Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 06. März 2012 - 3 W 26/12

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2012:0306.3W26.12.0A
bei uns veröffentlicht am06.03.2012

1. Der Beteiligten zu 1) wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts - Registergericht - Wittlich vom 9. Dezember 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Mit Schreiben vom 16. Februar 2011 kündigte das Registergericht den Beteiligten nach § 394 Abs. 2 FamFG an, die derzeit vertretungslose Gesellschaft von Amts wegen zu löschen, weil sie vermögenslos sei. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Beteiligten zu 2) vom 21. März 2011 wies die Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht mit Beschluss vom 24. Mai 2011 zurück.

2

Auf oder auch nach einer hiergegen gerichteten Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 8. Juli 2011 setzte die Rechtspflegerin das Amtslöschungsverfahren nach §§ 381, 374, 388 ff, 393 ff. 21 FamFG aus und gab dem Beteiligten zu 2) auf, innerhalb eines Monats verschiedene angebliche Schadenersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber der Beteiligten zu 1) und einem Dritten gerichtlich geltend zu machen. Auf einen daraufhin eingegangenen Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2), in der dieser darauf hinwies, dass seiner Ansicht nach die Voraussetzungen einer Aussetzung des Verfahrens nicht vorlägen und dass die beiden Gesellschafter sich in Vergleichsverhandlungen befänden, ordnete die Rechtspflegerin das Ruhen des Verfahrens für die Dauer von sechs Monaten an.

3

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1), in der sie vorträgt, die Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien seien schon vor langer Zeit gescheitert.

II.

4

Das als sofortige Beschwerde in entsprechender Anwendung von § 21 Abs. 2 FamFG, §§ 567 ff. ZPO zu behandelnde Rechtsmittel ist nach von Amts wegen zu bewilligender Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig und begründet. Im Einzelnen gilt folgendes:

5

1. Das dem angegriffenen Beschluss angeordnete „Ruhen“ des amtswegig zu betreibenden Löschungsverfahrens der Gesellschaft ist eine im FamFG nicht vorgesehene, prozessuale Maßnahme des Registergerichts. Gleichwohl wird die Ansicht vertreten, dass eine solche Ruhensanordnung in entsprechender Anwendung des § 251 ZPO in den sog. „echten Streitverfahren“ der freiwilligen Gerichtsbarkeit möglich ist (Sternal in Keidel, FamFG, 17. Aufl., § 21 Rn 41). Bei einem Streit über das Ruhen des Verfahrens findet analog § 21 Abs. 2 FamFG (Sternal a.a.O., § 21 Rn. 46) oder auch analog § 252 ZPO die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff ZPO statt.

6

2. Ausgehend hiervon wäre das am 19. Januar 2012 bei Gericht eingegangene Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) gegen den ihr am 20. Dezember 2011 zugestellten Beschluss unzulässig, weil die nach § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO geltende Rechtsmittelfrist von zwei Wochen versäumt worden ist. Der Senat hat der Beteiligten zu 1) jedoch von Amts wegen (§ 18 Abs. 3 Satz 3 FamFG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt, weil die Voraussetzungen hierfür aktenkundig sind. Die Beteiligte zu 1) hat die Rechtsmittelfist schuldlos versäumt, weil die in dem angegriffenen Beschluss enthaltene Rechtsmittelbelehrung unzutreffend die innerhalb eines Monats einzulegende Beschwerde nach §§ 58 ff FamFG als das statthafte Rechtsmittel bezeichnet hat. Ein durch eine solche, inhaltlich unrichtige Belehrung verursachter Rechtsirrtum ist auch bei einer anwaltlich vertretenen Partei unverschuldet, wenn die Rechtsmittelbelehrung nicht offenkundig fehlerhaft und der durch sie verursachte Irrtum nachvollziehbar ist. Dies ist hier der Fall. Dass für das vorliegende, grundsätzlich dem FamFG unterliegenden Verfahren gerade für die angegriffene Entscheidung die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde analog anzuwenden sind, lag zumindest nicht auf der Hand.

7

3. Die Beschwerde ist begründet. Es handelt sich schon nicht um ein echtes Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in dem ein Ruhen des Verfahrens entsprechend § 251 ZPO angeordnet werden kann (vgl. Sternal a.a.O., § 21 Rn. 41). Im Weiteren ist auch nicht eine der Voraussetzungen des § 251 ZPO erfüllt. Weder haben beide Parteien die Anordnung des Ruhens des Verfahrens beantragt noch ist nach den Ausführungen der Beteiligten zu 1) anzunehmen, dass das Ruhen im Hinblick auf Vergleichsverhandlungen zwischen den Gesellschaftern oder aus einem sonstigen Grund zweckmäßig ist.

