 5 des Neunten Buches findet keine Anwendung.

Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen (§ 2 Absatz 1) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags diese Personen einer Beratungsstelle nach § 32 oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen.

(1) Die Soldaten erhalten staatsbürgerlichen und völkerrechtlichen Unterricht. Der für den Unterricht verantwortliche Vorgesetzte darf die Behandlung politischer Fragen nicht auf die Darlegung einer einseitigen Meinung beschränken. Das Gesamtbild des Unterrichts ist so zu gestalten, dass die Soldaten nicht zu Gunsten oder zu Ungunsten einer bestimmten politischen Richtung beeinflusst werden.

(2) Die Soldaten sind über ihre staatsbürgerlichen und völkerrechtlichen Pflichten und Rechte im Frieden und im Krieg zu unterrichten.

Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen (§ 2 Absatz 1) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags diese Personen einer Beratungsstelle nach § 32 oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

(1) Werden bei einem Rehabilitationsträger Sozialleistungen wegen oder unter Berücksichtigung einer Behinderung oder einer drohenden Behinderung beantragt oder erbracht, prüft dieser unabhängig von der Entscheidung über diese Leistungen, ob Leistungen zur Teilhabe voraussichtlich zur Erreichung der Ziele nach den §§ 1 und 4 erfolgreich sein können. Er prüft auch, ob hierfür weitere Rehabilitationsträger im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Koordinierung der Leistungen zu beteiligen sind. Werden Leistungen zur Teilhabe nach den Leistungsgesetzen nur auf Antrag erbracht, wirken die Rehabilitationsträger nach § 12 auf eine Antragstellung hin.

(2) Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen wären. Dies gilt während des Bezuges einer Rente entsprechend.

(3) Absatz 1 ist auch anzuwenden, um durch Leistungen zur Teilhabe Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Die Aufgaben der Pflegekassen als Träger der sozialen Pflegeversicherung bei der Sicherung des Vorrangs von Rehabilitation vor Pflege nach den §§ 18a und 31 des Elften Buches bleiben unberührt.

(4) Absatz 1 gilt auch für die Jobcenter im Rahmen ihrer Zuständigkeit für Leistungen zur beruflichen Teilhabe nach § 6 Absatz 3 mit der Maßgabe, dass sie mögliche Rehabilitationsbedarfe erkennen und auf eine Antragstellung beim voraussichtlich zuständigen Rehabilitationsträger hinwirken sollen.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

(1) Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet er den Antrag insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Dieser entscheidet über die weiteren Leistungen nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen in eigener Zuständigkeit und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(2) Hält der leistende Rehabilitationsträger für die umfassende Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach § 14 Absatz 2 die Feststellungen weiterer Rehabilitationsträger für erforderlich und liegt kein Fall nach Absatz 1 vor, fordert er von diesen Rehabilitationsträgern die für den Teilhabeplan nach § 19 erforderlichen Feststellungen unverzüglich an und berät diese nach § 19 trägerübergreifend. Die Feststellungen binden den leistenden Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über den Antrag, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung oder im Fall der Begutachtung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens beim leistenden Rehabilitationsträger eingegangen sind. Anderenfalls stellt der leistende Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen umfassend fest.

(3) Die Rehabilitationsträger bewilligen und erbringen die Leistungen nach den für sie jeweils geltenden Leistungsgesetzen im eigenen Namen, wenn im Teilhabeplan nach § 19 dokumentiert wurde, dass

1.
die erforderlichen Feststellungen nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen von den zuständigen Rehabilitationsträgern getroffen wurden,
2.
auf Grundlage des Teilhabeplans eine Leistungserbringung durch die nach den jeweiligen Leistungsgesetzen zuständigen Rehabilitationsträger sichergestellt ist und
3.
die Leistungsberechtigten einer nach Zuständigkeiten getrennten Leistungsbewilligung und Leistungserbringung nicht aus wichtigem Grund widersprechen.
Anderenfalls entscheidet der leistende Rehabilitationsträger über den Antrag in den Fällen nach Absatz 2 und erbringt die Leistungen im eigenen Namen.

(4) In den Fällen der Beteiligung von Rehabilitationsträgern nach den Absätzen 1 bis 3 ist abweichend von § 14 Absatz 2 innerhalb von sechs Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wird eine Teilhabeplankonferenz nach § 20 durchgeführt, ist innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang zu entscheiden. Die Antragsteller werden von dem leistenden Rehabilitationsträger über die Beteiligung von Rehabilitationsträgern sowie über die für die Entscheidung über den Antrag maßgeblichen Zuständigkeiten und Fristen unverzüglich unterrichtet.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.