Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 07. Juni 2017 - 5 WF 75/17
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Gericht
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht – G… vom 20.04.2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den am 13.04.2017 bei Gericht eingegangenen Antrag des Antragstellers vom 12.04.2017 auf Erstattung von Fahrtkosten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht - Familiengericht – G… zurückverwiesen.
Gründe
I.
- 1
Der in B… wohnende Antragsgegner nahm im Rahmen eines Umgangsverfahrens am 19.10.2016 einen Anhörungstermin vor dem Amtsgericht - Familiengericht – G… wahr. Sein persönliches Erscheinen war angeordnet. In dem Termin beantragte er die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, die ihm mit Beschluss des Familiengerichts vom 07.04.2017 mit Wirkung ab Antragstellung bewilligt wurde. Der Beschluss wurde der Geschäftsstelle am 10.04.2017 übergeben.
- 2
Mit Schriftsatz vom 12.04.2017 hat der Antragsgegner beantragt, ihm die aufgrund der Anreise mit eigenem PKW zum Gerichtstermin entstandenen Kosten zu ersetzen.
- 3
Das Familiengericht hat diesen Antrag unter Hinweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung mit Beschluss vom 20.04.2017 zurückgewiesen. Der Erstattungsantrag des Antragsgegners sei nicht „alsbald nach dem Termin“ gestellt worden, so dass Reisekosten nicht mehr erstattet werden könnten. Wenn eine Partei Reisekosten aus eigenen Mitteln vorlege und dann für längere Zeit nach deren Entstehung auf eine Abrechnung gegenüber der Staatskasse verzichte, begründe dies die tatsächliche Vermutung, dass sie eben trotz der grundsätzlich bewilligten Verfahrenskostenhilfe zur Aufbringung der Reisekosten selbst in der Lage gewesen sei.
- 4
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde. Er macht geltend, ihm sei uneingeschränkt Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Der Antrag auf Erstattung sei rechtzeitig, nämlich zwei Tage nach der Verfahrenskostenhilfebewilligung, gestellt worden. Es mache keinen Sinn, ihm die Erstattung der Fahrtkosten mit der Begründung zu verweigern, dass er zwar als bedürftig angesehen werde, was die Anwaltsgebühren angehe, aber nicht als bedürftig, was die eigenen Reisekosten zu dem auswärtigen Termin angehe.
- 5
Mit Beschluss vom 02.06.2017 hat der Einzelrichter die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
- 7
Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, § 127 Abs. 2 Sätze 2, 3 ZPO. Gegen eine richterliche Entscheidung, mit der die Bewilligung von Reisekosten abgelehnt wird, ist die sofortige Beschwerde nach § 127 ZPO das gegebene Rechtsmittel (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 1975, Az.: IV ARZ (VZ) 29/74, zitiert nach Juris, dort Rdnr. 9; Pfälz. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.12.2005, Az.: 5 WF 140/05, zitiert nach Juris, dort Rdnr. 1).
- 8
In der Sache führt die sofortige Beschwerde zu einem vorläufigen Erfolg, § 572 Abs. 3 ZPO.
- 9
Dem Antragsgegner kann nach Auffassung des Senats die Erstattung von Reisekosten nicht mit der vom Familiengericht vorgenommenen Begründung verweigert werden.
- 10
1. Die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe erstreckt sich in analoger Anwendung von § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Bewilligungsbeschluss auf die notwendigen Reisekosten des Beteiligten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.05.2013, Az.: 13 UF 127/11, zitiert nach Juris, dort Rdnr. 3; OLG Naumburg, Beschluss vom 15.08.2012, Az.: 4 WF 85/12, zitiert nach Juris, dort Rdnr. 2; Geimer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, Komm., 31. Aufl. 2016, § 122 ZPO, Rdnr. 26; Zimmermann, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Komm., 5. Aufl. 2016, Rdnr. 530).
- 11
2. Dass der Antrag des Antragsgegners auf Reisekostenerstattung erst nahezu sechs Monate nach Durchführung des Termins eingereicht wurde, steht der Feststellung der Notwendigkeit von Reisekosten in der vorliegenden Konstellation nicht entgegen.
- 12
Im Falle der Verfahrenskostenhilfebewilligung beruht die Erstattungsfähigkeit notwendiger Reisekosten auf demjenigen Beschluss, mit welchem Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist. Im Rahmen der Entscheidung über die - nachfolgend begehrte - Reisekostenentschädigung hat das Gericht dann allein zu prüfen, ob die Bereitstellung dieser Mittel zur Prozessführung notwendig ist (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.04.2005, Az.: 9 WF 77/05, zitiert nach Juris, dort Rdnr. 5; Geimer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, Komm., 31. Aufl. 2016, § 122 ZPO, Rdnr. 27).
- 13
Ist wie vorliegend Verfahrenskostenhilfe beantragt, aber noch nicht bewilligt, muss es der bedürftigen Partei demnach gestattet sein, die Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag abzuwarten, ohne dass sie mit ihrer der Bewilligung nachfolgenden Geltendmachung der Reisekostenentschädigung präkludiert sein kann. Auf eine „alsbaldige“ Geltendmachung nach dem Termin kommt es im Fall eines bereits gestellten Verfahrenskostenhilfeantrages nicht an. Die eine Reisekostenerstattung begehrende bedürftige Partei kann allenfalls gehalten sein, ihren Erstattungsantrag „alsbald“ nach der Verfahrenskostenhilfebewilligung vorzulegen, was hier geschehen ist.