8

4. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (§ 131 Abs. 3 KostO). Ebenso erübrigt sich die Festsetzung eines Wertes des Beschwerdeverfahrens.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 06. März 2012 - 3 W 26/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 06. März 2012 - 3 W 26/12

Referenzen - Gesetze

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 06. März 2012 - 3 W 26/12 zitiert 11 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde


(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde E

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 58 Statthaftigkeit der Beschwerde


(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Beurteilung des Beschwerd

Zivilprozessordnung - ZPO | § 569 Frist und Form


(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts ande

Zivilprozessordnung - ZPO | § 251 Ruhen des Verfahrens


Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf d

Zivilprozessordnung - ZPO | § 252 Rechtsmittel bei Aussetzung


Gegen die Entscheidung, durch die auf Grund der Vorschriften dieses Titels oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 394 Löschung vermögensloser Gesellschaften und Genossenschaften


(1) Eine Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Genossenschaft, die kein Vermögen besitzt, kann von Amts wegen oder auf Antrag der Finanzbehörde oder der berufsständischen Organe gelöscht werd

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 18 Antrag auf Wiedereinsetzung


(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Ist der Beteiligte verhindert, die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde einzuhalten, beträgt die Frist einen Monat. (2) Die Form des Antrags

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 21 Aussetzung des Verfahrens


(1) Das Gericht kann das Verfahren aus wichtigem Grund aussetzen, insbesondere wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens bild

Referenzen

(1) Eine Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Genossenschaft, die kein Vermögen besitzt, kann von Amts wegen oder auf Antrag der Finanzbehörde oder der berufsständischen Organe gelöscht werden. Sie ist von Amts wegen zu löschen, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft durchgeführt worden ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gesellschaft noch Vermögen besitzt.

(2) Das Gericht hat die Absicht der Löschung den gesetzlichen Vertretern der Gesellschaft oder Genossenschaft, soweit solche vorhanden sind und ihre Person und ihr inländischer Aufenthalt bekannt ist, bekannt zu machen und ihnen zugleich eine angemessene Frist zur Geltendmachung des Widerspruchs zu bestimmen. Auch wenn eine Pflicht zur Bekanntmachung und Fristbestimmung nach Satz 1 nicht besteht, kann das Gericht anordnen, dass die Bekanntmachung und die Bestimmung der Frist durch Bekanntmachung in dem für die Registerbekanntmachungen bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystem nach § 10 des Handelsgesetzbuchs erfolgt; in diesem Fall ist jeder zur Erhebung des Widerspruchs berechtigt, der an der Unterlassung der Löschung ein berechtigtes Interesse hat. Vor der Löschung sind die in § 380 bezeichneten Organe, im Fall einer Genossenschaft der Prüfungsverband, zu hören.

(3) Für das weitere Verfahren gilt § 393 Abs. 3 bis 5 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden auf offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, bei denen keiner der persönlich haftenden Gesellschafter eine natürliche Person ist. Eine solche Gesellschaft kann jedoch nur gelöscht werden, wenn die für die Vermögenslosigkeit geforderten Voraussetzungen sowohl bei der Gesellschaft als auch bei den persönlich haftenden Gesellschaftern vorliegen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der eine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist.

(1) Das Gericht kann das Verfahren aus wichtigem Grund aussetzen, insbesondere wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. § 249 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(2) Der Beschluss ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.

(1) Das Gericht kann das Verfahren aus wichtigem Grund aussetzen, insbesondere wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. § 249 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(2) Der Beschluss ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

Gegen die Entscheidung, durch die auf Grund der Vorschriften dieses Titels oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.

(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.

(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn

1.
der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess zu führen ist oder war,
2.
die Beschwerde die Prozesskostenhilfe betrifft oder
3.
sie von einem Zeugen, Sachverständigen oder Dritten im Sinne der §§ 142, 144 erhoben wird.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Ist der Beteiligte verhindert, die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde einzuhalten, beträgt die Frist einen Monat.

(2) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Verfahrenshandlung gelten.

(3) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(4) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden.

Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.