- 14
Entscheidend ist, dass der Antragsgegner bereits im Termin vom 19.10.2016 einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gestellt hatte. Diese wurde ihm mit Beschluss vom 07.04.2016, der Geschäftsstelle übergeben am 10.04.2016, rückwirkend, damit auch für den Termin vom 19.10.2016, uneingeschränkt bewilligt. Dass der Antragsgegner erst nach erfolgter Verfahrenskostenhilfebewilligung Reisekosten geltend gemacht hat, kann nicht zu seinem Nachteil gereichen, insbesondere spricht dies vorliegend nicht gegen seine Bedürftigkeit, die dem Beschluss zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vom 07.04.2017 sogar gerade zu Grunde lag.
- 15
So geht auch das LAG Düsseldorf in einer ähnlich gelagerten Konstellation von der Erstattungsfähigkeit aus. Im dortigen Fall war zum Zeitpunkt der Terminswahrnehmung Prozesskostenhilfe beantragt, die etwa drei Wochen nach dem Termin rückwirkend bewilligt wurde, woraufhin die bedürftige Partei die Reisekostenerstattung nachträglich geltend machte (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 13.06.2005, Az.: 16 Ta 181/05, zitiert nach Juris, dort Rdnr. 2 und 8). Dieser Entscheidung schließt sich der Senat an. Mag vorliegend zwischen Terminswahrnehmung und Verfahrenskostenhilfebewilligung auch ein deutlich längerer Zeitraum gelegen haben, so kann aus der vorgenannten Entscheidung jedoch abgeleitet werden, dass es maßgebend auf das Vorliegen eines Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeantrag zum Zeitpunkt des Termins ankommt.
- 16
Soweit zwischen Entstehen der Reisekosten und konkreter Abrechnung vorliegend ein Zeitraum von nahezu sechs Monaten verstrichen war, schließt dies in der vorliegenden Konstellation eine Erstattungsfähigkeit nicht aus (vgl. Dürbeck/Gottschalk PKH/VKH, Komm., 8. Aufl. 2016, Rdnr. 746), weil sich die Bedürftigkeit des Antragsgegners aus der beantragten und rückwirkend bewilligten Verfahrenskostenhilfe ergibt.
- 17
3. Die Erstattung von Reisekosten kann dem Antragsgegner nach Auffassung des Senats schließlich nicht aufgrund des Umstandes versagt werden, dass er seinen Verfahrenskostenhilfeantrag erst im Termin vom 19.10.2016, damit also zu einem einem Zeitpunkt als jedenfalls die Hinreise zum Gericht bereits erfolgt war, gestellt hat.
- 18
Nach inzwischen ganz vorherrschender und vom Senat geteilter Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sind der bedürftigen Partei entstandene Reisekosten im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe grundsätzlich auch dann zu erstatten, wenn die Partei dies erst verlangt, nachdem sie die Kosten zunächst verauslagt hat. Die Partei braucht sich die Ausgabe nicht etwa vorher „genehmigen“ zu lassen (vgl. Pfälz. OLG Zweibrücken a.a.O., Rdnr. 3; Dürbeck/Gottschalk PKH/VKH a.a.O., Rdnr. 744).
- 19
Nichts anderes kann gelten, wenn dem Beteiligten - wie vorliegend - rückwirkend Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird (vgl. auch LAG Düsseldorf a.a.O.).
- 20
Im Übrigen wäre für den Antragsgegner grundsätzlich eine Reisekostenentschädigung auch unabhängig von der Verfahrenskostenhilfe als mittellose Person zu erlangen gewesen, KV 2007 Nr. 2 zum FamGKG. Aus den Formulierungen der hierbei zumindest im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes heranzuziehenden verwaltungsinternen Richtlinien über die Bewilligung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen (vgl. Wache, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 122 ZPO, Rdnr. 9), dort insbesondere Ziffern 1.1 und 1.3 ergibt sich, dass die mittellose Person nicht gehalten ist, den Anspruch auf Reisekostenerstattung bereits vor der Terminswahrnehmung geltend zu machen. Der Beteiligte, dessen persönliches Erscheinen zum Termin angeordnet ist und der die Reisekostenerstattung nicht als mittellose Person (KV 2007 Nr. 2 zum FamGKG), sondern im Rahmen eines Verfahrenskostenhilfeantrages begehrt, kann nach Auffassung des Senats nicht schlechter stehen. In der vorliegenden Konstellation, in der ein Verfahrenskostenhilfeantrag gestellt wurde, würde es die Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten auch überspannen, daneben das Erfordernis eines weiteren Erstattungsantrages als mittellose Person aufzustellen.
- 21
4. Das Familiengericht wird nach Aufhebung und Zurückverweisung in eigener Sachzuständigkeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu über den Erstattungsantrag des Antragstellers zu entscheiden haben.
- 22
Das (vorläufig) erfolgreiche Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei (vgl. Nr. 1912 des KV zu § 3 Abs. 2 FamGKG); außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).
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Annotations
(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.
(2) Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es dem Gericht oder Vorsitzenden, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung übertragen.
(4) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss.
(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass
- 1.
die Bundes- oder Landeskasse - a)
die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten, - b)
die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei
nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann, - 2.
die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist, - 3.
die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können.
(2) Ist dem Kläger, dem Berufungskläger oder dem Revisionskläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ist nicht bestimmt worden, dass Zahlungen an die Bundes- oder Landeskasse zu leisten sind, so hat dies für den Gegner die einstweilige Befreiung von den in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a bezeichneten Kosten zur Folge.
(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.
(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar.